Felidae von Samarium (Tagebuch des Professor Julius Preterius) ================================================================================ Kapitel 15: 2. Juli 1980 ------------------------ Gray und Ziebold sind die ganze Zeit damit beschäftigt, eine Genanalyse von Claudandus zu erstellen, soweit dies mit unseren bescheidenen Mitteln möglich ist. Das Tier ist nicht zu beneiden, denn es muß unvorstellbares Leid über sich ergehen lassen. Ständig müssen Gewebeproben entnommen, Injektionen und schmerzverursachende Substanzen verabreicht und Eingriffe an seinen Innereien vorgenommen werden. Es ist ein Bild zum Heulen. Da wir die Hälfte der uns zu Verfügung stehenden Zeit überschritten haben, müssen wir unter Hochdruck arbeiten. Daß wir jeden Tag fast ein Dutzend Tiere aufschneiden, wieder zunähen, oft verstümmeln oder gleich einschläfern, ist zur makabren Routine geworden. Hinzu kommt, daß ich wegen meiner Trinkerei immer öfter mit Rosalie Streit bekomme. Diese Frau weigert sich einfach einzusehen, daß ich vor Streß und Niedergeschlagenheit beinahe explodiere und zumindest in der Nacht ein beruhigendes Ventil brauche. Ich war nie dem Alkohol zugetan, auch in meiner Freizeit nicht. Meine Affinität zum Rotwein war eigentlich nur vom feinschmeckerischen Belang. Doch in den letzten Monaten stimuliert der Alkohol alle meine Sinne, lässt mich klarer denken und sorgt für die Entspannung, die ich so bitter nötig habe. Rosalie begreift das alles nicht. Ob sie je etwas begriffen hat? Ich meine die Bedeutung meiner Arbeit, meine Träume, den Sinn, den ich meinem Leben zu geben versuche? Offenbar können zwei Menschen eine Ewigkeit zusammenleben, ohne den anderen zu kennen und zu verstehen. Diese Einsicht ist bitter und traurig, traurig wie alles hier. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)