Magician of Sun & Moon von Flordelis ================================================================================ Kapitel 3: Hier tut dir keiner was ---------------------------------- [LEFT]Am nächsten Morgen war Yosuke rechtzeitig an der Schule, um am Tor auf Rise zu warten. Er hatte sein Versprechen nicht vergessen, wollte Rise aber nicht einfach mit einer Textnachricht fragen. Nein, das musste er persönlich machen – schon allein, weil er besser betteln konnte, sobald sie auch nur daran denken sollte, abzulehnen. Während er darüber nachgedacht hatte, war ihm aber auch eingefallen, dass es vielleicht am besten war, einfach direkt die ganze Gruppe mit Mei bekannt zu machen. Sie sollte nicht die Schwierigkeiten bekommen, die er damals hatte, wenn es darum ging, Kontakte zu knüpfen. Und vielleicht wäre sie ihm dafür auch dankbar.[/LEFT] [LEFT]Zumindest träumen durfte er ja noch. Wie hatte sein Vorsatz, sich auf seinen Abschluss zu konzentrieren, so schnell ins Wanken geraten können?[/LEFT] [LEFT]Als er schon glaubte, dass keiner der anderen zur Schule käme, erkannte er die Gruppe endlich in der Masse. Chie und Yukiko winkten ihm zu, während die anderen drei in ein Gespräch vertieft schienen. Im Näherkommen bekam er mit, dass sie darüber sprachen, wohin sie in der Golden Week am besten fahren sollten, und wer die entsprechenden Vorbereitungen dafür übernahm.[/LEFT] [LEFT]Bevor sie an ihm vorbeigehen konnten, stellte Yosuke sich direkt vor Rise, woraufhin alle stehenblieben und ihn fragend ansahen.[/LEFT] [LEFT]»Guten Morgen, Yosuke-senpai«, sagte das frühere Idol, dessen Gesicht bereits ein wenig ablehnend aussah; sicher erwartete sie irgendeine Bitte nach einem Date, doch zum Glück konnte er sie da enttäuschen.[/LEFT] [LEFT]Er erwiderte ihren Gruß an die gesamte Gruppe, ehe er sich wieder auf sie fokussierte. »Rise, kannst du mir einen großen Gefallen tun?«[/LEFT] [LEFT]»Das … kommt darauf an«, sagte sie zurückhaltend.[/LEFT] [LEFT]Es langsam anzugehen, mit zu vielen Erklärungen, so früh am Morgen, war sicher übel, deswegen brachte er es so schnell wie möglich hinter sich: »Könntest du dich heute Mittag mit unserer neuen Mitschülerin treffen? Sie ist ein Fan von dir und möchte nur mal Hallo sagen.«[/LEFT] [LEFT]Um seine Bitte zu unterstreichen verbeugte er sich vor ihr. »Bitte, du würdest ihr einen großen Gefallen tun, nur für eine Weile.«[/LEFT] [LEFT]Rise schwieg, genau wie die anderen. Als Yosuke vorsichtig nach oben schielte, erkannte er, dass die Gefragte eher verwirrt statt abgeneigt war. Es war Chie, die das Schweigen wieder brach: »Wann hast du das denn erfahren?«[/LEFT] [LEFT]Yosuke stellte sich wieder aufrecht hin. »Sie war gestern Abend noch bei uns einkaufen, da kamen wir auf das Thema.«[/LEFT] [LEFT]»Ich hätte nicht gedacht, hier noch einmal einem Fan zu begegnen«, sagte Rise. »Ich dachte, alle sind schon zu Kanami gewechselt.«[/LEFT] [LEFT]Sie wirkte nachdenklich, als ziehe sie das Treffen in Erwägung.[/LEFT] [LEFT]»Du wärst auch nicht allein mit ihr«, fügte Yosuke rasch hinzu. »Ich hatte mir gedacht, dass die anderen, also wir alle, uns auch mit ihr treffen. Um sie angemessen willkommen zu heißen.«[/LEFT] [LEFT]Naoto stimmte zu seiner Überraschung sofort zu. »Bevor ich eine Persona bekam, habt ihr mich auch in euren Freundeskreis aufgenommen. Vielleicht hilft ihr das tatsächlich.«[/LEFT] [LEFT]Mit ihr auf seiner Seite sah Yosuke die anderen schon wesentlich optimistischer an – und zu seinem großen Glück nickten sie alle, sogar Rise, die nun wieder lächelte.[/LEFT] [LEFT]»Dann auf dem Dach, in der Mittagspause?«, fragte er.[/LEFT] [LEFT]Nachdem sie das ausgemacht hatten, gingen sie gemeinsam weiter. Irgendwie kam es dazu, dass er neben Chie lief, die ihm ihren Arm schmerzhaft in die Rippen stieß. »Du erhoffst dir da hoffentlich nichts davon, Yosuke.«[/LEFT] [LEFT]Er hob die Hände. »Natürlich nicht. Ich will nur nett sein.«[/LEFT] [LEFT]Von seinen Träumereien musste Chie ja nichts wissen. Und die anderen auch nicht. Sonst würden sie ihm alles ruinieren, falls er doch Chancen bekäme – oder dafür sorgen, dass Mei sich unwohl fühlte. Beides wollte er nicht. Sie sollte sich hier wohlfühlen, um nicht mehr derart schüchtern zu sein. Sie sollte Freunde finden und Inaba als Zuhause betrachten, genau wie er inzwischen. Denn es war die Stadt, in der er seine engsten Freunde getroffen hatte, und in der sie alle eine Mordserie beendet hatten. Inaba selbst hatte eine Chance verdient, gemocht zu werden – und er würde es schaffen, dass Mei genau das tat.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Als es zur Mittagspause klingelte, wartete Yosuke bis Yukiko und Chie das Klassenzimmer verlassen hatten. Erst dann wandte er sich an Mei, mit der er bislang noch kein Wort hatte wechseln können (sie war erst kurz vor Frau Serizawa hereingekommen). Wie am Tag zuvor hielt sie den Blick meist gesenkt und wahrte ihre Distanz zu ihm, fast als hätte sie Angst, ihn aus Versehen zu berühren.[/LEFT] [LEFT]»Hey, also ich habe Rise gefragt …«[/LEFT] [LEFT]Endlich sah sie ihn direkt an, ihre Augen glitzerten aufgeregt. »Was hat sie gesagt?«[/LEFT] [LEFT]»Sie hat einem Treffen zugestimmt. Wenn du magst, jetzt sofort, auf dem Dach.«[/LEFT] [LEFT]Sie sog die Luft ein, fast hatte er Angst, sie würde anfangen zu hyperventilieren, doch dann nickte sie bereits heftig. »Ja, natürlich, gern!«[/LEFT] [LEFT]Es war überraschend angenehm, zu beobachten, wie sehr sie sich freute, vor allem über etwas, das er eingefädelt hatte. Er stand auf, um möglichst schnell noch mehr davon zu beobachten.[/LEFT] [LEFT]Sie folgte ihm aus dem Klassenzimmer hinaus und die Treppe hinauf. An der Tür angekommen hielt er noch einmal inne und fragte sich, ob es gut war, sie mit den anderen zu überraschen. So schüchtern wie sie war, könnte sie davon vielleicht überfordert sein.[/LEFT] [LEFT]»Hey«, setzte er an, schüttelte dann aber mit dem Kopf. »Nein, vergiss es. Gehen wir einfach.«[/LEFT] [LEFT]Er griff nach der Klinke – und spürte plötzlich eine Hand auf seiner Schulter. Innehaltend sah er sie wieder an. Sie hatte den Kopf geneigt. »Gibt es irgendetwas, das ich wissen sollte?«[/LEFT] [LEFT]Ihre Stimme klang derart intensiv, dass er nicht mehr anders konnte: »Nun, ich habe noch einige andere Freunde gefragt, ob sie dabei sein wollen.«[/LEFT] [LEFT]Wie er es befürchtet hatte verlor ihr Gesicht ein wenig an Farbe. »Warum?«[/LEFT] [LEFT]»Na ja, du bist neu in der Stadt. Wir dachten, es kann nicht schaden, wenn du ein paar von uns kennenlernst, damit du nicht mehr allein bist.«[/LEFT] [LEFT]Sie schien sich das durch den Kopf gehen zu lassen, dann errötete sie plötzlich. »D-das klingt wie eine nette Idee, danke.«[/LEFT] [LEFT]Damit ließ sie seine Schulter wieder los, er öffnete endlich die Tür. Sie traten ins Sonnenlicht hinaus, das zu dieser Jahreszeit noch nicht drückend heiß, sondern angenehm warm war.[/LEFT] [LEFT]Die anderen warteten bereits auf sie. Kaum entdeckte Mei sie alle, huschte sie hinter Yosuke und lugte über seine Schulter zu den anderen hinüber.[/LEFT] [LEFT]»Komm schon«, sagte er, zur Seite schauend. »Hier tut dir keiner was. Auch Kanji nicht, obwohl er wie ein Rowdy aussieht.«[/LEFT] [LEFT]»Was soll das denn heißen?!«, fragte Kanji sofort wütend.[/LEFT] [LEFT]Doch bevor er sich weiter aufregen konnte, beruhigte Naoto ihn mit ihrer gelassenen, professionellen Art sofort wieder: »Vielleicht sollten wir einfach damit anfangen, dass wir uns ihr vorstellen, oder? Sie dürfte immerhin keinen von uns wirklich kennen.«[/LEFT] [LEFT]Während die anderen sich vorstellten, kam Mei langsam wieder hinter Yosuke hervor. Rise hatte bis zum Ende gewartet, und als Mei endlich wieder richtig zu sehen war, winkte das Ex-Idol ihren üblichen Bühnengruß. »Hi~. Danke, dass du mir immer treu geblieben bist~.«[/LEFT] [LEFT]Ergriffen legte Mei ihre gefalteten Hände auf ihr Herz. »Ich wusste es. Du bist echt Risette.«[/LEFT] [LEFT]Rise lachte ein wenig verlegen. »Du kannst mich einfach Rise nennen. Risette ist nur mein Bühnenname. Und aktuell gehe ich ja einem normalen Leben nach.«[/LEFT] [LEFT]Meis Gesicht hellte sich auf, obwohl sie es immer noch nicht wirklich zu glauben schien. »Darf ich wirklich?«[/LEFT] [LEFT]»Natürlich~. Du bist mein Senpai.«[/LEFT] [LEFT]Yosuke schmunzelte, während Mei so glücklich zu sein schien, dass sie beinahe ohnmächtig wurde; er wurde fast ein wenig neidisch. »Ich sagte doch, es wird besser, mit ihr selbst zu reden.«[/LEFT] [LEFT]Sie nickte ihm nur knapp zu, ehe sie den Blick über alle Anwesenden schweifen ließ. »Hey … ihr seid eine ganz schön bunte Gruppe. Wie habt ihr euch angefreundet?«[/LEFT] [LEFT]Die Frage war eigentlich zu erwarten gewesen – weswegen Yosuke sich innerlich selbst verfluchte, dass er gar nicht daran gedacht hatte. So schockiert wie die anderen aussahen, wussten sie offenbar auch nicht so recht, was sie sagen sollten. Mit Ausnahme von Kanji, der bereits den Mund öffnete, um etwas zu erwidern. Glücklicherweise schnitt Naoto ihm das Wort ab: »Wir waren alle Außenseiter, deswegen war es für uns nur natürlich.«[/LEFT] [LEFT]Mei nickte verstehend und stellte glücklicherweise keine weiteren Fragen.[/LEFT] [LEFT]Die anderen setzten sich auf die Luftschächte, die auf dem Dach verliefen, Yosuke folgte ihrem Beispiel und nahm neben Naoto Platz. Mei blieb noch stehen, anscheinend ohne so recht zu wissen, wo sie hin sollte.[/LEFT] [LEFT]Yukiko rutschte ein Stück in Chies Richtung und klopfte dann auf den frei gewordenen Platz zwischen ihr und Rise. »Setz dich hierhin.«[/LEFT] [LEFT]Mit einem verlegenen Lächeln folgte Mei dieser Aufforderung, während sie sich höflich bedankte.[/LEFT] [LEFT]»Was hältst du bisher von Inaba?«, fragte Chie. »Es ist immerhin ganz anders als in der Stadt.«[/LEFT] [LEFT]»Ist es. Aber mich stört das nicht. Eigentlich finde ich es ganz gut, dass es so still ist.« Sie zögerte einen Moment. »Ich glaube, die Ruhe ist nur nicht gut für meine Vorstellungskraft.«[/LEFT] [LEFT]»Was meinst du damit?«, hakte Naoto nach.[/LEFT] [LEFT]Mei winkte sofort ab. »Ach, nichts weiter. Ich glaube, ich sollte abends nur nicht mehr allein raus.«[/LEFT] [LEFT]Sie lachte ein wenig, scheinbar um ihre Verlegenheit zu überspielen. Yosuke fragte sich, was passiert sein mochte. Als er ihr in Junes begegnet war, hatte er nichts Auffälliges bemerkt. War es dann erst auf dem Rückweg geschehen?[/LEFT] [LEFT]»Erzähl uns mal was von dir«, forderte Chie sie auf. »Also, gestern hast du erzählt, du bist mit deinem Vater hierher gezogen, stimmt doch, oder?«[/LEFT] [LEFT]»Ja, genau. Meine Großmutter wohnt hier, also leben wir jetzt bei ihr.« Sie verzog ihr Gesicht ein wenig, als hätte sie in etwas Saures gebissen.[/LEFT] [LEFT]»Was ist denn mit deiner Mutter?«, fragte Yukiko.[/LEFT] [LEFT]Mei senkte den Blick, ohne zu antworten. Yosuke wollte ihr schon versichern, dass sie nichts dazu sagen musste und dass sie das Thema wechseln könnten, doch da kam sie ihm zuvor: »Meine Eltern haben sich vor kurzem getrennt. Es gab einige Differenzen zwischen ihnen, die immer größer wurden.«[/LEFT] [LEFT]Sie scharrte mit den Füßen auf dem Boden. »Im Grunde ist es eigentlich nicht weiter schlimm, es ist nur noch so frisch.«[/LEFT] [LEFT]Es kam Yosuke vor, als wollte sie noch etwas sagen, aber sie tat es nicht. Stattdessen hob sie den Blick wieder und versuchte zu lächeln. »Na ja, deswegen wohnen wir jetzt jedenfalls hier. Und ich hoffe, dass wir gute Freunde werden können.«[/LEFT] [LEFT]Der letzte Satz klang sehr gezwungen, genau wie bei ihrer Vorstellung am Tag zuvor. Doch Yosuke war überzeugt, dass sie hier gut leben könnte, wenn sie erst einmal ihre Schüchternheit überwunden hatte, und sobald sie das Landleben zu schätzen lernte, so wie er.[/LEFT] [LEFT]Glücklicherweise bemerkten auch Yukiko, Chie und Rise, dass Meis Laune gesunken war, und bemühten sich sofort, sie wieder anzuheben.[/LEFT] [LEFT]»Wenn du willst, können wir dir alle interessanten Orte in Inaba zeigen«, schlug Yukiko vor.[/LEFT] [LEFT]»Falls du einen Rollerführerschein hast, können wir im Sommer auch zusammen an den Strand«, sagte Rise.[/LEFT] [LEFT]»Ich weiß, wo wir ein gutes Steak essen können!«[/LEFT] [LEFT]Augenblicklich wandten sich alle Chie zu. Sie sah die anderen an. »Was denn?«[/LEFT] [LEFT]»Du denkst immer nur ans Essen«, brummte Kanji.[/LEFT] [LEFT]»Vor allem ist es immer Steak«, fügte Yosuke an.[/LEFT] [LEFT]Chie schnaubte. »Na und? Was ist daran denn auszusetzen? Eine Frau braucht ihre Proteine!«[/LEFT] [LEFT]Sie kannten diese Art von Gesprächen bereits, deswegen schwiegen sie alle nur – bis Yukiko plötzlich losprustete. Sich den Bauch haltend, den Kopf zurückgelegt, lachte sie wieder einmal auf diese Weise, die sie einzigartig machte, die Yosuke einerseits für sie glücklich machte, bis es ihm andererseits irgendwann peinlich wurde. Und da war er nicht der einzige.[/LEFT] [LEFT]»So lustig war es dann auch nicht«, sagte Chie.[/LEFT] [LEFT]Doch Yukiko lachte weiter, immer wieder hörte man zwischendurch Wörter, die sie angestrengt hervorbrachte, aber einen ganzen Satz ergaben sie nicht.[/LEFT] [LEFT]Bevor einer von ihnen sich für ihr Verhalten entschuldigen konnte, geschah etwas, das Yosuke durchatmen ließ und Yukiko zum Verstummen brachte: Mei lachte leise. »Ich kann jetzt verstehen, warum ihr Freunde seid. Danke, dass ich ein Teil davon sein darf.«[/LEFT] [LEFT]»Das ist doch selbstverständlich«, sagte Chie. »Wir sind gut darin, Leuten zu helfen.«[/LEFT] [LEFT]Das entsprach auf so viele Arten der Wahrheit, dass es schade war, dass Mei das nicht erfassen konnte. Sie hatten das alles nicht für Ruhm getan, aber manchmal wäre es durchaus nett, ein bisschen Anerkennung dafür zu erhalten.[/LEFT] [LEFT]Mei legte ihre Handflächen aneinander. »Dann kümmert euch bitte gut um mich~.«[/LEFT] [LEFT]Diesmal klang sie befreiter, ehrlicher, als hoffe sie wirklich darauf, erhört zu werden, statt es zu sagen, weil es von ihr erwartet wurde.[/LEFT] [LEFT]Die drei Mädchen direkt neben ihr redeten auf sie ein, stellten ihr Fragen, ob sie vielleicht mit ihnen einkaufen wollte, welche Dinge sie mochte, was sie über die Stadt wissen wollte. Im Gegensatz zum Vortag, als ihre Mitschüler sie mit Fragen überhäuft hatten, wirkte Mei absolut gelassen, sogar glücklich, während sie sich bemühte, alles zu beantworten.[/LEFT] [LEFT]Mittendrin sah sie zu Yosuke und lächelte ihn an. Etwas daran – vielleicht wie ihre Mundwinkel nach oben gezogen waren, wie ihre Augen ein wenig glitzerten, oder wie sie ihn direkt ansah, statt ein wenig an ihm vorbei – erzeugte ein warmes Gefühl in seiner Brust. In diesem Moment wusste er, dass er etwas Gutes getan hatte – und das sogar ohne seine Persona.[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)