Deep down von BurglarCat (grows our greatest strength) ================================================================================ Kapitel 5: probing ------------------ 2023 - New York - Tag 2 „.. haben doch noch etwas gefunden. Der Lieferschein muss auch gefälscht gewesen sein, damit sie durch kommen. Damit kannst du doch sicher arbeiten oder..?“ Noch einmal hörte sie sich seine Sprachnachricht an, die er mit der passenden Datei in der vergangenen Nacht auf ihr Arbeitshandy gesendet hatte. Gemessen an der Uhrzeit, wann die Nachricht bei ihr eingegangen war, war er noch die halbe Nacht dort gewesen. Das er sich derart an etwas festbeißen und dann alles in eine Sache hineinstecken konnte, war durchaus eine seiner besten Charaktereigenschaften. Franky war loyal und er machte keine halben Sachen. Wenn er etwas anfing, dann brachte er es auch zu Ende. Auf der anderen Seite musste man allerdings sagen, dass diese Eigenschaft ihn nicht immer davor bewahrte sich in Schwierigkeiten oder an seine Grenzen zu bringen. Was diesen speziellen Fall anging, so hatte Robin das dumpfe Gefühl, dass beides der Fall sein könnte, wenn sie nicht aufpassen würden. Momentan war er dabei nach jedem Strohhalm zu greifen, der sich ihm bot, um sie davon zu überzeugen, doch zu bleiben. Zwar hatte Robin sich das Dokument nicht angesehen und sie würde auch das Original begutachten müssen, doch aus der Erfahrung heraus, war sie sich sicher, dass ihnen das nicht wirklich helfen würde. Solche Dokumente waren die leichte Arbeit an solchen Aufträgen. Gehörte förmlich zum kleinen Einmaleins. Was auch immer sie finden oder daraus lesen würde, es würde ihnen nicht viel helfen. „Hol mich ab, wenn du wach bist.“ Mehr würde sie ihm nicht dazu schreiben. Sie würden so oder so miteinander sprechen müssen und sie war es ihm schuldig sich wenigstens anzuhören, was er in den vergangenen Stunden herausgefunden hatte. Und wenn man all diese Erkenntnisse beisammen hatte, dann würde man weitere Entscheidungen treffen können. Aktuell standen sie an zwei sehr gegensätzlichen Positionen und man würde sich in irgendeiner Form einander annähern müssen. Wer von ihnen dabei den größeren Kompromiss würde eingehen müssen war dabei allerdings noch offen. Etwas das sie auf später verschieben würde. Im Gegensatz zu ihr war Franky auch unter normalen Umständen ein absoluter Langschläfer. Es war also nicht damit zu rechnen, dass er sich vor zehn bei ihr melden würde. Gerade war es erst kurz nach acht und damit noch deutlich zu früh für den Hünen. Zumal er auch wusste, dass er seinen Schlaf brauchte, wenn er gute Arbeit leisten wollte. Ausreichend Zeit für sie ihren Kaffee zu trinken und sich ihre ganz eigenen Gedanken zu dem Thema zu machen. Zwar wollte sie sich erst vor Ort von den neuen Gegebenheiten überzeugen, doch zumindest wollte sie ihren eigenen Standpunkt für sich klar haben. Wie weit wollte sie gehen und sich um all das bemühen? Eigentlich war ihre Geduld wirklich nicht so weit auszureizen. Sie würde an ihrem Kaffee nippen und sich ihr privates Handy nehmen und ein wenig durch die Nachrichtendienste surfen und sich über die Geschehnisse der Welt informieren. Es würde sie entspannen und dennoch würde sie sich nicht darin verlieren. Zugegeben war es allerdings auch die vorletzte Stufe, die sie verraten würde. Das knarzen war in dem ruhigen Haus nicht zu überhören und würde sie doch lächeln lassen. Nun würde es sicherlich spannend werden. Ob sie sich herausschleichen würde? Unweigerlich musste Robin bei diesem Gedanken schmunzeln. Es war eine lockere und doch schöne Nacht gewesen. Allerdings unter dem Vorbehalt, dass sie beide nur an etwas lockerem interessiert waren. Ein Umstand, der sich für Robin nicht verändert hatte, obgleich sie zugeben musste, dass die Nacht besser gewesen war als erwartet. Die Kleine war ihr aufgefallen, weil sie durchaus offensichtlich zu ihr herüber gestarrt hatte. Aber wenigstens hatte sie genug schneit gehabt, um ihre Einladung anzunehmen und zu ihr herüber zu kommen. Das hatte Robin als etwas positives gewertet und von da an hatte sie doch ein sehr einnehmendes Wesen gehabt. Energie, Leidenschaft, Selbstbewusstsein. Ja, das hatte ihr durchaus zugesagt. Und das die Kleine am Morgen noch schlafend neben ihr gelegen hatte? Es hatte Robin nicht gewundert. Immerhin hatten sie beide eine durchaus lange Nacht gehabt und Robin war verhältnismäßig früh auf den Beinen gewesen. Sie hatte ihr also keine Chance gelassen sich frühzeitig aus dem Staub zu machen. Der Blick ging über die Schulter, als sie den Rotschopf gerade am Ende der Treppe ankommen sah. Ohne sich umzusehen steuerte sie die Tür an und versuchte offenkundig sich unauffällig zu verhalten. Nur, dass es dafür schon längst zu spät war. „Möchtest du noch eine Tasse Kaffee, bevor du verschwindest?“ Sie hätte sie auch gehen lassen können und doch empfand Robin es nicht als schlimm. Sie waren beide erwachsen und eine Tasse Kaffee galt wohl kaum als Heiratsantrag. Es war immerhin auch nichts geschehen wofür sich eine von ihnen schämen müsste. Im Gegenteil. Nun beobachtete sie, wie die andere inne hielt und wohl darüber nachdachte, was sie nun machen sollte. Ob sie wirklich darüber nachdachte ihre Frage zu ignorieren und sich zur Tür zu begeben war wohl reine Spekulation. Etwas, dem sich Robin auch nicht hingeben wollte. Sie wartete einfach, bis sich die andere herumgedreht hatte und dann doch langsam zu ihr herüber geschlendert kam. „Ich wusste nicht, was deine Hausregeln sind“, stellte sie fest, als sie langsam zu ihr in die Küche kam und sich dabei forschend umsah. Robin schmunzelte nur und würde sich erheben. Dabei ließ sie ihre eigene Tasse stehen und würde sich zur Kaffeemaschine begeben, um dort eine weitere Tasse durchlaufen zu lassen. Es war kein Heckenwerk. Denn auch, wenn Robin nicht oft hier war, auf guten Kaffee konnte sie einfach nicht verzichten. Deswegen stand auch hier eine teure Maschine, die sicherlich alles für sie erledigen könnte, was sie sich wünschte. Für einen Kaffee reichte da ein Knopfdruck und wenige Augenblicke Wartezeit. „Ich habe keine Hausregeln“, erklärte sie dann auch, während der Kaffee langsam in die Tasse floss. Dabei hatte sie sich herumgedreht und beobachtete, wie ihr Gegenüber sich dann doch etwas zögernd an den Tisch setzte. Es war offensichtlich, dass ihr die Situation nicht ganz zu behagen schien auch, wenn Robin nicht wusste woran genau das lag. „Und ich denke dir nach der Nacht einen Kaffee anzubieten ist legitim. Keine Sorge, ich werde dich nicht fragen, ob du einziehen möchtest.“ So ganz konnte sie das nicht ernst nehmen aber es war vielleicht genau das, was die andere zu besorgen schien. Robin sah zu, wie sie das Gesicht verzog und den Kopf dann auf einer Hand abstützte. „So hätte ich dich auch nicht eingeschätzt. Ist einfach Gewohnheit.“ Sie machte das also öfter. Das war zumindest ihre Schlussfolgerung daraus aber auch das war eher Spekulation als Wissen. Und, obgleich es ihr eigentlich auch egal sein könnte, kam Robin nicht umhin sich gewisse Gedanken zu der Situation zu machen. „Milch? Zucker?“ „Beides. Nimm es nicht persönlich. Ich stehe normalerweise nicht so auf Frühstück.“ „Wie gut, dass ich Kaffe nicht als vollwertige Mahlzeit ansehe.“ Die Kleine war wirklich ulkig. Immerhin saß sie trotz ihrer Worte hier und ließ sich auf eine Tasse Kaffee ein. Ob man das nun als Frühstück bezeichnen mochte oder nicht war einmal dahingestellt. Robin machte den Kaffee fertig wie gewünscht und würde die Tasse dann zurück an den Tisch bringen, um sich anschließend wieder auf ihren eigenen Platz sinken zu lassen. Dabei schlug sie ein Bein über das andere und würde sich zurücklehnen, während der Blick aufmerksam auf der anderen lag. Immerhin hatte man nun das erste Mal die Möglichkeit einander bei Tageslicht zu sehen auch, wenn man da wohl keine allzu großen Überraschungen zu erwarten hatte. Allerdings musste Robin wohl zugeben, dass die andere ein gutes Stück jünger wirkte, als sie es selbst war. Nicht das sie damit ein Problem hätte und doch hatte sie das in dem schwachen Licht der Nacht wohl ein wenig anders eingeschätzt. „Vielleicht ist es nun ein passender Zeitpunkt, um wenigstens nach deinem Namen zu fragen?“ „Spielt das noch eine Rolle, sobald ich durch diese Tür gehe?“ „Bist du immer so misstrauisch?“ Robin schmunzelte ein wenig. Das erlebte man auch selten und doch weckte diese ganze Situation ein gewisses Interesse in ihr. Anders konnte sie es wohl nicht beschreiben. Irgendetwas an dieser Frau wirkte doch in gewisser Form anziehen, obgleich sie nicht vor hatte dem ganzen weiter nachzugehen. „Nora. Und du?“ „Robin.“ Sie trank einen weiteren Schluck aus ihrer Tasse. Sie fragte sich nicht, ob es sich wirklich um Nora’s Namen handelte oder, ob sie ihr lediglich etwas sagte, damit Robin sie in Frieden ließ. Wichtig war, dass es der Name war mit dem sie sie ansprechen würde und sei es nur für die nächsten zwanzig Minuten, bis der Kaffee getrunken war und die andere endgültig verschwinden würde. Zeit die für Nora offensichtlich schwer zu überbrücken war. Das sie im Gegensatz zu Robin nur schwer mit Stille umgehen konnte, war ihr bereits am vergangenen Abend aufgefallen. Da hatte sie auch einige Fragen gestellt, auf die Robin ihr eine Antwort schuldig geblieben war und, die viel tiefgreifender waren, als die Frage nach einem Namen. Zumindest war das ihre Meinung. „Du hast gesagt dein Auto ist ein Erbstück.. das Haus auch?“ Sie tat es schon wieder. Irgendwie schien es sie wohl doch zu beschäftigen auch, wenn wohl offen blieb warum das so war. Immerhin hatte sie sich zuvor noch heimlich aus dem Haus schleichen wollen. Robin empfand ihr Verhalten als sehr ambivalent und fragte sich, ob es Unsicherheit war, die sie dazu verleitete. „Ist das wichtig?“ Gab sie die Frage der anderen zurück und lächelte leicht. Nora verzog daraufhin das Gesicht und würde noch einmal etwas von ihrem Kaffee trinken, bevor sie die Tasse von sich schob und sich zurücklehnte. „Ich wundere mich einfach nur. Ich hatte erwartet, dass jemand der nur beruflich in der Stadt ist in einem Hotel wohnt und einen Mietwagen fährt.“ Sie war aufmerksam, das musste man ihr lassen und scheinbar reichte es aus, um ihr Interesse zu wecken. Allerdings hatte Robin nicht vor dieses Interesse zu befriedigen. Immerhin hatte sie nicht die Absicht jemanden kennenzulernen, da sie durchaus nur beruflich in der Stadt war. Ein Umstand den sie auch nicht ändern wollte, obwohl sie an gewissen Dingen festhielt. Die Kosten, die das ganze verursachte waren durchaus tragbar und jeder hatte eben seine Dinge, die man aufbewahrte. In Robins Fall war es eben ein ganzes Haus. „Ich dachte du möchtest kein zweites Date?“ „Möchte ich auch nicht, ich mache nur Smalltalk. Du hast mir einen Kaffee angeboten.“ „Geht es bei Smalltalk für gewöhnlich nicht um das Wetter und was für Eissorten wir gerne essen?“ „Musst du immer das letzte Wort haben?“ Robin gluckste leise und zuckte mit den Schultern. Es war nicht so, dass sie es mit Absicht machte, doch konnte sie gleichzeitig eben auch nicht aus ihrer Haut. Manch einer würde sicher sagen, sie solle nicht alles auf die Goldwaage legen. Aber was sollte sie tun, wenn ihr derartige Vorlagen geliefert wurden? „Ich mache dir einen Vorschlag.“ Und damit hatte sie sicherlich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit auch, wenn Nora sie über den Rand ihrer Tasse hinweg, weiterhin skeptisch ansah. Robin fragte sich, ob dieses Misstrauen zu ihrem Charakter gehörte oder, ob es der Situation geschuldet war. Am vergangenen Abend hatte sie zumindest alles andere als ablehnend und misstrauisch gewirkt. „Ich bin vermutlich noch ein paar Tage in der Stadt. Wenn wir uns noch einmal in der Bar über den Weg laufen sollten und du es dann noch immer wissen möchtest, dann werde ich dir vielleicht deine Fragen beantworten.“ „Soll das jetzt doch ein zweites Date werden?“ „Nein. Ich schlage dir lediglich vor, dass wir darüber sprechen können, wenn sich unsere Wege noch einmal kreuzen sollten. Bis dahin sehe ich nicht, warum all diese Informationen für dich von Interesse sein sollten.“ Und so gab sie das ganze dann auch einfach wieder zurück. Letztlich konnte man sich da wohl auch entspannen. Robin konnte nicht einmal sicher sagen wie lange sie noch in der Stadt sein würde und selbst wenn, würde sie noch einmal in die Bar gehen? Das konnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit Gewissheit sagen. Und damit schwand die Wahrscheinlichkeit, dass man sich tatsächlich noch einmal über den Weg laufen würde. „Gut.“ Man war sich also einig. Robin sah zu, wie Nora noch einmal die Tasse ansetzte und diese dann wohl leerte. Anschließend stand sie auf und schob die Hände in ihre Hosentaschen. „Danke für den Kaffee.“ Und damit würde sie sich dann auch auf den Weg machen. Dieses Mal würde Robin sie nicht aufhalten sondern sah ihr nur einen Moment hinterher, bis sie schließlich durch die Wohnung nach draußen verschwunden war. Noch kurz blieb ihr Blick an der Tür hängen, dann aber würde sie sich kopfschüttelnd abwenden und sich langsam erheben. Bis Franky sie abholen würde konnte sie noch etwas Ordnung schaffen und sich vielleicht doch ein paar Gedanken dazu machen, wie sie den Kühlschrank füllen wollte. Denn egal wie sie es drehen oder wenden würde, sie würde sicherlich noch ein paar Tage hier ausharren müssen, bis sie Franky eines besseren geleert haben würde. *** „Wir werden uns mit dem Captain treffen und sehen, was sie für neue Informationen sie haben auf denen wir aufbauen können. Danach kannst du dir den Lieferschein ansehen. Vielleicht hilft uns das weiter, ich denke sie werden irgendwo schon eine Spur hinterlassen haben.“ Franky’s Optimismus war schon beeindruckend. Er war früher bei ihr gewesen als erwartet und gemeinsam waren sie zum Präsidium gefahren. Auf der ganzen Fahrt hatte er ihr von seiner Arbeit berichtet und davon, dass er noch Hoffnung für diesen Fall hatte. Robin sah das auch weiterhin anders aber das würde sie ihm gegenüber nicht noch einmal betonen. Franky gehörte zu den Menschen, die durch solche Grenzen nur noch weiter angestachelt wurden und es anderen dann erst recht beweisen wollten. Nur, dass das hier eben kein Wettbewerb war. Es ging nicht darum bei einem Sprint der Schnellste zu sein. Oder bei einem Marathon die Zähne zusammen zu beißen und gegen den Schmerz zu laufen. Das hier war ihr Job und nur, weil man es unbedingt wollte, tauchten nicht aus heiterem Himmel neue Beweise auf oder ein möglicher Täter präsentierte sich vor ihnen. Sie mussten mit dem arbeiten was sie hatten und dem, was mögliche Beweise hergaben. Letztlich würde er dann hoffentlich von alleine erkennen, dass sie hier nichts in der Hand hatten. „Ein Lieferschein ist nicht gerade eine fälscherische Höchstleistung. Vermutlich haben sie sich ein Original beschafft und damit einen entsprechenden Entwurf gestaltet.“ „Aber man würde es erkennen, wenn es nur eine einfache Kopie wäre. Und das ist es nicht.“ „Wenn du das schon weißt, wozu genau brauchst du dann mich?“ Inzwischen waren sie ausgestiegen und Robin stand neben dem Wagen, hatte die Hände in die Hosentasche geschoben, um darauf zu warten, dass Franky seine Sachen zusammen gesucht hatte. Er fischte seinen Rucksack aus dem Kofferraum seines Mietwagens und warf sich diesen über die Schulter. So wie sie ihn kannte befanden sich mindestens zwei Flaschen Cola darin, vielleicht noch ein Sandwich, doch das was er wirklich brauchte war dieses süße, ungesunde Zeug. Robin würde nie verstehen, wie er as Zeug literweise in sich hineinschütten konnte und gleichzeitig so sportlich war. Aber manch einer besaß eben gute Gene und in Franky’s Fall war das sicherlich so. „Erstens; weil ich kein Experte bin. Und zweitens, es ist eine Spur! Wenn sie an ein Original gekommen sind, dann vielleicht irgendwie durch einen Zugang zu den Büro’s und möglicherweise haben sie dabei gefälschte Ausweise benutzt.“ „Die sie vermutlich nicht brav für uns zurückgelassen haben“, gab sie zu bedenken. Franky verzog angestrengt das Gesicht. Sie ging ihm damit auf die Nerven, dass sie immer das letzte Wort haben musste. Robin wusste darum und dennoch sollte man diesen Fund durchaus nicht überbewerten. Man musste ihn in Relation zu allem sehen und aus ihrer Sicht war das eine nette Spur, die aber ihr nicht weiterhelfen würde. Sie drehten sich im Kreis. „Könntest du mir einen Gefallen tun?“ Skeptisch sah sie zu ihm hinauf, während sie die Treppen zum Eingang des Präsidiums hinaufstiegen. „Könntest du deine erquickenden Gedanken für dich behalten, wenn wir gleich da oben sind? Ich will wenigstens die Chance haben mir das alles genauer anzusehen und das kann ich nicht, wenn du ihm erzählst, dass wir hier ohnehin nichts machen können.“ „Solange du nicht von mir verlangst, dass ich ihm erzähle, dass dieser Lieferschein ein riesiger Durchbruch sei kann ich mich wohl damit anfreunden.“ Man musste es ja nicht gleich so hart ausdrücken aber sie würde auch nicht lügen. Immerhin würde das auf sie zurückfallen und, wenn Robin nun behaupten würde, dass sie damit ein handfestes Profil erstellen konnte, dann müsste sie auch liefern. Gemessen daran, dass sie hier bereits von vorne herein wusste, dass sie das nicht konnte, war es doch besser diese ganze Sache nicht größer zu machen, als sie war. „Schön. Wir wäre es, wenn du einfach die Klappe hältst und mir das reden überlässt?“ Ob das die bessere Idee war wagte Robin durchaus zu bezweifeln. Allerdings war das kaum der richtige Moment, um sich mit Franky zu streiten oder zu versuchen ihn zu belehren. Der Mann hatte einen schrecklichen Starrkopf und meist wäre es lediglich Zeitverschwendung zu glauben, dass das alles mit Vernunft zu regeln wäre. „Solange du keine Versprechungen machst, die wir nicht halten können.“ Dann konnte man das wohl als einen Deal bezeichnen. Und das sie ihm anderenfalls in seine wunderbare Parade grätschen würde, das konnte er sich ebenfalls denken. Robin hatte mit solchen Dingen durchaus keinen Vertrag und ihr war es auch egal, wie außenstehende das bewerten würden. Am Ende ging es dabei, was für sie realistisch war und das sie aus diesen wenigen Beweismitteln ein ausgefeiltes Profil erstellen könnte, das gehörte gewiss nicht dazu. Doch abgesehen von ihren Zweifeln musste sie diese nun erst einmal bei Seite schieben und sich auf das Gespräch einstellen. Denn egal, wie sie jetzt darüber dachte, es gehörte eben auch zu ihrem Job nun unvoreingenommen in das alles hinein zu gehen und das anzunehmen was man ihnen sagen würde. Immerhin gehörten zwei Seiten dazu und bisher war es nur Franky gewesen, der die Gespräche mit den Behörden geführt hatte. Es war also Zeit das alles zu verändern. Und so würde sie ihm die Treppen hinauf folgen, wo man nun sicher das Büro des Captain ansteuern würde. Viele der Polizisten und andere Menschen kamen ihnen entgegen und es herrschte bereits reges Treiben. Vermutlich waren die meisten Dienstbesprechungen vorbei und man machte sich an die Arbeit für Ermittlungen und Einsätze. Man war also gezwungen etwas gegen den Strom zu gehen, doch Robin konnte sich leicht in den Windschatten ihres Partners schieben, um sich nicht weiter von all dem beirren zu lassen. Man wusste wo die jeweiligen Stärken lagen und während Robin doch eher eine Beobachterin war, war Franky derjenige der auch einmal gut anpacken konnte. Etwas das auch dazu geführt hatte, dass er inzwischen entsprechend breit aufgestellt war was seinen Körperbau anging. Robin erinnerte sich noch gut daran, wie sie ihn vor einigen Jahren kennengelernt hatte. Bereits damals war er dem Kraftsport nicht abgeneigt gewesen. Er war ein Boxer, jemand der gerne den direkten Kontakt suchte, obgleich er auch eine gute Waffe zu schätzen wusste. Im laufe der Jahre war das ganze aber fast schon zu einer Sucht geworden und Robin hatte dabei zugesehen wie ihr Freund im Zuge seiner Selbstoptimierung immer breiter geworden war. Das er dennoch eine gewisse Wendigkeit aufwies war sicherlich das, was die meisten Menschen überraschen würde und, was sie auch als seine große Stärke beschreiben würde. Sie erreichten das passende Stockwerk und konnten sich von der Treppe entfernen, um in einen Gang zu treten von dem verschiedene Türen abführten. Und während es weiter hinten sicherlich eine Personalküche und Verhörzimmer gab, so bogen sie doch in das Großraumbüro ab und würden sich ihren Weg durch die Schreibtische hindurch bahnen. Hier war es deutlich ruhiger. Nur vereinzelt saß jemand an seinem Schreibtisch und war mit seinem Computer beschäftigt. Weiter hinten unterhielten sich zwei Streifenpolizisten. Sonst war niemand zu sehen und sie konnten unbehelligt zum anderen Ende des Raumes gehen, wo es eine weitere Tür gab. Dahinter befand sich ein Büro in dem ein weißhaariger, breiter Mann auf und ab ging und in ein Telefon sprach. Man konnte ihn durch das Fenster beobachten, welches wohl dazu diente seinen Leuten seine permanente Präsenz deutlich zu machen. Das auffälligste an ihm war allerdings seine Zigarre, die er im Mundwinkel trug und immer mal wieder herausnahm, um mit ihr in der Hand wild zu gestikulieren. Für Robin zeichnete er das Bild eins vergangenen Jahrhunderts. Ältere Männer in diesen Positionen gaben selten etwas auf die Meinung einer Frau. Sie machten ihre eigenen Regeln, was er durch die Zigarre sicherlich unterstrich. Das in dem ganzen Gebäude ein Rauchverbot galt schien nicht weiter von belang zu sein. Er zelebrierte diesen Akt und das nicht nur mit einfachen Zigaretten, die vielleicht noch schnell verschwunden wären. Nein. Zigarren waren eher eine edle Ware, die von Genuss und einer gewissen Dekadenz zeugten. Nicht, dass dieser Mann seine Zigarre gerade genoss. In seiner Wut schien er sie förmlich in sich hinein zu saugen, doch das war nicht der wesentliche Aspekt daran. Es zählte viel eher, welches Bild dadurch vermittelt wurde und das sprach für sie eine doch recht eindeutige Sprache. Der Mann blickte auf, als sie sich der Tür näherten und gab ihnen ein Zeichen, dass sie hinein kommen sollten. Franky zögerte bei dieser Einladung nicht und öffnete gleich die Tür. Abgestandene, von Zigarrenrauch getränkte Luft schlug ihnen entgegen. Robin musste sich beherrschen, um keine Miene zu verziehen. Für sie gab es kaum etwas schlimmeres als den Geruch von kaltem Rauch. „Dann schaffen Sie diese angebliche Zeugin endlich her, das kann ja wohl nicht so schwer sein!“ Brüllte der andere in das Telefon, bevor er das Gespräch einfach beendete und das Gerät zurück auf die Station knallte. „Ich hoffe, dass Sie mir etwas brauchbares mitteilen können“, wandte er sich gleich an Franky. Robin hatte er nur einen kurzen Blick zugeworfen, doch das war nichts neues. Immerhin war es nicht das erste Mal, dass sie beruflich miteinander zu tun hatten, doch der Ablauf war meistens der gleiche. Möglicherweise hatte es damit zu tun, dass Robin ihm deutlich gemacht hatte, dass sie nicht viel von seinem Führungsstil hielt und sich nicht von ihm herumkommandieren lassen würde, wie andere in seiner Einheit. Es könnte aber auch mit dem Fall ihrer Mutter zusammenhängen und dem Umstand, dass Robin seinen Vater der schlechten Polizeiarbeit beschuldigt hatte. Was auch immer es war, diese unterschwelligen Spannungen sorgten dafür, dass es ohnehin meistens Franky war, der die Gespräche führte, wenn es sein musste. Nur, dass Robin sich heute noch mehr als sonst zurückhalten musste. „Unsere Händler haben uns einige brauchbare Hinweise hinterlassen, die wir als ihre Signatur auffassen können. Es gibt dazu zwar bisher keine übereinstimmenden Treffer im System und doch sind es doch sehr markante Details die uns der Zustand der Mädchen erzählen konnte. Möglicherweise haben wir es hier mit jemandem zu tun der dabei ist sich neu zu etablieren und das scheinbar durchaus erfolgreich.“ „Ich höre dabei noch nichts was uns hilft. Ich will nicht wissen, woher die Mädchen gekommen sind, ich will wissen wer zum Henker sie hergeholt hat!“ „Es hängt zusammen. Die Mädchen tragen Male auf ihrem Körper, die nicht einfach wieder verschwinden werden. Es dürfte möglich sein sie in Club’s oder auf der Straße zu identifizieren, wenn wir sie finden. Wir kommen über die Mädchen an ihn heran, wenn wir ein konkretes Profil zu ihnen erstellen.“ „Vorausgesetzt es sind überhaupt schon andere Mädchen hier.“ Er zeigte sich Kritisch. Smoker, wie er von seinem Umfeld nur genannt wurde hatte an dieser Stelle sicherlich keine Geduld für lange reden. Wenn es nach ihm ginge, dann würde man ihm nun am besten eine Adresse und den vollen Namen präsentieren können, doch so lief das alles nun einmal nicht. „Gemessen daran, wie die Mädchen hergekommen sind dürfte das nicht das erste Mal gewesen sein. Sonst wären sicher mehr verstorben. Zumal sie auch das Prozedere am Hafen kannten.“ „Nur nicht gut genug. Der Fälscher muss ein Stümper gewesen sein.“ „Das würde ich nicht sagen.“ Robin sollte sich zwar nicht einmischen, doch dieser Mann saß eindeutig auf dem falschen Dampfer. Egal was sie von Franky und seiner Idee hielt, Fakt war nun einmal, dass man hier eben doch gegen organisierte Profi’s spielte und man gut daran täte das nicht zu unterschätzen. „Ich habe das Original nicht gesehen doch gemessen an den Fotos und den Aussagen des Sicherheitspersonals vor Ort, ist das ganze nur aufgeflogen, weil vor kurzem etwas an den Ausweisen verändert wurde und die Sicherheitsprotokolle angepasst wurden. Wäre das nicht geschehen, dann hätte man das ganze sicherlich durch gewunken und nicht bemerkt. Sie haben es hier mit einem Profi zu tun. Vielleicht mit einem, der falsch informiert war aber grundsätzlich kann es auch sein, dass er mit den Informationen gearbeitet hat, die ihm geliefert wurden. Die Arbeit als solche war fehlerfrei.“ Das galt es doch anzumerken. Möglich, dass jemand wie Robin einen Fehler gefunden hätte, doch sie war darauf geschult. Sie suchte die Fehler im kleinen, die winzigsten Details, die über die Handschrift eines Fälschers Auskunft gaben. Details auf die sonst niemand achten würde. Aus ihrer Sicht war es durchaus ratsam das ganze nicht zu unterschätzen. „Und was können sie mir ansonsten noch sagen außer, dass wir es hier mit Profi’s zu tun haben. Das sehe ich selbst!“ Fuhr er sie an. Robin verzog keine Mine. Das ihr Gegenüber angespannt war, war kein Wunder. Vermutlich saß jemand von weiter oben ihm im Nacken und wollte Antworten. Zumal es niemand gerne hatte, wenn die eigene Stadt mit Menschenhandel in Verbindung gebracht wurde. Eine ziemlich brisante und heikle Angelegenheit. Druck von außen war nie etwas gutes und aus der Erfahrung wusste sie auch, dass meistens eher die eigenen Interessen vertreten wurden, als die der jungen Frauen zu wahren, die unter all dem am meisten zu leiden hatten. Es waren ihre Leben und Schicksale, die auf dem Spiel standen und gleichzeitig war es bisher in keiner der Unterredungen darum gegangen herauszufinden, wer sie waren. Woher sie kamen. Und wie man vielleicht ihre Familien erreichen könnte. Es gab weit mehr Schattenseiten und man kratzte hier lediglich an der Oberfläche. „Wir müssen die Chance bekommen umfangreichen Einblick in die Ermittlungen zu erhalten, um ihnen ein Profil erstellen zu können.“ „Und wie lange wollen sie dafür brauchen?“ „Das ist abhängig davon, wie schnell wir die passenden Einblicke bekommen. Sie sind sich ja bereits darüber im klaren, das der Verlust von wichtigen Dokumenten unsere Arbeit beeinträchtigen wird und wir entsprechend nicht über alles klare Aussagen treffen können.“ Robin fragte sich, auf welcher Basis er überhaupt Aussagen treffen wollte aber das mussten sie unter vier Augen diskutieren. Denn sie hörte sicherlich das gleiche was auch Smoker hörte. Und das war, dass sie am Ende absolut nichts in der Hand hatten. „Wir sind dran aber wenn sie ihre Profile von einem einzigen Dokument abhängig machen, dann sind sie für uns keine Hilfe.“ „Die Kerle, die die Mädchen verschiffen und kaufen wollen ein besonderes Leid in ihnen schüren. Sie legen den Weg zur Freiheit augenscheinlich in ihre Hände in dem Wissen, dass sie diese doch nicht erreichen können. Es geht darum sie mental zu brechen und dafür zu sorgen, dass sie irgendwann auch nicht mehr versuchen werden davonzulaufen. Selbst dann nicht, wenn sie alle Freiheiten erlangen würden. Sie haben es hier nicht nur mit einem stumpfsinnigen Kerl zu tun, der Mädchen fängt und einsperrt. Es steckt mehr dahinter. Diese Mädchen dienen nicht nur dem Zweck des Menschenhandels. Das ist etwas größeres.“ Vielleicht. Wahrscheinlich. Robin musste Franky zumindest in diesem Punkt zustimmen. Der Aufwand war zu groß. Würde es nur darum gehen neue Mädchen für Bordelle oder den Straßenstrich zu finden, dann könnte man es einfacher haben. Man könnte sie einfach aneinander ketten und verschiffen und doch folgte das alles nicht den üblichen Mustern. Smoker schwieg, nahm noch einen tiefen Zug von seiner Zigarre und stieß diesen aus. Robin fragte sich, wie lange es dauern würde, bis man in diesem nichts mehr durch den Rauch sehen könnte. Sie driftete ab, das merkte sie auch, wenn es für außenstehende wohl kaum ersichtlich war. „Ich gebe ihnen vier Tage. Wenn bis dahin keine Resultate auf meinem Tisch liegen, dann sind sie den Job los.“ Und damit war das Gespräch wohl beendet. Er wollte sich nicht weiter damit befassen und nach einem kurzen Blickwechsel würde sich Franky dann auch abwenden. Robin würde ihm folgen. Hinaus aus dem Büro, wieder zwischen den zahlreichen Schreibtischen hindurch und zurück auf den Flur. Franky holte bereits sein Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer, um sich an die Arbeit zu machen. Ab jetzt lief die Zeit für und gegen sie. Wobei sich Robin sicher war, dass sie in vier Tagen wieder in einem Flugzeug auf dem Weg nach Hause sitzen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)