Deep down von BurglarCat (grows our greatest strength) ================================================================================ Kapitel 6: friendship --------------------- 2023 - New York „Wo bist du diesmal gewesen? Ich dachte eigentlich wir wollten uns mal wieder einen gemütlichen Abend machen. Du bist nur noch unterwegs und arbeitest.“ „Es hat sich kurzfristig was ergeben. Entschuldige.“ „Eine Frau?“ Nami hob den Blick. Sie hatte es bis nach Hause geschafft doch entgegen ihrer Hoffnungen war Vivi nicht bei der Arbeit gewesen. Am liebsten wäre sie diesem Gespräch aus dem Weg gegangen, da ihr der Sinn absolut nicht danach stand. Vivi war eine Frohnatur und oft eine Spur zu naiv. Es war daher wohl kaum verwunderlich, dass sie nicht ahnte wie tief Nami eigentlich in den Strukturen der Unterwelt steckte, wie sie es gerne beschrieb. Vivi’s Vater war Bürgermeister der Stadt und sie eiferte ihm durchaus nach. War politisch aktiv und besetzte auch ein paar Ehrenämter. Menschen wie Nami gehörten daher eigentlich zu jenen, die sie am liebsten für immer Wegsperren würde. „Es war ein langer Tag und ich brauchte ein bisschen Entspannung.“ „Wirst du sie wiedersehen?“ „Natürlich nicht. Du weißt, ich suche keine Beziehung.“ „Es würde dir durchaus gut tun endlich mal wieder jemanden an deiner Seite zu haben.“ Das war zumindest ihre Meinung, die Vivi vehement vertrat. Nami wusste, dass es lediglich ein Ausdruck ihrer Sorge war auch, wenn sie dabei vergas das Nami andere Bedürfnisse hatte. Vivi selbst war ein Beziehungsmensch, sie konnte nur schwerlich alleine sein. Ein Grund, warum Nami sich manchmal fragte, ob die Beziehung zu ihrem Kindheitsfreund wirklich das war, was sie wirklich wollte. Doch im allgemeinen schien er sie glücklich zu machen und das war die Hauptsache. Zumal sie sich in ihrer politischen Sicht durchaus einig waren, obgleich sie sehr unterschiedliche Ansätze hatte, um diese zu vertreten. Denn während Vivi durchaus glaubte auf politischem Boden etwas verändern zu können würde Nami ihren Freund doch eher als Aktivist bezeichnen. Einer der seine Sichten auch schon einmal etwas vehementer vertrat. Kein Wunder also, dass ihr Vater nur bedingt begeistert von dieser Verbindung war. „Ich komme auch wunderbar ohne jemanden an meiner Seite zurecht. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig und kann auch so meinen Spaß haben.“ In erster Linie ging es zwar um ihr Doppelleben und darum, dass sie deswegen niemanden zu nah an sich heranlassen konnte. Zum einen würde keine Frau das akzeptieren und gut finden und zum anderen saß ihr Aron im Nacken, sobald er das Gefühl hatte, dass sie sich nicht völlig auf ihre Aufgabe konzentrierte. Und sicherlich würde er eine Frau an ihrer Seite, nur als weiteres Druckmittel sein, was er gegen sie verwenden konnte. Entgegen ihrer Worte ging es dabei also weniger um ihre eigene Einstellung als darum was die Umstände ihr aufzwangen und was sie einfach akzeptieren musste. „Irgendwann wird dir eine Frau begegnen bei der du das anders siehst.“ „Warum ist es nicht auch in Ordnung, dass ich alleine glücklich bin? Warum ist das größte Ziel im Leben eine Partnerschaft?“ Abgesehen von ihrer eigenen Situation war das durchaus ein Punkt, den sie in Frage stellte. Nicht jeder Mensch brauchte und wollte eine Beziehung führen und das war durchaus in Ordnung. Es war auch nichts an dem sie selbst ihren Selbstwert messen würde. Messen durfte. Sie brauchte keinen anderen Menschen, um sich selbst zu vervollständigen oder besser zu fühlen. Das musste sie alleine schaffen. Sie war verantwortlich für ihr eigenes Glück, das hatte sie schon früh von ihrer Mutter gelernt und daran würde sie auch festhalten. „Ich finde es einfach schön Dinge teilen zu können. Gemeinsame Erinnerungen zu schaffen und jemanden zu haben, der da ist wenn es einem schlecht geht und den Rücken stärkt.“ „Also führen wir zwei auch eine Beziehung?“ Ein wenig grinste sie und wackelte mit den Augenbrauen. Das konnte man sicher verschieden auslegen aber am Ende war Vivi ihre beste Freundin. Einer der wichtigsten Menschen in ihrem Leben und sie verbrachten viel gemeinsame Zeit. Man war füreinander da und da Nami auch sehr aktiv war, wenn sie andere Bedürfnisse hatte, konnte sie all das durchaus auch ohne eine Beziehung ausgleichen. „Ja, aber keine romantische“, korrigierte Vivi das ganze dann noch einmal und schmunzelte. Man verstand sich schon und Nami nahm es ihr auch nicht übel. Immerhin wusste sie, dass ihre Freundin nur das beste für sie wollte. Und doch war das eben weit komplizierter als es von außen aussah. Früher hatte sie noch die Hoffnung gehabt sich irgendwann von all dem lösen und befreien zu können. Sie hatte geglaubt, dass es möglich wäre ihre Arbeit irgendwann als beendet anzusehen. Das Aron sie irgendwann nicht mehr brauchen würde. Ein naiver Gedanke eines Kindes, welcher irgendwann im Keim erstickt worden war. Sie saß einfach zu tief drin und konnte nicht mehr einfach so aussteigen. Nami besäße durchaus die Fähigkeiten unterzutauchen. Doch untertauchen konnte man nur dann, wenn es nichts gab was man zurücklassen würde. Und sie ließ etwas zurück. Nicht nur ihre Schwester, die sie vielleicht mit sich nehmen könnte. Sie hatte viele Jahre zu niemandem enge Bindungen aufgebaut und doch war es irgendwann geschehen. Jeder Mensch brauchte das, andere Menschen, Vertraute. Doch diese Vertrauten würde sie in Gefahr bringen, sobald sie aus seiner Reichweite verschwinden würde und das war doch ein schwerwiegender Punkt, den sie nicht würde ignorieren können. „Ich bin zufrieden wie es ist. Das letzte was ich gebrauche ist der Stress, der mit einer Beziehung einher gehen kann. Sieh dir nur an, was Sanji für einen Stress hat.“ „Er lebt Polyamor, das kannst du nicht vergleichen. Natürlich ist so etwas mehr Arbeit und du musst besser und mehr kommunizieren. Zumal er auch eine Schwäche für komplizierte Frauen hat. Nicht jede Beziehung bedeutet Stress, nicht wenn es passt.“ „Wie auch immer.. für mich ist es gut wie es ist.“ Das war es. Sie wollte auch nicht andere vorschieben, denn was wusste Nami schon von Beziehungen? Die zu Carina war letztlich die einzig handfeste, die sie vorweisen konnte. Ansonsten hatte es kaum zu etwas gereicht oder die Möglichkeiten waren nicht gegeben gewesen. Andere hatten ihr da durchaus mehr voraus und zu sagen, dass alles an ihrer Beziehung schlecht gewesen sei wäre sicherlich auch unfair. Das war durchaus nicht so gewesen auch, wenn die Trennung ihnen am Ende beiden gut getan hatte. „Und diese Frau?“ Hakte Vivi dann doch noch einmal nach. Nami zuckte mit den Schultern und würde noch einmal einen Schluck trinken, bevor sie die Tasse zur Seite schob. „Es war.. gut. Sehr gut. Sie wohnt in einem Haus, draußen am Stadtrand. Sie scheint nur beruflich in der Stadt zu sein und heute morgen haben wir noch einen Kaffe getrunken und.. was?“ Nami brach ab und hob die Brauen, während Vivi nur schmunzelte und die Nase dann wieder in ihrer eigenen Tasse versenkte. „Regel Nummer drei: bleib nie zum Frühstück?“ Nami verdrehte die Augen. Natürlich wurde ihr das nun vorgehalten. Bei all dem Spaß den sie hatte, musste sich Nami natürlich auch an Regeln halten. Jeder, der das tat, hatte die. Und das Nami nie zum Frühstück blieb und sich vorher verdrückte hatte den Einfachen Grund, dass sie keine Missverständnisse aufkommen lassen wollte. Es sollte nicht so aussehen als habe sie nach einer tollen Nacht doch Interesse daran, dass mehr daraus wurde. Das man miteinander sprach und sich wiedersehen würde. „Ich war dabei zu verschwinden. Aber sie war schon wach und hat mich erwischt. Was hätte ich machen sollen?“ „Sie hat dich erwischt und dir einen Kaffee angeboten?“ Vivi lachte und Nami sah sie zerknirscht an. Das war nicht gerade angenehm gewesen so viel konnte sie durchaus sagen. Natürlich hätte sie die Frage ignorieren und einfach kommentarlos verschwinden können. Aber hätte es das wirklich weniger peinlich oder unangenehm gemacht? Vermutlich nicht. Sie hatte sich also lieber für das geringere Übel entschieden, um noch einmal klarzustellen, was ihre Intentionen hinter all dem waren. Oder was sie eben nicht waren. Je nachdem, wie man es betrachten wollte. „Dafür, dass du nur etwas Spaß hattest, weißt du ganz schön viel. Was macht sie beruflich?“ „Weiß ich nicht.“ „Und wie heißt sie?“ Nami verdrehte die Augen und blickte Vivi dann einfach nur an. Was erwartete sie nun? Sie wusste ganz genau, dass Nami niemals ihren Namen preis gab und auch nicht wusste mit wem sie da im Bett gelandet war. Nur, dass es diesmal doch ein bisschen anders war. Nami hatte ihr den Namen in ihrem Pass genannt. Den Namen, den sie für die Behörden trug. Nicht den, wie ihre Mutter sie immer genannt hatte und, wie enge vertraute sie auch nannten. War das ein Fehler gewesen? Was aber definitiv ein Fehler war, war Vivi dieses Blickduell gewinnen zu lassen. Sie wusste es und dennoch würde sie irgendwann seufzend nachgeben. „Robin.“ Vivi kicherte wieder und sah sie vielsagend an. Es hatte keinen Sinn sie anzulügen. Was das anging schien sie immer einen guten Riecher zu haben. Auf der anderen Seite bedeutete es aber, dass Nami sich das nun die nächsten Tage würde anhören müssen. Ja, sie hatte ihre Regel gebrochen. Toll. Vermutlich würde sie das alles weniger stören, wenn Nami selbst behaupten könnte, dass ihr das alles egal wäre. War es aber nicht. Sie hatte selbst gemerkt, dass diese Frau etwas an sich hatte, was sie neugierig machte. Was genau das war, das vermochte Nami nicht zu sagen. Vielleicht war es ihre Ausstrahlung, ihre Art oder einfach wie sie Nami ansah. Am Ende spielte es aber keine wirkliche Rolle, sie würde sie nicht wiedersehen. Und das war auch besser so. „Und wie küsst Robin?“ „Hör auf.“ „Warum? Hatte ich doch recht?“ Vivi lauerte nur darauf, das wusste Nami. Es gab zwar keine Regel die davon sprach, dass Nami niemanden küsste, doch ein Kuss konnte viel aussagen. Es war eher so, dass es ihr wichtig war, wie sich ein Kuss anfühlte und; was er in ihr auslöste. Meistens löste es kaum bis gar nichts aus. Etwas dem sie durchaus zugetan war, denn das bedeutete, dass sie die ganze Sache schnell wieder vergessen würde. Bedeutungslos. Der erste Kuss mit Robin hatte allerdings Eindruck hinterlassen. Zwar war Nami etwas angetrunken gewesen aber sicherlich nicht so, dass es ihr die Sinne vernebelt hätte. Sie hatte all das sehr genau wahrgenommen und als Robin sie in ihr Schlafzimmer geschoben, bestimmend und mit deutlichem Nachdruck, da hatte sie die Hand in ihren Nacken geschoben und sie an sich gezogen. Kurz darauf hatte Nami gespürt wie Robin ihren Mundraum mit ihrer Zunge für sich erobert hatte. Ein Kuss der ihr den Atem genommen hatte. Robin war eine Frau, die genau wusste was sie wollte. In der Regel war Nami diejenige, die in solchen Nächten die Führung übernahm. Sie nahm sich was sie wollte, hatte ihren Spaß und ging dann wieder. Robin allerdings hatte sie gar nicht erst zum Zuge kommen lassen und Nami hatte sich auf einmal in einer ganz neuen Situation wiedergefunden. Eine Situation, die sie so nicht kannte und; die sie durchaus genossen hatte. Sie hatte diese ganze Nacht genossen und es wäre daher auch eine Lüge, wenn sie sagen würde, dass sie Robin von der Bettkante stoßen würde, sollte sich diese Möglichkeit noch einmal ergeben. Dennoch; das würde definitiv gegen ihre Regeln verstoßen. „Okay.. es war gut, verdammt gut. Bist du jetzt zufrieden?“ Ihre Worte sorgten doch dafür, dass sich ein leichtes Grinsen auf Vivi’s Lippen stahl. Sie sprach selten wirklich gut über ihre Bettgeschichten und Vivi war sensibel genug diese feinen Unterschiede durchaus zu bemerken und für sich festzuhalten. „Und du willst sie wirklich nicht wiedersehen?“ „Selbst wenn ich wollen würde, ich habe nicht ihre Nummer. Vergessen wir das also.“ Warum genau musste sie auch so sehr darauf herumreiten? Für Nami war es durchaus nicht einfach, immerhin hatte sie selbst ein gewisses Interesse an dieser Frau gespürt und versuchte nun, aus gutem Grund, Distanz zu der vergangenen Nacht zu gewinnen. „Wenn du es wollen würdest, dann würdest du einen Weg finden. Du weißt wo sie wohnt, es gibt Instagram, Social-Media..“ „Ich bin kein scheiß Stalker. Es wäre absolut übergriffig nun etwas mit ihrer Adresse anzufangen.“ Und mit allem anderen. Nein. Das konnte sie nicht machen. Wie würde das auch aussehen? Wie eine verzweifelte Frau, die dringend versuchte die Aufmerksamkeit ihres Schwarms zu erlangen, weil sie sich nach einer Nacht hoffnungslos verliebt hatte. Nein. So eine Frau war Nami nicht und sie wollte so etwas auch nicht auf diese Weise angehen. Zum einen, weil es so nicht war. Zum anderen, weil Robin dann ohnehin kein Wort mehr mit ihr wechseln würde. Zudem war es auch nicht so als gäbe es wirklich keine Optionen. Robin hatte von einem Zufälligen Treffen in Carina’s Bar gesprochen. Wenn es sich denn ergeben würde. Für Nami stand am Ende nur die Frage; hatte die andere es ernst gemeint? Hatte sie überhaupt vor noch einmal in die Bar zu kommen? Oder hatte sie Nami nur vertrösten und auf Abstand halten wollen? Bisher könnte sie sich alles vorstellen. Robin war ein Buch mit sieben Siegeln und absolut undurchsichtig. Vielleicht war das auch ein Punkt, den Nami so faszinierend an ihr fand. Dass sie eben nicht wie alle anderen Frauen war, nicht wie diejenigen, mit denen Nami sonst zu tun hatte. Das war durchaus noch einmal etwas ganz anderes. Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als für sich die Entscheidung zu treffen, ob sie in den nächsten Tagen noch einmal ihr Glück in der Bar versuchen wollte, oder nicht. Gleichzeitig hingen ihre Möglichkeiten dahingehend aber auch damit zusammen, wie sehr Aron sie beanspruchen würde und, was er mal wieder brauchte. Phasenweise hockte sie durchaus lange, manchmal auch Nächte, in seinem Anwesen, um seine Aufträge abarbeiten zu können. Möglicherweise war es auch einfach eine Sache, die sie spontan entscheiden müsste. „Ich sage nicht, du sollst sie stalken. Ich sage, du sollst dich wenigstens einmal darauf einlassen und sehen, was passiert anstatt gleich jede Frau in den Wind zu schießen, die dir begegnet. Du weißt nie wohin es dich bringen wird.“ „Sie arbeitet doch ohnehin nicht in der Stadt und wird bald wieder weg sein.“ Vivi verdrehte bei diesen Worten nur wieder die Augen und atmete schwer durch. Sie schien offensichtlich keine besonders leichte Zeit zu haben. Zumindest wirkte sie so, als würde sie einfach völlig verzweifeln. Gewiss war es nicht Nami’s Absicht ihre Freundin in den Wahnsinn zu treiben und doch geschah es ihr ganz recht, wenn sie einfach nicht locker lassen wollte. „Wäre das nicht eigentlich der perfekte Grund es zu versuchen? Sie wird ohnehin freiwillig verschwinden und du musst dir keine Sorgen machen.“ „Was muss ich tun, damit du endlich Ruhe gibst?“ Ja, das war Verzweiflung! Nami wusste einfach nicht weiter. Wusste nicht wie sie damit umgehen sollte. Sie wusste nicht wohin mit sich und ihren Gefühlen und wie sie Vivi dazu bringen sollte nicht weiter in diesem Thema herum zu bohren. Man könnte fast von Glück sprechen, als ihr Gespräch von ihrem Handy unterbrochen wurde. Nami drehte es um, damit sie auf den Display sehen konnte, wo die ersten Nachrichten von Aron aufleuchteten. Dabei vibrierte ihr Handy weiter in ihrer Hand, während die Nachrichten im Sekundentakt hereinkamen. Er hatte die nervige Angewohnheit seine Nachrichten nach jeder Aussage abzuschicken. Manchmal glaubte Nami, dass es nur dazu diente die Sache noch dringlicher wirken zu lassen, als sie es eigentlich war. Immerhin wusste sie, dass er gerade vermutlich an seinem Laptop saß und die Nachrichten von dort aus schickte. Aron hasste Smartphones. Die „winzigen Teile“ nervten ihn einfach. Zumindest wenn es darum ging etwas zu tippen. Er kam damit einfach nicht zurecht und verlor schnell die Geduld. Deswegen neigte er für gewöhnlich auch dazu wegen jeder Kleinigkeit anzurufen, sobald er unterwegs war und nicht seinen Laptop für Nachrichten benutzen konnte. Nami war dankbar, dass das heute nicht der Fall war. „Ich muss nachher arbeiten“, stellte sie fest. Nami hatte zwar nicht alle nachrichten gelesen aber die Quintessenz war dennoch deutlich geworden. Es gab wieder irgendetwas das getan werden musste und sie sollte ins Anwesen kommen. Die Vermutung lag nah, dass es irgendetwas mit diesem verdammten Ausweis zu tun hatte. Was genau würde sie wohl dann erfahren. Und so gerne sie das alles nun ignorieren wollte, es wäre falsch ihn noch weiter zu reizen. Nach der Warnung, die er am vergangenen Tag ausgesprochen hatte täte sie wohl gut daran dafür zu sorgen, dass er sich wieder beruhigte und zufrieden war. Das letzte was sie gebrauchen konnte war, dass er auf die Idee kam bei ihrer Schwester im Café vorbei zu schauen und dieser zu verdeutlichen, dass er doch noch immer die Hand über ihrem Leben hatte. „Ich dachte du bist heute nicht im Café.“ „Der andere Job.“ Vivi erhob sich und würde die Tassen einsammeln, um diese dann auch zur Spüle zu bringen und sich darum zu bemühen. Vermutlich sollte Nami sich nicht zu viel Zeit lassen. Sie sollte die Nachrichten lesen und sich dann bei Ronan melden, damit er sie abholen konnte. Immerhin konnte sie nicht einfach so zu Aron stapfen und an der Pforte klingeln. „Du arbeitest zu viel. Mein Angebot steht, das weißt du, oder? Ich kann wirklich mehr von der Miete übernehmen, das ist kein Problem.“ „Das musst du nicht. Ich komme gut aus wie es ist.“ „Ich würde dich dennoch gerne wieder öfter sehen und nicht nur, weil wir uns zufällig über den Weg laufen.“ Ein Gedanke, den auch Nami nachvollziehen konnte. Immerhin waren sie nicht umsonst zusammengezogen. Sie hatten sich sofort verstanden, als sie sich vor neun Jahren kennengelernt hatten. Nami war feiern gewesen und auf dem Weg nach Hause war sie Vivi in die Arme gelaufen, die von von paar unangenehmen Kerlen belagert worden war. Nami, angetrunken wie sie gewesen war, hatte sich eingemischt und sich nicht beirren lassen. Es hatte damit geendet, dass eine völlig aufgelöste Vivi auf Nami’s Couch gehockt und ihr ihr halbes Leben erzählt hatte. Das Mädchen, dass immer nach den Regeln spielen musste, hatte ausbrechen wollen. Und das war einfach etwas nach hinten losgegangen. Seither gehörte Vivi zu ihrem Leben dazu. Hatte es irgendwie geschafft um Nami’s Mauern herumzuschleichen und sich einfach darin nieder zu lassen. Etwas das Nami gar nicht so bewusst mitbekommen hatte und, als sie es gemerkt hatte, da war es schon zu spät gewesen. Immerhin war es am Ende doch leicht sich an Menschen und sich an ihre Anwesenheit zu gewöhnen. Es war am Ende also keine wirkliche Frage gewesen, ob sie irgendwann zusammenziehen würden. Zwar fragte sich Nami manchmal wie es werden würde, wenn Vivi sich doch entschied mit ihrem Freund zusammenzuziehen. Bisher war dieses Thema jedoch nicht auf den Tisch gekommen. Fast schon merkwürdig, wenn man bedachte, wie Vivi eigentlich dazu stand und, dass eine Märchenhochzeit sicherlich ihr großer Traum war. Vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass diese Beziehung möglicherweise nicht ganz das war, was es eigentlich sein sollte. „Es wird wieder besser werden, ich verspreche es, okay?“ Ob Nami das wirklich versprechen konnte war fraglich. Immerhin ging es bei all dem nicht ums Geld. Vivi dachte das zwar und sie hatte auch ein schlechtes Gewissen, weil sie in dieser Wohnung lebten die augenscheinlich zu teuer und zu groß für Nami war, doch eigentlich hatte Nami keine finanziellen Probleme. Zwar konnte sie nicht über ihre Verhältnisse leben und hielt ihr Geld zusammen, doch auch Aron war daran gelegen, dass sie auskam. Er finanzierte ihre Miete. Alles was sie zusätzlich brauchte erwirtschaftete sie durch die Arbeit bei ihrer Schwester. Das es sicherlich falsch war sich von ihm bezahlen zu lassen war das eine. Auf der anderen Seite aber arbeitete sie etliche Stunden und sicherlich war der Preis ohnehin schon unter ihrem Wert. Es war also das mindeste, dass er für ihre Miete aufkam. Immerhin könnte sich Nami bei diesem Pensum keinen anderen Vollzeitjob leisten. Zumal sie auch nicht wüsste was das sein sollte. In ihrem Lebenslauf hatte sie nichts vorzuweisen und das, obwohl sie doch eigentlich ihr Leben lang gearbeitet hatte. Doch Erfahrungen oder Qualifikationen in einem richtigen Beruf hatte Nami einfach nicht. Aron hatte sie abhängig von sich gemacht und dafür gesorgt, dass ein Ausstieg aus dieser ganzen Sache denkbar schwierig sein würde. Zumindest wenn er es zulassen würde, dass sie diesen Versuch startete. „Das hoffe ich, ich bin immerhin nicht die einzige, der es so geht. Du hast noch mehr Freunde, die dich vermissen.“ „Hat sich etwa schon jemand beschwert?“ „Nicht wirklich. Aber ich denke Lola trägt es dir noch immer etwas nach, dass du bei der Eröffnung ihrer Agentur nicht anwesend warst. Du solltest dich wirklich bei ihr melden.“ „Ja, ich weiß..“ Ja, Nami vernachlässigte ihre Freunde durchaus sehr in der letzten Zeit. Etwas das sich nicht gut anfühlte. Immerhin wählte sie ihre Kontakte sehr sorgsam aus und die, die sie hatte, waren einfach ganz besondere Menschen. Jeder einzelne davon und sicherlich war es unfair, dass Nami nicht so für sie da sein konnte, wie sie es anders herum wären. Es wäre sicherlich ein Wunsch das zu ändern, obgleich Nami einfach nicht wusste wie sehr das überhaupt in ihrer Macht lag. Offensichtlich hatte Vivi ihre Gedanken gelesen, denn sie kam zu ihr und legte eine Hand auf ihre Schulter, um sie sanft zu drücken. „Mach dir keine Sorgen. Du kennst sie. Nach fünf Minuten hat sie dir ohnehin alles vergessen und wird dir mit Freuden alles zeigen.“ „Es sollte dennoch nicht so sein.“ „Nein, sollte es nicht. Aber wir wissen auch alle, dass du es nicht aus böser Absicht tust.“ Das war vielleicht ein wichtiger Unterschied, doch würde es nicht dennoch irgendwann dazu führen, dass man sich voneinander entfernte und die Bande ihrer Freundschaft dünner wurden? Nami kannte das Gefühl von Einsamkeit. Es hatte ihre Kindheit bestimmt und sich darin manifestiert. Müsste sie daher sagen, was ihr wirklich Angst machte, dann war es das, dieses eine, alles verschlingende Gefühl. Diese Menschen zu verlieren, wieder alleine zu sein und keinen Lichtblick in all dieser Dunkelheit zu haben würde ihr durchaus unangenehm aufstoßen. Ja, es konnte Angst machen und gleichzeitig wusste Nami auch, dass sie nicht mehr tun konnte als das, was sie eben bereits tat. „Pass einfach ein bisschen mehr auf dich auf.“ Vivi beugte sich hinunter und küsste sie auf die Wange, bevor sie sich dann löste. Nami würde sie ziehen lassen und ihr einen Moment hinterher sehen, als sie aus der Küche verschwand. Sicherlich musste sie auch bald los und so konnte Nami den Moment nutzen, um endlich auf ihr Handy zu sehen und die Nachrichten zu öffnen. Doch letztlich stand da nichts weiter drin als das, was sie sich ohnehin schon gedacht hatte. Es wartete Arbeit auf sie. Sie solle sofort in sein Anwesen kommen. Diesmal durfte es keine Fehler geben. Sie solle ihn bloß nicht ignorieren. Nami würde ihm einen Daumenhoch schicken und dann einen anderen Chat öffnen. Wie geplant würde sie Ronan darum bitten sie abzuholen, an ihrem üblichen Treffpunkt. Sie wollte Vivi nicht erklären in was für einem Auto sie da verschwand, sollte sie es doch sehen. Vorsicht war besser als Nachsicht, besonders in diesen Kreisen. Nachdem sie all das getan hatte würde auch Nami sich erheben und sich auf den Weg in ihr Zimmer machen. Wie immer musste sie sich nun die Frage stellen, ob sie noch Wechselkleidung im Anwesen hatte. Auch dort besaß sie ein kleines Zimmer für die Tage, an denen sie nicht nach Hause kam. Manchmal war es zu viel Arbeit und dann konnte es passieren, dass sie für einige Tage vor Ort bleiben und sich um seine Belange kümmern musste. Nach Möglichkeit versuchte sie natürlich diesen Umstand zu vermeiden, obgleich das auch nicht immer möglich war. Da sie sich nicht sicher war, wie der Rest des Tages verlaufen würde und auch nicht, was sie noch an Kleidung in ihrem Zimmer hatte, würde Nami eine kleine Tasche packen. Nur das nötigste, ein paar Sachen zum wechseln waren doch das mindeste. Aron legte zwar wert auf ein gewisses auftreten, doch sollte es darauf hinauslaufen, dass sie die nächsten Tage in ihrem Atelier hockte, dann würde sie sicher nicht in schicker Hose und Bluse dort herumlaufen. Da musste es etwas gemütlicheres sein, zumal sie ohnehin keinen Kontakt nach außen hatte und damit auch keine representative Position hatte, so wie es bei anderen vielleicht der Fall war. Schnell fanden sich ein paar Stücke in ihrer Tasche ein und Nami würde sich umziehen. Zumindest für die Anfahrt musste sie angemessen gekleidet sein aber das war das geringste Problem an dieser Sache. Noch während sie sich umzog und dabei war die Bluse zuzuknöpfen würde sich ihr Handy wieder melden. Nami beugte sich über den Display und würde die Nachricht überfliegen. Er konnte in zwanzig Minuten am Treffpunkt sein. Das würde sie schaffen, wenn sie sich gleich auf den Weg machen würde und dann musste sie darauf hoffen, dass die Laune vor Ort nicht völlig unterirdisch sein würde und sie einen umsetzbaren Auftrag vorgelegt bekam, um nicht weiter in seiner Gunst zu fallen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)