Storm von Lon ================================================================================ Kapitel 1: Hillsberg -------------------- Um sie herum Gebrüll. Worte schossen durch die Luft, viel zu schnell, um sie alle verstehen zu können. Vereinzelte Befehle hoben sich aus den Schreien der Verlust und der Wut hervor: "Bleibt standhaft!" "Walzt sie nieder!" "Lasst die Dämonen nicht entkommen!" Schreckliche Worte aus den Mündern wahrer Teufel. In jener Nacht kam die Hölle nach Hillsberg. Der Boden bebte und die Mauern wackelten, als irgendwo an dem Anwesen eine Bombe detonierte. Ängstlich setzte sie sich auf. Was ging außerhalb ihres Zimmers nur vor sich? Wurden sie erneut angegriffen? Dem Lärm nach, der aus den unteren Stockwerken zu ihr nach oben drang, waren es nicht die üblichen Bauern, die einen Aufstand wagten. Nein, das waren neue Feinde, die es auf sie und ihre Familie abgesehen hatten. Dämonen, die aus den Rissen der Erde hervorkrochen. Dämonen, die seit langer Zeit auf eine Gelegenheit warteten, um gegen die Familie vorzugehen. Sie schlug die Bettdecke zurück und setzte einen Fuß nach dem anderen auf dem Boden ab. Eisige Kälte berührte ihre Fußsohlen und ließ sie frösteln. Langsam näherte sie sich dem großen Fenster, das einen wunderbaren Ausblick über den herrlichen Garten des Anwesens bot. Doch so nicht in dieser Nacht. Als sie die Vorhänge ein Stück zur Seite zog, offenbarte sich ihr das grausame Schlachtfeld, das unten auf der einst so grünen Wiese tobte. Aus schreckgeweiteten Augen sah sie, wie der einst so prächtige und grüne Garten zu Asche und Staub niederbrannte zusammen mit den vielen leblosen Körpern, die auf der trockenen Erde ihr Grab gefunden hatten. Eine erneute Detonation ließ das Anwesen erzittern und feiner Staub rieselte von der Decke herab. Jade hielt sich am Fensterrahmen fest, um nicht zur Seite wegzukippen. Fest kniff sie ihre Augen zusammen, um sie vor dem herabkommenden Staub zu schützen. Hier war es nicht sicher. Ihr würde noch die Decke über dem Kopf zusammenbrechen. Schnell schlüpfte sie in ihre Pantoffeln und näherte sich hektischen Schrittes ihrer Tür. Vorsichtig schob sie diese auf und spähte in den langen Gang vor sich. Nichts. Der Lärm schwappte aus der unteren Etage zu ihr herauf. Jade entzündete eine Kerze und wagte sich in den langen, dunklen Flur hinaus. Ruhig. Es war viel zu ruhig auf dieser Etage, stellte sie fest. Ihr Leibwächter war fort, ebenso die vielen Bediensteten. Sie vermutete, dass diese für die Verteidigung des Anwesens aufgestellt worden waren und nun unten unter Einsatz ihres Lebens kämpfen mussten. Sie hoffte doch, dass sie es überleben würden. Doch bis auf ihr Leibwächter, waren die Bediensteten nicht fürs Kämpfen ausgebildet... In dem Schein der Kerze erkannte sie, dass eines der großen Gemälde von der Wand gestürzt war. Der Rahmen war zerbrochen, das Glas zersplittert und das Bild leicht eingerissen. Dennoch erkannte sie, zu wem das Portrait gehörte: Marjorie Storm. Ihre sowohl stolze als auch edle Mutter. Die Herrscherin in dem Bild lächelte warm und ihr schwarzes Haar rahmte in perfekten Strähnen ihr attraktives Gesicht ein. Wo war diese unnachgiebige Frau jetzt? Kämpfte ihre Mutter etwa in vorderster Reihe, um ihre Familie und ihren Besitz zu verteidigen? Auch hier konnte sie nur beten, dass ihrer Mutter nichts geschah. Jades Blick fiel von dem prächtigen Gemälde auf die Eichentür, hinter der sich ein Zimmer befand. Fergie, dachte sie. Das Zimmer ihrer Schwester. Sie selbst wusste nicht, wie es um ihre Familie stand, doch sie musste die, die sich noch innerhalb dieser Mauern befanden hinaus führen und zwar bevor all das - Träume, Erinnerungen und Gebälk - über ihren Köpfen zusammenstürzte. Außerdem war sie eine der Ältesten und hatte ihre Pflichten, nicht? Der angenehme Geruch von Veilchen begrüßte sie, als sie die Tür öffnete - eine angenehme Abwechslung zu der Tragödie, in der sich ihre Familie gerade befand. Sie trat einige Schritte hinein in das Zimmer, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sich niemand auf dem Flur anschlich. Jade ließ den Schein der Kerze durch den Raum wandern, auf der Suche nach ihrer Schwester. Doch das große Bett war leer. Die Decke lag unordentlich da, als wäre jemand hektisch aufgesprungen, das weiße Kissen verschoben. Vielleicht beherbergte die Jüngere etwas darunter. Beispielsweise eine Kette... Jade kniete sich auf den Boden, stellte die Kerze, mit genügend Abstand zu ihr, ab und sah unter das Bett. Nichts. Kein Staub, keine Schwester. In dem Moment, als sie aufstehen und nach der Kerze greifen wollte, begann der Boden unter ihren Füßen zu beben. Die Vasen hob es über den Rand und sie krachten scheppernd zu Boden, sodass das feine Glas am Boden zerschellte. Das Wasser trat über die Scherben hinaus und verteilte sich in einzelnen Pfützen am Boden. Die Blumen starben. Jade kroch unter den kleinen, weißen Tisch und kauerte sich zusammen. Sie schrie auf, als sich einer der Balken nicht unweit von ihr aus der Decke löste und zu Boden krachte. Das dunkle Holz knackte, ächzte und splitterte, und brach schließlich. Jade kniff die Augen zusammen und verkrampfte ihre Hände schützend über ihrem Kopf. Endlich verebbte das Beben. Um sie rum wurde es still. Ihr war als hätten die Engel ihren Atem angehalten, während sie versuchten ihr Leben zu beschützen, zu verhindern, dass ihr Körper unter Dachziegeln, Holz und Mauern zerquetscht wurde. Ein Quieken durchbrach die Stille. "Fergie?", flüsterte sie. Weiteres Quieken. Die Flamme erhellte den Schrank. Jade bewegte sich langsam auf ihn zu. Sie hoffte, dass sich ihre Schwester einfach nur versteckt hatte. Dass sie sich nicht unten auf dem Schlachtfeld befand. Nicht in vorderster Reihe wie die Übrigen. Sie war noch so jung. Mit einem Ruck riss sie die Tür des Schrankes auf, sogleich sprang ihr etwas entgegen. Panisch schrie sie auf, während sie rückwärts stolperte. Kleine, spitze Krallen gruben sich unter ihre Haut, als ein Tier an ihr hochkrabbelte. Jade konnte spüren wie ihre Haut riss. Blut rann aus den Wunden, wie blutige Tränen, und tropften vom ihrem Kinn zu Boden. Endlich gelang es ihr das Wesen zu packen. Nadeln stachen in ihre Handflächen, doch sie zerrte und zog weiter. Zerrte und zog, bis sich die Krallen lösten. "Hedger!", rief sie aus, als sie den Angreifer erkannte. Jade setzte das Tier, eine Mischung aus aggressivem Igel und schüchterner Fledermaus, auf dem Boden ab. Es war Fergies geliebtes Haustier. Warum war es im Schrank eingesperrt? An der Seite ihrer Schwester wäre es besser aufgehoben gewesen. Jade schüttelte den Kopf. Sie bezweifelte, dass sie des Rätsels Antwort sobald herausfinden würde und ließ es daher sein. Ihre Schwester war nicht hier, sie musste weiter. Es gab noch andere Zimmer auf diesem Flur. Hedger tapste ihr mit wippender Nase hinterher. Süß. Am Ende des Flures, neben der Treppe, befand sich die Letzte der vielen Türen. Sie verbarg das Zimmer ihres jüngeren Bruders, Tornado. Kurz spähte sie die Treppen hinunter, doch niemand lauerte ihr auf. Dann erst drückte sie die Klinke herunter und schob die Tür so leise wie möglich auf. "Tornado", flüsterte sie. Ihre Stimme zitterte. "Sag doch was. Tornado!" Sie wagte sich weiter in das Zimmer hinein. Bis auf die Hintergrundgeräusche, die sie an zornige Aufständler erinnerten, war es still. Nicht, dass ihr Bruder je eine laute Person gewesen ist. Sie tastete sich durch das Zimmer, nach wie vor ließ sie die Lichter aus. "Komm schon, wach auf!", sie rüttelte ihren Bruder an den Schultern. Er lag auf seinem Sofa und schlief seelenruhig und schien von dem Tumult nichts mitzubekommen. "Tornado!", zischte sie eindringlich. Endlich bewegte sich die Person vor ihr. Träge setzte sich ihr Bruder auf. Wahrscheinlich rieb er sich über die Augen. Sein Haar glänzte selbst in dem schwachen Licht. "Jade?" "Sssht!" "Was willst du hier?" "Ein Angriff", flüsterte sie. "Hörst du nicht den Lärm?" "Nö" Tornado stand auf und gähnte herzhaft. "Wir müssen hie raus." Bis zu diesem Moment hatte er seelenruhig geschlafen und gar nichts mitbekommen. Barfuß stolperte er durch sein Zimmer zum Fenster. Er schob die schweren gelben Gardinen beiseite und starrte hinunter in den Garten. Da sah auch er es. "Oh nein, wie furchtbar!", schrie Jade aus, als auch sie sah, was vor sich ging. Erschrocken hielt sie sich die Hand vor den Mund. Tornado war im Begriff die Tür zum Balkon zu öffnen, doch Jade hielt seinen Arm fest "Was hast du vor?" "Na wir müssen helfen", antwortete ihr Bruder. "Hast du den Verstand verloren!? Wir bleiben hier", zischte sie und hielt ihn zurück. Tornado murmelte etwas unverständliched, ehe er sagte: "Dann müssen wir hier weg. Sieh, sie haben uns umzingelt und ich möchte nicht von einer Mistgabel aufgespießt werden!" Da wandte er sich auch schon ab und verließ das Zimmer. "Warte doch! Verflucht, warte!" Sie holte ihn erst unten an der Treppe ein. Eine erneute Detonation ließ sie stolpern. Hedger kullerte die Treppen hinunter. In dem Moment sauste nur knapp ein Pfeil an ihrem Kopf vorbei. Mit einem Schrei wich sie zurück. Tief bohrte er sich in die Wand hinter ihr. "Da sind noch mehr von diesen Dämonen! Schnappt sie euch!!", rief einer der Bauern und richtete seine Mistgabel auf sie und ihren Bruder. Jade erkannte den freundlichdn Vater mit den drei Kindern in ihm. Sie hatte desöfteren mit seinen Kindern gespielt. Verräter... "Huh!" Tornado sah zu dem Mann herüber. Sein Wanst war groß, aber die Dummheit noch viel mehr. "Du? Du willst uns schaden? Das ich nicht lache", er hob seinen Arm und zeigte auf den Mann. "Tornado, nicht!", schrie Jade, doch es war zu spät. Aus seiner Fingerspitze schoss ein dünner, aber scharfkantiger, weißer Faden. Schnell umwickelte er den dicken Hals des Bauern und würgte den Mann. Panisch umfasste dieser die Schlinge, die sich immer fester zu schnürte. Er zog und zerrte mit all seiner Kraft daran. Schließlich sank die Mistgabel zu Boden. Der Mann war tot. Weitere würden seinem Beispiel folgen. "Tornado!", Jade riss seinen Arm herunter, als ihr Bruder bereits auf sein nächstes Opfer zeigte. "Nicht. Lass es gut sein!" Er wollte ihr antworten, als plötzlich alles um sie herum in Flammen aufging. Die Flammen fraßen sich durchs Holz und lechzten gierig nach den beiden. "W-wir müssen hoch", stammelte Jade, die sich noch nie gut auf Feuer verstanden hatte. "Wir müssen...", sie hustete als schwarzer Rauch ihre Lungen füllte. Ihre Augen tränten und sie zog ihren Bruder mit sich, als sie zurück zur Treppe rannte. "Warte Jade!" Tornado stolperte ihr hinterher. Er schrie auf als er in eine frische Scherbe trat. Doch Jade zog ihn weiter. Er versuchte den Fuß mehr außen zu belasten, doch er spürte wie sich die Scherbe tiefer in seinen Fuß bohrte. Warmes Blut wurde zu seinen Schuhen. Endlich oben zog er die Scherbe heraus. Sein Fuß pochte vor Schmerz. Kalter Schweiß ran über sein Gesicht. Doch hinter ihnen breitet sich das Feuer unaufhaltsam weiter aus. "W-wir müssen...weiter", murmelte Jade. Sie riss einen Fetzen ihres Nachthemdes ab und band ihn provisorisch um den Fuß ihres Bruder fest. Er färbte sich rot. "Komm schon." "Warte!" Unter ihnen gab es einen lauten Rumms, als die Regale begannen, zu fallen, als das Feuer an ihnen nagte. "Jetzt!" Dunkler Qualm quoll die Treppe hinauf und jagte den Geschwistern hinterher. Jade zerrte ihren Bruder auf die Füße und lief los. Als sie zurückblickte sah sie das Portrait ihrer Mutter. Ihr Lächeln wirkte... so aufgesetzt. Jade schloss ihre Zimmertür hinter sich und schob mit Mühe ihren Schreibtisch davor. Ihr Bruder hatte sich auf ihr Bett fallen lassen. "Was jetzt?", fragte er. "M-Moment." Jade schaltete das Licht an. Sie überblickte schnell ihr Zimmer nach einem Ausweg. Es musste doch einen Ausweg geben! "Jade..." "Moment!" "Ja-" "Ich sagte Moment!" Sie musste sich konzentrieren. "Du musst deine Fähigkeit einsetzten!" Jade senkte ihren Kopf "Ich kann nicht" und sie wollte nicht. Sie war kein... kein Monster. Sie- "Du musst!" Aber welche Wahl hatte sie? Ihr Bruder hatte recht, sie musste es tun. Sie stellte sich vor die Wand, die sie durchbrechen wollte. Sie ging in einen festen Stand und streckte beide Arme aus. Nichts geschah. Sie schloss die Augen und versuchte, ihre Umgebung auszublenden, doch Rauch füllte ihre Lunge. Das Feuer fraß sich durch die Tür hindurch. "Jade das Feuer!", schrie ihr Bruder, als ihr Schreibtisch in sich zusammenfiel. Sie musste sich konzentrieren. Jetzt! Komm schon! Verflucht! Sie hörte wie sich einer der Balken aus der Decke löste und zu Boden krachte. Tornado schrie, was jedoch in einem Röcheln überging. "Verfluchte Kraft!" schrie sie verzweifelt aus und sank auf die Knie. Sie konnte kaum noch atmen oder klar denken. Ihre Augen wurden schwer und Hitze fiel über sie. "T-Tornado", murmelte sie. Schwärze. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)