Das Reich der sieben Drachenkrieger von MarryAnn ================================================================================ Prolog: PROLOG -------------- „Wir kommen zu spät!“, rief ich durch den Flur und sah genervt auf die Uhr. Es war schon kurz vor um 9. „Ja! Ich bin doch schon fertig!“ antwortet es aus dem Wohnzimmer und June kam um die Ecke. Doch was ich sah, war alles nur nicht eine fertige Studentin, bereit für den Uni Tag. „Schuhe? Jacke? Und wo sind deine Unterlagen?“ fragte ich mit einem tiefen seufzend, während ich ihr den Weg frei machte, damit sie an das Schuhregal kam. „Reg dich nicht so auf, May. Wir sind in weniger als 10 Minuten an der Uni und meiner Rechnung zufolge haben wir noch genau …“ – sie hielt innen, nachdem sie ihre Schuhe auf den Boden gestellt hatte und schaute auf ihre Armbanduhr. „…17 Minuten!“ „Ja und du brauchst allein noch 10 bis wir hier rauskommen!“, schimpfte ich, nahm ihre Jacke und hielt sie ihr hin, damit sie rein Schlüpfen konnte. „Los jetzt!“ Mit diesen Worten schlängelte ich mich an ihr vorbei und öffnete die Haustür, sie grinste mich nur an und machte ihre alltäglichen Move, um zu kontrollieren, ob Sie alles mit hatte. „Handy – Schlüssel – Portemonnaie!“, sagte sie leise und schnappte ihren grünen Beutel. „Ausweis!“, fügte ich genervt zu. „Hier!“, rief sie aus dem Wohnungsflur und zog dabei ihren Studentenausweis aus der Jackentasche. Danach ging sie freudestrahlend an mir vorbei in den Hausflur. „So los komm, May! Sonst kommen wir wirklich noch zu spät zur Vorlesung.“ fügte sie frech grinsend hinzu, als sie sich in Richtung Treppe aufmachte. Ich sah ihr nur mit einem finsteren Blick nach, schloss unsere Wohnungstür und folgte ihr. „Ich frage mich immer noch wie ich es mit dir aushalte“, bemerkte ich trocken, als ich zu ihr aufgeschlossen hatte. Sie zupfte ihren Schal noch zurecht, bevor sie mir antwortet. „Weil du keine andere Wahl hast!“ „Ach? Ist das so?“ fragte ich nach, öffnete die Haustür und ließ sie vorbei. „Klar. Wir brauchen uns einander einfach. Wir sind doch die Muppel-Crew!“ sagte sie aus voller Überzeugung, während ich aus voller innerlicher Verzweiflung den Kopf schüttelte. „Du und dein Muppel!“, erwiderte ich nur und überquerte dabei die Straße. Das Wort „Muppel“ entstand in der Zeit mit ihrem Ex-Freund als eine Art Allzweckwort, was alles bedeuten konnte aber oftmals als Kosename für die andere Person genutzt wurde. Ich hatte June noch kennengelernt als sie zusammen waren – und als dann Schluss war, übernahmen wir dieses Wort in unserer Freundschaft. „Was dagegen? Du bist halt mein Muppel!“ „Ich weiß …“, gab ich zu und lächelt leicht. Doch dies war sicher nicht die Begründung für meine Frage. June hingegen begann leise zu lachen, während wir gemeinsam durch den Januar-Schnee stampften. „Ach. May! Sei nicht immer so verbissen. Wir kommen doch noch rechtzeitig in die Uni oder geht es eher darum das wir laufen?“ fragte sie und sah mich mit diesem Blick an, als würde jede Antwort, die ich jetzt gebe, die Tatsache, dass ich es hasst zur Uni zu laufen, nicht im Geringsten verbergen können. „Orr!“, schnaufte ich. „Du weißt, dass ich faul bin und lieber den Bus nehme.“ „Ich weiß!“ „Wieso fragst du dann auch noch so dumm?“ „Weil ich es kann“, sagte sie und ließ mir den Vortritt als wir die Treppe zum Unigelände erklimmen. „Und weil ich finde, dass ein bisschen sportliche Aktivitäten am Morgen noch niemanden umgebracht haben!“ fügte sie an. Ich sah sie nur grummelnd an und freute mich innerlich auf mein Kaffee, der schon sehnsüchtig am Coffeeshop auf mich wartet. June war morgens immer so energisch (wenn sie erst einmal wach war) während ich eher ein Morgenmuffel war. „Hey Lilli“ – Junes plötzlicher Aufschrei ließ mich sofort Aufsehen. Wir hatten das Hörsaalgebäude schon fast erreicht und vor dem Eingang stand auch schon Lilli. Sie war eine unsere besten Freundinnen und gleichzeitig noch unsere Kommilitonin. Lilli winkte uns lächelnd zu und June lief hastig zu ihr. „Na bereit für die erste Stunde?“, fragte Lilli während wir uns kurz umarmten. Sie sah anhand meines Gesichtsausdrucks schon, dass die Antwort sicher nicht ein – ja – war. „So schlimm heute Morgen?“ „Ja“, jammerte ich leise und ging sofort in Richtung Coffeeshop. Im Hintergrund vernahm ich June Stimme: „Sie ist wieder ein totaler Muffelig, weil wir fast zu spät gekommen wären.“ – „Verstehe!“ „Ich kann euch immer noch hören!“, zischte ich und stellte mich an die Kaffeeschlange an, während sie Mädels warteten. Kaffee war halt etwas, was ich morgens brauchte, um erstmal richtig wach zu werden – vor ein paar Jahren war, mochte ich Kaffee nicht wirklich aber seitdem ich Studierte war diese Koffeinhaltiges Getränk unerlässlich geworden. Als ich an der Reihe war, bestellte ich zwei Milchkaffees – ein für mich und einen für June wiederkam. „Hier!“ „Danke!“, bedankte sich June als ihr einen der beiden Milchkaffees hinhielt. Sie nahm ihn und ging voraus in Richtung Hörsaal während ich ihnen, nippend an meinem Kaffee folgte. June und ich waren echt gute Freundinnen geworden, obwohl ich sie im ersten Augenblick nicht ausstehen konnte. Damals dachte ich noch, sie wäre ein totaler Snob und Besserwisser doch mit der Zeit verstanden wir uns immer besser, sodass irgendwann eine tiefe Freundschaft entstand – die ich heute nicht mehr missen möchte – auch wenn sie mich oft in den Wahnsinn treibt. „Und wie ist es so eure WG so?“ Lillis Frage riss mich aus meinen Gedanken und ließ mich zu ihr herübersehen, während wir in der fünften Reihe Platz nahmen. „Ähm, gut. Schätze ich!“ antwortete ich und sah kurz zu June. „Ja. Super. May und ich verstehen uns ja ohne hin super und davor haben wir ja praktisch schon zusammengewohnt!“ bemerkte sie. „Stimmt. June ist ja immer bei dir eingezogen, wenn Prüfungen waren!“ fügte Lilli, June Bemerkung hinzu. Nickend stimme ich ihr zu. „Jupp. Deswegen ist diese WG ja auch kein Problem. Wir hocken halt jetzt 356 Tage, 24h aufeinander!“ „Nicht ganze 24h, aber mindestens 16h!“ korrigierte mich June. „Wir müssen schließlich noch etwas schlafen.“ Ich verdrehte die Augen und packte meine Sachen aus, als der Professor den Saal betrat. „Besserwisserin!“, flüsterte ich als die Stunde begann. June sah mich nur lächelnd an, wohl wissend das sie wusste das ihr Sinn für Korrektheit mich Ärgerte. Abermals war mir zum seufzend aber ich unterdrückte es. Langsam legte ich meinen Kopf auf meinen verschränkten Armen und dachte nach. Dabei fiel mein Blick wie immer auf June, die eifrig den Worten des Professors lauschte. Wir waren in so manchen Dingen unterschiedlich. June war groß, brünett, sportlich und dazu schlau während ich klein, etwas pummelig und nicht gerade die hellste Leuchte im Kronleuchter war. Ich hatte die ersten 2 Semester mit durchschnittlichen Noten über die Bühne gebracht, während Sie mit guten bis sehr gute Noten glänzte. June war oft sehr vergesslich, chaotisch, unpünktlich und war von Tieren (ganz besonders Hunden) besessen. Ich hingegen bin ordentlich, pünktlich und plane gerne im Voraus etwas – Tiere war noch nie meins, aber dafür konnte ich schon immer gut mit Kindern. „Hey!“ – June Ellenbogen stupste mich leicht an und ließ mich meinen Kopf erheben. Ich blickte etwas verschlafen nach vorne und sah, dass der Professor begonnen hatte etwas auf die Tafel zu schreiben. Hastig nahm ich meinen Block und Stift zur Hand und schrieb mit, nachdem ich June kurz dankbar zunickte, dabei ließ ich meine Gedanken nochmals freien Lauf. Denn trotz dieser Unterschiede hatten wir ebenso viele Gemeinsamkeiten die uns Verbanden. Zum Beispiel liebten wir beide kitschige Sachen, wie Pummel-Einhörner, kochten gerne, tranken am liebsten Tee & Kaffee und für Sushi würden wir beide sterben. Nächtelang können wir ohne Punkt und Komma über belanglose reden, nur um dann am nächsten Morgen wieder von vorne zu beginnen. Zudem besaßen wir beide dieselbe Art von Humor und schauten für unsere Leben gern Animes. Also im Großen und Ganzen waren wir uns auf einer Art doch sehr ähnlich und das machte uns schlussendlich zu besten Freundinnen –, oder etwa nicht? „May?“ – ich sah zu Lilli, als ich meinen Namen hörte. – „Ja?“ „Was ist dein Plan für heute?“, fragte sie nochmals nach und sah mich etwas besorgt an. Sicher hatte sie schon seit Minuten versucht eine Antwort von mir zu bekommen, doch ich war immer noch mit den Gedanken bei der letzten Jahresabschluss-Übung. „Ähm – ja also …“, begann ich zu sprechen und dachte kurz über den heutigen Tag nach. Wir durchschritten die Halle des Hörsaalgebäudes in Richtung Ausgang. „Also ich muss heute nochmal in die Bibliothek, aber davor muss ich nochmal in den Saturn.“ June sah mich sofort fragend an – „Das habe ich dir doch gestern erzählt.“ „Sorry!“, entschuldigt sie sich. „June – dein Gedächtnis ist wie ein Sieb!“, meckerte ich und sah zu Lilli, die immer noch einen fragenden Gesichtsausdruck aufhatte. „Ich muss noch das Solarladegerät für mein Handy umtauschen, nach dem ersten Ausprobieren hat es schon den Geist aufgegeben!“, erzählte ich und öffnete die Tür für die beiden. „Ein Solarladegerät?“, fragte Lilli und ging an mir vorbei. „Jup! Das ist echt ein gutes Gadget, wenn man unterwegs ist und mal keine Steckdose zur Hand hat. Und da ja bald der Sommer kommt und wir sicher ab und an Unterwegs sein werden, habe ich mir das jetzt schon mal geholt! Außerdem hatten, waren 20 % drauf.“ „Ach so! Verstehe. Eigentlich keine dumme Idee!“ bemerkte Lilli lobenswert. „Ja. Nicht!“ – ich grinste und sah zu June. „Also erst Umtauschen und dann zu Stadtbibliothek?“, fragte sie nach. Ich nickte – anscheint, hatte sie sich wenigstens dran erinnert, dass ich noch ein neues Buch ausleihen wollte. Es waren bald Semesterferien (da das Wintersemester endete) und ich wollte noch ein Buch für unseren Urlaub ausleihen, den wir schon seit Wochen planten. „Ich müsste auch nochmal in die Bibliothek! Ich brauche noch zwei Bücher für die Prüfung!“ erwähnte Lilli und sah sich nachdenklich um. Ich sah kurz zu ihr, bevor wir die Bahnschienen überquerten und uns an die Haltestelle für die Tram stellten. „Na dann komm doch ein …“ „Wann haben wir den die erste Prüfung?“, warf June plötzlich ein und sah zu mir. Wortlos zog ich mein Handy aus meiner Jackentasche und sah in meinen Kalender. „Am 04. Februar!“, antworte ich. „Was? Schon so früh? Das sind ja nur noch 2 Wochen!“ seufzte sie und ahnte schon, dass es wie jedes Semester auf Bulimie lernen hinauslaufen würde. Ihren Gedanken erahnend, sagte ich nur: „Wenn du dich nicht immer weigern würdest, eher mit dem Lernen anzufangen – würde dich das nicht so überraschen!“ Mit diesen Worten wand ich mich wieder zu Lilli, die sich neben uns an die Haltestelle gestellt hat. „Also, du kannst gerne mitkommen!“ beendet ich meinen Satz von vorhin. Doch Lilli winkte freundlich ab: „Danke aber heute habe ich keine Zeit. Ich muss dann gleich zur Nachhilfe und vorher will ich noch fix heim!“ Ich nickte. „Okay, dann vielleicht das nächste Mal!“ – „Sicher!“ Die Tram fuhr ein und wir stiegen ein, um ins Zentrum zu fahren. An der Zentralhaltestelle verabschiedeten wir uns voneinander und ich machte mich mit June auf den Weg in den Saturn. Der Umtausch ging wider erwartend schneller vonstatten als gedacht, sodass wir noch Zeit hatten, um einen Abstecher in den DM und CA zu machen, bevor wir in die Stadtbibliothek gingen. „Dein Glück will man haben!“, sagte ich als ich auf ihre unzähligen Einkaufsbeutel starrte. „Ich weiß doch auch nicht wieso ich immer Sachen finde, wenn ich mit dir unterwegs bin!“ entschuldigte sie sich aufrichtig. „Aber schau – heute hast du doch auch was gefunden.“ „Ja – das sind alles Sachen aus der Drogerie!“, bemängelte ich und hielt den Beutel von DM hoch, indem sich nur Hygieneartikel befanden. „Na, besser als gar nichts!“ „Ja – ist klar!“, sagte ich abschätzig und blieb vor der Ampel stehen. „Wollen wir nach der Bibliothek noch fix was zum Abendessen einkaufen?“, fragte ich als wir die Bibliothek betraten. „Klar. Was willst du machen?“ fragte sie und schlenderte neben mir her. „Weiß nicht!“, sagte ich und dachte darüber nach, was wir schon lange nicht mehr gegessen hatten. „Zoodles!“, war das erste was mir einfiel. „Klingt gut. Also Zucchini, Knoblauch, Hackfleisch, Tomaten und Frischkäse!“ fasste June unsere Einkaufsliste zusammen und sah mich an. Ich wusste genau, wieso so sie mich ansah. „Nichts weiter hinzufügen.“, antworte ich nur und ging in Richtung Fantasy. Die Stadtbibliothek war nicht gerade groß, aber sie hatte doch schon einige Bücher zu bieten. Ich schlenderte durch die Gänge und sah mir die Buchtitel an. „Vielleicht das?“ Junes Stimme näherte sich mir von hinten und als ich mir umdrehte, steckte sie mir ein Buch entgegen. „Herzblut“, ich las den Titel laut vor und wusste sofort, dass ich dieses Buch schon gelesen hatte. „Nicht?“, fragte sie forschend, nicht erkennend was ich dachte. „Das habe ich schon gelesen!“, erklärte ich und gab ihr das Buch zurück. „War es gut?“, bohrte sie weiter nach als sie sich von mir entfernte und das Buch wieder ins Regal stellte. Ich erinnerte mich augenblicklich wieder an die Story und nickte, wohl wissend, dass June dies nicht sehen konnte. „Ja, war es! Nichts für dich, weil es eine Lovestory ist!“ „Wieso? Ich lese Lovestorys – nur nicht so gerne!“ meckerte sie leise und kam zurück. „Also – nach was suchst du dieses Mal?“ „Weiß nicht? Vielleicht was mich Drachen und eine Prinzessin in Nöten.“ sagte ich grinsend und ging weiter nach hinten. June grinste ebenfalls, wissend das ich dies nicht wirklich so gemeint hatte. „Also ein Abenteuerroman mit etwas Liebe“, sagte sie schlussendlich. „Erfasst!“ Wir bogen in die nächste Gang ab. „So weit hinten war ich noch nie.“, murmelte June neben mir und sah sich fast gespenstisch um. „Wirklich?“ - Ich sah sie aus dem Augenwinkel kurz an. „Ich gehe oft hier her, denn ganz hinten gibt es immer die besten Bücher.“ Sie blickte mich zweifelnd an, sagte aber nur: „Du und deine alten Schinken!“ Ich lachte leise. Wir erreichten das Ende des Ganges und zu meiner Enttäuschung hatte ich bis jetzt kein Buchtitel gefunden der mich interessierte. „Nichts gefunden?“, fragte June nach einer Weile und sah sich in den letzten Regalen um. Ich tat es ihr gleich und seufzte schlussendlich. „Nein, leider nicht!“ „Okay. Dann lass uns doch nochmal vorne schauen!“ schlug June vor und nahm meine Hand, um mich aus dem schmalen Gang zu führen. Ich nickte, doch in dieser Sekunde als meinen Kopf sich zum Gehen abwand entdeckte ich ein Buch, dessen Titel und Rot-golden Einband mich abrupt stehen bleiben ließ. „Warte kurz!“, sagte ich, ließ sie los und las den Titel. „Die Drachenkrieger und 7 Reiche!“ „Das klingt doch ganz interessant!“, sagte June, die sich in Zwischenzeit zu mir umgedreht hatte. „Hm. Mal schauen was auf den Klappentext steht!“ Ich nahm das Buch aus dem Regal und drehte es auf den Rücken, doch da stand nichts. „Komisch, da ist kein Text!“ Verwirrt drehte ich es wieder herum und las nochmals den, in Goldner Schrift eingravierten Titel. „Dann lies doch einfach etwas vom Anfang. So mach ich das immer, um zu sehen, ob mir ein Buch gefällt!“ schlug June vor und wartet geduldig, während sie sich noch etwas umsah. Ich hielt kurz inne, bevor ich das Buch öffnete, um die ersten zwei Seiten zu lesen – doch was dann passierte war kaum in Wort zu fassen. Das Buch innere begann allmählich zu leuchten. „Was?“, stieß ich erschrocken aus. Das grelle Licht breitet sich aus und umgab uns vollkommen. Geblendet ließ ich das Buch fallen und vernahm nur noch den erschrockenen Hilfeschrei von June. Kapitel 1: Willkommen in Ikine ------------------------------ Ein lautes Getrappel ließ mich langsam wieder zu mir kommen, während eine unerträgliche Hitze meinen Körper durchzog, welcher sich gleichzeitig hart und schwer anfühlte. „Au-ha!“, stöhnte ich leise und rieb mir den Kopf. Langsam setzte ich mich auf und öffnete dabei meine Augen. Geblendet von dem Sonnenlicht, was mir direkt ins Gesicht schien, kniff ich die Augen kurz zusammen. Ein leises Stöhnen ertönte neben mir. June, schoss es mir durch den Kopf und ich drehte mich hastig herum. June lag direkt hinter mir und regte sich ebenfalls leicht. „Alles okay bei dir?“, fragte ich und berührte sie an der Schulter. Sie zuckte kurz zusammen. Ein Glück, seufzte ich innerlich, als sie langsam zu sich kam. „Orr. Mein Kopf.“ stöhnte sie leise. Ich wusste, dass es ihr damit wohl den Umständen entsprechend gut ging und sah mich um. Was ich jetzt feststellen musste, überstieg all meine Vorstellungskraft. Ich rieb mir hastig die Augen und war auf einmal hellwach – denn wir waren nicht mehr in der Stadtbibliothek. Nein – ganz sicher nicht. Um uns herum waren vereinzelte Bäume und wir lagen augenscheinlich auf eine Straße, denn aus sah ich, wie Menschen auf Pferden davon ritten. „June!“, sagte ich hastig und blickte zu ihr herum. June lag immer noch mit dem Gesicht auf den Boden und schien irgendwie noch nicht das Bedürfnis zu spüren sich aufzusetzen. „JUNE!“, schrie ich sie an und packte sie gleichzeitig an der Schulter, um sie nach oben zuziehen. „Hey!“, rief sie verärgert zurück, als ich sie so anpackte und sah mich fast wütend an, doch dieser Blick verflog, als sie ebenso wie ich gerade bemerkte, dass wir nicht mehr in dem Gang der Bibliothek waren. „May, wo sind wir?“, fragte sie ungläubig und sah sich um. „Ich habe keine Ahnung!“, antwortet ich und blickte mich weiter um. Ich versuchte mich zu erinnern, doch irgendwie war mein Kopf gerade leer. „Wo sind wir, May?“ wiederholte Sie ihre Frage fast panisch und ich antworte abermals mit denselben Worten. „ICH – WEISS – ES – NICHT – JUNE!“ „Aber … aber … wir waren doch gerade noch …“ – ihre Worte blieben ihr fast im Hals stecken. „Ich weiß.“, bemerkte ich und stand langsam auf. Ich klopfte mir den Dreck von den Hosen und hielt ihr meine Hand hin. „Wir träumen. Sicher. Wir träumen. Das muss alles ein Traum sein!“ versuchte sich June selbst zu beruhigen als sie meine Hand ergriff. Ich zog sie auf die Beine und sah mich weiter um. „Unsere Sachen …“, sagte ich und sah dicht neben uns Junes grünen Beutel und meinen grauen Rucksack, ebenso wie unsere Einkaufsbeutel. Hastig schnappte ich mir die Sachen und ging zu June zurück, die aussah, als würde sie gleich einen Schlaganfall erleiden. „Erstmal müssen wir von dieser Straße runter!“, schlug ich vor, als ich abermals das Hufgetrappel von Pferden vernahm. Ich schnappte Junes Hand und zog sie hinter mich her, runter von der Straße und in Richtung eines Felsens. Die Hitze, die ich anfangs verspürt hatte, wurde langsam unerträglich. „Man ist es hier heiß!“, stöhnte ich als wir den Felsen erreichten und ich unsere Sachen auf den Boden stellte. June schwieg immer noch und ich begann zunächst meine Winterjacke und den Schal abzulegen. „June zieh dich aus sonst bekommst du auch noch einen Hitzeschock!“, befahl ich mit ernstem Ton und sah zu ihr – doch sie rührte sich immer noch nicht. Leicht gereizt, trat ich an meine beste Freundin heran und kniff ihr in die Schulter. „Au-ha!“, schrie sie auf. „Spinnst du?“ „Ach doch noch am Leben!“, sagte ich und zeigt auf ihre Jacke. „Zieh die Jacke aus und gib sie mir. Ich packe Sie in meinen Rucksack!“ June tat, was ich sagte und reichte mir ihre Wintersachen. „Ich weiß nicht was passiert ist, aber ich glaube nicht wirklich, dass dies ein Traum ist!“ überkam es mich und als ich mich umsah. „Wie kommst du darauf? Vielleicht träumen wir ja doch? Vielleicht haben wir Bücher auf den Kopf bekommen und liegen im Koma oder sowas?“ mutmaßte June und versuchte sich wohl damit selbst zu beruhigen. „Das glaubst du doch nicht wirklich?“, fragte ich sie ernsthaft nach und sah sie dabei skeptisch an. June seufzte und schien auch langsam zu begreifen, dass sie wohl kein Traum war. „Und was machen wir jetzt? Ich meine das ist so surreal das ich nicht weiß was wir jetzt machen oder wohin wir gehen sollen!“ Ich nickte. „Verstehe ich. Ich habe auch nicht wirklich eine Ahnung – vor allem bei dieser Hitze kann ich kaum denken!“ Mit diesen Worten sah ich hinauf in den strahlend blauen Himmel und spürte die brennende Hitze auf meinem Gesicht. „Aber …“ - ich wand meinen Blick wieder zu June „…ich würde sagen, wir versuchen erstmal irgendwo sowas wie eine Zivilisation zu finden. Ich meine, das macht man doch so? Zumindest in Filmen!“ June sah mich ernst an, nickte dann aber. „Was bleibt uns anderes übrig?“, murmelte sie leise und schnappte ihren Beutel, nachdem ich meinen Rucksack über meine Schulter geworfen hatte. „Lass uns einfach der Straße folgen, irgendwo muss sie ja hinführen!“ June nickte und folgten der Straße mit der Hoffnung bald ein Dorf, Stadt oder ähnliches zu finden. Wir folgten der Straße einige Kilometer, ohne weit und breit nur ein einziges Anzeichen von Zivilisation zu finden. „Ein Glück haben wir heute nicht die dicken Pullover an!“, sagte ich und zog meine Strickjacke aus, sodass ich nur noch ein Tanktop anhatte. June tat es mir gleich und band sich ihr Jäckchen um die Hüfte, während wir die Hügel langsam erreicht hatten. „Verdammt diese Hitze!“, stöhnte sie. „Ich weiß – dass müssen mindestens 30 Grad sein!“, stimmte ich ihr zu und stöhnte leise. Ich spürte den feuchten schweiß, der mir langsam den Rücken hinunterlief. „May! Schau da …“ rief June und ließ mich Aufsehen. „…eine Stadt!“ Ich runzelte die Stirn und rieb mir kurz die Augen, bevor ich tatsächlich etwas, dass einer Stadt ähnelte, auf einer kleinen Anhörung am Horizont sah. „Endlich. Sicher finden wir dort jemanden, der uns sagen kann, wo wir hier sind!“ sprach June aufgeregt und machte sich mit schnellen Schritten auf den Weg dorthin. „Warte!“, rief ich ihr nach und versuchte so gut es ging ihr zu folgen. Dabei machte ich mir etwas Sorgen, ob wir dort wirklich eine Antwort auf unsere Frage bekamen. Denn ein kleiner Teil von mir wusste schon, dass wir definitiv nicht mehr in Deutschland – geschweige in Europa waren. Und dass dies wohl ein Ort war, der auf keine Weltkarte verzeichnet war. „WOW!“, sagte ich, als wir vor einem gigantischen Eingangstor standen. „Das ist ja wie in eine Festung!“, bemerkte ich und betrachtete die riesige Mauer, die das Tor und somit wohl die ganze Stadt umgaben. Mein Blick fiel durch das Tor. Dort herrschte ein lautes und eiliges Treiben. Menschen liefen hastig zwischen Ständen hin und her, wo Händler lauthals ihre Waren anpreisen. „Wo zu Hölle sind wir?“, fragte June. Ihre Augen waren auf den Leuten geheftet, die an uns vorbeigingen. Ich folgte ihren Blick und verstand ihre Verwirrung. Die Menschen sahen aus, als wären sie einen japanischen Mittelalter-Roman entsprungen, wobei ihre Gesichter eher uns Europäern ähnelte. Sofort blickte ich wieder durch das Tor und stellte fest, dass die Stadt ebenso einer japanischen Stadt im Mittelalter glich. „Fuck …“, stieß ich leise hervor und sah zu June, doch sie war verschwunden. „JUNE?“, rief panisch und sah mich um. Ich machte ein paar Schritte nach vorne und erblickte durch das Getümmel June direkt neben ein paar älteren Männer. Hastig rannte ich zur ihr. „Spinnst du! Wieso rennst du den Weg!“ fuhr ich sie an, als ich nach ihrer Hand schnappte und zu mir drehte. Sie war leicht blass und sah aus, als hätte man ihr gerade das letzte Stück Lebensglück genommen. „Was ist los?“, fragte ich sofort nach. „Wir sind definitiv nicht mehr in Europa!“, kam es ihr leise über die Lippen. Ich sah sie verwirrt an und blickte dann zu den alten Männern hinter ihr. Sie sahen uns misstrauisch an, sodass ich entschloss erst einmal von hier zu verschwinden. Also machte ich auf dem Absatz kehrt und zog June hinter mir her in Richtung der nächstmöglichen Seitengasse. Wir folgten den Weg, bis wir weit genug weg waren, sodass man das Treiben auf der Straße nicht mehr hören konnte. „Was meinst du mit: Wir sind nicht mehr in Europa?“, fragte ich und drehte zu mir. June sah mich fassungslos an. „Das wir nicht uns nicht mehr in Europa befinden! Geschweige irgendwo sonst auf der Welt?“ „Äh? Was redest du da? Hast du dir vorhin doch irgendwo am Kopf weh getan?“ entgegnete ich und sah sie verwirrt an. Doch June schüttelte heftigen den Kopf und packte mich bei der Schulter. „Ich meine das genauso, wie ich gesagt habe, May! Ich kenne dieses Land nicht, davon habe ich noch nie gehört!“ Ich sah sie mit einem verwirrten Blick an als vorher, was sie anscheint, dazu anstachelte mich leicht zu schütteln. Also ob ich dann verstehen könnte, was sie sagte. „Lass das!“, zischte ich und befreite mich aus ihrem Griff. „Was haben den die alten Knacker da gesagt?“, fragte ich nach und zog mein Top zurecht. „Ich habe Männer gefragt, ob sie mir sagen könnten, wo wir sind!“, erzählte sie und versuchte sich zeitgleich etwas zu beruhigen. „Und?“ „Also wie soll ich das sagen. Laut der Aussage der Männer befinden wir uns im Kaiserreich Layándyąr.“ Sie sah mich, selbst ungläubig darüber was sie gerade von sich gab, an. „Um genau zu sein in ihrer Hauptstadt Ikine.“ „Bitte was?“, fragte ich nach und konnte nicht glauben, dass June mir gerade ernsthaft erklären wollte, dass wir uns in ein Land befanden, von dem ich noch nie was gehört hatte. Das konnte ich einfach nicht glauben. Abermals wiederholte sie ihre Worte: „Kaiserland Layándyąr. Hauptstadt Ikine.“ „Das habe ich schon verstanden aber …“ Ich hielt kurz innen und dachte nach, dabei fuhr ich mir durch mein Haar. „Willst du mir jetzt damit sagen, dass wir in einem Land sind, was es nicht gibt – in einer Stadt die wir nicht kennen und in anscheint in einem Zeitalter, wo – nur ganz nebenbei gesagt, Menschen, die nicht der Norm entsprachen, gleich getötet werden?“, fragte ich nach und konnte mir die Antwort schon vorstellen – sodass ich June zu verstehen gab, dass ich diese Frage nur rein rhetorisch gestellt habe und mir keine Antwort erhoffte. „Ich komme mir vor wie im falschen Film!“, sagte ich schlussendlich und lehnte mich an die Mauer hinter mir. „Stimmt. Es ist, als wären wir …“ June hielt ebenso, wie ich gerade, innen und sah den Weg hinab, denn wir gerade gekommen waren. „...als wären wir in einer unsere Fantasy-Animes gelandet.“ beendete ich ihren Satz und sah sie an. June sah mir direkt in die Augen und wir beide erkannten in diesem Augenblick, dass als das was wir bisher in unsere Welt als Fantasy und nicht real wahrgenommen hatten, tatsächlich unsere Situation entsprach. Man brauchte kein Hellseher zu sein, um zu wissen, das wir beiden ziemliche Angst verspürten in diesem Augenblick, doch ich versuchte irgendwie optimistisch zu sein - für June. „Keine Sorge June. Wir sind hier irgendwie gelandet, also gibt es mit Sicherheit auch einen Weg wieder zurück!“ versuchte ich sie aufzumuntern und stieß mich von der Wand hinter mir ab. Ich nahm ihre Hand in meine und drückte sie fest, doch June hatte immer noch ihren Blick gesenkt und sah aus als würde sie gleich weinen wollen. „Ach Muppel!“, sagte ich und grinste leicht. „Vielleicht ist das ja auch nicht so schlecht, ich meine egal was das hier jetzt ist und ob real oder nicht. Wir haben uns. Und vielleicht ist es hier gar nicht so schlimm, wie wir es uns ausmalen. Denk doch mal an die ganzen Serien und Filme, die wir gesehen haben mit solchen Reisen!“ erinnerte ich sie. „Da ist den Hauptfiguren auch nie was schlimmes Wiederfahren und vielleicht …“, ich merkte, dass sie leicht schmunzelte über das Wort Muppel und mich ansah. „…vielleicht finden wir ja ein paar heiße Jungs. So ein Ban oder Meliodas wäre doch was!“ scherzte ich und sie erkannte sofort, dass ich auf unsere Lieblingsanime The Seven Deadly Sins anspielte. „Stimmt!“, gab sie zu und musste bei dem Gedanken lächeln, auch wenn ich hinter ihrer Fassade sah, dass sie immer noch mit den Tränen kämpfte. „Siehst du. Keine Sorge ich finden einen Weg wie wir wieder heimkommen und bis dahin machen wir einfach das beste daraus!“, schlug ich vor und ließ ihre Hand los. June nickte und schien damit erstmal neuen Mut gefasst zu haben. Sie sah sich um und letztlich wieder zu mir. „Was?“ „Wir fallen zu sehr auf!“, bemerkte sie und musterte mich zugleich. „Ähm …“, stammelte ich und folgte ihren Blick, nickte dann aber. „Hast du schon eine Idee?“, fragte ich etwas überfordert und sah mich zeitgleich um. Doch nichts erschien mir die Lösung für das Problem zu sein. Doch June schmunzelte nur, lief an mir vorbei und zog aus einer Kiste, die hinter mir stand, zwei dreckige Laken. „Willst du die etwa anziehen? Das Stinken zu Hölle!“ Ich hielt mir die Nase hastig zu, als sie mit den Laken vor meinem Gesicht herumwedelte. „Ja!“, sagte sie und griff in ihre Beutel, zog ihre Federmäppchen heraus und öffnete es. „Wir schneiden sie einfach etwas zurecht und nutzen sie als Umhang. Zumindest ist das besser als so herumzulaufen und Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen!“ sagte sie und machte eine Bewegung zu mir, bevor sie die Schere zwischen ihren Stiften hervorholte und begann die Jute artigen Laken zu zerschneiden. In wenigen Minuten hatten wir beide zwei stinkende Umhänge mit Kapuze aller Jutesack um. „Stylisch! Sicher der nächste Schrei in Mailand!“ scherzte ich und drehte mich leicht. „Und das Deo übertüncht den höllischen Geruch zumindest etwas!“, fügte ich hinzu. „Ja. Das war auch der Plan.“ June lachte leise, schob sich die Kapuze ins Gesicht und seufzte kaum hörbar. „Und was machen wir jetzt? Wir können ja schlecht die Leute hier nach dem Weg zurück in unsere Welt fragen!“ sagte sie und man hörte einen leisen sarkastischen Unterton in ihrer Stimme. Ich hockte mich neben sie und verstaute unsere Sachen neu, sodass wir am Enden alles in meinen Rucksack und Junes Beutel komprimieren konnten. „Ich denke …“, begann ich zu sprechen und erhob mich wieder, dabei ließ ich meinen Blick kurz Richtung Himmel wandern „…wir sollten erstmal versuchen irgendwie einen Unterschlupf für die Nacht zu finden. Es wird sicher bald dunkel.“ June nickte und ein leises Knurren erfüllte die kurze Stille. Ich schmunzelte. „Und vielleicht auch an was zu essen!“, fügte ich an. „Das klingt nach einem Deal!“ „Das will ich auch meinen, schließlich bin ich von uns beiden das Organisationstalent!“ scherzte ich und warf den Rucksack über meine Schulter. June hob eine Augenbraue, schwieg, aber als sie den Beutel in ihre Hand nahm. Zum Gehen bereit, sah sie mich an. „Gut. Dann lass uns zurückgehen!“ Mit diesen Worten schritt ich voran und wir nahmen den gleichen Weg wieder zurück in Richtung Hauptstraße. Das Treiben schien sich in Zwischenzeit etwas gelegt zu haben, sodass ich mit June dicht an meiner Seite langsam durch die Menschenmengen schlängelte. Dabei beobachtete ich das Treiben um uns herum und bemerkte erstmals offensichtlich, dass ich sie alle verstand. „Komisch!“, murmelte ich leise zu June, die sich zu mir herabbeugte. „Was ist May?“, flüsterte sie, kaum hörbar. „Diese Stadt sieht aus, wie als wären wir in tiefsten japanischen Mittelalter. Du weißt schon, so wie in den Animes. Auch die Kleidung der Leute hier ähnelt dem stark. Aber sie sprechen alle deutsch!“ gab ich zu bedenken und sah kurz zu June. Ihr schien dies gerade auch bewusst zu werden, obwohl sie vorhin so unbeschwert und gedankenlos mit den alten Männern auf der Bank geredet hatte. „Du hast recht!“, stimmt sie mir nach ein paar Sekunden Bedenkzeit zu. „Komisch nicht?“, wiederholte ich mich und ging weiter die Straße entlang. „Hast du schon eine Idee wie wir an einen Schlafplatz kommen?“, fragte June nach einer Weile. Darüber zerbrach ich mir schon seit geraumer Zeit den Kopf, wir konnten hier wohl kaum mit Euro bezahlen und ich kannte ihrer Währung hier nicht – geschweige hatten wir irgendwas Wertvolles was man vielleicht hätte als Gegenwert anbieten können und somit würden wir keine Unterkunft bezahlen können. Ich seufzte und ließ den Blick schweifen, in der Hoffnung einen Einfall zu bekommen und in dieser Sekunde – als hätte man meine Gedanken erhöht kam mir eine Idee, als wir an einen Stand mit Schmuck vorbeikamen. „Warte kurz hier!“, bat ich June und versicherte mich kurz, dass sie mich auch gehört hatte. Sie nickte. Ich lächelte, gab ihr meinen Rucksack, zog den Umgang und die Kapuze enger um meinen Körper und ging zu einem Stand. „Entschuldigen Sie!“, begann ich das Gespräch und einen in die Jahre gekommen 35-jährigen Mann, sah mich überaus freundlich an. „Junge Dame! Treten Sie doch näher. Was kann ich Ihnen zeigen? Ich habe die erlesensten Stücke im Angebot!“ rief er mit zu und begann sofort damit auf Haarnadeln und Ketten zu zeigen – die durchaus meinen Geschmack trafen, aber ich schüttelte den Kopf. „Ich möchte nichts kaufen!“, entschuldigte ich mich und öffnete meinen Umhang und streckte in meinen Arm entgegen. „Ich würde ihnen lieber dieses Armband anbieten!“ Der Mann betrachtete mit skeptisch und blickte dann auf mein Handgelenk. „Es ist ein erlesenes Stück. Es war ein Geschenk meiner Mutter. Es ist echtes Silber!“, pries ich meine Bettelarmband an, dass ich heute Morgen zum Glück noch angelegt hatte. Der Mann griff nach meinem Handgelenk und zog mich an sich heran, um es besser begutachten zu können. Sein Griff war fest und schmerzte leicht, doch ich schwieg, um den Deal nicht zu gefährden. „Echtes Silber sagst du?“ Ich nickte. „Ich biete dir 3 Dyąr.“ Drei was, fragte ich mich und sah ihn kurz verwirrt und unschlüssig an. Doch er schien meinen Ausdruck misszuverstehen und legte ein leichtes freches Grinsen auf, wobei mir eine schlechte Vorahnung beschlich. „Nein, danke ich habe es mir anders überlegt!“, sagte ich hastig und zog meine Hand zurück, doch der Typ griff er erneut danach und zog sie mit hartem Griff zu sich. Mein Körper beugte sich schwungvoll über seinen Tisch und ich spürte wie meine Kapuze leicht verrutschte. Sein warmer Atem berührte meine Handrücken und ließ mich erschaudern. „Was soll das? Lass mich los!“ sagte ich hastig und versuchte mich zu befreien, doch seine Hand schloss sich nur enger um mein Handgelenk. „Was soll dieser Aufstand, Kleines. Du wolltest doch verhandeln, oder etwa nicht?“ fragte er mit einer so gierigen Stimme, dass mir schlecht wurde. Ich blickte mich hastig um. Mein Blick suchte nach June die auf der gegenüberliegenden Seite stehen bleiben sollte, doch dort war sie nicht mehr. Zum Teufel, wo war dieses Weib schon wieder, schoss es mir wütend durch den Kopf – doch wurde ich hastig wieder in die Realität zurückgeholt als der Händler seinen Griff verstärkte. „Sie tun mir weh!“, fuhr ich ihn an und sah finster zu ihm auf. „Aber, aber, so ein Gesichtsausdruck steht dir nicht. Ich werde mein Angebot wohl doch nochmal überdenken.“ Er musterte mich mit seinen grauen Augen. „Obwohl wenn du jetzt etwas netter zu mir bist, könnte ich mich nochmal umstimmen lassen!“ „Den Teufel werde ich tun und jetzt lass mich los! Sonst schrei ich hier alles zusammen!“ drohte ich ihm und versuchte abermals meinen Arm ihm zu entziehen. Doch in dieser Sekunde beugte sich der Händler über den Tisch zu mir herunter und hielt mir ein Messer an die Kehle. „Schrei nur und ich werde dich als Diebin sofort hinrichten!“ Ich schluckte. Panik steig in meine Körper auf und ich wusste nicht, was ich jetzt tun sollte. Ich wollte doch nur etwas Geld holen und jetzt saß ich in diesem Schlamassel. „Entschuldigung, gibt es hier irgendwelche Probleme.“ Eine tiefe, fast melodisch klingende Stimme tauchte hinter mir auf. Der Händler, der bis gerade noch dicht vor mir war, beugte sich zurück und schob sein Messer zurück unter seinen Mantel. „Nein. Nein!" erwiderte er hastig "Das junge Fräulein hatte nach dem Weg gefragt!“ erwiderte er wieder außerordentlich freundlich. „Ach wirklich?“ Die Stimme kam näher und ich spürte jemanden dicht hinter mir stehen. Eine Hand schnellte nach vorne und befreite mein Handgelenk ohne große Bemühungen aus dem Griff des Händlers. „Und wieso befindet sich dann der Arm des Mädchens so fest in ihren widerwärtigen Griff?“, fragte die Stimme. Ich zog meinen Arm hastig zurück und umgriff mein Handgelenk, welches leicht errötet war. Sanft massierte ich die Stelle, ohne mich ein Millimeter von Fleck zu bewegen. „Wie bitte? Sie wollte mir ihr Armband anbieten!“ wehrte sich der Mann sofort und erhob dabei leicht empört die Stimme. „Ach ja? Sagten sie nicht gerade, dass sie nach dem Weg gefragt hat?“ wiederholte er mit ruhiger aber zugleich leise bedrohlich klingender Stimme. Meine Nackenhaare stellten sich auf, bei dem Gedanken das der Typ hinter mir vielleicht noch schlimmer war als der Händler vor mir. Doch ich fühlte mich, wieso auch immer, sicher und das ließ mich endlich wieder zu meiner Stimme finden. „Das stimmt. Ich wollte ihm mein Armband verkaufen, aber als gezögert hat, hat er mich grob angepackt und einem Messer bedroht. Er wollte das ich nett bin!“ erzählte ich dem Fremden, was geschehen war. „Du kleines …“, zischte der Mann und schien sich gleich auf mich stürzen zu wollen, doch wie ein Blitz schoss ein Schwert Millimeter an meinem Gesicht vorbei und hielt vor Hals des Händlers. Ich zuckte erschrocken zusammen und machte einen Schritt nach hinten. Dabei stieß meine Rücken gegen den Körper des Mannes hinter mir. „Keine Angst!“, flüsterte er und ich spürte, wie eine Hand meine Schulter packte. Ich wollte aufsehen – den Mann hinter mir ansehen und wissen, wer er war, doch ich zwang mich weiterhin nach vorne zu sehen. Dem Händler stand der Angst im Gesicht geschrieben und er schien leicht zu zittern. „Wie viel hat er dir geboten für das Armband?“, fragte der Mann hinter mir. Ich überlegte kurz und antworte dann: „3!“ Da mir der Name, der Währung nicht einfiel, hoffte ich, dass diese Antwort ausreichte. „3?“ – der Mann lachte. „Das Armband ist mindestens das 3-fache wert.“ Was? Das Vierfache? Also 9? – schoss es mir durch den Kopf und ich sah sofort wütend zu dem Händler. „Du wolltest mich abzocken!“, warf ich ihm sofort vor. „Ja? – also eigentlich Nein.“ stotterte der Händler und spürte immer noch die Spitze des Schwertes an seine Kehle. „Schon gut. Schon gut! 9 Dyąr.“ „Mache wir 10 Dyąr daraus, weil du dem jungen Mädchen Unannehmlichkeiten bereitet hast!“ „Ja!“, stimmt der Händler sofort zu und schluckte. Hastig zückte er ein Beutel aus einem kleinen Versteck unter dem Stand hervor, öffnete es und nahm 10 leicht golden glänzende Metallstücke heraus. Sie waren rund und hatten 4 kleine Löcher in der Mitte. „Hier!“, sagte er und hielt mir das Geld hin, ich nahm es und sah dann auf mein Handgelenk, wo das Bettelarmband meiner Mutter hing. Ich zögerte kurz, bevor ich mein Armband von meinem Handgelenk löste und es dem Händler gab. „So, sie hat ihr Geld. Jetzt, nimm endlich das Schwert aus meinem Gesicht!“ beschwerte sich der Händler und sah den Mann direkt an. Anscheint versuchte er noch seinen letzten Rest Männlichkeit aufzubringen, um nicht ganz so kläglich dazustehen. Der Mann hinter mir lachte nochmal auf und zog sein Schwert zurück. „Wieso nicht gleich so!“, sagte er und löste mit diesen Worten seinen Griff von meiner Schulter. Ich atmete tief ein und aus – und schloss für eine Sekunde die Augen, um mich zu beruhigen. Dann drehte ich mich um, um mich bei den Fremden zu bedanken, „Vielen Da …“, begann ich zu sprechen doch stoppte sofort wieder, als ich merkte das niemand mehr hinter mir stand. Der Mann, der bis gerade noch ganz dicht bei mir stand, war verschwunden. Verwirrt sah ich mich um und entdeckte zu meiner Verblüffung nicht den Fremden, sondern June in der Menschenmenge. „JUNE!“, rief ich und lief zu ihr herüber. „Schau doch mal. Hier. May. Ist dieser kleine nicht süß?“ fragte sie und kraulte einen kleinen Streuner die Ohren. „Nicht dein Ernst? Ich habe doch gesagt du sollst dich nicht wegbewegen!“ schnauzte ich sie an. „Ich hatte Angst, das man dich entführt hat oder schlimmeres. Dass du dich verlaufen hast!“ June sah nicht auf und konzentrierte sich vollkommen auf den Hund. „Hörst du mir eigentlich zu?“, fuhr ich sie an, als sie keine Anstalten machte was zu sagen. „Ja! Ich bin ja nicht taub!“ erwiderte sie trocken und sah auf. „Außerdem stimmt deine Aussage nicht, du hast gesagt, ich soll warten. Und das habe ich getan. Von – nicht wegbewegen – war keine Rede. Außerdem war ich ja die ganze Zeit in der Nähe des Standes!“ argumentierte sie . Ich musterte sie kurz und dabei wurde mir klar, dass sie von Vorfall am Händlerstand bis jetzt nichts mitbekommen hatte. Ich seufzte. „Und hattest du Glück?“ Ich sah sie an. „Wie bitte?“ „Na du wolltest doch irgendwas machen!“ „Ach ja!“ – ich verstand sofort. „Ja. Hier!“ sagte ich und zeigte ihr das Geld. „Anscheint, nennt man diese Währung Dyąr!“, erzählte ich und hockte mich neben sie. June sah zu mir auf und sah mich mit einem streng forschenden Blick an. „Was hast du dafür hergeben müssen?“ - ihre braunen Augen starrten mich an. Ich zögerte. „May?“ Ihr Blick wurde ernster und ihre Stimme drängender. „Nichts Großes. Nur das Armband!“ murmelte ich und packte das Geld in meine Hosentaschen. „Das Armband deiner Mutter!“, rief June erschrocken aus. „Pssst. Nicht so laut!“ zischte ich und sah mich kurz um, als ich spürte, dass uns andere beobachteten. „Aber May, das ist doch das einzige was …“ Ich unterbrach sie sofort: „Ich sagte doch – kein großes Ding. So und jetzt lass uns endlich was zum Übernachten suchen. Es wird bald die Sonne untergehen und dann will ich in nicht mehr hier draußen herumlaufen!“ June sah mich besorgt an, nickte und erhob sich schweren Herzens. „Eine Frau sagte, dass nicht weit von hier eine Taverne ist, dort soll man auch Zimmer vermieten!“ Ich sah sie fragend an. „Du denkst doch nicht allen Ernstes, dass ich hier nur dumm herumstehe und warte? Dafür kennst du mich aber schlecht!“ erwiderte sie trocken und nahm ihren Beutel auf. Ich schüttelte fassungslos und zugleich auch etwas amüsiert den Kopf. „Okay, dann lass uns das mal auschecken!“ – mit diesen Worten machten wir uns auf die Suche nach diesem Gasthaus. Kapitel 2: Greta ---------------- Wir folgten der Hauptstraße noch etwas weiter und kamen dann an etwas vorbei, was wie ein Taverne aussah. „Denkst du die Frau, mit der du gesprochen hast, meinte dieses Gebäude?“, fragte ich nach und sah mir das Gebäude etwas genauer an. Das Haus besaß eine Dachvorstand, der vollkommen aus Holz war und dahinter erhob sich eine Art steinernes Gebäude. Die Schaufenster, durch welches Gelächter und Licht auf die Straße strahlte, waren durch Schiebe- oder Faltelemente umrissen, die anscheint nachts Schutz für Eindringlinge zu bieten. Der Eingang, seitlich am Rand des Gebäudes war geöffnete und mit Vorhängen an den Seiten versehen. Dahinter konnte man ein Holzgitter entdecken – sicher war dies die eigentliche Haustür. Die dunklen Holzelemente erweckte mit dem angrenzenden Gebäude anscheinen einer Reihenhausbebauung – und schmiegte sich damit hervorragend an das Ambiente dieser Straße an. „Ich denke schon!“ – hörte ich Junes Stimme dicht neben mir. Ich riss mich Augenblicklich von meinen Gedanken los und sah sie an. „Nun gut. Dann versuchen wir unser Glück!“ Ich zog den Umhang etwas enger um meine Körper, damit meine Kleidung nicht zum Vorschein kam ebenso wenig wie mein Gesicht und ging rein. Wir traten ein und standen zugleich in der Gaststube. Unzählige Menschen unterhielten sich an Tischen lautstark und es roch stark nach Alkohol und verbrannten Essen. Ich nahm June bei der Hand und ging zum Tresen herüber. „Entschuldigung!“, bat ich um Gehör und sah den Mann hinter dem Tresen an. Er musterte mich und meine Bekleidung streng. „Ja?“ Seine Stimme war herzlich aber zugleich hart und dunkel. „Ich suche für mich und meine Bekleidung ein Zimmer für die Nacht! Haben Sie noch eins frei?“ fragte ich nach und versuchte nicht allzu ängstlich zu klingen. June stand dicht neben mir und schien sich etwas umzusehen. „Eine Nacht? Ein Zimmer?“ – bohrte der Wirt genauer nach. Ich nickte und sah mich kurz um, dabei fiel mir mein Blick auf einen Tisch am Fenster wo Essen stand. „Wir bräuchten auch noch etwas zu Essen und Trinken!“, fügte ich hinzu, als ich mich wieder zum Wirt wendete. Er schien kurz zu überlegen, bevor er antwortet. „Sicher!“, stimmte er schließlich zu und begann unter dem Tresen etwas zu suchen. „Das macht für jeden von euch 15 Rųpą.“ Ich blickte durch meine Kapuze auf. Was waren nun den schon wieder Rųpą – fragte ich mich und begann in meiner Hosentasche eins dieser Geldstücke von vorhin herauszuholen. Ob das reicht? Ich versuchte mein Glück einfach. „Ich habe es leider nicht passen. Den Rest können sie behalten!“ erklärte ich und legte dem Wirt eins dieser Dyąr auf den Tisch. Verblüfft sah der Mann auf den Tresen und schnappte sich hastig das Geldstück. Er rieb mit den Fingern darüber und sah dann zu mir verwirrt an. „Dafür könnt ihr eine ganze Woche hier nächtigen!“, sagte der Mann vollkommen baff an. Das war wohl zu viel – schoss es mir durch den Kopf. „Dann nehmen wir noch ein Frühstück!“, warf June hinter mir ein. Mein Kopf wand sich schlagartig zu ihr herum. „June!“, zischte ich, doch sie zuckte nur mit der Schulter. „Okay. Dann machen wir das so!“ stimmte der Wirt dem Vorschlag zu und rückte den Zimmerschlüssel raus. Ich sah June nur finster an, bevor ich mich wieder Richtung Tresen wendete. „Danke!“, bedankte ich mich hastig. „Die Treppe rauf, die letzte Tür auf der linken Seite und wegen dem Essen. Ich lasse es euch in ca. 15 Minuten hochbringen!“ sagte er, als ich mir den Schlüssel schnappte. Nochmals nickte ich und drehte mich zu June. „Los komm!“, wisperte ich und spürte unzählige Blicke auf uns. Hastig zog ich June hinter mich nach oben. „Das hat doch ziemlich gut funktioniert!“, sagte June als wir den Gang bis zur letzten Tür auf der linken Seite folgten. „Ja. Aber dennoch ist mir das alles nicht wirklich koscher!“ gab ich meine Bedenken zum Ausdruck und öffnete die Tür. Wir traten in das Zimmer, das nur noch spärlich von Tageslicht beleuchtet war. „Na hübsch ist was anderes!“, murmelte June und sah sich im Zimmer um, während ich die Tür hinter uns abschloss. „Na besser als draußen zu schlafen!“, bemerkte ich und zog endlich den Umhang aus, der schon seit Stunden auf meiner nackten Haut scheuerte. Ich kratzte mich heftig an Arm und Schulter bevor ich mich umsah. Das Zimmer bestand nur aus vier Möbel. Ein Tisch mit Stuhl und zwei Betten, die aussahen, als hätte eine ganze Fußballmannschaft direkt nach ihrem Platztraining im strömenden Regen, hier drinnen geschlafen. „Da hast du auch wieder recht!“, seufzte June und ließ sich auf eines der beiden Betten nieder, während ich zum Tisch ging und meinen Rucksack drauflegte. Dabei entdeckte ich ein Kerzenhalter. „Hast du ein Streichholz oder sowas mit?“, fragte ich und sah zu June herüber. „Ja. Warte – ich glaube, ich habe in meinem Brillenetui noch mein Feuerzeug!“, antworte sie hastig und nahm ihren Beutel zu Hand. Kurz kramte sie darin und zog dann ihr Etui heraus. „Wieso hast du ein Feuerzeug in deinem Brillenetui?“, fragte ich und runzelte die Stirn. June zuckte mit den Schultern, als sie das Feuerzeug aus dem Etui nahm und es mir gab. „Keine Ahnung. Für solche Fälle?“ „Für solche Fälle?“ – wiederholte ich ihre Frage und zündete die Kerze an. Schon erhellte sich der Raum etwas. „Na ja, nicht direkt diesen Fall hier.“ gab sie zu und schien dabei die Augen leicht zu verdrehen, da es offensichtlich war das sie nicht direkt diese Situation gemeint hatte. Ich grinste und gab ihr das Feuerzeug zurück. „Schon klar!“ – lachte ich und ging wieder zum Tisch herüber, damit ich anfangen konnte unsere Sachen zu sichten. June begann sich in Zwischenzeit ebenfalls von dem Umhang zu entledigen. Wie versprochen, klopfte es nach ca. 15 Minuten an unsere Tür und eine mädchenhafte Stimme erklang. „Entschuldigen Sie, ich bringe Ihnen das Abendessen!“ June und ich erstarrten kurz und zögerten mit einer Antwort. June war die erste, die das Wort ergriff. „Warte kurz ich öffne die Tür!“ Augenblicklich sprang sie vom Bett auf und ging zur Tür. Ich warf hastig meinen Umhang auf dem Tisch, um unsere Sachen zu verstecken und wartet ab. Als June die Tür öffnete, wand sie ihren Blick kurz ungläubig zu mir. Wir sahen uns an, während ich die Stirn runzelte – nicht wissend wie ich den Blick deuten sollte. Ich wollte etwas sagen, doch dann trat auch schon ein kleines Mädchen, nicht mal 10 Jahre alt, mit einem Tablett ein. Auf dem Tablett befanden sich zwei, reichlich gefüllte Schüsseln mit Suppe, oder dergleichen, und daneben lag ein Stück Brot, sowie ein Krug und zwei Becher. Als ich das Mädchen ansah, verstand ich sofort den Blick von June. „Wo hin?“, fragte sie höflich und ließ ihren Blick gesenkt. „Ähm …“, ich sah mich um und zeigte dann auf den Fußboden. „Stell es einfach auf den Fußboden!“ Das Mädchen nickte stumm und ging in die Mitte des Raumes, um das Tablett abzustellen. Inzwischen Zeit schloss June die Tür und ich musterten das Mädchen. Ihr Erscheinungsbild berührte mein Herz, es sah vernachlässigt und zerlumpt aus. Die Haare wild und der Körper von Dreck bedeckt – ich fragte mich, was ihm wohl widerfahren ist. In diesem Augenblick drehte sich das Mädchen herum und sah mir direkt ins Gesicht. Ihr Blick war müde, doch irgendwas schien ihre Müdigkeit schlagartig zu vertreiben. Ihr Augenlider weiteten sich leicht und sie schien mich angestrengt zu mustern. Verunsichert sah ich zu June, die mit ihrem Gesicht Bände sprach. Meine Klamotten, schoss es mir durch den Kopf und mir war klar, dass wohl die Aufmerksamkeit des Mädchens geweckt hatte. Als sie erkannte, dass ich merkte, was sie da tat, senkte sie sofort den Blick. „Entschuldigung!“, sagte sie mit so leiser Stimme, die mir fast die Tränen ins Gesicht trieb. „Du musst dich nicht entschuldigen!“, versicherte ich ihr und machte einen Schritt auf sie zu. Doch das Mädchen zuckte zusammen und schien sich zu ängstigen. Ich hielt sofort innen und ob beruhigend die Hände. „Keine Sorge. Ich tue dir nichts. Unsere …“ ich tauschte kurz einen Blick mit June bevor ich weitersprach „… Kleidung hat dich sicher erschreckt. Wir …“ ich stoppte. Was sollte ich sagen? Wie sollte man einem Kind erklären, dass man nicht von dieser Welt stammt, ohne ihm noch mehr Angst zu machen. June schien meine Sorge zu bemerken und beendet meinen Satz: „Wir kommen von weit außerhalb. Deswegen sehen wir vielleicht etwas seltsam aus!“ Das Mädchen drehte sich zu June und sah sie ebenso kritisch an, wie mich gerade. „Vielen Dank für das Essen!“, sagte ich schließlich und ließ meine Hände sinken mit der Hoffnung das, dass kleine Mädchen verstand, das wir ihr nichts tun wollten. „Sicher wird es super schmecken!“, fügte June an und lächelte sanft. Immer noch unsicher sah das Mädchen zwischen uns hin und her. „Ich heiße May und das ist meine Freundin June!“, stellte ich uns schlussendlich vor und ging dann in Richtung des Essens. „Verrätst du uns auch deine Namen?“, fragte ich weiter, als ich mich auf den Boden setzte und mir eine der beiden Schüssel nahm. Das Mädchen schwieg und verunsichert zu June die zu mir herüberging und sich dann neben mich setzte. Ich reichte ihr eine Schüssel und wir begann zu essen – dabei wurde mir erstmal bewusst, wie hungrig ich eigentlich war. „Das schmeckt fantastisch. Hast du das gemacht?“, fragte June und sah kurz zu ihr auf. Das Mädchen nickte stumm. „Es ist super lecker – die beste Suppe, die ich je gegessen habe!“ fügte ich hinzu und nahm noch einen Löffel. June wand den Blick zu mir. „Was soll den das heißen?“, motzte sie mich sofort an und funkelte mich finster an. Ich sah sie mit irritiertem Blick an. „Dass was es heißt!“, erwiderte ich. „Und was ist der Klößchen Suppe, die ich dir erst gemacht habe, als du krank warst?“ warf sie eingeschnappt ein. „Dir werde ich mal wieder was kochen!“ „Dein Ernst? DAS stört dich gerade?“ June wand den Blick ab und aß weiter. Ich seufzte. „Deine Suppe war auch super“, entschuldigte ich mich. „Das will ich auch meinen. Du Muppel!“ entgegnete sie. Ich schüttelte nur mit zusammen gepressten Lippen den Kopf und dachte mir: Die Probleme will ich auch haben. Ein leises Lachen durchdrang den Raum. June und ich sahen auf und das Mädchen kicherte in ihre Hand hinein. „Ihr seid seltsam!“, sagte sie. „Möglich, aber wer ist das nicht?“, erwiderte ich und lächelte sie an. Das Mädchen antworte nicht, sondern trat etwas näher. Als sie mir ihre Hand entgegenstreckte sagte sie uns ihren Namen. - „Ich heiße Greta!“ „Schön dich kennenzulernen, Greta!“, verkündete ich und schüttelte ihre Hand, bevor June es mir gleich tat. Ich schenkte in Zwischenzeit etwas von dem Krug in die beiden Becher. „Was ist das?“, forschte ich nach und sah das Mädchen fragend an, als ich am Krug schnupperte. Er Geruch war mir leicht vertraut. „Hōjicha.“ „Hōji – Was?“, fragte ich nach und nahm einen Schluck. „Es riecht nach grünem Tee!“, warf June ein, die gerade dran schnupperte. Das Mädchen nickte. „Das ist gerösteter grüner Tee!“, sagte sie. Ich runzelte leicht die Stirn, denn der Geschmack war anders. „Schmeckt komisch! Irgendwie habe ich grünen Tee anders in Erinnerung. “, wendete ich ein und sah zu June, die gerade den Becher zum Trinken ansetzte. „Stimmt!“, sagte sie, als sie einen Schluck genommen hat. „Der Geschmack ist durch das Rösten abgemildert und wirkt dadurch beruhigend, besonders abends!“, erklärte Greta mit ruhiger Stimme. „Oh – wirklich? Das ist interessant!“ murmelte June nippend an ihrem Tee während ich weiter versuchte den Geschmack weiter einzuordnenden. June und ich hatten eine beachtliche Teesammlung bei uns Zuhause, mit vielen unterschiedlichen Geschmacksrichtungen doch keiner war so wie dieser. „Du schaust aus, als hättest du eine Frage, Greta!“ Junes Worte ließen mich Aufsehen. Greta, die bis vorhin noch sehr schüchtern und ruhig wirkte, sah uns nun mit aufgeregtem Blick an. „Eure Kleidung …“, begann sie zu sprechen und schien sich nicht sicher zu sein, was sie wohl zuerst fragen sollte. „…wie nennt man sie?“, beendete sie letztlich ihren Satz. „Nennen?“ „Ja! Wie nennt man, das was ihr da tragt!“ – wollte Greta wissen und schien ganz aufgeregt zu sein. Ich blickte zu June, welche nur mit den Schultern zuckte, dann antworte ich einfach. „Jeans und Top!“ Gretas Augen funkelte plötzlich vor Aufregung. „Wow. Dann müsst ihr sicher, Kriegerinnen oder Prinzessinnen sein?“ „Prinzessinnen?“, wiederholte ich und begann zu lachen. „Nein, Nein! Wir sind nichts dergleichen.“ „Aber eure Kleidung sieht so schön aus!“, widersprach sie hastig. „Wirklich? Dabei ist das nur Alltagskleidung …“, warf June ein und sah kurz an ihr herab. „Alltagskleidung?“ - fragend sah Greta zu ihr, sie schien das Wort nicht zu kennen. „Das ist Kleidung, die üblicherweise getragen wird. Also nichts Besonderes!“ versuchte June zu erklären, sodass das Greta es verstehen konnte. Sie nickte. „Greta? Wo bist du?“ – die Stimme des Wirtes drang durch die Zimmertür. Erschrocken zuckte das Mädchen zusammen. „Ich muss gehen!“, sagte sie rasch und sah zur Tür. „Okay. Wir wollten dich nicht aufhalten!“ entschuldigte ich mich und stand auf, um ihr die Tür zu öffnen. Greta nickte June kurz zu bevor sie mir folgte. „Sehen wir uns morgen?“, fragte ich, als sie aus der Tür trat. Das Mädchen blickte auf. „Ich würde mich gerne wieder mit dir unterhalten. Wir sind hier neu und sicher kannst du uns ein bisschen was über diese Stadt erzählen!“ Greta lächeln wurde breit. „Ja, gerne! Dann bis morgen“ versprach sie freudig und lief los, als abermals die Stimme des Wirtes erklang. „Pass auf dich auf!“, rief ich ihr nach, als sie verschwand. Dann schloss ich die Tür und ging zum Tisch herüber. June räumte derweilen das Tablett beiseite und begann zu sprechen: „Diese Mädchen war zuckersüß, aber sie tat mir leid. Hast du ihre Kleidung gesehen?“ Ich nickte und legte den Umhang, der den Tisch und unsere Sachen bedeckt hatte, beiseite. „Das war das erste Mal, dass ich sowas gesehen habe!“, sagte ich leise. In unserer Welt gab es auch Armut und das nicht zu knapp. Jeden Tag wurde von Kindern in armen Verhältnissen berichtet, ob in Afrika oder Deutschland – doch das alles war immer so weit entfernt, dass ich mir nie wirklich Gedanken darüber machte. Doch jetzt, mit eignen Augen eines dieses Kind zu sehen, brach mir fast das Herz. „May!“ – Junes Stimme drängte sich leise in mein Ohr und als ich aufsah, stand sie direkt neben mir und legte eine Hand auf meine Schulter. „Ich weiß!“, murmelte ich nur, wissend was sie mir sagen würde und sah auf den Tisch. June schwieg. Nach einer Minute des Schweigens rappelte ich wieder auf. „Ich habe mal unsere Sachen gesichtet. Also, wir haben unzählige Stifte, drei Blöcke, zwei Scheren, ein Feuerzeug, Deo, Handcreme, eine Packung Tampons und Binden, eine Flasche Niveau Shampoo, Zahnpasta und eine ungeöffnete Packung Zahnbürsten, Scheuermittel, Feuchttücher, vier Gesichtsmasken, Kneipp Badesalz, einen roten Nagellack, Lippenbalsam, vier Packungen Taschentücher, Kamm, Haargummis und Klammern, ein Solarladegerät, ein Terminplaner, zwei Portmonees – mit Geld was uns nichts nützt, zwei Packungen Kaugummis, jeweils zweimal Schal, Mützen, Handschuhe und Winterjacken – deine Klamotten aus C&A und das …“ sagte ich und hielt den WC-Reiniger hoch. June lachte leise und nickte dann aber. „Ach und unsere Handys aber ich glaube nicht, dass sie uns hier was nützen!“, sagte ich und sah auf mein Handy. „Mist. Kein Empfang.“ fluchte June als sie ihr Handy aus der Hosentasche zückte und es anmachte. Ich sah zu ihr herüber. „Ja, ich weiß schon! Ich bin ja nicht dumm!“ erwiderte sie, als sie meinen Blick sah. „Aber hoffen darf man doch noch!“ „Sicher!“, sagte ich und sah auf den Tisch. „Na ja, zumindest könnten wir es aufladen, wenn wir wollen!“, bemerkte ich und zeigte auf das Solarladegerät. „Bringt uns nur nichts!“ „Das stimmt!“, entgegnete ich und gähnte. „Nun, das ist jetzt auch egal. Wir bekommen das schon, aber lass uns erstmal schlafen“, schlug ich vor und sah zu June, die auch ebenfalls gähnte. Sie nickte. „Gute Idee!“ Mit diesen Worten packte ich die Sachen zurück in meinen Rucksack, bevor ich auszog. Nur mit Tanktop und Slip bekleidet ging ich zum Bett herüber, wo June schon saß. „Das Bett ist ungewöhnlich weich!“, merkte sie an, als ich mich ihr gegenüber auf das Holzbett setzte. Ich rutschte mit mein Hintern etwas hin und her. „Stimmt.“ „Fast wie Zuhause!“, sagte June und lächelte wehmütig. „Ja. Bis auf die kratzende Bettdecke!“ bemerkte ich trocken und spürte den rauen Stoff auf meiner nackten Haut. „Sicher hab ich morgen noch mehr Ausschlag!“, beschwerte ich mich. „So schlimm?“, fragte June. Ich nickte heftig. „Wie bei dem Umhang. Ich könnte mich jetzt noch pausenlos kratzen!“ „Komisch!“, merkte June nachdenklich an. „Ich empfand es als angenehm!“ „Ach ja? Glaubst du mir etwa nicht? Schau.“ fuhr ich sie etwas an und zeigte ihr meine Arme, auf den sich viele kleine rote Flecken gebildet haben. June betrachtet sie leicht erschrocken. „Oh. Du hast ja recht. Du hast einen Ausschlag bekommen!“ „Ach was? Sag bloß!“ zischte ich. „Entschuldigung!“, murmelte und stand auf. „Warte. Ich glaube, ich habe etwas Zinksalbe mit. Die könnte helfen!“ erklärte sie und ging zum Tisch herüber. Sofort griff sie nach ihrer grünen Tasche und wühlte kurz darin. „Da ist sie ja!“, sagte sie schließlich und kam mit einer weißen Tube wieder. „Wo hattest du den die versteckt?“, fragte ich und erinnerte mich, ihre Beutel doch ebenfalls ausgeräumt gehabt zu haben. „Tschja. Geheimnis!“ – mit diesen Worten setzte sie sich neben mich auf das Bett. „Gib mir deine Arme!“, bat sie schließlich und machte etwas Salbe auf ihre Hand bevor sie, sie langsam auf meine Arme verrieb. „Besser?“, erkundigte sie sich, als ich kurz die Augen schloss, da das jucken nachließ. Ich nickte und öffnete die Augen. „Besser. Danke!“ „Was würdest du nur ohne mich tun?“ „Mich juckend in den Schlaf weinen“, erwiderte ich trocken. Sie sah mich skeptisch an, bevor wir begannen zu Lachen. Wir lachten herzlich bis plötzlich Junes Lachen verstummte. „May?“ Ihre Stimme war schlagartig ganz ernst. „Was?“, fragte ich und sah sie an. Ihr Blick war auf meinen Schoß geheftet. Ich folgte ihm langsam. „Woher hast du diese blauen Flecke?“ – ihre Finger strichen über mein linkes Handgelenk. „Ähm!“ „Ähm?“, wiederholte sie und sah mich mit besorgtem Blick an. Dann schoss es ihr augenscheinlich durch den Kopf, ohne dass ich noch etwas sagen musste. „Heute Nachmittag!“, war das einzige, was sie sagte und ich entzog ihr meinen Arm. „Das war nur eine kleine Unstimmigkeit!“, beschwichtige ich die Situation. Doch June ließ nie so schnell locker, als beugte sie sich zu mir herüber und sah mir finster ins Gesicht. „Wag es dir nicht mich anzulügen May!“ So süß und unschuldig, wie June manchmal wirken konnte, genauso bedrohlich konnte sie sein. „Reg dich nicht so auf!“, war das erste, was über meine Lippen kam. Unbedacht, was ich feststellen musste. „Nicht so aufregen?“, erwiderte sie etwas lauter. „Ich rege mich solange auf, wie ich will. Erst verkaufst du das Andenken deiner Mutter und jetzt das! Was für eine Freundin wäre ich, wenn mich das nicht aufregen würde?“, fragte sie sauer nach. „Wir hatten doch keine Wahl. Mit dem Euro kann man sich hier nichts kaufen!“, verteidigte ich mich. „Das ist mir schon klar, aber dann hätten wir auch was anderes Verkaufen könne. Meine Ohrringe zum Beispiel – die sind eh nur Modeschmuck!“ Ich sah sie an und nickte leicht. Daran hatte ich in der Sekunde nicht gedacht. „Ja, aber ich hatte in der Sekunde halt nur mein Armband!“ wiederholte ich mich. June schnaufte wütend. „Trotzdem. Du hast das Armband geliebt!“ Ich zuckte mit der Schulter, um gleichgültig zu wirken, doch June schien das sofort zu durchschauen. „Tu nicht so gleichgültig!“, zischte sie. „Jetzt ist es so, June. Man kann es nicht mehr ändern. Ich werde es überleben!“, erklärte ich und hatte bis jetzt gut verdrängt, dass ich das Armband und damit das letzte Andenken an meine endgültig verloren hatte. „Jetzt sag schon, was ist wirklich passiert!“, wollte June nun wissen und schnappe sich abermals meine Hand, um mein Handgelenk nochmals mit etwas Salbe einzureiben. Ich überlegte kurz, ob ich wirklich sagen sollte was passiert war aber weiter es zu verheimlichen würde wohl nur noch zu mehr streit führen also gab ich mich geschlagen. „Na gut!“, murmelte ich geschlagen und begann ihr die Geschichte mit dem Händler und dem Fremden zu erzählen. Als ich fertig war, sah mich June fassungslos an. „Du bist so dumm!“, war das erste, was sie sagte. „Danke!“ „Nein, ich meine es ernst! Du bist so dumm, May! Der Typ hätte, die sonst was antun können, wäre da nicht der andere gewesen!“ Ich nickte und sagte aber nichts weiter dazu. June seufzte. Es klang erleichtert auch, wenn ihr Gesicht mir immer noch verriet, das sie sauer war. „An diesem Charakterzug von dir müssen wir noch arbeiten!“, sagte sie schließlich und ging zu ihrem Bett herüber. „Hm!“, war alles, was mir über die Lippen kam, als ich auf mein Handgelenk sah. Es würde morgen sicher schlimmer aussehen als heute. „Wir sollten schlafen!“ June Stimme klang dumpf und als ich aufsah, lag sie schon eingekuschelt unter ihrer Decke. Ihre braunen Augen sahen mich immer noch strafend an. Ich verdrehte nur die Augen, stand auf, warf die Bettdecke zu Seite und stieg ins Bett. Die Decke zwischen meinen Beinen geschlungen, sah ich zu June herüber. „Gute Nacht!“, sagte ich und schloss die Augen. „Gute Nacht, du dummes Muppel!“ – war das letzte, was ich für diesen Tag hörte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)