Ein Funken genügt, um Zweifel zu säen von NaschKatzi (Ritsuka x Mafuyu) ================================================================================ Kapitel 1: Ein Funken genügt, um Zweifel zu säen ------------------------------------------------ Tick Tock Tick Tock Tick … „... diese Uhr … die gleiche wie die in ... Yukis Zimmer ...“ Zu diesem Zeitpunkt und auch noch lange danach, war es ihm unmöglich Worte zu finden, die auch nur im Entferntesten das beschreiben konnten, was er in jener Nacht empfand. Doch ganz gleichgültig, wie er es später nennen würde, was auch immer es war - es kam unerwartet, aus dem Nichts, und fraß sich unglaublich tief in sein Herz. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war es nicht nur idiotisch, sondern auch absolut sinnlos. Nach ihrer ersten gemeinsamen Übernachtung, waren dennoch keine vierundzwanzig Stunden vergangen, als er die verfluchte Uhr am Ende von der Wand nahm und ohne weiter groß darüber nachzudenken in den Müll warf. Zumindest in den eigenen vier Wänden wollte er der erdrückenden Präsenz Yukis entkommen. Natürlich war ihm tief in seinem Inneren, dort, wo es besonders wehtat, bewusst, dass es kein Entkommen gab. Der andere, Yuki, würde immer ein Teil von Mafuyu und damit auch von ihm selbst sein. Wie ein Schatten, mal hell, mal dunkel lag er über ihnen und würde immer wieder für diesen einen Ausdruck auf Mafuyus traurigem Gesicht verantwortlich sein. Ihnen beiden erschienen die nächsten Stunden unendlich lang, dunkel und während er Mafuyu fest in seinen Armen hielt, wuchs der kleine Funken Eifersucht in seiner Brust zu einem heißen, stechenden Glühen heran. *~* *~* *~* Die Uhr blieb, wo sie war - im Müll. Da weder Mafuyu, noch seine Wenigkeit ein weiteres Wort darüber verloren, erinnerte nur der kaum erkennbare Umriss, den sie im Laufe der Jahre in die helle Tapete gegraben hatte, daran, dass sie je dagewesen war. Ritsuka störte dies nicht im geringsten, denn auch ohne das stetige Ticken der Zeiger, wusste er doch ganz genau, wann es an der Zeit war, endlich die letzten Hemmungen fallen zu lassen, die letzten störenden Zentimeter zu überwinden und sich das zu nehmen, was er so sehr begehrte. Mafuyus erster Nacht im Hause Uenoyamas waren weitere gefolgt. Mittlerweile war es ganz natürlich, dass er den Kleinen nach den Proben mit sich nach Hause nahm. So verbrachten sie die Stunden danach mit ihren Instrumenten, hörten sich durch eine von Ritsukas unzähligen CDs, oder versuchten sich sogar an einem neuen Song. Und zwischen all dem gab Worte, Blicke, Berührungen, die nur für sie beide bestimmt waren. Und dass er Mafuyu nicht nur begehrte, sondern ihm nahe sein, ihn berühren wollte, spürte Ritsuka gerade in diesem Moment nur allzu deutlich, während er einfach nicht genug davon bekam, die weichen Lippen des Kleineren mit den eigenen einzufangen und so in immer tiefere, leidenschaftlichere Küsse zu versinken. Damals auf der Bühne, ihr erster Kuss. Unschuldig, spontan und so süß, dass Ritsuka noch heute die Knie weich wurden, wenn er daran zurückdachte. Die Euphorie des Augenblicks, Adrenalin, das durch ihre Adern fegte, Mafuyus Lied. Er würde dieses unvergleichbare Gefühl nie vergessen. Und auch jetzt, als er mit den Fingerspitzen ungeahnt sanft über die gerötete Wange seines Freundes streichelte, und sie gleich darauf in dessen rotbraunes Haar tauchte, musste er flüchtig daran denken. Den ersten Kuss vergisst man nie … wie kitschig ... „U-Uenoyama-kun ...“, vibrierte sein Name zwischen ihnen, atemlos und verführerisch rau, sodass sich Ritsukas Sinne umgehend wieder auf den Jungen in seinen Armen konzentrierten. Sofort lief dem dunkelhaarigen Gitarristen ein wohliger Schauer über den Rücken. Schwer atmend, die Lippen feucht von ihrem Speichel, warf ihm Mafuyu unter gesenkten Wimpern hindurch einen beinahe entrückten Blick zu. Ritsuka musste angestrengt schlucken, ein warmes Kribbeln breitete sich in seiner Magengegend aus, und für den Bruchteil einer Sekunde vergaß er tatsächlich Atem zu schöpfen. Dieser Blick verspricht so viel … und doch … was ist, wenn … shit ... „… Uenoyama-kun …?“ Die leise, fragende Stimme Mafuyus riss ihn ruckartig aus seinen verstörenden Gedanken. Verwirrt runzelte Ritsuka die Stirn, blinzelte und wurde sich dann erst bewusst, dass der entrückte Ausdruck in Mafuyus hübschen Augen einem Anflug von Besorgnis gewichen war. Sofort schoss ihm ein frischer Schwall Blut ins Gesicht, nur dieses Mal aus purer Verlegenheit. Schon wieder. Ich grüble schon wieder zu viel darüber nach. Verdammt … nicht jetzt … Er könnte sich vierteilen! Eigenhändig! Fuck! „Alles … in Ordnung? Du bist in letzter Zeit so … komisch ...“, brach Mafuyu schließlich das unangenehme Schweigen, das sich zwischen ihnen auszudehnen drohte. Neben Besorgnis spiegelte sich nun auch tiefe Unsicherheit in dem Gesicht des Sängers wider. Unbeholfen gruben sich die schlanken Finger tiefer in den weichen Stoff von Ritsukas Shirt. Dieser fühlte sich auf idiotische Art und Weise ertappt. Aber noch schlimmer war der traurig-melancholisch Ausdruck in den braunen Augen Mafuyus. Ritsuka wurde die Kehle eng. Was für ein Heuchler er doch war. Kein Stück besser als … er... „K-Komisch? Ich? Schwachsinn ...“, protestierte er nichtsdestotrotz, indem er sich schroff durch das dunkle Haar fuhr und Mafuyu dabei ein verkrampftes Lächeln, das hoffentlich verbarg, wie zerrissen er innerlich war. „Was du dir wieder einbildest. Die Proben sind doch anstrengender als gedacht … das ist alles ...“, fügte er beschwichtigend hinzu. „Hhmm ...“ Mafuyu seinerseits schwieg. Einige Herzschläge lang, musterte er sein Gegenüber so intensiv, als wolle er ihm direkt ins Herz schauen. Wie so oft, war es unmöglich zu sagen, was ihm gerade durch den Kopf geisterte. Ein Umstand mit dem Ritsuka noch immer nicht richtig umzugehen wusste. Mit einer verwirrenden Mischung aus Sehnsucht und Beklemmung beäugten sie einander, bis der Kleinere von beiden betreten den Blickkontakt abbrach. „Also ...“, setzte Mafuyu schließlich an, verstummte allerdings gleich wieder. Verlor sich in sich selbst. Bleierne Stille legte sich über sie. Ritsuka spürte, wie ihm die Handflächen feucht wurden. Der Puls vibrierte in seiner Kehle, eine einzelne Schweißperle rann ihm quälend langsam an der rechten Schläfe entlang. Jetzt sag schon was! Irgendwas! Fuck! „Mafuyu …? Hey ...“ Behutsam hob er die Hand, versank damit in dem hellen Haar des Kleineren. Er liebte das seidige Gefühl der Strähnen zwischen seinen schwieligen Fingerkuppen. „Mhm … ist es … dann wirklich in Ordnung, dass ich … hier bin …?“, hörte Uenoyama ihn dann leise, mit belegter Stimme fragen und erstarrte. „...vielleicht doch … besser nach Hause ...“ Die Schultern Mafuyus sackten kraftlos nach unten und obwohl er ihn immer noch im Arm hielt, spürte Ritsuka, wie sie sich voneinander entfernten. Genau das hatte er verhindern wollen. Tick Tock Tick Tock Tick … Frust stieg in ihm auf, Wut auf sich selbst. Gegen seinen Willen begann es in ihm zu brodeln. Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Er knirschte mit den Zähnen. Verfluchte sich. Verfluchte ihn. Tick Tock Tick Tock Tick … „Spinnst du jetzt total?!“, platzte es gleich darauf, ohne es verhindern zu können aus ihm heraus. Sein Blut kochte regelrecht. Gröber als beabsichtigt fasste er die Schultern des anderen. „Weißt du eigentlich, wie spät es ist!? Als ob ich dich jetzt noch draußen alleine durch die Straßen laufen lasse! Du bleibst gefälligst hier! Ich brauche dich, verdammt nochmal! Hier, bei mir!“ Verpeilt wie der Kleine manchmal war, würde er ohne ihn noch vor ein Auto laufen. Oder von irgendwelchen zwielichtigen Typen angesprochen werden. Oder jemand schubste ihn vor die Bahn!? Allein die Vorstellung machte ihn ganz krank. Er würde sich nie verzeihen, sollte Mafuyu unterwegs etwas passieren. Und warum führten sie diese Diskussion überhaupt? Weil er, Uenoyama Ritsuka, ein riesengroßer Vollidiot war. Mafuyu zuckte aufgrund des unerwarteten Ausbruchs seines Freundes minimal zusammen. Gleichzeitig wurden seine Augen kugelrund. „Du … brauchst mich …?“, wiederholte er überrumpelt und trotz der spärlichen Lichtverhältnisse war die feine Röte auf Nase und Wange deutlich zu erkennen. Erleichtert nahm Ritsuka wahr, wie sich der Kleine entspannte, und das vertraute Leuchten zurück in die Gesichtszüge des Jungen trat. Mafuyus berühmt-berüchtigter Hundeblick war im Einsatz. Und natürlich konnte er ihm nicht entkommen. „Du … du hast mich schon verstanden ...“ Beschämt wich der schwarzhaarigen Gitarrist Mafuyu aus. Sein Gesicht schien buchstäblich in Flammen zu stehen. Wie hatte er nur so etwas peinliches sagen können? Wo war das Loch, in dem er sich verkriechen konnte? „Danke ...“, drang da auf einmal ein warmer Hauch an sein Ohr. „Das bedeutet mir wirklich viel … Ritsuka … du bist … sehr lieb ...“, hörte er Mafuyu sagen und augenblicklich tat ihm ein harscher Ton leid. Doch noch bevor ihm so etwas ähnliches wie eine Entschuldigung über die Lippen kam, stoben die Schmetterlinge in seinem Bauch wild auseinander, das Herz in der Brust machte einen unruhigen Satz, nur, um daraufhin in doppelter Geschwindigkeit das Blut durch seinen Venen zu pumpen. Es dauerte einen Wimpernschlag, ehe er begriff. Ritsuka. Ritsuka, er hatte ihn Ritsuka genannt. Zum ersten Mal hatte er seinen Vornamen aus Mafuyus Mund gehört. Überwältigt, verwirrt, überfordert. Schlagartig wallten all diese Gefühle gleichzeitig in ihm hoch. Ritsuka Puls beschleunigte sich noch einmal rapide. Sprachlos starrte er Mafuyu einfach nur an, bis dieser ihm ohne das geringste Zögern entgegenkam und als ihre Münder nur noch wenige Millimeter voneinander entfernt waren, umfing er Gesicht des Kleinen mit den Händen, beugte sich zu ihm hinunter und stahl ihm einen weiteren innigen Kuss. *~* *~* *~* Wie die Saiten einer Gitarre hatte er gelernt Mafuyu zu spielen, ihn zu reizen, ihn zum Klingen zu bringen. „Mhmm … mhmm …“ Das feine, hauchzarte Seufzen, welches er Mafuyu entlockte, bescherte ihm eine herrliche Gänsehaut. Ritsuka atmete tief durch, inhalierte regelrecht den angenehmen Duft des anderen und spürte sogleich, wie ihm die Hitze in den Unterbauch schoss. Ein leises Knurren stieg in seiner trockenen Kehle empor, während er nicht widerstehen konnte und die Lippen noch forscher auf die bebende Halsschlagader Mafuyus zu pressen. Er hatte nicht lange gebraucht, um zu finden, was er suchte. Zunächst bedächtig, dann gieriger bahnte er sich einen Weg über die empfindliche Haut, beanspruchte Mafuyus sensiblen Punkt ganz für sich und musste innerlich grinsen, als sich die schmale Hand des Kleineren in sein Haar krallte. Eine stumme Bitte nach mehr. Ritsuka würde es nie laut aussprechen, aber er fand es ziemlich süß, wie Mafuyu reagierte, wenn er ihn ausgerechnet an dieser einen besonderen Stelle berührte. Unwillkürlich verzogen sich seine Mundwinkel zu einem frechen Grinsen. Langsam tastete er sich vorwärts, strich mit den Händen über die bebenden Seiten seines Partners, entlockte ihm eine Mischung aus erregtem Stöhnen und atemlosen Kichern. Es war schön, wenn er lachte. Mafuyu lachte viel zu selten. Mit Yuki an seiner Seite lachte er bestimmt viel und gerne … Ritsuka gefror innerlich zu Eis. Der Gedanke kam aus heiterem Himmel. Ihm wurde eiskalt. Eine unsichtbare Hand ballte sich in seinem Brustkorb zur Faust. Da war es wieder, jenes unbekannte Etwas, das ihn schon einmal so sehr aus der Fassung brachte. Weswegen er die dumme Uhr überhaupt weggeworfen hatte. Tick Tock Tick Tock Tick … Die Uhr … die gleiche wie die in Yukis Zimmer … Wie Yuki … Er war nicht … Den ersten Kuss vergisst man nie. Und genau darin lag das größte aller Probleme. Mafuyus erster Kuss … Sein erstes Mal … Seine erste Liebe ... Sein erster Verlust … Über all dem schwebte ein einziger Name … sein Name ... „Yuki … Yuki … Yuki … Yuki …” Es gibt nichts mehr, was du Mafuyu noch geben könntest. Du bist nur einer von vielen, hallte eine höhnische Stimme in seinem Kopf wider und obgleich er Yuki nie persönlich getroffen hatte, bildete er sich ein, es sei dessen Stimme, die ihn so unbarmherzig verhöhnte. Plötzlich waren alle Selbstzweifel auf einem Schlag zurück. Der verzweifelter Versuch Yuki auszusperren, war grandios gescheitert. Wie soll ich dagegen ankommen? Ist das überhaupt möglich? „Uenoyama-kun?“ Wenn ich ihm nicht das gegen kann, was er braucht? „… ka … Ritsuka …?“ Vielleicht bin ich nicht gut genug? „Bist du noch … da …?“ Ich benehme mich komisch … Ich werde langsam verrückt ... „Es … es tut mir leid … Es ist meine schuld ...“ Was …? Wie ...? „Ich hätte … Yuki … nicht erwähnen dürfen … nicht hier …“ Warum entschuldigst du dich? Ich bin es doch, der … „Ich wusste nicht, dass du dir solche Gedanken machst …“ Ich bin so ein … „Idiot … Hör auf … ich bin der Idiot hier, also hör auf, dich zu entschuldigen …“, presste er tonlos hervor und erschrak vor dem heiseren Klang der eigenen Stimme. Realisierte, dass er laut gesprochen hatte. Am liebsten wäre er vor Scham im Boden versunken, aber stattdessen ließ er sich von Mafuyu halten, das Gesicht immer noch an dessen Schulter gepresst. „Ich bin wohl doch nicht so cool ...“, wagte er nach einer gefühlten Ewigkeit zu sagen. „Vielleicht ...“, antwortete Mafuyu. Sanft streichelte er ihm durch das wirre Haar. Als könne er jeden Augenblick zerbrechen. Ritsuka schnaufte. „Tolle Antwort …“ „Mhm … warum ...?“ „Ich wusste nicht wie ...“ Schweigen. „Ritsuka?“ „Mhm …?“ „Auch … wenn du es …. noch nicht sagen kannst … wir haben alle Zeit der Welt ... oder?“ **ENDE** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)