Er von Xeres ================================================================================ Kapitel 1: Er ------------- ... Es regnete. Die Menschen eilten von der Arbeit nach Hause. Schwere Wolken verdunkelten den Himmel. Es war später Nachmittag, als sie mit einem Buch über dem Kopf, das sie nur kaum vor dem andauernden Regen schützte, durch die Straßen lief. Sie kannte ihren Weg, denn sie ging jeden Tag in dasselbe Café. Es war ein kleines japanisches Café inmitten von großen Häusern. Sie wusste, dass es hier warm und behaglich sein wird und, dass der heiße Grüne Tee wieder Wärme, in ihren durchnässten Körper, bringen wird. An der Tür blieb sie einen kurzen Moment stehen, um sie gleich darauf zu öffnen. Ein leises Klingeln ertönte, als sie das Café betrat und der wohlbekannte Geruch stieg ihr, wie jeden Tag, in die Nase. Sie trat hinein und schaute sich nach einem Tisch um. Das gelblich-matte Licht verbreitete eine geheimnisvolle und verträumte Stimmung. An der Wand fand sie einen leeren Platz. In der Tischmitte stand ein Ikebana-Gesteck und auf dem Boden, vor dem niedrigen Tisch, lagen bequeme Kissen. Sie ging langsam dorthin und setzte sich auf eines davon. Sie musste warten, bis eine Bedienung kam und schaute sich deshalb noch Mal um, obwohl sie genau wusste, wo und wie alles stand. Sie kannte sogar die meisten Leute von den Gesichtern her und manche sogar mit den Namen. Die leisen, fließenden Gespräche verbreiteten eine ruhige Atmosphäre und, an einem regnerischen und düster wirkenden Tag wie diesem, auch einen Hauch von Melancholie. Sie schaute sich weiter um, doch am Tisch an der gegenüberliegenden Wand blieb ihr Blick haften. Sie konnte nichts genaues erkennen, da die Bedienung, in einem bunten Yukata, vor dem Gast stand und seine Bestellung vor diesen auf den Tisch stellte. Nach einer Weile verbeugte sie sich und ging. Das Mädchen am Wandtisch konnte nun endlich sehen, was seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Der Mann am gegenüber stehenden Tisch hob langsam den Kopf, da er sich ebenfalls verbeugt hatte. Sie konnte jetzt deutlich sein Gesicht erkennen. Es war ein junger Mann vielleicht erst 22, doch seine Gesichtszüge waren sehr ausgeprägt. Seine dunklen Augen wirkten konzentriert und unberührbar. Die ganzen klaren und geraden Linien seines Gesichtes, ließen ihn kühl und unantastbar aussehen. Seine dunklen, langen Haare unterstrichen seine Züge und verdeckten, jedes Mal; wenn er sich vorbeugte, um den Tee vorzubereiten, geheimnisvoll seine dunklen Augen. Sie beobachtete jede seiner Bewegungen. Jeder Handgriff saß perfekt. Jede Bewegung war sicher und fließend. Als er die kleine runde Tasse in die Hände nahm und sie drei Mal, entgegen des Uhrzeigersinns, drehte, sah sie seine langen, schlanken Finger. Mit einer sanften Bewegung führte er die Tasse zu seinen Lippen. Sie wusste, dass der Tee heiß war, doch kein einziger Gesichtszug und keine Rührung, die er machte, verriet das. Er setzte die Tasse genauso sacht, wie er sie aufnahm, wieder ab. Emotionslos nahm er etwas Süßes aus der Schale, die vor ihm stand und führte dieses, genauso wie zuvor die Tasse, zum Mund. Im selben Augenblick kam eine Kellnerin und verdeckte ihr die Sicht. Erschrocken blickte sie auf und sah die lächelnde Frau vor sich stehen. Das Mädchen fand es schade, dass die Bedienung seinen Blick unterbrochen hatte, doch es lächelte freundlich und bestellte Grünen Tee. Als die Frau im bunten Yukata sich verbeugt hatte und ging, konnte das Mädchen den Tisch an der gegenüberstehenden Wand wieder sehen. Doch zur Überraschung der jungen Frau, war der Mann nicht mehr da. Auf seinem Tisch standen nur noch die kleine runde Tasse, die immer noch halb voll war, und die Schale mit den Süßigkeiten. Sie blickte sich um, in der Hoffnung ihn noch ein Mal sehen zu können, doch sie fand ihn nicht. Sie seufzt leise und wollte sich gerade umdrehen, als etwas an der Tür ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie sah hin und sah ihn wieder. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Er hatte etwas fallen lassen und beugte sich jetzt danach. Sein langer Mantel legte sich in weichen Falten auf den Boden und sein Haar verdeckte sein Gesicht. Als er sich wieder aufrichtete, steckte er gleichzeitig ein Stück Papier in die Seitentasche seines Mantels. Er stand, ihr das Gesicht zugewandt, da und strich gerade seine dunklen, weichfallenden Haare daraus. Als er sah, dass sie ihn musterte, umspielte ein Lächeln seine Lippen. Sie sah es und Röte stieg ihr in die Wangen. Sie lächelte ebenfalls und währen sie ihm freundlich zunickte, sah sie auch, dass sein Lächeln nicht bis zu seinen Augen gelang. Sie blieben kühl und dunkel und genauso unantastbar wie zuvor. Er drehte sich um und ein leises Klingeln ertönte, als er durch die Tür, durch die sie gekommen war, in den kalten Regen ging. Sie guckte zur Tür und irgendetwas in ihrer Brust schmerzte. Sie wandte sich wieder ab und schaute sich erneut um. Noch immer saßen die gleichen Menschen in dem kleinen Café. Ihre leisen Gespräche vereinten sich zu einem fließenden und murmelnden Lied. Sie atmete tief durch und wandte sich der Kellnerin zu, die den Tee schon auf ihren Tisch stellte. Das gelbliche Licht schien matt auf die kleine lackierte Tasse, die vor der jungen Frau stand. Sie bedankte sich bei der Kellnerin und lächelte in sich hinein, als ihr Blick wieder auf den Tisch an der gegenüberliegenden Wand fiel. Der Regen trommelte leise gegen die Scheiben, die den düsteren Nachmittag ausschlossen, und vermischte sich mit den Gesprächen im Café. Noch immer hingen schwere, dunkle Wolken über der Stadt, in der die Menschen von der Arbeit nach Hause eilten. Sie saß in ihrem Lieblingscafé und trank heißen Grünen Tee, während ein stechender Schmerz sich leise in ihre Brust schlich. ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)