Hungriger Fluss von Lost_Time (05. Adventstürchen) ================================================================================ Prolog: -------- Prolog Die Sonne neigte sich dem Horizont zu. Auf einem Schrottplatz in einem Wohnwagen flog ein kleiner roter Ball durch die Luft und wurde von einer Hand sanft wieder aufgefangen. Erneut wurde er hoch geworfen und gefangen. In einer anderen Ecke des Wohnwagens raschelte es emsig und etwas Metallisches klappte zu oder wurde geöffnet. „Will einer von euch gleich mit mir eine Runde joggen gehen?“ Der Ball landete wieder in der Hand und der sprechende Junge setzte sich etwas auf. Seine beiden Freunde blickten kurz von ihrer Arbeit auf. Einer von ihnen, ein etwas pummelig gebauter, blätterte eine Seite in einem Buch um, welches er am Schreibtisch las. Der andere Junge packte wieder ein paar Blätter in eine Mappe und verstaute diese dann in ein geöffnetes Schrankfach. „Ich würde ja gerne, Peter, aber ich möchte hier endlich mal Ordnung schaffen. Die letzten Monate waren so voll gepackt mit Arbeit, dass ich die ruhige Phase endlich zum Abheften nutzen will“, erwiderte sein Freund Robert, welchen alle nur Bob nannten. Auch der Junge am Schreibtisch winkte ab: „Kein Interesse, Zweiter, wenn du von einer Runde sprichst, werden es entweder deutlich mehr oder aber die Runde zieht sich bis in die Unendlichkeit.“ „Pff, ach kommt. Just, Bob, das Papier ist geduldig, ihr könntet schon mal etwas mehr für eure Fitness tun“, neckte er sie und warf mit dem Ball nach dem ersten Detektiv, welcher diesen problemlos auffing. „Keine Ahnung wovon du sprichst, Peter. Wie du siehst bin ich sehr fit.“ Die drei lachten amüsiert und nach einer Weile seufzte Bob laut auf und warf wieder ein Schrankfach zu. „Okay, Peter, überredet, ich komme auf eine Runde mit. Aber nur eine!“, betonte der dritte Detektiv deutlich. „Okay, okay. In einer halben Stunde am Parkeingang, denn in den Klamotten kannst du nicht laufen gehen. Und du Just?“ „Nein, auf gar keinen Fall. Ich werde zu Tante Mathilda gehen und fragen ob ich ihr bei irgendwas helfen kann. Wenn ihr wieder zurück seid, können wir ja noch einen Filmabend machen.“ „Klingt gut“, erwiderten die anderen beiden nacheinander. „Mit Pizza, damit eure Joggingerfolge etwas kaschiert werden“, lachte Justus laut. Der Park war um diese Uhrzeit noch gut besucht, was sicherlich an dem milden Herbstwetter lag, welches es sich über Rocky Beach gemütlich gemacht hatte. Peter war mit Bob nach einigen Metern in einen kleinen Seitenweg des Parks eingebogen, welcher zu einem kleinem Waldstück von diesem führte, welches wiederum in erster Linie aus Palmen bestand. Peter ging das Tempo langsam an, um Rücksicht auf Bobs rechtes Bein zu nehmen. Noch immer bereitete ihn der alte Bruch Probleme. Doch zumindest konnte er es nun schon mehr belasten, als noch vor einigen Jahren. Woran die Physiotherapie und auch der neue Arzt einen großen Anteil hatten, die ihn vor einem Jahr noch einmal genau unter die Lupe genommen hatten. „Hast du mal wieder was von Kelly gehört? Gefällt es ihr in Europa?“, fragte Bob ihn dann aus dem Nichts. „Ja, wir telefonieren jeden zweiten Tag. Es geht ihr gut, sie hat schon so einiges erlebt. Aber sie freut sich auch, wenn sie in vier Monaten zurück ist. Und ich ehrlich gesagt auch. Dann können wir zusammen noch die High School Ferien genießen, bevor es aufs College geht. Wie sieht es bei dir und Lily aus?“ „Eher weniger gut. Irgendwie läuft es nicht mehr so wie es soll und wir haben uns aktuell auf eine Beziehungspause geeinigt.“ „Unsere Arbeit ist der Grund, oder? Wenn es dich tröstet, Kelly und ich hatten uns deswegen so oft in den Haaren und hatten es immer noch bevor sie nach Europa ging. Das wird schon wieder.“ „Ach, es ist nicht nur die Arbeit. Ich weiß nicht, Peter, irgendwie… ist der Wurm drin bei uns.“ Peter hob kurz die Augenbrauen hoch, was Bob ihm damit sagen wollte war klar. Die Beziehung hatte, wie immer bei Bob, diesen gewissen Punkt erreicht. Status kompliziert war angesagt. „Verstehe.“ Nach einer Weile unterbrach Peter den Lauf, als er aus den Augenwinkeln eine Veränderung in Bobs Gesicht wahrnahm. Der dritte Detektiv versuchte immer wieder sich nichts anmerken zu lassen, doch seine beiden Freunde konnte er nicht täuschen. „Was war es diesmal? Zuckendes Augenlid? Falsche Atmung?“ „Deine Mundwinkel verzogen sich nach unten“, erklärte Peter. „Die Mundwinkel also wieder“, lachte Bob leise. „Willst du dich setzen?“ „Nein, nein, lass uns weiter gehen, so schlimm ist es nicht.“ Gebückt rieb sich der Blonde liebevoll über das Schienenbein. Manchmal fühlte er sich wie ein alter Mann mit diesem Gebrechen. Dennoch war er dankbar, dass seine Freunde nichts sagten, sondern einfach nur aufpassten, dass er sich nicht übernahm. „Was machen wir in den Ferien jetzt eigentlich?“, fragte Peter. „Gute Frage. Aufträge abarbeiten oder wenn keine kommen, dann einfach mal was zusammen machen.“ „Was normale Teens tun? Klingt irgendwie nicht nach uns.“ Die beiden lachten bis Peters Handy zu klingeln begann. „Hast du es dir anders überlegt, Justus?“, fragte er amüsiert, wurde aber kurz danach hellhörig. Das Gespräch dauerte nicht lange und als es beendet war, sah Peter Bob mit einem gewissen Funkeln in den Augen an. „Sag Bob, was hältst du von Urlaub in Mexiko?“ Kapitel 1: ----------- Kapitel 1 Der Flug war gut gewesen. Voller Vorfreude kamen die drei Detektive in Mexiko an und wurden am Flughafen bereits von einem jungen Mann erwartet, welcher sich als Jonathan Hopkins vorstellte und der Assistent von Dr. Charles Woolley war. Charles Woolley ist ein Wissenschaftler, welcher sein Spezialgebiet auf die Insekten der Erde ausgelegt hat. Besonders Ameisen hatten es ihn schon in der Vergangenheit immer wieder angetan. Nun hatte er die drei Fragezeichen zu sich gebeten, um ihn bei seinen Forschungen im mexikanischen Wald zu unterstützen. Was genau er wollte, hatte er allerdings noch nicht preis gegeben und auch Jonathan unternahm keine Anstalten die Jungs in etwas einzuweisen. So verlief die Fahrt zum Professor sehr schweigsam. Kurz darauf kamen die vier an einem Waldrand in der Nähe eines kleinen mexikanischen Dorfes an. Es herrschte dort emsiges treiben durch die Einheimischen. In mitten des ganzen Treibens stand der Professor, welcher seinen kahlen Kopf unter einem Filmreifen Forscherhut verbarg. „Hallo Dr. Woolley“, begrüßte Justus diesen. „Oh, hallo, da seid ihr ja endlich. Hattet ihr eine gute Anreise?“ „Alles bestens gelaufen, Dr. Woolley“, antwortete Bob diesem. „Sehr schön, sehr schön. Ihr müsst meine Hektik entschuldigen, aber wir sind im Wald auf eine ganz besondere Insekten-Spezies gestoßen, wir wollten gerade mit etwas mehr Equipment aufbrechen.“ „Das freut uns zu hören, Dr., aber warum genau sind wir hier?“ Justus fing den Blick von Peter auf, welchem anscheinend ein ähnlicher Gedanke durch den Kopf ging wie ihm. Hoffentlich hatte Woolley sie nicht zum Helfen herbestellt. Vorstellen konnte er es sich zwar nicht, aber bei Woolley wusste man nie so genau. „Das erkläre ich euch unterwegs. Kommt schon, kommt schon und passt auf wo hier hintretet.“ Mit hochgezogenen Brauen blickten sich die drei Detektive nacheinander an, zuckten mit den Schultern und folgten dem Professor, seinem Assistenten und den Helfern. Eine halbe Stunde und dutzende Flüche seitens Peter später, standen die drei mit den ganzen Expeditionsteam um den Professor und einem umgekippten Baumstamm herum. Letzterer gammelte bereits ausgiebig vor sich hin und wies einige Löcher auf. Während Peter sich erneut einige Moskitos weg schlug, stellte Justus ein weiteres Mal die Frage an den Professor, was genau sie eigentlich hier zu sehen bekommen würden. Doch Dr. Woolley hielt nur den Zeigefinger aufrecht in die Luft. Er durchlöcherte mit seinem Blick den Baumstamm bis er schließlich zufrieden Luft einzog und von den ersten aus seinem Team ein erstauntes Oh und Ah zu hören war. Nun konnten es auch die drei Fragezeichen sehen, jedoch waren sie nur kurzzeitig von dem Anblick erstaunt. Vor ihnen krabbelte ein handflächengroßes Insekt aus dem Baumstamm heraus. „Entzückend nicht wahr“, hauchte Woolley und machte damit deutlich, dass es sich nicht um eine Frage seinerseits handelte, „Meine neuste Entdeckung. Jonathan machen Sie bitte ausreichend Fotos davon und fangen sie sie behutsam ein, damit ich sie später genauer untersuchen kann.“ Dann wandte er sich an die mexikanischen Helfer sprach zu ihnen. Was genau er sagte bekamen die Jungs zuerst nicht mit, aber anscheinend sollten sie wohl ein Lager aufbauen. „Sie scheinen nicht allzu begeistert zu sein, hier ein Lager auf zu schlagen“, stellte Bob fest, doch Woolley winkte ab. „Das liegt an dem, weswegen ich euch hierher gebeten habe. Kommt mit und lassen wir die anderen hier arbeiten.“ Ein paar Meter weiter blieb Woolley wieder stehen und räusperte sich. „Seit einigen Tagen verschwinden Gegenstände aus den anderen Lagern.“ „Sie vermuten einen Dieb im Team? Was wurde denn bisher gestohlen?“, fragte Justus, welcher sogleich Feuer und Flamme war. „Was? Aus dem Team? Nein, das glaube ich nicht, das sind ehrliche Leute hier. Ich vermute jemand außerhalb des Teams. Gestohlen wurde bisher unterschiedliches. Mal Essen, mal irgendwelche Gegenstände. Nichts Teures zum Glück.“ „Hm, verstehe.“ „Und durch den Dieb haben ihre Leute nun Angst hier ein Lager aufzuschlagen“, fragte Peter nach und kratzte sich am Oberarm, welcher eine rote Schwellung aufwies. „Ich denke, der Dieb macht ihnen weniger Angst. Mehr Sorgen machen sie sich über das Weinen oder Wimmern, welches seit einigen Tagen vom Abend bis in die Nacht hinein zu hören ist.“ Fragend und ungläubig sahen die drei Jungs den Professor an, dieser nickte nochmal bekräftigend, ehe er fortfuhr und somit die Fragen vorweg nahm, welche ihnen auf der Zunge brannten. „Sie meinen, es sei ein Geist, der sein Unwesen hier treibt. Das ist natürlich alles absoluter Humbug, aber sie glauben halt daran.“ „Haben sie denn schon einmal versucht dem nachzugehen?“, fragte Bob. „Natürlich. Also besser gesagt, Jonathan und ich wollten es, aber die Einheimischen hielten uns zurück. Sie meinten, es würde unseren sicheren Tod bedeuten. Seit der Entdeckung der Insektenart habe ich allerdings keine Zeit mich darum zu kümmern. Aber ich sehe wie eure Augen leuchten, während ihr meinen Dieb ausfindig macht, könnt ihr ja auch diesem Geheimnis nachgehen. Und nun entschuldigt mich bitte, ich muss arbeiten. Ich werde Jonathan bitten bei euch zu bleiben. In diesem Wald verläuft man sich schnell, wenn man sich nicht auskennt oder eine Karte hat.“ „Vielen Dank Dr. Woolley“, erwiderte Justus und blickte dem Mann nach, welcher bereits mit den Gedanken wieder ganz woanders war. „Kollegen, was haltet ihr von der ganzen Sache? Peter?“ „Nun, es ist irgendwie etwas gruselig, findet ihr nicht?“, meinte der zweite Detektiv. „Vielleicht hängt das Weinen mit dem Dieb zusammen“, spekulierte Justus und rollte kurz mit den Augen, als er Peters Gesicht sah. „Gut möglich, man müsste wissen, ob die Diebstähle in unmittelbarer Zeit danach passieren“, fügte Bob hinzu. „Wenn ja, wäre dies ein Zeichen dafür, dass der Dieb irgendeine Geistergeschichte zur Ablenkung nutzt. Ich denke damit lässt sich arbeiten. Also nehmen wir den Fall an?“ Die anderen beiden nickten. Hinter ihnen erklang ein Rascheln und als sie sich umdrehten erblickten sie Jonathan. Der Assistent des Professor machte keinen allzu glücklichen Eindruck. Ob es nun daran lag, dass er die drei betreuen musste oder etwas anderes vorgefallen war, wussten sie nicht. „Hallo, nochmal. Der Professor sagt, ich soll bei euch bleiben und euch überall hinführen, wo ihr hinwollt.“ Der junge Mann strich sich eine dunkelbraune, lockige Strähne aus dem Gesicht und blickte die drei mit einem schwer zu definierenden Blick aus seinen hellgrünen Augen an. „Nun, bevor wir uns umsehen, haben wir eine Frage. Wann genau passieren die Diebstähle?“, fragte Justus „Hm… meist zum frühen Abend hin. Selten am Tage.“ „Waren zu erst die Diebstähle da und dann das Wimmern beziehungsweise Weinen? Oder umgekehrt? Und folgt es auf die Diebstähle oder ist es davor?“ „Ähm...“, kam es von dem Brünetten sichtlich überrascht, „So genau weiß ich das ehrlich gesagt gar nicht.“ „Könnten wir dann vielleicht mit ihrer Hilfe mit den anderen Expeditionsteammitgliedern sprechen?“, fuhr Justus unbeirrt fort. „Natürlich. Folgt mir.“ Nachdem Jonathan ihnen den Rücken zu gedreht hatte, tauschten die drei ein paar vielsagende Blicke aus. Viel war nicht heraus gekommen bei ihrer Befragung. Zwar war sich der Großteil der Einheimischen sicher, dass die Diebstähle nach der akustischen Erscheinung begangen worden waren, jedoch wollten sie sich zu den Erscheinungen nicht weiter äußern. Etwas unzufrieden hatten sich Justus, Peter und Bob von Jonathan zurück zur Straße bringen lassen. Von dort aus wollten sie zu Fuß den kurzen Weg ins Dorf antreten, was dem Assistenten nur recht zu sein schien. Mit einer Karte der Umgebung ausgestattet, gingen sie los um die zehn Meilen zu bestreiten, welche zwischen dem Waldeingang der Expedition und dem Ort lagen. Die drei bestaunten die Landschaft um sie herum und besprachen ihr weiteres vorgehen in diesem Fall. Bob hielt es für ratsam mit einem Ortskundigen, in dem Fall wo Jonathan, den Wald etwas mehr abzusuchen. „Vielleicht finden wir ein Tonband oder den Täter selber.“ „Dann sollten wir morgens sehr früh los legen. Die Suche könnte sich auf mehrere Tage ausweiten.“ „Das wird ziemlich anstrengend“, meinte Peter, „Gerade bei den Temperaturen die in den nächsten Tagen herrschen sollen. Wir müssen auf jeden Fall-“ Weiter kam der zweite Detektiv nicht, denn eine Frau stürmte auf sie zu. Sie wirkte verzweifelt und hilflos. Ihr schwarzes Haar war durch mehrfaches hindurchfahren mit der Hand wirr, ihre Augen gerötet und Tränen liefen ihr über die Wangen. „Por favor, ayúdame. Mi hijo ha desaparecido”, redete die Frau auf die drei ein. Es folgten noch weitere Sätze, die schnell und undeutlich, durch Schluchzen, an die drei heran getragen wurden. Ebenso streckte sie ihnen ein Bild von einem kleinen Mädchen entgegen. Bob und Peter blickten zu Justus herüber, welcher als Einziger der drei zumindest etwas spanisch sprach. „Was sagt sie, Just?”, wollte Peter wissen. „Irgendwas mit helfen und Kind. Ich bin nicht sicher, es ist so schnell.” „Sie sagt, dass ihr Kind verschwunden ist und fragt, ob ihr ein kleines Mädchen mit dunkelbraunen Haaren, dunkleren Teint und einem rosafarbenen Kleid gesehen habt. Und, dass sie einen kleinen weißen Teddybären dabei hat.” Die Jungs fuhren mit den Köpfen zur Seite herum, konnten im ersten Moment jedoch niemanden erkennen. Dafür bekamen sie ein leises und deutlich amüsiertes Lachen zu hören. „Ein bisschen weiter unten ihr riesenhaften Amerikaner.” Die drei folgten der Anweisung, während die Frau nun auch begann zwischen ihnen und einem kleineren Jungen hin und herzusehen. „Hallo“, sagte Bob zu dem Jüngeren, „Kannst du der Dame sagen, dass wir ihre Tochter nicht gesehen haben bisher. Aber ihr bei der Suche versuchen zu helfen?“ Der kleine Junge von maximal zehn Jahren nickte und wendete sich mit spanisch an die Frau. Die Worte, die er von Bob übermittelte lösten bei der Frau eine Art Freude aus, wenngleich die Verzweiflung immer noch überwog. Sie drückte Bob an sich, küsste ihn dabei kurz auf die Wange und hielt mit zitternden Händen das Bild des Mädchens erneut hin und sprach zu ihm. „Sie bedankt sich für das Angebot. Das ist ihre Tochter Gracia Maria Theresia Ramirez Lopez. Sie ist 8 Jahre alt und gestern Abend nicht nach Hause gekommen.“ „Haremos nuestro mejor esfuerzo, señora. Solo tomaríamos una foto de su hija si es correcto. Entonces podremos vernos mejor”, begann nun Justus, welcher sich anscheinend ein wenig heraus gefordert fühlte, nachdem er ein paar Startschwierigkeiten gehabt hatte. „Was hast du gesagt, Just?“, fragte Peter etwas beeindruckt, über die plötzliche Wortgewandtheit des ersten Detektivs. „Dass ihr euer Bestes gebt um zu helfen und er ein Foto von dem Bild machen will, um besser zu helfen“, erwiderte der Junge. Wenn er überrascht gewesen sein sollte, dass Justus seine Sprache beherrschte, dann ließ er es sich nicht anmerken. So ruhig, wie ihr möglich hielt sie das Bild zu dem ersten Detektiv hin und ließ diesen es abfotografieren. Kurz darauf kam ein Mann dazu, bei welchen es sich um den Vater des Kindes handeln musste. Die Konversation fiel recht kurz aus und liebevoll führte er seine Frau von den drei Fragezeichen fort. Nun erst konnten sie sich ihrem kleinen Dolmetscher widmen, welcher sie frech angrinste. „Hey, danke für deine Hilfe eben. Wie heißt du?“, fragte Bob als erstes. „Ich heiße Tico Flores Sanchez“, stellte sich dieser vor, „Und ihr seid?“ „Wir sind Detektive. Man nennt uns die drei Fragezeichen.“ Aus Gewohnheit zückte Justus die Visitenkarte hervor und reichte sie dem nun doch beeindruckten Tico. Neugierig sah er sich die Karte an. „Die drei Detektive, wir übernehmen jeden Fall. Hm… drei farbige Fragezeichen… erster Detektiv Justus Jonas.“ „Das bin ich.“ Tico blickte zu Justus auf und runzelte leicht die Stirn, dann widmete er sich wieder der Karte. „Zweiter Detektiv Peter Shaw. Recherchen und Archiv Bob Andrews.“ Während er weiter gelesen hatte, hatte er nach jedem Namen kurz aufgeblickt und so die jeweiligen Handzeichen der beiden anderen sehen können, als deren Name fiel. Kurz erwarteten die drei eine Frage zu den Symbolen auf ihrer Karte, wie fast immer, doch Tico schienen diese nicht zu interessieren. „Die Karte ist falsch. Eigentlich seid ihr nur zwei Detektive.“ „Was, wie bitte?“ „Na du bist der erste Detektiv, er der zweite. Aber es gibt keinen dritten.“ „Natürlich gibt es einen dritten, dass bin ich.“ „Nein, du bist Archivar laut der Karte. Also kein Detektiv.“ „Na hör mal, sei mal nicht so penibel. Recherchen und Archivierungen gehören zum Detektiv sein dazu“, schaltete sich Peter ein. „Ja, aber wieso wurde es denn extra aufgeschrieben. Wieso heißt er nicht einfach dritter Detektiv?“ Justus und Peter blickten sich an ohne zu wissen, was sie darauf noch erwidern sollten. Nur Bob begann leise zu lachen und winkte ab. „Da hat er anscheinend tatsächlich nach all den Jahren einen groben Fehler aufgedeckt. Okay, wir ignorieren mal kurz die Angabe auf der Karte und bleiben dabei, dass ich der dritte Detektiv bin, ja?“ „Na gut“, lenkte Tico ein und gab Justus die Karte zurück, „Was macht ihr hier?“ „Wir helfen einen bekannten Wissenschaftler. Dr. Woolley, ein Insektenforscher.“ „Ach der. Der total aus dem Häuschen ist, wenn er eine Ameise sieht? Kahlköpfig, mit Hut oft unterwegs und so einen schlaksigen braunen Assistenten bei sich?“ „Genau. Kennst du ihn?“ „Nun ja fast jeder im Ort kennt ihn. Zum einen übernachtet er im Gasthaus und zum anderen arbeiten viele Dorfbewohner für ihn. Helfen ihm beim Tragen der Ausrüstung und passen auf, dass er sich nicht im Wald verläuft.“ „Du sprichst ziemlich gut amerikanisch, mit wenig spanischen Akzent.“ „Ich weiß. Mein Bruder hat es mir bei gebracht. Ich lerne amerikanisch schon seit ich fünf bin.“ „Sag Tico, du kennst dich hier doch sicherlich ziemlich gut aus, oder? Nicht zufälligerweise auch im Wald.“ „Natürlich. Niemand kennt sich besser aus, als ich. Na, ja. Vielleicht noch mein großer Bruder.“ „Möchtest du uns vielleicht helfen bei der Suche nach dem Mädchen?“ „Warum nicht. Es sucht eh schon fast das ganze Dorf nach Gracia.“ „Kennst du sie?“, fragte Justus. „Hier kennt jeder jeden irgendwie.“ Tico zuckte mit den Schultern und sah sich um: „Wo wollen wir anfangen?“ „Kommt darauf an, wo sie zuletzt gesehen worden ist“, meinte der erste. Wieder zuckte Tico mit den Schultern. Er erklärte ihnen, dass dies keiner so genau wusste. Gracia war eine Einzelgängerin gewesen, man vermutete aber, dass sie in dem Wald gewesen sein müsste, dessen einer Teil auch von Woolley und seinem Team besucht wurde und der das Dorf komplett umgab. „Dann lasst uns noch ein wenig den Wald absuchen.“ „Just, muss das wirklich heute, also jetzt, sein? Ich hab mein Moskitospray im Koffer. Lass uns doch wenigstens erst zur Unterkunft gehen, wo man unsere Koffer hingebracht hat. Ich will nur das Spray holen. Sieh mich doch an. Ich bin schon komplett durchstochen“, maulte Peter. „Dann ist es doch egal, ob noch welche dazu kommen. Stell dich nicht so an Zweiter.“ Justus gab Tico ein Zeichen und folgte diesem zum Waldeingang, nur um sich bei diesem noch einmal umzudrehen und den beiden anderen ein auffordernden Blick zugeben. „Der hat leicht reden, den rühren die Viecher auch nicht an“, grummelte Peter und zog eine Grimasse in Justus Richtung. Dieser erwiderte darauf bereits einen herausfordernden Blick. Es würde wohl nicht lange dauern bis es zu einem Schlagabtausch kommen würde. Peter war ein Sturkopf, doch Justus stand diesem in keinster Weise nach. „Komm Peter, lass gut sein. Mich haben die Dinger auch zum Fressen gern. Stehen wir schon irgendwie durch“, mischte sich Bob ein und klopfte ihm motivierend auf die Schulter. Widerwillig kam Peter dem Ganzen nach. Die vier suchten mehrere Stunden. Peter hielt Justus dabei immer auf den Laufenden, wie viele Moskitostiche er dank diesem noch dazu bekommen hatte und, dass mit dem Spray alles so viel besser gewesen wäre. Justus hingegen ignorierte ihn zu Anfang noch großzügig. Doch irgendwann riss auch diesem der Geduldsfaden. Einige wüste Beschimpfungen später hatte sich die Wut bei beiden Parteien komplett entladen. Bob hatte sich gegenüber Tico entschuldigt, welcher diese aber amüsiert abgewinkt hatte. Als die Sonne dem Horizont begann zu nahe zu kommen, meldete sich Tico zu Wort. Er rieb sich über sein stoppelig-kurzes schwarzes Haar und erklärte den dreien, dass es Zeit wurde umzukehren, wenn sie bei Beginn der Dämmerung aus dem Wald zurück sein wollten. „Nicht eine Spur von der Kleinen.“ Der erste Detektiv war unzufrieden mit der Situation. Er hatte sich wesentlich mehr erhofft. „Mach dir nichts daraus, Justus. Ich habe es ehrlich nicht erwartet, dass wir sie finden. Der Wald ist riesig. Es wird Tage dauern alles zu durchkämen, selbst wenn das ganze Dorf mit sucht. Die Kleine kann sich auch weiter bewegen.“ Die Worte des Blonden prallten an dem Brünetten zum Teil ab. In seinem Kopf arbeitete es stark. „Wir brauchen für morgen eine bessere Strategie. Wir werden uns auch aufteilen müssen. Woolleys Fall dürfen wir schließlich nicht vergessen“, murmelte er vor sich hin. „Ähm, Leute. Hört ihr auch was ich höre?“, fragte Peter, welcher von ihnen das Schlusslicht bildete und stehen geblieben war. Die anderen taten es ihm gleich. Zu erst hörten sie nichts, doch dann drang ganz zart eine Stimme an ihre Ohren. „Klingt… wie eine Frau, oder?“ „Könnte auch ein Kind sein, Peter.“ „Versteht ihr was gesagt wird?“, fragte Justus in die Runde, doch alle schüttelten verneinend den Kopf. Peter begann sich die Stirn zu massieren: „Wissen wir überhaupt woher es kommt?“ „Nein, klingt für mich, als komme es von überall. Geht es dir nicht gut, Zweiter?“ „Ja, alles okay. Hab irgendwie Kopfschmerzen bekommen.“ „Vielleicht hast du zu wenig getrunken?“ „Möglich. Jetzt ist sie weg.“ Ungläubig blickte sich Peter um. „Bin ich der Einzige, der eine Gänsehaut bekommen hat?“ „Ja, ich denke schon, Peter. Für die Stimme gibt es sicher eine ganz eindeutige Erklärung. Beziehungsweise ich habe schon eine.“ „Ach ja, und die wäre“, fauchte Peter eine Spur aggressiver. „Nun, ich denke, dass wir vielleicht gerade die Stimme von Gracia gehört haben.“ „Du weißt schon, dass Woolley die Stimme schon etwas länger hört und sie erst gestern verschwunden ist“, merkte Bob an. „Natürlich weiß ich das, Bob. Aber vielleicht ist es bei Woolley eine Tonaufnahme. Hier sind wir ein Stück von ihm weg und hier könnte es Gracia sein. Eigentlich sollten wir weitersuchen.“ „Das ist viel zu gefährlich, Justus. Allein werdet ihr euch verlaufen und die Leute meiden den Wald des Nachts“, mischte Tico sich ein. „Wir sollten auf Tico hören, er kennt sich hier am besten aus. Lass uns Schluss machen. Wir müssen einfach hoffen, dass Gracia noch eine Nacht aushält im Wald. Vielleicht wird sie auch gerade von anderen gefunden, die dichter waren als wir“, meinte Bob. Justus Mund verzog sich wieder missbilligend, gab dann aber wenig später seufzend nach. Im Dorf wieder angekommen hatten sie sich von Tico verabschiedet und sich mit ihm für den nächsten Tag vor seinem Haus verabredet, welches er ihnen noch vorher zeigte. Kaum waren sie in das kleine Gasthaus eingekehrt, in welchem sie schliefen, begegneten sie auch schon Dr. Woolley und Jonathan. Die fünf setzten sich zusammen an einen Tisch und aßen Abendbrot, wobei Woolley sie darüber unterrichtete, dass wieder etwas gestohlen worden war und er diese Stimme ebenfalls gehört hatte. Der Assistent des Professors verabschiedete sich dann ziemlich schnell von ihnen, als das Thema um das verschwundene Mädchen aufkam. So erfuhren die drei Detektive, dass man die kleine Gracia immer noch nicht gefunden hatte. Wie sie am nächsten Tag von Tico erfahren würden, hatten einige erfahrene Männer des Ortes noch bis nach Einbruch der Dämmerung gesucht. Der nächste Tag begann für die drei ziemlich früh. Schon um 8 Uhr gingen sie zu Tico und klopften an die Tür des Hauses. Eine Frau mittleren alters und langen, welligen dunkelbraunen Haaren öffnete ihnen die Tür. Mit einem recht flüssigen und einfachen spanisch erklärte Justus ihr, wer sie waren und zu wem sie wollten. Die Frau lächelte liebevoll und bat sie ins Wohnzimmer hinein, während sie den Namen ihres Sohnes rief. Es dauerte nicht lange bis Tico grinsend herunter kam. „Morgen, ihr seid ja echt pünktlich.“ „Das gehört sich so als Detektiv“, erklärte Justus belehrend. Tico lachte herzlichst, als er sah wie Bob und Peter hinter dem Rücken ihres Freundes mit den Augen, für diese Aussage, rollten. „Also Tico, wir haben uns gestern noch etwas beraten und da wir zwei Fälle haben, wollten wir uns aufteilen. Wenn du möchtest kannst du dich uns anschließen.“ „Sehr gerne, Justus. Ich wollte schon immer mal wie ein echter Detektiv arbeiten.“ „Perfekt. Dann kümmern Bob und ich uns um den Dieb im Lager des Professors und Peter und du, ihr sucht im Wald nach Gracia weiter. Heute Abend treffen wir uns dann wieder hier vor deinem Haus und reden über unsere Fortschritte.“ Die anderen nickten einverstanden. „Ihr solltet was zu trinken mitnehmen, wenn ihr Gracia suchen wollt. Es soll heute extrem warm werden“, meldete sich eine tiefere Stimme aus dem Hintergrund. „Wird gemacht“, versprach Tico und flitzte in Richtung Küche. Am Türrahmen zum Wohnzimmer stand ein junger Mann, welchen Justus auf ihr eigenes Alter schätzte. Sein dunkelbraunes, fast schwarzes Haar war mittellang und in eine stylische Frisur geformt. Die Gesichtszüge sahen denen von Tico sehr ähnlich. „Hallo. Ich bin Ticos älterer Bruder Ramon Salvatore. Aber nennt mich einfach Ramon. Ihr seid die drei von denen er gestern Abend erzählt hat, die vom Professor hierher geholt wurden.“ „Richtig. Freut uns dich kennen zu lernen, Ramon. Ich bin Justus Jonas und das sind meine Freunde Peter Shaw und Bob Andrews. Tico hat uns schon ein wenig von dir erzählt.“ „Ich hoffe doch nur Gutes“, lachte Ramon und drehte den Kopf, als eine andere männliche Stimme etwas auf spanisch sagte. „Sí papá“, erwiderte der Dunkelhaarige darauf hin, „Entschuldigt bitte, aber ich muss mich leider schon wieder verabschieden. Vielleicht sehen wir uns später noch.“ Kaum war Ramon gegangen erschien Tico wieder mit vier Feldflaschen voll Wasser in den Händen. Er gab den anderen jeweils eine und die vier teilten sich entsprechend Justus‘s Anweisung auf. Kapitel 2: ----------- Kapitel 2 Erschöpft lies sich der rot-braunhaarige Junge auf einen umgekippten Baum nieder. Er schraubte erneut seine Wasserflasche auf, doch aus dieser kam nicht ein einziger Tropfen. Bei seinem jüngeren Begleiter sah es anders aus, aber er wollte diesen nicht nach Wasser fragen. Schließlich brauchte der Kleine es dringender. Außerdem würden sie bald an einen Fluss kommen, an denen sie den Vorrat wieder auffüllen konnten, so zumindest hatte Tico es gesagt. Der Jüngere sah sich um und blickte forschend alles um sie herum an, um sich zu orientieren. Die Sonne stand im Zenit und verwandelte den kühlen Wald in eine feuchte und heiße Sauna. Seit Stunden suchten sie nach der kleinen Gracia, welche vorgestern verschwunden war. Bisher gab es aber immer noch keine Spur von ihr und Peter hoffte einfach inständig, dass einer der anderen Suchtrupps sie finden würde. Wieso sie sich nicht einfach einen der anderen Trupps angeschlossen hatten, verstand der zweite Detektiv mit jeder Minute weniger. Er wischte sich den Schweiß von den Stirn und aus dem Gesicht, wenngleich es wenig Effekt hatte. „Du weißt noch wo wir sind, oder Tico?“ „Natürlich Peter, aber wir sollten uns in einer Stunde auf den Rückweg machen. Bis wir zuhause sind, dämmert es wieder.“ Peter nickte verstehend und blickte sich um. Von dem Mädchen hatten sie nicht einmal eine Spur gefunden. Kein Fetzen von Kleidung, keine verlorenen Sachen, nichts. Er holte sein Handy heraus, welches hier zwar keinerlei Empfang mehr hatte. Diesen brauchte er auch aktuell nicht, schließlich wollte er sich noch einmal das Foto von dem Mädchen ansehen. „Wo bist du nur?“, murmelte er zu sich selbst. Hoffentlich würde heute Abend jemand von den anderen sagen können, sie gefunden zu haben. Ein Rascheln ließ Peter aufhorchen. Er blickte zu Tico herüber, welcher sich aber auch eine Pause auf einen Stein gegönnt hatte. Wieder hörte er ein Rascheln und diesmal konnte er es hinter sich lokalisieren. So drehte er sich um und sah gerade noch so, wie ein dunkelbrauner, lockiger Haarschopf in den Büschen verschwand. War das Jonathan? Wenn ja, was tat er hier? „Sag Tico, wie weit ist das Lager vom Professor entfernt von hier? Kannst du es abschätzen?“ Der Kleinere wirkte überrascht bei der Frage, überlegte dann allerdings nur einen kleinen Moment, ehe er antwortete: „Schätzungsweise zwei Stunden Fußweg von hier. Wieso?“ Das war einfach viel zu weit entfernt. War das wirklich Jonathan gewesen oder trieb jemand anderes hier noch sein Unwesen, der ihm einfach ähnlich sah? War das der Dieb oder war Gracia von ihm entführt worden? Wie von der Tarantel gebissen, sprang der zweite Detektiv auf und eilte in die Richtung, in welche die Person eben verschwunden war. Ticos Rufe nahm er dabei gar nicht weiter wahr. Ein Fehler wie er bald feststellte. Außer Atem kam der Rot-braunhaarige nach einer Weile an einer kleinen Quelle zum Stehen. Er stemmte seine Hände in die Seite und atmete tief durch, während er sich umsah. Doch niemand war zu sehen. „TICO?!“, rief er fragend ohne dabei eine Antwort zu erhalten. `Scheiße!´, dachte er dann bei sich. Es war wirklich eine super Idee gewesen los zurennen. Was hatte er sich denn dabei gedacht? Wahrscheinlich, dass Tico ihm folgen würde, doch der Jüngere war nicht so schnell wie er, dass hätte ihm doch klar sein müssen. Noch einmal rief er nach den Mexikaner in der Hoffnung, dass dieser ihn hören und finden würde. Wie lautete die Faustregel beim Verlaufen? An Ort und Stelle bleiben. So kam er diesem nach, rief noch einmal laut Ticos Namen und hockte sich dann an die Quelle, um seinen starken Durst zu stillen. Als er damit fertig war und aufsah, traute er seinen Augen kaum. Nicht weit von ihm schlängelte sich ein breiter Fluss durch den Wald und am anderen Ufer von diesem saß ein kleines Mädchen in einem rosa Kleid, welches mit einem weißen Teddybären spielte. „Gracia?“ Peter stand auf und machte einige Schritte auf den Fluss zu und rief erneut. Das Mädchen schien keinerlei Notiz von ihm zu nehmen. Plötzlich durchfuhr ein markerschütternder hoher Schrei die Ruhe des Waldes, aber auch diesen schien sie nicht zur hören. Peter hielt sich die Ohren zu, doch er wurde nicht leiser. Um ihn begann sich alles zu drehen. Dieser Schrei, diese Tonhöhe trieb ihn in den Wahnsinn und es hörte einfach nicht auf. Wieder warf er einen Blick zu Gracia, seine Sicht verschwamm, als er bemerkte, dass dort noch jemand bei ihr war. Dann wurde es dunkel um ihn herum. „Ich glaube er kommt zu sich.“ „Peter? Hey, Kollege, hörst du mich?“ Der Angesprochene blinzelte gegen das helle Licht an, welches von der Decke des Hotelzimmers kam. Erschöpft rieb er sich über die Augen und massierte sich dann den Kopf. Bis auf das Summen des Ventilators und dem Atmen der Leute um ihn, war es still. Langsam begann er sich aufzurappeln und als ob jemand seine Gedanken gelesen hätte, wurde ihm ein Glas Wasser gereicht. „Was ist passiert?“, fragte er, nachdem er getrunken hatte und blickte in die Runde. Justus und Bob richteten ihren Blick auf Tico und seinen Bruder Ramon. „Du bist los gelaufen und ich hab gleich versucht dir nach zu kommen, aber du warst so schnell. Dann hörte ich deine Rufe und versuchte denen zu folgen, aber dann habe ich die auch nicht mehr gehört. Ich hab dich dann weiter gesucht und bin irgendwann auf den Suchtrupp von Ramon gestoßen. Gemeinsam haben wir dich dann irgendwann in der Nähe des Flusses gefunden. Ramon hat dich zurück getragen, während die anderen noch weiter suchten“, fasste Tico das Geschehene kurz zusammen. „Warum bist du überhaupt weggelaufen? Das war ziemlich gefährlich“, warf Ramon ein und sah mit einem schwer definierbaren Blick zu ihm. Peter kratzte sich am Kopf und überlegte, was er sagen sollte, langsam kehrte die Erinnerung an das Geschehene zurück. Doch war es wirklich die Realität gewesen? Der zweite Detektiv entschied sich zumindest in der Gegenwart von Tico und Ramon nicht die Wahrheit zu sagen und erfand eine Notlüge. Er hatte einen unerträglichen Durst verspürt und hatte den Fluss aufsuchen wollen. Er hatte gehofft ihn anhand von Ticos vorheriger Beschreibung allein finden zu können. Diese Lüge war so schlecht, dass er selbst sie nicht geglaubt hätte. Aus welchen Gründen auch immer funktionierte sie jedoch bei den beiden Mexikanern. „Ihr hättet euch wirklich noch mehr zu trinken mitnehmen sollen. Ihr drei seid die Temperaturen nicht gewöhnt. Die Dehydrierung hat dann wohl zu dem Kreislaufzusammenbruch geführt. Hast echt Glück gehabt, dass wir in der Nähe waren. Zukünftig keine zweier Teams mehr.“ Ramon warf seinen Bruder einen eindringlichen Blick zu, welcher etwas schuldbewusst zu Boden sah. Die drei Detektive ahnten, dass es anscheinend eine familiäre Regel dazu gab. Dann klatschte der ältere der beiden Brüder in die Hände und meinte, dass sie nun nach Hause gehen würden. Nachdem die Hotelzimmertür ins Schloss gefallen war, herrschte noch eine Weile schweigen, ehe sich Justus zur Wort meldete. „Was war wirklich los, Zweiter? Was hast du ihnen verschwiegen und warum?“ Seinen Freunden konnte er wahrlich nichts vormachen, hatte er auch nicht vorgehabt. So erklärte er ihnen die ganze, sehr merkwürdige, Sache. Mit jedem Punkt zog Justus die Brauen höher und Bob hielt ab und an beim Mitschreiben inne. Als Peter schließlich endete, erlebte er etwas, was nicht häufig vorkam. Einen sprachlosen Justus, wenn auch nur für ein paar Minuten. „Sicher, dass es Jonathan gewesen ist?“ „Wie ich gesagt habe, ich weiß es nicht. War er denn nicht im Lager bei euch?“ „Zu Anfang schon, aber danach haben wir uns auf das Lager an sich konzentriert. Da müssten wir Dr. Woolley fragen ob Jonathan die ganze Zeit bei ihm war“, meinte Bob. „Selbst wenn, ist die Frage ob das Zeitfenster seiner Abwesenheit ausreicht um bei Peter gewesen zu sein.“ „Genau, weil laut Tico sind es zwei Stunden Fußmarsch vom Lager aus.“ „Was mich mehr interessiert ist die Tatsache, dass du Gracia gesehen hast.“ „Und sie nicht auf mich reagiert hat.“ „Das auch, ja.“ „Und das ich diesen Schrei gehört habe.“ „Nun… also was das angeht. Sei mir nicht böse Peter, aber vielleicht ist das wirklich dem Wassermangel und der Hitze geschuldet gewesen.“ „Ach ja, Justus, und wieso hat es mich erst da getroffen, nachdem ich was getrunken habe und nicht vorher?“, giftete Peter zurück. „Weil du gelaufen bist vorher. Von einmal schnell trinken erholt sich der Körper nicht so schnell. Im Gegenteil, dass war ihm wahrscheinlich ein extrem zu viel“, versuchte Justus es zu begründen. Von Peter erntete er nur ein beleidigtes Schnauben und Augenrollen. „Hey Jungs, ist doch jetzt erst mal egal was passiert ist, wichtig ist doch nur, dass es dir gut geht. Lasst uns schlafen gehen und morgen schauen wir mal ob uns was in die Falle gegangen ist im Camp vom Professor. Wir sollten den Tag vielleicht ruhiger angehen lassen.“ Niemand unternahm auch nur den Versuch Bobs Vorschlag zu widersprechen und so erlosch das Licht schnell im Hotelzimmer. Bob und Justus achteten am nächsten Morgen penibel darauf das Peter genug zum Frühstück aß und vor allem trank. Zwar versicherte der zweite Detektiv den beiden bereits beim Aufstehen, dass es ihm schon wieder sehr viel besser ginge, aber die Sorge der anderen ließ sich dadurch nicht wirklich vertreiben. Justus hatte mit dem Professor eine Zeit ausgemacht, um mit diesem gemeinsam zurück zum Lager zu fahren. Es war der allgemeine Tumult vor dem Hotel, der die Aufmerksamkeit der drei forderte, als sie sich zum Treffpunkt aufmachen wollten. Vor dem Hotel liefen die Männer des Ortes aufgeregt hin und her. Irgendwelche Sachen wurden umher gerufen, welche Justus bei dem Lärm nur schwer übersetzen konnte. In all dem Wirrwarr entdeckten sie Ramon am Rande davon. Neben ihm stand ein Mann, bei dem es sich um seinen Vater handeln musste. Die Ähnlichkeit war nur sehr schwer von der Hand zu weisen. Kurz um gingen die drei zu ihnen. „Guten Morgen, Ramon. Was ist hier los?“, fragte Justus. Der Angesprochene blickte starr auf einen imaginären Punkt und kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe. Justus hatte schon die Befürchtung, dass ihn der andere nicht verstanden hatte und wollte schon seine Frage wiederholen, als dieser reagierte. „Es ist schon wieder ein Kind verschwunden.“ „Was? Wann? Wie? Wer?“, kam es wie aus einem Mund von den dreien. Eine laute männliche Stimme erhob sich aus der Masse und brachte zumindest ein wenig Ruhe ins Geschehen. Aufmerksam reckten Ramon und sein Vater die Köpfe in die Richtung des Sprechenden, die Antwort an die Detektive musste warten. Schweigsam hörten sie zu. Justus wagte es nicht zu übersetzen, während der Mann sprach. Als er verstummte, wechselten Ramon und sein Vater ein paar leise Worte, wobei Ramons Vater die drei Detektive kurz ansah. „Wir machen uns jetzt auf die Suche nach Gracia und Karahni“, erklärte Ramon, „Es tut mir leid, aber wir haben keine Zeit mehr, um groß etwas zu erklären. Wir würden uns aber freuen, wenn ihr uns heute beim Abendessen beiwohnt. Gegen 20 Uhr, wenn es in Ordnung für euch ist, dann werden wir euch alles über Karahni erzählen. Hoffentlich auch, dass wir ihn und Gracia gefunden haben.“ Ramon versuchte sich an einem zuversichtlichen Lächeln. Er schaffte es jedoch nur mit viel Mühe dieses ein paar Sekunden aufrecht zu erhalten. Im Lager war es ruhiger als die letzten Tage. Bis auf einen Dorfbewohner waren sie mit Jonathan und Dr. Woolley alleine. Die restlichen Helfer suchten alle nach den vermissten Kindern, deren Priorität höher lag, als Woolleys Expedition. Vom Professor hatten die drei Detektive auch endlich eine Karte des Waldes erhalten, welche erstaunlich detailliert war. Schnell konnte Peter den anderen beiden zeigen, wo er am Vortag Gracia gesehen hatte. Justus hatte beschlossen, dass sie sobald der Fall im Lager abgeschlossen war, sie sich weiter an der Suche nach den Kindern beteiligen würden. Dieses Mal aber alle zusammen. Keine Alleingänge, wobei Bob und er bedächtig Peter angesehen hatten. Während Woolley und Jonathan sich um die neu entdeckte Spezies kümmerten, machten sich die drei Detektive auf den Weg zur aufgestellten Falle. Bei dieser handelte es sich um eine Überwachungskamera mit integriertem Nachtsichtmodus, welcher sich ab einer gewissen Dunkelheit von selbst anschaltete. Kurz um, Justus ganzer Stolz. Wie gebannt starrten die drei auf die Aufzeichnungen der Kamera. Zuerst schien es so, als würde nichts passieren, doch dann schlich sich tatsächlich der Dieb ins Bild hinein. Er trug eine schwarze Maske, die ihm quer über das Gesicht ging. Seine Augen leuchteten hell, als er in die Kamera blickte. Blitzschnell griff er sich die Lebensmittel, welche dort herumlagen, und eine Pipettierhilfe aus Gummi. Dann entfloh der Dieb auf seinen Hinterbeinen in einer Mischung aus Pinguin-Watschelgang und Laufen. Ein puscheliger schwarz-weiß gestreifter Schwanz winkte der Kamera dabei zum Abschied zu. „Ähm… Kollegen, da.. haben wir unseren Dieb“, brachte Justus als erstes heraus. Die anderen beiden nickten nur. Wirklich überraschen hätte sie es wohl nicht sollen, trotzdem hatten sie irgendwie einen Menschen statt einem Waschbären erwartet. Sie hatten auf den Entführer von Gracia gehofft oder Gracia selbst. Enttäuscht bauten sie die Kamera ab und erstatteten dem Professor Bericht. Dieser war zwar sichtlich erleichtert, dass es keinen wirklichen Dieb gab. Er machte sich aber im selbem Moment auch Gedanken, wie er den Waschbären los und ob er seiner neu entdeckten Insektenspezies gefährlich werden konnte. Mit diesen Gedanken ließen sie Woolley und Jonathan allein zurück. Sie selbst kehrten ohne Umschweife zurück ins Dorf um zusehen, ob es dort Neuigkeiten gab. Dieses wirkte wie ausgestorben und auch die Jungs hielt es nicht allzu lange hier. Nachdem sie kurz in ihrem Hotelzimmer gewesen waren, machten sie sich mit der neuen Karte auf den Weg zu dem Waldeingang, welchen Peter und Tico den Tag zuvor eingeschlagen hatten. Erklärtes Ziel war es den Fluss wieder zu finden, an welchen der zweite Detektiv das Mädchen gesehen hatte. Sie fanden den Ort schneller als sie gedacht hatten und Peter konnte sich sogar an die Umgebung erinnern. Nur eine Sache war merkwürdig. Die Quelle, aus welche er getrunken hatte, war nirgendwo zu finden. Während Bob und Justus sich einen vielsagenden Blick zu warfen und sich dem Fluss widmeten, suchte Peter nach der Quelle, welche wie vom Erdboden verschluckt zu sein schien. „Ich verstehe das nicht, sie war da. Ganz sicher. Hallo? Hört ihr mir überhaupt zu? Hey!“ Als Peter sich zu den anderen umdrehte, hatten diese bereits ihre Hosen soweit wie möglich hochgekrempelt und ihre Schuhe in die Hand genommen, um durch den Fluss zu waten. Genervt verdrehte er die Augen, ließ die Quellensuche, Quellensuche sein und tat es ihnen gleich. Am anderen Ufer angekommen teilten sich die drei sogleich auf, um nach Hinweisen zu suchen, die auf Gracias Aufenthalt deuteten. Nach zwei Stunden unterbrachen sie die Suche und gönnten sich eine ausgiebige Pause. Schließlich war es wieder ein warmer Tag und keiner wollte, dass sich die gestrige Szenerie wiederholte. „Ehrlich gesagt, sieht es so aus, als sei hier niemand gewesen“, sprach Bob das aus, was alle dachten. Es war nichts zu finden gewesen. Keine Fußspuren, keine abgebrochenen Zweige oder Halme, keine verlorenen Sachen. Nichts. „Ich schwöre euch, ich habe sie hier gesehen. Genau hier“, bekräftigte Peter seine Aussage erneut. „Wir glauben dir ja, Peter, aber die Faktenlage ist aktuell anders. Wir suchen gleich einfach noch weiter. Nochmal ganz von vorne und noch etwas weiter in die Richtung“, sagte Justus und deutete dabei hinter sich, „Vielleicht finden wir doch etwas.“ Peter seufzte und rieb sich über die Augen. Justus und Bob gaben sich wirklich Mühe, aber ihre Reaktionen waren zu leicht zu durchschauen. Justus hielt seine Aussage wahrscheinlich auch für eine Einbildung. Und Bob? Wahrscheinlich eben so. Mittlerweile glaubte er selbst nicht mehr an seinen Verstand. Die Quelle, aus der er getrunken hatte, war schließlich auch nicht echt gewesen. Sie suchten noch eine Stunde weiter an der Stelle, das Ergebnis blieb allerdings das Gleiche wie zuvor. Schließlich gaben die drei es auf und entschieden sich dem Flusslauf weiter abwärts zu folgen und dort weiter zu suchen. Schweigsam trottete Peter den anderen hinterher, welche hin und wieder nach Gracia und Karahni riefen, jedoch keine Antwort erhielten. Peter suchte die Umgebung mit den Augen ab, wenngleich er diesen kaum noch zu trauen wagte. Immer wieder griff er nach der Wasserflasche und trank, um nicht wieder Halluzinationen zu bekommen. Die Wärme im Wald war unangenehm. Feucht und drückend. Völlig nassgeschwitzt machten die drei wieder eine Pause. Besonders Justus war die Luft ausgegangen, sein leichtes Übergewicht forderte den ersten Tribut. Wasserflaschen wanderten durch die Hände und Peters Vorrat neigte sich dem Ende. „Wir sollten eine flache Flussstelle finden und diesen wieder überqueren. Damit wir raus aus dem Wald kommen. Peter hat kaum noch Wasser und unsere Flaschen haben auch nicht mehr viel drin. Außerdem könnten wir dann noch duschen, bevor wir zu den Sanchez Garcias oder Flores Sanchez‘s gehen“, erklärte Bob das weitere Vorgehen, wobei er sich schwer tat den korrekten Familiennamen von Tico herauszustellen. Schließlich besaßen viele Mexikaner oft zwei Nachnamen und der der Mutter unterschied sich oft noch von dem des Vaters. „Sanchez Garcias“, korrigierte Justus, „Der Nachname des Mannes ist der amtliche, wenngleich der eine Nachname von der Mutter mit weitervererbt wird an die Kindergeneration.“ „Wir können doch noch nicht aufhören zu suchen.“ Die beiden Detektive sahen zum zweiten herüber. „Wir haben noch 3 Stunden, ehe es beginnt zu dämmern, lasst uns diese noch nutzen.“ „Peter, wir wollen die Kinder ja auch finden, aber wir haben nichts zu trinken mehr. Sei doch vernünftig. Wenn wir ohne trinken weiter bei diesen Temperaturen umher wandern, werden wir einer nach den anderen zusammenbrechen. Diesmal wird uns aber niemand so schnell finden.“ „Wenn wir weiter in Flussnähe bleiben, haben wir genug Wasser.“ „Du willst doch nicht etwa das Wasser daraus trinken?!“, meinte Bob entrüstet. „Warum nicht?“ „Peter! Justus, sag was.“ Der dritte Detektiv blickte zu seinem Chef herüber, welcher dessen Meinung nicht sofort teilte, sondern nachdenklich an seiner Unterlippe herumspielte. Auch Bobs eindringlich klingende zweite Aufforderung, drang nicht ganz durch zu dem ersten Detektiv. „Wir könnten wirklich noch etwas weitersuchen. Nur eine halbe Stunde noch, Bob, und dann kehren wir zurück.“ Der Kompromissvorschlag fand zumindest bei Peter sofort Anklang. Dann richtete sich der Sportlichere der drei etwas auf. Sein Ohr nahm etwas wahr, was ihm bis eben noch gar nicht aufgefallen war. Neugierig stand er auf und folgte dem Geräusch bis er auf eine Wasserquelle stieß. Ungläubig starrte er diese an. Bekam er schon wieder Halluzinationen? Obwohl er so viel getrunken hatte? „Oh, das ist wesentlich besser, als das Flusswasser. Guck mal, Bob“, hörte er Justus hinter sich sprechen. Kurz darauf begannen die beiden ihre Wasservorräte an der Quelle aufzufüllen. Beruhigt, dass es keine Einbildung war, tat es Peter ihnen gleich. Sie folgten den Fluss noch etwas weiter bis dieser in einen noch größeren und breiteren mündete. Auch diesem folgten sie noch ein paar Meter, bis Justus feststellte, dass man diesen nicht einfach mit hochgekrempelten Hosen durchqueren konnte, da er zu tief war. So stand schnell fest, dass sie zu dem kleineren Fluss zurückkehren mussten, um wieder auf die andere Seite zu kommen. Wirklich viel hatten sie nicht erreicht, was jeden einzelnen von ihnen auf die eigene Art und Weise frustrierte. Nachdem sie wieder auf der richtigen Seite des Flusses waren blieben die drei plötzlich stehen. „Da weint doch jemand, oder?“, fragte Bob und drehte den Kopf um die Richtung besser ausmachen zu können. „GRACIA! KARAHNI?“, schrie Justus. Sie lauschten, doch weder das Weinen verstummte, noch bekamen sie eine Antwort. Justus wiederholte die Namen, das Eregebnis blieb dasselbe. „Ich glaube das Weinen kommt aus der Richtung“, meinte Peter und deutete mit dem Zeigefinger in Richtung des größeren Flusses. „Ja, ich glaube du hast recht. Alles in Ordnung, Peter?“, fragte Bob. „Ja. Ja, alles okay. Ich habe nur gerade irgendwie Kopfschmerzen bekommen.“ Der zweite Detektiv begann sich mit der einen Hand die Stirn zu massieren und schloss die Augen. Dann spürte er etwas kühles an seiner Hand. Als er die Augen wieder öffnete, hielt ihm Bob auffordernd eine Flasche Wasser hin. Ohne Widerworte nahm er diese und trank. Währenddessen hatte sich Justus ein wenig mehr zum großen Fluss bewegt und rief dort noch einmal nach den beiden Kindern. „Bob! Peter! Kommt schnell!“ „Was hast du?“ „Seht mal, was ich gefunden habe“, sagte der erste Detektiv und hielt einen Plüschbären in die Höhe. „Das ist derselbe mit dem ich Gracia habe spielen sehen“, erklärte Peter. Nun riefen alle drei erneut die Namen, erhielten aber abermals keine Antwort und auch das Weinen war verstummt, wie sie feststellen mussten. Dafür setzte in Peters Gehörgang ein unangenehmer Ton ein, der ihm unbehaglicher weise vertraut vorkam und immer lauter zu werden schien. Aber war dieser wirklich in seinen Ohren zu hören? Oder in seinem Kopf? Die anderen beiden zumindest schienen ihn nicht wahrzunehmen. „Lasst uns gehen.“ „Was? Peter, warum das denn? Wir haben gerade eine verdammt heiße Spur“, protestierte Justus. „Bitte, lasst uns gehen“, flehte Peter. Der Ton wurde tatsächlich immer lauter und schien eine Allianz mit den Kopfschmerzen eingegangen zu sein. „Geht es dir nicht gut?“, fragte Bob. „Nein, mir geht es nicht gut“, gestand der zweite erschöpft ein. „Wir sollten eh schon längst auf den Rückweg sein, Justus. Es dämmert bald.“ „Na gut, dann lasst uns gehen.“ Auch ohne Justus anzusehen, wusste Peter, dass der erste Detektiv mehr als unzufrieden mit der Situation war und morgen früh hier als erstes wieder hingehen würde. Bis zum Waldrand hatten Peter die Stimme und die Kopfschmerzen geplagt. Er hatte versucht sich nichts anmerken zu lassen. Von Erfolg war dieses sicherlich nicht gekrönt gewesen, aber auch wen die anderen es bemerkten, sie sagten nichts. Kaum waren sie wieder auf der Dorfstraße angekommen, verstummte alles in seinem Kopf. Trotzdem fühlte er sich so erledigt, als wäre er einen Marathon gelaufen. Nachdem die drei sich im Hotel frisch gemacht hatten, hatten sie sich auf den Weg zu Ticos Familie gemacht. Trotz der herzlichen Begrüßung von Ticos Mutter war die Stimmung am Tisch ziemlich kühl. Ohne, dass Ramon es hätte sagen müssen, wussten die drei, dass sie keines der Kinder gefunden hatten. Neben Tico, Ramon und deren Eltern hatte auch eine ältere Dame am Tisch Platz genommen. Ihr weißes Haar war zu einer landestypischen Hochsteckfrisur zurecht gemacht und mit einer roten Blume dekoriert worden. Dies ließ die ältere Dame deutlich jünger wirken, als sie es wahrscheinlich war. Im Gegensatz zu den anderen Anwesenden verhielt sie sich schweigsam am Tisch, während Ramon begann von der erfolglosen Suche zu berichten. „Kurz um, es gibt nach wie vor keine Spur von den Kindern“, endete dieser schließlich. „Vielleicht doch“, räumte Justus ein und holte den Teddybären hervor, welcher den Anwesenden ein erstauntes Gesicht bescherte. Ticos Vater stand auf und eilte auf Justus zu mit einem harten, schnellen Spanisch. Ramon übersetzte die Worte seines Vaters, welcher wissen wollte, wo genau Justus diesen gefunden hatte. Der Detektiv holte die Karte des Waldes hervor und zeigte Mister Sanchez Garcia die markierte Stelle an der sie fündig geworden waren. Aus dem Augenwinkel bemerkte Justus, dass diesmal auch die ältere Frau namens Yavanna Melrosa - wie sie erfahren hatten während des Essens handelte es sich bei ihr um Ticos und Ramons Großmutter mütterlicherseits - Interesse an dem ganzen Thema zeigte. Neugierig fiel ihr Blick auf die Karte, dann zeichnete sich auf ihrem Gesicht eine ernste Miene ab. Miguel Sanchez Garcia bat um die Karte, sowie den Teddy und eilte aus dem Haus hinaus, um dem Suchleiter diese Informationen zu geben für den nächsten Tag. „Und ihr habt den einfach so gefunden?“, fragte Ramon überrascht. „Ja. Nun ja, ohne dieses Weinen hätten wir ihn nicht gefunden.“ „War das Weinen direkt am Fluss oder im Wald? Das will meine Oma wissen“, sagte Tico, der für eben diese zu übersetzen begonnen hatte. Die drei Detektive schauten sich kurz an, ehe sie antworteten es eher in Wassernähe gehört zu haben. „La Llorona.“ Ticos Mutter stieß einen genervten Seufzer aus und mahnte ihre Mutter an mit diesen Schauermärchen aufzuhören. Dann griff sie nach den leeren Tellern und begann die Sachen in die Küche zu bringen. „La Llorona?“, wiederholte Bob neugierig. „Ja, also das ist eine alte Legende“, klärte Ramon ihn auf. „No es una leyenda, es verdad!“, protestierte Yavanna verärgert. „Schon gut, schon gut“, beschwichtigte Ramon sie, „Also meine Großmutter sagt, dass es keine Legende ist, sondern dass sie existiert.“ „Und wer ist das?“, fragte der dritte Detektiv weiter. Anscheinend hatte Yavanna genau auf diese Frage gehofft. Auch wenn Tico sie ihr noch nicht übersetzt hatte, begann sie die Geschichte zu erzählen. Die Llorona war eine junge, hübsche Frau, welche das Interesse eines Mannes mit reichen Eltern erweckt hatte. Aufgrund ihrer ärmlichen Herkunft heirateten sie im Geheimen. Sie hatten zusammen drei Kinder, doch eines Tages wurde dem jungen Mann offenbart, dass sein Vater eine Hochzeit für seinen Sohn mit einer Frau aus derselben gesellschaftlichen Klasse arrangiert habe. Der Sohn ging also zu seiner Gattin und erzählte ihr von der geplanten Hochzeit und, dass er sie nie wiedersehen werde. Geblendet durch ihr gebrochenes Herz und die Wut auf ihren Mann ging sie daraufhin mit ihren Kindern zum Fluss und ertränkte diese. Als der Mann dies erfuhr, machte er sich mit einigen Leuten aus dem Dorf auf die Suche nach seiner Frau, fand diese aber nur noch tot vor, da sie sich nach dem Kindesmord selbst getötet hatte. Llorona fuhr in den Himmel auf und wurde dort von Gott vor Gericht gestellt. Er fragte sie: „Wo sind deine Kinder?“ Darauf hin antwortete sie: „Ich weiß es nicht.“ Gott wiederholte die Frage drei Mal und erhielt jedes Mal dieselbe Antwort. Gott verdammte sie daraufhin zurück auf die Erde, um dort nach ihren Kindern zu suchen. Alle Jahre zur selben Zeit erscheint die Llorona in einem Teil von Mexiko und sucht nach ihren Kindern. Dabei hört man sie in Flussnähe oft weinen vor oder während der Dämmerungszeit. Wenn sie ihre Kinder nicht findet, macht sie sicha uf die Suche nach anderen Kindern, ertränkt sie, um sie dann vor Gott als ihre auszugeben und in den Himmel zu kommen. Männer mit einem sensiblen Kern sollten ihr ebenfalls nicht zu Nähe kommen, da sie diese in den Wahnsinn treibt. Kapitel 3: ----------- Kapitel 3 Jeder der drei Detektive reagierte auf seine Art und Weise auf die Geschichte. Justus wechselte einen skeptischen Blick mit Ramon, Bob hatte sich interessiert ein paar Notizen auf seinen Block gemacht und Peter lief es eiskalt den Rücken herunter. Tico hingegen hatte die Hand zur Faust geballt, sprang von seinem Platz auf und rannte in Richtung Terrasse. „Tut uns leid, dass hatten wir nicht gewollt“, meinte Bob, als Ramon seine Großmutter verärgert tadelte. „Ich schau mal nach ihm“, meinte Peter, der dadurch hoffte diesen unheimlichen Schauer abzuschütteln. „Tico?“, fragte Peter, als er auf die Terrasse trat. Er sah sich um, konnte den Jungen jedoch nicht ausmachen. Zumindest nicht gleich. Dann sah er, wie sich hinter dem Gartenzaun etwas bewegte. Eine kleine Gestalt, die durch das Unterholz des angrenzenden Waldes schritt. Aber wer war neben ihm? Die eine Person hatte etwas langes weißes an und dunkle Haare und die andere Person? Sie war dunkler gekleidet und wirkte auf jeden Fall männlich. Die Person im weißen Gewand hingegen… es war für ihn auf diese Entfernung schwer zu erkennen. Nach einem kurzem Moment des Mut sammelns, setzte Peter Tico nach. In seinem Kopf rasten die Gedanken. Wurde Tico gerade entführt? Waren die anderen beiden Kinder von dem gleichen Gespann entführt worden und wieso wehrte sich der Kleine nicht? Es schien beinahe, als würde er freiwillig mitgehen. „TICO!“, schrie Peter ihm nach und holte dabei immer weiter auf. Mittlerweile wurden die Personen neben dem Jungen klarer für den zweiten Detektiv. Die dunkel gekleidete Person, war definitiv männlich und ihm nicht unbekannt. Dunkelbraune, lockige Haare zeichneten sich als Silhouette ab. „Jonathan...“, hauchte Peter nur und seine Schritte wurden langsamer. Bei der Person im weißen Gewand handelte es sich um eine Frau, deren Gesicht von lockigen schwarzen Haar verdeckt wurde. „Lass Tico sofort los!“ Wieder beschleunigte er seine Schritte und griff dann nach Jonathans Arm, welcher bisher nicht auf ihn reagiert hatte. Doch kaum hatte er diesen zu fassen bekommen, drehte die Frau ihm das Gesicht zu. Dieses ließ Peter das Blut in den Adern gefrieren. Bevor er auch nur reagieren konnte, öffnete sie ihren Mund und der markerschütternde Schrei vom Vortrag dröhnte wieder, dieses Mal wesentlich lauter, in seinen Ohren. Reflexartig hielt er sich diese zu, trotz des Wissens, dass es nichts bringen würde. Peter sank auf die Knie, als die Tonhöhe weiter anstieg. Sein Kopf schien dem Platzen nahe und nichts anderes, als dieser Schrei schien noch in dieser Welt zu existieren. „JUSTUS! BOB!!!“ Peter war sich nicht sicher ob er überhaupt zu hören war, denn er nahm nicht mal seine eigene Stimme wahr. Er versuchte sich auf Tico zu konzentrieren und ihm weiter zu folgen. Den Schrei zu ignorieren. Doch letztlich blieb ihm nur die Hoffnung, dass die anderen zu ihm kamen, als seine Sicht erneut verschwamm und er unsanft zu Boden ging. „Peter, um Himmelswillen, Peter. Komm zu dir. Justus er reagiert noch immer nicht“, hörte er Bobs entfernte Stimme. Mit Mühe versuchte Peter dieser zu folgen und ganz langsam befolgten seine Augen dem Befehl sich zu öffnen. „Da, ich glaube er kommt wieder zu sich“, sagte Justus mit einem Hauch von Erleichterung in der Stimme, „Peter was ist passiert? Wo ist Tico? Hast du ihn gesehen?“ „Justus, lass ihn doch erst mal richtig zu sich kommen, bevor du ihn befragst“, fauchte Bob den ersten an. Durch die Erwähnung von dem kleinen Jungen, war Peter schlagartig wach. Wie auch immer sein Körper es machte, aber das Adrenalin schoss durch seine Blutbahnen und er rappelte sich auf. „Langsam, Peter, langsam. Hier trink etwas.“ „Wie lange war ich weg?“, fragte er und schob das Glas Wasser beiseite. „Nicht allzu lange. Glaube ich. Nachdem wir dich unsere Namen haben schreien hören, sind wir sofort raus gekommen. Also ich denke vielleicht fünfzehn Minuten, oder so.“ Peter war, wenn auch nur für einen kurzen Moment, beruhigt und zwang sich auf die noch immer etwas wackeligen Beine. Diesmal konnte er das Glas Wasser nicht abwehren, denn Bob drängte es ihm so energisch auf, dass er trinken musste. „Wo ist Tico?“, kam es atemlos von Ramon, welcher neben ihn auftauchte. „Er ist im Wald verschwunden. Zusammen mit Jonathan und-“ „Mit Jonathan?“, kam es von seinen Freunden. „Bist du sicher?“, fragte Justus nach. Peter nickte energisch. „Und eine Frau war bei ihm.“ Dabei wendete sich Peter an Ramon direkt: „Gibt es bei euch eine Frau ungefähr so groß… fast so groß wie dein Vater, trägt lange weiße Kleider, schwarze lockige Haare und hat ein entstelltes Gesicht. Also aufgedunsen, sehr blasse grün-bläuliche Haut und ein schief sitzendes Auge?“ Angewidert verzog Ramon bei dieser Beschreibung das Gesicht, eher er dann noch zusätzlich den Kopf schüttelte. „Nein, glaube mir, so groß ist unser Dorf nicht, dass man sie nicht schon irgendwo gesehen hätte, wenn es sie bei uns gäbe.“ „Peter…, bist du wirklich in Ordnung? Hat dir Jonathan vielleicht etwas über den Kopf gezogen?“, fragte Justus vorsichtig nach. Peters Blick wanderte zu Bob, welcher ihn wie sooft ohne Worte zu verstehen schien. „Ramon, gibt es hier irgendeinen Fluss in der Nähe?“, stellte Bob die Frage, die in Peters Kopf aufgeflackert war. Allein der Grund, welcher zu dieser Frage führte, war so bescheuert, dass Peter sich schon jetzt für komplett verrückt erklärt hatte. Aber irgendwas in seinem Innersten sagte ihm, dass sie hilfreich war. „Ähm ja, gibt es. Aber der ist eine halbe Stunde ungefähr von hier entfernt.“ „Findest du dahin im Dunkeln?“ „Ich denke schon.“ „Was sollen diese Fragen Jungs?“ „Später Justus, wir dürfen keine Zeit verlieren. Zeig uns wo es lang geht, Ramon.“ Der erste Detektiv blickte ungläubig zu Bob herüber. Es war mehr als ungewöhnlich, dass er Anweisungen von diesem erhielt. Normalerweise war es anders herum. „Wir sollten den anderen Bewohnern Bescheid geben, die Tico im Dorf suchen.“ „Dafür haben wir keine Zeit!“ „Schon gut, schon gut. Dann folgt mir, aber passt auf wo ihr hintretet.“ So schnell es ihre Beine und die gegebenen Umstände zu ließen, liefen die vier durch den Wald. Ramon und Peter übernahmen dabei die Spitze der Gruppe. Bob und Justus folgten ihnen in einem Abstand. Gerade die letzten beiden Detektive kämpften dabei ihre ganz eigenen Kämpfe. Justus mit seiner Kondition und Bob mit seinem Bein. „Wie weit noch?“, stöhnte der erste. „Nicht mehr weit, dahinten sehe ich schon das Wasser“, rief Ramon und warf einen kurzen Blick zurück. „Hört ihr das?“, fragte Peter. „Das Weinen? Ja.“ „Es ist dasselbe, was wir heute im Wald gehört haben, Ramon.“ In Peters Kopf setzte erneut schmerzhaftes Pochen ein, trotzdem hielt er das Tempo. Nun hieß es Zähne zusammen beißen. Egal was kommen würde, er würde sich nicht noch mal diesem ergeben. Er würde kämpfen bis zum Schluss. „Wenn sie schreit, dann kämpft dagegen an. Versucht euch auf irgendwas zu konzentrieren.“ Es folgte keine Antworten, ein Blick so Ramon zeigte ihm, dass er für die anderen gerade wirres Zeug redete. Er winkte ab und meinte, sie würden es schon verstehen, wenn es soweit war. Als sie den Fluss erreicht hatten, war das tränenreiche Schluchzen verstummt und eine Melodie wurde von einer bezaubernden Stimme durch die Nacht getragen. Am Ufer angekommen richteten sie ihre Köpfe in alle Richtungen. Weiter Flussabwärts sahen sie fünf Personen. Wobei vier von ihnen, drei davon hatten die Größe von Kindern, dabei waren in die Flussfluten zu steigen. „Sie werden ertrinken“, sagte Ramon fassungslos, „Die Strömung in diesem Fluss ist zu stark für sie.“ „Was sollen wir tun?“ „Ich habe einen Plan. Ramon und Peter, ihr versucht die vier aus dem Fluss raus zu holen. Bob und ich, wir kümmern uns um diese verrückte Dame im weißen Kleid.“ Da niemand eine bessere Idee hatte und ihnen die Zeit davon lief, erwiderte niemand etwas. Lediglich Peter wies seine Freunde darauf hin, dass sie die Dame nicht unterschätzen sollten. Die vier motivierten ihre verbliebenen Kräfte und eilten los. Die Personen am Ufer waren noch weiter ins Wasser gegangen und die kleine Gracia war die erste von ihnen, welche von den Fluten verschlungen wurde. Ramons und Peters Schuhe und ein Teil ihrer Kleidung, welche sie schnell abwerfen konnten, flogen durch die Luft, ehe sie sich ins Wasser stürzten. Ohne Worte teilten sie sich auf. Ramon, welcher als erstes im kühlen Nass war, übernahm Gracia und tauchte zu ihr hinab. Peter hastete indes auf Karahni zu und griff nach dessen Hand, kurz bevor er untertauchte. Gerade als er diesen im Arm hatte, dass sein Kopf über Wasser blieb, hämmerte der Schrei wieder in Peters Kopf umher. Mit schmerzverzerrten Gesicht sah er zum Ufer, wo Justus und Bob die Frau zu Fall gebracht hatten. Oder es versucht hatten. Der unangenehme Schrei, welcher Peter schon zwei Mal heimgesucht hatte, hatte auch die beiden voll im Griff. Sie lagen auf den Boden, hielten sich die Ohren zu, während die Frau bedrohlich auf sie zu ging. Neben sich hörte er ein Platschen, als Ramon mit Gracia wieder auftauchte. Auch ihm konnte er ansehen, dass er nicht verschont worden war. Aber nicht nur das. Ramon schien gegen etwas anzukämpfen, denn er tauchte immer wieder ab ins Wasser. Was war los mit ihm? Mit einem Blick zur anderen Seite, riss sich Peter aus der verwunderten Starre. Bald würde auch Tico untergehen, mit leeren Blick machte dieser immer wieder einen Schritt weiter vor in den Fluss. Neben diesem sah er Jonathan ebenfalls schon Hüfttief im Wasser stehen. Was zum Geier? „Jonathan!“, rief Peter so laut er konnte. Jonathan reagierte nicht auf ihn. Gegen den Lärm in seinen Kopf ankämpfend, schwamm Peter mit Karahni zurück ans Ufer. Währenddessen hatten sich Bob und Justus irgendwie wieder auf die Beine gekämpft und bewarfen die Frau mit allem was ihnen in die Finger kam. Der zweite Detektiv wusste, dass so ein Verhalten untypisch für seine Kollegen war. Doch besondere Dinge verlangten besondere Maßnahmen. Peter war mächtig stolz auf seine Freunde. Viel Zeit blieb ihm aber nicht, um ihnen lobende Worte zu zu rufen. Er ließ den anscheinend schlafenden Karahni in einiger Entfernung zum Fluss liegen. Gerade als er auf den Weg zum Wasser war, wurde der Ton des Schreis wieder höher und erreichte den Bereich, der ihn die letzten Male immer ausgeknockt hatte. Wieder begann die Sicht zu verschwimmen und alles in seinem Körper verlangte nach einer Pause. Als sein Blick zu Tico ging, dem das Wasser bereits bis zum Kinn stand, schüttete sein Körper noch einmal alles an Adrenalin aus, welches ihm zur Verfügung stand. Ohne nach links oder rechts zu sehen, schwamm er los. Sein Blick nur auf Tico gerichtet, dessen Kopf von der nächsten Flusswoge verschluckt wurde. Tief atmete Peter ein und tauchte ab. Der Schrei in seinen Ohren verebbte. Unter Wasser traute er seinen Augen nicht. Es war kein Boden zu sehen, wie zum Teufel hatte Tico überhaupt noch gehen können? War er durch das Wasser geschwebt? Auch der Strudel, der sich um den Körper des Kleinen gebildet hatte, schien alles andere als normal. Als er Ticos Hand ergriff, schien es, als würde er mit hinabgezogen werden in die unnatürliche Tiefe. Peter griff mit seiner zweiten Hand zu und machte mit aller ihm möglichen Kraft die Beinschwimmbewegungen, um zurück an die Oberfläche zu kommen. Dem Strudel versuchte er dabei auszuweichen. Hinter Tico sah er wie sich ein weiterer Strudel bildete und kurze Zeit später wurde Jonathans Körper von diesem herab gezogen. Die leeren geöffneten Augen des Assistenten schlossen sich und er begann genauso schnell hinab zu sinken, wie Tico es kurz zuvor getan hatte. Lange konnte sich Peter nicht an diesem Anblick aufhalten, denn sein Körper meldete sich und verkündete, dass er bald wieder Luft benötigen würde. Mit erneuten Kraftaufwand zog Peter an Ticos Arm und dieses Mal schien es, als würde er ihn mit sich ziehen und ein Stück näher an die Wasseroberfläche kommen. Motiviert von diesem Teilerfolg, holte er die letzten Reserven aus sich heraus. Gefühlt Millimeter für Millimeter bewegten sie sich vorwärts, dass Gesicht zur Wasseroberfläche gerichtet. Es kam Peter wie eine Ewigkeit vor und seine Luft war nahe zu verbraucht, als seine Gesicht endlich durch die Oberfläche stieß. Gierig japste er nach Luft, um diese erneut anzuhalten und wieder unterzutauchen. Nur noch die Knie von Tico waren im Strudel gefangen. Mit einem beherzten Kraftaufgebot bekam er Tico schließlich frei. Der Sog verschwand und Tico wurde durch den Schwung zu Peter befördert, welcher eilig auftauchte. Hustend und nach Luft ringend hielt Peter sich und Tico über Wasser. Dort klingelte auch wieder dieser entsetzliche Ton in seinem Kopf. „Gib ihn mir“, hörte er dumpf Ramons Stimme diesen durchdringen. Der Dunkelhaarige sah genauso erschöpft wie Peter aus, hatte anscheinend den selben Kampf geführt. Vorsichtig übergab er Tico seinem Bruder. Wenn es doch nur endlich still seine würde in ihren Köpfen. Ein Blick zum Ufer zeigte, dass Bob und Justus der Frau ganz gut bei kamen. Irgendetwas war merkwürdig an ihr. Zuerst fiel es Peter nicht auf, aber dann erkannte er, dass ihre Füße nicht den Boden berührten. Peter wurde unbehaglich in seiner Haut. Dann fiel ihm Jonathan wieder ein, welcher ebenfalls untergegangen war. Er wusste zwar nicht, ob er noch genug Kraft hatte, um diesen auch hoch zu holen, aber er musste es wenigstens versuchen. Der zweite Detektiv schwamm zu der Stelle, wo der Assistent in etwa gewesen war und tauchte erneut hinab. Das Verstummen des Tons war Balsam für seinen Kopf und seine Nerven. In der Dunkelheit erkannte er eine Hand. Mit schnellen Zügen erreichte er Jonathan und griff nach diesem. Wie bei Tico versuchte er an der Hand zu ziehen, doch es brachte im ersten Moment wieder nichts. Erneut versuchte er es, als sich plötzlich das Gesicht des Assistenten zu ihm ausrichtete und er seine Augen öffnete. Das dieser ihn ansah, im Gegensatz zu den Kindern, machte Peter nicht einmal Angst. Es waren eher seine Augen. Statt dem hellem grün, blickten ihn bernsteinfarbene an und sie schienen zu glühen. Dann lösten sich die Augen samt eines Gesichtes ab. Das Gesicht nahm mehr und mehr die Fratze der Frau an, welche eigentlich am Ufer sein sollte. Ein Arm griff nach Peters Hals und begann ihm die Luft abzudrücken, sowie ihn mit sich hinab zu ziehen. Das, was auch immer es war, sprach etwas aber Peter konnte es nicht verstehen. Wie wild versuchte er die Hand von seinem Hals los zu werden, hatte aber Schwierigkeiten diese zu greifen. Mit einem beherzten Fußtritt in die Fratze gelang es ihm endlich loszukommen. Panisch eilte er zur Wasseroberfläche, durchbrach sie und schwamm so schnell es ihm möglich war. Er hustete unaufhörlich, seine Lunge brannte und der Ton in seinem Ohr ließ die Sicht wieder verschwimmen. Doch all das ignorierte er und fokussierte nur sein Ziel. Das Ufer. Bob eilte ihm entgegen und zog ihn schließlich an Land. „Peter. Alles-.“ „Weg! Schnell!“, schrie dieser und hörte erst zu spät, wie laut er dies tat. Er wusste nicht wann der Ton in seinem Kopf verebbt war, aber jetzt hörte er nichts außer das schwere Atmen von sich. Mit Bobs Hilfe kam er auf die Beine. Erleichtert stellte Peter fest, dass Ramon die Kinder noch weiter weg vom Wasser gebracht hatte, auch schienen diese wieder bei Bewusstsein zu sein. „Just, komm, Peter ist da, lass uns verschwinden.“ Peters Blick ging nach rechts, wo er Justus das Ufer abzusuchen schien. Erst beim zweiten Ruf von Bob reagierte der erste Detektiv. In seinem Blick lag Verwirrung. Schließlich schlossen sie zu Ramon auf. Da dieser genauso erschöpft wie Peter war, nahm Bob Karahni auf den Arm und Justus Gracia. Tico wurde von Ramon Huckepack genommen, wobei Peter dem Älteren anbot sich beim Tragen abzuwechseln. Auch wenn sie nur eine halbe Stunde bis zum Haus brauchen würden. So würde es eine anstrengende halbe Stunde werden. Epilog: -------- Epilog „Sie haben ihn gefunden. Er ist ertrunken.“ „Ich hatte auch nicht mehr erwartet ihn lebend wieder zu sehen.“ Zwei weitere Köpfe nickten zustimmend. „Wo haben sie ihn gefunden?“ „Ziemlich weit Flussabwärts. Er hatte sich an einem umgekippten Baum verfangen.“ Die drei Detektive sahen betreten zu Boden. Schließlich war es Justus, der mit seinem Räuspern die aufsteigende Stille niederzwang. „Ich muss da noch mal hin. Es muss einen Hinweis geben.“ „Just, wie oft noch, es war ein Geist. Er verschwand, als ich auftauchte und Jonathan unterging. Jonathan ist tot, wie du gerade gehört hast, er kann nicht der Entführer gewesen sein!“ „Peter, es gibt keine Geister! Es… es muss Jonathan gewesen sein. Vielleicht wollte er, dass sie alle vier sterben und diese, diese Frau war eine Projektion.“ „Wie soll er denn eine Projektion über den ganzen Wald hinbekommen haben, ohne das wir irgendetwas Technisches gesehen haben? Oder wie soll er diese technischen Mittel ohne Storm betrieben haben“, mischte sich Bob mit ein. „Glaubst du jetzt neuerdings auch an Geister?“ „Nein, natürlich nicht, aber Justus deine Erklärung ist nicht fehlerfrei.“ „Dann lasst uns nochmal dahin und ich zeige euch die Beweise um meine These zu untermauern.“ „Auf gar keinen Fall werde ich da noch mal hingehen“, protestierte Peter sogleich. „Dann gehe ich halt alleine.“ „Justus! Nicht! Warte!“ Bobs Blick glitt zu Peter eher er Justus nach ging. Peter ließ sich auf einen Stuhl nieder. „Wie geht es Tico und den anderen beiden?“ „Sie sind noch etwas geschwächt, aber soweit scheint es ihnen gut zu gehen.“ „Was glaubst du, was das gestern Nacht war? Ein Geist?“ Ramon stand am Fenster seines Zimmers und starrte hinaus. „Noch vor ein paar Tagen hätte ich dir diese Frage mit einem klaren Nein beantwortet… . Ich weiß nicht was es war. Aber es machte selbst mir Angst und ich fürchte mich nicht schnell.“ „La mente no puede explicar todo en el mundo.“ Peter und Ramon fuhren herum. Yavanna stand im Türrahmen und begann sanft zu lächeln. „Was hat sie gesagt?“, fragte Peter Ramon. „Der Verstand kann nicht alles auf der Welt erklären.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)