Kleine Weihnachtswunder von KiraNear ================================================================================ Kapitel 4: Das kleine Herz im Schnee ------------------------------------ „Den Anime müssen wir uns auf jeden Fall nochmal ansehen!“, sagte Undyne entschlossen und ballte ihre freie Hand fest zu einer Faust. Mit der anderen trug sie die schwere Einkaufstüte. Die, die sie ihrer Freundin nicht zumuten wollte. Grinsend blickte Undyne in den fast dunklen Himmel, bevor sie wieder zu Alphys hinabsah. Zusammen gingen sie durch die unbelebten Gassen der Stadt, die das Volk der Monster seit kurzem bevölkert und bewohnt hatten. „Meinst du, dass es davon eine neue Staffel geben wird?“ Alphys, welche ebenfalls eine Einkaufstüte in ihren Krallen hielt, erwiderte den Blickkontakt für ein paar Sekunden. Eine nachdenkliche Miene erschien auf ihrem Gesicht, als sie den Kopf wegdrehte. „Soweit ich weiß, wurde im April die dritte Staffel angekündigt. Wir werden uns wohl noch ein wenig gedulden müssen. Aber ich hätte absolut nichts dagegen, wenn wir uns die bisherigen Episoden noch einmal ansehen würden.“ Undyne verzog unwillig ihren Mund, bevor sie einen schnippischen Ton von sich gab. „Dann hoffe ich doch mal, dass es den Anime auch als Dub geben wird. Ich habe absolut keine Lust, mir beim Schauen die Untertitel anzusehen. Wenn ich mich mit Texten unterhalten will, kann ich ja auch gleich einen Manga lesen.“ Mit Überzeugung in der Stimme stemmte sie ihre freie Hand in die Hüfte, blickte auffordernd in Alphys‘ Richtung, als würde sie eine Bestätigung von ihr hören wollen. Ein nervöser Schweißtropfen floss Alphys‘ Stirn hinab. „Nun, ja, also, ich kann es verstehen. Ich bin ehrlich gesagt auch kein großer Fan von Sub bei Animes. Es ist schwer, wenn man gleichzeitig Untertitel lesen muss und Fertig Ramen essen möchte. Da bekomme ich oft nur die Hälfte mit. Oder meine Nudeln werden kalt.“ Undyne nickte verständnisvoll, dann ballte sie ihre Hand ein weiteres Mal, noch intensiver als beim letzten Mal. „Dann werden die sich einfach mal Mühe geben müssen! Immerhin will ich noch sehen, mit welchen fiesen Typen dieser starke Schleim noch alles den Boden wischen wird. So einen hätten wir damals in der royalen Armee benötigt, damit wären wir die stärksten Krieger aller Zeiten gewesen!“ Undyne presste die Zähne eng zusammen. Dann entspannte sich ihr Gesicht und sie sah mit einem Lächeln zu ihrer Freundin hinab. Kleine, rote Abdrücke zeichneten sich auf der Innenseite ihrer Hand ab, doch Undyne richtete ihre Aufmerksamkeit lieber auf Alphys. Diese bemerkte das sofort, ihr Gesicht färbte sich von dem üblichen Gelb zu einem knallbunten Rot. „Achja, und wenn du mehr von diesen Menschenlegenden finden solltest, das wäre auch ziemlich cool. Die letzten Bücher, die du mir geborgt hattest, habe ich mittlerweile durchgelesen und ich sehne mich noch mehr nach solchen Geschichten.“ „Die kann ich dir gerne geben, Undyne, ein paar neue müsste ich in der Zwischenzeit wieder aufgetrieben haben.“ Ihr Weg führte sie in einen kleinen Park, welcher vollkommen ausgestorben wirkte. Frischer Schnee war in den letzten Stunden gefallen und da es für die meisten Kinder bereits viel zu dunkel war, passierten sie auf ihrem Heimweg viele unberührte Flächen. Selbst jetzt fielen noch einzelne, kleine Flocken vom Himmel hinab. Einer von ihnen berührte Alphys‘ Nasenspitze und schmolz schneller davon, als sie ihn wegwischen hätte können. Lediglich die Flocke, die sich in ihre Wimpern verirrt hatte, hielt sich dort recht hartnäckig. Ein Anblick, der Undyne zum Lächeln brachte. Doch sie behielt es lieber für sich, es reichte, dass sie ihre Freundin einzig und allein durch ihre Blicke aus der Fassung gebracht hatte.   Stattdessen zwang sie sich dazu, sich in der Umgebung umzusehen und nach einem neuen Anhaltspunkt zu suchen. Einem neuen Gesprächsstoff, mit dem sie ihre Freundin ablenken und diese sich wieder entspannen könnte. Dann kam ihr eine Idee. „Hättest du Lust, mir von einer dieser Legenden zu erzählen? Wie du weißt, bin ich kein Fan von Kälte und es würde mich für den Rest des Weges vom Frieren ablenken“, sprach Undyne den Gedanken aus, den die sich wenige Sekunden zuvor halbwegs zurechtgelegt hatte. Alphys schwieg vor sich hin, lediglich ihre knarzenden Schritte im frischen Schnee waren zu hören. Undyne befürchtete schon, Alphys würde nun gar nicht mehr zu Wort finden, als diese ihr das Gegenteil bewies. „Ich kenne tatsächlich eine kleine Legende. Es ist keine besonders lange, ich denke, die solltest du lieber selbst nachlesen. Ich will dir ja nicht die besten Geschichten vorwegnehmen. Die sind wirklich sehr gut, du solltest das auf jeden Fall die Tage mal nachholen…“ Undyne räusperte sich unauffällig, nur ein kleines bisschen, doch es genügte, um Alphys wieder auf Kurs zu bringen. „Oh, ich schweife wieder ab, nicht wahr? Jedenfalls, es gibt da unter den Menschen die Legende vom Mistelzweig. Laut dem Buch, das ich gelesen habe, stammt diese Legende aus der altnordischen Mythologie. Man sagt, wenn zwei Leute sich unter dem gleichen Zweig befinden, dann müssen sie sich einen Kuss geben. Dieser Kuss soll zum einen die Fruchtbarkeit fördern, zum anderen den Frieden bringen können. Da man die Pflanze nutzt, um einen Waffenstillstand auszurufen und um sich danach dann wieder versöhnen zu können.“ Undynes Gedanken begannen zu rattern, kurz musste sie auf Alphys Einkaufstasche linsen, bevor sie den Blick wieder wegschweifen ließ. Zu gerne würde sie den einen oder anderen lockeren Spruch bringen. Immerhin hatte sie gesehen, wie Alphys ein kleines Bündel an Mistelzweigen gekauft hatte. „Fruchtbarkeit, verstehe, so weit denkst du also bereits voraus.“ Dann hätten wir damals im Krieg gegen die Menschen wohl einfach nur ganz viele von diesen Dingern gebraucht. Gedanken wie diese lagen auf ihrer Zunge, begannen sie zu kitzeln und zu reizen, zu nerven und zu quälen. Doch ihre Lippen bewegten sich nicht, ihre Mundmuskeln gehorchten ihren Befehlen nicht. Etwas hielt sie zurück und das konnte sie weder verstehen, noch ausstehen. Sonst war ihre Zunge mehr als locker, ihr Mund hatte sie nur zu oft in unnötige Schwierigkeiten gebracht. Warum also ging das auf einmal nicht mehr? Noch einmal versuchte Undyne ihre Gedanken zu sortieren, gänzlich reaktionslos wollte sie Alphys‘ Erzählung nicht im offenen Raum stehen lassen. Immerhin hatte sie selbst um diese Ablenkung gebeten. Zumindest konnte sich Undyne nicht mehr darüber beschweren, dass sie im Gesicht frieren würde. „Ich verstehe, das scheint wohl eine sehr vielfältige Pflanze zu sein, wenn  sie zu all diesen Dingen in der Lage ist“, stammelte Undyne mehr schlecht als recht vor sich hin. Sofort verspürte sie den Wunsch, den ganzen Weg bis zum Mount Ebott rennend zurückzulegen und in das Loch an der Spitze hineinzuspringen. Sie schaffte es noch nicht einmal, Alphys ins Gesicht zu sehen. „Ja, das stimmt, es soll viele Pflanzen hier auf der Oberfläche geben, denen man eine Menge an Fähigkeiten nachsagt.“ „Ich verstehe, das ist ja wirklich sehr praktisch.“   Das Gespräch war eingeschlafen, keine von beiden wollte den Elefanten im Raum ansprechen. Stattdessen konzentrieren sie sich auf sich selbst, auf die Schritte, die sie in den kalten Schnee setzten und auf die einzelnen Flocken, die auf ihren Körpern landeten. Wieder war das gelegentliche Knirschen und Knacken alles an Geräuschen, die sie zu hören bekamen. Langsam, als sie die Hälfte der großen Parkanlage hinter sich gebracht hatten, spürte Undyne die Kälte an ihren Wangen wieder intensiver und stärker. Die peinliche Berührung hatte ein Ende gefunden und das Blut war längst wieder an anderen Körperstellen an der Arbeit. „Kennst du noch eine Legende?“, fragte Undyne, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie die Frage bereuen würde. Scham war ein ekelhaftes Gefühl, eins, vor dem nicht einmal einer der besten Kriegerinnen der Monster sicher war. Nein, es musste bekämpft werden! Das konnte Undyne nicht auf sich sitzen lassen, auf keinen Fall! Und jede Ablenkung davon war ihr mehr als recht, wie auch die Ablenkung von den eisigen Temperaturen um sich herum. Zu ihrer Überraschung ließ Alphys mit ihrer Antwort nicht lange auf sich warten. „Ich kenne tatsächlich noch eine kleine Legende, die ich dir erzählen könnte. Es geht um etwas, was sich die Menschen wohl seit mehreren hundert Jahren weitergeben. Aber ob an dieser Legende was dran ist, weiß ich natürlich nicht.“ Undyne zuckte mit den Schultern. „Hey, das weiß man doch bei den meisten Legenden nicht. Aber sieh es doch mal so, unsere Existenz war für die Menschen auch eine lange Zeit nichts weiter als eine Erzählung, also könnte schon was dran sein.“ Sie zuckte ein weiteres Mal mit den Schultern, um ihre Worte zu unterstreichen. „Sag schon, um was geht es in der Legende?“ Alphys räusperte sich ein wenig, bevor sie schließlich zu sprechen begann. „Es fing alles mit zwei Feen an, die täglich über die Menschheit wachten. Die eine Fee war für die positiven Gefühle zuständig, die andere für die negativen Gefühle. Sie beide waren sehr wichtig und die eine konnte ohne die andere nicht richtig existieren.“ Alphys räusperte sich erneut, und ihre Stimme klang auch deutlich weniger fest, als es noch vor wenigen Minuten der Fall war. Geduldig ging Undyne neben ihrer Freundin den Weg entlang, der vor ihnen lag und wartete darauf, dass diese mit ihrer Erzählung fortführen würde. „Jedenfalls, war die dunkle Fee neidisch auf die helle Fee, besonders auf die warme Emotion namens Liebe, die sie immer unter die Lebewesen brachte. Romantische Liebe, platonische Liebe, familiäre Liebe – all dies teilte sie mit den Menschen und Tieren. Irgendwann hatte die dunkle Fee genug und sprach einen Fluch auf die Menschheit aus. Wenn zwei Menschen sich finden und lieben sollten, dann würde sich das Gefühl des Hasses an ihnen heften, sich an ihrer Liebe zehren und sie irgendwann schließlich vollkommen aufgebraucht haben. Dann würden sie sich nur noch anschreiben, anschweigen oder sofort Schluss machen. All diese negativen Gefühle, sie würden die dunkle Fee immer stärker und stärker machen.“ Undyne, die mit diesem Richtungswechsel überhaupt nicht gerechnet hatte, schluckte ein wenig. „Wow, das klingt ziemlich heftig. Daher kommt wohl der Spruch, dass Liebe und Hass nah beieinanderstehen sollen, nicht wahr?“ Sie sah zu Alphys hinunter und diese nickte bestätigend den Kopf. „Das wäre zumindest eine sehr gute Erklärung, ja.“   Schweigend gingen sie nebeneinanderher, Undyne wartete erneut darauf, dass sie noch mehr von Alphys zu hören bekommen würde, doch diese sagte nichts. Ließ nur ihre einzelnen Schritte für sich sprechen. Viel zu neugierig brach Undyne das Schweigen. „Ok, und das wars? Normalerweise haben diese Legenden doch immer ein gutes Ende. Oder willst du mir sagen, dass das alles war.“ Sie konnte im Augenwinkel das heftige Kopfschütteln sehen, wie auch die hochroten Wangen auf Alphys Gesicht. „Nein, natürlich nicht, ich habe nur überlegt, ob ich auch nichts vergessen werde. Es ist so, dass die helle Fee natürlich nicht wegsehen konnte, über das böse Werk ihrer Schwester. Leider war es ihr nicht möglich, etwas gegen den Fluch zu unternehmen, da die dunkle Fee bereits viel zu viel Kraft durch ihn erlangt hatte. Aber sie konnte dafür einen Zauber aussprechen. Wenn die Menschen, die Paare, die sich lieben, eine bestimmte Handlung ausführten, dann würde ihre Liebe sicher sein und das bis ans Ende aller Zeiten. Dann hätte der Fluch keine Wirkung mehr auf sie.“ Positiv überrascht sah Undyne auf die Einkaufstüte, die sie mit sich trug und gab ein lautes Schnalzen von sich. „Geht doch, geht doch. Du kannst mich doch nicht an so einem Cliffhänger zurücklassen, also wirklich! Und jetzt sag schon, was für eine Handlung war es, die sie da machen mussten? Sich gegenseitig mit ihren meterlangen Schwertern bekämpfen? Die Fäuste kreuzen?“ Alphys räusperte sich mehrere Male, schien mit den nächsten Worten zu kämpfen. Genau das regte Undynes Neugierde umso mehr an. Jetzt wollte sie erst recht wissen, was die Menschen laut der Legende tun mussten. „Jetzt mach es doch nicht so spannend, Mann!“ Neugierde glitzerte in ihrem Auge, als sie zu Alphys hinuntersah. „Nun ja, sie mussten laut der Legende ein Herz in den Schnee laufen, in einen frischen, unberührten Schnee. Sobald sich ihre Füße berühren würden, aktivierte sich der Segen der guten Fee und die Beziehung stand für alle Ewigkeiten unter einem guten Stern.“ Undyne blinzelte, schien über das nachzudenken, was Alphys ihr soeben erzählt hatte. Dann sah sie sich um, erst zu einer Seite, dann zur anderen … schließlich wurde sie fündig. „Los komm!“, sagte sie und schnappte sich Alphys rechten Arm. Ohne ihr ein Wort der Erklärung zu liefern, rannte sie vom Weg ab, auf eine Gruppe von Bäumen zu. Wenige Meter vor ihnen blieb sie stehen. Verwundert blickte Alphys sie an. „Was ist los, hast du was gefunden? Etwa diesen kleinen Hund, den Papyrus neulich gesucht hat?“ Undyne schüttelte wild den Kopf, wieder stieg ihr die Hitze unangenehm in die Wangen. Sie war dankbar für die Stiefel, die ihr Toriel geschenkt hatte, ohne diese könnte sie nicht das machen, was sie spontan geplant hatte. Mit einem hohen Grad an Entschlossenheit im Herzen, drehte sie sich zu Alphys um. „Komm, lass uns dieses Herz ablaufen. Normal glaube ich nicht an Flüche und derartigen Kram, aber auf der anderen Seite… man muss ja auch nichts riskieren, nicht wahr?“ Ihre Atmung ging schneller als normal und sie hoffte, dass Alphys dies nicht bemerken würde. Doch diese schien mit ihrer eigenen Nervosität beschäftigt zu sein. Die Pupillen zuckten wild hin und her, ihr Kopf leuchtete heller als Rudolfs Nase und ihr gesamter Körper zitterte. „Wie…. Was… Moment, du willst waaaaaaaaas?“, stammelte sie laut vor sich hin. Undyne nahm ihren ganzen Mut zusammen, den sie in ihrem gesamten Körper finden konnte. Es war nicht viel und dennoch, diese geringe Menge musste reichen. „Ja, ich möchte das zusammen mit dir machen. Du bist mir sehr wichtig, die Beziehung zu dir ist mir wichtig und …. Argh, komm schon, du weißt genau, dass mir dieser Gefühlsduselkram nicht liegt. Komm, lass es uns einfach tun, ok? Mir wird auch langsam zu kalt, wenn du verstehst, was ich meine.“ Alphys zuckte zusammen, als hätte ihr jemand einen Schlag verpasst. Dann wurde sie ruhig – sie schien tiefe Atemzüge zu nehmen, um sich wieder beruhigen zu können. Als sich ihre Blicke wieder trafen, war ihr Blick fest und voller Energie. Eine Energie, wie sie Undyne viel zu selten bei ihrer Freundin zu sehen bekam. „Ok, lass es uns tun!“, sagte sie, und Undyne ließ ihren Arm los. „Wir treffen uns am besten da vorne an dem Stein. Es ist laut Legende nicht wichtig, dass das Herz perfekt aussieht. Hauptsache, unsere Füße berühren sich am Ende.“ Undyne nickte, um zu zeigen, dass sie die Anweisung verstanden hatte. „Gut, dann lass uns loslegen“, sagte sie und machte den ersten Schritt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)