Hungriger Fluss von Lost_Time (05. Adventstürchen) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Kapitel 1 Der Flug war gut gewesen. Voller Vorfreude kamen die drei Detektive in Mexiko an und wurden am Flughafen bereits von einem jungen Mann erwartet, welcher sich als Jonathan Hopkins vorstellte und der Assistent von Dr. Charles Woolley war. Charles Woolley ist ein Wissenschaftler, welcher sein Spezialgebiet auf die Insekten der Erde ausgelegt hat. Besonders Ameisen hatten es ihn schon in der Vergangenheit immer wieder angetan. Nun hatte er die drei Fragezeichen zu sich gebeten, um ihn bei seinen Forschungen im mexikanischen Wald zu unterstützen. Was genau er wollte, hatte er allerdings noch nicht preis gegeben und auch Jonathan unternahm keine Anstalten die Jungs in etwas einzuweisen. So verlief die Fahrt zum Professor sehr schweigsam. Kurz darauf kamen die vier an einem Waldrand in der Nähe eines kleinen mexikanischen Dorfes an. Es herrschte dort emsiges treiben durch die Einheimischen. In mitten des ganzen Treibens stand der Professor, welcher seinen kahlen Kopf unter einem Filmreifen Forscherhut verbarg. „Hallo Dr. Woolley“, begrüßte Justus diesen. „Oh, hallo, da seid ihr ja endlich. Hattet ihr eine gute Anreise?“ „Alles bestens gelaufen, Dr. Woolley“, antwortete Bob diesem. „Sehr schön, sehr schön. Ihr müsst meine Hektik entschuldigen, aber wir sind im Wald auf eine ganz besondere Insekten-Spezies gestoßen, wir wollten gerade mit etwas mehr Equipment aufbrechen.“ „Das freut uns zu hören, Dr., aber warum genau sind wir hier?“ Justus fing den Blick von Peter auf, welchem anscheinend ein ähnlicher Gedanke durch den Kopf ging wie ihm. Hoffentlich hatte Woolley sie nicht zum Helfen herbestellt. Vorstellen konnte er es sich zwar nicht, aber bei Woolley wusste man nie so genau. „Das erkläre ich euch unterwegs. Kommt schon, kommt schon und passt auf wo hier hintretet.“ Mit hochgezogenen Brauen blickten sich die drei Detektive nacheinander an, zuckten mit den Schultern und folgten dem Professor, seinem Assistenten und den Helfern. Eine halbe Stunde und dutzende Flüche seitens Peter später, standen die drei mit den ganzen Expeditionsteam um den Professor und einem umgekippten Baumstamm herum. Letzterer gammelte bereits ausgiebig vor sich hin und wies einige Löcher auf. Während Peter sich erneut einige Moskitos weg schlug, stellte Justus ein weiteres Mal die Frage an den Professor, was genau sie eigentlich hier zu sehen bekommen würden. Doch Dr. Woolley hielt nur den Zeigefinger aufrecht in die Luft. Er durchlöcherte mit seinem Blick den Baumstamm bis er schließlich zufrieden Luft einzog und von den ersten aus seinem Team ein erstauntes Oh und Ah zu hören war. Nun konnten es auch die drei Fragezeichen sehen, jedoch waren sie nur kurzzeitig von dem Anblick erstaunt. Vor ihnen krabbelte ein handflächengroßes Insekt aus dem Baumstamm heraus. „Entzückend nicht wahr“, hauchte Woolley und machte damit deutlich, dass es sich nicht um eine Frage seinerseits handelte, „Meine neuste Entdeckung. Jonathan machen Sie bitte ausreichend Fotos davon und fangen sie sie behutsam ein, damit ich sie später genauer untersuchen kann.“ Dann wandte er sich an die mexikanischen Helfer sprach zu ihnen. Was genau er sagte bekamen die Jungs zuerst nicht mit, aber anscheinend sollten sie wohl ein Lager aufbauen. „Sie scheinen nicht allzu begeistert zu sein, hier ein Lager auf zu schlagen“, stellte Bob fest, doch Woolley winkte ab. „Das liegt an dem, weswegen ich euch hierher gebeten habe. Kommt mit und lassen wir die anderen hier arbeiten.“ Ein paar Meter weiter blieb Woolley wieder stehen und räusperte sich. „Seit einigen Tagen verschwinden Gegenstände aus den anderen Lagern.“ „Sie vermuten einen Dieb im Team? Was wurde denn bisher gestohlen?“, fragte Justus, welcher sogleich Feuer und Flamme war. „Was? Aus dem Team? Nein, das glaube ich nicht, das sind ehrliche Leute hier. Ich vermute jemand außerhalb des Teams. Gestohlen wurde bisher unterschiedliches. Mal Essen, mal irgendwelche Gegenstände. Nichts Teures zum Glück.“ „Hm, verstehe.“ „Und durch den Dieb haben ihre Leute nun Angst hier ein Lager aufzuschlagen“, fragte Peter nach und kratzte sich am Oberarm, welcher eine rote Schwellung aufwies. „Ich denke, der Dieb macht ihnen weniger Angst. Mehr Sorgen machen sie sich über das Weinen oder Wimmern, welches seit einigen Tagen vom Abend bis in die Nacht hinein zu hören ist.“ Fragend und ungläubig sahen die drei Jungs den Professor an, dieser nickte nochmal bekräftigend, ehe er fortfuhr und somit die Fragen vorweg nahm, welche ihnen auf der Zunge brannten. „Sie meinen, es sei ein Geist, der sein Unwesen hier treibt. Das ist natürlich alles absoluter Humbug, aber sie glauben halt daran.“ „Haben sie denn schon einmal versucht dem nachzugehen?“, fragte Bob. „Natürlich. Also besser gesagt, Jonathan und ich wollten es, aber die Einheimischen hielten uns zurück. Sie meinten, es würde unseren sicheren Tod bedeuten. Seit der Entdeckung der Insektenart habe ich allerdings keine Zeit mich darum zu kümmern. Aber ich sehe wie eure Augen leuchten, während ihr meinen Dieb ausfindig macht, könnt ihr ja auch diesem Geheimnis nachgehen. Und nun entschuldigt mich bitte, ich muss arbeiten. Ich werde Jonathan bitten bei euch zu bleiben. In diesem Wald verläuft man sich schnell, wenn man sich nicht auskennt oder eine Karte hat.“ „Vielen Dank Dr. Woolley“, erwiderte Justus und blickte dem Mann nach, welcher bereits mit den Gedanken wieder ganz woanders war. „Kollegen, was haltet ihr von der ganzen Sache? Peter?“ „Nun, es ist irgendwie etwas gruselig, findet ihr nicht?“, meinte der zweite Detektiv. „Vielleicht hängt das Weinen mit dem Dieb zusammen“, spekulierte Justus und rollte kurz mit den Augen, als er Peters Gesicht sah. „Gut möglich, man müsste wissen, ob die Diebstähle in unmittelbarer Zeit danach passieren“, fügte Bob hinzu. „Wenn ja, wäre dies ein Zeichen dafür, dass der Dieb irgendeine Geistergeschichte zur Ablenkung nutzt. Ich denke damit lässt sich arbeiten. Also nehmen wir den Fall an?“ Die anderen beiden nickten. Hinter ihnen erklang ein Rascheln und als sie sich umdrehten erblickten sie Jonathan. Der Assistent des Professor machte keinen allzu glücklichen Eindruck. Ob es nun daran lag, dass er die drei betreuen musste oder etwas anderes vorgefallen war, wussten sie nicht. „Hallo, nochmal. Der Professor sagt, ich soll bei euch bleiben und euch überall hinführen, wo ihr hinwollt.“ Der junge Mann strich sich eine dunkelbraune, lockige Strähne aus dem Gesicht und blickte die drei mit einem schwer zu definierenden Blick aus seinen hellgrünen Augen an. „Nun, bevor wir uns umsehen, haben wir eine Frage. Wann genau passieren die Diebstähle?“, fragte Justus „Hm… meist zum frühen Abend hin. Selten am Tage.“ „Waren zu erst die Diebstähle da und dann das Wimmern beziehungsweise Weinen? Oder umgekehrt? Und folgt es auf die Diebstähle oder ist es davor?“ „Ähm...“, kam es von dem Brünetten sichtlich überrascht, „So genau weiß ich das ehrlich gesagt gar nicht.“ „Könnten wir dann vielleicht mit ihrer Hilfe mit den anderen Expeditionsteammitgliedern sprechen?“, fuhr Justus unbeirrt fort. „Natürlich. Folgt mir.“ Nachdem Jonathan ihnen den Rücken zu gedreht hatte, tauschten die drei ein paar vielsagende Blicke aus. Viel war nicht heraus gekommen bei ihrer Befragung. Zwar war sich der Großteil der Einheimischen sicher, dass die Diebstähle nach der akustischen Erscheinung begangen worden waren, jedoch wollten sie sich zu den Erscheinungen nicht weiter äußern. Etwas unzufrieden hatten sich Justus, Peter und Bob von Jonathan zurück zur Straße bringen lassen. Von dort aus wollten sie zu Fuß den kurzen Weg ins Dorf antreten, was dem Assistenten nur recht zu sein schien. Mit einer Karte der Umgebung ausgestattet, gingen sie los um die zehn Meilen zu bestreiten, welche zwischen dem Waldeingang der Expedition und dem Ort lagen. Die drei bestaunten die Landschaft um sie herum und besprachen ihr weiteres vorgehen in diesem Fall. Bob hielt es für ratsam mit einem Ortskundigen, in dem Fall wo Jonathan, den Wald etwas mehr abzusuchen. „Vielleicht finden wir ein Tonband oder den Täter selber.“ „Dann sollten wir morgens sehr früh los legen. Die Suche könnte sich auf mehrere Tage ausweiten.“ „Das wird ziemlich anstrengend“, meinte Peter, „Gerade bei den Temperaturen die in den nächsten Tagen herrschen sollen. Wir müssen auf jeden Fall-“ Weiter kam der zweite Detektiv nicht, denn eine Frau stürmte auf sie zu. Sie wirkte verzweifelt und hilflos. Ihr schwarzes Haar war durch mehrfaches hindurchfahren mit der Hand wirr, ihre Augen gerötet und Tränen liefen ihr über die Wangen. „Por favor, ayúdame. Mi hijo ha desaparecido”, redete die Frau auf die drei ein. Es folgten noch weitere Sätze, die schnell und undeutlich, durch Schluchzen, an die drei heran getragen wurden. Ebenso streckte sie ihnen ein Bild von einem kleinen Mädchen entgegen. Bob und Peter blickten zu Justus herüber, welcher als Einziger der drei zumindest etwas spanisch sprach. „Was sagt sie, Just?”, wollte Peter wissen. „Irgendwas mit helfen und Kind. Ich bin nicht sicher, es ist so schnell.” „Sie sagt, dass ihr Kind verschwunden ist und fragt, ob ihr ein kleines Mädchen mit dunkelbraunen Haaren, dunkleren Teint und einem rosafarbenen Kleid gesehen habt. Und, dass sie einen kleinen weißen Teddybären dabei hat.” Die Jungs fuhren mit den Köpfen zur Seite herum, konnten im ersten Moment jedoch niemanden erkennen. Dafür bekamen sie ein leises und deutlich amüsiertes Lachen zu hören. „Ein bisschen weiter unten ihr riesenhaften Amerikaner.” Die drei folgten der Anweisung, während die Frau nun auch begann zwischen ihnen und einem kleineren Jungen hin und herzusehen. „Hallo“, sagte Bob zu dem Jüngeren, „Kannst du der Dame sagen, dass wir ihre Tochter nicht gesehen haben bisher. Aber ihr bei der Suche versuchen zu helfen?“ Der kleine Junge von maximal zehn Jahren nickte und wendete sich mit spanisch an die Frau. Die Worte, die er von Bob übermittelte lösten bei der Frau eine Art Freude aus, wenngleich die Verzweiflung immer noch überwog. Sie drückte Bob an sich, küsste ihn dabei kurz auf die Wange und hielt mit zitternden Händen das Bild des Mädchens erneut hin und sprach zu ihm. „Sie bedankt sich für das Angebot. Das ist ihre Tochter Gracia Maria Theresia Ramirez Lopez. Sie ist 8 Jahre alt und gestern Abend nicht nach Hause gekommen.“ „Haremos nuestro mejor esfuerzo, señora. Solo tomaríamos una foto de su hija si es correcto. Entonces podremos vernos mejor”, begann nun Justus, welcher sich anscheinend ein wenig heraus gefordert fühlte, nachdem er ein paar Startschwierigkeiten gehabt hatte. „Was hast du gesagt, Just?“, fragte Peter etwas beeindruckt, über die plötzliche Wortgewandtheit des ersten Detektivs. „Dass ihr euer Bestes gebt um zu helfen und er ein Foto von dem Bild machen will, um besser zu helfen“, erwiderte der Junge. Wenn er überrascht gewesen sein sollte, dass Justus seine Sprache beherrschte, dann ließ er es sich nicht anmerken. So ruhig, wie ihr möglich hielt sie das Bild zu dem ersten Detektiv hin und ließ diesen es abfotografieren. Kurz darauf kam ein Mann dazu, bei welchen es sich um den Vater des Kindes handeln musste. Die Konversation fiel recht kurz aus und liebevoll führte er seine Frau von den drei Fragezeichen fort. Nun erst konnten sie sich ihrem kleinen Dolmetscher widmen, welcher sie frech angrinste. „Hey, danke für deine Hilfe eben. Wie heißt du?“, fragte Bob als erstes. „Ich heiße Tico Flores Sanchez“, stellte sich dieser vor, „Und ihr seid?“ „Wir sind Detektive. Man nennt uns die drei Fragezeichen.“ Aus Gewohnheit zückte Justus die Visitenkarte hervor und reichte sie dem nun doch beeindruckten Tico. Neugierig sah er sich die Karte an. „Die drei Detektive, wir übernehmen jeden Fall. Hm… drei farbige Fragezeichen… erster Detektiv Justus Jonas.“ „Das bin ich.“ Tico blickte zu Justus auf und runzelte leicht die Stirn, dann widmete er sich wieder der Karte. „Zweiter Detektiv Peter Shaw. Recherchen und Archiv Bob Andrews.“ Während er weiter gelesen hatte, hatte er nach jedem Namen kurz aufgeblickt und so die jeweiligen Handzeichen der beiden anderen sehen können, als deren Name fiel. Kurz erwarteten die drei eine Frage zu den Symbolen auf ihrer Karte, wie fast immer, doch Tico schienen diese nicht zu interessieren. „Die Karte ist falsch. Eigentlich seid ihr nur zwei Detektive.“ „Was, wie bitte?“ „Na du bist der erste Detektiv, er der zweite. Aber es gibt keinen dritten.“ „Natürlich gibt es einen dritten, dass bin ich.“ „Nein, du bist Archivar laut der Karte. Also kein Detektiv.“ „Na hör mal, sei mal nicht so penibel. Recherchen und Archivierungen gehören zum Detektiv sein dazu“, schaltete sich Peter ein. „Ja, aber wieso wurde es denn extra aufgeschrieben. Wieso heißt er nicht einfach dritter Detektiv?“ Justus und Peter blickten sich an ohne zu wissen, was sie darauf noch erwidern sollten. Nur Bob begann leise zu lachen und winkte ab. „Da hat er anscheinend tatsächlich nach all den Jahren einen groben Fehler aufgedeckt. Okay, wir ignorieren mal kurz die Angabe auf der Karte und bleiben dabei, dass ich der dritte Detektiv bin, ja?“ „Na gut“, lenkte Tico ein und gab Justus die Karte zurück, „Was macht ihr hier?“ „Wir helfen einen bekannten Wissenschaftler. Dr. Woolley, ein Insektenforscher.“ „Ach der. Der total aus dem Häuschen ist, wenn er eine Ameise sieht? Kahlköpfig, mit Hut oft unterwegs und so einen schlaksigen braunen Assistenten bei sich?“ „Genau. Kennst du ihn?“ „Nun ja fast jeder im Ort kennt ihn. Zum einen übernachtet er im Gasthaus und zum anderen arbeiten viele Dorfbewohner für ihn. Helfen ihm beim Tragen der Ausrüstung und passen auf, dass er sich nicht im Wald verläuft.“ „Du sprichst ziemlich gut amerikanisch, mit wenig spanischen Akzent.“ „Ich weiß. Mein Bruder hat es mir bei gebracht. Ich lerne amerikanisch schon seit ich fünf bin.“ „Sag Tico, du kennst dich hier doch sicherlich ziemlich gut aus, oder? Nicht zufälligerweise auch im Wald.“ „Natürlich. Niemand kennt sich besser aus, als ich. Na, ja. Vielleicht noch mein großer Bruder.“ „Möchtest du uns vielleicht helfen bei der Suche nach dem Mädchen?“ „Warum nicht. Es sucht eh schon fast das ganze Dorf nach Gracia.“ „Kennst du sie?“, fragte Justus. „Hier kennt jeder jeden irgendwie.“ Tico zuckte mit den Schultern und sah sich um: „Wo wollen wir anfangen?“ „Kommt darauf an, wo sie zuletzt gesehen worden ist“, meinte der erste. Wieder zuckte Tico mit den Schultern. Er erklärte ihnen, dass dies keiner so genau wusste. Gracia war eine Einzelgängerin gewesen, man vermutete aber, dass sie in dem Wald gewesen sein müsste, dessen einer Teil auch von Woolley und seinem Team besucht wurde und der das Dorf komplett umgab. „Dann lasst uns noch ein wenig den Wald absuchen.“ „Just, muss das wirklich heute, also jetzt, sein? Ich hab mein Moskitospray im Koffer. Lass uns doch wenigstens erst zur Unterkunft gehen, wo man unsere Koffer hingebracht hat. Ich will nur das Spray holen. Sieh mich doch an. Ich bin schon komplett durchstochen“, maulte Peter. „Dann ist es doch egal, ob noch welche dazu kommen. Stell dich nicht so an Zweiter.“ Justus gab Tico ein Zeichen und folgte diesem zum Waldeingang, nur um sich bei diesem noch einmal umzudrehen und den beiden anderen ein auffordernden Blick zugeben. „Der hat leicht reden, den rühren die Viecher auch nicht an“, grummelte Peter und zog eine Grimasse in Justus Richtung. Dieser erwiderte darauf bereits einen herausfordernden Blick. Es würde wohl nicht lange dauern bis es zu einem Schlagabtausch kommen würde. Peter war ein Sturkopf, doch Justus stand diesem in keinster Weise nach. „Komm Peter, lass gut sein. Mich haben die Dinger auch zum Fressen gern. Stehen wir schon irgendwie durch“, mischte sich Bob ein und klopfte ihm motivierend auf die Schulter. Widerwillig kam Peter dem Ganzen nach. Die vier suchten mehrere Stunden. Peter hielt Justus dabei immer auf den Laufenden, wie viele Moskitostiche er dank diesem noch dazu bekommen hatte und, dass mit dem Spray alles so viel besser gewesen wäre. Justus hingegen ignorierte ihn zu Anfang noch großzügig. Doch irgendwann riss auch diesem der Geduldsfaden. Einige wüste Beschimpfungen später hatte sich die Wut bei beiden Parteien komplett entladen. Bob hatte sich gegenüber Tico entschuldigt, welcher diese aber amüsiert abgewinkt hatte. Als die Sonne dem Horizont begann zu nahe zu kommen, meldete sich Tico zu Wort. Er rieb sich über sein stoppelig-kurzes schwarzes Haar und erklärte den dreien, dass es Zeit wurde umzukehren, wenn sie bei Beginn der Dämmerung aus dem Wald zurück sein wollten. „Nicht eine Spur von der Kleinen.“ Der erste Detektiv war unzufrieden mit der Situation. Er hatte sich wesentlich mehr erhofft. „Mach dir nichts daraus, Justus. Ich habe es ehrlich nicht erwartet, dass wir sie finden. Der Wald ist riesig. Es wird Tage dauern alles zu durchkämen, selbst wenn das ganze Dorf mit sucht. Die Kleine kann sich auch weiter bewegen.“ Die Worte des Blonden prallten an dem Brünetten zum Teil ab. In seinem Kopf arbeitete es stark. „Wir brauchen für morgen eine bessere Strategie. Wir werden uns auch aufteilen müssen. Woolleys Fall dürfen wir schließlich nicht vergessen“, murmelte er vor sich hin. „Ähm, Leute. Hört ihr auch was ich höre?“, fragte Peter, welcher von ihnen das Schlusslicht bildete und stehen geblieben war. Die anderen taten es ihm gleich. Zu erst hörten sie nichts, doch dann drang ganz zart eine Stimme an ihre Ohren. „Klingt… wie eine Frau, oder?“ „Könnte auch ein Kind sein, Peter.“ „Versteht ihr was gesagt wird?“, fragte Justus in die Runde, doch alle schüttelten verneinend den Kopf. Peter begann sich die Stirn zu massieren: „Wissen wir überhaupt woher es kommt?“ „Nein, klingt für mich, als komme es von überall. Geht es dir nicht gut, Zweiter?“ „Ja, alles okay. Hab irgendwie Kopfschmerzen bekommen.“ „Vielleicht hast du zu wenig getrunken?“ „Möglich. Jetzt ist sie weg.“ Ungläubig blickte sich Peter um. „Bin ich der Einzige, der eine Gänsehaut bekommen hat?“ „Ja, ich denke schon, Peter. Für die Stimme gibt es sicher eine ganz eindeutige Erklärung. Beziehungsweise ich habe schon eine.“ „Ach ja, und die wäre“, fauchte Peter eine Spur aggressiver. „Nun, ich denke, dass wir vielleicht gerade die Stimme von Gracia gehört haben.“ „Du weißt schon, dass Woolley die Stimme schon etwas länger hört und sie erst gestern verschwunden ist“, merkte Bob an. „Natürlich weiß ich das, Bob. Aber vielleicht ist es bei Woolley eine Tonaufnahme. Hier sind wir ein Stück von ihm weg und hier könnte es Gracia sein. Eigentlich sollten wir weitersuchen.“ „Das ist viel zu gefährlich, Justus. Allein werdet ihr euch verlaufen und die Leute meiden den Wald des Nachts“, mischte Tico sich ein. „Wir sollten auf Tico hören, er kennt sich hier am besten aus. Lass uns Schluss machen. Wir müssen einfach hoffen, dass Gracia noch eine Nacht aushält im Wald. Vielleicht wird sie auch gerade von anderen gefunden, die dichter waren als wir“, meinte Bob. Justus Mund verzog sich wieder missbilligend, gab dann aber wenig später seufzend nach. Im Dorf wieder angekommen hatten sie sich von Tico verabschiedet und sich mit ihm für den nächsten Tag vor seinem Haus verabredet, welches er ihnen noch vorher zeigte. Kaum waren sie in das kleine Gasthaus eingekehrt, in welchem sie schliefen, begegneten sie auch schon Dr. Woolley und Jonathan. Die fünf setzten sich zusammen an einen Tisch und aßen Abendbrot, wobei Woolley sie darüber unterrichtete, dass wieder etwas gestohlen worden war und er diese Stimme ebenfalls gehört hatte. Der Assistent des Professors verabschiedete sich dann ziemlich schnell von ihnen, als das Thema um das verschwundene Mädchen aufkam. So erfuhren die drei Detektive, dass man die kleine Gracia immer noch nicht gefunden hatte. Wie sie am nächsten Tag von Tico erfahren würden, hatten einige erfahrene Männer des Ortes noch bis nach Einbruch der Dämmerung gesucht. Der nächste Tag begann für die drei ziemlich früh. Schon um 8 Uhr gingen sie zu Tico und klopften an die Tür des Hauses. Eine Frau mittleren alters und langen, welligen dunkelbraunen Haaren öffnete ihnen die Tür. Mit einem recht flüssigen und einfachen spanisch erklärte Justus ihr, wer sie waren und zu wem sie wollten. Die Frau lächelte liebevoll und bat sie ins Wohnzimmer hinein, während sie den Namen ihres Sohnes rief. Es dauerte nicht lange bis Tico grinsend herunter kam. „Morgen, ihr seid ja echt pünktlich.“ „Das gehört sich so als Detektiv“, erklärte Justus belehrend. Tico lachte herzlichst, als er sah wie Bob und Peter hinter dem Rücken ihres Freundes mit den Augen, für diese Aussage, rollten. „Also Tico, wir haben uns gestern noch etwas beraten und da wir zwei Fälle haben, wollten wir uns aufteilen. Wenn du möchtest kannst du dich uns anschließen.“ „Sehr gerne, Justus. Ich wollte schon immer mal wie ein echter Detektiv arbeiten.“ „Perfekt. Dann kümmern Bob und ich uns um den Dieb im Lager des Professors und Peter und du, ihr sucht im Wald nach Gracia weiter. Heute Abend treffen wir uns dann wieder hier vor deinem Haus und reden über unsere Fortschritte.“ Die anderen nickten einverstanden. „Ihr solltet was zu trinken mitnehmen, wenn ihr Gracia suchen wollt. Es soll heute extrem warm werden“, meldete sich eine tiefere Stimme aus dem Hintergrund. „Wird gemacht“, versprach Tico und flitzte in Richtung Küche. Am Türrahmen zum Wohnzimmer stand ein junger Mann, welchen Justus auf ihr eigenes Alter schätzte. Sein dunkelbraunes, fast schwarzes Haar war mittellang und in eine stylische Frisur geformt. Die Gesichtszüge sahen denen von Tico sehr ähnlich. „Hallo. Ich bin Ticos älterer Bruder Ramon Salvatore. Aber nennt mich einfach Ramon. Ihr seid die drei von denen er gestern Abend erzählt hat, die vom Professor hierher geholt wurden.“ „Richtig. Freut uns dich kennen zu lernen, Ramon. Ich bin Justus Jonas und das sind meine Freunde Peter Shaw und Bob Andrews. Tico hat uns schon ein wenig von dir erzählt.“ „Ich hoffe doch nur Gutes“, lachte Ramon und drehte den Kopf, als eine andere männliche Stimme etwas auf spanisch sagte. „Sí papá“, erwiderte der Dunkelhaarige darauf hin, „Entschuldigt bitte, aber ich muss mich leider schon wieder verabschieden. Vielleicht sehen wir uns später noch.“ Kaum war Ramon gegangen erschien Tico wieder mit vier Feldflaschen voll Wasser in den Händen. Er gab den anderen jeweils eine und die vier teilten sich entsprechend Justus‘s Anweisung auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)