Wintermärchen von abgemeldet
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Kapitel 1: 1
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Autor: Clea
Anm.: Diese ff widme ich Levin, die mich auf die Idee gebracht hat und Shi, die
Ryutaro über alles liebt.......
Wintermärchen
Teil 1
"Nicht wahr!!"
Schreie.
Türenknallen.
Alltag.
Ryutaro seufzte, erhob sich schwerfällig von seinem bequemen Lager, ging zur
Tür und schloss sie. Er seufzte noch einmal tief bevor er sich wieder auf den
weichen Kissen seines Bettes niederließ und seine Lektüre wiederaufnahm. So
verbrachte der Junge Abend um Abend: Alleine - er genoss die Ruhe, in seinem
gemütlichen Zimmer, gerade an eisigen Wintertagen, wie diesem - behaglich in
eine flauschige Decke gewickelt und voller Konzentration in seine Bücher
vertieft. Was das betraf war der junge Japaner äußerst wählerisch, er
bevorzugte anspruchsvollen Lesestoff, flüssig und fantasievoll geschrieben;
erfüllte ein Roman dieses Kriterium, konnte er im Weiteren sein, wie er wollte,
Ryutaro verschlang jede Art von Buch: Fantasiebücher, Krimis,
Liebesgeschichten, Literatur (japanische sowie ausländische) etc. etc.
Wirklich, könnte den sonst so steif und verschlossen wirkenden Musterschüler
jetzt jemand sehen, ihm würden Tränen in die Augen steigen bei dem
rührseligen Anblick: Der junge (er war 17), dünne Japaner, eingewühlt wie ein
Maulwurf in Decken und Kissen; Bücher, Mangas und drei sehr kitschige
Kühlschrankmagneten (in Form einer Erdbeere, eines Hasen und eines
europäischen Gelbschwanzotters) flogen auf dem Boden herum; in dieser
natürlichen Umgebung sozusagen wirkte Ryu noch viel zarter als sonst, man hatte
das Gefühl, er würde in tausend glitzernde Scherben zerbrechen, würde man
auch nur daran denken, ihn zu berühren. Noch so etwas, das er hasste (also
außer Lärm): Berührungen. Allein die Vorstellung jemanden auf die Schulter zu
klopfen oder, sehr verwegen, sogar zu umarmen, jagte dem armen Kerl bereits
wilde Schauer über den Rücken. Da blieb er doch lieber bei seinen Schätzen,
die Bücher würden ihn nicht verletzen (Anm. der Autorin: das reimt sich
*uahahaaa*). Ryutaro sagte sich immer: Alles was Seiten hat, schlägt dich nicht
(Anm. der Autorin: wie weise =.=).
Mit seinen schlanken Finger blätterte er um, die Geschichte fesselte ihn. Es
handelte sich um eine besonders wunderbare Stelle, so wunderbar, dass er
unwillkürlich lächeln musste. Das war es, was Ryutaros Bücher seinen
Mitmenschen voraus hatten: Sie zauberten einen fröhlichen, geradezu liebevollen
Ausdruck in das hübsche, feine Gesicht des Jungen. Er war tatsächlich so
vertieft, dass er gar nicht merkte, wie -
"TEUFEL, das ist nicht WAHR, du Affe!!!" Eine Tür wurde so gewaltsam
aufgerissen, dass Ryutaros Haarspitzen im Luftzug flatterten. Einer der
Kühlschrankmagneten (nämlich der in Form einer Erdbeere) stob unwillkürlich
in eine der Zimmerecken und verschwand. (Anm. der Autorin: Kühlschrankmagneten
sind in der Tat die einzigen Objekte dieser Erde, die, wenn man sie nur richtig
pflegt, eine Persönlichkeit entwickeln können; es gibt Menschen denen es
gelungen ist, ihre magnetischen Zettelhalter so weit zu bringen, dass sie nach
geraumer Zeit imstande waren, ein eigenständiges Leben zu führen; bezüglich
dessen ist öfters von einem solchen Magneten in Taizé (Frankreich) die Rede,
der sogar ohne fremde Hile Salat putzen könne) Der kleine Japaner knallte,
nebenbei bemerkt mit einer Gewalt die man ihm nicht zugetraut hätte, sein Buch
zu, schloss kurzzeitig die Augen, zählte langsam von zehn rückwärts und sagte
dann ganz ruhig: "Totchi. Raus." Ein eisiges, kristallenes Glitzern in seinen
Augen zeigte, wie ernst es Ryutaro war, doch der Eindringling dachte gar nicht
daran, dem Befehl Folge zu leisten und sich zu verziehen.
"Aber, aber, du MUSST ihm sagen, dass es nicht WAHR ist!!", empörte sich der
sehr große, sehr hübsche Junge mit glänzenden schwarzen Haaren und scharf
geschnittenem Kinn, der eben ins Reich unseres zierlichen Japaners eingefallen
war.
"Die behauptet, wenn ich so mache....", er machte so (was im Klartext heißt, er
schwang sich auf Ryutaros Schreibtisch, schlug die Beine übereinander, fuhr mit
der Hand seinen Oberschenkel nach, lehnte sich lasziv nach hinten, schloss halb
die Augen und verzog den Mund zu einem leisen, verführerischen Lächeln und das
alles in sehr kurzer Zeit), "dann sehe ich aus, wie eine Crackhure!!!!"
Der Junge, übrigens Ryutaros älterer Bruder (gerade mal 18), rieb während er
sprach.....nun ja.....nicht gewollt, sondern eher....instinktiv die Beine
aneinander und stöhnte demonstrativ, woraufhin Ryutaro ihn erschrocken
anstarrte. Übrigens trug besagter Bruder zu besagtem Augenblick nichts außer
Strapse, besetzt mit nachtblauen Rüschen und dazu ein reich verziertes blaues
Korsett am Leib.
Das musste es sein.
Er war adoptiert.
Ryutaro legte sein Buch wortlos und mit gerröteten Wangen (ob vor Wut oder
Scham ließ sich gerade schwer sagen) auf den Nachttisch und zog die Decke
Schutz suchend über seine Schultern. Wäre er jetzt doch nur wieder alleine.
Das durfte doch nicht wahr sein. Diese beiden Knallköpfe, diese Windbeutel
hatten nichts besseres zu tun, als in seine gemütliche Atmosphäre zu platzen
und den wohlverdienten Feierabend zu stören. Als nun auch der älteste von
Ryutaros beiden Brüdern im Türrahmen erschien, sagte der dünne Junge seiner
Stille (und seiner Geduld) ade und beherrschte sich nur mühsam, indem er
weiter über die These nachdachte, dass seine Eltern ihn in Wahrheit vielleicht
auf der Straße gefunden haben könnten. Hoffnung gab es noch. (Doch nicht für
den Kühlschrankmagneten, der sich in der Ecke des Zimmers total verlaufen hatte
und vermutlich nie wieder zum heimischen Kühlschrank zurückfinden würde;
nebenbei soll erwähnt werden, dass eben jene Kühlschränke tatsächlich von
einem gutherzigen Biologen anfangs den 20ten Jahrhunderts erfunden worden waren
um den armen orietierungslosen Wesen ein Zuhause zu geben; dass Kühlschränke
noch ungeahnte Vorteile für die Menschheit mit sich brachten, wie etwa der,
dass man Lebensmittel in ihnen kühlen kann, stellte sich erst später herau) Er
musste nicht zwangsweise mit diesen beiden Chaoten verwandt sein. Vielleicht
waren seine echten Eltern Drogendealer oder Kriminelle. Eben ganz normale Leute.
Das würde erklären warum er seinen Brüdern so unähnlich war.
"Pffff, du bist so nuttig, das schreit einem ja schon von weitem entgegen "Nimm
mich", Kleine Tunte!", behauptete Die, strich sich über die rot gefärbten
Haare (er war 20 und spielte in einer Band) und verzog seinen Mund zu einem
hämischen Grinsen. Bei diesem Anblick würde Ryutaro, der das ganze schweigend
beobachtete, immer am Liebsten reisaus nehmen.
"Dir ist doch egal, wer, hauptsache Sex, ne?"
"Nicht wahr", verteidigte sich der hübsche Junge, sprang auf die Beine und
rümpfte arrogant die Nase, "also bitte, gut muss er auch sein!" Damit
stolzierte er aus dem Zimmer, die Rüschen der Reizwäsche knisterten bei jedem
Schritt, seine seidigen Haare schwangen verführerisch im Takt. Die schaute ihm
nach. Dann zuckte er die Achseln und flötete "sorry wegen der Störung,
Shin-chan," was eher so klang wie "Immer wieder gern!" wandte sich um und
verließ ebenfalls den Raum.
"Grmpf, nicht mal die Tür kann er schließen!" Erzürnt stampfte der kleine
Japaner zur Zimmertür und knallte sie zu, sodass Putz von den Wänden
blätterte. "Ihr könnt mich mal......", murmelte er, schlug sich aber sogleich
erschrocken die Hand vor den Mund. Da konnte man mal sehen, wie sehr ihn seine
Brüder stressten und irritierten: Er begann sogar schon mit üblen Flüchen um
sich zu werfen! Wo sollte das nur hinführen?! Am Ende würde er sich dazu
hinreißen lassen Scheiße oder Fick dich ins Knie zu sagen, vielleicht sogar in
Gegenwart anderer!
, dachte Ryutaro, ließ sich auf sein
weiches Bett fallen und zog die Beine an < Toshiya, dieser Homo, kümmert sich
nur um seine Affären, Vater wäre bei seinem Anblick neulich beinahe in
Ohnmacht gefallen. Und Die......der und seine blöde
Musik......bescheuert......> Er umarmte seine Beine Mit diesen trüben Gedanken im Hinterkopf machte
sich Ryutaro daran weiterzulesen, auch wenn er sich jetzt nicht mehr so richtig
konzentrieren konnte.
"Hui, kann es sein, dass wir den kleinen ein wenig gestört haben?" Toshiya
stieß einen lauten Pfiff aus - er befand sich mit Die in seinem Zimmer, die
beiden hatten eben erstaunt das Türenknallen ihres kleinen Bruders zur Kenntnis
genommen.
" ist gut.....ich glaube, er ist rasend, weil wir ihn aus seiner
geliebten Lektüre gerissen haben" Die schlenderte zum Bett und ließ sich
grinsend darauf nieder.
"Pfff, so wie du aussiehst tut es dir gar nicht leid", erwiderte Toshiya
ebenfalls grinsend und zog sein Mieder vor dem Spiegel zurecht. Schließlich
nahm er einen blutroten Lippenstift zur Hand und widmete sich konzentriert
seinem Mund.
"Gott, du weißt doch, wie er ist! In Wahrheit regt er sich ständig über alles
auf, er lässt sich nur nichts anmerken....."
Der Mann vor dem Spiegel runzelte die Stirn und hielt beim make-up-Auftragen
kurz inne um schnippisch in den Raum zu werfen: "Wie hast du es dann gemerkt,
Mister Neunmalklug?"
"Ganz einfach...." Die ließ sich lachend nach hinten auf die Kissen fallen, "er
wird unkonzentriert, macht Fehler.....lässt Dinge fallen und so, du weißt
schon....Mann, wie kann er nur immer so ruhig aussehen.....er hat noch nicht ein
einziges mal die Kontrolle verloren.....ich glaube langsam, das kann er gar
nicht...."
"Und zurzeit ist Ryu-chan auch irgendwie depressiv, ne....",stellte Toshiya
seinerseits fest, drehte den Lippenstift zurück, steckte den Deckel darauf und
leckte mit der Zunge über seine geraden Zähne, um sie von Farbresten zu
befreien. Der rothaarige Mann auf dem Bett starrte zur Decke und seufzte auf.
"Gott ja, er denkt, er ist unsichtbar, niemand sieht ihn, jeder ignoriert ihn
und die Lehrer beachten ihn nur, weil er so ein kleines Genie ist....." Er
schüttelte ungläubig den Kopf. "Wie kann man nur so blind sein......."
"So unschuldig", korrigierte ihn sein Bruder und drehte sich um, um Die sein
Werk zu präsentieren: volle tiefrote Lippen, rabenschwarze lange Wimpern, die
Fransen der glatten schwarzen Haare, die ihm locker und seidig in die Augen
fielen, was wirkte, als würde sein Haar so manches geheimnis verbergen. Dazu
die nachtblaue Unterwäsche, welche nur wenige Teile seiner weißen Haut
bedeckte. Toshiya fixierte den Älteren und ging auf ihn zu, während er sagte:
"Ryutaro wird nie sehen, wie schön er ist. Mädchen wagen es nicht ihn
anzusprechen, weil er tausenmal hübscher und anmutiger ist, als sie je sein
werden. Wenn der Kleine durch die Stadt läuft, bleiben die Leute mit offenem
Mund stehen und starren ihn an. Aber das wird er nie bemerken.....er lebt in
seiner eigenen kleinen Traumwelt, wo es nichts böses gibt....hoffen wir, dass
er niemals eines Besseren belehrt wird......" Er streckte seine Hände nach Die
aus. Dieser ergriff sie und flüsterte zustimmend: "Ja, hoffen wir es." Mit
diesen Worten setzte er sich auf und umfasste Toshiyas Hüfte. Der Jüngere nahm
neben ihm Platz und zog ihn in einen innigen Kuss.
"Bruder....."
Ryutaro schwang seine Tasche auf die andere Schulter, stolperte über seine
eigenen Füße und behielt gerade noch so das Gleichgewicht. Der Schüler
schlurfte gedankenversunken und zugleich todmüde heimwärts. Er bemerkte die
zwei kichernden Mädchen nicht, die in seine Richtung deuteten und erröteten,
genausowenig wie den Jungen in Schuluniform, der, etwa so alt wie er selbst,
mitten auf dem Gehweg stehen blieb und ihm erstaunt nachblickte. Wie Recht
Toshiya hatte, der hübsche Japaner würde sich seiner eigenen Schönheit,
seiner geheimnisvollen Ausstrahlung nie bewusst werden, er würde nie bemerken,
dass sogar stockheterosexuelle Männer bei seinem Anblick schwach wurden.
Es war der 19. Dezember.
Eisiger Wind schlug ihm ins Gesicht, zerzauste seine Haare, machte seine Finger
vor Kälte gefühllos. Als nächstes wollte Ryutaro schnell etwas essen und es
sich dann mit einer heißen Tasse Tee in seinem Zimmer gemütlich machen. Da war
dieses Buch, das ihn schon seit Tagen lockte, der Junge musste es einfach
anfangen, darauf freute er sich seit langem. Ryutaro wusste genau, dass all der
Stress, die Belastung, einfach alles schlagartig von ihm abfallen würde, sobald
er die Zimmertür hinter sich schloss und die Welt draußen vor der Tür ließ.
Was für ein wunderbarer Gedanke! Und die Kühlschrankmagneten wollte er auf dem
Fenstersims deponieren, immerhin würde es sicher bald zu schneien anfangen und
sie liebten es einfach, dem weißen Treiben der Flocken zu lauschen (Anm. der
Autorin: Jawohl, lauschen; das hängt mit dem Wahrnehmungsvermögen dieser Wesen
zusammen, was hier aber zugunsten des roten Fadens unserer Geschichte außer
Acht gelassen werden soll; wir wollen ja nicht abschweifen *g*). Auf einmal ging
Ryu leichter, die Welt schien ihm auch nicht mehr so farblos. Überhaupt war der
Tag richtig gut gelaufen: Er hatte nach Unterrichtsschluss ein Gespräch mit
seinem Lehrer, Niikura-sensei, geführt. Ryutaro bewunderte und mochte den Mann
sehr, er unterrichtete Geschichte und Japanisch. Irgendwie hatte ihn dieser
Mensch immer in Schutz genommen, wofür ihm der Junge zutiefst dankbar war, da
er früher immer den Hänseleien seiner eifersüchtigen Mitschüler ausgesetzt
gewesen war. Allerdings würde Ryutaro nie verstehen, was genau, zum Teufel, ihm
jeder neidete. Das bisschen Fleiß und die guten Noten. In Japan gab es viele
gute Schüler, die gab es in jedem Land, was war daran schon besonders? Genau,
rein gar nichts. Könnten andere Dinge existieren, die Anlass zur Eifersucht
gaben?
Und solche Gedanken beschäftigten ihn, als er, daheim angekommen, die Haustür
aufschloss und leise in den Flur trat. An diesen Augenblick würde sich Ryutaro
noch lange erinnern. Solche Gedanken und Gefühle, derartige Sorgen würden ihn
niemals mehr plagen.
".....er lebt in seiner eigenen kleinen Traumwelt, wo es nichts böses
gibt....hoffen wir, dass er niemals eines Besseren belehrt wird......"
Der 19. Dezember war in diesem Sinne der Tag, an dem Ryutaro endlich eines
Besseren belehrt wurde.
"Ich bin Zuhause! Totchi? Die? Seid ihr da?" Eine sanfte, hohe Stimme schwang
zaghaft durch das stockdunkle Wohnzimmer und wurde von den Gardinen verschluckt.
Ryutaro lies behutsam seine Büchertasche vom Rücken gleiten, dachte aber gar
nicht daran, das Licht einzuschalten. Was das betraf war er etwas merkwürdig.
Der junge Schüler hatte die Dunkelheit schon immer genossen, er fühlte sich
hier seltsam geborgen, als würde das Schwarz ihn mit seinen unsichtbaren Armen
umfangen und fest halten. Einen Augenblick lang blieb er regungslos stehen, mit
weit geöffneten Augen und genoss das Gefühl endlich alleine zu sein.
Apropos, wo waren nun eigentlich seine zwei Brüder?
Eigentlich müssten beide ihm Hause sein.....oder hatte er sich getäuscht und
Dies Bandproben (zu denen er Toshiya regelmäßig mitnahm) dauerten bis 22:00
Uhr an?
Das Licht ging an.
"Hallo Ryutaro."
Die saß auf dem Sofa. Toshiya lehnte im Türrahmen.
"Schon da?"
Ryutaro wusste nicht was er sagen sollte. Ja, er war, wie beide sehen konnten,
bereits zu Hause. Aber was sollte diese Show?! Warum hatten sie nicht
geatwortet, als er gerufen hatte?
, dachte er verwirrt. Dann überkroch ihn eine panische Angst, die er
sich nicht erklären konnte.
Er ahnte, spürte, wusste, dass etwas anders war. Die hatte sich nach
vorne gelehnt und den Kopf auf seine Ellbogen gestützt. Er blickte seinen
jüngeren Bruder unverwandt mit bewegungslosem Gesicht an.
Aber was? Was war anders?
Toshiya schaute ihm in die Augen. Kein Wort. Hände in den Hosentaschen.
Ja ... die Art ... die Art wie sie ihn anschauten ... hatte sich geändert ...
nicht mehr wie ältere Geschwister ihren kleinen Bruder ... sondern ...
Die erhob sich. Er lächelte. Aber nicht dieses neckische, hämische Lächeln,
für das er so berühmt-berüchtigt war, sondern ein geradezu liebevolles
Lächeln, dass Ryutaro zutiefst verängstigte.
"Na, Kleiner?" Die stand nun vor ihm. Toshiya löste seine steife Haltung und
ging ebenfalls auf ihn zu, ganz ohne Hüftschwung, ohne anzügliches Grinsen, er
lief einfach nur, wie jeder andere normale Mensch auch.
"Wie war es in der Schule?" Die Frage stammte von Toshiya, es war klar, dass er
keine Antwort erwartete. Mit einer müden Geste striff er sich eine lose
Strähne seines dunklen Haares hinter die Ohren.
"W ... was ...?" Mehr brachte Ryutaro nicht hervor. Sein Gehirn setzte einfach
aus, die Zunge war wie gelähmt. Aus irgendeinem Grund hatte er unsagbare Angst.
Dabei standen Die und Toshiya nur vor ihm, einfach so und stellten ihm normale
Fragen, doch ihr verhalten war nicht mehr normal, eher ... bedrohlich.
Auf einmal hob Toshiya die Hand. Ganz unvermittelt, einfach so. Seine Gesicht
hatte einen weichen Ausdruck angenommen, die Augen waren halb zusammengekniffen,
der Mund zu einem leisen sanften Lächeln gekräuselt - eine Mimik, die man eher
von einer jungen Mutter erwarten würde, die ihren Kindern beim Spielen zusieht.
Der große, schlanke Mann legte seine Hand vorsichtig an die Wange des
Jüngeren. Mit der anderen Hand fasste er behutsam Ryutaros Arm, als könnte
jede unbedachte Bewegung den kleinen Bruder verletzen. Die sah mit
ausdruckslosem Gesicht zu, wie Toshiya den Jungen zum Sofa lotste und ihn
anschließend langsam an den Schultern in die Kissen drückte.
Dann ging auf einmal alles sehr schnell. Ryutaro nahm die Ereignisse wie durch
einen Schleier wahr.
, dachte er bloß,
dieser Gedanke kehrte in seinem Kopf wieder und wieder, wie eine CD auf repeat.
Nein, er war es nicht, den sein älterer Bruder Toshiya küsste, der dessen
Zunge ganz deutlich schmeckte. In Wirklichkeit war er selbst weit weg, in der
dunklen Nacht, vor dem Haus, in den Straßen. Toshiya zog ihm vorsichtig Mantel
und Hemd aus, Die hatte angefangen ihn - noch immer ohne jeglichen
Gefühlsausdruck - zärtlich zu küssen und zu streicheln. Als der Rotschopf
begann, die Hose des Jüngeren langsam aufzuknöpfen, drehte dieser den Kopf ein
wenig und schaute zum Fenster hinaus. Schnee. Endlich. Wie lange Ryutaro und
seine Mitschüler nun schon darauf warteten. Die Welt war so herrlich, wenn sie
von weißem Puder verhüllt wurde, es kam dem jungen Japaner dann immer so vor,
als würden die Flocken die Erde beruhigen, sie besänftigen und all den Ärger
und Streit mit einem kühlen Mantel ersticken. Ryutaros Sicht trübte sich,
über sein Blickfeld zogen sich Schlieren, er konnte den Schnee nun nicht mehr
sehen. Als er seinen Kopf wieder abwandte, stellte er milde verwundert fest,
dass sein Gesicht tränenüberströmt war. Er konnte gerade noch so Toshiyas
wunderschöne Augen erkennen, aber was war nur mit ihm? Sein Bruder schaute so
gequält. Auch Die wirkte besorgt. Während Totchi Ryutaros Tränen wegküsste,
zog ihm Die die Hose aus. Alles geschah so langsam, so still, als wären die
beiden Brüder auch schon von der Kälte des Schnees gelähmt. Kein Laut, nur
das Rascheln der Kleidung.
Der plötzliche Schmerz riss den zierlichen Jungen wieder in die Gegenwart
zurück, er schrie, doch der Rotschopf schlug ihm sofort die Hand vor den Mund
und drang weiter in ihn ein. Und während Die anfing, sich zu bewegen und
Toshiya, sichtlich erregt, sich an dem Glied des Jungen zu schaffen machte,
wurde diesem schlagartig bewusst, dass er splitternackt war. Die legte sich auf
den Rücken, den kleinsten Bruder auf sich, Toshiya platzierte sich schließlich
auf Ryutaro. Der junge Schüler wandte wieder seinen Kopf ab. In dieser Lage
hatte er erneut einen guten Blick auf das große Wohnzimmerfenster. Ja, der
Schnee war noch da. Er glitzerte und funkelte im Licht der Straßenlaternen. Wie
herrlich. Nacher wollte Ryu noch einmal nach draußen gehen, ein wenig die
nächtliche Landschaft bestaunen und vielleicht einen Schneemann bauen, auch
wenn ihn seine Brüder dann immer auslachten und behaupteten, er sei dafür viel
zu alt. Ach, sollten sie doch reden, dann war er eben ein Spielkind. Es gab
nicht wunderbareres, als den Winter.
Als Ryutaro erwachte war es stockfinster. Das erste, was er sah, waren zarte
Schneeflocken. Er stieg aus dem Bett, schwankte kurz, wartete, bis er sein
Gleichgewicht wiederfand und trat ans Fenster. Die Welt draußen wirkte wie
gläsern, die düsteren, nachtschwarzen Straßen waren von lautlosem
Schneetreiben erfüllt. Ryu konnte die tiefe, unendliche Stille beinahe
anfassen. Wie wunderbar wäre es doch, den kühlen Schnee jetzt auf seiner Haut
zu spüren. Er wusste nicht warum, aber sein Körper brannte wie Feuer. Aber der
Schnee rief ihn.
Wenige Minuten später öffnete sich eine Haustür in einer schmalen Straße,
irgendwo in Japan. Ein dünner Junge, den man leicht mit einem Mädchen
verwechseln konnte stapfte hinaus in die weichen Flocken, die dabei waren die
ganze Stadt unter ihnen zu begraben. Über die Straße und durch den Park. Wie
gut sich der kalte Schnee aunfühlte! Ryutaro hob den Kopf und schloss die
schmerzenden Augen. Die Flocken umtanzten ihn. Oder drehte er sich?
Schließlich umgab ihn der Schnee von allen Seiten, er konnte ihn trotz der
Dunkelheit noch gleißend hell leuchten sehen.
Aaaah, kann mich grad wirklich nicht richtig ausdrücken, gomen ne >.< ......
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