Right Here Waiting von Nozomi-chan ================================================================================ Kapitel 1: I. Noir ------------------ Titel: Right Here Waiting Kapitel: 1/? : Noir (Für alle, die kein Franz. können: heißt übersetzt einfach schwarz.) Serie: Digimon Adventures 2 Autorin: Ichiat Genre: Shônen Ai (Taito/Yamachi)/ Sad/ Angst/ Drama/ Romantik Disclaimer: Mir gehört nix... Digimon und dessen Charas gehören Bandai und sonstigen Typen; der Titel ist von einem Lied der Popband Blue. Inhalt: Yamato musste in der Vergangenheit schlimme Dinge miterleben. Das hat seiner Psyche schwer geschadet und er lässt niemanden mehr an sich heran- weder seelisch noch körperlich. Nur einem schenkt er sein vollstes Vertrauen: Seinem besten Freund seit Kindertagen, Taichi... Right Here Waiting I. NOIR "Sehr schön, das war es dann für heute, Yamato-san!" Wie immer lächelt der Doktor freundlich, steht auf und reicht mir die Hand. Auch ich erhebe mich aus dem schwarzen Sessel, nehme die kalte Hand Nebuchi-sans in Empfang und schüttele sie höflich. Der Arzt lächelt immer noch; irgendwie nervt es. Kann er nicht auch mal ein einziges mal unfreundlich oder zornig sein? Muss er denn immer nett sein? Er behandelt jeden Tag duzende Patienten, denen nicht zum Lachen zumute ist; solche, die unter Depressionen leiden, psychische Probleme haben oder einfach meinen sie bräuchten einen Psychiater. Auch ich bin nicht 'normal' im gewöhnlichen Sinne; ich muss hier herkommen, weil ich mit mir selbst nicht mehr klarkomme, kaum noch spreche und mich immer mehr von dieser Welt, den Menschen dieser Welt, abschotte. Früher drohten mir meine Eltern damit, mich in eine Psychiatrie einzuweisen, sollte ich nicht aufhören so "komisch" zu sein. Sie erzählten mir, ich säße ganz alleine in einer Gummizelle, genauso wie die anderen Verrückten. Doch soweit kam es nie; sie merkten, dass sie mit solchen Drohungen bei mir niemals weiterkämen und schickten mich deshalb hier her. Das alles war vor knapp drei Jahren. Drei Jahre nun gehe ich also schon zweimal in der Woche zu Nebuchi-san. Mit ihm soll ich reden, aber es ist meist er, der das Gespräch fast alleine führt. Ich kann ihm nichts sagen, will nicht. Niemandem. Ich bemerke immer wieder, wie meine kranke, kaputte Seele sich im Nichts verheddert; von ihm gefangen wird, wie das arme Insekt im klebrigen Netz der Spinne. Durch mein Schweigen falle ich auch noch tiefer, verliere ich mich immer mehr in diesem dunklen schwarzen Loch - von Tag zu Tag. Und nichts kann mich davon abhalten... Oder doch? Irgendwo gibt es doch auch immer dieses helle Licht, ab und zu kann ich es sehen. Immer dann, wenn...- "Ishida?!" Nebuchi-san muss mich die ganze Zeit beobachtet haben, seine dunklen Augen ruhen immer noch auf mir. Er wartet wohl darauf, dass ich das Sprechzimmer verlasse und so setze ich mich in Bewegung, betrete den kurzen Gang, blicke kurz darauf in das Wartezimmer. Dieses ist rundherum verglast und ich brauche nur an die Tür zu klopfen, um die Aufmerksamkeit meines Begleiters zu erlangen. Der Braunhaarige springt auf, legt die Zeitschrift, in der er bis eben gelesen hatte, zurück zu den anderen und kommt zu mir heraus. Zweimal wöchentlich tut er sich das an; liest, während er auf mich wartet, für ihn uninteressante Zeitschriften, wie "Psyche heute", und schlägt sich mit merkwürdigen Leuten herum, die vor sich hinbrabbeln, komisch zucken oder sonstige bizarre Dinge tun. Macht das jeder beste Freund? Das habe ich mich schon oft gefragt, und nie eine Antwort gefunden... "Willst du noch wo hin, oder lieber nach Hause?" Diese braunen Augen sehen mich so lieb an; nicht nur heute. Immer. Er legt den Kopf schief, wartet auf eine Antwort, während ich am liebsten in diesem braun versinken möchte. Mit keinem rede ich mehr, und das seit Jahren. Mit niemandem. Außer ihm. Es mag blöd sein, aber er ist wirklich der einzige, mit dem ich noch reden möchte. Alle anderen behandeln mich wie eine Krankheit, einen durchgeknallten Dummkopf, der nichts besseres zu tun hat, als in seiner Freizeit vor sich hinzustarren oder zum Seelenklempner zu rennen. Taichi versteht mich. Er weiß, wie sehr ich leide, weiß von dem schwarzen Nichts, das mich mehr und mehr verschluckt. Weiß auch von meinen Selbstvorwürfen, meiner Vergangenheit und den unzähligen Versuchen, diesem lächerlichen Leben ein Ende zu setzen. Zur Verhinderung letzteres hat er fast immer seinen Teil dazu beigetragen; ohne ihn würde ich wahrscheinlich nicht gerade die belebte Innenstadt Tokios durchqueren. Zum Lachen- selbst zum Selbstmord bin ich zu schwach... Für Leben und den Tod ungeeignet... wirklich lächerlich. "Yama..." Jetzt spüre ich seine Hand auf meiner Schulter liegen. Sie erinnert mich daran, dass ich noch immer nicht geantwortet habe, in Gedanken versunken. In Selbstmitleid. "Tut mir Leid..." Es klingt so leise, brüchig. Wo ist nur die Stimme von früher hin? Die, die Hallen ausfüllte mit ihrem Gesang, Mädchen reihenweise fast ohnmächtig werden ließ? Sie ist nicht mehr da. War mit der Zeit verschwunden. Klar, ich spreche fast nichts und die paar Worte, die dann doch über meine Lippen kommen, soll niemand hören- außer er. "Ich glaube, wir sollten nach Hause; komm einfach wieder mit zu mir, ja?" Ich muss nur nicken; zu Taichi nach Hause gehen war gut. Dann muss ich nicht zu einer Familie, einem Vater, der einen verachtet, als dumm und einen Heuchler abstempelt. Was wusste er schon? Nichts. Er wusste nichts von mir. Nichts von meinen Gefühlen. Meiner Vergangenheit. Dieser grausigen Vergangenheit. Und auch nicht von meinem Inneren. Nach einer für mich schier endlosen Reise kommen wir an Tais Wohnblock an. Er wohnt schön; ein Mietshaus mit vielen anderen Familien. Familien, bei dem ich bestimmt genauso willkommen wäre wie bei den Yagamis. Als wir die Wohnung betreten schwappt uns der Geruch von frisch gebackenem Apfelkuchen in die Nase. Nicht, dass ich vorhätte, ein Stück zu essen, doch dieser Geruch vermittelt ein Gefühl von familiärer Harmonie. So hatte es auch oft gerochen, als meine Eltern noch zusammenlebten; als wir noch eine Familie waren. Vor mir steht Frau Yagami. Sie ist etwa so groß wie ich und sieht mich mit ihren braunen Augen, die mich an Taichis erinnern, an; genauso liebevoll wie dir ihres Sohnes. Sie streicht mir kurz durch's Haar, ich bekomme einen Kuss auf die Stirn. Das tut sie jeden Tag, wenn wir herkommen. Ich habe das Gefühl, fast wir ein Sohn für sie zu sein; wäre das auch gerne, wüsste ich nicht von einer Frau, die diesen Titel schon für sich beansprucht hat, die in tausend von Kilometern entfernt wohnt, die sich seit zwei Jahren nicht gemeldet hat. Auch Taichi bekommt ein Küsschen. "Ich hab Apfelkuchen gemacht, ihr könnt gerne welchen essen." "Ist okay, Mum... Ich hol mir dann schon einen." Er zieht mich in sein Zimmer, drückt mich auf sein Bett. Er grinst mich die ganze Zeit dabei an. Bevor ich auch nur reagieren kann, hastet er mit einem 'Ich hol uns Kuchen' hinaus und kommt eine Minute später wieder mit zwei Stück Kuchen auf Tellern. "Da." Ich seufze auf, schau ihn an. "Du weißt doch, dass ich nichts esse..." "Ja, aber du musst. Tu es halt einfach mir zuliebe, hm?" Er langt mir den Teller hin; resignierend nehme ich ihn an mich. "Okay..." ...für dich kann ich nur in Gedanken ergänzen. Fast einschläfernd langsam esse ich Gabel für Gabel voll das Stückchen Kuchen; bei der Hälfte gebe ich auf. Ich kann wirklich nicht mehr... "Aber Yama, das ist ja nicht mal die Hälfte..." Er ist schon lange fertig, hat mir zugesehen, wie ich die Bissen hinuntergequält habe. Um ihm zu zeigen, dass ich wirklich nicht mehr runter bekomme, stelle ich den Teller auf sein Nachtkästchen, lass mich dann nach hinten fallen. Ein halbes Stück Kuchen und heute morgen ein ganzes Joghurt. Ich sollte stolz auf mich sein, so viel esse ich oft den ganzen Tag nicht. Traurig aber wahr. Taichi lässt sich neben mich fallen, dreht seinen Kopf in meine Richtung und starrt mich an. Immer wieder frage ich mich, was ihn noch bei mir bleiben lässt, noch mein Freund sein lässt. Was ihn dazu bewegt, sich mit mir herum zu schlagen; seine wenige Freizeit mit einem Freak wie mir zu verbringen. Seit Jahren bin ich ein psychisches Wrack, tu nichts sinnvolles mehr außer rum zu sitzen, und auf den Tod zu warten. Und könnte er mich loswerden, verhindert er es. Durch Wort, durch Taten. "Wo bist du heute wieder...?" Die Frage versetzt mir einen Stich. Sie klingt so betrübt, so besorgt. Ich sehe, wie es in den braunen Augen glitzert, sie feucht werden. Tränen steigen auf, doch bevor auch nur eine entkommen kann, wischt er sich schnell über die Augen. "Wie dumm von mir... Dir geht es mies, und ich heul hier rum..." Er klingt unsicher; tief in seinem Inneren möchte er losweinen, ohne Halt. Hier bei mir traut er sich nicht. Ich habe schon lange nicht mehr geweint, doch jetzt, wo ich den einzigen Menschen, den ich liebe, so sehe, könnte ich schreien, platzen vor Trauer und ihn gleichzeitig in meine Arme schließen, ganz fest an mich drücken. "Ich... kann nicht mehr, Tai..." Meine Augen schließen sich, und so merke ich nicht, wie Taichi näher kommt; erst als seine Nase gegen meine stupst, stelle ich erschreckt fest, dass sein Gesicht direkt vor meinem liegt. Der warme Atem kitzelt, tut gleichzeitig so unendlich gut. Und mir rennen die Tränen über das Gesicht; Tränen, die schon lange geweint werden wollten, so Tränen der Erlösung werden. "Ich weiß, Yama, es ist nicht leicht für dich, und... ich würde dir so gerne dein Leiden abnehmen, aber... ich kann nicht ..." Er legt seinen Arm um mich, zieht mich zu sich. Mein Kopf liegt auf seiner Brust und unterhalb seines Kinns; ich kann sein Gesicht also nicht sehen. Kann nur das puckernde Herz hören- wie es beruhigend vor sich hin pocht. "... du musst stark sein, Yama, hörst du?" Ich nicke leicht, weiß wirklich, was er meint. Ich darf nicht aufgeben, dann komme ich vielleicht irgendwann raus aus diesem Loch, aus dieser Finsternis. Und mein braunhaariger Freund wird mir dabei helfen, ja, er tut es doch bereits. 'Du musst stark sein, Yama...' Ja, ich muss genauso stark sein, wie dieses Herz. Es arbeitet fleißig, hält zwei Menschen am Leben. Taichi und mich. Ich darf nicht aufgeben, muss ankämpfen gegen die Dunkelheit; die Dunkelheit in mir und um mich herum... Ich realisiere gar nicht wirklich, wie ich einschlafe. Erst als ich meine Augen langsam wieder öffne und einen Blick auf Taichis Wecker werfe, wird mir bewusst, dass ich fast zwei Stunden geschlafen haben muss. Ich liege im Bett meines Freundes; sorgfältig zugedeckt und eingehüllt in herrlicher Wärme. Doch als ich mich rumdrehe, ist er nicht da. Verwirrt blicke ich mich im Zimmer um, doch auch hier ist kein braunhaariger Wuschelkopf zu sehen. Nur mit Mühe komme ich hoch, tapse zur Tür. Meine Jacke hängt noch immer an Yagamis Schreibtischstuhl, wo ich sie vorhin selbst hin verfrachtet habe. Langsam trete ich auf den Gang, gehe Richtung Wohnzimmer, sehe mich immer wieder um. Aus Hikaris, Taichis kleiner Schwester, Zimmer dringt seichte Teenie- Balladenmusik. Ich blicke in die Küche; Frau Yagami scheint nicht mehr da zu sein. Einige Schritte weiter und ich stehe in der Tür zum Wohnzimmer. Der Fernseher läuft- auch Musik- und da liegt auch er. Taichi hat es sich auf dem Sofa bequem gemacht. Etwas eingerollt, eine Decke über dem Körper, liegt er auf der Couch. Seine Augen sind geschlossen und er sieht wirklich niedlich so aus. Etwas wie ein kleiner Junge, aber einfach niedlich. Kurz dreht sich alles in mir, Schwärze zieht sich über meine Augen und ich halte mir die Hand davor. Verflucht! Mein Kopf beginnt sich zu verkrampfen, fühlt sich an, als zöge er sich zusammen. Ich bemerke nur nebenbei, wie meine Beine einklappen und ich regelrecht in mich zusammenfalle. Bisher hatte ich das nur zu Hause, wenn ich alleine war. Eine Resignationsreaktion meines Körpers auf das wenige Essen und den kümmerlichen Schlaf wahrscheinlich. Unweigerlich fange ich stark an zu zittern; das schwarz wird wieder klarer, hellt sich auf und allmählich erkenne ich wieder alles um mich herum. Doch das Zittern hört nicht auf, wird nur noch stärker. Ich starre auf meine Hände, balle sie zu Fäusten- doch es hilft nichts! Dann höre ich ein plötzliches Hochrumpeln und kurz darauf steht Taichi vor mir, starrt auf mich herab, bevor er sich zu mir kniet und fassungslos nach meiner Hand greift. "Yama...?!" Er klingt so durcheinander, aufgewühlt. Seine Augenbrauen senken sich tief zwischen den Augen und verzweifelt spricht er leise weiter: "... was ist mit dir? Was soll ich machen...?" Er weiß nicht mehr weiter. "Hätte ich dich doch nicht alleine gelassen..." Seine Worte tun mir Leid, er tut mir Leid, doch das ändert nichts. Immer noch muss ich zittern wie verrückt. Wieso hört es nicht auf? Ich will nicht, dass Taichi sich Sorgen macht... Ich versuche mich aufzurichten, schaffe es aber nicht, sodass mich der Braunhaarige stützen muss. Er greift mir unter den Arm und hält mich fest. Ich spüre wie selbst mein Atem zittert; nur mit dem Unterschied, dass dieser aufgrund meiner Nervosität in Tais Gegenwart zittert und nicht, wie mein Körper, wegen irgendwelcher körperlichen Ungereimtheiten. Fast keuchend klammere ich mich an meinen Freund, möchte ihn nie wieder loslassen, am liebsten für immer so da stehen. Doch er versucht zu gehen. Mit viel Mühe setzt er mich an seinem Schlafplatz ab. Der Teil der Decke, den ich berühre, ist noch warm; auch die Stelle, an der er lag. Erschöpft lehne ich mich nach hinten. Zu Hause, wenn ich einen solchen Schwächeanfall bekomme, lehne ich mich immer an die nächstbeste Wand, warte dort auf dem kalten Fliesenboden, bis die Schwärze vor den Augen verschwindet und das Zittern nachlässt. Mein Vater ist nie da, er ist ein vielbeschäftigter Geschäftsmann, und so bin ich fast immer alleine. Nicht so wie jetzt, wo sich mein bester Freund neben mir niederlässt. Nervös atmet er tief aus, starrt aber weiter auf meine Hände, die immer noch leicht zittern. "Was machst du nur für Sachen, Yama? Ich mein...", und er versucht mir in die Augen zu sehen, "...das ist doch nicht normal. Hast du das öfter?" Ich kann ihn nicht ansehen. "Nein." Lüge ich kaltblütig. Doch er weiß, dass ich unehrlich bin, sieht es mir an, kann in meine Gedanken sehen- was auch immer! "So ein Quatsch. Natürlich... natürlich hast du das schon öfter gehabt. Warum lügst du mich an? Warum verschweigst du mir das?" Er klingt sauer und die Vorwürfe treffen mich hart; aber sie sind wahr. Ich wollte es ihm nicht sagen, will nicht, dass er sich noch mehr Sorgen um mich macht. Er hat es doch eh schon so schwer mit mir, denn nicht jeder hat so einen Psycho zum Freund wie er... Wobei ich wieder bei dem Punkt bin, an dem ich mich frage, was er eigentlich von dieser Freundschaft hat. Normalerweise ist eine Freundschaft ein Geben und Nehmen. Bei uns nicht. Bei uns nehme ich und nehme und nehme, doch Taichi gibt, gibt alles, was er hat. Warum? Genau mit dieser Frage in den Augen blicke ich zu ihm und frage mich wieder einmal, warum er sich mich antut. "Entschuldige..." Es ist das einzige Wort, dass ich gerade über meine Lippen bekomme. Eine dumme, verdammt noch mal ehrlich gemeinte Entschuldigung. Er sieht mich verständnisvoll an. Wieder gibt es mir das Gefühl, ich hätte das nicht sagen brauchen. "Ist doch okay, Yamato... Ich bin dir nicht böse. Ich hatte nur so furchtbare Angst, als du gerade dort gekniet bist... Ich meine, wie ... würdest du denn reagieren, wenn du aufwachst, und entsetzt feststellst... dass ...dass der wichtigste Mensch in deinem verfluchten kleinen Leben zitternd und wie ein Häufchen elend in dieser Tür sitzt...!" Er war laut geworden zum Schluss. Jetzt ist es Taichi, der schwer atmet. Er hat die Hände zu Fäusten geballt und starrt auf seinen Schoss. '... der wichtigste Mensch in seinem verfluchten kleinen Leben...' Habe ich mich da gerade verhört? Nein, es war sein Ernst. Aber ist es ihm genauso Ernst, wie wenn ich diesen Satz gesagt hätte? Wohl kaum... Trotzdem muss ich ihn beruhigen, er ist total aufgebracht, atmet immer noch tief ein und aus. Vorsichtig hebe ich meine Hand, lege sie auf seinen Rücken. Ich spüre das Heben und Senken seines Oberkörpers, fahre ganz langsam diesen hinauf und hinunter. Genau das hatte meine Mutter immer mit meinem kleinen Bruder gemacht, als er weinte. Es sollte ihn damals so beruhigen, wie jetzt auch Taichi. Doch tat es das? Als hätte er diese Frage gehört, stand der Braunhaarige plötzlich auf, stand vor mir und starrte mich an. "Ich komm gleich wieder! Ich... warte bitte!" Damit war er im gang verschwunden. Ich hörte eine Türe zufallen, weit genug weg um die Badezimmertür zu sein. Was habe ich nur wieder falsch gemacht? Nie kann ich auch nur irgendwas richtig machen... Ich mache ihm so viel Kummer, bereite ihm so viele Schmerzen. Wie würde er erst reagieren, wenn ich sagen würde, was ich für ihn empfinde? Dass es schon lange viel mehr, als nur normale Freundschaft für mich war? Er würde es wohl niemals verstehen. Würde nur denken, es sein eines meiner Hirngespinste. Ein Hirngespinst eines merkwürdigen Jungen, der sich einfach nur einsam fühlte. Mein Zittern hat aufgehört, nun sitze ich vollkommen ruhig auf dem Platz, an dem mich Taichi vorhin hingehievt hatte. Ich warte fast zehn Minuten, bis ich das wiederholte Zuschlagen einer Türe höre und kurz darauf mein braunhaariger Freund wieder ins Wohnzimmer eintritt. Er sieht etwas mitgenommen aus, aber durchaus nicht mehr so verstört wie vor seinem Verschwinden. Er lässt sich wieder neben mir nieder, als wäre nichts gewesen, doch als er so nahe ist, scheint es fast so, als wären seine zarten Wimpern verklebt. Hatte er geweint? Das kann ich einfach nicht glauben. Wieso sollte er das unbedingt im Alleinsein tun wollen? Stumm sitzen wir beide da. Stumm, bis er einmal mehr das Wort ergreift: "Also...", er scheint nicht richtig zu wissen, wie er anfangen soll, "...das von eben tut mir Leid. War eine kleine Überreaktion von mir... Dabei weiß ich doch, dass ich dich nicht aufregen oder nervös machen soll..." Verwundert muss ich in seine Augen blicken. "Wer sagt das?" Frage ich erstaunt. "Dein Vater hat das mal gesagt." "Ach, hat er das, ja?" Ich schnaube verächtlich. "Der hat keine Ahnung, was er redet... So was macht mir nichts aus. Was weiß der schon!" "Also kann ich vor dir ausflippen? Gut zu wissen." Er versucht locker zuklingen, mich zum Lachen zu bringen, doch mehr als ein Lächeln holt er nicht raus. Plötzlich fühle ich mich erschöpft, wohl die Auswirkungen des Schwächeanfalls. Taichi merkt, wie ich noch etwas zusammensacke, ständig blinzeln muss. Plötzlich rutscht er näher zu mir, so nah, dass wir uns berühren. Wieder werde ich schnell nervös, freue mich aber gleichzeitig, dass er wieder normal ist und mir nicht mehr irgendwie böse. Er lehnt sich an mich und auch ich mache es mir an seiner Seite bequem. Dann richtet er sich noch mal auf, verwundert sehe ich ihn an, doch er lächelt nur. "Ab heute sagst du mir alles, okay? Egal, wie ich darauf reagieren oder was mir passieren könnte." Am liebsten hätte ich energisch den Kopf geschüttelt, wollte ich ihm doch nicht alles sagen, konnte das einfach nicht. Aber auch dieses Versprechen hatte Grenzen, und so nickte ich anständig und fügte ein leises "Ja, mach ich." hinzu. Meine Worte verursachten ein weiteres Lächeln auf Taichis Gesicht und er kam wieder näher. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und weiter, als er seine Wange an meine schmiegte. "Ich hab dich lieb, Yama..." Ich schlucke. Es waren nicht die Worte; es war die Tatsache, dass sie aus Tais Mund kamen, was mich fast aufspringen lässt. Ich kann nicht mehr... Es ist wohl das erste Mal und höchstwahrscheinlich auch einzige Mal, dass ich das tue. Vorsichtig lege ich meine Arme um Taichi, drücke ihn an mich. Noch nie habe ICH das getan, immer war es er, der mich in eine Umarmung zog. Bestimmt streicht meine Hand über seinen kräftigen Rücken, hinauf in den Nacken, über diesen, bis sie sich in den braunen Haaren festhält. Die Haare sind viel weicher, als ich angenommen hatte. Mein Atem geht so schnell... als würde er rasen. Doch auch Taichis ist nicht langsam. Er ist verblüfft, wundert sich über mein Verhalten. Nach einigen Schrecksekunden legt auch er seine Arme um mich. So sitzen wir da. Jeder für sich und doch gemeinsam. Dann ziehe ich meinen Kopf von seiner Schulter, sehe ihm ins Gesicht. Er starrt mich an, dieses klare Braun beobachtet mich, scheint jede Kleinigkeit meines Gesichtes zu erforschen. Jetzt kann ich es wiederum nicht zurückhalten: Ich nähere mich ihm, immer mehr, sein Atem- ich spüre ihn deutlich. Dann schließe ich meine Augen, lege meine Lippen auf die seinen. Ganz sanft. Ganz vorsichtig. Unendlich liebevoll. Und irgendwo dringt Hikaris leichte Schmusemusik durch den Raum... *Fortsetzung folgt...* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)