Zwei Seiten einer Medaille von Shino-Tenshi ================================================================================ Kapitel 32: ------------ Seufzend klappte ich das letzte Schulheft zu und räumte es in meine Tasche. Mein Nacken schmerzte und ich rieb kurz darüber, bevor ich meinen Laptop öffnete und ihn startete. Ich wusste, dass ich an sich nicht allzu viel Zeit mehr für das Spiel hatte, doch ich wollte zumindest mal kurz reinschauen, um vor allem Luzifer und Tayaka zu zeigen, dass es mir gut ging und ich noch aktiv mit dabei sein konnte. Ich trank einen Schluck aus meiner Wasserflasche, während das Spiel lud und ich mich dann schließlich einloggen konnte. Teamgeek war auch schon offen und ich ging in unseren Channel. „Hallo zusammen.“ „Gabriel? Schön, dass du wieder da bist. Wie geht es dir?“ Azrael kam Tayaka und Luzifer zuvor. Ich konnte hören, wie sie die Luft einsogen um etwas zu sagen, doch dann auf Grund der ruhigen Stimme des Bandleaders schwiegen. „Mir geht es gut. Danke.“ Wie von selbst lächelte ich falsch. Versuchte ruhig zu bleiben und mir nichts anmerken zu lassen. „Wo warst du die ganze Zeit?! Ich hab mir Sorgen gemacht! Du bist weggerannt und ja, du hattest Recht. Die Bullen waren wegen dir da. Aber dennoch... wo bist du hingelaufen?“ „Du warst bei Tayaka? Warum das?“ Azrael wirkte verwirrt, doch bevor ich antworten konnte, riss Luzifer das Wort an sich: „Er war bei mir.“ „Wieso warst du bei Luzifer?“ Athena kam gar nicht mehr klar. „Was läuft hier ab? Wieso trefft ihr euch? Aber an sich wäre es doch echt cool mal ein großes Bandtreffen zu veranstalten!“ Aus ihrer Verwirrung wurde Begeisterung und ich spürte, dass sie keine Antwort mehr wollte. Das war mir auch lieber so. „Ich hätte nichts dagegen.“ Tayaka wirkte wieder so optimistisch wie schon immer, während auch Azrael kurz zustimmte. Luzifer, Xenia und ich schwiegen. Wollte ich das wirklich? Dieses Treffen? Die Zwei zusammen sehen. Aber andererseits würde es mich schon interessieren, wie sie aussahen und in Wirklichkeit so drauf waren. „Warum denn nicht? Wir können uns ja in der Mitte treffen.“ Xenia wirkte kühl und distanziert, wodurch ein tiefer Seufzer von Luzifer kam. „Ich hab auch nichts dagegen.“ Als hätte er Angst etwas zu sagen, was jemanden wütend machen konnte. Ich spürte direkt, wie sie darauf warteten, dass auch ich meine Meinung kundtat. „Ich... ich hab erst einmal einen Monat Hausarrest und ich weiß nicht, ob mich meine Eltern lassen.“ Ich wollte noch mehr sagen, doch Azrael unterbrach mich sofort. „Wie? Du weißt nicht, ob sie dich lassen? Du warst doch bei Tayaka und Luzifer. Warum sollten sie sich gegen ein größeres Treffen wehren?“ Ich wusste nicht, wie ich es ihm sagen sollte, doch Luzifer nahm mir die Aufgabe fast augenblicklich ab. „Er ist abgehauen. Deswegen waren auch die Bullen hinter ihm her und er hat jetzt Hausarrest.“ „Echt jetzt? Warum denn das?“ Azrael wirkte schon fast entsetzt, bevor er sich dann wieder zur Ruhe mahnte, doch auch jetzt konnte ich nicht selber antworten. Tayaka übernahm das für mich. „Weil sein Dad nicht mehr alle Latten am Zaun hat. Der ist total ausgetickt und da musste ich ihm diese Chance geben.“ Azrael reagierte darauf nicht und ich begann mich schlecht zu fühlen. Es war nicht schön, wie man mich bevormundete und bevor Azrael noch etwas sagen konnte, ergriff ich das Wort, um diesen Wahn zu stoppen: „Es ist nicht so schlimm, wie es sich anhörte. Er hatte nur einen schlechten Tag und ich musste mal raus. Das ist alles.“ Ich spürte, dass er mir nicht glaubte und Tayaka setzte sofort nach: „Gabriel... du hast bis Mittag bei mir geschlafen. Irgendwas stimmt da doch nicht.“ „Ich hatte vorher paar schlechte Nächte. Aber es ist alles okay. Bitte... können wir einfach spielen.“ Meine Stimme klang flehender als ich wollte, doch ich nahm die Worte nicht zurück. Ich wollte jetzt nicht über mein Leben oder gar meinen Vater diskutieren. Es war nicht nötig und ich wollte nicht, dass sie mich bemitleideten. „Okay... aber du kannst immer zu uns kommen, wenn du Probleme hast, Gabriel.“ Athenas Stimme war sanft und sie umhüllte mich leicht wie eine Umarmung, was mich lächeln ließ. „Ja, ich weiß. Danke. Aber... es ist wirklich nicht so schlimm.“ Ich konnte vor meinem inneren Auge direkt sehen, wie sich Luzifer anspannte und zurückhielt. Dafür war ich ihm dankbar. Er wusste mehr, als mir lieb war und dennoch schien er zu respektieren, dass ich es nicht in die Welt hinausposaunen wollte. Eine Art, die ich ihm nicht wirklich zugetraut hätte. „Ja, lasst uns spielen.“ Es ist das zweite Mal, dass Xenia etwas sagte. Ihre Stimme war kühl und endlich konzentrierten wir uns auf das, was ich schon die ganze Zeit wollte: Music Heroes. Es tat gut mit ihnen dort abzuhängen. Ihnen so ein wenig nahe zu sein und vor allem gelobt zu werden. Wir studierten neue Lieder ein und besprachen unsere nächsten Gigs. Wann wir Zeit hatten dafür und wo wir sie machen wollten. Welche Lieder wir dann performen wollten und wann wir eine CD aufnehmen wollten. Alles so belanglos, dass ich meine Schmerzen für einen Moment vergaß. Bis zu dem Moment, als die Nacht immer weiter voranschritt und einer nach dem anderen ging. Ich hatte gehofft, dass ich mit Luzifer noch ein wenig alleine sein würde, doch er war dieses Mal einer der Ersten, der verschwand. Stattdessen blieb Xenia und das gefiel mir nicht. „Ich muss jetzt auch los.“ Ich versuchte aus dieser unangenehmen Lage zu kommen, doch sie ließ mich nicht wirklich. „Nicht so schnell, Gabriel. Ich hatte dir etwas gesagt.“ Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, den ich verzweifelt versuchte zu schlucken, doch er wollte nicht verschwinden. Machte mir das Atmen schwer und ich spürte, wie ich mich mit jeder Sekunde weiter weg wünschte. „Ich hab von deinem kleinen Ausflug zu Luzifer gehört und es gefällt mir nicht, was man mir gesagt hat. Habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt? Willst du es wirklich darauf anlegen?“ Ich konnte nicht antworten und starrte nur auf den Bildschirm. Unfähig mich zu bewegen oder gar einen klaren Gedanken zu fassen. Ihre Stimme war so schneidend und kalt, dass ich das Gefühl hatte auch sie würde sichtbare Wunden bei mir hinterlassen. „Scheinbar scheinst du es aber nicht anders zu verstehen. Wirst du freiwillig gehen oder soll ich dich davon überzeugen?“ Alles in mir schrie danach zu antworten, doch ich konnte nicht. Mein Handy klingelte, doch auch jetzt wagte ich es nicht mich zu bewegen. Wie ein Kaninchen vor einer Schlange saß ich vor meinem Laptop und starrte ihn an. Wartete darauf dass er mich im ganzen Stück verschlang. „Überlege es dir. Ich werde auf deine Antwort warten. Bis morgen. Ich hoffe, dass du weißt, was klug für dich ist.“ Ich schluckte trocken und gerade wollte sie erneut ansetzten, als Luzifer plötzlich zurück in den Channel kam. „Was macht ihr Zwei hier?“ „Nichts. Wir haben uns nur unterhalten.“ Ihre Stimme war zuckersüß und ich selbst war immer noch nicht in der Lage zu antworten. Alles in mir war auf Flucht geschaltet, doch ich konnte nicht weglaufen. Warum war ich wie gelähmt? „Gabriel?“ Erst als mich Luzifer ansprach, verschwand die Starre und ich räusperte mich. „Ähm, ja. Alles bestens. Ich muss dann aber auch schon. Gute Nacht.“ Ich wartete nicht einmal auf irgendeine Erwiderung, sondern schloss das Programm sofort und fuhr den Laptop runter. Das war doch echt nicht wahr. Sie zwang mich zu einer Entscheidung, doch ich konnte das nicht. Ich wollte dieses Spiel nicht verlassen. Schließlich gab es mir so viel Kraft und ich mochte unsere Leute wirklich sehr. Doch allein die Erinnerung an ihre Worte ließ mich erschaudern. Ich wollte keinen Krieg, doch so wie es aussah, hatte ich keine andere Wahl. Für welche Seite sich wohl Luzifer entschied? Ich hoffte, dass er hinter mir stand, doch ich befürchtete, dass er bei Xenia blieb. Oder vielleicht hielt er sich auch raus. So oder so. Ich wollte diesen Kampf nicht, doch er schien unvermeidbar zu sein. Denn wenn ich ehrlich war: Ich wollte das Spiel nicht verlassen. Niemals. Denn es gab mir den Ausgleich und die Freude, die ich aktuell brauchte, um irgendwie mit meinem Leben klar zu kommen. Wenn ich da jetzt rausging, dann wäre ich endgültig verloren und das konnte und wollte ich definitiv nicht riskieren. Deswegen würde mich Xenia nicht vertreiben können. Niemals... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)