Zwei Seiten einer Medaille von Shino-Tenshi ================================================================================ Kapitel 14: ------------ Gegenwart Die Wochen vergehen und unsere neuen Bandmitglieder machen sich mittlerweile sogar richtig gut. Nach ein paar Tagen fanden wir auch einen neuen Gitarristen. Sein Name ist Keksmonster und auch wenn er am Anfang recht ungeschickt war, so stellt er sich jetzt richtig gut an und wir haben alle mittlerweile viel Spaß beim gemeinsamen Spielen. Diesen Abend haben wir unseren ersten Gig. Er ist nur in einem kleinen Club des Spiels, aber dort fangen alle Bands an und ich bin gespannt, wie sich das System in dem Bereich verändert hat. Ich muss schmunzeln als ich an den ersten stattfindenden Gig von damals denke. Auch wenn meine Hand unbewusst auf meinen Rücken gleitet, als mir wieder der Grund meines Fehlens beim ersten geplanten Auftritt in den Sinn kommt. Ich seufze schwer und logge mich schließlich in das Spiel ein. Meine Tür ist mittlerweile mit einem Kettenschloss versehen. Ich will nicht mehr gestört werden und ich musste mir diesen sicheren Ort schaffen. Es war nicht mehr anders möglich. Nicht nach dieser verhängnisvollen Nacht. Meine Hände zittern, als ich daran denke, was der Auslöser dafür war, doch ich verdränge die Erinnerung sofort wieder. Kaum wird der Startbildschirm von unserem Wohnzimmer abgelöst, sehe ich mich um, doch meine Mitspieler sind noch nicht da oder schon längst weg. Ein kurzer Blick nach oben bestätigt mir beide Theorien. Tayaka ist schon online, aber die anderen noch nicht. Wir haben ja auch noch Zeit, doch ich will es auf keinen Fall verpassen. Nur kurz wandert mein Blick zu den Büchern. Nein, ich hab darauf jetzt keine Lust. Vielleicht später. Schließlich starte ich auch Teamgeek, wo mich Tayaka schon empfängt: „Hallo, Gabriel. Na? Bereit? Dann komm zum Stellenmarkt. Wir müssen noch ein wenig die Werbetrommel rühren.“ „Echt jetzt? Das war früher nicht nötig, oder?“ Ich bin ein wenig verwirrt, doch lasse meine Figur zum Stellenmarkt laufen, als Tayaka schon kurz auflacht. „Nein, war es nicht. Aber seitdem man auch als Fan spielen kann, muss man diese jetzt überzeugen hin zu kommen. Es sind jetzt halt keine NPCs mehr. Also, komm endlich her. Ich schaff das nicht alleine.“ Ich muss schmunzeln und die kalten Erinnerungen verschwinden langsam wieder im hinteren Bereich meines Bewusstseins. Tayaka hatte schon immer ein Talent, dass er jeden noch so trüben Tag mit Sonnenschein füllt. Sein fast grenzenloser Optimismus ließ mich schon so einige schlechten Dinge des Tages vergessen. Ich bin froh, dass wir uns wiedergetroffen haben, denn er ist einer der Gründe, warum ich wieder in das Spiel zurück wollte. Schließlich komme ich an meinem Ziel an und lasse meinen Blick über die Masse wandern. Viele loggen sich ein und verschwinden dann gleich in irgendeine Richtung. Ich komme mir gänzlich verloren vor, weil ich gar nicht weiß, wie ich diese Werbung schalten soll. Doch im nächsten Moment erblicke ich schon Tayaka, der vor einer besonderen Herberge steht und sich mit einer Gruppe Mädchen unterhält. Scheinbar ist dies die Unterkunft für die Fans. Ruhig nähere ich mich ihm, doch dann stoppe ich fast augenblicklich wieder, als mein Blick auf Luzifer fällt, dessen Avatar erneut auf den Boden sitzt. Aber dieses Mal spielt er auf seiner Gitarre und scheint ein kleines Privatkonzert zu geben um so zu versuchen an Geld zu kommen. Kurz zögere ich, doch dann trete ich auf ihn zu und als meine Maus über seinen Avatar fährt, erscheint der Button, dass ich ihn zum Konzert einladen kann. Ich schlucke trocken und klicke ihn dann an, bevor ich mich wieder abwende und auf Tayaka zugehe. Zwar ist das Bedürfnis da mit ihm zu reden, doch ich weiß nicht, was ich zu ihm sagen soll. Seine Reaktion damals war verwirrend und ich habe Angst, dass er erneut ein Treffen fordern wird, aber ich fühle mich dazu nicht in der Lage. Was wenn es mein Vater wieder mitbekommt? Ich schüttel den Kopf, als mich Tayaka schon wieder anspricht: „Wo bleibst du? Ich hab schon ein paar überzeugen können, aber es sind noch nicht genug. Siehst du den Balken in der rechten oberen Ecke? Der zeigt an, wie viele Besucher zugesagt haben und es wäre gut, wenn er fast ganz voll wird. Aber mindestens die Hälfte ist ein Muss.“ „Tut mir Leid. Ich habe Luzifer eine Einladung überreicht.“ Ich weiß, dass es an sich Schwachsinn ist ihm davon zu erzählen, aber ich will ihn nicht anlügen. Nicht nachdem er mich mit offenen Armen empfangen hat. „Warum? Oh, Mann. Lass den alten Griesgram doch einfach grimmig sein! Was wollen wir mit ihm dort?! Der ruiniert uns bestimmt nur die Stimmung!“ Tayaka reagiert in meinen Augen gerade ein wenig zu theatralisch. Schließlich war Luzifer früher ein gutes Bandmitglied und er hat es nicht verdient, dass man ihn gänzlich übergeht. Er war nicht unbeteiligt an unseren damaligen Erfolg. „Er scheint immer noch keine Band zu haben. Wer weiß, vielleicht schließt er sich uns an, wenn er sieht, dass wir es mittlerweile doch zu etwas gebracht haben und unsere anderen Mitglieder auch etwas taugen. Auch wenn er vielleicht ein wenig schwierig ist im Umgang so kann man ihm sein Geschick in diesem Spiel nicht absprechen.“ Ich will auf Luzifer nicht verzichten. Die Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit ist viel zu schön, als dass ich keine Neuen schaffen will. Tayaka kann das vielleicht nicht verstehen, weil die schönsten Zeiten mit Luzifer waren einfach die, in denen wir alleine waren. „Warum hast du an ihm nur so einen Narren gefressen?“ Tayaka seufzt schwer und ich kann sein Kopfschütteln direkt hören, was mich ein wenig demotiviert. Er weiß nichts. Gar nichts von alldem, was passiert ist. Woher auch? Luzifer ist damit bestimmt nicht hausieren gegangen und Xenia? Na ja, die wird bestimmt nicht die Wahrheit erzählt haben. Das tat sie selten, wie ich bitter feststellen musste. „Was weißt du von damals? Wie viel haben euch Luzifer und Xenia erzählt?“ Ich spüre, dass ich Tayaka ein wenig einweihen muss. Er wird sonst niemals wirklich verstehen, warum ich nicht von Luzifer lassen kann und vielleicht wird er mir dann ein wenig helfen. „Na ja, so viel, dass ich der Meinung bin, dass du dich eher auf die Suche nach Xenia machen solltest, wenn es stimmt, was das Mädel damals erzählt hat.“ Ein eisiger Stich durchfährt mein Herz und ich spüre, wie ich erneut zu zittern beginne. Wie einfach wäre es gewesen, wenn es wirklich so war? Das Schloss wäre jetzt jedenfalls nicht da. „Ich hatte mit Xenia keinen Kontakt außerhalb des Spiels. Mit Luzifer dagegen schon.“ Ich stoppe und muss trocken schlucken. Nein, ich kann immer noch nicht darüber sprechen. Ich will nicht daran zurück denken. Nicht an diesen Tag und die Hölle danach. Verzweifelt kneife ich die Augen zusammen und schüttel den Kopf, bevor ich tief durchatme. „Lass uns lieber noch ein paar Zuschauer finden. Wir haben nicht mehr allzu viel Zeit.“ Ich hoffe, dass Tayaka den Wink mit den Zaunpfahl versteht und nur kurz spüre ich, dass er weitersprechen will, doch dann entscheidet er sich anders: „Ja, du hast Recht. Wir wollen ja schließlich, dass unser erster Gig ein Erfolg wird.“ Ich muss leicht lächeln, als ich sehe, wie sein Avatar anfeuernde Bewegungen macht und wir uns wieder in das Getümmel der Fans stürzen. Immer wieder verschicke ich Einladungen und unterhalte mich kurz mit ein paar Spielern. Viele sagen zu und der Balken füllt sich immer mehr. Stück für Stück. Es kann wirklich etwas werden. Ein Erfolg, der uns zurück in das Spiel bringen wird und vielleicht auch wieder ein wenig zurück in die alte Zeit. Als das Leben zwar auch seine Höhen und Tiefen hatte, aber man hier all dies vergessen konnte. Bitte, Luzifer, komm auch. Das Schicksal hat uns eine zweite Chance gegeben. Lass sie uns nutzen und das tun, was wir uns damals schon gewünscht haben, aber nicht den Mut dazu hatten. Zumindest hatte ich ihn nicht. Bitte, verzeih mir dies. Nur diese winzige Kleinigkeit. Von wegen winzig. Sie hat so viel zerstört und ich habe Angst davor zu erfahren, wie es bei dir danach weiterging. Ich will nicht hören, dass auch du durch die Hölle musstest. Nein, ich will nicht wissen, was ich für Wunden geschlagen habe, weil ich feige war. Ich will nicht glauben, dass du mich hasst... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)