Fremde Welten (#1) von Purple_Moon (Das Reich der Schatten ist gar nicht so gruselig.) ================================================================================ Kapitel 9: Warnungen -------------------- Kapitel 9: Warnungen Yami kam gähnend aus dem Bad und wollte gerade schlafen gehen, als er plötzlich das Gefühl hatte, nicht mehr allein zu sein. "Shah Dee!" [Verdammt, und ich trage einen Schlafanzug!] Der Mann stand direkt unter dem Dachfenster und wurde vom Mondlicht beschienen. Das Licht der Nachttischlampe erreichte ihn jedoch nicht, obwohl es den ganzen Raum leicht erhellte. Yami fragte sich immer, wenn er ihn sah, ob der geheimnisvolle Ägypter vielleicht absichtlich solche Effekte schuf oder auch gleich ein Geist war. "Mein Pharao!" sprach Shah Dee in seinem kryptischen Tonfall und kniete vor ihm nieder. "Ihr dürft das Tor zum Schattenreich jetzt nicht öffnen. Eine finstere Macht wartet nur auf diese Gelegenheit." "Aber... ich muss doch Yugi da rausholen! Wie kannst du verlangen, dass ich ihn im Stich lasse?" protestierte Yami. "Ihr werdet ihn nicht im Stich lassen, aber ihr könnt ihm nicht auf diese Art helfen. Es gibt etwas anderes, das Ihr tun müsst." "Was denn? Wovon sprichst du?" "Ihr werdet es bald verstehen." Yami fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. All seine Pläne, Yugi zu retten, gingen den Bach runter. Er glaubte nicht, dass er Shah Dees Worte ignorieren durfte. Er sah auf und stellte überrascht fest, dass der Mann noch da war. "Ihr habt etwas verloren," sagte Shah Dee. Er reichte Yami eine Karte. Es war der Magier des Schwarzen Chaos. "So langsam ist das nicht mehr witzig. Was soll mir das sagen?" Doch als er dieses Mal aufblickte, war Shah Dee wirklich verschwunden. *** Dark lief am folgenden Tag rastlos herum wie ein aufgescheuchtes Huhn. Er und Yugi wurden gut behandelt, aber man ließ sie nicht aus dem Dorf. Bei Tag konnte man jetzt auch sehen, dass es sich im Schutz eines Felsvorsprungs befand und wirklich nur das Nötigste an Komfort bot, allerdings gab es in jedem Haus Gästezimmer. "Unsere Verwandten verweilen oft hier," erklärte Mystic. "Sie wohnen weiter den Berg hinab und bebauen Felder, einige halten auch Viehherden. Davon leben wir hier oben. Ab und zu werden die Rollen getauscht, und eine Familie von unten tauscht mit einer von oben. Jeder muss den Dienst für den Gott einmal übernehmen." Die meisten Bewohner waren blauhäutig, aber einige hatten fast elfenbeinweiße Haut, andere waren schwarz, weiß oder braunhäutig. Das Wetter war heute hervorragend, geradezu unerträglich heiß. Dark kam fast um durch das Wissen, dass Blacky der Sonne ausgesetzt war, ohne sich schützen zu können, außer mit dem, was er am Leibe trug. Im Laufe des Tages kam noch ein Gast. Er eilte zielstrebig auf die Dreiergruppe zu. "Mystic! Hey, Mystic!" Die Frau blickte sich um, und ein breites Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. "Celt! Wie kommst du denn hierher?" Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn innig. Celt war ein Mann mit hellbraunem Haar und langen, spitz zulaufenden Ohren. Aber für Yugi war er sofort als der Elfenschwertkämpfer zu erkennen, denn er trug die Sachen, die auf der Karte abgebildet waren, oder zumindest sehr ähnliche. Sein Schwert hatte er vermutlich abgeben müssen, denn er trug es nicht bei sich. "Ich traf Mava vorhin, er sagte, Blacky werde vermisst und ihr wärt hierher geflogen. Also hat er mich mit Silberschwinge hergebracht. Er macht sich Sorgen, weil er keine Nachricht von euch erhalten hat." "Wir können ihm keine zukommen lassen," sagte Dark deprimiert. "Hier gibt es alle möglichen Banne, und ich will nicht als Magier erkannt werden, solange es sich vermeiden lässt. Wenn es sein muss, werde ich Blacky von hier entführen." Celt hob fragend die Augenbrauen. Mystic erklärte ihm das Problem. Bei der Gelegenheit lernte er auch Yugi kennen und war hocherfreut. "Hey, ich kenne dich! Hätte nicht gedacht, dass wir uns mal wirklich treffen!" Yugi hatte den Elfenschwertkämpfer schon von Anfang an in seinem Deck gehabt. Die Begegnung hatte etwas Nostalgisches. Schade, das sie nicht feiern konnten. Sie konnten vorerst nur abwarten. "Was kann man tun, damit Blacky sich nicht opfern muss?" fragte Dark wieder einmal. "Er *will* sterben, Dark," sagte Mystic ernst. "Wenn er es will, wie willst du ihn davon abbringen?" "Er muss doch einen Grund haben! Verdammt, wir waren so glücklich! Kann es an mir liegen? Aber gestern war ich noch bei ihm, und es schien mit unserer Beziehung alles in Ordnung zu sein..." Dark ließ sich seufzend auf den Rand des Dorfbrunnens sinken. "Reg dich nicht unnötig auf. Er wird es uns sagen, sobald er kann. Und dann können wir gezielt über eine Lösung nachdenken," versuchte Yugi den Magier zu beruhigen und wunderte sich selbst darüber, wie sinnvoll er argumentieren konnte. Aber eine Rettungsaktion hatte wenig Sinn, wenn der zu Rettende nicht mitmachte. Dark war jetzt schon mit dem Nerven am Ende, obwohl noch nicht alle Hoffnung verloren war. "Ich werde dir kein Nutzen mehr sein, wenn er tot ist, Yugi," murmelte er. "Am liebsten würde ich mit ihm sterben. Aber ich bin an die Seele des Pharao gebunden... Ich will ihn nicht im Stich lassen, aber ich kann auch nicht ohne Blacky weitermachen." "Reiß dich zusammen, er ist doch noch am Leben!" flehte Yugi. Er konnte es bald nicht mehr hören, so sehr er Darks Stimmung auch verstand. "Ich werde nicht zulassen, dass er sterben muss. Aber hör jetzt auf, dich verrückt zumachen." [Und mich, nebenbei bemerkt.] "Kommt, ich erzähle euch von meinen Abenteuern, das wird euch vielleicht ablenken," schlug Celt vor. Sie folgten ihm in Talimecros' Hütte, wo sie Ruhe hatten und vor der Sonne geschützt waren. Das versprach noch ein langer Tag zu werden. *** Yami war früh aufgestanden, um im Laden zu helfen. Er war etwas nervös deswegen, schließlich hatte er so etwas noch nie gemacht, und er wollte seine Sache gut machen. Die Begegnung mit Shah Dee spukte ihm noch im Kopf herum. Wie sollte er seinen Freunden erklären, dass die Pläne sich geändert hatten? die würden ihn doch alle für durchgeknallt halten. Vielleicht konnten sie die Sache verschieben, denn sie ganz abzublasen, gefiel Yami ganz und gar nicht. Er machte sich Sorgen um Yugi, auch wenn er ihn in den sicheren Händen des Schwarzen Magiers wusste. Komisch, sich das vorzustellen. Der Arzt hatte ihn noch einmal durchgecheckt und war dann abgereist. Er meinte, dass kein Risiko mehr bestünde. Er würde aber vorsichtshalber noch für eine Woche täglich wiederkommen, um nach seinem Patienten zu sehen, und wenn es nur war, um das Krankenhaus zu beruhigen. Yami fand das ziemlich lästig. Er hatte sich heute eine von Yugis bevorzugten Lederhosen angezogen. Sie hatte zuerst etwas eng gesessen, sich aber inzwischen angepasst, als ob die Verwandlung von Yugi in Yami sich allmählich auf die Kleidung übertrug. Das enge, schwarze Oberteil, das Yugi gerne außerhalb der Schule trug, schien dagegen so dehnbar zu sein, dass Yami damit keine Probleme gehabt hatte. Er hatte auch eins der Halsbänder und zwei Armbänder angelegt. Darauf legte er persönlich keinen Wert, aber er musste schließlich Yugis Rolle spielen. Er sah in den Spiegel und fand, dass er aussah wie sonst auch, also in Ordnung. Schade, dass Yugi nicht da war, um es zu beurteilen. Yami betrachtete wehmütig sein Spiegelbild. [Yugi. Hoffentlich kommst du zurecht. Wenn ich dir doch nur helfen könnte...] Doch niemand beantwortete seine Gedanken. Seufzend wandte er sich ab und stieg die Stufen hinunter. Sugoroku erwartete ihn schon mit einer Kanne Tee in der Küche. Heute gab es Toast und Marmelade dazu. "Guten Morgen. Ich dachte, etwas Abwechslung ist dir recht, deshalb gibt es was Einfaches." Er sah sich Yamis Aufzug genau an. "Coole Klamotten hast du ausgesucht, aber das Shirt ist auf links." "Äh... tatsächlich?" Yami zog es aus, drehte das Teil um und zog es wieder an. [Peinlich, das war also der erste Patzer des Tages, und der Tag ist noch lang.] Der alte Mann lachte. "Mach dir nichts draus. Das kann mal passieren." "Ich bin wohl eine komplette Niete, wenn ich nicht Karten spiele." "Ja, Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung." "Womit hab ich das verdient..." Sugoroku lachte, setzte ihm eine Scheibe Toast vor und bot ihm verschiedene Brotaufstriche an. Yami nahm Honig, damit kannte er sich am besten aus... auch wenn er den noch nie auf ein Brot geschmiert hatte... Nach dem Frühstück zeigte Herr Mutou seinem neuen Gehilfen, wie sein Laden aufgebaut war. Zusammen packten sie eine neue Lieferung aus. Yami hatte Spaß daran, Spiele einzusortieren. Am liebsten hätte er ein paar ausprobiert, aber dazu war er ja nicht hier. Im Moment war noch nicht viel los, weil die Kinder, die normalerweise hier einkauften, noch Schule hatten. Yami nutzte die Gelegenheit, sich Mathe erklären zu lassen. Das war nicht allzu schwer für ihn - die Ägypter hatten schon Winkel und Rauminhalte berechnet, als andere Völker noch nicht einmal das Maßband erfunden hatten. Manche Ausdrücke, die in Japan benutzt wurden, waren ihm unbekannt, aber nachdem Großvater sie ihm erläutert hatte, begriff er die Zusammenhänge. Danach übte er, seinen eigenen Namen zu schreiben - Yugis, in dem Fall. Sugoroku gab ihm ein Buch zum Lesen, und er stellte fest, dass er die meisten gängigen Zeichen erkennen konnte und nur mit denen Probleme hatte, die der Normaljapaner auch nicht zwangsläufig kannte. Aber die schwierigen hatten ja immer Furigana. Lesen war offenbar einfacher als Schreiben. Die Fähigkeit, Japanisch zu lesen, hatte er zum Glück nicht mit Yugi verloren. Dann setzte Großvater ihm das Englischbuch vor. Yami starrte die aufgeschlagene Seite an. Die europäischen Schriftzeichen ergaben für ihn zwar einen Sinn, aber er verstand die Bedeutung nicht. Konzentriert blickte er genauer hin. Irgendwo musste doch Yugis Wissen sein, um ihm zu helfen! Nachdem er den Text noch einmal durchgegangen war, verstand er ihn einigermaßen. Soweit so gut. Aber hinterher schwirrte ihm der Kopf. Nun, wenigstens war er nicht ganz verloren. Zumindest dachte er das, bis er sich die Hausaufgabenzettel ansah, die seine Freunde ihm gegeben haben. Da waren Grammatikübungen drauf, bei denen man in einen Lückentext die richtige Verbform einsetzen sollte. Dann gab es eine, bei der er zwischen Adjektiv und Adverb wählen musste, und eine weitere, in der er den richtigen Artikel einzusetzen hatte, falls denn einer eingesetzt werden musste. Zu allem Überfluss entdeckte er eine handschriftliche Notiz von Tristan in der unteren Ecke, die besagte, dass am folgenden Mittwoch eine Klausur anstand. Yami fühlte sich plötzlich ganz klein und unbedeutend. "Das... werde ich nie bis nächsten Mittwoch verstehen! Ich begreife zwar den englischen Text irgendwie... aber was ist überhaupt ein Adverb?" Yami sah, dass hinter jeder Lücke ein Wort in Klammern stand, von dem die passende Form zu bilden war. Aber er hatte keine Ahnung, was von ihm erwartet wurde. "Nun, ich kann ja mal versuchen, es dir zu erklären. Durch meinen Freund Arthur, der Amerikaner ist, kann ich ziemlich gut Englisch," bot Sugoroku an. "Also, ein Adjektiv ist ein Eigenschaftswort, das sich auf ein Substantiv bezieht. Äh... Substantive sind Hauptwörter wie Haus, Mann, Spiel und so... Adjektive sind Wörter wie kalt, klein, groß. Manchmal beziehen sie sich nicht auf ein Hauptwort, sondern auf ein Verb, also ein Tätigkeitswort wie laufen, sagen, schlafen. Dann nennt man sie Adverbien, und die Englische Sprache hängt dann einfach an das Adjektiv die Endung *-ly* an, um ein Adverb zu bilden, also beispielsweise *loud* wird zu *loudly*. Hm, aber es gibt auch Ausnahmen, an *fast* wird nichts angehängt, und *hard* und *hardly* haben ganz unterschiedliche Bedeutungen, sodass man sie nicht einfach so benutzen kann wie die anderen..." "Aufhören, bitte!" ächzte Yami. "Kann ich nicht einfach noch eine Woche krank sein?" "Ich fürchte, du müsstest die Klausur nachschreiben." "Oooh... Ich entschuldige mich schon jetzt für das miserable Ergebnis, das ich haben werde." Yami ließ frustriert den Kopf auf den Tresen sinken. "Tu einfach dein Bestes," ermutigte Großvater ihn. "Dann hast du dir auch nichts vorzuwerfen. Komm, ich erkläre es noch einmal ganz langsam." Als Seto und die anderen fünf am frühen Nachmittag eintrafen, war Yami davon überzeugt, dass er die englische Grammatik nie verstehen würde. Aber davon abgesehen hatte er sich auf die Begegnung nicht gefreut, weil die folgende Konfrontation unausweichlich war. Seto wollte, dass er sofort seine Duel Disk holte und mitkam. Doch Yami musste ablehnen. "Seto, es geht nicht. Gestern ist mir dieser Ägypter Shah Dee erschienen. Er sagte, es sei im Moment zu risikoreich, das Tor zum Reich der Schatten zu öffnen. Eine finster Macht wartet darauf..." Joey packte ihn plötzlich grob am Kragen. "He, Alter, was soll das auf einmal? Gestern war noch alles klar! Willst du Yugi im Stich lassen? Vielleicht willst du ihn ja gar nicht retten, damit du Kaiba für dich alleine hast!" "Wie kannst du sowas sagen, Joey!" empörte Yami sich. "Denkst du, mir ist diese Entscheidung leicht gefallen? Aber ich habe gelernt, dass man Shah Dee ernst nehmen muss!" "Du hast mir aber noch nichts davon erzählt," mischte sich Sugoroku ein, der das Gespräch zwangsläufig mitgehört hatte. "Ich wollte bis jetzt warten, damit ich es nur einmal sagen muss," verteidigte Yami sich. "Ja, so ist es bequem! Dir gefällt es wahrscheinlich, dass du jetzt einen Körper hast, den du mit niemandem teilen musst!" Joey schubste Yami mit solcher Gewalt von sich weg, dass er gefallen wäre, wenn Tristan ihn nicht aufgefangen hätte. "Nun beruhige dich mal, Kumpel! Der Pharao hat uns bis jetzt doch keinen Anlass gegeben, ihm zu misstrauen." "Genau, Tristan. Bis jetzt!" regte Joey sich auf. "Wenn du nichts unternehmen willst, dann gib mir das Ding!" Er griff nach dem Millenniumspuzzle. Yami schlug Joeys Hände weg. "Sei vernünftig! Du kannst damit gar nichts anfangen! Ich sage ja nicht, dass wir nichts unternehmen, nur im Moment eben nicht!" "Sagtest du nicht etwas von einer Gefahr, die im Reich der Schatten lauert?" ergriff Seto zum ersten Mal das Wort. "Können wir Yugi damit alleinlassen?" "Was Shah Dee sagte, klang so, als würden wir der Bedrohung einen Weg in diese Welt ebnen, wenn wir das Tor öffnen. Das können wir nicht riskieren. Yugi würde es nicht tun." "Was mich betrifft, ich würde die Bedrohung schon gerne kennen lernen," grinste Bakura, der sich des Körpers seines Wirts bemächtigt hatte. "Falls es euch interessiert... der große Pharao hat sich früher auch schon immer angeeignet, was er haben wollte, auch wenn er dafür Rivalen aus dem Weg räumen musste." Yami starrte ihn mit offenem Mund an, für den Moment sprachlos. "Ist das wirklich wahr? So habe ich ihn nicht eingeschätzt!" meinte Thea, die Yami als Erste von den Freunden bewusst gekannt hatte. "Naja, Tatsache ist, dass er Yugi immer geholfen hat, aber das war ja auch in seinem Interesse," überlegte Duke. "Aber wenn ich ein Geist wäre und so eine Gelegenheit bekäme..." "Hört auf! Traut ihr mir das wirklich zu?" schrie Yami aufgebracht in die Runde. "Seto, du weißt, wie man sich Macht verschafft, aber du würdest nie deinen Bruder verraten! Denkst du etwa auch, dass ich mir Yugis Leben aneignen will? Ich liebe Yugi! Und ich liebe dich und weiß, dass du ihn liebst! Wie könnte ich das den beiden Menschen antun, die ich liebe? Und meinen Freunden? Und dir, Großvater?" Yami fühlte sich hintergangen. Was war mit den anderen los? "Ich habe nichts gegen dich gesagt," stellte Sugoroku ruhig klar. "Wenn es wirklich so gefährlich ist, wie dieser... Shah Dee sagt, dann müssen wir genau überlegen, was zu tun ist. Anschuldigungen bringen uns jedenfalls nicht weiter. Ihr jungen Leute hättet mal heute früh hier sein sollen. Yami hat sich abgemüht, um Englisch zu lernen, damit er Yugis Noten nicht verdirbt, solange er nicht da ist. Es hat ihm keinen Spaß gemacht. Ich glaube nicht, das das gespielt war." Yami war erleichtert, wenigstens einer war auf seiner Seite. Hoffnungsvoll sah er die anderen an. Seto kam als Erster auf ihn zu. "Reg dich nicht auf, Yami. Ich weiß, dass du mich liebst. Und du würdest mir nicht bewusst jemanden wegnehmen, den ich liebe, selbst wenn du mich dafür aufgeben müsstest. Aber das musst du nicht." Er nahm Yami kurz in die Arme und drückte ihn an sich, ließ ihn dann aber wieder los, damit die anderen ihren Teil sagen konnten. "Tut mir Leid, dass ich beinahe diesem Irren geglaubt hätte," sagte Thea mit einem Seitenblick auf Bakura, der fies grinste. Sie stieß Joey in die Rippen. "Äh, ja, ich sollte wohl an Yugi glauben und dir vertrauen, wenn er dir vertraut. Sorry, Mann," brabbelte dieser verlegen. "Lasst uns endlich aus dem Laden rausgehen, wer weiß, wer alles hätte reinkommen können," drängte Tristan. "Wie wär's wenn wir dem Pharao ein bisschen bei den Hausaufgaben helfen?" Yami seufzte. Die Situation war noch einmal gerettet, auch wenn das hieß, dass er sich für den Rest des Tages mit Schulkram rumplagen musste. Allmählich begriff er, was Shah Dee damit gemeint hatte, dass er Yugi auf andere Art helfen konnte... *** Die Nacht fand einen Magier, eine Elfe und ihren Geliebten sowie einen (körperlich) kleinen Jungen in ängstlicher Erwartung am Rande des Dorfes des Friedenslicht-Ordens. Arienne war im Haus, wo sie verschiedene Arzneien zusammenstellte, die Blacky vielleicht brauchen würde. Bisher war noch niemand auf den Berg gegangen. Dark, Yugi, Mystic und Celt warteten auf die Erlaubnis. Schließlich kam Talimecros zu ihnen und reichte Celt und Mystic je eine Fackel. Dark gab er einen Lederschlauch mit Wasser. Er selbst ließ sich eine Fackel von einem der etwa zwanzig Männer bringen, die sie begleiten würden. Für Darks Freunde und seine Mutter war es eine Qual, den Weg nach oben in feierlicher Langsamkeit zurückzulegen. Alle machten sie sich ihre Gedanken. Der Tag war heiß gewesen. Vielleicht hatte Blacky einen Sonnenbrand an den Schultern. Die blaue Haut war nicht für lange Aufenthalte in der Sonne geschaffen. Wenn er sich immer mit dem Rücken zur Sonne gehalten hatte, war er vielleicht glimpflich davongekommen. Einen Tag ohne Nahrung und Wasser konnte ein Mann ertragen. Doch dazu kamen die nicht unbedingt gesundheitsfördernden Dämpfe aus dem Krater. Die Wachen, die alle drei Stunden abgelöst worden waren, hatten kein Wort über Blackys Zustand gesagt. Sie hatten auch nichts essen und trinken dürfen, solange sie ihren Dienst taten, damit niemand dem Opfer etwas geben konnte. Die Nacht war verglichen mit dem Tag wieder kalt. Oben angelangt, sahen sie Blackys zusammengesunkene Gestalt in der Nähe des Abgrunds liegen, dessen Glut die Szene ausreichend erhellte. Dark warf einen fragenden Blick auf Talimecros und eilte auf dessen Nicken hin zu seinem Geliebten. Mystic hielt sich in seiner Nähe; sie erschuf eine helle Lichtkugel, sodass sie Blacky besser untersuchen konnten. Er war bewusstlos, und jedes bisschen freie Haut beängstigend gerötet. Es sah ganz so aus, als hätte er sich nicht vor der Sonne schützen können oder wollen. Dark wiegte ihn in seinen Armen. "Kay, wach bitte auf! Sprich mit mir!" Die roten Augen öffneten sich halb. "Dark?" Die Stimme war nur ein Krächzen. Dark flößte ihm vorsichtig ein bisschen Wasser ein. "Ganz ruhig, Blacky. Du hast es überstanden." Der Zustand des anderen Magiers machte ihm Sorgen. Nach einem Tag hätte er nicht in dieser Verfassung sein dürfen. "Es hat versucht... mich zu unterwerfen," presste Blacky hervor. "Ich musste es den ganzen Tag... zurückhalten... Dark, da ist etwas in mir... Du hättest... mich... sterben lassen sollen... es vernichten..." er hustete und verlor erneut das Bewusstsein. Der Schwarze Magier runzelte besorgt die Stirn. Hatte Blacky fantasiert? Dark und Celt trugen Blacky den Berg hinab. Sie brachten ihn in das Gästezimmer seiner Familie und legten ihn auf Darks Schlaflager. Arienne kam sofort mit einer Brandsalbe und rieb ihn damit ordentlich ein. "So ein Narr," schnaubte Talimecros, als er das sah. "Muss in der Sonne geschlafen haben, so eine Unvorsichtigkeit!" "So redet man nicht über seinen eigenen Sohn!" teilte Yugi ihm mit. Talimecros gab ein spöttisches Grunzen von sich. "Er ist nicht mein Sohn. Mein treuloses Weib hat ihn empfangen, als ich für drei Monate fort war, angeblich von jemandem, der meine Gestalt angenommen hatte. Zu der Zeit, als es geschehen sein muss, war ich meilenweit weg, zehn Männer können das bezeugen. Es war also nicht mein Samen, der diese Kreatur geschaffen hat. Arienne hätte ihn gleich nach der Geburt, nein, noch vorher umbringen müssen! Selbst wenn es ihr Leben gekostet hätte! Sie hat Schande über diese Familie gebracht, indem sie den Bastard irgendeines Dämons in die Welt gesetzt hat!" "Vater, wie kannst du so herzlos reden!" rief Mystic entsetzt. Arienne war still über ihren Sohn gebeugt, nur ihre Schultern zuckten unregelmäßig. "Blacky ist kein schlechter Mensch!" wagte Yugi einzuwenden. "Er hat mich gerettet, und er ist immer freundlich zu allen!" "Kleiner, das verstehst du nicht," wandte sich der Mann herablassend an ihn. "Das Böse muss man ausmerzen, ehe es stark wird." "Es reicht! Kayos ist freiwillig hergekommen, um sich zu opfern, weil er glaubt, es sei nötig! Bedeutet das gar nichts?" fragte Dark, bebend vor Zorn. Celt hielt ihn beschwichtigend an den Schultern fest, damit er den Mann nicht anfiel. "Die Opferung findet nun morgen Nacht statt. Ihr habt also einen Tag Zeit, euch von ihm zu verabschieden," setzte Talimecros gnadenlos fest und entfernte sich. Die Freunde rissen sich zusammen und wandten ihre Aufmerksamkeit Blacky zu. Er hatte die Augen offen und hatte offenbar gehört, was der Mann, den er für seinen Vater gehalten hatte, gesagt hatte. Aber sein Körper war zu ausgetrocknet, als dass er weinen konnte. "Er hat mich immer gehasst... Endlich weiß ich, warum," flüsterte der Magier mühsam. Dark ging neben ihm in die Knie. "Aber ich habe dich immer geliebt... auch wenn ich es nicht sofort wusste." Er nahm Blackys rechte Hand in seine und schmiegte sein Gesicht daran. "Warum? Sag es mir. Warum willst du sterben? Ich muss es wissen." "Etwas ist in mir, ein fremder Wille. Seit wir während des Rituals angegriffen wurden. Ich dachte, ich käme dagegen an, aber diese Illusion hielt nicht lange. Ich merkte, dass ich meine Magie nicht einsetzen darf, denn darauf wartet es nur. Es will meine eigene Magie benutzen, um mich zu unterwerfen, denn wenn ich mich auf die Magie konzentriere, wird für einen Moment die Macht schwächer, mit der ich es bekämpfe... Ich habe es in mir eingeschlossen und entschieden, mich hier dem Gott zu opfern, damit das Fremde zerstört wird und sich nicht ein anderes Opfer suchen kann. Selbst wenn der Gott nicht erscheint, kann der böse Geist durch die Banne des Ordens vernichtet werden." Yugi hatte im Hintergrund zugehört. "Deshalb hast du dich gestern früh nicht in eine Katze verwandelt, wie du es zuerst tun wolltest." Blacky nickte mühsam. Arienne flößte ihm noch mehr Wasser ein. "Als wir auf Schattensturm flogen, wollte ich mich damit von dir verabschieden, Yugi. Ich wollte dich zurückbringen und dann hierher fliegen. Aber dann wurde in mir das Verlangen, dich hinunter zu stoßen, übermächtig. Deshalb entschied ich, dich allein zurückzuschicken. Das war sicherer für dich, als weiter mit mir zu reisen." Er hustete, die Kraterdämpfe hatten seinen Lungen geschadet. "Diese... Läuterungszeremonie hat mich geschwächt. Ich musste es die ganze Zeit bekämpfen und war teilweise nicht ganz bei mir, deshalb hat mich die Sonne verbrannt. Ich glaube, es wollte, dass ich schwach werde und es nicht mehr aufhalten kann... Hat fast geklappt..." "Du willst dich opfern, um dieses... Etwas mitzunehmen?" wiederholte Dark fassungslos. Der andere Magier nickte. "Ihr dürft auf keinen Fall wieder Kontakt zu der anderen Welt aufnehmen. Es... oder einer seiner Verbündeten... will von hier entkommen." Yugi war schockiert. "Dann kann ich nicht von hier weg? Aber was ist, wenn Yami versucht, zu mir zu kommen?" "Lasst es ihn irgendwie wissen." Blacky schloss erschöpft die Augen. "Ich kann es nicht mehr lange aufhalten. Es wäre besser, die Zeremonie auf den Morgen vorzuziehen." "Du musst wenigstens gehen können!" protestierte Arienne unter Tränen. "Tritt unserem Gott aufrecht entgegen, mein tapferer Sohn! Ich bin so stolz auf dich!" Blacky strich ihr mit einer sonnenverbrannten Hand übers Haar. "Vergebt mir, ihr alle. Aber das ist alles, was ich tun kann." "Nein! Es muss einen anderen Weg geben!" widersprach Yugi. "Ich werde dich nicht aufgeben, Blacky!" [Ich habe auch Marik gerettet. Verdammt, wenn mir Yami doch nur helfen könnte... ohne ihn schaffe ich es vielleicht nicht...] Blacky lächelte gerührt. "Dies ist leider kein Spiel, Yugi. Hier kannst du nicht Monsterreanimation spielen, um jemanden zurückzuholen." "Das muss ich auch nicht. Davon abgesehen ist es für mich schon lange nicht mehr nur ein Spiel gewesen. Ich musste immer um das Schicksal geliebter Menschen oder der ganzen Welt spielen. Zusammen mit Yami habe ich immer gewonnen. Das hier werde ich auch nicht verlieren!" *** Fortsetzung folgt. Furigana: Kleine Silbenschriftzeichen (Hiragana), die in japanischen Texten neben weniger bekannten Kanji stehen, damit man weiß, wie man sie liest/ ausspricht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)