Deep down von BurglarCat (grows our greatest strength) ================================================================================ Kapitel 9: analysis ------------------- 2023 - New York „Das ist alles ziemlich überschaubar.“ „Sie haben die Ermittlungen gerade erst begonnen. Es kann noch nicht viel sein. Das wichtigste ist hier. Der Bericht über den Tatort und auch die Befunde der Gerichtsmedizin.“ Robin lehnte sich mit ihrem Kaffee zurück und ließ den Blick über die Akten schweifen, die Franky aus der Kiste räumte. Man hatte ihnen Kopien zukommen lassen, damit die Ermittlungen weitergeführt werden konnten, während sie sich ihr eigenes Bild machten. Smoker war deutlich gewesen; keine Störungen seiner Arbeit. Robin fragte sich warum man sie überhaupt einbestellt hatte, doch vermutlich würde auch das nur wieder als Angriff gewertet werden, sollte sie diese Frage aussprechen. Sie hielt sich zurück, hielt sich an das, was man ihnen gab. Im Grunde wäre es ihr ja nur recht, wenn das alles auf keinen fruchtbaren Boden treffen würde. „Hier.“ Franky hielt ihr einen Lieferschein unter die Nase. Das Dokument aus dem sie nun ein Profil erstellen und das ganze beenden sollte. „Du kannst damit anfangen, ich sehe mir noch einmal die Berichte vom Tatort an.“ „Was genau denkst du soll ich hier finden?“ fragte sie, nachdem sie das Papier an sich genommen hatte, welches in einer Plastikhülle steckte. Kurz überflog sie mit dem Blick die geschriebenen Zeilen, bevor sie den Blick wieder zu Franky hob. Fast war sie überrascht, dass man es geschafft hatte ihnen in diesem Fall das Original zur Verfügung zu stellen. Aber es lag wohl daran, dass Smoker keinen Sinn darin sah seine Zeit mit diesem Dokument zu verschwenden und er keinen Wert darin sah. Zumindest keinen für den das Original nötig wäre. „Irgendwas? Du findest doch sonst auch immer Details, die niemand sonst sieht.“ „Darf ich es wenigstens schon hier herausholen? Oder ist die Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen?“ Sie sollte es sein. Zumindest Fingerabdrücke hatte man bereist genommen, das konnte sie deutlich erkennen. Ob das ihre Arbeit erleichtern würde, das musste man noch sehen. Denn viel gab es auf dem Schein nicht zu sehen. Das Papier war kein besonderes, auf den ersten Blick würde man auch keinen Unterschied zu den Üblichen erkennen. Robin hatte einen anderen als Vergleich angefordert, der nun ebenfalls vor ihr lag und, den sie mit diesem akribisch vergleichen würde. Auf den ersten Blick war die Schrift allerdings das einzige, was ihnen vielleicht helfen könnte. Und das auch nur, sollten sie eine Probe von einem möglichen Verdächtigen vorliegen haben würde. Zusammenfassend könnte man feststellen, dass sie schlichtweg zu wenig in der Hand hatte, um hier ein umfassendes Profil aufstellen zu können. „Die Sachen stehen uns zur freien Verfügung. Tu, was du für richtig hältst.“ Wenigstens das. Dennoch fragte sich Robin, wo genau sie ansetzen sollte. Aber, da man hier nicht weiter kam, in dem sie die ganze Zeit ihre Zweifel betonte, beschränkte sie sich darauf sich Notizen zu dem Schriftbild zu machen. Wie waren die einzelnen Buchstaben geschwungen. Gab es eine Neigung oder Anomalien? Wenn Robin es sagen müsste, dann gab es aber auch hier nicht viel was man als besonders auffällig beschreiben könnte. Sie nahm sich ihre Lupe die auch von Uhrmachern oder Juwelieren für Feinarbeiten benutzt wurden. Hier nutzte Robin es, um langsam - Zeile für Zeile - über das Papier zu fahren und sich jeden einzelnen Buchstaben genau anzusehen. Sie konnte die Spuren des Stiftes, vermutlich eines Kugelschreibers, erkennen. Hier und da war die Farbe nicht gleichmäßig auf das Blatt aufgetragen. Kleinigkeiten, die keine Perfektion zeigten. Es war also keine maschinelle Anfertigung. Jemand hatte sich die Mühe gemacht den Schein an der ein oder anderen Stelle per Hand auszufüllen. Zumindest dort, wo vermeintliche Abnahmen notwendig gewesen waren. Man müsste nun schauen, ob diese Abnahmen tatsächlich stattgefunden hatten. Wenn ja, dann konnte man dem nachgehen. Wenn nicht, dann musste man weitere Möglichkeiten suchen. Wobei wohl sicher war, dass Smoker diesen Spuren bereits nachgehen dürfte. Die Rückverfolgung war nicht das wo sie etwas beitragen könnte auch, wenn Robin es nicht verhindern konnte, dass ihre Gedanken auch in diese Richtung gingen. Man machte sich automatisch Gedanken, das konnte sie durchaus nicht ablegen, so gleichgültig sie die Sache auch am liebsten behandeln wollen würde. Es lag eben in ihrer Natur das ganze Bild sehen und verstehen zu wollen. Doch was war es, was dann in ihren Möglichkeiten lag? „Wurde darüber nachgedacht alte Lieferscheine anzufordern, die von der gleichen Firma eingegangen sind?“ Fragte sie dann irgendwann doch und blickte auf. Franky war in eine Akte vertieft. Vermutlich der Bericht der Gerichtsmedizin. „Weiß ich nicht. Was könnte das bringen? Immerhin ist vorher nie etwas aufgefallen“, fragte er dann nur ohne den Blick von der Akte zu wenden. Er konzentrierte sich sicherlich auf beides und konnte durchaus ernst bei der Sache sein. Auch, wenn man ihm das nicht immer zutraute. „Ich könnte die Schriften alter Scheine Vergleichen. Vielleicht bringt es nichts aber vielleicht gibt es Übereinstimmungen und wir könnten entweder darauf Rückschlüsse ziehen woher diese Scheine kamen oder, wie viele Lieferungen es vielleicht schon gab“, erklärte sie ihm dann. Unbestreitbar war das eine müßige Arbeit, die nicht einmal besonders vielversprechend erschien. Doch am Ende war es das, was sie ihm anbieten konnte. Mit irgendetwas müsste sie die Schrift vergleichen und ein Profil aus einziger Schriftprobe zu erstellen war doch eher dürftig. Unmöglich war es zwar nicht aber es würde Fehler aufweisen und doch eher ungenau sein. Um Fehler zu vermeiden müsste sie sich doch sehr allgemein halten müssen. Robin zeigte sich doch eher unzufrieden mit dem, was ihr gegeben wurde, würde aber ihre Notizen vervollständigen. Zumindest das könnte sie liefern, aber sie würde sich nichts aus den Fingern saugen oder spekulieren. Das war nun wirklich nicht ihre Art. „Wir können es ihm zumindest vorschlagen. Er müsste sicher jemanden dazu abstellen sich darum zu kümmern und die entsprechenden Scheine zu finden.“ Und, ob Smoker das machen würde? Kam sicherlich darauf an wie dürftig die übrige Spurenlage war mit der man es zu tun hatte. Auf der anderen Seite war es auch eine Möglichkeit an neue Spuren zu gelangen. Wenn man bedachte welches Ausmaß diese ganze Sache annahm wäre es vielleicht falsch die Möglichkeit auf neue Beweise zu ignorieren. „Die meisten der Mädchen sind schlichtweg verdurstet oder verhungert. Anscheinend hätte der Container viel früher ankommen sollen oder jemand hat die Ration an Nahrung falsch bemessen. Offenbar haben manche aus Verzweiflung angefangen Kanibalismus zu betreiben.. deswegen sah der Container auch so aus, wie er aussah.. das Blut stammte von denen, die diesen Überlebenskampf verloren haben.“ Robin atmete durch und richtete den Blick wieder auf ihre Notizen. Es war schrecklich. Sicherlich einer dieser Fälle, der einen Verfolgen könnte, würde man ihn zu sehr an sich heran lassen. Sie hatte bereits vor Jahren gelernt, dass sie das nicht zulassen durfte, wenn sie diesen Job weiterhin machen wollte. Man nahm auch so schon genug Ballast und Geister mit sich, es wäre nicht gut auch an dieser Stelle etwas zu sehr an sich heran zu lassen. Sie musste es nüchtern betrachten und diese Mädchen wie Nummern behandeln. Nicht wie junge Frauen, die einmal einen Namen gehabt hatten. Deren Familien irgendwo warteten und darauf hofften, dass sie zurück kamen. Junge Menschen, die ihr ganzes Leben noch vor sich gehabt hatten. Und denen die Möglichkeit darauf genommen war zu lieben, zu lachen und die Welt zu entdecken, um ihre eigenen Geschichten zu schreiben und zu erleben. Robin durfte nicht die einzelnen Schicksale sehen, die dahinter standen. „Meiner Meinung nach ist das ein ziemlicher Sadist, der das ganze anzettelt und versucht schlauer zu sein als alle anderen.“ „Das überrascht mich nicht“, murmelte Robin nur. Jemand, der so mit Menschen umging, konnte nur ein Sadist sein. Zumindest war das ihre Meinung dazu. „Nein, hier geht es nicht nur um einfachen Menschenhandel. Aber diese kleinen Metallrohre in ihrem Nacken.. das war das einzige, womit die Mädchen angekettet waren. Er verhöhnt sie. Er sagt; komm. Befrei dich, es gibt nichts was dich hält. Mit dem nötigen Kraftaufwand würden sie sich losreißen können ohne das sie lebensgefährliche Verletzungen davontragen würden. Blutverlust, eine Wunde. Ja. Aber sie würden nicht daran sterben.“ „Doch wohin sollten sie fliehen? Das ist eine Wette, die sie nicht gewinnen können. Selbst, wenn sie den nötigen Mut aufbringen sich zu lösen.“ Robin blickte wieder von ihren Notizen auf. Es war Augenwischerei. Denn ganz gleich wie man es drehte, diese Mädchen hätten nie und nimmer aus diesem Container entkommen können. Und dort, wo man sie sonst gefangen hielt? Vermutlich auch nicht. Er wog sie in falscher Sicherheit und schürte Hoffnungen, doch am Ende würde sie vielleicht genau das Brechen. Der gescheiterte Versuch zu entkommen, wenn sie doch versuchten diesen einen Schritt zu gehen und sich zu lösen. Franky zuckte mit den Schultern und legte die Akte wieder auf den Tisch. „Kommt sicher darauf an was er mit ihnen macht, wenn sie an ihrem Bestimmungsort angekommen sind. Wir kennen nur den Container. Wir wissen nicht woher sie gekommen sind oder wohin sie gebracht werden sollten. Vielleicht ist das so ein Arschloch, das glaubt, dass Saw ne scheiß gute Idee war.“ Vielleicht. Es gab genug kranke Geister und wenn sich so einer nun von irgendwelchen Horrorfilmen inspirieren ließ? Dann wäre das sicherlich nicht das erste Mal, dass so etwas geschehen würde. Robin würde sich zumindest nicht darüber wundern, obgleich es ihre Arbeit nicht leichter machen würde. Das einzige, was man am Ende hoffen konnte war, dass solche Kerle größenwahnsinnig genug waren, damit sie so schnell wie möglich anfingen Fehler zu begehen. Und wenn man bedachte, dass man es hier nicht mit einer einzigen Person zu tun haben konnte, sondern man sicherlich von einem Netzwerk sprach, dann erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwo ein Fehler entstehen würde. Das zumindest war es, worauf man setzen musste. Keine Organisation war unfehlbar. Niemals. „Wir haben jemanden der gerne Macht demonstriert. Der autoritär genug ist, um ein Team anzuleiten. Oder gehst du davon aus, dass wir es mit einem Einzeltäter zu tun haben?“ Er schüttelte den Kopf. Zumindest darin war man sich wohl einig und konnte die ersten Notizen zu dem Profil eintragen. Erst einmal würde man alle Strichpunkte sammeln und versuchen es zu ordnen, bis sich ein konkreteres Bild ergeben würde aus welchem man dann ein Profil erstellen könnte. Dazu würden sie ihre Gedanken teilen, sich die Bälle gegenseitig zuspielen und versuchen sich entsprechend zu inspirieren und die jeweils anderen Gedanken weiter zu denken. Man verstand sich und Robin zweifelte nicht daran, dass sie am Ende einen Bericht erstellen würden, der Smoker zumindest irgendwie helfen könnte. Wobei es bei einem solchen Bericht wohl eher darauf ankam wie viel er davon würde annehmen wollen und, wo seine selbst gesteckten Grenzen lagen. „Ich hab versucht dich gestern Abend noch zu erreichen und dachte wir gehen doch noch was trinken“, warf er irgendwann in den Raum, während sie gerade dabei waren die ethnischen Daten anzugeben, die sie vermuteten. Männlich. Älter als 35. Charismatische Persönlichkeit. „Ich war unterwegs“; wandte sie ein ohne von ihrem Laptop aufzusehen, wo sie versuchte alles wichtige festzuhalten, was sie brauchen würden. „Alleine?“ Robin atmete tief durch. So sehr er sich konzentrieren konnte, so schnell konnte er auch zwischendurch einfach wechseln und auf etwas anderes zu sprechen kommen. Und in diesem Fall war das wohl eine Frage, die er sich bereits seit dem vergangenen Abend stellte und, die eigentlich, überhaupt keine Relevanz hatte. „Ich bin nicht sicher, was dir eine Antwort auf diese Frage bringen würde.“ „Befriedigung meiner Neugierde?“ Er grinste sie breit an und Robin seufzte erneut. Sie hatte dieses vermeintliche Interesse am Privatleben anderer Menschen nie wirklich verstehen können. Es war ihr durchaus fremd sich am Klatsch und Tratsch anderer zu beteiligen oder etwas darauf zu geben wer mit wem schlief. Was brachte ihr diese Information? Nichts. Es war schlichtweg unnützes Wissen, was in ihren Augen an eine einfache Zeitverschwendung grenzte. „Nicht alleine.“ Der einzige Grund, warum sie dem nachgab war wohl der, dass Franky ohnehin nicht aufhören würde, bevor er seine Antwort bekam. Die wollte er einfach und genau deswegen würde er sich auch nicht eher wieder auf ihre Arbeit konzentrieren, bis sie das geklärt hatten. „Mit wem?“ „Ich weiß nicht wie sie heißt. Ich habe sie in einer Bar getroffen, wir hatten eine schöne Nacht, mehr nicht. Können wir uns jetzt wieder auf die Arbeit konzentrieren?“ Es war sicherlich nur die halbe Wahrheit. Zumindest hatte Nora ihr einen möglichen Namen genannt und es gab zu mindest in der Theorie die Möglichkeit sich wiederzusehen. Sofern sie beide sich dazu entscheiden würden in den nächsten Tagen wieder in die Bar zu gehen und man sich durch Zufall dort treffen würde. Doch wie wahrscheinlich war das schon? Und wie wahrscheinlich war es, dass die Kleine ihr ihren wirklichen Namen genannt hatte? Robin machte sich da durchaus keine Illusionen. Wenn man bedachte, wie wiederstrebend sie den Kaffee getrunken hatte, dann war es doch nur wahrscheinlich, dass sie alles dafür tun würde, dass sie sich wirklich nicht wiedersehen würden. Nichts, was Robin persönlich nahm. Es hatte eben jeder seine eigenen Regeln in diesem Spiel. Auch sie. „Werdet ihr euch wiedersehen?“ „Ich weiß nicht wie sie heißt, was kannst du aus dieser Information entnehmen?“ Ja, was sagte ihm das wohl? Er war nicht dumm, also könnte er durchaus auch weiter denken nur, dass Robin manchmal das Gefühl hatte, dass er sich in seinem Privatleben extra dumm stellte. Oder zumindest so tat. „Weißt du, menschliche Verbindungen sind nicht automatisch etwas schlechtes.“ „Es war ihre Regel diese Distanz zu halten. Franky, ich werde in ein paar Tagen wieder abreisen, sobald wir das hier geklärt haben und ich bin nicht daran interessiert eine Beziehung zu führen. Die letzte hat mir vorerst gereicht.“ Durchaus. Es fiel ihr auch aus persönlichen Gründen schwer Nähe zu anderen Menschen zuzulassen und diese tiefergehend zu gestalten. Das war ein Fakt um den Robin durchaus wusste. Sie war durchaus reflektiert genug, als das sie wusste, dass ihre Beziehungen bisher oft genug an ihr und ihren Problemen gescheitert waren. Dennoch hatte sie es versucht und nachdem die letzte Beziehung in die Brüche gegangen war, saß ihr das alles doch noch schwer in den Knochen. „Dass das mit Kalifa eine beschissene Idee ist, das hätte ich dir auch schon vorher sagen können. Es war klar, dass dieser kleine Kontrollfreak nicht mit dir umgehen kann. Sie ist gut in ihrem Job, mehr nicht.“ Franky hatte nie viel von ihr gehalten und Robin? Vielleicht hätte sie es ebenfalls sehen sollen. Hatte sie aber nicht. Sie hatte sich gegen alle Regeln darauf eingelassen und hatte durchaus geglaubt, dass das alles wirklich funktionieren könnte. Hatte es das? Nein. Sieben Monate hatte es gedauert, bis die Sache zwischen ihnen in die Brüche gegangen war und sich auch auf ihr Arbeit ausgewirkt hatte. Was genau sie sich dabei gedacht hatte, etwas in ihrem Arbeitsumfeld anzufangen, das konnte Robin heute nicht mehr beantworten. Es war von Anfang an einfach falsch gewesen und sie hätte es einfach besser wissen sollen. Hätte sie. Warum sie ihr Bauchgefühl ignoriert hatte? Vielleicht war es das Gefühl, was alle paar Monate aufkam, wenn sie sich doch alleine fühlte und glaubte, dass es doch gut wäre sich auf jemand anderen an ihrer Seite zu haben. Es war eine menschliche Regung, die sie nicht immer ignorieren konnte. Und entgegen Kalifa’s Meinung war Robin am Ende des Tages, keine Maschine. Sie arbeitete nicht einfach nur ihr Leben ab. Es war weit mehr als das. Um das allerdings zu erklären und sich zu öffnen, brauchte Robin Zeit. Sie band nicht jedem gleich ihre Geschichte auf die Nase auch, wenn sie durchaus versuchte sich zu bessern. Für Kalifa war es allerdings nicht schnell genug gewesen und das hatte wiederum dazu geführt, dass sie auf eigene Faust versucht hatte in Robin’s Vergangenheit herumzuschnüffeln. So sehr Robin sich auch bemühen wollte das zu verstehen, so war es ein Vertrauensbruch, den sie einfach nicht vergessen konnte. Zumal Kalifa ihre Handlungen nicht einmal selbst offen gelegt hatte und Robin es nur durch einen Zufall und ihr eigenes Misstrauen erfahren hatte. Auf einer solchen Basis war es für sie unmöglich eine gesunde Beziehung aufzubauen und an eine gemeinsame Zukunft zu denken. „Tu bitte nicht so, als hättest du in dieser Hinsicht noch nie eine schlechte Entscheidung getroffen“, wandte sie nur trocken ein. Hatte er durchaus. Weitaus öfter als sie. Franky hatte ständig eine neue Beziehung und ständig ging es wegen dem Job in die Brüche. Er nahm sich einfach keine Zeit, um das alles wirklich aufzubauen. Er bereitete die Frauen nie wirklich darauf vor, was es bedeutete mit ihm eine Beziehung führen zu wollen. Es fing schön an, solange er in der Stadt war und dann ging er plötzlich. Sie wurden ins kalte Wasser geschmissen und er erwartete, dass sie einfach damit zurecht kamen. Etwas, was nie funktionierte. Natürlich tat es das nicht. Welche Frau könnte auch damit zurechtkommen, wenn der vermeintliche Partner nicht mit ihr sprach und einfach sein Ding machte? Sie machten ihm natürlich die Hölle heiß und das wiederum war etwas, das Franky nicht leiden konnte. Er brauchte seine Freiheit, wie er es nannte. Robin nannte es ignorant. Er war einfach kein Typ für eine Beziehung und brauchte, wollte, seine Freiheit. Es war also nicht besonders überraschend, dass seine Beziehungen meistens weniger als ein halbes Jahr hielten. Er war nicht die Person, von der sie sich Beziehungsratschläge anhören wollte oder würde. Da musste er wirklich nicht versuchen sich in ihr Leben einzumischen. „Hey, ich bin zufrieden wie es läuft. Aber ich glaube du bist es nicht.“ Das war seine Meinung. Robin entschloss sich das zu ignorieren und sich lieber wieder ihrem Laptop zuzuwenden. Sie war wenigstens realistisch genug, um zu wissen, dass ihr Job eine Beziehung deutlich komplizierter machte und sie sich nicht einbilden müsste, dass es eine einfache Sache wäre. Wollte sie auch nicht. Manchmal musste man sich einfach entscheiden und sie hatte sich am Ende des Tages für ihren Job entschieden. Eine Entscheidung zu der man am Ende einfach stehen musste. Ihr Job war das, was ihr Leben bestimmte. Und solange eine Frau damit nicht umgehen konnte, würde es auch niemals zu einer Beziehung führen. „Wenn wir den Bericht fertig haben, wie geht es dann weiter?“ Wechselte sie lieber das Thema und richtete den Blick wieder auf ihre Arbeit. Das war zumindest das, was sie schaffen wollte. „Solange nichts neues auftaucht denke ich können wir danach nicht mehr viel tun. Ich würde noch etwas bleiben für eventuelle, neue Erkenntnisse, die in den nächsten Tagen aufkommen könnten. Aber wenn es stagnieren sollte, dann können wir nur in Kontakt bleiben und Smoker kann sich melden, wenn sich etwas ergeben sollte.“ Das war sicherlich vernünftig und das, was man tun sollte. Denn hier sitzen und warten? Das würde ihnen auch niemand bezahlen. „Dann rechnen wir mit drei Tagen?“ „Vier.“ Wieder ging ihr Blick hinauf und sie schielte Franky an. Vier also. Gut. Es war zumindest eine überschaubare Zeit, die sie hier überstehen konnte. Und, da sie nicht im Außeneinsatz waren, konnte sie hier in diesem Rahmen auch mit geregelten Arbeitszeiten rechnen. Sie würden den Bericht heute abarbeiten, am nächsten Tag noch einmal nachhaken aber ansonsten würde es nicht viel geben. Es war besser so. Normalerweise war Robin eine Person, die ganz in ihrer Arbeit aufging. Sie liebte ihren Job, immerhin war sie bereit das alles ihrem Leben überzuordnen. Kalifa hatte es eher eine Flucht vor der Realität genannt. Doch das war aus ihrer Sicht eher eine Frage des Blickwinkels. Am Ende kam es nur darauf an, dass sie hier nicht bei der Sache war. Und Robin konnte es nicht leiden, wenn ein Job nur halbherzig gemacht wurde. Sie hatte einfach einen anderen Anspruch an sich selbst. Und doch konnte sie nicht leugnen, dass ihre eigene Geschichte sie beeinflusste, solange sie sich in dieser Stadt befand. Ganz gleich wie schlimm das Schicksal dieser Mädchen auch sein mochte. Wenn es um diese Stadt ging, dann sträubte sich einfach etwas in ihr und Robin konnte sich nur bedingt dagegen wehren. „Gut. Vier. Dann kann ich Zuhause meine Projekte weiterlaufen lassen.“ „Deine angestaubten Bücher werden dir schon nicht davonlaufen.“ „Zeit ist auch bei dieser Arbeit ein nicht unerheblicher Faktor.“ Aber was versuchte sie ihm das zu erklären? Franky hatte einfach keinen Sinn für Kunst und erst recht nicht für Geschichte. Er war Pragmatiker. Lebte im hier und jetzt und wenn er nicht im Dreck der Unterwelt wühlte, dann hatte er nur Kopf für seinen Sport oder für seine Bastelprojekte. Wie Robin es nannte. Aber wie sollte man es auch sonst bezeichnen, wenn ein erwachsener Mann kleine Roboter baute? Nicht, dass sie es verurteilte. Es beruhigte ihn und hat ihm dabei zu entspannen, was letztlich das einzig wichtige war. Jeder von ihnen brauchte einen passenden Ausgleich im Leben, um mit all dieser Dunkelheit umgehen zu können. Für sie zählte nur, dass es ihrem Freund gut ging. Aber dafür erwartete sie auch, dass er ihre Bücher in Ruhe ließ. Es war ihre zweite Leidenschaft und die würde sie sich auch niemals nehmen lassen. Nicht einmal von ihrem kritischen Freund, der scheinbar immer wieder das letzte Wort haben musste. „Was auch immer..“ Franky winkte ab und schien nicht weiter auf das Thema eingehen zu wollen. Es langweilte ihn und war damit genau das, was sie hatte bezwecken wollen. Sie redete gerne mit ihm. Allerdings nicht über ihr Beziehungsleben und auch nicht gerne während der Arbeit. Robin setzte da durchaus Prioritäten und war für ein effektives, konzentriertes arbeiten. Franky hingegen war der Auffassung, dass es auch Spaß machen sollte und so ein kleiner Plausch doch nicht schaden könnte. Grundsätzlich mochte er damit vielleicht auch recht haben. Wenn es nur nicht jedes mal so ausufern würde. Dahingehend war er wirklich ein Meister seines Fachs. Für’s erste allerdings würde sie nun auch ihre Ruhe haben und hatte die Chance, dass man sich die nächsten Stunden noch weiter auf die Arbeit und das erstellen der Profile konzentrieren. Wenn das getan war konnte sie sich Gedanken um anderes machen. Das sie es dennoch nicht verhindern konnte, dass ihre Gedanken zwischendurch zu der vergangenen Nacht glitten und sie an den kleinen Wildfang dachte, würde sie ihm sicherlich nicht zugestehen. Ebenso musste er nicht wissen, dass sie durchaus darüber nachdachte noch einmal in die Bar zu gehen. Robin könnte nicht einmal genau sagen was es war, doch irgendetwas an der Kleinen hatte sie neugierig gemacht. Sie hatte diese kecke, selbstbewusste Art an sich, die zum spielen einlud und die sie durchaus erheitert hatte. Zumal die Nacht auch besser gewesen war, als sie es erwartet hatte. Wobei sie es durchaus nicht darauf beschränken wollte. Würde es nur danach gehen, dann gäbe es sicherlich auch andere Wege und Robin würde nicht von sich sagen, dass sie Sex brauchte. Es war eine nette Nebensache aber kein muss. Nein, die Kleine hatte etwas anderes an sich gehabt. Und auch, wenn sie nicht viel gesprochen hatten, so hatte es doch davon gezeugt, dass sie etwas im Kopf hatte. Durchaus etwas das von Robin immer Zuspruch erhalten würden. Ob sich ihre Wege allerdings noch einmal kreuzen würden war allerdings offen. Sie konnte lediglich noch einmal in die Bar gehen und dann würde sich zeigen, ob ihre Einladung angenommen werden würde oder auch nicht. Das würde allerdings nur der Fall sein, wenn Nora sie nicht als ihre Bedrohung für ihre Freiheit wahrnehmen würde. Denn wie bei anderen Frauen konnte Robin sich in ihrem Fall wohl kaum auf ihren Charme und ihre Ausstrahlung verlassen. Diesen kleinen, privaten Luxus würde sie sich allerdings erst gönnen, wenn sie ihre Arbeit fertiggestellt hatte und es keine offenen Fragen mehr geben würde. Die Hauptarbeit lag zwar am Ende noch immer bei Franky und dennoch mussten sie ihre Ergebnisse miteinander abgleichen und schauen, ob es zusammen passte. Wenn nicht müssten sie sich die Frage stellen, warum das so war. Und auch was sie übersehen hatten oder, wie es passen könnte. All das waren jedoch Fragen für später. Zunächst würde Robin weiter versuchen etwas aus dem wenigen zu machen, was sie erhalten hatte. Wenn Robin allerdings eines in den vergangenen Jahren gelernt hatte dann, dass man nur genau hinhören musste, wenn man Antworten erhalten wollte. Zumindest aber würde sie Fragen finden, die durch all das aufgeworfen werden würden und, die ihnen zeigen könnten, in welche Richtung sie im weiteren gehen müssten, um die entsprechenden Antworten zu erhalten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)