The Rock Lee Horror Picture Show von irish_shamrock (Es fährt ein Zug nach Nirgendwo ~ für Sas-_-) ================================================================================ Kapitel 1: The Rock Lee Horror Picture Show ------------------------------------------- The Rock Lee Horror Picture Show Es fährt ein Zug nach Nirgendwo Ratternd und zischend fuhr der Zug in den Bahnhof ein. Eine Gruppe, bestehend aus sechs Personen, stand bereits am Gleis und wartete darauf, endlich den Weg ins Abenteuer zu beschreiten. Der Tag begann unspektakulär. Ein jeder ging seiner morgendlich Routine nach, bis es an der Zeit schien, sich zu sputen, um pünktlich am Treffpunkt zu sein. Bis auf den Nebel, der bereits am Abend durch die Straßen waberte und sich tapfer bis in die Morgenstunden hielt, schien der Start gelungen und ohne Zwischenfälle geprägt. Feuchte Luft umgab die junge Frau, sobald sie einen Fuß vor die Tür setzte, um über einen mit Kies besetzten Weg die vereinbarte Richtung einzuschlagen. Enger zog sie den Mantel um ihren Leib. Die Finger waren vom warmen Stoff der Handschuhe umhüllt. Für die hartgesottenen schien dieser Aufzug Fragen aufzuwerfen, doch für sie hatte die Gesundheit oberste Priorität. Ein Schnupfen wäre vielleicht noch zu verschmerzen, doch wochenlang das Bett zu hüten, kam für sie nicht in Frage. Viel zu sehr war sie mit ihrem Studium der Medizin beschäftigt, als dass sie sich eine Auszeit gönnte, die sie zurückwarf und somit riskierte, den Studienplatz zu verlieren. Das Haar hatte sie sorgsam unter einer Mütze verborgen, auch wenn sie sich so dem Spott der anderen aussetzte, denn ihre Mähne würde wild in alle Himmelsrichtungen abstehen, sollte die Bedeckung ihr Haupt verlassen. Der Herbst hatte Einzug gehalten und färbte die Blätter der Bäume in einer der schönsten Paletten aus Rot, Orange, Gelb und einem Hauch von Grün. In Einheit mit dem Dunst, der ihr um die Knöchel wehte, war ihr dies die liebste Jahreszeit. Kühle Luft, ein heimeliges Wohnzimmer, ein Buch vielleicht, mit dem sie es sich auf dem Sofa bequem machte. Ihre Schritte verlangsamten sich, je näher sie dem imposanten Gebäude kam. Von Weitem war bereits das Schienennetzwerk zu erkennen, das seine Gleise wie Finger ausstreckte um die Reisenden an ihre Ziele zu bringen. Pendler, die den morgendlichen Stress für ein paar Stationen verdrängen konnten, Schüler, deren Unterricht an anderen Universitäten gelehrt wurde. An den Wochenenden war die Beförderung jedoch eingeschränkt. Die Züge fuhren nicht, wie üblich, scheinbar im Minutentakt. Auch wurde auf eine stündliche Ankunft und Abfahrt verzichtet. So geschah es, dass sich die kleine Gruppe um 08:17 Uhr am Gleis 1 einzufinden hatte. Knarzende Laute erklangen, als ihre Finger das kalte Metall der Türklinke erfassten und diese hinab drückten, um in das trockene Innere des Bahnhofsgebäudes zu gelangen. Die Tür, mit den fein verzierten Buntglasfenstern, trieb, wenn die Sonne allmählich zwischen den Bäumen versank, ihr Spiel mit farbenfrohen Punkten, ähnlich einem Kaleidoskop, das das Licht brach und in abertausend Facetten streute, doch in den ersten Stunden des Tages blieb den Schaulustigen jener zauberhafte Anblick verwehrt. Säulen säumten den Eingangsbereich. Kleine Läden zweigten sich links und rechts vom Hauptbereich ab. Doch, zu dieser Frühe, luden nur wenige Geschäfte zum Verweilen ein. Ein Kiosk, der Zeitungen, frischen Kaffee, Tee und andere Spezialitäten aufbot, blieb der einzige Ort, der seine Pforten öffnete. Kurz zog sie in Erwägung, ob ein wohlschmeckender Cappuccino ihr nicht die fröstelnden Glieder erwärmen konnte, doch dann wandte sie sich ab und schritt in Richtung Gleise davon. Wie nicht anders erwartet, verweilten bereits zwei Gestalten am Bahnsteig. Grüßend hob sie die Hand und die angespannte Miene auf dem Gesicht der jungen Frau, die die erste Hälfte des Duos beschrieb, erhellte sich. »Sakura«, rief sie und nickte ihrem Gegenpart, der mit dem Rücken zum Geschehen stand, zu, sodass dieser jene Geste zum Anlass nahm, sich dem Neuankömmling zuzuwenden. »Wie immer seid ihr zwei die Ersten.« Ein Lachen entkam Sakuras Lippen, sobald die junge Frau sie in eine Umarmung zog. Der junge Mann, der der Szenerie mit ausdruckslosem Gesicht beiwohnte, ließ nur ein Zucken der Schultern erkennen. »Obwohl wir diese Reise Lee zu verdanken haben, ließ er sich nicht aus dem Bett klingeln. Und nach einer halben Stunde in der Kälte, hielten es Tenten und ich für die angenehmere Variante, uns ein wenig die Beine zu vertreten.« »Richtige Entscheidung«, pflichtete Sakura bei und neigte ein wenig den Kopf, um ihr Gegenüber etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Zu ihrer Verblüffung und Schande musste sie sich eingestehen, dass sie Neji Hyuuga auf den ersten Blick gar nicht erkannte, denn das sonst so dunkle Haar, das er stets mit einem Band zusammenhielt, verweilte, wie das ihre, unter einer Wollmütze. Ein ungewohntes Bild, doch da der Herbst in seiner Gänze über das Land zog, war der herannahende Winter beinahe nur noch eine Frage der Zeit. Und auch Tenten zog es vor, sich dem Wetter entsprechend zu kleiden. Eine Jacke, die die Nässe des Morgens abhielt, Hose, Stiefel und ein Stirnband, das ihr die Ohren warmhielt. »Und ich wette, du hattest dasselbe Problem mit Naruto und Sasuke«, seufzte Tenten und zupfte an den zwei Haarknoten an ihrem Kopf. Die junge Frau verneinte. »Naruto ist sowieso immer der Letzte und Sasuke ist so gewissenhaft, es noch rechtzeitig zu schaffen.« Die Zeiger der Bahnhofsuhr setzten lautlos ihren Weg fort. Noch ließen sie es sich nicht anmerken, doch Nervosität schlich sich auf leisen Sohlen an. Gespannt richtete das Trio, dann und wann, den Blick zur Uhr und irgendwo in der Ferne kündigte ein schrilles Pfeifen das Erscheinen des Zuges an. »Lee hat doch die Tickets, oder?«, fragte Sakura in die kleine Runde und erntete nur ein verstimmtes Brummen Nejis. Quietschend öffnete sich die Pforte hinter ihnen. Viel zu oft waren sie in den letzten Minuten auf das gemeine Spiel des Windes hereingefallen, der Streiche liebte und die alte Tür, die weit weniger ansehnlich war, als jene im Eingangsbereich, anstupste und so ein grausiges Wimmern erklingen ließ. Erleichterung erfasste die junge Frau, als ein erneuter Gast auf die Gruppe zuhielt. Zum Erstaunen der Anwesenden folgte diesem eine weitere Person, die laut gähnend und murrend Klage gegen das frühe Aufstehen erhob. »Hör sofort auf, zu jammern, Naruto!«, begrüßte Sakura den einstigen Klassenkameraden und bedachte diesen mit verdrießlicher Miene. Pardonierend zog jener den Kopf ein, kam jedoch, nicht umhin, dem restlichen Teil des Trupps mit einem breiten Grinsen zu begegnen. »Wie immer, das sprühende Leben«, seufzte Tenten und schenkte Neji einen knappen Blick. »Zumindest scheint es einer von beiden Wert auf eine gewisse … Etikette zu legen«, kommentierte dieser die Ankunft Sasuke Uchihas und Naruto Uzumakis. »Hey«, ließ Naruto verlauten, »ist Lee noch nicht hier?« »Siehst du ihn irgendwo?«, knurrte Sakura allmählich all ihrer inneren Ruhe beraubt. »Hey, hey, Leute!« Wie aufs Wort, so als habe er die Worte Narutos vernommen, hüpfte eine Gestalt über die Gleise. »Ihm mangelt es auch nicht an überschwänglicher Lebensfreude«, erhob Sakuke und erhielt lediglich ein zustimmendes Seufzen der Anwesenden. »Aus dieser Richtung hätte ich ihn nicht erwartet«, gestand Tenten. Neji ließ ein knappes Schnauben erklingen. »Unser Lee ist immer für eine Überraschung gut.« Knisternd und knackend erwachte der Lautsprecher am Gleis zum Leben. Die Stimme eines Mannes, der dem Bahnhofspersonal angehörte, verkündete das Eintreffen des Zuges. »Grundgütiger, Lee!«, rief Tenten, doch dieser hatte die Plattform gerade noch erreicht und tat, als habe er die Sorge der jungen Frau überhört. Als der eintreffende Zug, eine kleine Lok mit vier, nicht weniger großen, Wagons im Anhang, am Gleis zum Stehen kam und schnaufend eine kleine Dampfwolke in den herbstlichen Oktobertag hinausblies, beäugte die Gruppe das Gefährt mit argwöhnischen Blicken. »Lee, das … ist ein ziemlich kleiner Zug«, erhob Tenten die Stimme. Dieser wühlte indes im Innern der Jacke herum und erfasste endlich das, was seine Mitstreiter zu sehen erhofften. Tickets und das Anschreiben, das man ihm hatte zukommen lassen. Ihm war das Glück hold und so hatte er diese Fahrt in die Berge bei einer Straßenlotterie gewonnen. Und jener Preis beinhaltete ein umfangreiches Paket, bestehend aus einer privaten Fahrt mit einer der ältestes fahrtauglichen Bahnen, ein 5-Gänge-Menü für die Mitreisenden sowie zwei Übernachtungen in einem alten, traditionellen Ryokan, das mit Wellness-Angeboten, Freizeitaktivitäten und Unterhaltung lockte. Der Haken jedoch, den er seinen Mitstreitern vorenthielt, bestand darin, diese Reise zu überstehen. Obschon es Neji war, der der stürmischen Begeisterung mit Skepsis gegenüberstand, ließ sich dieser seine Bedenken oder das mulmige Gefühl nicht anmerken. Viel zu sprudelnd waren Energie und Eifer, mit denen Lee versuchte, der Gruppe jenes Abenteuer schmackhaft zu machen. »Eine Privatfahrt? Und du nimmst uns mit?« Naruto zeigte sich nicht weniger enthusiastisch, auch wenn die Begrüßung vor wenigen Minuten noch anderes hatte erahnen lassen. Das, was ihnen bevorstand, als der Trupp am letzten Tage des zehnten Monats in das luxuriöse Innere des Zuges stieg, wusste niemand von ihnen zu benennen. Eine Dame, freundlich lächelnd und sich ihnen als Miss Himei vorstellend, nahm die Reisegruppe im zweiten Wagon in Empfang. Sie lobte die Entscheidung, jenen Tag ausgewählt zu haben, denn der Oktober war lockend mit seiner Farbenpracht und schönstem Sonnenschein, so der Wettergott wollte. Und der Nebel, so verkündete sie, würde sich alsbald legen und ihnen einen Ausblick garantieren, wie er nur wenigen bisher vergönnt gewesen war. Mit einladender Gestik gebot sie den jungen Leuten Einlass. Das Metall der wenigen Stufen quietschte sacht bei jedem Tritt, doch jeder Schritt brachte die Reisenden einem vielversprechenden Wochenende entgegen. »Jetzt schau doch nicht so skeptisch, Neji!«, mahnte Tenten und versetzte ihm einen kleinen Stoß mit dem Ellenbogen. Dieser hatte die Nase kaum merklich gekräuselt, doch diesem Mädchen schien nicht die kleinste Regung zu entgehen. Während Laute des Staunens und Worte der Begeisterung zu ihnen herüberwehten, schien Neiji all das mit Misstrauen zu betrachten. Ein Keuchen entrang ihm, als er den festen Griff Tentens an seinem Handgelenk ausmachte, die ihn weiter in das Abteil zog. Die anderen Fahrgäste folgten, doch stürmten Rock Lee und Naruto das Abteil und ließen sich als erste in die großzügigen Sesseln fallen. Den jungen Damen genügte ein Blick und sowohl Sakura als auch Tenten befanden die Ausstattung des Wagons als angemessen, wenngleich mit einem großen Hauch an zu viel Prunk. Das gesamte Äußere des Zuges wirkte alt, klapprig sogar, doch das, was ihnen im warmen Innern begegnete, wog das abschreckende und allerhand Fragen aufwerfende Antlitz auf. Die Zugbegleiterin verwies auf den Charme des alten Gefährtes, erklärte in knappen Worten die Geschichte des Zuges und verwies auf die Neuerungen, die dieser erfahren hatte, um mit den neuen, hochwertigeren Reisemöglichkeiten mithalten zu können. »Ich wünsche Ihnen eine angenehme Reise. Doch bevor wir beginnen, möchte ich Ihnen die Crew für die Dauer unserer Fahrt vorstellen.« Das Lächeln auf den Lippen der Frau blieb, als seien die Mundwinkel mit Leim an ihre Wangen geklebt. Ratschend wurde die Wagontür geöffnet und hinter Miss Himei traten drei Mannen in das geräumige Abteil. Ein hochgewachsener, älterer Herr schob sich vor und verneigte sich. Zugführer Osore, wie die Zugbegleiterin erklärte. Dieser trat, nach Nennung seines Namens, wieder einen Schritt zurück und überließ das Feld einem kleinen, stämmigeren Mann mittleren Alters, der als Koch Kyōfu für das leibliche Wohl der Gäste sorgte. Als auch dieser wieder seinen Platz in der spärlichen Reihe fand, fiel der Blick der Anwesenden auf den letzten der drei Herren. »Monsieur Kurai wird Ihnen jeden Wunsch förmlich von den Augen ablesen«, kicherte die Dame und überließ es dem Oberkellner, sich den Gästen mit dienender Geste vorzustellen. »Wir lassen Sie nun für einen kleinen Augenblick allein. So können Sie sich voll und ganz auf unsere Reise einlassen. Monsieur Kurai wird Ihnen dann den Aperitif servieren.« Mit jenen Worten verließ der Tross den Wagon. Verdutzt blinzelte Sakura gegen das eben Geschehene an, dann huschte ihr Blick zu Lee, der sich in einem der Hochlehner lümmelte. »Sie bringen uns tatsächlich Alkohol?« »Jetzt sei keine Spielverderberin, Sakura!«, empörte sich Lee verteidigend. »Wenn das All-inclusive-Paket es vorsieht, dann wären wir doch schön blöd, es nicht anzunehmen, oder?« Zu ihrer Verblüffung stimmte Naruto den Worten Lees vorbehaltlos zu. Sasuke hingegen schwieg sich aus. Er hatte es sich einem Fensterplatz gemütlich gemacht und starrte in den Morgen hinaus. »Na ja, wenn du meinst?«, murmelte sie und ließ sich Tenten gegenüber in einen kleineren, runderen Sessel sinken. »Vielleicht hat Lee gar nicht so Unrecht? Vielleicht sollten wir diese kleine Reise als Auszeit annehmen?« Das Schulterzucken Tentens ließ die Miene Sakuras ein wenig milde stimmen. Und wie von Miss Himei prophezeit, erschien der Kellner mit einem Tablett. Leise klirrten die filigranen, hohen Gläser. Eine rote Flüssigkeit schimmerte in der kargen Beleuchtung der edlen Lüster. Noch war es nicht an der Zeit, das Licht zur Gänze zu entfachen, denn die Nacht war noch fern und die Sonne würde die Trübe des Nebels schon zu vertreiben wissen. Den Damen wurde zuerst gereicht. Kräuselnd stieg ihnen der brennende Geruch in die Nasen. In den Gesichtern der jungen Frauen spiegelten sich Zweifel, ob sie jene Gunst auch annehmen sollten. »Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?« Mit einem undurchsichtigen Lächeln wandte sich der Oberkellner den Gästen zu und diese brachten, wenngleich ein wenig irritiert, je ein knappes Kopfnicken zustande. »Wenn es Ihnen an etwas mangelt, so rufen Sie nach mir.« Naruto neigte den Kopf. »Wir sollen nach Ihnen schreien? Wirklich?« Das scharfe Einziehen von Luft war zu vernehmen, ehe sich Sakura von dem Polster erhob. »Nein, du Hohlkopf. Siehst du das kleinen Glöckchen?« Sakura verwies auf das Messinggestell, an dessen Ende eine Glocke befestigt war. Naruto folgte ihrem Fingerzeig und erkannte, dass an jedem Platz, an der Wagoninnenwand, eine solche Vorrichtung angebracht worden war, um nach dem Personal läuten zu können. »Ah!« Erstaunen zeigte sich auf seinem Gesicht. »Wenn ich also an dieser Schnur ziehe -« Ein leises Klingeln war zu vernehmen. Zufrieden nickte Monsieur Kurai die Erkenntnis ab. »Und das können Sie hören?« »Vertrauen Sie mir«, sagte der Kellner und zeigte ein flüchtiges Lächeln. »Ich habe ein sehr feines Gehör.« Erstauntes Murmeln breitete sich unter den Gästen aus, ehe dem Kellner ein knappes Räuspern entwich. »Das Essen wird Ihnen dann zeitig im Speisewagen, im vorletzten unserer Wagons, serviert.« »Wir essen nicht hier?«, rief Naruto aus. »Nein, mein Herr. Dieses Abteil ist die Lounge. Wenn es Ihnen nach einem Drink dürstet, so werde ich Ihnen gern an der Bar zu Diensten sein.« Monsieur Kurai verwies auf eine kleine Theke im hinteren Teil der Lounge. »Jedoch bitten wir Sie darum, keine Selbstbedienung vorzunehmen.« »Das versteht sich von selbst«, erhob Neji seine Stimme, die offenkundig keine Widerworte zu ließ. Abermals erschien ein karges Lächeln auf den Lippen des Obers. Mit einer knappen Verbeugung zog dieser ab. Die Landschaft, die an ihnen vorüberglitt, entwand sich allmählich dem morgendlichen Nebel und trug ein prächtiges Kleid zur Schau. Obschon die Felder ein wenig karg daherkamen, ließen es sich die Bäume nicht nehmen, sich den Reisenden in schönsten Roben zu präsentieren, die jene herbstliche Palette aufzubieten hatte. Die ersten, zarten Sonnenstrahlen boten ein Spiel der Nuancen, wie sie nur an solchen Tagen zu sehen waren. Rot, Orange, Gelb und Grün rangen miteinander um die letzten Augenblicke, eh der Winter, so unerbittlich, alles unter sich begrub. Doch statt sich der Darbietung anzunehmen, machte sich leichte Unlust unter den Gefährten breit. So war es kaum überraschend, dass die ersten, gelangweilten Seufzer von den Lippen Lees und Narutos wichen. An dem Kartenspiel, das sich Neji und Sasuke bedienten, konnten sie keine Freude finden. Und es gelang ihnen nicht, an den Gesprächen der jungen Frauen anzuknüpfen. Nicht wissend, wohin mit sich, streifte das Duo von einem Ende des Wagons zum anderen. An der Bar angelangt, glomm ihnen der Schalk in den Augen auf. Ein knappes Versichern, ob die anderen Begleiter mit sich allein beschäftigt waren, genügte ihnen. Rasch waren sie hinter dem Tresen verschwunden und begutachteten das Inventar. Es waren Gläser in allen möglichen Formen zu erkennen. Doch ein Glas blieb ein Glas, ein Gefäß, aus dem man trank, und es erschloss sich ihnen kaum, warum eine solche Fülle vonnöten war. Hohe, schmale, bauchige, massive und krugartige Gläser tauchten vor ihnen auf. Ein kurzer Stoß in die Rippen ließ Naruto leise die Luft einziehen. Mit mürrischer Miene betrachtete er den Grund für Lees Attacke: Ein kleiner Schrank, mit einem Vorhängeschloss daran, verhieß Verbotenes. Das Grinsen auf den Lippen beider wurde breiter. Lee strecke die Finger nach dem Schloss aus und stutzte, da dieses nichts zu versperren schien. Lose hing der Bügel an dem kleinen, metallenen Riegel, der ein Zuwiderhandeln verhindern sollte. »Komisch, oder?«, fragte Naruto und erntete nur ein Zucken der Schultern. »Ist ja wie eine Einladung.« »Ziemlich unvorsichtig, aber besser für uns.« Grinsend nahm sich Lee des Verschlusses an. Mit flinken Fingern war der Riegel beiseitegeschoben und die kleine Tür des Schranks mit leisem Quietschen geöffnet. Vor ihnen bot sich eine kleine Auswahl an edlen Flaschen auf. Nicht weniger seltsam wirkend, als es die Gläser taten. Eckige Flakons, stielartige Phiolen. Viel ließ sich jedoch im Schatten der Theke nicht ausmachen. Unwissend, was jene Bouteille beinhaltete, war die erste auf das polierte Holz des Tresens bugsiert. Das Äußere glänzend wie schimmernder Diamant, wirkte das Innere so unscheinbar wie gewöhnliches Wasser. Das heitere Treiben blieb jedoch nicht unbemerkt. Neugierde zierte die Gesichter des Karten spielenden Gespanns, während das Geschwätz der jungen Damen abrupt ein Ende fand. »Was treibt ihr zwei jetzt schon wieder?«, entkam es den Frauen wie aus einem Mund und sie sahen sich dazu veranlasst, dem Gewimmel auf den Grund zu gehen. Ihnen folgte der Rest des Grüppchens. »Seht und staunt, was wir gefunden haben.« Laut und mit überschwänglicher Gestik offerierte Lee den Anwesenden das entdeckte Repertoire an flüssigem Genuss. Grinsend schwenkte Naruto ein anderes Gefäß, dessen Inhalt golden schimmerte. »Lee! Lass die Finger von dem Zeug! Der Kellner hat gesagt, keine Selbstbedienung!«, beschwor ihn Tenten, deren Teint bereits nervöse Flecken bekam. »Ach kommt schon, nur ein bisschen«, rief dieser aus. Leise klirrend wurde der gläserne Stopfen entfernt. Die Finger Lees legen sich um den Hals der Flasche, ehe er diese an seine Lippen führte. Schneller, als die Gruppe ausmachen konnte, war der erste Schluck genommen. »Lee!«, rief Tenten alarmiert und war versucht, in den Gesichtern ihrer Mitstreiter Hilfe zu erkennen. Krächzend griff sich jener an die Brust. Das Brennen, der scharfen Flüssigkeit in der alten Flasche geschuldet, schien ihm ätzend und schier die Speiseröhre zu sprengen. »Was ist das für ein Zeug?« Neji entwand seinem Freund das Gefäß, während dieser nach Luft rang. Aufruhr war zu vernehmen, während die Gruppe versuchte, der Lage habhaft zu werden. Die jungen Frauen, mit Angst und Bange in den Augen, forderten den leichtsinnigen und in arger Bedrängnis geratenen Lee auf den mit Teppich besetzten Boden des Abteils. »Er braucht Wasser!«, rief Sakura aus und schickte Naruto, der an jener Situation nicht unschuldig schien, hinaus, um jenes beim Kellner zu erbitten. Sasuke schnupperte an der Flasche und besah sie sich eingehender. An der Unterseite des schweren Gefäßes fand er ein kleines Zettelchen vor. »Pures Ethanol! 99,5%.« »Wer verfrachtet reinsten Alkohol in eine Bar?!« Neji wandte sich von dem Schrecken ab und verschwand hinter dem Tresen. »Hier ist noch mehr davon!« »Lee!«, schrie Tenten und beugte sich zu ihm herab. »Wasser ist unterwegs. Halte durch!« Just in jenem Augenblick erschien Naruto mit Monsieur Kurai im Abteil. Die Blässe auf dem Gesicht des Kellners stand jener im Antlitz Lees in nichts nach. Keuchend wurde dieser wieder in eine aufrechte Position gehievt und mit genügend Flüssigkeit versorgt. »Ich hoffe für Sie, dass das auch Wasser ist!«, zischte Neji und beäugte das Vorgehen. »Was sollte es sonst sein?«, riet der Kellner und wirkte erleichtert, als der Patient wieder Luft bekam. Auch kehrte ihm das Blut in die Wangen zurück. »Sagen Sie es mir!«, forderte Neji und ließ den Ober nicht aus den Augen. »Wie kommt fast einhundert prozentiger Alkohol in diesen Schrank?« »Nun, es ist eine Bar, nicht?« Beinahe arglos brachte Monsieur Kurai ein Zucken der Schultern zustande. »Eine Bar ohne Alkohol ist keine Bar.« »Sie hätten beinahe unseren Freund getötet!«, fauchte Tenten erbost. »Aber, aber ...«, wiegelte der Kellner mit erhobenen Händen ab. »Das Missgeschick tut uns leid. Wir sind untröstlich. Womöglich wurde bei der Inspektion etwas vertauscht.« »Vertauscht?«, riet Sasuke und besah sich das Elend, das japsend und keuchend vor ihnen saß. »Natürlich werden wir alles erdenkliche tun, damit ein solches Vergehen nicht noch einmal geschieht«, pardonierend senkte der Ober das Haupt. »Es ist bedauerlich. Dennoch stellt sich mir die Frage, was Ihr Freund in diesem Teil des Wagens zu suchen hatte.« Schweigen trat auf die Worte Monsieur Kurais hin ein. Betreten und ertappt senkte das Gros der Gruppe die Köpfe. Monsieur Kurai tat, als bemerkte er die Scham nicht, die zwischen den jungen Leuten von einem zum anderen ging. »Das Mittagessen wird Ihnen pünktlich zum zwölf Uhr im Speisewagon serviert«, sagte er schlicht, reichte den Krug mit Wasser an Sakura und verabschiedete sich. »Ihr seid so peinlich und baut nur Mist und macht Unfug!«, herrschte Sakura und trabte im Zwischengang auf und ab. Wut hatte ihr die Wangen zum Leuchten gebracht. Immer schon geriet die junge Frau allzu schnell in Rage, doch jene Szene, gepaart mit Reue und Unverständnis dem vorangegangenen Handeln wegen, brachten ihr das Fass zum Überlaufen. Schnaufend ließ sich die junge Frau, nachdem sie beinahe jegliche Farbe aus dem Teppich getreten hatte, in einen Sessel sinken. Sorge huschte ihr über das Gesicht. Obschon es dem Patienten besser erging, war ihr noch immer mulmig zumute. »Ihr fasst hier nichts mehr an!«, zischte Sakura abermals, den Blick im Besonderen auf Naruto geheftet, in dessen Fingern plötzlich ein schmales, rechteckiges Ding nach Aufmerksamkeit verlangte. »Was ist das?!« Naruto, knapp die Augenbrauen zusammenziehend, fühlte sich ertappt. »Eine … Fernbedienung?« Nun war es an Sakura, fragend dreinzublicken. »Und was macht sie?« »Ganz tolle Sachen, Sakura!«, erklärte Naruto mit einer Spur Euphorie zu viel. »Sieh mal!« Die Finger glitten zu einem Knopf der just betätigt wurde. »Ich sehe gar nichts!«, knurrte diese, den Kopf auf die Hand gestützt, doch den Spaßvogel nicht aus den Augen lassend. »Jetzt warte doch mal! Da!«, gebot ihr der Blondschopf. Ein kurzes Flackern war zu bemerken. Die edelverzierten kerzenförmigen Lampen an Wänden glommen auf und erloschen, sobald Naruto sein Werk vollendet hatte. »O toll, du kannst Licht machen!«, zischte Sakura und erntete ein zustimmendes Verdrehen der Augen ihrer Begleiterin Tenten, die dem Spektakel nicht weniger abgewinnen vermochte. So vergingen die Minuten und Naruto schien wahrlich Gefallen an dem kleinen Spielzeug gefunden zu haben. »Naruto! Hör auf, mit der Fernbedienung zu spielen! Es macht mich wahnsinnig.« Sakuras Finger bohrten sich gefährlich in die Armlehnen ihres Sessels. Das aufglimmende Licht erlosch, nur um dann, kurz darauf, erneut einem Wechselspiel aus hell und dunkel zu frönen. Ein Jaulen war zu vernehmen, als der Geduldsfaden Sakuras riss und sie ihren Mitstreiter harsch zurechtwies. »Jetzt hört doch auf, aufeinander loszugehen!« Auch Tenten hatte sich von dem Polster erhoben und war geneigt, der jungen Dame Einhalt zu gebieten. »Es soll doch ein entspanntes Wochenende werden, oder? Wir sind noch nicht einmal zwei Stunden hier und ihr geht euch jetzt schon an die Gurgel!« Sakura ließ von dem Jungspund ab und begab sich an ihren Platz zurück. »Tenten hat recht«, pflichtete Neji bei. »Das mit Lee war ein kleiner Unfall.« Das abfällige Zischen Sakuras ließ er unkommentiert. Als die Wagontür aufgezogen wurde, huschten sämtliche Blicke zu dem Eindringling. Miss Himei trat ein, um sich der Situation und den etwaigen Wünschen der Gäste anzunehmen. »Vielleicht täte uns allen eine Tasse Tee gut?« Tentens Vorschlag wurde, wenngleich nicht von allen Reisenden, mit Wohlwollen entgegengenommen und so machte sich die Zugbegleiterin daran, dem Kellner das Anliegen nahezubringen. Keine fünf Minuten später war der dampfende Tee serviert. »Eine Spezialmischung«, pries Monsieur Kurai und kam nicht umhin, einen kurzen Blick auf Lee zu werfen. »Er wird dafür sorgen, dass Sie sich entspannen.« Argwohn zierte Sasukes Gesicht, während er sich der Tasse annahm, um den Inhalt bestimmen zu können. Ein sanftes Aroma stieg ihm in die Nase. Auch wenn ihm die Zusammensetzung der Kräuter nicht bekannt war, so schien bereits der Duft zu genügen, um dem rebellischen Drang Widerstand zu leisten. »Glaubt ihr, die wollen uns vergiften?« Neji, der sich gerade dem ersten Schluck bediente, spie und sprühte das mild schmeckende Getränk in Sakukes Richtung aus. Narutos Worte waren, nach allem, was vorhin mit Lee geschehen war, das Letzte, womit er rechnete. Verdutzt und verdattert wischte sich Sasuke die Tropfen aus dem Gesicht. Betreten senkte Neji das Haupt und murmelte eine Entschuldigung, die jedoch im Gelächter Narutos verklang. Als es an der Zeit war, sich im Speisewagen einzufinden, bat Monsieur Kurai um Vorsicht beim Übergang von einem Wagon in den nächsten. Wind und lautes Rattern erreichte ihre Ohren, sobald der Ober mit den Gästen den hinteren Teil des Zugabschnittes erreichte und die Schiebetür öffnete. »Der Speisewagen«, rief er gegen das Heulen und Kreischen der Räder an und deutete auf den Wagon vor ihnen. »Es ist nur ein kleiner Schritt. Ich hoffe, Sie verzeihen die Unannehmlichkeiten.« Sasuke ging voran, passierte den metallenen Übergang von Wagon zu Wagon und zog die Tür auf. Als er im Innern des Abteils verschwunden war, folgte ihm Sakura auf dem Fuße und ihr der Rest der hungrigen Meute. Auch wenn Lee noch ein wenig angeschlagen wirkte, so war es das Angebot an Speisen, das ihn lockte. So wankte er hinter Neji her, der seinen Kameraden jedoch achtsam im Auge behielt. Noch ließen sich keinerlei schmackhafte Düfte ausmachen. Monsiuer Kurai versicherte ihnen jedoch, dass der Koch bereits eifrig am Menü feile und es ihnen in wenigen Minuten serviert würde. Fragen spiegelten sich in den Gesichtern der Gäste, als Monsiuer Kurai an den Lampen des Abteils schraubte und so das Innere des Wagons hell erleuchtete. »Verzeihen Sie, doch wir werden bald in den Akumu-Tunnel einfahren. Da wäre es verwerflich, wenn wir Sie im Dunkeln speisen ließen.« Mir einem Lächeln auf den Lippen wandte sich der Ober dem Küchenwagon zu. »Hey, seht mal!« Neji deutete auf einen kleinen Berg vor ihnen, der gemächlich näher kam. Erst war ein kleines, dunkles Loch zu erkennen, das die Schienen verschluckte und mit jedem Meter, den sie vorantrotteten, anwuchs. »Das muss der Tunnel sein.« Die Gesichter an die Fenster gepresst, leisteten die Anwesenden der Aufforderung Folge. »Ein bisschen gruselig, findet ihr nicht?«, riet Tenten und war um ein zaghaftes Heben der Mundwinkel bemüht. »Hast du etwa Angst im Dunkeln?« Ein amüsiertes Grinsen zierte Narutos Lippen. »Sei nicht so überheblich, Naruto!«, knurrte Sakura, doch dieser wank rasch um Verzeihung bittend ab. Ein Rattern ließ das Abteil erzittern, als die Lok in das Dunkel hineinfuhr und die Wagons mit sich nahm. Just in jenem Augenblick war ein markerschütternder Schrei zu vernehmen, gefolgt von einem elendigen Stöhnen. »Was war das?«, rief Tenten aus. »Vielleicht ist dem Koch die Pfanne auf den Fuß gefallen?«, riet Naruto. »Beruhige dich, Tenten«, wies Neji an. »Naruto hat recht. Die Küchen in Zügen sollen bekanntlich sehr schmal und eng sein. Da können kleine Missgeschicke passieren.« »Gut, wenn ihr meint«, murmelte Tenten, doch die Gänsehaut, die ihr über Arme und Rücken kroch, ließ sich nicht vertreiben. Ein Ratschen ließ die Gruppe aufsehen. Die Tür zum Küchenabteil wurde aufgezerrt und im nächsten Moment klirrte und klapperte ein kleines Wägelchen über das Metall, ehe der Ober, gefolgt von kühler Oktoberluft, den Wagon betrat. Silbernen Speiseglocken, hohe Gläser und ein Flaschenkühler hopsten auf den glänzenden Etagen des Servierwagens. »Die Vorsuppe«, verkündete Monsieur Kurai und machte sich zuerst daran, die Flasche zu entkorken und den Gästen einzuschenken, ehe er sich der angepriesenen Suppe zuwandte. Nervös betrachteten die Gäste das schimmernde Getränk, das ihnen gereicht wurde. Da keinem von ihnen ein brennender Geruch in die Nase stieg, ergab sich die Gruppe des leisen Vertrauens, dass ihnen Koch und Kellner wohlgesonnen waren. Nach dem Fauxpaus vor wenigen Stunden wäre ein erneuter Fehltritt wohl keiner riskanten Aktion wert. Monsieur Kurai trug erst den Damen auf, ehe die Herren folgten und hob dann, nach und nach, die silbernen Hauben von den Speisen. Ihnen bot sich eine kleine Schale mit einem klaren Süppchen und kürbisfarbenen Kügelchen darin. Bejahendes Staunen säumte die ersten Terrinen, als das Licht zu flattern begann und den Wagon zu einem zittrigen Spiel aus Licht und Schatten einlud. Sowie der Ober die Hand nach der letzten Glocke ausstreckte, keuchte Lee auf. Die Finger des Kellners waren nicht länger von blasser Haut überzogen. Knochen und Sehnen flackerten vor seinem Auge auf. Als Lees Blick auf die Suppe fiel, glaubte er, man spiele ihm einen Streich. Das Süppchen, vor wenigen Sekunden noch einer klaren Brühe gleich, erschien ihm nun mehr eiterig-gelb und grüne Blasen werfend und das, was Monsieur Kurai ihnen als harmlose Suppeneinlage verkaufte, war ihm nicht mehr als das, was einem blutunterlaufenen Augapfel nahekam. Sobald Lee den Blick hob, um sich des Schreckens auch bei seinen Mitreisenden zu versichern, war das Abteil in Licht gehüllt und aus dem Eitersüppchen die versprochene klare Brühe nebst harmloser Einlage geworden. Schlürfende Laute erklangen und während Sakura dem Lärm beizukommen versuchte, drehte sich Lee der Magen um. Kurz riskierte er einen Blick auf den Ober, dessen Hände nichts von dem Schauer erahnen ließen, den Lee zuvor zu sehen glaubte. »Köstlich«, vernahm er den schwärmenden Ton Tentens. »Hey Lee, was ist los? Willst du nichts essen?« Ihrer Frage mit nobler Blässe um die Nase ausweichend, langten seine Finger nach dem Löffel vor sich. Zitternd bebte das Besteck in seinen Händen, ehe ihm ein Keuchen entwich. »Ich denke, ich setzte diesen Gang aus«, schluckte Lee. »Wie bedauerlich«, seufzte Monsieuer Kurai hinter ihm und Lee fuhr kaum merklich zusammen. »Wenn Ihnen noch nicht wohl ist, dann ...« »Jetzt probier die Suppe!«, drängte Sakura, die der Unhöflichkeit entgegenzuwirken gedachte. Japsend rang Lee nach Atem, hob den Löffel an und schöpfte einen kleinen Pfuhl, in dessen Mitte ein Kürbisbällchen schwamm. Abermals flackerte das Licht und zeigte ein schleimiges Rinnsal, das ihm vom Löffel tropfte. Lee kniff die Augen zusammen, führte das Besteck jedoch nicht an seine Lippen sondern tat, als gönne er sich jene Köstlichkeit und unterstrich sein Tun mit wohlschmeckenden Tönen. Erneutes Flackern tauchte das Abteil in einen diffusen Schein. Monsieur Kurai war gegangen, so schnell und lautlos, dass es Lee schauderte. »Wo ist er hin?« Er verrenkte sich beinahe den Hals. »Wer? Der Kellner? Der ist vor zehn Minuten gegangen«, erklärte Tenten. »Was?«, keuchte Lee und hoffte, dass ihm noch etwas von dem Übel in den Knochen saß, in das er sich vor wenigen Stunden selbst hineinbefördert hatte. »Ihr … ihr … habt doch wohl nichts von der Suppe gegessen?!« »Doch«, sagte Naruto und zeigte ihm die beinahe saubergeleckte Schale. »Die war richtig lecker. Aber eine Nudelsuppe wäre mir lieber gewesen!« »Hey, Lee, ist alles in Ordnung mit dir?« Nejis Frage begegnete er mit einem kümmerlichen Nicken. Der zweite Gang bestand aus einem Omelette mit feinen Kräutern an geröstetem Brot. Wieder wurde den Damen zuerst gereicht. Als das Flackern abermals den Wagon in knappe Dunkelheit führte, war es Sakura, deren plötzliches Keuchen für Belustigung sorgte. Naruto, der neben ihr saß, schien sich über ihr Staunen zu amüsieren. Doch nach Staunen war der jungen Frau ganz und gar nicht zumute. Vor ihr zeigte sich das Ergebnis von geronnenem Blutei. Das Brot, kross und herrlich duftend, war von Schimmel übersät und eine Schar toter Fliegen schien auf der Eierspeise verstreut. Sakura hob den Blick um sich dem Schrecken auch auf den Tellern der anderen zu vergewissern. Verwirrung zierte ihr Gesicht. Erlag sie dem Spiel aus Licht und Schatten? Spielten ihr Augen und Wahrnehmung etwa einen gemeinen Streich? Erst war sie geneigt, Messer und Gabel beiseite zu legen, dann jedoch häckselte sie das Omelette in viele kleine Stücke und mischte das Brot darunter. Miss Himei erschien, um sich nach dem Befinden der Gäste zu erkunden. Sakura rang sich ein flüchtiges Lächeln ab. »Du hast ja gar nichts gegessen«, erlaubte sich Naruto anzumerken und stieß einen zischenden Laut aus, als Sakuras Stiefel unsanft sein Schienbein traf. Kurz sah sie zu Lee herüber, doch diesem schien lediglich die Vorsuppe nicht bekommen zu sein. Ein Wimmern war es, das Sakura zusammenfahren ließ. »Was war das?«, verlangte sie, mit Blick auf die Zugbegleiterin, zu wissen. Miss Himei neigte den Kopf. »Wie meinen?« Ein erneutes Lichterzucken ließ Sakura beinahe an ihrem Verstand zweifeln, glaubte sie doch, dass der strenge Haarknoten im Nacken Miss Himeis, gelöst und einem Strick gleich um ihren Hals geschlungen war. Die Augen waren der Frau aus den Höhlen getreten und die Kleidung hing ihr in losen Fetzen am Leib. Sakura schluckte an dem Kloß in ihrem Hals. »N-nichts.« Den Reisenden wurde eine kleine Pause gewährt, bis man ihnen das restliche Menü auftrug. Lee und Sakura blieben ungewohnt still, ein Umstand, der selbst Naruto nicht geheuer war. Doch auf Nachfrage reagierten beide eilig und rasch und beteuerten, dass alles in Ordnung sei. Monsieur Kurai betrat zum dritten Male den Speisewagen und bot den Gästen eine Kreation aus herrlichem Fleisch mit Juliennstreifen der Gemüse der Saison an Rotweinsauce. Doch für Neji stellte dieses Mahl eine Herausforderung dar. Denn für eine Rotweinsauce war die Tunke ungewöhnlich dunkel, roch fremdartig streng und fischig. Er nahm die Gabel zur Hand und rührte in der Sauce herum, bis ihm ein schleimig-dickes, fadenähnliches Etwas an dem Besteck hängenblieb. Das, was ihnen als Gemüsestreifen offeriert wurde, war weder herbstlich noch saisonal. Neji hatte Mühe, zu identifizieren, was man ihnen dort als Hochgenuss servierte. Ihm schoss die Galle die Kehle hinauf. Unbemerkt ließ er den Blick schweifen. Alle am Tisch lobten Düfte und Geschmack der gereichten Speisen. Abermals flackerten die Lichter im Wagon. Mit Messer und Gabel schob Neji das, was jedem als kleiner Braten aus feinstem Filet zugedacht war, auseinander. Im Innern quoll eine Füllung hervor, die etwas barg, dass es ihm mehr als nur übel wurde. Etwas zartrosafarbenes, mit … kleinem Kopf, winzigen Armen und Beinen und einer Art Schnur, die am Bauch hervorbrach. Dass sich ihm all das nur im Schein des flimmernden Oberlichtes offenbarte, bemerkte er erst, als die Lampen wieder ihren Dienst aufnahmen. Die Gerichte der anderen zeigten nichts der Abscheulichkeiten der menschlichen Natur. Neji blickte zu dem Kellner auf, der in den Halbschatten des Abteils zurückgezogen hatte und auf das Ende des dritten Ganges wartete. Gang Nummer vier bildete eine Komposition aus einer Fleischpastete, Kartoffelrosen und frittierten Fädchen aus einem Nudelteig. Freudig stürzte sich Naruto auf das Gericht und auch Tenten ließ es sich nicht nehmen, zu probieren. Neji betrachtete das dargebotene Menü mit Skepsis und kam nicht umhin zu bemerken, dass es Lee und Sakura ähnlich erging. Doch weder er, noch die anderen vermochten etwas Seltsames auf den Tellern auszumachen. Auch wenn ihnen das ständige Flimmern des Oberlichts eine Spur zu sehr an den Nerven zerrte. Es war Sasuke, der sich der Pastete annahm und urplötzlich innehielt. Im Innern der Pastete begegnete ihm eine Art fleischiger, rosa-grauer, walnussförmiger Deckel, der ein weiteres Geheimnis lüftete, sowie diese mit Riefen und Rillen bedeckte Haube durchbrochen wurde. Ein wirres Geschlängel, das einem Darm nicht unähnlich war, zeigte sich den gierigen Mäulern. Kleine, bohnenartige Fleischklumpen trugen ebenso zur Füllung bei. »Sind … sind das Haare?« Sasuke pikte mit der Gabel eines der frittierten Nudelnester auf, an dessen Unterseite ein Hautfetzen hing. Laut klirrte Tentens Gabel auf ihren Teller zurück. Mit vor Schreck geweiteten Augen blickte sie zu Sasuke. »Eßt weiter!«, knurrte Neji. »Jetzt ist es auch egal!« »Wie … wie meinst du das?«, keuchend und zitternd entkamen die Worte ihrem Mund. Lee schwieg und Sakura biss sich auf die Lippen. Lautlos huschte Monsieur Kurai an die Gruppe heran. Tenten stieß einen erschrockenen, spitzen Schrei aus. »Was zur -?! Tun Sie das nie wieder!«, rief sie entrüstet. »Verzeihen Sie.« Ein knappes Lächeln zierte das Gesicht des Obers, das sich im flirrenden Lichtschein zu einer grotesken Fratze verzog. Tenten zog scharf die Luft ein, schloss die Augen und zählte bis drei, ehe sie die Lider hob und feststellen musste, dass ihr der verwirrende Wechsel von Hell und Dunkel zu schaffen machte. Die Nachspeise bildete den letzten Gang. Eine Abstimmung feinster Noten aus Schokoladenkuchen, einem himmlischen Parfait und einer Süßspeise mit puddingähnlicher Konsistenz. Das, was sich ihr in einer Schale und auf einem kleinen Teller präsentierte, wirkte harmlos und hatte nichts von dem Schrecken, der den anderen widerfahren war. Tenten nahm den Dessertlöffel zur Hand und schöpfte etwas von dem Parfait ab. Der Geschmack erinnerte sie an Ohrenschmalz, bitter und fettig. Sofort legte sie den Löffel zurück. Der Kuchen, mit einem weißen Puder bestäubt, zeigte sich ihr einladend, doch das weiche Innere quoll dick und blutig aus dem Teig hervor, sowie sie mit der kleinen Gabel hineinstieß. Ein metallischer Geruch stieg ihr in die Nase und verdarb ihr die Lust auf Kuchen. Bliebe ihr noch ein letzter Versuch, sich des Puddings anzunehmen. Die Streusel jedoch knackten beim Kauen, wiesen seltsame Färbungen auf und das, was sich als kremige Masse zeigte, war nichts weiter als ein heiteres Fest für Fliegenlarven, die übereinander krochen. Bis auf Naruto, der sich den Süßspeisen hingab, löffelte keiner der Freunde an den Desserts. Das Parfait schmolz und der Kuchen verkrustete und fiel in sich zusammen. »Ihr seid wirklich undankbar!«, nuschelte Naruto und kratzte die letzten Reste des Puddings zusammen. »Der Nachtisch ist doch immer das Beste am ganzen Essen!« »Wir haben nur keinen Hunger mehr«, erklärte Sasuke, um Ruhe und Fassung bemüht. Erneut erlosch das Deckenlicht, nur um dann zuckend einen letzten Lebenshauch von sich zu geben. »Bleibt ruhig!«, mahnte Neji, als den jungen Frauen ein Aufschrei entfuhr. »Leute, he – was … ist hier eigentlich los?«, rief Naruto in die Dunkelheit hinein und keuchte auf, als er einen Stoß von der Seite kassierte. »Wir sitzen es aus«, beschwor Sasuke die Situation. »Was sitzen wir aus?«, empörte sich Naruto. »Ich sehe nicht einmal die Hand vor Augen! Und dieser Tunnel ist auch seltsam.« »Diese ganze Reise ist seltsam«, murmelte Neji. »Hat jemand ein Feuerzeug?« »Was ist mit der Fernbedienung?«, hob Tenten an. »Die, mit der Naruto herumgespielt hat?« »Erinnere mich nicht daran!«, knurrte Sakura und war versucht, etwas, wenngleich die Schemen ihrer Freunde auszumachen, doch es gelang ihr nicht. »Hey, Naruto!«, rief Lee über die Stimmen der anderen hinweg. »Hast du die Fernbedienung bei dir?« »Klar!« Dieser tastete suchend nach dem kleinen Gerät, das er unbemerkt, doch zum Glück für die anderen, entwendet und die Hosentasche hatte gleiten lassen. »Hier ist sie!« »Großartig, dann versuch doch mal, ob sie hier drinnen auch funktioniert!«, zischte Sakura. Naruto ließ seine Finger über das kleine Gerät wandern. »Mist!« »Was ist jetzt schon wieder?«, seufzte Sakura neben ihm. »Ich weiß nicht, welchen Knopf ich drücken muss«, murmelte dieser entschuldigend. Unruhe wallte am Tisch auf. »Das Ding hat doch nur zwei Knöpfe! Du musst nur einen davon drücken«, fauchte Sakura unwirsch. »Ich versuch's ja«, keuchte Naruto auf. Ein Wimmern und Jammern fegte plötzlich durch das Abteil, ehe ein dumpfes Geräusch zu hören war. »Sakura!«, empörte sich Tenten, der der Schrecken in die Glieder fuhr. »Wir wissen, dass Naruto anstrengend ist, aber das ist dann doch eine Spur zu viel.« Sakura sträubten sich die Nackenhaare. »Ich war das nicht! - Ich habe ihm nichts getan!« »So!«, frohlockte Naruto und warf einen Blick zur Abteildecke hinauf. Über ihnen erwachte die Beleuchtung surrend zum Leben. Befreit aufatmend vergewisserten die Anwesenden einander. Doch sowie die Blicke auf den Tisch fielen, durchbrachen gellende Schreie der Angst und Furcht die Woge der Erleichterung. Als habe der Tunnel nur auf diesen Augenblick gewartet, spuckte er den kleinen Zug mitsamt den Wagons in das Tageslicht hinaus. Vom herbstlichen Mittagslicht war jedoch nicht viel zu erkennen, da tiefe, schwarze Wolken über den Himmel walzten. Die Gruppe war vom Schrecken erfasst: Ein faulig-süßlicher Gestank waberte durch das Abteil, als ein Körper, der einst menschlich war, vor ihnen auf dem Holz der kleinen Tafel aufragte. »Was zum?!« Neji warf einen wütenden Blick auf Lee, dem sämtlich Farbe aus Gesicht gewichen war. »Was hast du uns da eingebrockt, Lee?« Sakura sprang zurück, als Ungeziefer aus den Augenhöhlen des Leichnams kroch. Scheppernd kippte der Stuhl zu Boden. Sie besah sich das Möbel und keuchte auf, als sich Knochen erkennen ließen, die den Korpus bildeten. »Wir müssen hier raus! Sofort!«, drängte Sasuke. »Raus? Und wohin?«, kreischte Tenten. »Erst einmal in ein anderes Abteil!« Neji trat auf die Wagontür zu, die Speisewagen und Lounge von einander trennte. »Verdammt!« »Was ist los?«, rief Naruto. »Bekommst du vor lauter Panik die Tür nicht auf?« »Halt die Klappe, du Schlauberger! Ich habe mir die Hand verbrannt!« Neji war vor Tür zurückgeschreckt, als habe ihn ein Rudel Wölfe ins Visier genommen. »Jetzt red doch keinen Unsinn, Neji!« Naruto schob sich an Sasuke vorbei, der nicht weniger impulsiv dem Drang zur Flucht nachgab. »Lass die Finger davon!«, beschwor ihn Sasuke, doch da hatte Naruto bereits die Finger nach dem Griff ausgestreckt. »Heiß, heiß, heiß!«, schrie er auf. »Das brennt ja wie die Hölle!« Ein schauriges Lachen erfüllte die Ohren der Gäste, dröhnte durch die Gehörgänge und zwang die armen Seelen auf die Knie. Ein Singsang, so schauerlich, dass ihnen das Rückenmark kribbelte und durch die Leiber wogte, wie eine Welle albtraumhaftester Qualen. ~»Ihr werdet nie wieder aus diesem Zug aussteigen«~ Donnergrollen ließ den Boden unter ihren Füßen beben und wohl niemand wusste mehr, ob das herannahende Gewitter oder das Ruckeln des Zuges diesen Moment für sich vereinnahmte. Blitze zuckten am finsteren Himmel, warfen Licht und Schatten einander zu. Das, was am Morgen noch als kleine Flucht aus dem Alltag dienen sollte, hatte die Maske abgelegt und wahres Grauen offenbart. Ängstliches Wimmern war aus einer Ecke zu vernehmen, während die Stimme dem Liedlein frönte und Pein und Panik zum gemeinsamen Musizieren einlud. „Wir müssen hier raus!“, entwich es Neji keuchend. Er zwang sich, nach seinen Freunden Ausschau zu halten. Etwa eine Armlänge von ihm entfernt kauerte Tenten, deren Gestalt unter einem der knöchernen Sitzmöbel verharrte. Ihr zitteriges Schluchzen war jedoch kaum auszumachen. Naruto und Sasuke waren ganz in seiner in der Nähe, waren die drei im Moment des Augenblicks der Tür zum Wagon am nächsten. Blieben noch Lee und Sakura, die Neji rechts von sich bemerkte. Beide waren am weitesten entfernt. Der Gesang endetet so abrupt, wie erneutes Licht über den Himmel huschte. Ein Windstoß, so kraftvoll, dass er die Fenster bersten ließ, trug vier Gestalten mit sich. Eine kauerte auf dem verwesenden Leib beim Tische und bohrte mit langen Fingern zwischen den Rippen herum. Eine andere hing kopfüber von der Decke, spielte, ähnlich einer Katze, mit dem Lüster, von dessen Prunk nichts mehr zu erkennen war. Das dritte Wesen huschte einem Schatten gleich, von Wand zu Wand. Der vierte Besucher positionierte sich jedoch in der Mitte des Abteils und neigte den Kopf, als begutachte er die Ware. »Kyōfu!«, donnerte es durch den Wagon. »Was hast du uns hier angeschleppt?« Das dritte Wesen hielt mit der Hetzjagd inne und ließ sich neben der hohen Gestalt nieder. »Sie!« Neji fuhr zusammen, denn Lee hatte Mut und Stimme zusammengenommen. »Sie sind der Kerl, von der Straßenlotterie!« Kyōfu ließ ein lippenloses Lachen erkennen, verstummte jedoch, als er zu seinem Partner aufsah. »Du hast uns einfältige, dumme Kinder gebracht!« Die vierte Gestalt schien nicht zufrieden mit der Arbeit, die geleistet worden war. »Es ist nicht meine Schuld – Himei hat -« Die Laute dessen, der einst der Koch gewesen war, erstarben. »Himei!«, dröhnte es den Reisenden in den Knochen, »lass die Finger von dem armen Kerl!« Himei, deren dunkles Haar ihr nun mehr das Gesicht verdeckte, linste durch die dünnen Strähnen, verzog den breiten Mund zu einer kreischenden Grimasse und ließ murrend von dem Leichnam ab. Ein giggelndes Lachen erklang vom Lüster her. »Es ist jedes Jahr dasselbe. Ihr zankt und streitet, weil niemand von euch diese armselige Vorstellung genießt.« »Kurai«, zischte Himei, »bei deinem letzten Versuch, Seelen habhaft zu werden, hat man uns 240 Jahre in die tiefsten Tiefen der Hölle verbannt.« »Der Aufstand war ein Versehen«, konterte der einstige Kellner, dessen Erscheinung mehr an ein kleines, kümmerliches Ding erinnerte, statt mit einem imposanten Äußeren aufzuwarten. »Schweigt, alle!« Harsch unterbrach die vierte Gestalt das Treiben. Ein Gestank von versenktem Haar und verbranntem Fleisch kroch auf die Gäste zu, sowie jenes Wesen an ihnen vorüberging. Als es vor Tenten hielt, war Neji alarmiert. »Lass deine Finger von ihr!« Just in jenem Augenblick streckte die Gestalt die Hände nach Tenten aus, zog sie unter dem Stuhl empor und betrachtete die junge Frau, in deren Augen sich tausend Schrecken brachen. »Wisst ihr«, begann die vierte Gestalt, »bis auf das Quälen armer Sünder, haben wir nicht viel, das uns Freude macht. Doch an diesem Tag, ein einziges Mal nur, wenn ihr Menschen das, was ihr als Jahr bezeichnet, beschreibt, dürfen wir aus der Hölle steigen und uns jenen annehmen, die zu uns kommen.« Ein genussvolles Lechzen war zu hören. »Wir werden euch das Fleisch von den Knochen nagen.« »Doch zuerst ziehen wir euch die Haut ab.« Himei trat an Tenten heran, die noch immer zwischen den Fingern des letzten des Quartetts Angehörenden baumelte und beäugte mit grotesk gebleckten Lippen den nächsten Happen. »Eure Schädel werden uns als Suppenschalen dienen«, frohlockte der Koch. »Tenten!«, krächzte Lee und erschrak. Ein Aufschrei hallte durch das Zimmer. Lee saß kerzengerade in seinem Bett, die Decke wild und eilig von den Beinen gestrampelt. Schweiß stand ihm auf der Stirn und lief ihm den Rücken hinab. Keuchend rang er nach Atem und musste sich erst einmal dem versichern, was ihm widerfahren war. Die Zeiger des Weckers verwiesen auf kurz nach ein Uhr in der Früh. Wind rüttelte an den Fensterscheiben, als sei es ihm selbst zu furchterregend, draußen allein zu sein. Die Nacht noch in den Knochen, schleppte er sich durch den Tag. Auf dem Marktplatz erregte jedoch eine Traube von Menschen seine Aufmerksamkeit. Ein Mann, klein und rundlich, rief die Schaulustigen herbei. Der Stand machte nicht viel her, doch das, was die Meute anzog, befand sich in einer Box, an der ein Kurbelmechnismus angebracht war. Eine Tafel zur rechten Seite hielt die Preise bereit. »Kommen Sie und besuchen Sie unsere Straßenlotterie«, pries der kleine Mann. »Ein jedes Los gewinnt. Es gibt keine Verlierer. Schauen Sie auf die Tafel. Jede Farbe der kleinen Kugeln hält eine Überraschung für Sie breit. Der Hauptgewinn ist ein Wochenende, bei dem Sie diesem trüben Herbst für zwei Tage entfliehen können. Doch es gibt auch Trostpreise. Kommen Sie, staunen Sie, gewinnen Sie!« Lee schluckte. Ein nervöses Zucken machte sich in seinen Fingern breit. Auch wenn ihm der Traum eine Warnung hätte sein sollen, marschierte er, der Neugierde wegen, auf den Stand zu. Ein Traum, der nichts weiter war als ein Gespinnst, das ihm gekommen war, weil er zu viel ferngesehen hatte. »Na, mein junger Freund. Versuch du doch dein Glück bei unserer Straßenlotterie. Vielleicht ist dir das Glück hold und das kleine, goldene Kügelchen garantiert dir und fünf weiteren Freunden einen zwei-Tage-Wellness-Ausflug«, rief der Mann ihn näher zu sich. Doch Lee entschied anders, auch wenn er geneigt war, zurückzugehen, hielt ihn doch etwas davon ab, sein Glück und das Schicksal selbst auf die Probe zu stellen. »Ich mach's!«, vernahm er Narutos freudigen Ausruf, sah noch, wie dieser an die Box herantrat, die Kurbel in die Hand nahm und an dieser drehte. Leise klirrend fiel ein Kügelchen in die Schale. »Und wir haben einen Gewinner!«, jubelte der Herr von der Lotterie. Lee wäre beinahe das Herz in die Hose gerutscht. Eiligst wandte er sich dem Geschehen zu. »Aber die Kugel ist blau.« Ein enttäuschtes Murren war zu hören. »Aber, aber, mein Freund. Das bedeutet, dass du noch einmal losen darfst!« Lee schluckte vernehmlich, denn Naruto rieb sich bereits die Hände. Mit Eifer und Schnelle wurde die Kurbel erneut gedreht und das Ergebnis jagte ihm einen grausigen Schauer über den Rücken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)