Bauchgefühl von Norrsken (Ein Ass im Bett) ================================================================================ Kapitel 8: 2009-10-13 --------------------- Yuriy lief die Treppen zum zweiten Stock hinauf, dicht gefolgt von Lycas tapsigen Schritten. Vor der Wohnungstür von ihrem Partner wartete sie geduldig darauf, dass Yuriy die Schlüssel aus seiner Jackentasche hervorholte und aufschloss. Sie traten in die Wohnung ein. Yuriy voran, Lyca gleich an seinen Beinen vorbei. Ihr Weg führte sie als erstes zum Sofa, während Yuriy die Küche aufsuchte und den Wassernapf frisch auffüllte. Erst dann folgte er der Hündin, die neben dem Sofa saß, auf dem Boris lag. Sein Gesicht war zur Lehne gedreht, ein Arm irgendwie um seinen Kopf geschlungen, der andere zu Lyca ausgestreckt, um eins ihrer Ohren liebevoll zu kneten. Als er damit fertig war, verschwand sie zur Küche, um nach dem langen Spaziergang anständig zu hydrieren. Yuriy war positiv überrascht, dass Boris es vom Bett bis zum Sofa geschafft hatte, auch wenn er dort weiter herumlag und auf den ersten Blick nichts Sinnvolles zustande brachte. »Willst du nicht mal duschen gehen?«, schlug er vor, um Boris überhaupt zu irgendetwas zu bewegen. Er war seit Anfang der Woche krankgeschrieben und morgen würde er zum Arzt müssen, um seinem Chef ein Attest vorzuweisen. Problem bei der Sache war, das Boris überhaupt nicht krank war. Zumindest nach Yuriys Einschätzung und selbst wenn er kein Arzt war, vermutete er, dass der ihm recht geben würde. Boris brummte ihm nur unverständlich entgegen, was er von dem Vorschlag hielt und schob sich noch ein Stück weiter an die Rückenlehne des Sofas heran, dass Yuriy glaubte, er wolle mit dieser verschmelzen. Mit einem gedehnten Atemzug ließ er die Schultern sinken. »Gut, dann komme ich später wieder und mache mit Lyca die Abendrunde«, informierte er und wartete auf eine Reaktion. Es dauerte, bis eine Regung durch Boris ging und er sich aus seiner Sofaritze heraus drehte, um Yuriy über die Schulter hinweg anzusehen. Sein Arm verbarg immer noch Teile seines Gesichts, trotzdem erkannte Yuriy tiefe Augenringe und gerötete Augen. Obwohl er schwer aus dem Bett kam, schlief er nicht erholt. »Du siehst scheiße aus«, stellte Yuriy fest. Boris‘ Mundwinkel zuckten müde. Mehr holte es nicht aus ihm raus. In der ganzen Zeit, die sie sich schon kannten, war es nicht das erste Mal, dass Yuriy miterlebte, wie Boris eine Trennung verarbeitete. Unausgeglichen wie er nun einmal war, bedeutete das stets große Gefühlsausbrüche, die sich nicht selten mit Wut vermengten. Aber diesmal fürchtete Yuriy, dass es anders war. Das letzte Mal hatte er Boris auf eine ähnliche Weise apathisch erlebt, als sie noch in der Abtei waren. Damals war der Grund jahrelange Manipulation und Drogen – kein gebrochenes Herz. Yuriy konnte auf keine Erfahrungswerte zurückgreifen, die ihm in dieser Situation halfen, mit seinem Freund umzugehen. Mit einem Schnauben machte er seinem Unmut Luft. »Hast du schon gegessen?« Boris wich seinem Blick aus. Also nein. »Du musst essen«, meinte er. »Keinen Hunger«, murmelte Boris gegen seinen Arm, dass Yuriy es fast nicht verstanden hatte. Lyca kehrte aus der Küche zurück, lief an Yuriy vorbei ans Sofa heran und sah ihren Partner abwartend an. Mit einem Klopfen auf die Polster gab Boris ihr die Erlaubnis und sie sprang aufs Sofa. Es war Yuriy ein Rätsel, wie dieser nicht gerade kleine Akita-Inu-Husky-Mix mit Boris zusammen auf die Sitzfläche passen wollte, aber sie schaffte es, sich zwischen ihn und die Rückenlehne zu quetschen und halb auf seiner Brust zu liegen. Boris legte eine Hand auf ihren Kopf und kraulte ihre Ohren. Diesmal bekam er sogar ein Lächeln zustande. Dünne Fältchen bildeten sich zwischen Yuriys Augenbrauen, bevor er sich schlussendlich dagegen entschied zu gehen und sich neben Boris auf das Sofa fallen ließ. Er hatte für den Tag ohnehin keine Pläne. Lyca spitze die Ohren und Boris warf ihm einen irritierten Blick zu. »Was ist denn jetzt?« Darauf konnte Yuriy ihm keine Antwort geben, da sein Plan bisher nicht weiter reichte, weshalb er mit den Schultern zuckte. »Wir bestellen, sobald du Hunger hast«, entschied er spontan. Boris starrte ihn an, ohne etwas zu sagen, bis er von Lyca abgelenkt wurde, die mit ihrer Pfote auf seine Brust klopfte. Sie reckte ihm die Schnauze entgegen und er nahm sie in beide Hände, knetete ihr dickes Fell und kraulte ihren Hals, sodass ihr Schwanz beständig gegen das Sofa klopfte. »Mein Mädchen«, murmelte er. Ohne davon abzulassen sie zu kraulen, legte er den Kopf in den Nacken und schaute Yuriy an. Dass Boris nichts sagte und bloß schaute, ließ ihn die Stirn runzeln. »Du benimmst dich sonderbar.« »Du auch.« Dem konnte er nicht widersprechen. Für ihn fühlte sich das alles an, als liefe er über dünnes Eis – aber er würde nicht einbrechen. Er legte die Hand an Boris‘ Schulter und zwang ihn mit Nachdruck dazu, ein Stück Platz zu machen, sodass sich Yuriy bis zur Rückenlehne heranschieben konnte und Boris den Kopf an ihn lehnen musste. Langsam kam das Mienenspiel seines Freundes zurück und mit zusammengezogenen Augenbrauen musterte er ihn von unten. »Was wird denn das?« »Es ist bequemer und du bekommst keinen steifen Nacken«, erklärte Yuriy sachlich. »Hast du Lack gesoffen?« Yuriy spürte in sich das Bedürfnis aufkommen, Boris mit einem Kissen zu ersticken, rang dieses aber mit viel Selbstbeherrschung nieder und atmete tief durch. Es wäre besser gewesen, wäre er einfach gegangen und zur Abendrunde mit Lyca wiedergekommen. »Nein.« Ohne weiter darauf einzugehen, angelte Boris nach der Fernbedienung, zappte unmotiviert durch die Kanäle, bevor er irgendetwas, das sie beide nicht interessierte, laufen ließ. Die Beschallung half über die Grabesstille hinweg, die wieder zwischen ihnen einkehrte. Zwischenzeitlich forderte Lyca etwas Aufmerksamkeit für sich ein, doch sonst blieb es ein ruhiger Nachmittag. Ein Gemisch aus Langeweile und Ratlosigkeit verleitete Yuriy dazu, mit seinen Fingern durch Boris‘ kurzes struppiges Haar zu streichen, während sein Blick glasig auf den Fernseher gerichtet war. Er blinzelte, als Boris ihn in seinem Tun unterbrach und ihre Finger ineinander verschränkte. Boris sah ihn nicht an, sondern weiter zum Fernseher. Reglos lagen ihre beiden Hände ineinander verwoben auf seiner Brust. »Dich und Lyca. Mehr brauche ich nicht.« Seine Worte hinterließen in Yuriys Magen ein nervöses Kribbeln. Sein Blick ruhte auf seinem Freund, auf ihren Händen und er presste die Lippen zusammen, um nicht zu sagen, was er dachte: Das stimmt nicht. So wichtig sie füreinander waren und so sehr sie einander brauchten, wusste Yuriy zu genau, dass er für Boris nicht das sein konnte, was Tatjana war. Weil Yuriy nicht so war. Weil Boris nicht so war. Er hob die freie Hand und begann wieder damit, durch sein Haar zu streichen. »Sehen wir mal, was die Zukunft bringt.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)