Engel des 21. Jahrhunderts von Hoellenhund ================================================================================ Kapitel 7: Ewiger Kreis ----------------------- ,W... Was sagst du da?', stotterte Lilly, befreite sich aus Keith' Umarmung und wich ein Stück vor ihm zurück. Jede Formalität war vergessen. Irgendetwas in Lillys Kopf weigerte sich standhaft diese Tatsache hinzunehmen. Es schien einfach unmöglich. Dieser geheimnisvolle, dunkelhaarige Junge sollte die Welt zerstören wollen? Keith Gesicht hatte einen an Verzweiflung grenzenden Ausdruck angenommen und eine Sekunde sah es aus, als wollte er Lilly wieder an sich ziehen. Doch dann erhob er sich von der Bettkante und trat an das kleine Fenster gegenüber des Bettes, sodass Lilly nur noch seinen Rücken sehen konnte. Nach einigen Minuten des Schweigens klammerte sich Lilly an ihrem Nachthemd fest. ,Wieso willst du die Welt zerstören?', fragte sie wagemutig, jedoch sehr leise. Sie erwartete jede Sekunde wieder diesen stechenden Schmerz in den Adern, doch blieb er aus. Keith wandte sich wieder zu Lilly um. In seine Augen war ein Ausdruck getreten, der Lilly Schauder über den Rücken jagte und doch schimmerten sie leicht feucht. ,Ich werde nur die Welt der Menschen zerstören, das ist meine heilige Pflicht', erklärte er tonlos. ,Wieso?', fuhr Lilly ihn nun leicht erzürnt an. Ihr Herz war so verwirrt, dass sie sich nur von ihren Gefühlen leiten ließ. ,Die Menschheit muss ausgerottet werden', fuhr Keith sie an, ,Nur durch diese verletzbaren Wesen ist Gott verwundbar.' ,Was hat Gott dir getan?', schrie sie zurück, ,Er hat jahrelang auf dich gewartet, du hättest jeder Zeit in die Himmlischen Gefilde zurückkehren können!' Ein Teil von Lilly begriff kaum, was sie eigentlich sagte, doch einer anderer Teil von ihr wusste es sehr wohl. Ein Teil, der lange Zeit geruht hatte nun schlaftrunken seine Flügel entfaltete. ,Folg mir', befahl Keith und verließ das Zimmer. Verunsichert und doch hoffnungsvoll, es würde eine Erklärung für all dies geben, folgte Lilly ihm. Keith führte sie in Cynthias Zimmer. Das kleine Mädchen saß an ihrem Schreibtisch und starrte die karge Wand an. Als die Tür geöffnet wurde, wandte sie sich um: ,Was gibt es?' Keith verengte die Augen leicht und wandte sich wieder an Lilly: ,Das ist Hightholy.' Lilly starte Cynthia ausdruckslos an. Trieb Keith Schabernack mit ihr und hatte er selbst auch nur die ,Originalfassung' gelesen? Hatte er ein Gespräch zwischen Lilly und Alex belauscht? ,Das kann nicht wahr sein', sagte Lilly fest, doch die Überzeugung, dass es sich doch um die Wahrheit handelte, übermannte sie und ihr stiegen Tränen in die Augen. Langsam verließ sie rückwärts gehend den Raum, drehte sich um und rannte davon. Lilly wählte eine völlig verbale Tür und betrat den dunklen Raum. Sie machte sich nicht die Mühe Licht zu machen und lehnte sich mit dem Rücken an die Tür. Wieso verwirrte Keith sie so? Eigentlich hätte es ihr egal sein können, was er sagte. Und doch war es das nicht. Ein seltsames Band schien ihr Herz mit seinen Händen zu verbinden und was immer er tat, zerrte an ihrer Seele. Schon einige Sekunden später wurde der Türgriff hinuntergedrückt, doch die Tür wurde nicht geöffnet. Lilly lehnte an ihr und sie ging nur nach innen auf. ,Lass mich bitte ein', bat Keith mit ruhiger Stimme. ,Wieso sollte ich das tun?', fragte Lilly so leise und bedrückt, dass sie sich nicht sicher war, ob es Keith gehört hatte. ,Weil du mich liebst', war die ebenso ruhige Antwort. ,Das ist eine Lüge', erwiderte Lilly erbittert. ,Dann lass mich ein, damit ich dir erklären kann, was Gott mir getan hat', gab Keith zurück. Er schien sich über Lillys Antwort nicht im geringsten zu wundern oder zu ärgern. Zögernd trat Lilly bei Seite und Keith öffnete die Tür. Als er nun eingetreten war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, war es wieder stockfinster. ,Ich höre', fuhr Lilly ihn nicht ganz überzeugt an. ,Ich werde mich für Hightholys Schicksal an Gott rächen', antwortete Keith knapp und verstummte wieder. Eine kurze Pause entstand, in der es in Lilly unaufhörlich arbeitete. ,Du hast Ellis nie wirklich geliebt, oder?', schob sie schließlich unvermittelt ein. ,Nicht, wie es ihr gebührt hätte. Eine Scheinliebe um dem Spott der anderen Engel zu entgehen. Aber bitte versteh mich nicht falsch. Dich habe ich in mein Herz geschlossen, doch nicht den Engel Ellis in deiner Seele', antwortete Keith leise und es klang tatsächlich, als handelte es sich um die Wahrheit. ,Hightholy ist also ein Mädchen', gab Lilly trocken zurück. Tränen flossen ihr über die Wangen. Ein Teil ihres Herzens schien vor Schmerz zerrissen zu werden und doch hatte sie das Gefühl, dass nur die wiedergeborene Ellis tief in Lillys Herzen Tränen vergoss. ,Ich wünsche mir, du könntest mir verzeihen', fuhr Keith fort und versuchte die Resignation aus seiner Stimme zu verbannen, was ihm jedoch nicht gelang. ,Ich muss dir nichts verzeihen. Erzähl das Ellis', sagte Lilly leise und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, ,Überhaupt. Was bringt es dir diese Welt zu zerstören? Du wirst sterben, ich werde sterben und Hightholy wird ebenfalls sterben. Hast du sie jemals gefragt, ob sie das wirklich will?' Keith erwiderte nichts. Lillys Worte hatten ihn in einen unerwarteten Abgrund gestürzt, aus dem er keinen Ausweg fand. Da auch Lilly keinen Laut mehr über die Lippen brachte, verließ er nach einer Minute den dunklen Raum. Alex hatte sich inzwischen dazu entschieden, auf herkömmliche Weise in das Haus, in dem Lilly verschwunden war, einzubrechen. Er stocherte mit zwei Haarnadeln so lange in dem alten Schloss herum, bis es klickte und die Tür aufsprang. Selbstzufrieden und kampflustig betrat er das fremde Gebäude - und erstarrte. Er stand Cynthia gegenüber, die bei seinem Anblick ebenfalls wie festgefroren schien. ,Mein Bruder', entfuhr es ihr überrascht. Nur einige Sekunden wollte Alex seinen Augen nicht trauen, dann erfüllte ihn jäh ein grenzenloser Zorn. ,Du hast Ellis auf dem Gewissen!', schrie er Cynthia an. ,Der Schlag hat dir gegolten', fuhr sie ihn an und ballte die Hände zu Fäusten, ,Also hast allein du ihren Tod verschuldet!' Einen Liedschlag später stand Alex Hightholy in ihrer wahren Gestalt gegenüber. Ein Zweimanns hoher, streifenloser Tiger von strahlendem weiß knurrte ihn zornig an. Er war mit großen Schwingen bestückt, die in einem sanften Hellblau gefärbt waren. Zu seiner Verteidigung nahm nun auch Alex seine wahre Gestalt an. Deepdarth sah exakt genauso aus, wie seine Schwester, nur dass er von schwarzer Farbe mit roten Schwingen war. Auf der Stirn der beiden Tiere glänzte ein Stein in der Farbe ihrer Flügel. Ein an der Wand stehender Schrank zerbarst, als sich Hightholy nun zorntbrannt auf seinen Bruder stürzte. Eilig rannten Lilly und Keith hinab in das Erdgeschoss, wobei sie fast aufeinander geprallt wären. Beide waren von den Kampfgeräuschen angezogen worden und zumindest Lilly konnte kaum glauben, was sie sah. Nur ein kleiner Teil ihres Herzens verriet ihr, wer die beiden Wesen waren und was sie taten und dieser Teil war ein Erbe Ellis'. ,Hört sofort auf damit!', schrie sie Deepdarth und Hightholy entgegen. Zu ihrer Überraschung schien es zu wirken. Die beiden Wesen standen sich nun keuchend gegenüber und schienen den jeweils anderen mit Blicken durchbohren zu wollen. Diese Gelegenheit nutzte Keith um sich an die Seite des weißen Wesens zu stellen. Noch immer hielt er sich auf der Seite seiner Geliebten Hightholy. Lilly hingegen nährte sich langsam und unsicher den beiden Wesen. Doch als Hightholys Blick auf sie fiel, war es mit der Ruhe vorbei. Sie spannte die Flügel und machte sich bereit, ihrem Bruder Deepdarth den Todesstoß zu geben, den er schon vor vielen Hunderten von Jahren hätte erhalten sollen. Auch über diese Tatsache wurde Lilly von dem kleinen fremden Teil in ihrem Leib aufgeklärt. 'Tu das nicht!', schrie sie. Farbige Bilder zogen an ihrem inneren Auge vorbei. Bilder auf denen sich Hölly fröhlich auf einer Wiese wälzte, Bilder auf denen Alex' Wangen von Tränen benetzt waren und ganze Bildbände, die die Geschichten der vergangenen Tage erzählten. Sie konnte es nicht zulassen, dass Deepdarth starb, denn erst in diesem Augenblick der Entgültigkeit bemerkte sie, dass sie ihm schon lange ihr Herz geschenkt hatte. Ohne zu überlegen rannte sie los und warf sich dem großen schwarzen Tiger um den Hals.. Hightholy bemerkte es zu spät. Ihre heilige Macht traf Lilly wie ein gleißender Lichtstrahl. Sie blickte noch einmal mit weit aufgerissenen Augen zu Deepdarth auf, dann wurden ihre Glieder schlaff. Ihre Augen schlossen sich und sie sackte leblos zu Boden. Für einige Sekunden schien Deepdarth wie gelähmt. Dann nahm er wieder seine menschliche Gestalt an, kniete neben Lilly nieder und stricht ihr sanft durch das lange Blondhaar. Was war das bloß für ein Leben? Kaum, da Alex seine Geliebte Ellis wiedergefunden hatte, wurde sie ihm auch schon entrissen. Tränen benetzten seine Wangen, als er Lillys leere Hülle hochhob, um ihr die letzte Ruhe zu gewähren. Doch er durfte nicht aufgeben, das war er Lilly schuldig. Wieder war ein Leben ausgelöscht worden um das Seine zu schützen und er würde es nicht wegwerfen. Er musste durchhalten und viele weitere Jahrhunderte nach der Wiedergeburt Ellis' suchen und eine kleine Stimme tief in seinem Herzen sagte ihm, dass er eines Tages mit ihr vereint sein würde, auch wenn sie zuvor noch viele hundert Tode sterben musste. Es gab diese winzig kleine Chance auf ewiges Glück und Alex würde sie ergreifen, indem er seines Weges ging. Immer geradeaus. ---- In der Schule eines kleinen Städtchens wurde ihm Jahr 4002 die ,Originalfassung' gelesen. Selbstverständlich wurde sie erneuert und ergänzt. So handelte sie inzwischen auch von der Liebschaft Luzifers und Hightholys und einem Mädchen, namens Lilly Hidomi. ,Deepdarth tut mir richtig Leid', seufzte Marieanne. 'Ja, so eine traurige Geschichte. Glaubst du, Ellis wird noch einmal wiedergeboren werden?', gab ihre Tischnachbarin zurück. ,Ich weiß nicht. Aber wenn hoffe ich, dass sie Hightholy nicht begegnet', überlegte Marieanne laut. Ihre türkis-blauen Augen glänzten verträumt und sie fuhr sich spielerisch durch das lange Blondhaar: ,Vielleicht lebt Ellis bereits in einer von uns...' Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)