Das Leben - Gedichtesammlung von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 1: Hinter der gelben Tür -------------------------------- Hinter der gelben Tür lebt ein Mann, der seine Flasche mehr liebte, als seine Familie. Seine Frau und die Kinder sind lange weg. Niemand stört ihn nun mehr. Die Kassiererin im Supermarkt blickt ihn so eindringlich an, doch sie sagt nichts. Er senkt den Kopf und blitzschnell verschwinden Flaschen und Konservendosen in seiner Tasche. Er reicht ihr den Schein und verschwindet. Die Nachbarin im Treppenhaus grüßt ihn knapp. In der Tasche scheppern die Flaschen. Der Mann ist froh, als er die gelbe Tür wieder hinter sich zuziehen kann. Er packt die Einkäufe aus. Zärtlich streichelt er den Flaschenhals, schraubt den Deckel ab und dann endlich seliges Vergessen! Vor den stumpfen Fenstern wechseln sich die Jahreszeiten ab, doch innen verändert sich nichts. Die Jahre vergehen. Da ist dieser Schmerz in den Eingeweiden des Mannes; erst nur ganz wenig und ganz selten. Dann öfter. Dann immer. Es macht ihm Angst. Ein Schluck, nur ein kleiner Schluck zur Beruhigung! Beiläufig denkt die Nachbarin, dass es ruhig geworden ist hinter der gelben Tür. Und es riecht noch übler als früher! Die Verkäuferin im Supermarkt wundert sich. Sie hat den Mann lange nicht mehr gesehen. Ob er wohl weggezogen ist? Es dauert viele Wochen, ehe die Feuerwehr die gelbe Tür aufbricht. (24.09.2019) Kapitel 2: Was mir keine Ruhe lässt ----------------------------------- Ich sitze da und trinke meinen Tee. Die goldene Flüssigkeit im Glas, der Duft nach Jasmin, die Stille und mein behagliches Zuhause. Währenddessen treibt ein Boot auf dem Mittelmeer. Es ist übervoll mit verängstigten Menschen. Die Küstenwache hat es Leck geschlagen und sie lässt die Leute nicht an das rettende Ufer gelangen. Währenddessen stirbt ein Kind unter der brennenden Sonne, weil es kein sauberes Wasser zu trinken hatte. Währenddessen verbrennen uralte, mächtige, würdevolle Bäume, um Platz für Weideland zu schaffen. Währenddessen setzt ein Schlachter ein Bolzenschussgerät an den Kopf eines atmenden, fühlenden Lebewesens. Währenddessen verblutet ein kleines Mädchen, weil ihrer Kultur die Genitalien, mit denen sie auf die Welt gekommen ist als unrein gelten. Währenddessen schießt ein Mensch auf einen anderen Menschen in einem sinnlosen Krieg. Währenddessen prügelt eine Ehemann seine Frau zu Tode. Und ich sitze hier und trinke Tee. (25.09.2019) Kapitel 3: Falsches Gold ------------------------ Die Schokolade, deren süßer Duft Erleichterung, Trost und Vergessen verspricht. Die Anerkennung, weil ich wieder einmal hilfrecih und gut gewesen bin, bis weit über die Grenzen meiner eigenen Kraft hinaus. Das Bild, welches Menschen von mir malen, in den bunten Farben, die ich ihnen zeige. Spart euch euren Applaus! Ich will das falsche Gold nicht mehr, auch wenn es noch so hypnotisch glitzert. 11.11.2019 Kapitel 4: Corona ----------------- Klopapier, Nudeln, Zusammenhalt und Ignoranz. Das Virus trägt die Krone und schreibt die Regeln neu. Die Angst geht um und die einen verlieren ihr Geld, die anderen ihren Bezug zur Realität. Hinter der Maske und vor dem Tod sind wir alle gleich. Wer werden wir sein, wenn der Sturm sich legt? (25.07.2020) Kapitel 5: Freitagabend in der Stadt ------------------------------------ Ich auf der Parkbank Die dunklen Bäume um mich, wie putzige, struppige, freundliche Riesen Die Fenster ringsherum wie tausend warm leuchtende, kantige Augen. Kichernde Kiffer drüben bei der Tischtennisplatte, Und von fern die regelmäßige Brandung der Hauptstraße Ein seliger Halbfrieden liegt in der Spätsommerluft Der Staub einer Woche fällt langsam von mir ab Am Freitagabend in der Stadt. (04.09.2020) Kapitel 6: Leicht im Sinn ------------------------- Das Eis weicht und das Leben erwacht in Menschen, Tieren, Bäumen. Milde und Süße liegen in der Luft – ein Versprechen, dass Alles und Jedes gut werden kann. Selbst die Steine auf dem Weg sind bloß runde, sonnenbeschienene Flusskiesel – weich und freundlich unter nackten Füßen. Das Leben darf leicht sein. Es darf Lachen über das Land schallen und selbst in der Mühsal darf ein wenig Spiel und Abenteuer keimen. Warum laufen, wenn getanzt werden könnte? Warum sprechen, wenn wir singen könnten? Warum sich fürchten, wenn wir den Teufel auch verhöhnen könnten? Der Schwermut ein Ende. Aufbruch in den Leichtsinn. Kapitel 7: Wenn ich schreibe ---------------------------- Wenn ich schreibe komme ich mir selbst auf die Spur. Ich finde Antworten, deren Fragen mir nicht einmal selbst bewusst gewesen. Durch meine Feder fließt meine Essenz hinaus nach da draußen. Es ist wie ein Bad für das Unbewusste, das Vorbewusste, meine Abseiten, Windungen, spiralförmigen Anteile. Kapitel 8: In meinem Schoß -------------------------- Ich berge Schmerz in meinem Schoß, die Trauer meiner Ahninnen, ihre Wut und ihre Ohnmacht, ebenso wie meine eigene. Informationen verwoben über Jahrhunderte und Generationen hinweg, ein Teppich geknüpft aus Unrecht, Gewalt und Unterdrückung, ihre und meine. Ich spüre sie als Schmerz und Anspannung, jene anklagenden Stimmen der Frauen die vor mir da waren, ebenso wie meine eigene. Zeit sie hinaus in die Welt zu lassen. Die Geburt der Nemesis. (29.09.21) Kapitel 9: Mein kleines grünes Fahrrad -------------------------------------- Ich bin fünf Jahre alt, schon ein richtig großes Mädchen und mein Fahrrad ist grün. Die sattdunkle Farbe glänzt metallisch und wunderschön in der Sonne. Anfangs schützen mich noch Stützräder vor dem Fallen, doch bald schon merke ich, dass sie ganz locker sind und dass ich sie gar nicht mehr brauche. Ich bin schnell wie der Wind und so wahnsinnig stolz. Ich kann es! Ich bin frei, stark, großartig und unsterblich, wie nur ein Kind sich fühlen kann. Manchmal wünschte ich mir heute mein kleines, grünes Fahrrad zurück, auf dem ich schneller bin, als die Ängste und Sorgen dieses Lebens. Ich würde mit ihm in einen neuen, strahlenden Sommertag starten und alles und jedes wäre einen Moment lang gut. (29.09.21) Kapitel 10: Kokon ----------------- Von außen erscheine ich wie erstarrt, doch es ist nicht Stillstand, es ist Transformation. Eingesponnen in meine Gedankenwelt, werde ich die, die ich sein soll, trenne Falsch von Richtig, schaue in finsterste Abgründe und bringe ihnen Licht. Ich träume vom Fliegen, doch noch brauche ich meinen Kokon Für Wachstum Für Reifung Für Erkenntnis Für Erneuerung Ehe ich einst der Welt meine bunten Schwingen zeigen werde. Kapitel 11: Nicht zu spät! -------------------------- Auch mitten in einem Streit kannst du dich besinnen und entschuldigen, wo du ungerecht gewesen bist Auch nach der Hälfte der Chipstüte kannst du einfach aufhören weiter zu essen. Auch wenn der Tag mies begonnen hat, kannst du immer noch daran arbeiten, dass es besser wird. Es ist der „Nun-ist-es-auch-schon-egal-“Moment, der uns das Leben so schwer macht und uns vorgaukelt, wir hätten keine Kontrolle mehr über eine Situation, nur weil sie schlecht angefangen hat. Wir müssen aber gar nicht auf einen neuen Morgen, ein neues Jahr, oder eine Veränderung der Umstände warten, um das Ruder herumzureißen, im Gegenteil! JETZT ist der einzige Moment, etwas zu verändern, denn die Vergangenheit bleibt stets dieselbe und die Zukunft ist ein Moment, welcher vielleicht niemals eintreten wird. Also besinne dich und triff die Entscheidung zur Veränderung. Du kannst es! Kapitel 12: Schneckentempo -------------------------- Achtsam folge ich dem Heer der Schnecken. Sie lehren mich Zartheit, Langsamkeit und Verwundbarkeit. Sie leeren mich den Blick in jede mögliche Richtung Sie leeren mich, dass Ausdauer und Geduld zum Ziel führen, auch wenn die Reise ewig scheint. Sie leeren mich, dass Weichheit und Beweglichkeit auch den kantigsten Fels überwinden kann. Sie leeren mich, dass Rückzug klüger als Kampf sein kann. Achtsam folge ich dem Heer der Schnecken und Friede und Zufriedenheit erfüllen mich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)