Aggressive Retsuko/アグレッシブ烈子 von SainzDeRouse (Überstunden-téte-á-téte) ================================================================================ Kapitel 1: Überstunden zu zweit ------------------------------- Überstunden zu zweit Retsuko streckte ihre Arme und Finger und bog ihren Rücken. Das Muskelspannen im Rücken begann sie wieder zu quälen. Früher hatte sie Rückenschmerzen geplagt nach so einem langen harten Tag am Schreibtisch, doch war es besser geworden nachdem sie mit Yoga begonnen hatte. Die Schweißtreibenden Abende mit Frau Gori und Frau Washimi waren inzwischen zu einem festen Ritual geworden. Jeden Montag und Donnerstag liefen die drei Angestellten der Abzocki-Export GmbH direkt nach der Arbeit zum Studio. Morgen war es wieder soweit und Retsuko freute sich schon sehr. Während Fenneko, Anai und die anderen ihre Computer hinunter fuhren und sich zu den Umkleideräume aufmachten, trat Direktor Ton an ihrer Seite und sie ahnte Schlimmes. Einen Berg an Papierkram krachte auf ihren Tisch und wurde nur mit einem „Das erledigst du noch heute“, kommentiert. „Natürlich“, antwortete sie gewissenhaft, wie immer. Eben die perfekte Angestellte. Innerlich kochte die Wut in ihr hoch. Immer traf es sie. „Haida, hiergeblieben. Das hier musst du noch erledigen. Die Aushilfskraft schafft das nicht allein“, erklang wieder der Bariton des Direktors und zauberten Retsuko einen überraschten Gesichtsausdruck ins Gesicht. „Selbstverständlich“, lächelte Haida kurz überfordert und schien noch überraschter zu sein als seine rote Panda-Kollegin. Fenneko blickte erstaunt zwischen beiden hin und her und lachte das freudlos klingende, boshafte Lachen wie immer. „Ha ha ha ha.“ „Das ist nicht lustig“, riefen Retsuko und Haida wie aus einem Mund. „Dann wird wohl nichts mehr mit Trinken, Haida. Komm Anai, dann gibt es mehr für uns“, zog Fenneko Anai hinaus und bildete mit ihm die Nachhut der Buchhaltung. Da waren sie nun, ganz allein. Die Hyäne und die Panda-Dame sahen sich an und wussten was zu tun war. Erstmal eine wohlverdiente Pause. Im großen Pausenraum zog Haida sich einen Dosenkaffee aus dem Automaten während Retsuko neidisch aus dem Fenster hinunter zu den anderen Kollegen blickte, die eilig in Massen das Gebäude verließen wie auf der Flucht. Als sie Gori und Washimi erblickte, welche offensichtlich auf jemanden warteten, zückte sie ihr Handy und schrieb Gori eine Nachricht.   Wurde zu Überstunden verdonnert. Haida ebenso. Ich komme später. Habt einen schönen Feierabend.   Seit den frühesten Ereignissen hatte sie ihre Wohnung gekündigt und war bei Gori untergekommen. Durch ihr Start-Up mit ihrer Heiratsvermittlungsapp hatte sie die Möglichkeit erhalten in eine neue große Wohnung zu ziehen, welche genug Platz für beide bot. Typisch wie es für sie war hatte sie das Angebot nicht annehmen wollen, Retsuko hatte darauf bestehen wollen in ihrer Wohnung zu bleiben, schließlich war ihr Angreifer im Gefängnis. Doch gab es keine Diskussionen, selbst ihre Mutter hatte sich eingemischt und darauf bestanden das sie die Wohnung aufgeben sollte. Aufgrund der Kündigungsfrist stand ihre Wohnung noch unangerührt da, die wichtigsten Sachen hatte sie kurzerhand in zwei Koffern zu Gori verfrachtet. Doch wenn sie einmal die Woche dort hin ging um die Post abzuholen und nachzusehen ob alles in Ordnung war fühlte sich die Wohnung beschmutzt, irgendwie unrein und kalt an. Es war nicht mehr ihre Wohnung. Als wäre jemand eingedrungen und hätte sich breit gemacht. Nachdem dieser kranke Stalker im Internet veröffentlicht hatte wo sie wohnt, wo sie arbeitet, war ihr einstiges Zuhause nicht mehr ihr Zuhause.   „Retusko, auf was hast du hunger, was soll ich dir vom Animart mitbringen?“ „Wie?“, fragte die Panda-Dame verwirrt, noch ganz in ihren Gedanken. „Alles in Ordnung? Woran hast du gedacht?“, fragte Haida besorgt. „An den Stress mit der Wohnungssuche. Drei Monate werden niemals ausreichen etwas zu finden.“ „Das wird schon. Gori hat ja gesagt das du gerne länger bei ihr bleiben kannst.“ „Ja, aber ich fühl mich wie ein Parasit. Als würde ich sie stören.“ „Rede dir das nicht ein, auf mich macht sie den Eindruck das sie es genießt. Und wenn du dort mal verschwinden willst kannst du auch zu mir kommen“, sagte er sanft, trat neben ihr und reichte ihr ihre Lieblingslimo aus dem Automaten. „Also was darf es sein?“ „Gyoza“, lächelte Retsuko und nahm einen Schluck aus der Dose. „Sehr wohl,bin gleich wieder da“, sagte Haida und machte sich auf Weg etwas essbares zu beschaffen. Retsuko sah ihm hinterher und fragte sich mit was sie ihn verdient hatte. Die ersten Tage im Büro waren herrlich normal gewesen. Das Büro war wie eine kleine Zeitkapsel, welche den zuvor verhassten Trott, nun wie ein gern gesuchter Rückzugsort für die angeknackste, geschundene Seele Heilung versprach. Die meisten Kollegen hatten von ihrem Doppelleben nichts gewusst, außer Direktor Ton, Komiya, Fenneko und Haida. Retsukos Beurlaubung wurde den Kollegen als hartnäckige Erkältung verkauft und so konnte sie zurückkehren ohne unangenehme Fragen beantworten zu müssen. In ihrer geliebten Karaokebar hatte sie Haida ihr wahres Gesicht gezeigt und offenbarte ihm gegenüber ihre Angst. Er hat sich jedoch nicht beeindrucken lassen von ihrem bösen Blick, ihrem Schreien und ihrer Ablehnung. Wie ein verwundetes Tier hatte sie ihm erklärt das die Welt sie geschlagen hatte. Doch ganz wie selbstverständlich hatte er ihre Hand ergriffen und ihr mit einem Lächeln gesagt das sie gemeinsam zurückschlagen würden. Nachdem sie noch einmal mit dem Taxi zu ihren Eltern gefahren waren hatten sie sich ihre Sachen geschnappt, waren zu Gori gefahren, ihre Rückkehr gefeiert und Essen bestellt. Das Wochenende hatte sie noch Zeit sich gedanklich auf die Arbeit vorzubereiten und hatte über Haida nachgedacht. Zu ihrer Schande hatte sie gestehen müssen das sie ihn als völlig selbstverständlich angesehen hatte. Er war immer da gewesen. Sei es auch nur für ein nettes Gespräch, eine spendierte Limonadendose, oder die Frage ob er ihr bei der aufgebrummten Arbeiten etwas abnehmen könnte. Anweisungen die ihr gemeinsamer Kollege Anai nicht Folge leisten wollte hatte Haida für sie angewiesen oder hatte Direktor Ton davon abgelenkt zu sehen das sie während der Arbeit eingeschlafen war, weil sie bis spät in die Nacht für die Underground-Band OTM gearbeitet hatte um ihre Schulden bei Herr Hyodo abzustottern. Es waren so viele kleine, alltägliche und unscheinbare Dinge die er für sie getan hatte. Unscheinbar für sie. Niemand hatte sie in diesem Großraumbüro gesehen, außer Haida. Er führte keinen netten Smalltalk um danach hinter ihren Rücken zu lästern. Haida war einfach da und nahm die wahre Retsuko mit ihren Macken, ihren Talenten und ihren spießigen Selbst an. Ohne etwas zu erwarten, ohne Hintergedanken, bestehend nur aus versteckten Hoffnungen. Hoffnungen welche sie ignoriert und er unterdrückt hatte. Gebannt vom Trott der sich immer wiederholenden Runden im Hamsterkäfig hatte sie den Fokus auf Karaoke, ihre einzige Tür hinaus aus dem Käfig gelegt. Getrieben von ihrem konservativen, sexistischen Chefs, ihrer Kontrollsüchtigen Mutter, den lästernden Kollegen und den zeitraubenden Männern. Auf der Suche nach ihrem eigenen Glück und sich selbst, gänzlich verdrängend das es eine verwandte Seele gab der es ähnlich erging wie ihr. Nachdem Haida sie aus ihrer Welt der Angst und aus ihrem ehemaligen, leeren Kinderzimmer geholt hatte, war er wieder in den alltäglichen Arbeitskollegen-Modus verfallen. Und Retsuko war dankbar dafür. Dankbar das er sich ihr nicht aufdrängte, sie nicht um Dates bat oder sie zu ihren verwirrenden Gefühlen befragte. Doch eines hatte sich entschieden geändert. Seine Stimme, seine Ausstrahlung und seine Haltung. Erst durch diese Veränderung war ihr aufgefallen, das seit seines verdrehten Liebesgeständnisses in der Karaokebar, das er Jahre lang nicht er selbst gewesen war. So wie sie die perfekte, gewissenhafte Angestellte gespielt hatte. Im Nachhinein konnte Retsuko seine Unsicherheit und seine Angst vor Ablehnung sehen. Jetzt sprach er mit einer festen und tiefen Stimme, sah ihr direkt und aufrichtig, ohne etwas zu verstecken in die Augen. Seine Haltung gerade, die Brust herausgestreckt, nicht ohne eine gewisse Lockerheit. Haida zeigte nun sich selbst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)