Memories von Pragoma ================================================================================ Kapitel 4: Einsamkeit an der Moldau ----------------------------------- CHROM - Loneliness My loneliness is killing me I'm waiting for you, can't you see I see your face in front of me I'm falling down right on my knees This is the way that I should go Wie oft stand er schon am Ufer der Moldau und machte sich Gedanken? Oft genug, in seinem jungen Leben und immer brachte ihn das fließende Gewässer innerlich zur Ruhe, besänftigte sein aufgewühltes Inneres und gab ihm die Kraft weiterzumachen. Er hatte schon oft darüber nachgedacht alles hinzuschmeißen, sich in sein Auto zu setzen und einfach quer durch die Tschechei zu fahren. Aber wozu? Um erneut vor den Kopf gestoßen zu werden und sich hinterher schlecht zu fühlen? Kevin seufzte leise, setzte sich auf eine der Bänke nahe dem Wasser und sah einer Entenfamilie zu, die schnatternd über die Moldau schwamm. Bis heute hatte er keinen wirklichen Anhaltspunkt, was vor gut zwei Jahren der Anlass war, dass sein Kollege einfach aufgehört hatte. Auch Adam hatte darauf keine Antwort parat und war genauso mit dem rasanten Abgang überfordert, wie alle anderen auch. Nur mit dem Unterschied, dass er noch Kontakt zu ihm hatte. Herauszukriegen war aus ihm jedoch nichts. Jedenfalls sagte Adam das und Kevin vertraute ihm, legte für ihn sogar die Hand ins Feuer und das trotz aller Umstände, die sie vor Jahren einmal hatten. Damals hatte es ihm den Boden unter den Füßen weggerissen, einen Dolch in sein Herz gebohrt und die Luft zum Atmen genommen. Er stand unter Schock, tagelang ging es ihm schlecht und in der Zeit war es Jack, der nicht von seiner Seite gewichen war und sich um ihn gekümmert hatte. Auch jetzt noch meldete er sich regelmäßig, rief an, schrieb ihm oder aber man tauschte sich per Sprachnachrichten aus. In Jack hatte Kevin neben Adam einen verdammt guten Freund gefunden und doch konnten die beiden eine gewisse Person nicht ersetzen. Kevin seufzte, nahm sein Handy aus der Jackentasche und öffnete den Chatverlauf mit Jack. Die letzten Tage hatten sie viel geschrieben, gestern sogar bis spät in die Nacht und doch fühlte sich Kevin nicht besser. Nicht annähernd. Wann immer er die Augen schloss, sah er ihn, sein Lächeln, seine Augen, die ihm keck entgegenblickten und den Verstand raubten. Es war wie verhext und das seit Jahren. Jahre, die er geschwiegen hatte und es bereute. Real war er eben doch anders, als vor der Kamera. Schüchterner und auf Distanz. Jedenfalls dann, wenn er eine Person mochte, aber nicht wusste, ob das bei jener ebenfalls der Fall war. Anzeichen hatte es dafür keine gegeben, auch nicht, als die Kamera schon lange aus war und sie Feierabend hatten. "Hier steckst du? Ich dachte, wir treffen uns auf der Brücke?" Kaum merklich zuckte Kevin zusammen, blickte von seinem Handy auf und direkt Jim an, der vor ihm stand und schief grinste. "Sorry, hab's verpeilt", erwiderte er, erhob sich von der Bank und band sich seinen rechten Turnschuh zu. "Kommt in letzter Zeit häufiger vor, wie mir scheint. Hast du Stress, oder was ist mit dir los?" Kevin schüttelte auf Jims Frage den Kopf. "Stress würde ich das nicht nennen." "Wie dann?" Jim ließ nicht locker, er machte unterstreichend ein besorgtes Gesicht und legte freundschaftlich seinen Arm um den Anderen. "Reden soll helfen und ich höre dir auch gerne zu, wenn dich irgendwas belastet." Kevin lachte freudlos und kickte einen Stein weg. "Ich bin kein Mensch von großen Reden und das weißt du." Jim rollte mit den Augen, boxte seinen Kollegen in die Seite und fixierte ihn. "Und genau das ist dein verdammtes Problem. Du redest nicht, du versteckst dich hinter einer Maske und denkst, es bekommt keiner mit." Er versteckte sich, aber das ging Jim genauso wenig etwas an, wie Jamie oder Kieran. Nicht alle zählten zu jenen Personen, mit denen er ganz dicke war. Dazu gehörten nur Jack, Adam, Jerome und Helmut. Gut, Paul und Sven mittlerweile auch, aber das hatte seine Zeit gedauert und doch setzte er auch bei ihnen die Maske auf, zeigte sich stets fröhlich und lächelte mittlerweile immer öfter falsch. "Jim, lass gut sein, du kannst mir da genauso wenig helfen wie der Rest." Jim sah ihm verdutzt nach, dann aber setzte er sich in Bewegung und holte Kevin ein. "Vielleicht kann ich es doch. Wenn du nicht redest, dann kann dir keiner helfen." "Ich rede doch", erwiderte Kevin leicht genervt. "Belangloses, dummes Zeug, ja. Aber ernsthaft über dein offensichtliches Problem nicht", maulte Jim beleidigt und fühlte sich vor den Kopf gestoßen. "Mir kann da nicht mal Jack helfen, verstehst du?" Fast hätte Kevin ihn angebrüllt und riss sich in letzter Sekunde zusammen. Jack? Was hatte Jack jetzt damit zu tun? Jim war weiterhin ratlos, gab aber nicht auf. "Vielleicht dann Adam?" "Der noch weniger", schnauzte Kevin zurück und da war sich nun auch Jim sicher, dass da irgendwas sein musste. Jim überlegte, kam aber nicht drauf, was Kevin sein Problem war und wie nahe er diesem eigentlich war. "Wenn du reden willst, du hast meine Nummer. Ich bin die nächsten Tage in Pilsen bei meiner Familie", bot Jim dennoch an. "Und jetzt zieh nicht so ne Fresse, wir wollen joggen." Kevin sagte nichts, er setzte sich eher in Bewegung, joggte locker an der Moldau entlang und versuchte das Gefühl der Einsamkeit zu verdrängen. Wirklich gelingen wollte ihm das nicht. Andre tauchte immer wieder vor ihm auf, lächelte oder zwinkerte ihm so keck zu, dass er beinahe über seine eigenen Füße stolperte. Jim bekam von alledem nichts mit, rannte vor und drehte sich nur gelegentlich zu ihm um. Vielleicht um sicherzugehen, dass er auch wirklich folgte und am Ende nicht doch in die Moldau fiel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)