Turteltauben und sonstige Probleme von Mayani ================================================================================ Idioten und Tannenzweige ------------------------ "Nein Mama, ich will keine Plüschlutscher..." murmelte Maya und drehte sich auf die andere Seite. Der Wecker ließ sich nicht verwirren und spielte nach einem Technohit eine schöne ländliche Polka auf. Mit einem Ruck war Maya wach und schnellte hoch. Automatisiert griff ihre Hand nach rechts auf ihr Nachtkästchen und schaltete den Wecker ab. Sie brauchte nur noch eine kleine Weile, bis sie endgültig wach war. ,So ein Schreck am Morgen kann doch nicht gesund sein! Blöder Wecker!' Wütend starrte Maya in die Richtung des Weckers, der ja eigentlich nur seine Arbeit tat. Sie hatte ihn von ihrer Mutter geschenkt bekommen, damit sie auch einmal pünktlich aufstand. Denn die anderen Weckergenerationen hatten nichts gebracht und waren meistens schnell kaputt gegangen. Nur der hier war hartnäckig. Er existierte sogar noch, nachdem Maya ihn einige Male zufälligerweise gegen die Wand geschleudert hat, er dummerweise ins Wasser gefallen war und weitere Attentate überlebt hat. Maya war sich sicher, dass ihre Mutter mit der Langlebigkeit des Weckers zu tun hatte, da sie gerne bastelte. ,Wenigstens bin ich jetzt wach...' Es mochte zwar Menschen geben, die nach einer herzhaften Polka wieder einschlafen konnten, nur Maya gehörte eindeutig nicht dazu. ,Mann, hatte ich heute einen seltsamen Traum. Ich träumte tatsächlich, dass Kira der Schatten von gestern war. Ich hoffe, das stimmt nicht. Was heute wohl für ein Tag wird?' Maya streckte sich genüsslich und tapste doch noch etwas verschlafen ins Badezimmer. Dort angekommen wusch sie sich erst einmal das Gesicht. Das weckte zusätzlich noch und nun war Maya fast voll einsatzfähig. Abwesend streckte sie ihrem Spiegelbild die Zunge heraus und ließ sich dabei den gestrigen Tag Revue passieren. ,... Wie es der Awaschu-Gang wohl geht? So einfach lassen sie sich auch nicht zerschlagen! Wäre ja noch schöner, wenn das Wahrzeichen des Viertels nicht mehr existiert!' dachte sie leicht grummelnd. Leider war es nicht Maya die grummelte, sondern ihr Bauch. ,Zeit für Früühhstüüück!' Maya stürmte grinsend in die Küche und richtete sich sofort nach ihrer Ankunft ein richtiges Frühstück her: Cornflakes, Milch, Kakao, weiches Ei, Brot, Marmelade, Butter,... Sie leckte sich über die Lippen, bevor sie sich darauf stürzte. Der gestrige Abend hatte sie hungrig gemacht und die Leichen verschwanden in den Weiten ihres Unterbewusstseins. *~* ,Wieso haben meine Brüder mich nicht früher geweckt? Sie wissen doch, dass ich meinen Wecker nicht höre. Meine Noten werden nicht besser, indem ich so oft zu spät komme!' dachte Kira wütend, als er wieder einmal vor der Klasse stand und darauf wartete, dass die erste Stunde endlich vorbeiging. Er war nur ein Mittelklasseschüler. Kira merkte sich nur solche Sachen leicht, die der Lehrer ihm vorkaute. Alles andere war für nichts. Er war genau in den Fächern schlecht, in denen er meistens die Zeit vor der Tür verbrachte. Sei es nun wegen zu Spätkommens oder das Vergessen von Aufgaben. Kira vergaß die Aufgaben auch nur, wenn Ryoga wieder einmal seine Schultasche ausräumte und er sie wieder einräumen konnte. Da die kleine Nervensäge sich dazu noch den Spaß erlaubte, die Hälfte der Sachen in seinem Zimmer zu verstecken, war es klar, wenn er sie nicht alle wieder fand. Kira suchte bereits seit zwei Monaten sein Mathematikbuch. ,Vielleicht hätte ich gestern auch nicht noch so spät weggehen sollen. Dann wäre ich heute Morgen nicht so müde gewesen und ich hätte nicht verschlafen. Aber ich musste einfach wissen, wie es ihr geht. Die ganze Mühe gestern war umsonst, sie hat frei gehabt...' Kira gähnte leise. Jetzt war es zu spät darüber nachzudenken. Er sollte die Zeit lieber nutzen! Kira setzte sich auf den Boden und holte sich seine Hefte heraus und begann zu lernen. Sie hatten demnächst einen wichtigen Englischtest, den er unter keinen Umständen verhauen durfte. Nur war Englisch eines der Fächer, in denen er schlecht war. Kira legte sein Ohr kurz an die Tür, um zu lauschen. Doch er heute nur ganz leise die Stimme seines Englischlehrers, die er leider nicht verstehen konnte. Er seufzte und widmete sich lieber wieder seinem Heften. *~* Maya schloss die Haustür hinter sich mit einem lauten Knall. Sie und ihre Mutter schlossen nie ab. Aus dem einfachen Grund, dass die Tür nur aufging, wenn man in einem bestimmten Winkel auf sie eintrat. Sonst nicht. Sie zwei hatten ziemlich lange gebraucht, bis sie das herausgefunden hatten. Bis dahin hatten sie Probleme mit der Tür gehabt, weil sie immer geklemmt hatte. Jetzt hatten sie das Problem nicht mehr. Nur die Gäste, die zu Besuch kamen, taten sich etwas schwer. Pappsatt betrachtete Maya noch kurz ihr Zuhause. Es war ein kleines schmuckes Haus, das von außen leicht verwahrlost aussah. Die Fenster waren mit Balken versehen, die das tolle Innere versteckten. Mayas Mutter hatte an den Balken solange herumgebastelt, bis sie auf Knopfdruck auf- und zugingen. Das war sehr praktisch. Jetzt mussten sie nicht mehr durch jedes Zimmer laufen und kontrollieren ob alle zu waren, wenn sie außer Haus gingen. Eigentlich passte ihr Haus nicht wirklich in diese Umgebung. Nicht vom Zustand her, sonder von der Bauart. Denn neben dem Haus standen nur Hochhäuser. Diese sahen aber viel verwahrloster aus und waren beinahe unbewohnt. Es wohnten hauptsächlich nur Streuner darin. Außer in dem Haus gegenüber von Mayas. Dort hatte Koko, der Freund von Mayas Mutter, sein Unternehmen stationiert. Maya mochte ihn. Er war fast so etwas wie ein Vaterersatz für sie. Maya lächelte leicht zu seinem Büro hinüber und machte sich nun endlich endgültig auf den Weg zur Schule. Die erste Stunde hatte sie schon verpasst. Aber Maya hatte an ihrer alten Schule den Ruf gehabt, dass, wenn sie überhaupt einmal erschien, dann immer zu spät. Maya trug in ihrer rechten Hand ein Sackerl mit Kuchen. Den brauchte sie noch und zwar für Suro. Suro war ein Bettler und der Bestinformierteste noch dazu. Er war sozusagen eine lebende Zeitung. Soeben erreichte Maya ihn und hockte sich zu ihm. "Na? Willste die neusten Nachrichten hörn?" fragte er gleich zur Begrüßung. Maya nickte und er begann zu erzählen. Der Bettler rasselte die Nachrichten aus aller Welt herunter und Maya fragte sich zum x-ten Mal, woher er die alle hatte. ,Der muss doch Informanten haben. Sonst kann ich mir das nicht vorstellen. Aber wie bezahlt er sie? Er hat doch kein Geld!' "Okay Suro! Du bekommst das hier", Maya raschelte mit dem Sackerl, "und ich bekomme die Neuigkeiten aus diesem Viertel, ja?" Sie hielte ihm das Sackerl direkt vor die Nase und aus dem Sackerl drang der unwiderstehliche Duft von Kuchen. Selbst Maya lief das Wasser im Mund zusammen, als der Duft ihre Nase erreichte und Suro ging es genauso. Gierig schnappte er sich das Sackerl und holte den Kuchen heraus. ,Wehe, er schmeckt dir nicht! Ich habe ihn nur gebacken, damit ich die Nachrichten bekomme!' dachte Maya bestimmt. Suro biss ein Stück vom Schokoladenkuchen ab und begann zu erzählen. "Also die ..." Der Kuchen war nicht sonderlich groß. Eigentlich nur ein Minikuchen. Aber mit Kuchen konnte man Suro so schön die Informationen entlocken. Maya hörte gar nicht richtig zu, es waren nur uninteressante Themen, die Suro gerade anschnitt. Treffen von Drogendealern, die neuesten Huren, wie die waren und deren Preise, die üblichen Bandenkriege, die Probleme mit den Rattenjägern interessierten sie nicht wirklich. "...Die Erzfeinde der Awaschu-Gang haben gestern zum Großangriff geblasen und den Anführer der Gang getötet. Sie hofften, damit die Gang zu zerstreuen. Sie wissen nur nicht, dass, solange auch nur einer aus den oberen Reihen existiert, dass das nicht funktionieren kann. Timo, du kennst ihn sicher, gehört zu den oberen Reihen. Er hat den nächtlichen Kampf überlebt und hat die Gang übernommen. Timo sammelt gerade die Mitglieder wieder ein, die durch den Tod des Anführers abgesprungen sind. Aber Timo schafft das schon. Wenn jemand das Zeug zum neuen Anführer hat, dann er." Suro versank in seinen Gedanken. Maya bemerkte, dass er nichts mehr sagen würde und stand wieder auf. "Danke, ich muss jetzt los. Sonst zahlt es sich nicht mehr aus, in die Schule zu gehen." sagte sie grinsend und Suro antwortete: "Du willst in die Schule? Das ist ja ganz was Neues. Welches Bewandtnis hat es damit auf sich?" Maya sah ihn nur stumm grinsend an und lief dann ohne Abschied los. ,Wozu hat er denn seine Informanten? Die sollen das gefälligst für ihn herausfinden. Ich habe es eh schon eilig. Zum Anfang der dritten Stunde werde ich es hoffentlich noch schaffen.' *~* Es war mitten in der zweiten Stunde und Kira fragte sich ob Maya noch kommen würde. ,Ob sie krank ist? Ich hoffe nicht.' Aufmerksam passte er im Unterricht auf, nur wenn der Lehrer seine Aufmerksamkeit Nebensächlichkeiten zuwandte, kamen Kiras Gedanken auf Maya. ,Sie ist schon ein seltsames Mädchen, warum gibt sie sich überhaupt mit mir ab? Sie kann sich doch mit jedem anderen aus meiner Klasse abgeben, warum dann mit mir? Mit Kazumi versteht sie sich doch auch gut.' Der Lehrer kam wieder zum Stoff zurück, genau wie Kiras Gedanken. Wieder lenkte der Lehrer ab, ebenso seine Gedanken. ,Gestern hat sie mir gegen Taichi geholfen. Ich bin ihr zwar dankbar. Nur wirft das kein gutes Licht auf mich, wenn ich mich von Mädchen beschützen lassen muss. Sie hat es zwar gut gemeint, doch ich sage ihr lieber, dass sie das in Zukunft lassen soll. Taichi, wie ich ihn kenne, kommt heute sicher noch in die Klasse, um sich zu rächen. Wieso kann ich nicht krank sein?' Müde ließ Kira seinen Kopf auf sein Heft sinken und starrte aus dem Fenster. ,Wann ist die Schule endlich aus?' Langsam neigte sich die Stunde seinem Ende zu und der Lehrer verließ ausnahmsweise einmal früher die Klasse. Kiras Mitschüler jubelten und gruppierten sich gleich zusammen, um zu reden. Kaum war der Lehrer draußen, kam Taichi, wie von Kira vorausgesehen, in die Klasse und baute sich vor ihm auf. Er hatte ein paar seiner Kumpels mitgebracht, die ihn jetzt einkreisten. Kiras Mitschüler verlegten ihre Plauderstündchen an den Rand der Klasse, möglichst weit weg von Taichi. "Du kommst dir wohl stark vor, wenn du dich von deiner Freundin helfen lässt. Das zeigt aber nur, dass du ein Schwächling bist. Ein Feigling noch dazu, weil du weggerannt bist. Jetzt bekommst du meine Rache zu spüren." knurrte Taichi und packte Kira am Kragen. "Diesmal ist deine kleine Freundin nicht da um dir zu helfen. Mal sehen, wie weit du ohne sie kommst." Taichis Faust raste auf Kira zu und traf ihn hart im Gesicht. Kira keuchte auf und versuchte sich aus Taichis Griff zu befreien. Vergeblich. Es trafen immer mehr Schläge Kiras Gesicht und der Junge wimmerte bei jedem Treffer. ,Reiß dich zusammen Kira, du kannst dich befreien! Du musst dich nur konzentrieren!' versuchte er sich selber Mut zu machen. Es half und Kira trat seinem Gegner fest ins Schienbein. Taichi jaulte auf und lockerte den Griff. Kira nutzte das aus und entwand sich dem Griff. Doch er hatte dessen Kumpel vergessen. Die fingen ihn gleich wieder ein. Hilflos sah Kira Taichi an. Der jetzt ziemlich wütend war. *~* Maya sah sich vorsichtig um. Anscheinend war die Pause noch nicht aus. Erleichtert näherte sie sich ihrer Klasse. Kazumi überholte sie mit einem Lehrer im Schlepptau. Verwundert sah sie den Beiden nach. ,Da muss etwas los sein, da sie es so eilig hatten. Außerdem laufen sie auf meine Klasse zu. Das muss ich jetzt wissen, was los ist.' dachte sich Maya und beeilte sich ihnen zu folgen. Sie erreichte die Klasse erst, als der Lehrer die zwei Raufenden getrennt hatte. ,An wen geht denn diese Schimpftirade und diese Drohungen?' Maya konnte nichts erkennen, da sich die Schüler lieber als Schaulustige betätigten und sich um den Lehrer aufgestellt hatten. "Kazumi, was ist hier los?" probierte sie gleich die einfachste Methode aus, um an Informationen zu gelangen. Kazumi drehte sich überrascht zu ihr um. "Du kommst zu spät Maya. Wo warst du die ersten Stunden?" fragte sie gleich forsch. Maya zuckte scheinbar schuldbewusst zusammen. "Tut mir leid, aber ich habe den Bus verpasst. Erzähl mir lieber, was hier der ganze Auflauf zu bedeuten hat." redete sie sich heraus. Kazumi sah sie prüfend an und antwortete: "Na ja, Taichi ist mit seinen Schergen in die Klasse gekommen und hat Streit mit Kira angefangen. Es ist zu einer Prügelei gekommen. Ich habe den Lehrer geholt, damit er sie beenden kann. Jetzt kommt eben die Strafpredigt." Maya bedankte sich und drängte sich zu Kira vor. Der stand zusammen mit Taichi und empfing eine saftige Moralpredigt. ,Warum auch Kira? Soweit ich gehört habe, kann er doch nichts dafür. Wo sind eigentlich Taichis Schergen? Anscheinend haben sich die Feiglinge aus dem Staub gemacht.' naserümpfend stellte sie diese Tatsache fest. Es gefiel ihr gar nicht, wie Kira vom Lehrer wie ein Verbrecher dargestellt wurde. Sie wollte gerade eingreifen, als Kazumi sie zurückhielt. "Lass sie lieber in Ruhe, Maya. Die Stunde hat auch schon angefangen, setz dich lieber auf deinen Platz. Zweifelnd sah Maya zu Kira, setzte sich dann aber doch auf ihren Platz und holte ihre Schulsachen heraus. Kurz darauf war die Standpauke auch schon zu Ende und auch Kira setzte sich hin. Taichi kehrte wieder in seine Klasse zurück. "Fräulein Reno, wenn ich sie an die Tafel bitten dürfte!", unterbrach der Lehrer die beiden im regen Zettelaustausch. Maya verdrehte die Augen und ging lässig an die Tafel. Eine schwere Rechenaufgabe wartete auf sie. ,Glücklicherweise, haben wir genau dieses Beispiel an meiner alten Schule so genau durchgenommen.', dachte sie aufatmend. An ihrer alten Schule hatten die Schüler und auch die Lehrer ganze vier Schulstunden gearbeitet, bis sie es geknackt hatten. Dafür hat es dann jeder können. Flüssig löste sie die Aufgabe und setzte sich wieder hin. Der Lehrer und auch die Schüler hatten sie nur erstaunt dabei beobachtet. Aber im Gegensatz zum Lehrkörper hatten sie die Aufgabe nicht verstanden. Er erklärte es auch nicht und so versammelten sich am Ende der Stunde die Schüler um Maya. "Wow, toll wie du die Aufgabe gelöst hast. Sogar der Prof. hat blöd aus der Wäsche geschaut!", bewunderte ein Schüler sie. "Ach was, sie ist einfach nur ein Streber!", moserte ein anderer im Hintergrund. "Ignorier ihn! Kannst du uns das Beispiel erklären?", fragte Kazumi höflich und Maya gab sich die größte Mühe es den ausnahmsweise wissbegierigen Schülern zu erklären. "Du kannst überhaupt nicht gut erklären!", kritisierte Kira nach der Schule. Maya ging wieder zu ihm nach Hause. "Ich habe auch nie gesagt, dass ich das kann.", gab Maya zurück. Zu zweit schlenderten sie durch die Straßen. "Bist du verliebt?", platzte es aus Maya irgendwann heraus. Kira zuckte zusammen und blieb abrupt stehen. Maya ging noch ein paar Schritte, bis sie bemerkte, dass Kira stehen geblieben war. Verwirrt drehte sie sich zu ihm um. Kira musterte seine Schuhe und versuchte sein rotes Gesicht zu verbergen. Maya grinste und lief auf ihn zu. Spielerisch piekte sie ihm in die Seite. "Echt? In wen? Sag schon! Ich halte ganz sicher dicht!", fragte sie ihn neugierig. Sie piekte immer weiter, bis Kira nervös auswich. "Muss das sein?", murmelte er zögernd. "Aber hallo! Natürlich! Ich bin von Natur aus eine neugierige Person, und was ich wissen will, will ich auch wissen! Sonst würde ich ja nicht fragen!", erklärte Maya mit gewichtigem Ton und wedelte wichtigtuerisch mit ihrem Finger vor Kiras Nase herum. Beleidigt sah er sie an. "Und was, wenn ich es dir nicht sagen will?", fragte er störrisch. Sofort hörte Maya auf herum zu zappeln. Still und ernst sah sie ihn an. "Wenn du nicht willst, brauchst du es auch nicht. Ich will dich zu nichts zwingen!", antwortete sie ruhig. Maya drehte sich wieder um und ging die Straße weiter. Kira setzte sich auch wieder in Bewegung und folgte ihr leise. "Bist du jetzt sauer auf mich?", wollte Kira wissen. Maya schüttelte heftig den Kopf und sah ihn grinsend über ihre Schulter an. "Aber nicht doch! Deine Geheimnisse gehen mich nichts an. Da hast du ganz recht!", plapperte sie fröhlich und ernst zugleich. Nachdenklich sah Kira sie an. Aber in ihrem Gesicht konnte er keine Gefühlsregung lesen, die etwas anderes behauptete. Also sagte sie die Wahrheit. "Aber neugierig bin ich schon. Verrätst du es mir irgendwann doch?", hakte Maya forschend nach und Kira nickte. Die bisher ernste Stimmung hob sich wieder. Nachdem Maya noch einige Anekdoten aus ihrem bisherigen Schulleben von sich gegeben hatte, war sie fast wieder wie vorher. "Wen haben wir denn da?", fragte sie ein junger Mann. Fragend sah sich Maya um. "He Süße, du bist gemeint?", erklärte der Mann grinsend. Erst jetzt betrachtete sie ihn genauer. Er hatte kurze blonde Haare, eine Jean und ein hellblaues T-Shirt. Auf dem T-Shirt war ein Totenkopf und ein Spruch abgebildet. Den Spruch konnte sie nicht entziffern. Das T-Shirt war schon sehr ausgebleicht. Seine Arme waren muskulös. "Hallo Ken, darf ich dir Maya Reno vorstellen. Sie ist eine Mitschülerin von mir. Maya, das ist Ken, einer meiner Brüder.", stellte Kira sie vor. ,Ach daher diese Ähnlichkeit. Er sieht übernächtig aus.' Tatsächlich machte er einen sehr schläfrigen Eindruck. "Wusste gar nicht, dass du eine Freundin hast. Wie lange seit ihr schon zusammen?", wollte Ken wissen. "Sei still und geh schlafen!", fauchte Kira ihn wütend an. ,Warum ist Kira jetzt so sauer?', fragte sich Maya. Denn sie konnte sich keinen Reim auf diese Reaktion machen. Auch nicht darauf, dass Kira ganz rot im Gesicht war. Abwehrend hob Ken die Hände. "Schon gut, schon gut. Nicht gleich aufregen. Dann lebst du länger. War mir eine Ehre, dich kennen zu lernen, Süße! Bis denne!", verabschiedete er sich lächelnd und ließ die Zwei vor dem Cafe stehen. Kira seufzte und betrat dann auch das Cafe. Maya zuckte nur mit den Schultern und folgte ihm. Drinnen wurde Kira gleich von Shuro in Beschlag genommen. Ken erwartete Maya hinter der Tür und zog sie zu sich. "He Süße, wie es aussieht, hat sich Kira schwer in dich verliebt. Mach was draus und pass ein bisschen auf ihn auf. Er ist ja so naiv!", flüsterte er ihr ins Ohr. Maya bedankte sich und flüchtete zu Kira. Shuro war ihr nicht ganz geheuer. "...te Abend wieder?", fragte Shuro soeben Kira und dieser nickte. Als Ken wieder dabei war sich ihnen zu nähern, griff Kira nach Mayas Hand und zog sie ins obere Stockwerk. *~* "Sind ein hübsches Paar, nicht?", fragte Ken seinen Bruder. Warnend sah Shuro ihn an. "Du planst doch wieder etwas? Das sehe ich dir doch an der Nasenspitze an. Ich sag es dir gleich, lass es bleiben!", verwies ihn Shuro. Ken grummelte beleidigt und sah seinen Bruder unschuldig an. "Ich doch nicht!" "Vergiss es! In deinem Alter sieht diese Schnute nicht mehr niedlich aus und wirkt auch nicht mehr!", klärte Shuro ihn auf. Jetzt war Ken wirklich beleidigt. "Wir werden ja sehen... Ich gehe jetzt schlafen.", murmelte Ken noch siegessicher, bevor auch er sich in den Wohnbereich zurückzog. Kopfschüttelnd sah Shuro ihm nach. *~* Nach einer Kleinigkeit zu Essen verzogen sie sich in Kiras Zimmer. Es lag direkt neben der Küche. Durch die Tür, die kleine Stiege hoch und Maya betrat Kiras Heiligtum. An der Wand hingen wie in jedem Jungenzimmer Poster von hübschen Frauen. Aber nicht von halbnackten wie Maya erwartet hatte, sondern von angezogenen. Maya sah sie sich genauer an. Die Poster schienen Modells mit irgendwelchen Kreationen darzustellen. ,Kira hängt sich Poster von Modeschauen auf? Hätte ich nicht von ihm gedacht.', dachte sie sich. Das Bett stand direkt neben dem Stiegenaufgang. Das Zimmer war abgeschrägt, weil es unterm Dach lag. Ein Fenster war in der Dachschräge und ließ das Licht auf einen Schreibtisch mit Computer strahlen. Neben dem Schreibtisch stand ein großer Schrank. Damit war das Zimmer auch schon voll. Es war nicht gerade voll. Aber aufgeräumt. Nicht penibel, aber aufgeräumter als Mayas. "Na, genug gesehen?", fragte Kira sie schmunzelnd. Maya sah zu ihm. Kira hatte es sich in seinem Bett bequem gemacht und hatte sie grinsend beobachtet. "Noch nicht ganz, aber der Rest fällt unter Privatsphäre und geht mich nichts an. Ach, noch etwas, das Grinsen steht dir nicht, mach es weg!", forderte sie ihn ebenfalls grinsend an. "Du grinst doch auch!", verteidigte er sich. "Schon, aber das Grinsen ist mein Markenzeichen. Und dir steht es nicht, also tu es endlich weg!", wiederholte sie ihre Forderung. Trotzig schüttelte Kira den Kopf. Maya sah ihn kurz musternd an. Unter ihrem stechenden Blick wurde es Kira ganz unbehaglich zumute. Unruhig rutschte er etwas auf dem Bett herum. Endlich beendete Maya ihre Musterung. "Gut, du hast von selber zu Grinsen aufgehört. Ich hätte schon fast nachgeholfen!", sagte sie schließlich. Kira gefiel dabei nicht ihr ernster Ton. Maya klatschte kurz in die Hände. "Wie wäre es, wenn wir mit den Hausaufgaben beginnen würden. Dann haben wir nachher Zeit für irgendetwas anderes.", schlug sie vor. Kira stimmte ihr zu und sie stürzten sich mit Jubelschreien auf ihre ach so lieben Aufgaben. Im Hintergrund tönten Heavy Metal Lieder durchs Haus. Nach einer Weile klopfte es an der Tür und ein sehr genervt aussehender Shuro stand in der Tür. Er brachte ein Tablett mit belegten Broten und etwas zu Trinken. Langsam riss ihm der Geduldsfaden. "Kannst du nicht einmal aufhören zu zappeln?!", herrschte er seinen Bruder Ken an. Dieser machte sich nichts daraus und versuchte weiterhin einen Blick auf Maya und Kira zu werfen. Es endete damit, dass er die Stiege hinunterpurzelte. Ein Schmerzensschrei erklang feierlich und Shuro und Kira seufzten synchron auf. Auf Mayas fragendem Blick hin, erklärte Shuro nur: "Ignorier den Kindskopf." Nicht wirklich beruhigt, stürzte sie sich trotzdem auf die Brote. Wie hungrig doch Schule machen konnte, auch wenn man noch nicht einmal vor einer Stunde üppig zu Mittag gegessen hatte. Shuro verabschiedete sich auch gleich wieder. "Ich habe die Wette gewonnen!", hörten Kira und Maya ihn beim hinausgehen leise vor sich hin murmeln. "Sag bloß, die haben gewettet, was wir hier heroben machen?", wollte Maya von Kira wissen. Bei ihm schien auch der Groschen zu fallen und er schrie laut über die Stiege hinunter: "IDIOTEN!!!" Maya kicherte vor sich hin. "Was wollen wir jetzt machen? Mit den Aufgaben sind wir ja schon größtenteils fertig.", fragte sie Kira neugierig. Kira überlegte kurz und ihm schien nichts einzufallen. "Computer spielen?", schlug er leise vor. Doch Maya wehrte heftig ab. "Ohne mich, ich kenne mich mit Computer nicht aus. Ich will nichts kaputt machen!!" "Dann bring ich es dir bei. Es ist nicht schwer.", forderte er sie auf und sie lernten weiter... Als es dunkel wurde, verabschiedete Maya sich von den Jungs. ,Jetzt kenne ich schon drei von ihnen. Wie wohl die restlichen Zwei sind? Ich freue mich darauf, sie endlich kennen zu lernen!', dachte sie fröhlich auf dem Heimweg. Kurz vor ihrem Viertel steckte sie ihre Wertsachen weg und betrat das Hagae-Viertel schließlich. ,Seltsam, es ist so wenig Gesindel auf der Straße. Ist heute irgendetwas Wichtiges?' Verwirrt sah sie sich um. Das ganze Viertel roch heute auch gar nicht so streng wie sonst immer. Der Gestank der toten Ratten war verschwunden. Stattdessen lag ein anderer Geruch in der Luft. Maya schnupperte leicht. ,Tannenzweige? Hat hier wer mit einem Parfum herumgesprayt?' Das wurde ja immer mysteriöser. Es lag auch kein alter Abfall herum. Es war alles seltsam aufgeräumt. Soweit man das halt in diesem Viertel sagen konnte. ,Tannenzweige... Irgendetwas hat es mit diesem Duft doch auf sich.' Nachdenklich ging sie weiter durch die leeren Straßen. ,Mist! Wieso will es mir nicht einfallen!!' Genervt durchwühlte sie ihre Taschen. Als das nichts half, setzte sie sich einfach auf eine Mülltonne am Straßenrand. ,Jetzt bleibe ich solange hier sitzen, bis es mir einfällt!' Maya verschränkte ihre Arme und dachte angestrengt nach. Langsam fiel es ihr wieder ein. ,Genau! Wie konnte ich das nur vergessen?! Tannenzweige laden zu einer Totenandacht ein. Gestern wurde doch die Awaschu-Gang niedergemetzelt. Die Toten wurden heute sicher schon begraben. Das erklärt auch die sauberen Straßen. Es waren ja sicher auch wichtige Persönlichkeiten dabei. In welchem Gebäude werden die Toten jetzt eigentlich begraben? War das nicht im alten Waschsaloon?' Wenn im Hagae-Viertel jemand starb. War das nicht weiter tragisch, kam ja oft genug vor. War es aber ein Bewohner aus dem Viertel, wurde er begraben. "Priester" war noch die ehrlichste Arbeit, die man in diesem Viertel nachgehen konnte. Waren die Toten hohe Persönlichkeiten oder viele auf einmal, wurden die Straßen etwas gereinigt und nd der Duft von Tannenzweigen lag dann in der Luft. Da es in diesem Viertel keine ordentliche Friedhöfe gab, wurde in größeren Gebäuden der Kellerboden aufgerissen, um dort dann die Toten zu begraben. An den Wänden wurden dann die Namen und ein kleiner Lebenslauf eingeritzt. Schließlich stand Maya vor dem Waschsaloon. Er war hell beleuchtet und einige Priester begrüßten die ankommenden Trauergäste. Timo war auch darunter. ,Gott sei Dank! Er hat die Nacht überlebt!' Er hatte zwar zahlreiche kleinere Wunden, doch die schienen nicht sonderlich schlimm zu sein. Er sah sie überrascht an, als er Maya bemerkte. Sie begrüßte ihn höflich. Doch er verzog sich mit ihr in eine dunkle Ecke der Eingangshalle. "Was machst du denn hier?", wollte er ruppig von ihr wissen. ,Was soll der Ton? Immerhin waren das Viertelkumpane. Die kann ich doch nicht einfach im Stich lassen, wenn sie sterben! Wenigstens an der Andacht kann ich teilnehmen, wenn ich schon nicht aufräumen oder begraben geholfen habe!', dachte sie beleidigt. Angriffslustig funkelte sie Timo an. Timo seufzte und schüttelte nur den Kopf. "Danke, dass du gekommen bist!", flüsterte er leise und begab sich dann wieder zu den Priestern. Nicht ohne ihr vorher einmal sanft über den Kopf zu streicheln. ,Was sollte das jetzt?' Verwirrt sah sie ihm nach. Maya schüttelte kurz den Kopf und begab sich dann in den Keller. Die Wege waren voll gestopft mit all dem Gesindel, das Maya auf den Straßen vermisst hatte. Es waren viele gekommen. Die Awaschu-Gang war gut für das Viertel gewesen und hatte immer für alle ein offenes Ohr und eine helfende Hand. Wenn sie gut aufgelegt war... Deshalb waren jetzt auch so viele Menschen anwesend. Viele Mitglieder waren nicht gestorben. Die Meisten hatten es überlebt. Aber die hochrangigen hatte es erwischt. Es gingen ein paar Gerüchte um, wer die Angreifer gewesen sein könnten. Doch keiner wusste es genau. Nach einer Weile des Betens verließ Maya das Gebäude wieder. Timo war nirgends zu sehen. Hosted by Animexx e.V. 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