Glücklich sein bis zum Ende aller Tage von Xiariel ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Anthony sah auf den Zettel, als könne er nicht glauben, was darauf stand. Er ließ sich in seinen Sessel zurücksinken, spielte ein wenig mit seinem Schreiber und las sich dann das Papier erneut durch. 5.000.000$ waren verschwunden. 5.000.000$!!! Ungläubig las er immer und immer wieder die Zeilen durch. 5.000.000$, 5.000.000$. Kopfschüttelnd zerriss er das Blatt. Seine Faust schmetterte auf die Tischplatte. Fluchend stand er auf, ging zum Schrank, holte eine Flasche und ein Glas heraus. Er schüttete sich etwas von der bernsteinfarbenen Flüssigkeit in sein Glas und trank es in einem Zug leer. Sich immer wieder nachgießend, lief er im Zimmer umher, fluchte ungehemmt, während er immer wieder sein Glas leer trank. Nach einiger Zeit war die Flasche leer. Anthony torkelte nun mehr, als das er ging, lallte nun mehr, als das er fluchte. Langsam ließ er sich auf den Boden sinken, atmete tief durch und sprang wieder auf. Fast währe er wieder gestürzt, wieso musste der verdammte Raum auch so schaukeln? Er öffnete seine Bürotür, trat auf den Flur. Langsam schleifte er sich, an die Wand lehnend, den Gang längs. Ein paar seiner Leute kamen ihm entgegen, sahen ihn verwundert oder beunruhigt an, wagten es aber nicht irgendwas zu sagen. Schwankend blieb er vor einer kleinen Tür blieb er stehen, atmete ein, atmete aus, öffnete langsam die Tür. Es war dunkel im Zimmer, kein Licht brannte, die Vorhänge waren zugezogen. Ein leises Rascheln ertönte, ein leises Geräusch war immer und immer wieder zu hören. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit, er konnte nun schon die Konturen eines Bettes erahnen. Nach einer Weile konnte er ein gleichmäßiges Heben und Senken auf dem Bett erkennen. Er trat näher heran. Leise, regelmäßige Atemgeräusche versicherten ihm, das die Person im Bett schlief. Ihre Brust hob und senkte sich langsam, aber gleichmäßig. Vorsichtig ließ Anthony sich auf den Stuhl neben dem Bett sinken, beobachtete die schlafende Gestalt. Er nahm seine Hand, wollte sie vorsichtig auf die Wange des Schlafenden legen, verharrte aber wenige Millimeter davor. ,,Wieso so schüchtern?'' Er schreckte auf, Lilian setzte sich auf, machte eine kleine Nachtlampe an. Obwohl sie nicht hell war, zuckte er kurz zusammen, seine Augen gewöhnten sich nur langsam an die Helligkeit. Lilian sah ihn mißtrauisch an, dann seufzte sie. Sie stand auf, holte ein Glas und füllte es voll Wasser. ,,Hier, das wird dir gut tun.'' Aus dem Nachtschränkchen holte sie eine Tablette hervor. Sie hielt es ihm beides entgegen und er nahm es dankbar an. Sie setzte sich aufs Bett, sah ihm zu, wie er am Glas nippte und die Tablette schluckte. Schweigen. Anthony stellte das Glas auf den kleinen Nachttisch neben dem Bett und starrte zu Boden. Lilian sah ihn weiter ruhig an, das Mißtrauen war nicht ganz aus ihren Augen verschwunden. Er öffnete den Mund, wollte was sagen, schloß ihn dann wieder, blickte weiter nach unten. Die Stille umgab beide, lastete wie ein unsichtbarer Schleier auf ihnen. ,,Wo können die 5.000.000$ nur sein?'' Anthony seufzte, Lilian schwieg weiter. ,,Ich meine, niemand kann an das Geld heran, nur ich und Jay, und dieser wäre nicht so blöd und würde sich etwas davon nehmen. Er weiß, dass er der Hauptverdächtige wäre und schließlich hat er auch schon für meinen Vater gearbeitet. Mein Gott, seit mein Vater tot ist, ist er zu meinen Zweitvater geworden, er würde das nie tun, es nie wagen...'' Er verstummte, Lilian sah ihn weiter schweigend an. Nach kurzen Zögern hob sie die Hand, legte sie auf seinen Arm. Er ergriff diese, drückte sie leicht. ,,Danke.'' Ihre Stimme war kaum zu verstehen, nur ein Flüstern. ,,Danke?'' Anthony blickte sie irritiert an, sie wich seinen Blicken aus. Wieder herrschte zwischen den beide eine alles erdrückende Stille. Er stand auf, ging leise zum Fenster, zog die Vorhänge auf, öffnete es. Eine leichte Brise ließ die Vorhänge flattern, sein Gesicht war ins schwache Licht des Mondes getaucht, ließ in irreal wirken. Er sah hinaus. Kleine Wolken schoben sich vor den Mond, nahm der Welt das wenige Licht. Lilian stand auf, stellte sich neben ihn. Der Wind spielte mit ihren Haaren, ließ sie noch unwirklicher werden, als sie schon war. ,,Wie sehr habe ich das vermißt'', meinte sie leise, mehr zu sich selbst, als zu Anthony. Fragend sah er auf sie hinunter. Sie hatte die Augen geschlossen, schien nichts und niemanden wahr zu nehmen, nur den Wind. Der Mond erschien wieder hinter den Wolken, tauchte die Welt in sein blasses, kaltes Licht. ,,Ich mag das Mondlicht'', meinte Anthony ebenfalls leise und gedankenverloren. ,,Es bietet mehr Sicherheit, als das grelle Licht der Sonne.'' Nach einer Weile löste Lilian sich von ihrem Platz, ging zum Bett zurück. Anthony legte seinen Kopf schräg, sah sie fragend an. ,,Dieser Augenblick ist zu selten, als das ich ihn verderben möchte.'' Sie lachte kurz und humorlos, anscheinend konnte sie nicht anders lachen. Warum wohl? dachte Anthony. Er lächelte leicht, nicht kalt, sondern warm und freundlich. ,,Es tut mir Leid, du musst müde sein und ich störe dich, indem ich hier einfach so eindringe.'' ,,Es ist dein Zimmer, du kannst kommen und gehen wann du möchtest, zudem gehöre ich dir und du kannst mich stören wann immer du willst.'' In ihren Augen spiegelte sich Verbittertheit und Trauer wieder. Anthony wollte was erwidern, ließ es dann aber doch bleiben, sie hatte ja Recht. Oh Gott, sie hatte ja Recht mit jedem ihrer verdammten Worte. ,,Ich gehe dann.'' Er ging zur Tür hin und schloß sie leise hinter sich. ,,Gute Nacht,'' flüsterte sie ihm nach. Sie ging in ihr Bett zurück und versuchte zu schlafen, doch der Schlaf stellte sich nicht mehr ein. ,,Du weißt genau, ich habe das Geld nicht, so doof wäre ich doch nicht.'' Jay sah gelassen seinen Boss an, dieser spielte mit einem Schreiber, eine schreckliche Angewohnheit von ihm. ,,Vielleicht, vielleicht auch nicht, wer kann das schon wissen.'' Er legte den Stift beiseite, ließ den Blick durch den Raum schweifen. Außer dem Schreibtisch gab es nur noch einen großen Eichenschrank in dem Zimmer, sonst nichts. Anthony gähnte kurz, er hätte vielleicht doch ein bißchen schlafen sollen. Jay zog eine Zigarette aus seiner Schachtel, steckte sie sich in den Mund und zündete sie sich an. Dies nahm sein Chef nur mißbilligend zur Kenntnis, enthielt sich aber jeden Kommentars. Er bewegte sein Kopf leicht, seine Nackenwirbel knackten leise. ,,So kommen wir nicht weiter'', meinte er. ,,Befrag die Männer, wenn es sein muß, greif zu härteren Methoden, wenn sie nicht reden wollen. Ich will wissen, wer mein Geld hat und ich will es wieder haben, jeden Cent!'' Damit entließ er Jay, dieser trat auf den Flur und zog eine Grimasse, dann wandte er sich Richtung Kellertreppen. Es war still. Lilian seufzte, lehnte sich aus dem Fenster. Eine leichte Brise wehte durch ihre Haare. Sie sah zu Boden. 6 Meter unter ihr war ein kleiner Weg. Sie zog sich zurück, schloß das Fenster und ging dann unruhig durch den Raum. Irgendwas würde passieren, noch heute. Nur wann? Die Tür wurde geöffnet, sie war sich eigentlich sicher, dass Anthony kommen würde. Eigentlich... Doch in der Tür stand nicht, wie erwartet, Anthony, sondern ein Fremder. Sie sah ihn an, mißtrauisch, beobachtend. Leise schloß er die Tür hinter sich, verriegelte sie. Dann kam er langsam auf das Mädchen zu, sah sie lüstern an. Sie wusste was jetzt kommen würde und schloß bedauernd die Augen. Der Mann lachte leise, eine Träne rollte ihre Wange hinunter. Anthony folgte dem Flur bis zu der kleinen Tür, hielt davor inne, atmete einmal kurz durch und öffnete sie, zumindestens versuchte er es. Sie war verschlossen. Verblüfft drückte er die Klinke ein paar Mal nach unten, klopfte gegen die Tür. ,,Hallo?'' Keine Antwort. ,,Hallo?!'' Immer noch nichts. Langsam wurde er ungeduldig, was fiel dieser Göre ein, ihn auszuschließen. Wieder hämmerte er gegen die Tür. Immer noch keine Regung. Fluchend ging er den Gang wieder zurück, riss seine Bürotür auf, holte den Zweitschlüssel, für das Zimmer, aus seinem Safe und stürmte zu Lilians Zimmer zurück. Gerade als er die Tür aufschließen wollte, wurde von innen geöffnet. Sam trat heraus, sah seinen Boss und erstarrte mitten im Schritt. Anthony war in der ersten Sekunde zu perplex, um überhaupt reagieren zu können, dann überwand er seine Überraschung und drängte ihn zurück durch die Tür in das Zimmer. Lilians Anblick erschreckte ihn zutiefst. Zusammengekauert saß sie auf dem Bett, ihre Kleidung lag verteilt davor; sie zitterte erbärmlich. ,,Was ist hier passiert?'' fragte er mit schwankender Stimme. Sam sah zu Boden, Lilian reagierte überhaupt nicht auf ihn. ,,Ich habe gefragt, was ist hier passiert?!'' Er brüllte nun, das Mädchen zuckte zusammen, Sams Augen schienen vor Angst überzuquellen. Andere, vom Brüllen angelockt, kamen hinzu. Anthony stand wütend im Raum, sein Gesicht zu einer Grimasse verzerrt. ,,Schön'', meinte er nun gefährlich leise. ,,Ihr wollt nicht reden? Ich werde euch zum reden bringen!'' Er winkte einen der Schaulustigen heran, vorsichtig kam er zu ihm hin. ,,Gib mir deine Waffe!'' Seine Stimme war schneidend und ließ keine Widerrede dulden. Wortlos übergab der Mann Anthony die Waffe. ,,Ist sie geladen?'' ,,Ja Boss.'' ,,Gut.'' Er zielte auf Sams linken Fuss und drückte ab. Einer Schrei kam aus Sams Mund, Lilian starrte vor sich hin. ,,Sieh her!'' Anthonys Stimme riss sie aus ihren Gedanken, sie sah zu ihm hin. ,,Guck es dir gut an.'' Er zielte erneut und traf Sams rechten Fuss, wieder schrie dieser auf. ,,Willst du mir jetzt erzählen was hier passiert ist? Nein? Na dann...'' Ein weiterer Schuß löste sich, der Mann hielt sein rechtes Knie umklammert. ,,Nun?'' Immer noch sprach keiner der beiden, Lilian sah beide Männer gramerfüllt an. Ein vierter Schuß wurde abgegeben, sein linkes Knie hatte nun einen glatten Durchschuß. ,,Wollt ihr immer noch nicht sprechen? Bewundernswert.'' Er lachte humorlos, schoß auf Sams linken Arm. Dieser keuchte vor Schmerzen auf. Sein Blut lief auf den Teppich, färbte diesen rot. Lilians Augen waren geweitet, doch sie sagte keinen Ton. Nun zielte Anthony auf den rechten Arm, schoß wieder. Sam lag auf dem Boden, immer mehr des roten Lebenssaft entrann seinem Körper. Sein Chef hockte sich neben ihn hin. ,,Du willst doch nicht sterben, oder?'' fragte er in einem geradezu freundlichem Ton. Der Angesprochene schüttelte mit dem Kopf. ,,Gut, dann erzähl mir was passiert ist.'' Sam wollte antworten, doch seine Stimme versagte ihren Dienst. ,,Oh, du kannst wohl nicht reden, dann lass mich.'' Anthony stand auf, sah kurz zu Lilian hinüber, ihre Blicke kreuzten sich, unmerklich und flehend schüttelte sie den Kopf, er lächelte. ,,Du hast dich an meinem Eigentum vergangen, ist es nicht so? Ich frage mich, wie man so dumm sein kann, sich an fremder Leute Sachen zu vergreifen!'' Er seufzte kurz, legte die Waffe an die Stirn seines Mannes und drückte ein letztes Mal ab. Der leblose Körper fiel nach vorne, färbte den Teppich weiter rot ein. Anthony gab die Pistole seinem Besitzer zurück, drehte sich zu Lilian um. ,,Schafft dieses Subjekt hier weg und zwar plötzlich!'' 2 Minuten später waren beide allein im Zimmer. Der süße Geruch vom Blut lag in der Luft. Sie hatte ihre Augen geschlossen, zitterte immer noch heftig. Ungerührt sah er sie an. ,,Wieso?'' ,,Wieso? Weil ich es wollte und weil du mir gehörst und niemand sich an meinem Eigentum vergreifen darf.'' ,,Nicht mal du?'' ,,Ich schon, schließlich gehört es mir!'' Sie hob die Lider sah ihn durchdringend an. In ihren Augen waren immer noch Hass und Verachtung, doch nicht mehr überwältigend. Etwas undefinierbares war hinzugekommen, doch was? Vorsichtig stand sie auf, nahm ihre Sachen und fing an sich anzuziehen, ihr Körper war voller blauer und grün farbender Flecken. Auf ihrem Rücken konnte Anthony lange Narben sehen. Er ging zu ihr, fuhr mit den Fingern die Stellen nach. Sie erschauderte, blieb ansonsten regungslos stehen. ,,Wer war das?'' ,,Niemand.'' Ihre Stimme klang gleichgültig, wie üblich. Ihre Augen blickten stur nach vorne, waren hart geworden. ,,Die sind schon älter, mindestens 5 Jahre alt.'' Sie sagte nichts dazu, blieb still. Er fuhr die Stellen weiter mit dem Zeigefinger entlang, ignorierte ihr Schaudern. ,,Sag schon, wer war es?'' ,,Wirst du mich auch töten, wenn ich nichts sage?'' Anthony hielt kurz inne, dann machte er weiter, beugte sich ein Stück weiter nach vorne, sein Atem streifte ihr Ohr. ,,Vielleicht. Mal sehen, hab mich noch nicht entschieden'', flüsterte er leise. Sie schwieg, blieb einfach bewegungslos stehen und schloß die Augen. Einige Zeit verharrten beide in ihrer Position, dann zog Anthony sich zurück. ,,Du solltest dich besser anziehen, sonst erkältest du dich noch.'' Schweigend gehorchte sie. Nach einiger Zeit sprach Anthony wieder. ,,Das war nicht dein erstes Mal, oder?'' Sie hielt kurz inne, zog sich dann weiter an. ,,Woher weißt du das?'' ,,Woher? Es war dir anzusehen.'' Er schaute zum Fenster hin, draußen schien die Sonne, der Horizont flimmerte leicht. Lilian hatte sich fertig angezogen und saß wieder auf dem Bett. Anthony beobachtete weiter den Himmel, sie tat es ihm gleich. ,,Alles begann vor über 10 Jahren.'' Ihre Stimme war ausdruckslos, doch ihre Haltung drückte Schmerz und Verzweiflung aus. ,,Wir waren nie sehr reich. Oft mussten wir tagelang hungern, weil das Geld fehlte. Meine Mutter war bei meiner Geburt gestorben, mein Vater liebte sie sehr, deshalb haßte er mich. Ich hatte ihm die weggenommen, die er liebte. Er hatte keine Arbeit und ich hatte 5 ältere Geschwister.'' Sie machte eine kurze Pause, schluckte einmal und sprach dann weiter. ,,Als ich 7 Jahre alt war, kam sie zu uns.'' ,,Sie?'' Anthony sah weiter aus dem Fenster, hörte ihr aber aufmerksam zu. ,,Eine Frau'', bestätigte Lilian. ,,Sie machte meinem Vater ein Angebot. 10.000$ für eines seiner Kinder. Er überlegte nicht lange und sagte zu. Endlich wurde er mich los und ich nützte ihm auch noch. Die Frau nahm mich mit zu ihr. Am Anfang war sie noch ganz nett, redete davon, das viele Kinder bei ihr lebten, auch in meinem Alter. Nur wie sie lebten verschwieg sie mir. Die Kinder waren ihre Sklaven. Sie ließ uns alles tun. Oft kamen Männer vorbei und ich hörte die Schreie der Älteren. Ich war ihr Liebling. Kein Tag verging, an dem sie mich nicht schlug oder demütigte. Mit 10 Jahren verkaufte sie mich weiter.'' Entsetzt schloß sie die Augen, versuchte die aufkeimenden Erinnerungen zu unterdrücken. ,,Nicht zu einer Privatperson, wie die anderen, oh nein, für mich hatte sie sich etwas besonderes ausgedacht. Sie verkaufte mich an ein Bordell, wo ausschließlich Kinder waren. Die Freier gehen nicht besonders zimperlich mit einem um musst du wissen. Zuerst weigerte ich mich, dann schlug man mich. Einer der Kunden liebte es kleine Kinder zu schlagen, daher die Narben auf meinem Rücken. Nach einiger Zeit war mir alles egal. Freunde hatte ich nie welche. Wie auch, in solch einer Umgebung. Dort blieb ich fast 7 Jahre, dann wurde ich zu alt und vor die Tür gesetzt. Ich irrte, mitten im Winter, durch die Stadt umher, keiner, der zahlreichen Menschen, würdigte mich auch nur eines Blickes. Schließlich fanden mich ein paar Schlägertypen zwischen den Mülltonnen. Sie brachten mich zu einem Menschenhändler. Dieser wollte mich zuerst behalten, doch dann fiel ihm auf, dass er mit mir eine große Menge Geld machen könnte und sperrte mich in einen dieser Käfige ein. Dort wurde ich von einem Mann entdeckt, ich haßte ihn, obwohl ich ihn nicht kannte, nur weil das Schicksal es gut mit ihm gemeint hatte. Schließlich kaufte er mich und sperrte mich bei sich ein. Hier bin ich nun und werde nie frei sein, so wie er es ist.'' Lilian verstummte, sah aus dem Fenster, wie Anthony. Er konnte ihr Gesicht so nicht sehen, doch er wusste, dass sie krampfhaft darum kämpfte, nicht anzufangen zu weinen. Ruckartig drehte er sich um, erschreckte sie damit. ,,Ich bin nicht frei, nur damit du es weißt. Kein Mensch ist wirklich frei, auch ich nicht.'' Sie sah ihn nun an. Ihre Augen waren wäßrig, doch keine Träne war zu sehen. Wieder herrschte diese unwirkliche Stille zwischen ihnen. Anthony kam langsam auf sie zu. ,,Haßt du diesen Mann immer noch?'' fragte er leise. ,,Ich weiß es nicht.'' Sie schüttelte den Kopf. ,,Ich weiß es einfach nicht. Ich will ihn hassen, doch ich kann es nicht mehr richtig.'' ,,Wieso?'' ,,Weil auch er nicht frei ist.'' ,,Woher willst du das wissen?'' ,,Weil er es gesagt hat.'' ,,Glaubst du ihm?'' ,,Ja.'' Nun stand Anthony über ihr, sah auf sie hinab. Lilian blickte nach vorne. Er hockte sich hin, war nun auf gleicher Höhe mit ihrem Gesicht. ,,Wie kannst du ihm glauben? Ihm, einen Mörder.'' ,,Ich weiß es nicht, vielleicht weil ich endlich jemandem glauben möchte.'' ,,Aber dann gleich ihm?'' ,,Wem sonst?'' ,,Vielleicht mir?'' ,,Dir?'' ,,Nicht dem Mörder sollst du glauben, sondern mir, Anthony Ray.'' ,,Dann will ich es versuchen.'' Ihre Augen leuchteten leicht. Er beugte sich ein Stück nach vorne, zu ihr hin. Sie wich sich ein Stück nach hinten. Anthony zog sich zurück. ,,Oh, ich wollte dich nicht verängstigen.'' Er sah fast beschämt aus, aber nur fast. Sie beugte sich nach vorne, hauchte ihm ein Kuss auf die Stirn. ,,Hast du nicht.'' Er stand hastig, etwas zu hastig, auf und fiel dabei zur Seite, dabei riss er Lilian mit sich. Sie lag unter ihm, sein Gewicht drückte ihr den Sauerstoff aus den Lungen, sie keuchte erbärmlich. Schnell rollte Anthony sich zur Seite, der Druck verschwand von ihrer Lunge und sie atmete heftig ein und aus. Er stand auf, half ihr ebenfalls dabei. Sie blieb stehen, sah ihm nach, wie er zur Tür ging. ,,Na dann...'' ,,Na dann...'' Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß. ,,Die Polizei? Hier?'' Zweifelnd sah der Chef seinen Ratgeber an, dieser nickte. ,,Was wollen sie?'' Fahrig fuhr Anthony sich durch die Haare. ,,Woher soll ich das wissen?'' Sein Chef winkte ab. ,,Sag ihnen, dass ich gleich da sein werde.'' Er verließ das Büro eilig und blieb schließlich vor Lilians Zimmertür stehen. Sie saß am Fenster, bewunderte die Sonne. Als sie ihn bemerkte drehte sie sich um, ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. ,,Hallo.'' Er kam auf sie zu, blieb neben ihr stehen. ,,Was hast du Lilian? Du siehst nervös aus.'' Sie blickte auf, sah in sein starres Gesicht. ,,Ich? Nur ein ungutes Gefühl, als würde die Welt untergehen.'' Sie lächelte nicht mehr, ihr Gesicht war ernst, ihre Augen besorgt. ,,Die Polizei ist hier.'' ,,Die Polizei?'' ,,Ich weiß nicht was sie wollen. Aber eins weiß ich!'' ,,Ja?'' Anthony holte kurz Luft. ,,Das du hier bleiben wirst! Hier bei mir. Du wirst hier bleiben und die Tür verschließen, bis ich wieder da bin. Verstanden?'' Ihre Augen wurden groß, sogar Angst war darin zu erkennen, wenn nicht sogar Panik. ,,Was hast du vor?'' Ihre Stimme schwankte leicht. ,,Nichts. Ich will die Herren nur fragen, was sie hier wollen.'' Er drehte sich um, war an der Tür, als Lilian endlich reagierte. Sie sprang auf, lief ihm nach. ,,Anthony? Tu nichts unüberlegtes.'' Er wandte sich noch einmal um, sah sie an und lächelte. ,,Mein Name klingt schön aus deinem Mund.'' Er schloß die Tür hinter sich und Lilian verriegelte sie von innen. Stumm blieb sie dann stehen, schüttelte den Kopf. Sie sah wieder aus dem Fenster, die Sonne ging langsam unter, es hatte so etwas endgültiges an sich. Anthony trat in das Aufenthaltszimmer ein und erstarrte. 5 Pistolenmündungen waren auf ihn gerichtet. Ihre Besitzer waren vermummte Polizisten. ,,Was soll der Scheiß?'' ,,Anthony Ray, ich verhafte sie wegen Mord, Erpressung, Drogen- sowie Menschenhandel.'' Ein kräftig gebauter Mann Ende 40 stand hinter dem Schreibtisch. ,,Wie bitte?'' Verdutzt sah er den Polizisten an. ,,Sie haben schon richtig gehört. Zuerst dachten wir, es ginge nur um Drogen, doch dann haben wir Informationen erhalten, die uns zwangen weiter zu forschen.'' Er hielt ein paar Zettel in die Luft, darunter auch der Kaufvertrag von Lilian, wenn auch nur eine Kopie. ,,Von wem...'' ,,Von mir!'' Jay trat hinter den Polizisten hervor und blickte Anthony geringschätzig an. ,,Du?'' Dann schrie er. ,,Du?!'' Er ließ den Kopf sinken. ,,Ich hab dir vertraut, mehr als allen anderen. Du warst für mich, wie ein Vater, als dass liebte ich dich auch. Du hintergehst mich einfach so?'' Fassungslos schüttelte er seinen Kopf, sah Jay an. Ein nie gekannter Hass loderte in ihm auf. Ohne groß nachzudenken griff er in seine Tasche, zog seine Waffe heraus und schoß. Lilian sah zur Tür hin. Nichts. Anthony war noch nicht zurück. Auf einmal wurde die Türklinke nach unten gedrückt. Die Tür war verschlossen, niemand konnte hinein, außer sie wollte es so. ,,Hallo?'' Eine fremde Stimme drang an ihr Ohr, jemand rüttelte an der Tür. ,,Aufmachen, Polizei.'' Sie wich von der Tür zurück. Immer noch rüttelte jemand an dieser, Lilian machte keine Anstalten aufzumachen. Gedämpft hörte sie draußen einige Leute miteinander diskutieren, dann wurde die Tür gewaltsam aufgebrochen. 2 uniformierte Männer drangen in den Raum ein, hatten ihre Waffen gezückt und richteten sie auf Lilian. Sie hielt sich am Bettpfosten fest, sah die Männer verächtlich an. ,,Wir haben sie'', rief einer von ihnen, senkte seine Waffe, der andere tat es ihm gleich. ,,Haben sie keine Angst. Sie sind jetzt in Sicherheit.'' Er machte eine einladende Handbewegung in ihre Richtung, doch sie blieb wo sie war. ,,Wo ist Anthony?'' fragte sie dagegen. Ihre Stimme war ruhig, doch in ihren Augen war nun die nackte Angst zu erkennen. Einer der Männer sah sie kurz an. ,,Keine Angst, sie sind in Sicherheit. Er ist tot.'' ,,Tot?'' Sie schwankte leicht. Das konnte nicht sein, er war nicht tot, nein, so dumm war er nicht. ,,Ja Miss. Kommen sie, wir bringen sie hier weg.'' Einer der beiden kam auf sie zu, griff nach ihrem Arm und zog sie sanft hinter sich her. Willenlos ließ sie es mit sich geschehen, ließ sich von dem Mann nach draußen bringen. Überall waren Polizisten, doch sie nahm sie kaum wahr. Sie war frei. Anthony war tot. Sie bemerkte gar nicht, dass sie in einem Auto saß, welches sie in ein Krankenhaus brachte. Die Leute waren nett zu ihr. Vielleicht weil sie so viel erlebt hatte. Da sie noch nicht volljährig war, wurde sie in eine Wohnung einquartiert, wo Sozialpädagogen täglich nach ihr sahen. Lilian war nun 2 Wochen frei. Anthony war schon seit 2 Wochen tot. Sie vermißte ihn. Nicht, weil er unbedingt nett zu ihr gewesen war, sondern der erste war, dem sie vertrauen wollte. Es klopfte an der Tür. Sie machte auf. Kitty stand vor der Tür. Sie wohnte nebenan und war überaus nervig. ,,Der Postbote hat sich in der Tür geirrt.'' Sie gab Lilian einen Brief. ,,Hier für dich.'' Damit ging sie wieder und ließ sie allein zurück. Gedankenverloren sah sie auf das Schreiben. Es war von einem Anwalt. Sie öffnete den Brief mit einem Brieföffner und legte ihn samt Briefumschlag neben sich auf einen kleinen Tisch. Der Brief war per Hand geschrieben und sah nicht offiziell aus. Sie las die Unterschrift und erstarrte. Der Brief war von Anthony. Sie fing an zu lesen. 'Wie geht es dir nun, Lilian? Ich weiß, kein guter Anfang, wenn der, der den Brief liest, weiß das der, der ihn geschrieben hat, tot ist, aber mir ist nichts anderes eingefallen. Wie ich eben erwähnt habe, bin ich tot, wenn du das liest. Ich habe den Brief meinem Anwalt gegeben, damit er ihn dir schickt, falls ich sterbe. Eigentlich dachte ich nicht, dass es so früh sein wird, aber ich kann es nicht ändern. Wahrscheinlich bist du froh über meinen Tod, wer soll es dir verübeln. Ich schreibe dir nur um mich für alles zu entschuldigen. Ich weiß, nichts als Worte, aber vielleicht ist mein Tod ja schon Tat genug. Ich wollte nicht, dass du leidest, das wollte ich nie. Deshalb habe ich dich gekauft. Als ich dich im Käfig sah, dich und deine Augen, da wusste ich du würdest mein sein. Deine Augen haben mich angezogen, mich rasend gemacht. Ich wollte dir die Hölle ersparen, doch wie heißt so schön? Vom Regen in die Traufe. Ich hoffe, dass es dir nun, ohne mich, besser geht, dass du wieder ißt und du endlich dir selbst gehörst. Ich weiß nicht, ob du diesen Brief überhaupt lesen wirst, wenn nicht dann ist es egal.'' Lilian liefen Tränen über die Wangen. Anthony war tot, er würde nicht wiederkommen, nie mehr. Dies war der Beweis. Sie fühlte sich allein, sie war allein. Sie griff nach etwas was auf dem Tisch lag. 'Hochachtungsvoll' Etwas rotes tropfte auf das weiße Papier. 'Anthony Ray' Der Brief glitt aus ihrer Hand, segelte langsam zu Boden, kurz darauf folgte der Brieföffner. Immer mehr, der roten Flüssigkeit tropfte auf den Brief, breitete sich aus, wie eine Krankheit. Bis der letzte Tropfen aus ihrem Körper gewichen war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)