How to save a life von Funkenherz (Midnight x Mt. Lady) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Gemeinsam machten die beiden Frauen sich eilig auf den Weg, die Gasse, in welche das Monster die Dunkelhaarige zuvor gejagt hatte, wieder zu verlassen. Hier würden sie kaum in Ruhe ein Gespräch führen können. Einige der Anwohner hatten die Gestalt mit ziemlicher Sicherheit ebenfalls gesehen. Das jemand die Polizei informiert hatte, war also absehbar. Im Prinzip war dies noch nicht einmal eine schlechte Idee, doch inzwischen war das Ungetüm verschwunden und die Chance, dass die Gesetzeshüter einer solchen Zeugenaussage Glauben schenken würden, ging gegen Null. "Und du bist dir ganz sicher, dass diese Gestalt verschwunden ist? Also sich in Luft aufgelöst hat, meine ich, und nicht hier irgendwo in der Nähe noch für Unruhe sorgt?", hakte Yu noch einmal nach. "Wenn ich es dir doch sage! Was auch immer es war und wie auch immer das eigentlich möglich sein soll, es ist einfach in einer Art Tor in der Luft verschwunden." Weiterhin fühlte es sich für Nemuri mehr als merkwürdig an, etwas scheinbar so absurdes auszusprechen, doch war eben dies die Wahrheit. Die Kreatur hatte sie gejagt und sie hatte mit eigenen Augen gesehen, wie das Wesen wie von Zauberhand von jetzt auf gleich einfach wieder verschwunden war. "Gut, dann hoffen wir, dass das vorerst auch so bleibt. Ich kann immerhin nicht in aller Seelenruhe ein Gespräch führen, wenn ich eigentlich ein Monster, beziehungsweise vermutlich viel mehr einen Schurken, jagen müsste." Nemuri blickte die Blondine zweifelnd an. "Fängst du schon wieder mit diesem Superheldenquatsch an?" Die Jüngere verdrehte die Augen. "Erst deine Quirk, jetzt dieses seltsame Wesen, dass dich durch das halbe Viertel gescheucht hat. Ich bin froh, dass es dir gut geht, aber es wundert mich, dass du mir nach wie vor noch nicht glaubst, Nemuri." Die Lehrerin verschränkte die Arme vor der Brust. "Das gestern und heute seltsame Dinge passiert sind, ist wohl unstrittig, aber wenn du etwas darüber weißt, dann will ich vernünftige Antworten von dir. Wir beide wissen, dass es Superman und Co nicht in Realität gibt." Auch wenn die Ältere einräumen musste, dass die Geschehnisse gestern und heute in der Tat merkwürdig und nur schwer zu erklären waren, so suchte sie dennoch nach einer logischen Erklärung für all das. Yu schien mehr darüber zu wissen, doch das die Kleine immer wieder etwas von Superhelden redete und damit bewies, dass sie scheinbar zu viel Marvel geschaut hatte, war wirklich zum Haare raufen. Yu warf ihrer Begleiterin einen gereizten Blick zu und schluckte ihren Ärger nur schwer herunter. Es war wirklich zum verrückt werden, wie sehr Nemuri sich dagegen sträubte, die Realität zu akzeptieren, Gedächtnisverlust hin oder her! //Oder das hier ist wirklich eine Parallelwelt und diese Nemuri hat nichts mit der Nemuri, die ich kenne, zu tun.//, fügte sie in Gedanken hinzu, auch wenn sie hoffte, dass diese Befürchtung nicht der Wahrheit entsprach. Auch wenn die Lehrerin scheinbar ihr Gedächtnis verloren hatte, Yu war so froh die Todgeglaubte wiederzuhaben. Würde sich doch noch herausstellen, dass ihr Gegenüber eben nicht 'ihre' Nemuri war, wäre das fast noch grausamer. Fast so, als würde sie sie ein zweites Mal verlieren. Immer noch zuckten vereinzelte violette Blitze über ihnen am Himmel entlang. Täuschte sie sich, oder tauchte dieses ungewöhnliche Wetterphänomen immer nur genau über ihren Köpfen auf? "Wo gibt es hier einen Ort, der etwas abgelegen ist und an dem wir in Ruhe reden können?", erkundigte Yu sich, ohne auf die vorherigen Worte der Älteren einzugehen. "Was genau verstehst du unter abgelegen? Irgendeinen Ort, der ruhiger als die Innenstadt ist?" "Das auf jeden Fall. Am besten einen Ort, der etwas Platz bietet und an dem nicht ständig Leute vorbeilaufen.", konkretisierte die Blondine ihr Anliegen. "Und was genau willst du an so einem Ort? Reicht es nicht, wenn wir uns ganz einfach in ein ruhiges Eckchen hier in der Stadt setzen?" Skeptisch blickte Nemuri Yu an. Ihr war nicht ganz klar, warum es ihrer Begleitung scheinbar so wichtig war, an einem komplett abgelegenen Ort zu reden. Lohnte es sich überhaupt der Bitte nachzukommen, oder würde Yu nur erneut von dem Superheldenquatsch anfangen? "Zum Reden wäre das sicherlich ausreichend, stimmt. Aber du glaubst mir vermutlich eh nicht, also werde ich dir zu dem, was ich dir erzähle, auch gleich einen Beweis mitliefern.", seufzte die Blondine, die es mehr als leid war, ständig angezweifelt zu werden. "Was willst du mir beweisen? Das es Superhelden wirklich gibt?", spöttelte Nemuri. "Ich könnte dir auch gleich hier und jetzt zeigen, dass du endlich aufhören solltest dich über mich lustig zu machen, aber wenn ich das tue, garantiere ich dir, dass wir uns danach an einem belebten Platz wie hier in der Stadt, nicht mehr in Ruhe unterhalten können." Yus Stimme bekam einen zickigen Unterton. Auch ihre Geduld war am Ende. "Na jetzt bin ich gespannt.", kam es ironisch von der Älteren. "Ich hoffe für dich, dass der kleine Ausflug es auch wert ist." Noch während Nemuri die Worte aussprach, fragte sie sich, was sie sich eigentlich dabei dachte. Die kleine Blondine würde ihr höchst wahrscheinlich nur eindrucksvoll beweisen, dass sie es geschafft hatte ihre Zeit zu verschwenden, anstatt ihr brauchbare Antworten zu liefern. Nachdem sie in einem etwas belebteren Viertel angekommen waren, blieb Nemuri neben einem Smart stehen, welcher zu einer Carsharing-Kette gehörte. Sie tippte kurz auf ihrem Handy herum und kurze Zeit später, konnte die Fahrt in dem winzigen Auto auch schon beginnen. "Ein größeres Auto hättest du nicht finden können, was?", kam es sarkastisch von Yu, welche die Sonnenblende des Beifahrersitzes heruntergeklappt hatte und sich in dem daran befestigen Spiegel betrachtete. "Für einen Zwerg wie dich sollte der Platz doch wirklich mehr als ausreichen.", stichelte Nemuri zurück. "Zumal der kleine Ausflug hier vermutlich eh nur verschwendete Zeit und verschwendetes Geld ist." "Pah! Nenn mich nicht Zwerg! Und überhaupt, habe ich da viel mehr an dich gedacht. Hast du keine Angst, nachher beim Aussteigen einen Hexenschuss zu kriegen? Ist bei älteren Personen immerhin nicht auszuschließen." "Älter?! Ich glaub ich hör wohl nicht recht!", blaffte die Fahrerin, woraufhin die Blondine sie nur halb amüsiert, halb unschuldig angrinste. "Wo fahren wir überhaupt hin?", wechselte Yu schließlich das Thema. "Na raus aus der Stadt, wenn es schon unbedingt ein unbelebterer Ort sein muss, auch wenn ich das für reichlich übertrieben halte.", erklärte Nemuri ihr. "Du wirst es gleich schon verstehen, das verspreche ich dir.", versicherte Yu, ehe sie die Dunkelhaarige mit einem schiefen Blick bedachte. "Aber ob wir tatsächlich heil ankommen werden, ohne vorher im Straßengraben zu landen, daran habe ich so meine Zweifel. Du fährst wie der letzte Henker." "Halt bloß die Klappe und sei froh, dass ich dich überhaupt aus der Stadt rausfahre, Prinzesschen!", regte Nemuri sich auf. Dieses freche, unverschämte Gör! Schließlich verließen die beiden Frauen die Stadt und fuhren über eine Landstraße, bis die Ältere den Smart auf einen Parkplatz in der Nähe eines Baumschulwäldchens lenkte. "Ist es hier genehm?", murrte Nemuri sarkastisch. Yu stieg aus dem Auto aus, froh die Fahrt unfallfrei überlebt zu haben und blickte sich kurz um. "Jetzt sind wir wirklich am Arsch der Welt. Das wäre nun auch wieder nicht nötig gewesen, aber passt schon.", stellte sie fest. "Undankbares Gör! Du sagtest doch, wir sollen an einen abgelegeneren Ort, damit du mir irgendetwas beweisen kannst." Kurz funkelten die beiden Frauen sich gereizt an. Schließlich musterte die Profiheldin die Felder, welche vor ihnen lagen. In weiter Entfernung war noch die Stadt zu sehen, doch hatten sie inzwischen einige Kilometer zwischen die City und sich gebracht. "Also dann, ich höre: wenn du weißt, was es mit diesem Wesen, oder diesem merkwürdigen Gas auf sich hat, dann immer raus damit.", bohrte Nemuri, inzwischen ungeduldig, nach. Sie hatte keine Lust mehr auf diese Spielchen. "Wie ich schon sagte, kann ich dir über die Gestalt, die dich angegriffen hast, auch nichts sagen. Aber was deine Quirk angeht, schon eher." Die Blondine schnippte sich eine der gewellten Haarsträhnen zurück über die Schulter, verschränkte gemütlich die Arme vor der Brust und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Smart. "Bevor ich anfange, muss ich dich aber noch einmal etwas fragen. Deine Quirk, du bist dir auch wirklich ganz sicher, dass du vorher keine Ahnung hattest, diese Fähigkeit überhaupt zu besitzen? Und dir ist auch nicht bekannt, dass ein Großteil der Bevölkerung individuelle Spezialitäten besitzt?" Nemuri verdrehte die Augen. Fing Yu schon wieder damit an? Natürlich tat sie das, eigentlich sollte es sie gar nicht mehr wundern. "Die Leute hier besitzen ganz sicher keine übernatürlichen Fähigkeiten. Du hast wirklich zu viel ferngesehen, Yu.", seufzte die Lehrerin, die eigentlich auf brauchbare Antworten hoffte und nicht auf einen erneuten Trip ins Reich der Superhelden. "Und dieses Gas, Quirk, wie du es nennst, ist mir ebenfalls neu. Bis gestern habe ich so etwas noch nie gesehen." Die Jüngere musterte ihr Gegenüber aufmerksam und suchte in ihrer Mimik irgendwelche Anzeichen dafür, dass sie log. Doch Nemuri schien sich mit dem, was sie ihr da gerade versichert hatte, sicher zu sein. Quirks waren ihr scheinbar wirklich unbekannt und so wie es klang, würde es den anderen Bewohnern dieser Stadt ähnlich gehen. Etwas, das für die Blondine nur schwer vorstellbar war, war sie immerhin in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der Quirks etwas vollkommen Normales waren. Das hier... konnte also wirklich kein Ort sein, der einfach nur etwas weiter entfernt war. Wie auch immer das möglich sein konnte, aber war sie wirklich in einer Art Parallelwelt gelandet? Eine, in welcher es keine Quirks und auch keine Helden gab? Ihre Befürchtung schien sich zu bestätigen und diese Erkenntnis riss Yu fast den Boden unter den Füßen weg. Wie auch immer sie es angestellt hatte überhaupt hier zu landen, wie um Himmelswillen sollte sie wieder zurück in ihre Welt kommen, zurück an den Ort, an den sie eigentlich gehörte?! Ihr Blick ruhte auf Nemuri. Wenn das hier wirklich eine Parallelwelt war, dann hieß das auch, dass ihr Gegenüber nicht die Nemuri war, die sie kannte. An der Tatsache, dass die eigentliche UA Lehrerin zu den Opfern der Schlacht vor wenigen Wochen gehörte, hatte sich also nichts geändert. Es war der Blondine sowieso schon schwer genug gefallen, dies auch nur Ansatzweise zu akzeptieren, doch jetzt, wo sie der Nemuri aus dieser Welt begegnet war, welche der Frau, die sie kannte und die ihr so viel bedeutet hatte, zum Verwechseln ähnlich sah und ihr auch vom Charakter her so sehr ähnelte, war das erst recht ein harter Schlag. "Erde an Yu!", riss ihr Gegenüber sie aus ihren Gedanken. "Dadurch, dass du mich einfach nur anstarrst, kommen wir hier auch nicht weiter. Also, was ist jetzt?" Die Blondine blinzelte. Nur mit Mühe gelang es ihr, sich weiterhin zusammenzureißen und nicht durchblicken zu lassen, was gerade in ihrem Kopf vorging und was sie gerade fast zerriss. "So? Helden gibt es also nicht? Und Quirks auch nicht? An dem Ort, von dem ich komme, haben 80% der Bevölkerung Quirks. Helden gehören zum Stadtbild und Schurken sind leider auch keine Seltenheit." Die Stimme der Profiheldin klang plötzlich ungewöhnlich leise und resigniert. Sie wollte den Gedanken, sich hier vermutlich wirklich in einer Art Parallelwelt zu befinden, einfach nicht zulassen. Dies würde immerhin auch bedeuten, dass die Frau, die ihr so viel bedeutet hatte, wirklich tot war und ihr jetziges Gegenüber nur so etwas wie Nemuris Spiegelbild war. Ein Spiegelbild, welches dem Original so ähnlich war, dass sie es nicht ertragen würde, die Dunkelhaarige ein zweites Mal zu verlieren, sollte es ihr gelingen, wieder zurück zu dem Ort zu reisen, an welchen sie eigentlich gehörte. "An dem Ort, von dem du kommst? Jetzt komm schon, willst du mir jetzt auch noch verklickern, eine Zeitreisende zu sein, oder so? Der Quatsch mit den Helden, reicht gerade mal...!" Was das betraf, war Nemuri langsam mit ihrer Geduld am Ende. Ihre Stimme klang deutlich gereizter und ungeduldiger als eben noch. Als Lehrerin war sie viele Spinnereien und Blödsinn der Schüler gewohnt, doch das hier wurde langsam zu viel des Guten! "Eine Zeitreisende vielleicht nicht, aber das hier ist nicht der Ort, an den ich gehöre, da bin ich mir inzwischen ziemlich sicher." Yu bemühte sich gegen ihr Temperament anzukämpfen und ruhig zu bleiben. Sie entfernte sich einige Meter weit von dem Auto, an welches sie sich eben noch gelehnt hatte. Schließlich drehte sie sich wieder zu ihrer Gesprächspartnerin um. "Würdest du anfangen mir zu glauben, wenn ich dir beweise, dass du nicht die einzige mit einer Quirk bist?" "Und wie willst du das anstellen? Hast du im 100-Yen Shop ein Laserschwert gekauft und mitgebracht?" Nemuri verdrehte die Augen. "Hör auf dich über mich lustig zu machen!", schnappte Yu, ehe sie wieder etwas ernster wurde. "Sieh einfach zu und erschreck dich nicht, okay?" Abwartend blickte die Dunkelhaarige sie an und erwartete nichts, außer einer weiteren, wirren Erklärung. Nemuri war genervt und gleichzeitig kurz davor zu resignieren. Dieser Ausflug hier war die reinste Zeitverschwendung, sie hatte es von Anfang an gewusst. Mit vor der Brust verschränkten Armen, tat sie Yu dennoch den Gefallen, zu ihr herüber zu sehen. Vielleicht holte das die Kleine ja endlich auf den Boden der Realität zurück. Doch plötzlich weiteten sich die Augen der Lehrerin ungläubig. Ihr Klappte im wahrsten Sinne des Wortes der Kiefer herunter, als ihre eigentlich recht kleine Begleiterin von einer Sekunde auf die andere zu wachsen begann, bald schon die Bäume der angrenzenden Baumschule überragte und erst aufhörte zu wachsen, als Nemuri bereits den Kopf in den Nacken legen musste. Nemuri glaubte nicht recht zu sehen. Was...?! Aber...aber das konnte doch gar nicht! Das bildete sie sich nur ein! Das... was zum?! Die Lehrerin kniff sich in den Arm, doch der Schmerz war real, genauso wie Yu, die ohne wirkliche Vorwarnung plötzlich zur Riesin geworden war. Der Älteren entgleisten die Gesichtszüge. Ungläubig starrte sie ihr Gegenüber an und brachte erst einmal kein Wort heraus. Nemuri war zwischen Schock, Fassungslosigkeit und gleichzeitig auch einer gewissen Faszination hin und her gerissen. Das seltsame Schlafgas war für sie ja bereits surreal genug, doch die Blondine plötzlich so rapide wachsen zu sehen, stellte das Gas noch einmal deutlich in den Schatten. "D-das glaube ich jetzt nicht.", stammelte sie schließlich. Sie hatte das, was die Andere gesagt hatte, die ganze Zeit über als wirres Geschwätz abgetan, hatte sie für eine exzentrische Cosplayerin gehalten, nur um jetzt festzustellen, das Yu nichts von dem, was sie gesagt hatte, erfunden hatte. Fähigkeiten wie diese, sollte es doch eigentlich nur im Fernsehen geben, aber das hier war kein Film! Nemuri wusste nicht, was sie denken oder sagen sollte. Die Gesamtsituation überforderte sie. Yu hatte sich währenddessen auf den Boden gekniet und die Ellbogen gemütlich auf den Feldweg gestützt. Noch immer überragte sie ihre Begleiterin um mehrere Meter. "Sieh mich nicht so an, als wenn ich dich fressen wollte. Ich bin immer noch die Selbe, bloß, dass du jetzt zugeben musst, dass ich die ganze Zeit über kein wirres Zeug erzählt habe.", amüsierte Yu sich. Das verblüffte Gesicht der Lehrerin zu sehen, war eine Genugtuung für sie, nachdem Nemuri sie immer wieder für verrückt erklärt hatte. Doch die Tatsache, dass die Ältere der Einsatz ihrer Quirk überhaupt erst so aus der Fassung brachte, hatte auch einen bitteren Beigeschmack. Die Nemuri, die sie kannte, hätte noch nicht einmal mit der Wimper gezuckt, oder sie höchstens gewarnt, dass sie aufpassen sollte, wo sie hintrat. Die Profiheldin streckte langsam eine Hand nach der Dunkelhaarigen aus, welche nach kurzem Zögern ebenfalls eine Hand ausstreckte und sie an den Ringfinger der Blondine legte. "Ist ...ist das deine eigentliche Gestalt?", war die erste Frage, die Nemuri schließlich stockend herausbrachte. Grinsend schüttelte Yu den Kopf. "Nein, ich kann zwar durch meine Quirk bis auf 2062cm wachsen, aber meine normale Gestalt ist die kleinere Version, in der ich zu dir hochsehen muss.", erklärte sie. Eine riesige, behandschuhte Hand griff nach der Lehrerin und hob sie spielend leicht hoch. "Heeey!", protestierte Nemuri. "Was machst du?! Pass bloß auf!" Die Heldin stand mit ihrer Gesprächspartnerin in der Hand auf und streckte sich kurz, ehe sie die Ältere in ihren Handinnenflächen platzierte. "Was zum?! Lass mich ja nicht fallen!" Zwar spähte Nemuri über ihren derzeitigen Sitzplatz hinweg, doch bevorzugte sie es, lieber nicht zu weit nach außen auf Yus Handflächen zu rücken. Aktuell fühlte sie sich wie im falschen Film. Die kleine Blondine hatte sich als Riesin entpuppt und eine Spinnerin schien sie auch nicht zu sein. Diese Erkenntnisse musste sie erstmal realisieren und wirklich verarbeiten. Genauso wie die Tatsache, dass sie sich gerade in einer ziemlichen Höhe auf der Handfläche (!) einer Person befand. "Eine schöne Heldin wäre ich, wenn ich Zivilisten fallen ließe, oder versehentlich zertreten würde.", murrte die Blondine. "Mach dir keine Sorgen. Genieß lieber die Aussicht und dann sag mir, ob du mich immer noch für verrückt hältst, oder jetzt bereit bist mir zuzuhören." "Mt. Lady, richtig? Das stand doch auf dem Kärtchen, dass ich mir gestern in der Bar noch angesehen habe. Jetzt ergibt der Name so langsam Sinn." Für Nemuri war es verständlicherweise reichlich irritierend, so zu der Jüngeren hochsehen zu müssen, obwohl diese sie schon aufgehoben hatte wie eine Puppe. Mit einem Schlag hatte Yu ihr komplettes Weltbild zerstört. Dinge, die sie für Fantasy gehalten hatte, waren real geworden und Nemuri wusste nicht, was sie davon halten sollte. All das hier kam ihr immer noch so vor wie ein Traum. Fähigkeiten wie diese sollte es doch eigentlich gar nicht geben und wenn, dann nur in irgendwelchen Filmen! Zu begreifen und zu akzeptieren, dass das hier wirklich die Realität war, war alles andere als leicht. "Aus welchem Grund hätte ich mich sonst für diesen Heldennamen entscheiden sollen?" "Also hast du dir nichts von dem, was du die ganze Zeit über erzählt hast, ausgedacht?", hakte die Lehrerin nach. So absurd es ihr auch vorkam, doch wenn Yu ihr bewiesen hatte, dass sie zur Riesin werden konnte, dann sollte sie ernsthaft darüber nachdenken, das andere Dinge auch nicht ganz so unmöglich sein könnten. Angesprochene schüttelte leicht den Kopf und zog ein Gesicht. "Nein, warum hätte ich das tun sollen? Wenn es mir nur um Aufmerksamkeit gegangen wäre, hätte ich sicherlich nicht den Weg gewählt, auf dem mich alle für vollkommen verrückt halten würden." "Und solche Fähigkeiten... sind dort, von wo du kommst, wirklich alltäglich?", hakte die Dunkelhaarige noch einmal nach. Das erschien ihr immer noch schwer vorstellbar. Ihre Worte klangen ein wenig stockend, da Nemuri sich vorkam wie auf einem Drogentrip. "Richtig. Wie schon gesagt, bei uns haben 80% der Bevölkerung Quirks." Yu warf ihrem Gegenüber noch einen langen Blick zu und setzte sie schließlich vorsichtig wieder ab, ehe ihr Körper zu schrumpfen begann, bis sie in ihrer normalen Größe vor Nemuri stand. Auch wenn sie sich hier auf einem abgelegenen Parkplatz außerhalb der Stadt befanden, wenn den Meschen hier Quirks wirklich unbekannt waren, dann war selbst hier die Chance einfach viel zu groß, dass doch jemand mit dem Auto vorbeifahren würde. "Das klingt fast wie eine Parallelwelt, weißt du?", kam es mit einem Lächeln von Nemuri, wobei das Lächeln nicht freudig oder amüsiert, sondern viel mehr fassungslos und vollkommen überfordert wirkte. "Du sagtest immerhin gestern noch, dass du nicht neu in der Stadt bist, aber trotzdem aktuell unmöglich zurück nachhause kannst." Yu seufzte. Nemuris Worte erinnerten sie wieder an ihr ursprüngliches Problem und ihr wurde schwer ums Herz, wenn sie an ihre eigentliche Heimat und ihre Freunde und Bekannten dort dachte. Für Nemuri war es vielleicht schwer zu akzeptieren, dass es Helden und Quirks gab, sie selbst jedoch war an einem Ort gelandet, an welchem nach ihrem Empfinden rein gar nichts zueinander passte. "Genau daran habe ich auch schon gedacht. Ich hoffe allerdings, dass sich das als Irrtum herausstellt. Ich meine... eine Parallelwelt, das wäre selbst für meinen Geschmack eindeutig zu viel des Guten." Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen. Während Yu darüber nachdachte, ob sie wirklich in einer Parallelwelt, oder einfach nur an einem Ort weit weg gelandet war, versuchte Nemuri sich wieder zu fangen. Schließlich war es die Dunkelhaarige, die das Schweigen brach. "Erzählst du mir von deiner Welt? Ich nenne sie jetzt der Einfachheit halber so." Für beide fühlte sich die aktuelle Situation absolut unwirklich an. Jetzt, wo Yu wieder in ihrer normalen Gestalt vor ihr stand, in welcher sie ein unübersehbares Stück kleiner war als Nemuri selbst, kam der Lehrerin das, was sie eben gesehen hatte, vor wie ein wirrer Traum und doch wusste sie, dass sie es sich nicht eingebildet hatte. "...Sicher, warum nicht. Vielleicht beantwortet das auch ein paar deiner Fragen.", stimmte die Blondine nach kurzem Zögern zu. Sie lehnte sich wieder mit dem Rücken gegen das Auto. Die Ältere stellte sich neben sie und tat es ihr gleich. "Wie schon gesagt, hat die Mehrheit der Bevölkerung bei uns Quirks. Auch der Beruf des Profihelden ist bei uns ein ganz normaler Beruf und war bis vor kurzem noch wahnsinnig beliebt.", begann Yu. "Bist vor Kurzem?", hakte Nemuri nach, doch Yu ignorierte ihren Einwand vorerst und redete weiter. "Du und ich, wir scheinen in der gleichen Stadt zu leben, aber irgendwie auch wieder nicht. An dem Ort, in dem ich lebe, sind die meisten Straßen und Häuser ganz ähnlich angeordnet, aber viele Geschäfte unterscheiden sich komplett. Ich wollte gerade gemeinsam mit einem Teamkameraden auf Patrouille durch die Stadt gehen, als ein Blitz mich mehrere Sekunden lang geblendet hat. Als ich wieder sehen konnte, fehlte von meinem Kameraden jede Spur und meine Agentur war nicht mehr mein Haus. Als ich mich umgedreht habe, waren da plötzlich nur noch die Mauern einer alten Fabrik." Die Blondine sah in Nemuris Augen ziemlich ratlos und niedergeschlagen aus. "Ich weiß, wie verrückt das klingt, aber ich habe keinen Grund mir das einfach nur auszudenken.", beteuerte Yu. Nicht, das es ihr weiterhelfen, oder die Situation weniger schwierig und verwirrend machen würde, doch unweigerlich fragte Yu sich, ob ihre Gesprächspartnerin ihr diesmal glauben würde, konnte sie immerhin doch selbst noch kaum glauben, was passiert war. Nemuri wiederum musste zugeben, dass das, was die Jüngere da sagte, in der Tat ziemlich verrückt klang. Eine Parallelwelt und eine Art Zeitreisende, wenn man es denn so wollte. Normalerweise hätte sie dies in der Tat weiterhin als wirres Geschwätz abgetan, doch nach dem, was sie eben noch gesehen hatte, war sie fast schon geneigt ihr zu glauben. Die Dunkelhaarige legte ihrer Gesprächspartnerin eine Hand auf die Schulter und strich leicht darüber, konnte sie doch nicht übersehen, wie verloren Yu aussah, wo sie über diesen seltsamen Vorfall sprach. Zwar kannte sie die Kleinere kaum, dennoch war die Blondine ihr auf eine seltsame Art und Weise vertraut und das niedergeschlagene Gesicht wollte einfach nicht zu ihr passen. "Hast du deinen Kollegen inzwischen wiedergefunden?", wollte Nemuri wissen. Die Jüngere schüttelte den Kopf. "Nein, habe ich nicht. Ich erreiche ihn nicht, genau so wenig wie meine anderen Kontakte, die ich in meinem Smartphone abgespeichert habe. Du kannst mir glauben, dass ich es schon mehrmals versucht habe." Yu hoffte wirklich, dass mit Kamui und den anderen alles in Ordnung war. So sehr ihr die Vorstellung, in einer Art Parallelwelt gelandet zu sein, missfiel, so sehr hoffte sie, dass es den Anderen wenigstens gut ging und sie nicht auch irgendwo hier gelandet waren. "Und du hast wirklich als Superheldin gearbeitet? Ich meine, wie darf man sich das vorstellen?" Nemuri zog eine Augenbraue hoch. Für die Lehrerin fühlte sich all das hier immer noch unwirklich an. Sie hatte fast schon das Gefühl eine Art Rollenspiel zu spielen, bei den Fragen, die sie da stellte. Doch nach dem, was sie eben gesehen hatte, schien Yu wirklich die Wahrheit zu sagen. Das hier war die Realität, so verrückt es sich auch anfühlte. Und wenn Yu wirklich aus einer Art Parallelwelt hier her gelangt war, musste das ganz schön hart für die Kleine sein. Als Nemuri nach ihrem Job als Heldin fragte, zögerte Yu nicht lange. "Natürlich, das war immerhin ein ziemlich beliebter und hoch angesehener Job. Als Profiheld beschützt man die Zivilisten vor Schurken, rettet Menschen aus Katastrophengebieten und arbeitet unter anderem auch recht eng mit der Polizei zusammen. Außerdem gehören Helden bei uns einfach zum Stadtbild. Man zeigt Präsenz, damit die Bevölkerung sich sicher fühlt. Naja, sicher fühlte, trifft es wohl eher. Viele Helden haben sich zu Teams zusammengetan, da es sich mit Teamkameraden einfach besser arbeiten lässt. Bevor ich hier gelandet bin, war ich auch Mitglied eines Teams." Allein wenn sie jetzt darüber nachdachte, dass sie keine Ahnung hatte, was mit ihren Kameraden passiert war, ob es ihnen gut ging, oder ob sie in einer ähnlichen Misere gelandet waren, hätte sie schreien mögen. Doch Nemuri würde ihr diesbezüglich kaum weiterhelfen können, weshalb Yu beschloss erst einmal weiterzusprechen. "Der Beruf des Profihelden war bis vor Kurzem sogar so extrem beliebt, dass es spezielle Heldenschulen gab. Du hast im Übrigen an einer solchen Schule unterrichtet." Überrascht blickte Nemuri Yu an. "Ich habe an einer Heldenschule unterrichtet? Es stimmt schon, dass ich Lehrerin bin, aber ich habe schon immer an einer ganz normalen Schule in dieser Stadt gearbeitet." "Naja, nicht du, viel eher die Nemuri, die ich kenne, hat an einer renommierten Heldenschule unterrichtet." verbesserte die Blondine. In die rötlichen Augen hatte sich ein Ausdruck geschlichen, den die Ältere nicht deuten konnte. "Du meinst, mich gibt es auch in der Welt, aus der du kommst?", hakte die Lehrerin noch einmal nach. Es war schon schwer genug für sie zu akzeptieren, dass die Blondine nicht von hier stammte, doch der Gedanke daran, dass sie selbst eine Art Spiegelbild haben musste? Das klang wirklich reichlich verwirrend. Doch trotz allem, nachdem Yu ihr eben bewiesen hatte, dass sie sich das mit den Quirks nicht ausgedacht hatte, war sie geneigt dem zu glauben, was die Jüngere da erzählte, etwas, was sie vor einer Stunde wohl noch gänzlich anders gesehen hätte. Nemuri konnte es selbst nicht fassen. "Das würde dann wirklich für eine Parallelwelt sprechen. Aber sagtest du gestern nicht, ich hätte auch einen Heldennamen?" Kurz zögerte Yu. Ohne es zu merken trat sie vor Unwohlsein von einem Bein aufs andere. Einerseits genoss sie es, wieder in das vertraute Gesicht blicken und die ihr so vertraute Stimme hören zu können, von der sie geglaubt hatte, sie für immer verloren zu haben, gleichzeitig musste sie sich jedoch auch klarmachen, dass diese Nemuri höchst wahrscheinlich in der Tat nur das Spiegelbild ihrer Nemuri war. "So wie es aussieht, scheint es dich in meiner Welt und auch hier zu geben. Wir kannten uns zumindest und ja, du hast zwar als Lehrerin unterrichtet, aber Schüler zu unterrichten und Held zu sein, ist miteinander kombinierbar." "Das würde dann auch erklären, warum du der Überzeugung warst mich zu kennen und mir nicht glauben wolltest, dass ich mich nicht an dich erinnern konnte.", schlussfolgerte Nemuri. Die Vorstellung, dass eine Art Doppelgängerin von ihr in irgendeiner Art Parallelwelt existierte, irritierte und faszinierte sie zugleich. Noch während sie sprach, packten Nemuri jedoch auch erste Zweifel. Einerseits hatte sie neulich wirklich keine Ahnung gehabt, wer Yu war und auch das, was sie ihr jetzt erzählte, klang für sie vollkommen fremd und doch, wenn sie die Kleinere ansah, konnte sie nicht leugnen, dass diese etwas seltsam Vertrautes an sich hatte. Fast so, als hätte sie ihr Gesicht nicht erst vor zwei Tagen zum ersten Mal gesehen. Aber das konnte doch gar nicht sein, richtig...? "Die Vorstellung, eine Art Doppelgängerin zu haben, ist ganz schon verwirrend, wenn du mich fragst." "Die Tatsache, von jetzt auf gleich in einer Art Parallelwelt gelandet zu sein auch.", murrte Yu.. Aktuell gab es so vieles, was die Lehrerin ihr Gegenüber fragen wollte, also beschloss sie, mit einer der naheliegendsten Fragen zu beginnen. "Wie ist mein Ich aus deiner Welt denn so?" Das alles hier war so unwirklich - so unglaublich und gleichzeitig auf merkwürdige Art und Weise faszinierend. Die Blondine blinzelte. "Lass es mich so sagen, dein Ich aus meiner Welt ist dir unglaublich ähnlich. Äußerlich unterscheidet ihr euch kein bisschen, sogar der kleine Leberfleck in deinem Gesicht ist an der exakt gleichen Stelle. Und charakterlich seid ihr euch auch wahnsinnig ähnlich. Eigentlich gibt es da kaum einen Unterschied, bloß dass die Nemuri aus meiner Welt mutiger und noch etwas spontaner ist als du." Yu zuckte mit den Schultern. "Aber das ist auch kein Wunder, immerhin ist sie mit ihrer Quirk bestens vertraut und weiß darüber hinaus wie man kämpft. Wer sich schon dutzende Male mit Schurken und anderen unfreundlichen Zeitgenossen angelegt hat, der ist so leicht nicht mehr aus der Bahn zu werfen." "Du spielst auf die Begegnung mit diesem Monster vorhin an? Also hätte mein Ich aus deiner Welt es mit dieser Gestalt aufgenommen?" Allein der Gedanke erschien Nemuri absurd, wobei sie vollkommen übersah, dass sie trotz der gefährlichen Situation vorhin zuerst daran gedacht hatte, sich mit der Kreatur anzulegen und letztlich instinktiv in die Gasse gebogen war, somit also einen Umweg in Kauf genommen hatte, um den Angreifer keinesfalls in die Nähe der Schule zu lenken. "Definitiv. Ich habe dieses Wesen zwar selbst nicht gesehen, aber ich denke, die Midnight, die ich kenne, hätte schon gewusst, was zu tun ist.", kam es überzeugt von Yu. Einen Moment lang herrschte Schweigen. Während Nemuri all das, was Yu ihr eben erzählt hatte, erst einmal verarbeiten musste, war es der Jüngeren so, als würde ihr Herz jeden Moment in viele kleine Stücke zerspringen. Das hier war alles so unwirklich und so brutal zugleich. Als sie vor einigen Wochen erfahren hatte, dass die Dunkelhaarige die Schlacht nicht überlebt hatte, war der Schmerz darüber kaum erträglich gewesen. Nun hatte sie die Ältere scheinbar doch gesund und munter wiedergefunden, nur um festzustellen, dass es sich bei der Lehrerin um die Nemuri der Parallelwelt handelte und nicht um die Richtige - ihre Nemuri. Und dann sprach sie nun auch noch mit ihrem Gegenüber über deren Doppelgängerin aus ihrer Welt. War es da ein Wunder, dass der Schmerz, der nie ganz verschwunden war, wieder hoch kam? Zumal die beiden sich so ähnlich waren, dass es ihr einfach nicht in den Kopf wollte, wie es sich hier wirklich um zwei verschiedene Personen handeln konnte. "Mal ganz von diesem mehr als verstörenden Fakt abgesehen, du sagst die ganze Zeit über, dass der Beruf des Profihelden sehr beliebt WAR. Was hat sich daran geändert?", ergriff Nemuri das Wort, um das Gespräch weiterzulenken. Immer noch fühlte sich all das hier vollkommen verrückt an, doch der Gedanke daran, dass Yu wohl die Wahrheit sagte, machte die Lehrerin auch mehr als neugierig. Parallelwelten sollten doch eigentlich nichts als Hirngespinste sein. Nun jedoch sah es ganz so aus, als schien es sie doch zu geben und die Bewohnerin einer solchen Parallelwelt stand direkt vor ihr und redete mit ihr über besagte Welt und über ihre Doppelgängerin dort. So verstörend das auch war, so unglaublich neugierig machte es Nemuri auch. Yu blinzelte aus ihren Gedanken gerissen und wollte der Älteren auf ihre Frage antworten, doch als sie an das denken musste, was das Ansehen der Helden innerhalb der Bevölkerung dermaßen hatte sinken lassen, brachen auch wieder die Erinnerungen über sie herein. Ihr wurde speiübel, so sehr, dass sie nur noch schwer gegen ein aufkommendes Würgen ankämpfen konnte. Diese Bilder... so viele Helden waren angerückt um gegen die Schurken zu kämpfen. Sie hatten gekämpft. Das Schlachtfeld war bald schon zu einem einzigen unübersichtlichen Gewusel aus wirbelnden Körpern geworden. Die Schreie, der Staub, Dutzende Verletzte und Tote und dann dieses schreckliche Monster, welches selbst sie noch überragt hatte und an welchem sich so viele die Zähne ausgebissen hatten. Sämtliche Erinnerungen an den Kampf, sämtliche Bilder, die sie in den letzten Wochen so gut es ging verdrängt hatte, waren schlagartig wieder da und begannen zu einem einzigen schrecklichen Strudel aus Blut und Leid zu werden, der sich vor ihrem inneren Auge zu drehen begann. Sie würgte, bei den Erinnerungen an die vielen Toten und Verletzen. Die Profiheldin hatte die Hände zu Fäusten geballt und zitterte heftig am ganzen Leib, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sie hörte das Blut in ihren Ohren rauschen, während die Bilder der Schlacht in immer schnellerer und deutlicherer Abfolge vor ihrem inneren Auge tanzten. Plötzlich war die Schlacht wieder so real, als hätte sie den Kampfplatz nie verlassen. Die Panik griff bei diesen Erinnerungen mit unbarmherzigen Klauen nach ihr. Zwei Mal hatten die Bilder der Schlacht Yu in den vergangenen Wochen unverhofft mit einer solchen Brutalität eingeholt, das Edge Shot und Kamui Woods Mühe hatten, sie aus den Panikattacken zu reißen. Sie war nicht die einzige Heldin, die nach dem grausamen Krieg mit ihren Erinnerungen zu kämpfen hatte, so ging es vielen ihrer Kollegen. Normalerweise gehörte Mt. Lady noch zu den Helden, die sich einigermaßen gut unter Kontrolle hatten, was zum Großteil daran liegen mochte, dass es ihr meistens gelang, die schrecklichen Erinnerungen in die hintersten Ecken ihres Gedächtnisses zu verdrängen, um damit klarzukommen. Doch bei dem richtigen Trigger, war all das Entsetzen schlagartig wieder da. Nemuris Worte hatten die Erinnerungen an den Schrecken der Schlacht unbeabsichtigt von jetzt auf gleich wieder über Yu hereinbrechen lassen. "Yu?! Hey, was ist los mit dir?" Alarmiert sprach Nemuri die Jüngere an, in deren Mimik sich nach der letzten Frage, so rasch und schnell nacktes Entsetzen zu spiegeln begonnen hatte, dass es die Lehrerin vollkommen überraschte. Sie war Pädagogin, wusste wie gestresste und verängstiget Schüler aussahen, doch die Panikattacke der jungen Heldin schien ein ganz anderes Level erreicht zu haben. Die Ältere hatte Yu die Hände auf die Schultern gelegt und sie zu sich gedreht. Die junge Frau zitterte am ganzen Leib und schien sie kaum wahrzunehmen. "Hey, Kleine...!" Sanft schüttelte Nemuri die Blondine an den Schultern, in der Hoffnung sie dadurch zurück ins Hier und Jetzt reißen zu können, doch als das nichts brachte, zog sie sie in eine feste Umarmung. An was auch immer Yu sich erinnerte, es schien ihr eine Heidenangst einzujagen. Die Profiheldin war dermaßen durch den Wind, dass sie die Umarmung erst einmal nur starr duldete. Als sie langsam aber sicher Nemuris Körperwärme zu realisieren begann, gelang es ihr schließlich sich aus ihrer Starre zu reißen. Yu drückte sich dicht an die Lehrerin und vergrub das Gesicht an deren Schulter. Für zwei Minuten standen sie einfach nur so da. Während Nemuri leicht geschockt von der plötzlichen und heftigen Panikattacke der Blondine war, versuchte Yu sich auf ihre Atmung zu konzentrieren und sich wieder unter Kontrolle zu kriegen. Die Nähe und Wärme der Größeren taten ihr gut und waren dennoch Gift zugleich, war die Dunkelhaarige doch praktisch das Ebenbild der Nemuri, die sie in der Schlacht verloren hatte. Dennoch bewirkte die Umarmung das, was Nemuri damit hatte bezwecken wollen. Sie gab der Jüngeren Sicherheit, half ihr den Teufelskreis zu durchbrechen. Langsam aber sicher wurde das Zittern schwächer. Yu gelang es nach und nach den Anfall zu überwinden und sich wieder zu beruhigen. Noch einige Momente lang blieb sie wo sie war, ehe sie geringfügig auf Abstand ging und zu der Lehrerin hochblickte, nun fast schon peinlich berührt, denn wie aus dem nichts eine solche Panikattacke zu bekommen, war Yu mehr als unangenehm. Die Nemuri dieser Welt wusste nicht, was geschehen war. Sie kannten sich kaum. Was sollte sie jetzt also von ihr denken? Die eigentlich starke und selbstbewusste Profiheldin hatte ganz sicher nicht beabsichtigt, dass ihre verletzliche Seite so plötzlich zum Vorschein kam. "Entschuldige bitte. Es geht jetzt wieder.", brachte sie schließlich heraus und wusste, dass sie ihre heftige Reaktion auf die vorangegangene Frage wohl oder übel würde erklären müssen. "Hey, ganz ruhig Kleine.", sprach Nemuri sie beruhigend an. "Hat meine Frage das ausgelöst?" Das wäre zumindest die logischste Erklärung. Yu nickte lediglich leicht und wirkte immer noch beschämt wegen des Ausbruchs eben. "Bis vor Kurzem waren die Helden fast so etwas wie die Lieblinge der zivilen Bevölkerung. Bis zu dem Tag zumindest, an dem wir in einen Kampf gezogen sind, dessen Ausmaß man sich kaum vorstellen kann. Hunderte Helden gegen hunderte Schurken. Wir alle haben gekämpft, sogar die Schüler sind mit in den Wahnsinn hineingezogen worden. Auf beiden Seiten hat es so viele Verletzte und Tote gegeben. In dem Kampf konnten wir nicht verhindern, dass auch viele Zivilisten verletzt und getötet wurden, oder ihre Häuser verloren haben. Es ist so viel zerstört worden. Wenn du meine Stadt jetzt mit deiner vergleichst, du würdest sie wegen der ganzen Zerstörung kaum wiedererkennen. All das hat das Vertrauen der Zivilisten in die Helden arg erschüttert." Nemuri blickte zu der kleineren Frau, die sie nach wie vor in einer lockeren Umarmung hielt. Mit einer solchen Erklärung hatte sie ehrlich gesagt nicht gerechnet. Das klang fast wie ein Krieg. So surreal. Kein Wunder, dass Yu so heftig reagiert hatte, als die Erinnerungen über sie hineingebrochen waren. Am besten sie bohrte nicht mehr zu genau nach, schienen der Jüngeren die Erinnerungen doch schon genug zu schaffen zu machen. Im gleichen Atemzug fiel es Nemuri schwer sich eine solche Katastrophe vorzustellen. Bedeutete das am Ende also, dass der Ort, von dem Yu kam, nun in Trümmern lag, während ihre Welt, fast so etwas wie ein verzerrtes aber heiles Spiegelbild war? Das war...vollkommen verrückt. Und dennoch schien es sich nicht um Hirngespinste zu handeln. Die Dunkelhaarige wollte nicht noch weitere Wunden aufreißen, weshalb sie es Yu selbst überließ, was sie ihr noch erzählen wollte. Ihr Blick ruhte lediglich auf dem Gesicht der Jüngeren und fiel letztlich auf die Narbe über deren linkem Auge. "Diese Narbe in deinem Gesicht, ist das ein Andenken an den Kampf?" Sie strich leicht darüber, was die Blondine dazu veranlasste, reflexartig das linke Auge zu schließen und ihr Gesicht wegzudrehen. Schließlich blickte Yu wieder zu ihr hoch und fuhr sich unbewusst selbst mit einer Hand über die verhasste Narbe "Das kann man wohl so sagen.", murrte sie vor sich hin. "Ausgerechnet mein Gesicht wurde so verschönert. Wobei ich trotz allem dankbar sein kann, dass es nur diese eine Narbe ist." "Wenn dieser Kampf wirklich so grausam war, dann hast du vermutlich Recht damit." Nemuri spielte mit einer der gewellten blonden Strähnen ihres Gegenübers, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein, während Yu sich aktuell nicht weiter daran störte. Während die Ältere die schmale Narbe über dem Auge ihres Gegenübers als wenig auffällig oder störend erachtete, hasste die Blondine besagte Narbe, da diese ihrer Ansicht nach nicht nur ihr bislang makelloses Äußeres angekratzt hatte, sondern viel mehr auch, weil sie sie bei jedem Blick in den Spiegel an die Schlacht erinnerte. Nach einem kurzen Moment der Stille, ergriff die Lehrerin wieder das Wort. "Was ist eigentlich nach diesem Kampf passiert? Haben wir mit dem Alltag weitergemacht, so gut es eben ging?", wollte Nemuri wissen, empfand es seltsam von 'wir' zu sprechen und spürte, wie Yu sich bei dieser Frage in ihren Armen verkrampfte. "...naja, die Stadt muss wieder in Ordnung gebracht werden und die Sicherheit der Bürger muss weiterhin gewährleistet sein. Bei den Unruhen nach diesem Kampf, ist der Alltag für die Helden ein wahrer Spießroutenlauf, weil viele der Zivilisten einen regelrechten Hass auf uns entwickelt haben, wenn man es so will." Yu hielt ihre Antwort so allgemein wie möglich. Das, was sie sagte, war zwar nicht falsch, doch wie um alles in der Welt sollte sie Nemuri beibringen, dass deren Spiegelbild das Schlachtfeld nicht lebend verlassen hatte? Allein bei dem Gedanken daran schnürte sich ihr die Kehle zu und obwohl die Nemuris beider Welten sich nicht kannten, konnte sie sich doch vorstellen, dass das eine Aussage war, welche die Lehrerin mit Sicherheit nicht allzu gerne hören würde. Kurz schweiften ihre Gedanken ab, zu dem Vorfall von heute. Wenn es in dieser Welt keine Quirks gab, sollte es hier dann nicht normalerweise sicher sein? Eigentlich schon, doch das Nemuri heute von einem seltsamen Monster angegriffen und gejagt worden war, sprach eindeutig dagegen. Was auch immer das für ein Wesen gewesen war, es hatte ganz eindeutig keine guten Absichten gehabt, das war ihr auch klar, ohne das Vieh selbst gesehen zu haben. Die Blondine blickte zu der Älteren hoch und fasste noch in diesem Moment einen Entschluss. Die Nemuri aus ihrer eigenen Welt hatte sie nicht retten können, sie hatte ihrer Meinung nach komplett versagt, aber das bedeutete nicht, dass ihr dies ein zweites Mal passieren würde. "Hey, wegen dieser Gestalt, die dich vorhin angegriffen hat: wenn dieses Vieh so dumm ist und sich noch einmal hier blicken lässt, dann trete ich es gehörig in den Hintern, das verspreche ich dir. Ich passe auf dich auf, okay?", wechselte Yu das Thema und sprach das aus, was sie dachte, wobei ihre Stimme wieder so selbstbewusst klang, wie man es von ihr gewohnt war. Nemuri blinzelte sie überrascht über den abrupten Themenwechsel und diese Aussage an. Die Kleine wollte sie beschützen? Das jemand das so entschieden feststelle, war ihr dann auch noch nicht passiert. Irgendwie machte es Yu verdammt niedlich, wie sie ihr das so voller Überzeugung versicherte und dabei entschlossen zu ihr hoch sah. Keine Spur mehr von der Panikattacke eben. Der plötzliche Themenwechsel war jedoch irritierend. "Hey, wie kommst du denn jetzt plötzlich darauf, Kleine? Haben wir nicht eben noch über etwas vollkommen anderes gesprochen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)