Demonheart von CaroZ ================================================================================ Kapitel 16: Intermezzo I: 6-1 ----------------------------- 6-1: YURI »Was war denn das gerade für ’ne Freakshow?« Yuri bemühte sich, möglichst unbeteiligt zu klingen, während er locker neben Dante her schlenderte. Der Typ brauchte nicht zu wissen, dass der Moment, als die Tür zugefallen war, ihm eine Gänsehaut beschert hatte. Jin war ganz kurz davor gewesen, von seinem teuflischen Parasiten übermannt zu werden, ganz absolut sicher – und dann hatte ein Blick genügt, um ihn wieder zur Vernunft zu bringen? Wow. »Was meinst du?«, fragte Dante, ohne ihn anzusehen. Er machte einen Schritt, wenn Yuri zwei machte. »Du weißt genau, was ich meine. Du hast ihn nieder gestarrt. Ich meine nicht Jin, sondern das Ding in ihm.« »So würde ich das nicht nennen. Der Kleine ist ein bisschen wie ein … Angstbeißer, denke ich. Manchmal genügt es, denen tief in die Augen zu sehen.« Diese lauwarme Erklärung stellte Yuri nicht zufrieden, aber es hatte wohl keinen Sinn, Dante weiter zu bearbeiten. Zumal dieser kurze Moment ihm neuen Respekt eingeflößt hatte. Er war drauf und dran gewesen, für Jin Partei zu ergreifen, als Dante ihn aufs Abstellgleis geschoben hatte wie einen rostigen Güterwaggon, doch im nächsten Moment war ihm klar gewesen, dass er nicht so angesehen werden wollte. Er fand Jin durchaus sympathisch und hätte sich gern dafür eingesetzt, ihn mit auf die Teufelsjagd zu nehmen – schließlich war Jin erwachsen und ganz sicher kein Blödspaten –, doch mit Dante musste er wirklich vorsichtig sein. Es war nicht angezeigt, sich gegen seine Führung aufzulehnen, jedenfalls noch nicht. Momentan versuchte Yuri einfach, das Beste aus der Situation zu machen. Er wollte sich nicht noch tiefer in die Scheiße reiten. Eine falsche Zeit und ein falscher Ort waren wahrlich genug der Missstände. »Und du nimmst mich einfach mit zum Dämonen Jagen?«, hakte er unschuldig nach. Mist, es klang unsicherer als beabsichtigt. Dante, der ihn eine schäbige schmale Straße entlang führte, lächelte gönnerhaft. »Wieso nicht? Wenn du die Wahrheit sagst, hast du schon Dämonen gejagt, bevor meine Mutter geboren war. Du wirst schon wissen, was du drauf hast.« »Ich hab nur in Asien und Europa Dämonen gejagt«, gab Yuri zu. »Ich hab keine Ahnung, wie die hier sind.« »Auch nicht anders. Sehen nur anders aus.« Dante stieß eine Lunge voll Luft durch die Zähne aus und fragte unvermittelt: »Sag mal, wieso vertraut er mir nicht? Verstehst du das?« Yuri begegnete seinem anklagenden Blick mit hochgezogenen Augenbrauen. Unnötig, ihm zu sagen, um wen es ging. »Naja, Vertrauen muss auf Gegenseitigkeit beruhen«, erwiderte er und fand, dass es ziemlich klug klang. »Vertraust du ihm? Jedenfalls behandelst du ihn nicht so.« »Tsss. Der hat eine ganze Kirche zerlegt, und da erwartet ihr, dass ich ihn mit auf eine nervenaufreibende Jagd nehme? Mit Kindern? Das ist ja wohl ein selten dämlicher Plan!« Nun, da hatte er einen Punkt, wie Yuri zugeben musste. »Mag sein. Ist ja nun auch gegessen, die Sache. Erzähl mir lieber, was für ein Ort das ist, an dem dein Feind hockt. Du und Jin, ihr tut da ja ziemlich geheimnisvoll. Spukt’s da?« »Treffer«, sagte Dante mit einem Schmunzeln, den Themenwechsel dankbar annehmend. »Da spukt’s. Und wie.« »So was mag ich nicht. Was ist das und wo ist das?« »Weit draußen, wie’s scheint. Früher war es woanders. Die Polizei hat es immer nur ›den Schacht‹ genannt und nie wieder einen Fuß da rein gesetzt, damals. Tatsächlich ist – war – dieses Tunnelsystem nichts anderes als eine riesige Hochleistungsförderanlage.« »Eine Förderanlage mit Tunneln drin?« »Ja, mit Verarbeitungsbereichen. Tagebau, und so. Sie ist riesig, stellenweise fast eine Meile breit.« »Was ist nicht alles gibt.« Yuri hatte nie zuvor von so etwas gehört. »Das heißt, ihr habt Bodenschätze hier in der Nähe der Stadt? Gold und so?« »Nah, kein Gold. Aber andere wirtschaftlich wichtige Metalle. Lithium und so.« »Und dieses Ding sollte das ganze Zeug rausholen.« »Und gleich reinigen, lagerfähig machen oder schon weiterverarbeiten. Dafür sind normalerweise mehrere Verarbeitungsstätten nötig. Der Schacht war ein Prototyp«, erklärte Dante bereitwillig, »in Capulet gefertigt, mit einem Haufen Spezialteile aus Japan. Lief reibungslos, aber die Arbeiten wurden nur ein paar Wochen nach der Aufnahme wieder eingestellt, weil die Angestellten Angst bekamen … Naja, sie hatten das Gefühl, dass das Ding sie nicht leiden kann. Es sind Unfälle passiert, für die’s keine Erklärung gab, und die Leute sind eben abergläubisch. Als sich keiner mehr reingetraut hat, fiel den Betreibern nichts Besseres ein, als den ganzen Kasten einzugraben. Verschrotten wäre zu teuer gewesen.« Yuri verstand. »Deshalb Schacht. Man kann nur noch von außen rein.« »Jap. Ich wette, Dämonen lieben es.« Dantes Ton war unwirsch. Zweifellos hatte er nicht alles gesagt, was er über diesen Schacht wusste. Er schien irgendwelche schlechten Erfahrungen mit diesem Ort zu verbinden, und Yuri besaß genug Weitsicht, nicht weiter nachzubohren. Wenig später bekam er erstmals die belebtere Innenstadt des Ortes zu sehen. Über ihnen hatte sich die gräuliche Wolkendecke geteilt und entließ blasse Lichtstrahlen auf die Straße, unter denen es Yuri in seinem Mantel so warm wurde, dass er ihn über der Brust öffnete und Dantes Shirt an die frische Luft ließ. Die Wintersonne verhielt sich hier ganz anders als dort, wo er herkam. Auch die Kälte hatte eine andere Qualität; sie war trockener und deshalb viel besser zu ertragen. Außerdem roch es hier anders. Wo immer seine Reise ihn hingeführt hatte, immer hatte ein bestimmter Geruch den Ort geprägt: Ob nun der stark würzige Duft der Küste Kleinasiens seine Nase gekitzelt hatte, die aromatische Brise in den sonnigen Straßen Florenz’ oder der etwas aufdringliche Fischdunst in Le Havre, alles hatte sich unauslöschbar eingeprägt und rief sofort schlafende Bilder in seinem Geist wach, wann immer er eine Nuance dieser Aromen auf der Straße auffing. Hier jedoch fragte er sich, ob er sich an irgendetwas erinnern würde. Die Luft war nahezu geruchlos, bestenfalls hing ein grauer, künstlich riechender Schleier über den Straßen, von dem Yuri glaubte, dass er von den Abgasen der Automobile herrühren musste. Von diesen Gefährten gab es hier eindeutig zu viele. »Hier gibt’s also auch eine Untergrundbahn? Bestimmt in allen Städten, oder?« »Nein, es gab eine Untergrundbahn«, korrigierte Dante, »bis sich die Verkehrsbehörde in den Kopf gesetzt hat, alles, was in den Provinznestern Geld schluckt, lahmzulegen. Seitdem rotten die Tunnel vor sich hin.« Er musterte Yuri prüfend. »Woher weißt du eigentlich, was eine Untergrundbahn ist? Wo gab’s die vor dem Ersten Weltkrieg?« »In Paris. Die Métro.« Yuri dachte an die polternden, ächzenden Waggons, die in den eleganten kleinen Bahnhof einfuhren und automatisch ihre Türen öffneten, um gleich darauf wieder mit ihrer menschlichen Fracht geräuschvoll in die Finsternis einzutauchen. Dante nickte. »Klar, Paris.« Wahrscheinlich hatte er keinen Schimmer. Er machte eine Kopfbewegung geradeaus, wo sich ein mit kältetrockenen Pflanzen eingefasster Platz mit einem Springbrunnen in der Mitte auftat. Beides wirkte trostlos. Der Brunnen war stumm und trocken, an seiner Seite wies eine verwitternde Gravur auf irgendein historisches Ereignis hin. Eine Wolke erschreckter Tauben stob flatternd auf, als die beiden Männer die vereinsamte Fläche betraten. »Wo hast du Teufel gejagt?«, fragte Dante weiter, wie um die Konversation am Leben zu halten. »Leere Häuser? Spukschlösser? Löcher im Boden? Wälder?« »Alles.« Yuri schob die Hände tiefer in die Taschen, als eine kräftige Brise über den leeren Platz fegte und an ihren Mänteln riss. »Auch Tunnel, ja. Kannst mich mit nichts erschrecken.« »Ah, gut. Aber mal ernsthaft …« Dante lenkte ihn von dem Platz weg und auf eine schmale Promenade zu. »… deine Schlagringe … Die sind doch nur Deko, oder? Komm, gib’s zu, du kannst keine Teufelswaffen benutzen.« Yuri war schlagartig ganz Ohr. »Teufelswaffen? Was heißt das?« »Das heißt«, sagte Dante widerstrebend, »dass du die Waffe eines Dämons führst. Oder das zumindest behauptest.« »Ah. Ja, ich behaupte das. Warum soll ich das nicht können?« »Weil das nur … wenige können.« »Ach! So wie du, huh?« Er beschleunigte seinen Schritt. Dante hinterher rennen zu müssen war nicht gerade ein Spaziergang. »Ich bin bisher niemandem begegnet außer mir und – … außer mir, der es kann«, erwiderte Dante. »Dann wirst du gleich eine Überraschung erleben.« »Also keine Deko.« »Nö.« »Na, ich bin gespannt.« Am Ende der Promenade führte, direkt neben dem Gehweg, eine Treppe in die Tiefe. Von den Geländern zu beiden Seiten blätterten Überreste einer dunkelgrünen Farbbeschichtung, der dachartige Vorsprung über dem Eingang schien vor Urzeiten ein Namensschild getragen zu haben. »Auf ins Vergnügen«, sagte Dante und hatte, noch ehe sie in die Dunkelheit tauchten, plötzlich seine beiden Pistolen in den Händen. Yuri folgte ihm und atmete den muffigen, feuchten Geruch ein, der ihnen aus dem Loch entgegenschlug. Nicht nur Teufel und Ratten schienen den Schutz der aufgegebenen Station zu schätzen; schon mischte sich in den modrigen Mief die beißende Note von Ammoniak. Ohne Zweifel hatten hier schon Millionen besoffener Penner in die Ecken geschifft. »Wohnlich hier unten, was meinst du?« »Geht so.« Yuri blinzelte, um seine Augen an das spärliche Licht zu gewöhnen. Früher hatte er solche Katakomben nicht ohne Öllaterne betreten. Ihre Schritte klangen dumpf, als gingen sie über Holz und nicht über Stein. Vor ihm strahlte ein Licht auf; Dante hielt eine kleine, aber sehr helle Lampe in der Hand, deren blendend weißer Schein über feuchte Kacheln und schimmelige Holzverkleidungen floss. »Hörst du irgendwelche Kindergeräusche?« »Nö. Wieso auch? Was bitte macht ihr heutzutage mit euren Kindern?« »Also doch zu den Gleisen und in die Eingeweide von Hallow Hills rein. Geht wohl nicht anders.« Dante änderte die Richtung; das Licht wurde kleiner und tanzte an den Wänden, als er über die Bahnsteigkante auf die Schienen sprang. »Oh, und wenn du deine fiesen Fingerklingen noch nicht angezogen hast: Jetzt wäre es Zeit dafür.« »Okay.« Yuris Sohlen landeten knirschend auf dem Gleisbett, und inmitten dieser Bewegung ließ er routiniert die Schlagringe über seine Handknöchel gleiten. Sofort pulsierte ihre Wärme in seine Fingerspitzen hinein, verband ihn mit jener Sphäre, die er zu hassen und zu fürchten gelernt hatte. Die Haare in seinem Nacken richteten sich auf wie elektrisiert. Seine Sinne schärften sich. Die geballten Fäuste abwehrbereit vor den Körper haltend folgte er Dantes hochgewachsener Silhouette in den beengenden Tunnel hinein. »Pass auf, wo du hintrittst.« »Argh, ich will gar nicht wissen, wo ich hier drauftrete. Trauen die Obdachlosen sich so weit hier rein?« »Nicht nur die.« Dante hielt den Lichtstrahl kurz auf die Wände; nutzlose Kabel liefen dort in weißen Bündeln entlang, ein zerbeultes ›DANGER‹-Schild hing auf halb acht, aber inmitten all dieser Hinweise auf die Abwesenheit jeglichen menschlichen Lebens hatte ein Sprayer mit knallrotem Graffiti das Wort ›FUCK‹ quer über die Fläche gesprüht. Dante blieb stehen. Und stand völlig starr. Yuri wollte ihn gerade fragen, was ihn aufhielt – da hörte er es auch. »Hyuga!« »Hä – ?« Yuri fragte sich, warum er nichts sehen konnte. Dann traf ihn Dantes flache Hand mit einiger Wucht an der Schläfe. Durch den Handschuh tat es nicht sehr weh, doch der unerwartete Schlag ließ Yuri reflexiv die Augen aufreißen. Seine Knie knickten ein. Dante packte ihn an den Schultern und stellte ihn wieder auf die Füße. »Ich sehe, das kanntest du noch nicht.« »Was zum Teufel war das?« Yuri, die tauben Gliedmaßen schüttelnd, blinzelte verständnislos in den Tunnel und auf die scharf umrissenen Schatten, die Dantes Lampe warf. »Wieso war ich weg?« »Weil du ihren Schrei gehört hast.« »Hä? Wessen Schrei?« »Ich nenne sie Marionetten, war nicht mein kreativster Moment. Das sind eingewanderte niedere Teufel, machen sich in letzter Zeit überall breit.« Dante umfasste Yuris Arm und zog ihn hinter sich her. »Bleib in Bewegung, dann können sich dich nicht lähmen. Wenn du rumstehst, verursacht ihr Kreischen eine Art … Kurzschluss im Hirn. Man wird wehrlos, bis sie einen schon halb zerhackt haben.« »Oh, das … ist fies.« »Sie lassen sich handhaben. Hier können nur eine oder zwei sein. Holen wir sie uns.« Dante griff über die Schulter nach seinem im diffusen Licht glänzenden Monsterschwert, zog es frei und streckte die andere Hand nach dem Klingenblatt aus. Yuri riss die Augen auf. »Hey, was machst du da?« »Ich locke sie an.« Ein paar große, dunkle Tropfen fielen auf den Kies. »Blut finden die unwiderstehlich. Die sind wie Haie. Halt dich bereit.« Noch ehe Yuri die Anweisung mit einem Nicken bestätigen konnte, näherte sich aus der undurchdringlichen Dunkelheit, die vor ihnen im Schacht waberte, ein hölzernes Staksen und Klicken. In abgehackten, ruckartigen Intervallen rückten die Laute näher, und kurz darauf schälten sich Gestalten aus der Schwärze und hinkten klappernd ins Licht. Bunte Stofffetzen bedeckten knochendürre, faulende Körper, die sich zielstrebig auf Dantes blutende Hand zubewegten – tatsächlich wie Marionetten, die eine schaurige Hand über ihren Köpfen an durchsichtigen Fäden dirigierte. »Wow!«, rief Yuri fasziniert aus. »Die sind ja widerlich! Ich liebe sie!« Begeistert duckte er sich, als ein geschwungenes Messer über seinen Scheitel hinweg sauste. »Oh, ich hab vergessen zu erwähnen, dass die gerne primitive Waffen aufsammeln und damit rumschmeißen. Bitteschön, alles deine.« »Was, meine?« »Ja ja, deine. Mach Papa stolz.« »Tsss, wie du willst.« Yuri achtete darauf, nicht stehen zu bleiben, während er die sich nähernde Horde im Auge behielt. Immer mehr von ihnen kamen hervor und erfüllten die dicke Luft mit ihrem Klicken und Klacken. Aus zwei wurden vier, aus vieren sechs, und noch immer waren weitere Bewegungen in den Schatten sichtbar. »Hab mich wohl verschätzt«, stellte Dante ohne Aufregung fest. »Sag bescheid, wenn du Hilfe brauchst.« Er schüttelte seine Hand, die zu tropfen aufgehört hatte, zog den Handschuh wieder darüber und trat zurück, den Weg für Yuri frei machend. Yuri beobachtete die wimmelnden, schwankenden Kreaturen. Sie waren wirklich primitiv, vermutlich keine große Herausforderung. Eine Art kollektives Bewusstsein steuerte sie auf das Blut zu, doch auf der engen Fläche verhakten sich ihre Gliedmaßen ineinander wie Kleiderbügel auf der Stange, und so kollerten sie als unkoordinierter Haufen vorwärts. Yuri trat mit einem großen Schritt vor sie hin, und da bemerkten sie ihn; in ihrer Mitte entstand Aufregung, als sie auf ihn zustrebten, doch die Enge des Tunnels ließ sie sich hoffnungslos verkeilen und aneinander zerren. Schon stießen die ersten ihren lähmenden Schrei aus. Yuri spürte ihn als kalten Schauder, sah, wie die Wände des Tunnels sich zu verzerren schienen, als sei der gespenstische Ruf etwas Greifbares, das hallend den Stein hinaufrollte. Diesmal blieben seine Glieder warm und sein Geist klar. Er ballte beide Fäuste, sodass die Klingen senkrecht zu den Knöcheln aufragten, und stürzte sich mitten in das klappernde Gewühl. Magere Knochen splitterten wie morsches Holz. Triefende Augäpfel sprangen aus den Höhlen fahler Schädel; hässliche, heisere Schreie lösten sich aus brechenden Hälsen, und das Teufelsblut spritzte so hoch an die Tunnelwände, dass man glauben könnte, der Schacht wäre jüngst frisch gestrichen worden. Yuri pflügte sich durch die Meute wie ein Kampfhund durch einen Hühnerstall. Leichtfüßig wich er Hieben mit spitzen Dingen aus, die auf seine Flanken und sein Gesicht zielten, atmete den fauligen Dunst ein, den die Teufel in ihrer Wut verströmten, zerschlug die nach ihm häkelnden Finger und zertrat dürre Stelzenbeine. Schimmelnde Kleiderreste zerfaserten widerstandslos. Hartnäckig kämpften die widerwärtigen Angreifer, doch auf so knappem Raum waren sie ohne Chance. Yuri zerstörte ihre seelenlosen Gefäße eines nach dem anderen. Er war in seinem Element. Er genoss es. Warm pulsierte das Blut in seinen Schläfen, als er den letzten von ihnen zu sich heran riss und die Faust um seinen Schädel schloss. Auf Armeslänge hielt er das strampelnde Ding von sich, um dann – er konnte ruhig für Dante etwas Eindruck schinden – einfach den Kopf der Kreatur krachend zu zerquetschen. Blut spritzte in alle Richtungen zu den Wänden und rollte von dort in zähen Rinnsalen zu Boden. Yuri drehte sich zu Dante um und grinste. Der Dämonenjäger stand entspannt an die Wand gelehnt und nickte träge. Zwei, drei rote Spritzer zierten seinen Mantel, doch er kümmerte sich nicht darum. Wahrscheinlich trug er deshalb Rot. »Zufrieden?« »Naja.« Dante kreuzte die Arme vor der Brust und gab sich herablassend. »Ich hab da ein bisschen die Eleganz vermisst. Hast dich durchs Buffet gefressen wie ein Verhungernder. Aber saubere Arbeit«, fügte er großmütig an. »Einhundert Prozent Quote bei relativ geringem Zeitaufwand. Ich verleihe dir Teufelsjägerrang B für die Aktion.« Yuri schüttelte die Fäuste. Tropfen sprühten von den leuchtenden Klingen seiner Schlagringe. »Ränge für die Kämpfe? Ulkig. Bist du so ein Spielkind?« »Manchmal.« Dante löste sich von der Wand. »Gehen wir?« Er übernahm die Führung und Yuri folgte ihm über das Gleisbett. Über die schwarzen, stinkenden Haufen, die von den getöteten Dämonen zeugten, machten sie große Schritte. »Mit Rang B bin ich wohl gar nicht so schlecht, huh? Was gibt es noch?« »Es gibt D wie durchwachsen, C wie christlich, B wie brauchbar, A wie abgebrüht und S wie spitze. Und dann noch SS.« »Wie ssensationell?« »Wie supersexy.« »Ah. Und E wie erbärmlich?« »Nein, nach D kommt nur noch T wie tot.« Sie erreichten den nächsten Tunnelaufgang etwa zwanzig Minuten später. Das Tageslicht flutete schon von weitem eine brüchige Treppe hinunter, und alles, was es berührte, war mit Moos und Flechten bewachsen. »Ich glaube, ich weiß, wo wir rauskommen«, sagte Dante. »War das etwa schon alles?« »Ich finde, wir haben genug Zeit verloren.« Er beschleunigte auf die Stufen zu und nahm mühelos immer drei auf einmal. Yuri hechtete ihm nach und fand sich, blinzelnd ob der Helligkeit, genau zwischen zwei Straßen auf einer Mittelinsel wider. Er beschattete die Augen und sah eine kleine Menschengruppe, die aus einem gut gekleideten älteren Herren und mindestens acht Kindern bestand, alle höchstens neun oder zehn Jahre alt. Alle drängten sich verschüchtert aneinander und sahen zu den Ankömmlingen auf wie eine Schar in die Enge getriebener Rehe. »Wurde ja Zeit, dass Sie kommen«, sagte der Mann leise und versuchte einen finsteren Blick, der nicht ganz gelingen wollte. »Ist die Reinigung vorbei?« Dante nickte knapp. »Alle okay?« »Ja. Tut mir Leid, dass Sie kommen mussten. Ich habe ihnen gesagt, dass sie nicht da reinlaufen sollen, aber … Sie wissen ja, wie Jungs so sind.« Die Situation schien ihm unangenehm zu sein, wie jedem Lehrer, der seine Schüler nicht unter Kontrolle hat. »Man muss eben erst die heiße Herdplatte anpacken, bevor man’s kapiert«, sagte Yuri versöhnlich. Sein Blick glitt über die kindlichen Gesichter, die fragend zu ihnen aufsahen. Ein blondes Mädchen plapperte zu ihrer Nachbarin: »Mein Papa sagt, die vom Devil May Cry haben nicht alle Tassen im Schrank.« Die Freundin kicherte, und verlegen warf ihnen der Lehrer einen warnenden Blick zu. Dante sah lustlos auf die Gören hinab. »Ich hab dich gerade gerettet, du kleine Diva«, sagte er müde. »Und das mach ich heute sicher nicht noch mal.« »Haben Sie einen neuen Kollegen?« Der Lehrer nickte zu Yuri. »Das ist nur mein Praktikant«, erwiderte Dante, und Yuri stöhnte innerlich auf. »Ah ja … Na gut, wir wollen Sie nicht aufhalten. Danke, dass Sie so schnell hier waren.« »Passen Sie auf die Band auf. Man sieht sich.« Die Parteien kehrten sich voneinander ab, und wieder ergriff Dantes große Hand nachdrücklich Yuris Arm, um ihn herumzudrehen. »Nicht trödeln, Hyuga. Du weißt, dass wir noch was zu tun haben.« »Kann man ja schlecht vergessen, so eilig, wie du’s hast.« Sie gingen zügig eine ruhige Straße hinunter; an einer Hauswand konnte Yuri ein Schild mit der Prägung ›Dane Street‹ erkennen. »Kanntest du die Leute eben?« »Den Lehrer ein bisschen, mit dem kann man gut einen trinken gehen. Unterrichtet Erdkunde, glaub ich.« »Warst wohl nicht besonders gut in dem Fach, wenn du China nicht von Japan unterscheiden kannst«, stichelte Yuri. »Hey.« Dante schnalzte mit der Zunge. »Du nimmst mir den Würger immer noch übel, oder?« »Worauf du dich verlassen kannst. Diese Rechnung begleichen wir noch.« Doch entgegen dieser Ankündigung war Yuri den ganzen Rückweg über vor allem stolz, dass er sich vor Dante bewiesen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)