Boston Boys - Fragmente von Vampyrsoul (Kurzgeschichten zur Boston Boys Reihe) ================================================================================ Kapitel 14: Samsa - November 2014 IV ------------------------------------ »Isaac.« Lance legte mir vorsichtig die Hand auf die Schulter. »Du weißt, dass ich das nicht so gemeint habe, oder? Tut mir leid, ich bin über das Ziel hinausgeschossen.« Zitternd atmete ich zwischen den letzten Tränen ein. »Ja, ich weiß. Aber du hast recht.« »Und jetzt? Willst du ihnen endlich sagen, was du für sie fühlst?« Langsam schüttelte ich den Kopf und wischte mir die Tränen mit dem Ärmel ab. »Keine Ahnung, vielleicht. Das meinte ich auch nicht. Ich meine, ich fühle etwas für sie, ja. Keine Ahnung, ob es Liebe ist. Aber ich ... Ich will keine Beziehung mit ihnen.« Lance seufzte laut und stand auf, um Taschentücher zu holen. Bevor er etwas sagen konnte, sprach ich weiter: »Sie erdrücken mich. Ich weiß, sie meinen es gut und dass sie mir helfen wollen, dass sie mich lieben. Aber das ist mir zu viel. Ich kann es als Freund ertragen, weil es da immer noch eine gewisse Barriere gibt, aber als Partner ... Ich weiß, wie das für dich klingen muss. Sie geben sich gegenseitig so viel Raum. Wenn es allerdings um mich geht, ist das irgendwie anders. Ich war nie ... gleichberechtigt. Eher so eine Art Spielgefährte, der immer hinter ihrer Beziehung zurücktreten musste. Entscheidungen haben sie immer erst für sich zu zweit getroffen, dann erst mit mir. Solche Dinge eben. Und ich habe nicht das Gefühl, dass sich das ändern würde. Für das, was wir bisher hatten, ist das für mich in Ordnung, aber kannst du dir das in einer Beziehung vorstellen?« Lance reichte mir die Taschentücher. »Nein, kann ich nicht. Ich denke, ich versteh, was du meinst.« »Aber es kann auch nicht so bleiben, oder? Du hast recht, ich habe sie verletzt. Toby hat ... er war echt sauer.« Ich musste tief durchatmen, bevor ich weiterreden konnte. Tobys Ultimatum hallte in meinem Kopf. »Ich möchte ihnen nicht nochmehr wehtun. Aber ich muss, oder? Wenn sie überhaupt mit mir reden, nur damit ich ihnen sagen kann, dass ich sie nicht möchte ... Also nur noch als Freund-Freund. Ohne Sex. Ich ... ich glaube nicht, dass wir es mit Sex irgendwann, irgendwie schaffen, da rauszukommen.« »Bist du dir sicher?« Er wirkte skeptisch. »Wenn du ihnen das sagst, dann musst du das auch durchhalten. Das ist dir hoffentlich klar. Du kannst dann nicht ständig deine Meinung ändern.« »Du hast es doch gerade gesagt: Ich muss endlich Verantwortung übernehmen.« Ich lächelte ihn schief an. Er erwiderte es mit einem Schmunzeln. »Also Toby und Roger als Freunde, hm? Wenn du dir sicher bist, dass es funktioniert: Go for it.« Noch einmal atmete ich tief durch, bevor ich aufstand und in die Küche ging. Es war gut, zu wissen, dass Lance im Nebenzimmer war und mich in meiner Entscheidung unterstützte. Es war merkwürdig, diesmal Tobys Nummer zu wählen, weil er es war, bei dem ich mich entschuldigen musste, nicht weil Roger nicht abnahm. Es klingelte lange und ich befürchtete bereits, dass Toby seine Drohung wahr machte, als doch endlich das Tuten endete. Ich ließ ihm nicht einmal Zeit, sich zu melden. »Es tut mir leid. Ich hätte nicht einfach gehen dürfen. Ich ... war überfordert. Es tut mir leid.« Von der anderen Seite der Leitung erklang ein erleichtertes Ausatmen. »Isaac ... Schön, von dir zu hören.« Da ich mit einer anderen Reaktion gerechnet hatte, Wut oder Vergebung, entstand ein unangenehmes Schweigen. Ich wusste nicht, wie ich nun auf das Thema kommen sollte, das ich eigentlich ansprechen wollte. Letztendlich entschied ich, dass es mit der Entschuldigung nicht getan war. »Ist Roger da und kannst du ihn mir geben oder besser laut stellen?« »Er ist direkt neben mir.« Es raschelte, dann änderte sich der Sound. »Und hört dich jetzt auch.« Die Worte waren schwer, doch ich bemühte mich, sie ohne Tränen auszusprechen. »Es tut mir leid, dass ich gegangen bin, ohne mit euch zu reden. Ich war komplett überfordert und hatte Angst, dass ihr mich doch überreden könntet, dass es okay ist, die Grenzen so weit zu verschieben. Es war für mich ... Ich hatte das Gefühl, dass es die einzige Möglichkeit für mich ist, mich nicht einlullen zu lassen.« So gut es ging, erklärte ich ihnen das, was ich zuvor Lance versucht hatte deutlich zu machen. Dass ich mich von ihren Gefühlen erdrückt fühlte, wie ich unser bisheriges Verhältnis sah und ich mir nicht vorstellen konnte, je einen gleichberechtigten Platz in ihrer Beziehung zu haben. Zum Glück ließen sie mich einfach reden, ohne mich zu unterbrechen. Nur ab und zu waren leise Geräusche zu hören, die verdeutlichten, dass sie mir noch immer zuhörten. »Ich mag euch, ihr seid mir wichtig und ich bin euch für alles dankbar, was ihr für mich getan habt, aber ich würde gern nur noch mit euch befreundet sein. Also wenn ihr das überhaupt noch irgendwie wollt ...« Zum Schluss hatte mich nun also doch die Sicherheit verlassen. Was ich tun würde, wenn sie gar keinen Kontakt mehr wollten? Ich hatte keine Ahnung. Auf der anderen Seite der Leitung war es totenstill. Ich wusste nicht, ob sie mit dieser Aussage gerechnet hatten oder etwas ganz anderes erwarteten. Ob sie überhaupt verstanden hatten, wie ich mich fühlte? »Das ist dir wirklich wichtig, oder?«, fragte letztendlich Roger. »Ja.« Ich hatte bei dieser Entscheidung trotz allem ein gutes Gefühl. Es fühlte sich wirklich richtig an. Schon es ihnen gegenüber ausgesprochen zu haben, war unglaublich erleichternd. »Gut. Aber ich möchte, wenn wir uns das nächste Mal sehen, mit dir darüber reden. Du hast gerade einige Sachen gesagt, die sehr verletzend sind, und die ich vollkommen anders sehe.« Mein erster Impuls war, mich zu entschuldigen, doch ich schluckte es herunter. Ich wollte mich nicht für meine Gefühle entschuldigen. Wenn sich bei dem Gespräch herausstellte, dass ich wirklich etwas gesagt hatte, was komplett daneben war, konnte ich das dann immer noch tun. »Ja, gern.« »Wir haben dich lieb, Kleiner. Wenn es dir dann besser geht und du nicht mehr so einen Scheiß baust, dann ist das für mich in Ordnung.« Im Gegensatz zu seinem Mann klang Toby wirklich ruhig. Aber vielleicht sparte er sich seine Kritik auch für die Aussprache auf. »Danke. Ich weiß, dass es euch gegenüber nicht fair war, einfach zu gehen.« Da ich ihnen im Moment nichts mehr zu sagen hatte und sie ruhig blieben, verabschiedete ich mich von ihnen. Als ich aus der Küche kam, stand Lance direkt von der Couch auf und nahm mich kommentarlos in eine Umarmung. Er klopfte mir auf den Rücken, dann schob er mich fort und lächelte. »Das wird.« »Ja, ich weiß. Danke, dass du mir mal wieder den Kopf gewaschen hast.« »Jederzeit wieder.« Ich erwiderte das Lächeln. »Ich geh mal Tino erlösen, okay? Wir sehen uns Dienstag bei der Probe.« Noch einmal klopfte mir Lance freundschaftlich auf die Schulter, dann brachte er mich zur Tür. Als ich wieder auf der Straße stand, sah ich zu Tinos Auto hinüber und zögerte. Sollte ich ... Ach, warum nicht. Ich hatte eine wichtige, schmerzhafte Entscheidung getroffen. Darauf durfte ich mir etwas Gutes gönnen, oder? Ich ließ mich auf den Beifahrersitz fallen und fragte: »Können wir etwas zu essen holen und dann zu dir?« Tino schnaufte amüsiert und startete den Wagen. »Sicher.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)