Boston Boys - Fragmente von Vampyrsoul (Kurzgeschichten zur Boston Boys Reihe) ================================================================================ Kapitel 36: Eloy – Januar 2017 I -------------------------------- »Wollen wir nicht lieber ins Schlafzimmer?« Leonardo hauchte mir zarte Küsse auf die Ohrmuschel. »Ich weiß nicht. Dafür müsstest du Klammeraffe erstmal von mir runter.« Statt ihn von mir herunterzuschieben, zog ich ihn an der Hüfte näher zu mir heran und küsste ihn innig. Gegen seine Lippen raunte ich: »Wir könnten aber auch hierbleiben. Dann müsstest du nur einmal kurz an die Kommode.« »Na gut, dann bleib ich noch etwas sitzen.« Während er erneut meine Lippen suchte, drängte er seine Hüfte gegen meine. Leise stöhnend überließ ich ihm die Führung. Mittlerweile wusste ich: Spätestens wenn wir richtig loslegten, würde er sie mir mit Freuden übertragen. Aber so lange genoss ich, dass er sich aktiv einbrachte und mir zeigte, was er wollte. Mein Handy wollte mir diese Freude jedoch nicht gönnen. Störend summte es im Flur vor sich hin. Obwohl Leonardos Blick mir deutlich machte, dass ich es einfach klingeln lassen sollte, schob ich ihn sanft von meinem Schoß. Zu gern wäre ich seiner Aufforderung nachgekommen, doch der Klingelton konnte nur eines bedeuten: »Irgendwas ist mit den Kids.« Sofort war er von mir herunter und ließ mich durch zum Flur. Wie erwartet, zeigte mir mein Handy einen Anruf von Peter an. Schnell nahm ich ab. »Abend.« Beunruhigenderweise war es Maximes Stimme, die mich weinerlich grüßte: »Eloy, kannst du uns abholen?« Das Schniefen am Ende klang ganz danach, als wischte er sich die Nase an etwas ab. Bei mir schrillten alle Alarmglocken. Ja, Maxime bat manchmal darum, wieder nach Hause zu dürfen, aber so schlimm, dass er weinte, war es noch nie gewesen. Zumal die beiden schon lange hätten im Bett sein müssen. Und natürlich erhielt er dieselbe Antwort wie jedes Mal: »Ja, ich komm euch gleich holen.« Während ich weiter redete, zog ich mir Schuhe und Jacke an. »Was ist denn passiert?« Diesmal zog Maxime die Nase hoch. »Ich bin wach geworden und Papa ist nicht da.« Ich unterdrückte das Knurren. Für Maxime war die Situation schlimm genug, da musste er sich nicht auch noch für meine Wut verantwortlich fühlen. »Weck Caroline und mach euch etwas Musik an. Ich bin gleich da.« »Danke.« Es dauerte noch einen Moment, dann wurde das Telefon aufgelegt. »Soll ich mitkommen?« Leonardo hatte mich die ganze Zeit nervös beobachtet. Die Frage, mit der ich absolut nicht gerechnet hatte, brachte mich aus dem Konzept, doch letztendlich nickte ich. »Ja, du kannst mitkommen, wenn du willst. Vielleicht lenkt das Maxime etwas ab.« Eilig schlüpfte Leonardo in seine Schuhe, schnappte sich seine Jacke vom Haken und zog sie im Gehen an. Nachdem ich endlich einen Parkplatz gefunden hatte, stieg ich gemeinsam mit Leonardo aus. Im Innenhof vor dem Club, den Peter besaß und über dem er wohnte, war – wie an einem Samstagabend zu erwarten – viel los. Dennoch blieb mir eine Diskussion mit dem Türsteher erspart, da ich ihn bereits von anderen Besuchen kannte. Freundlich grüßte er, behielt aber Leonardo aufmerksam im Blick. »Keine Sorge, er gehört zu mir.« Ehrlich lächelte ich ihn an. Er machte nur seinen Job; und dass, so weit ich wusste, sehr gut. Zumindest hatte ich noch nie gehört, dass es in diesem Club Probleme mit Schlägereien oder Ähnlichem gegeben hätte. Erstaunlich, wenn ich mir ansah, wie Peter drauf war. Apropos: »Hat dir Peter zufällig gesagt, wo er hin ist?« Verwirrt zog der Türsteher die Augenbrauen zusammen. »Maniac? Der ist im Club. Hab ihn zumindest nicht rauskommen sehen.« »Okay, danke.« Ich ging mit Leonardo in den Eingangsbereich, wo wir etwas mehr Ruhe hatten. »Geh du schonmal hoch und mach die Kinder fertig, Maxime macht dir sicher auf, wenn du oben klingelst. Ich geh mal nach Peter suchen.« »O-Okay. Pass auf dich auf«, stotterte er. Für einen kurzen Moment beugte er sich zu mir, entschied sich dann aber um und strich mir nur unauffällig über den Unterarm, bevor er die Kette vor der Treppe nach oben löste und dorthin verschwand. Als ich den Club betrat, hefteten sich alle Augen auf mich. Es war offensichtlich, dass sie annahmen, ich hätte mich verlaufen. Doch ich ließ mir nichts anmerken und sah mich nach dem Besitzer um. Nachdem ich etwas herumgelaufen war, fand ich ihn hinter der Bar, die etwas versetzt hinter einer Wand versteckt war, sodass man sie vom Eingang aus nicht sehen konnte. Schnurstracks ging ich auf ihn zu. Sobald er mich entdeckte, weiteten sich seine Augen vor Überraschung. Er sagte etwas, doch ich verstand es über die Musik hinweg nicht. Ich deutete lediglich auf die Tür in der Wand hinter ihm, von der ich vermutete, dass sie zum Lager führte. Ich hatte keine Lust, über die Musik hinwegzuschreien. Peter verstand, gab seinem Kollegen neben ihm Bescheid und schloss dann die Tür für uns beide auf. Sobald sie hinter uns zugefallen war, legte er den Kopf fragend schief. »Was tust du hier?« »Das sollte ich wohl eher dich fragen!«, fuhr ich ihn an. »Warum bist du nicht oben bei den Kindern?« »Keine Sorge, die schlafen.« Er lächelte charmant, wohl in der Hoffnung, mich damit beruhigen zu können. Pech nur, dass sein Charme bei mir nicht wirkte. »Wirklich? Sie schlafen? Dann muss Maxime wohl Schlaftelefonieren. Er hat mich nämlich völlig verheult angerufen, weil er und Caroline allein in der Wohnung sind!« Unbeeindruckt zuckte er mit den Schultern. »Dann ist er wohl aufgewacht. Er hätte doch auch einfach runterkommen oder auf meinem Handy anrufen können. Danke, dass du hergekommen bist. Ich geh dann mal hoch und bring ihn wieder ins Bett.« Finster blickte ich ihn an. Das konnte doch nicht sein Ernst sein?! War er schon wieder drauf? Zumindest zeigte er keinerlei Anzeichen. Wenigstens das. »Nichts da, ich nehme sie mit.« Nun endlich zeigte er doch eine Reaktion. Wütend trat er einen Schritt auf mich zu. »Das kannst du nicht machen! Es ist mein Wochenende.« »Und ich habe beschlossen, es vorzeitig zu beenden, weil du deinen Pflichten nicht nachkommst. Was glaubst du eigentlich? Ich schicke Maxime doch nicht jahrelang zur Psychologin, damit er seine Angst, verlassen zu werden, in den Griff bekommt, nur damit du das an einem Abend kaputt machst! Und da du es nicht hinbekommst, ihm ein zuverlässiges Elternteil zu sein, muss ich das mal wieder übernehmen.« »Ich hab doch gesagt, dass ich hochgeh! Ich hab nicht daran gedacht, dass es für ihn so schlimm wäre. Wir hatten Personalmangel und er und Caro haben doch fest geschlafen. Eloy, bitte, du kannst sie mir nicht wegnehmen! Ich bin ihr Vater.« Flehend hielt er meinen Arm fest und hinderte mich am Gehen. »Ein verdammt schlechter Vater! Und jetzt lass mich los. Ich will sie nicht noch länger warten lassen.« Niedergeschlagen ließ Peter mich los und wischte sich mit der Hand übers Gesicht. Ich wusste, dass er nicht weinte, ließ ihm dieses Theater jedoch. An meiner Entscheidung änderte sich nichts. Ich würde sie nicht bei ihm lassen. Das musste er nach einem Moment auch einsehen. Leise fragte er: »Wann kann ich sie wieder sehen?« »Wenn sie es wieder möchten. Und du solltest morgen anrufen, um dich bei deinem Sohn zu entschuldigen.« Ergeben nickte er. Ihm war zu bewusst, dass ich die Zügel in der Hand hielt. Wenn ich den Fall vor Gericht brachte, würde er das Sorgerecht für die beiden verlieren. »Ist gut. Kann ich mich noch verabschieden?« Streng nickte ich. Das war wohl die einzige vernünftige Entscheidung seinerseits in dieser Nacht. Gemeinsam gingen wir nach oben in die Wohnung, wo Maxime und Caroline bereits angezogen warteten. Nicht nur Maxime, sondern auch Leonardo zuckten zusammen, als sie Peter erblickten. Dieser ging in die Hocke und breitete die Arme aus. »Ich wollte euch noch auf Wiedersehen sagen.« Maxime blieb wie angewurzelt halb hinter Leonardo stehen. Hilfe suchend sah er mich an. »Du kannst auch so Tschüss sagen«, erinnerte ich ihn daran, dass er auch gegenüber seinem Vater zu keinen Berührungen verpflichtet war. Erleichtert nickte er und winkte seinem Vater, während er in großem Bogen um ihn herum zur Tür ging. »Tschüss.« Peter fiel es sichtlich schwer, das zuzulassen, doch er riss sich zusammen. Stattdessen wandte er sich an seine Tochter: »Gibst du mir einen Abschiedskuss?« Unsicher sah Caroline von ihrem Vater zu ihrem Bruder und zurück. Sie wollte ihrem Bruder nacheifern, wollte ihrem Vater aber auch nicht in den Rücken fallen. Maxime zuckte nur mit den Schultern, drehte sich um und trat einen Schritt aus der Wohnung. Caroline zögerte noch kurz, ging zu ihrem Papa, wobei sie seinen Armen auswich, die sie an ihn ziehen wollten, und drückte ihm einen Schmatzer auf die Wange. »Nachti.« Dann eilte sie auf mich zu und bedeutete mir, dass sie auf meinen Arm wollte. Ich tat ihr den Gefallen und nahm sie hoch. Während sich Leonardo mit einem geflüsterten ›Tschüss‹ an mir vorbeischob, verabschiedete ich mich ordentlich von Peter: »Noch einen schönen Abend, wir sehen uns.« Erst nickte er, doch dann hielt er mich mit einem einfachen »Eloy, ganz kurz« zurück. Zweifelnd sah ich ihn an, reichte Caroline dann aber an Leonardo und zog die Tür von innen etwas an. »Was gibt es noch?« »Du weißt, dass du dir keine Verstärkung mitbringen musst, wenn du herkommst, oder? Ich freu mich nicht, dass du Maxime und Caroline mitnimmst, aber das ist wirklich nicht nötig.« Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, was Peter meinte. »Du meinst Leonardo? Nein, er ist nicht wegen der Verstärkung mitgekommen. Er war nur gerade bei mir, als Maxime angerufen hat, und weil die beiden ihn gut kennen und mögen, hab ich ihn mitgenommen, in der Hoffnung, er bringt sie auf andere Gedanken.« »Oh.« Überlegend kratzte Peter sich über den linken Arm. »Dann seid ihr ... zusammen? Maxime und Caroline haben nichts darüber gesagt, wenn sie über Leonardo gesprochen haben.« Nun war es an mir, nervös zu werden. »Um ehrlich zu sein, wissen sie noch nichts davon. Das ist noch recht frisch und ich wollte nicht, dass sie sich Hoffnungen machen, falls es doch nicht klappt.« Verstehend nickte Peter und rang sich ein Lächeln ab. »Dann sollte ich euch wohl viel Glück wünschen.« »Danke. Wie gesagt, wir sehen uns.« Diesmal drehte ich mich endgültig um und verließ seine Wohnung. Leonardo und die Kinder holte ich im Innenhof ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)