Zwei Seiten einer Medaille von Shino-Tenshi ================================================================================ Kapitel 8: ----------- Vergangenheit: Wir standen im Proberaum. Ruhig bezog mein Avatar hinter dem Schlagzeug Stellung, während sich die anderen ebenfalls zu ihren Instrumenten begaben. Es war unsere erste Probe und ich spürte, wie ich nervös wurde. „Mit Doppelklick geht das Fenster auf.“ Tayakas Stimme war sanft und erklärte mir ruhig, was ich tun musste. Ich hatte mir Teamgeek besorgt und so waren die Geräusche der anderen in meinen Ohr. Es wirkte, als würden wir wirklich zusammen in diesem Raum sein. Auch wenn mich die zwei dimensionalen Avatare etwas anderes zeigten. Ich öffnete das Schlagzeug mit Doppelklick und schon erschien das Liedermenü. Sofort wählte ich den Titel aus, den sie spielen wollten. Es waren noch nicht viele Eingabemöglichkeiten vorhanden. An sich gerade einmal zwei Stück und so wirkte es im ersten Moment recht langweilig. Zumindest wenn man danach ging, was ich tun musste, doch das Lied, das erklang, zog mich in seinem Bann. „Warum macht ihr das nicht professionell?“ Ich war gänzlich überrumpelt und wusste gar nicht, was davon Wirklichkeit war und was der Computer davon machte. Daher irritierte mich das Lachen der anderen, bevor dann Azrael antwortete: „Wir können alle keine Instrumente spielen. Das Komponieren in diesem Spiel kann man relativ gut lernen und mit ein wenig Übung klappt es auch ganz gut. Den Rest macht das Spiel dann selbst.“ „Okay.“ Ich kam mir gerade sehr dumm vor, doch dann drang die dunkle Stimme von Luzifer zu mir durch: „Ich kann Gitarre spielen.“ Auf seine Aussage hin breitete sich ein betretenes Schweigen aus und irgendwie kam ich mir noch ein wenig kleiner vor. „Azrael hat auch eine sehr schöne Stimme.“ Athena klang jünger als wir und langsam kam in mir das Interesse auf, dass ich das Alter der anderen gerne erfahren würde. „Jetzt übertreibst du aber Athena. Ich singe nur wenn ich der Meinung bin, dass ich alleine bin. Du hättest mich niemals hören dürfen.“ Azrael klang peinlich berührt und ich musste breit grinsen, als man mich plötzlich an der Schulter berührte und ich erschrocken zusammen zuckte. „Du bist immer noch in diesem Spiel? Mit wem redest du denn da? Die Grafik ist doch echt scheiße. Warum bleibst du dabei? Und wo seid ihr überhaupt?“ Das süßliche Parfüm meiner Schwester drang in meine Nase ein und ich funkelte sie böse an. „Es macht Spaß, okay? Und ich unterhalte mich mit meinen Mitspielern. Lass mich in Ruhe.“ Ich versuchte sie zu verscheuchen und erntete von ihr einen giftigen Blick, bevor sie dann beleidigt ihren Kopf wegdrehte. „Tja, das sag ich unseren Eltern. Paps wird bestimmt nicht so begeistert sein, wenn er mitbekommt, dass du den ganzen Tag vor den Rechner sitzt!“ Ihre Drohung war mir egal. Was sollte mir der Alte schon tun? Außerdem saß ich noch gar nicht so lange dran. Mit ein bisschen Glück bekam ich es vielleicht sogar auf meinem alten Laptop zum Laufen. Dann könnte mich meine Schwester zumindest nicht mehr nerven. „Wollen wir noch einen Titel spielen?“ Ich hatte die Diskussion über Azraels Gesangskunst gänzlich ignoriert, weil mich meine Schwester abgelenkt hatte und wollte gerade antworten, als mich ein lauter Knall hochschrecken ließ. Mein Körper war so stark zusammen gezuckt, dass ich vor lauter Schwung die Maus hinunter geschleudert hatte und sie nun hilflos an ihrem Kabel baumelte. „Amber meinte, dass du sie nicht an den Rechner lässt und nur ein dummes Spiel spielst?!“ Seine dunklen Augen fixierten mich und ich spürte, wie sich meine Kehle bei dem Anblick leicht zuschnürte, doch sofort war dort wieder der Trotz. „Ich bin noch gar nicht so lange da. Sie übertreibt! Außerdem hat sie nie gesagt, dass sie an den Rechner möchte!“ Im Affekt stand ich auf, um auf einer Augenhöhe mit meinem Vater zu sein und auch wenn wir gleich groß waren, so überragte er mich dennoch und ich fühlte mich klein neben ihm. „Du wirst das, was auch immer du gerade tust, jetzt beenden und in dein Zimmer gehen um zu lernen! Haben wir uns da verstanden?!“ Seine Stimme war ruhig und genau das machte sie so bedrohlich, wodurch ich nur stumm nickte und widerwillig alle Programme schloss, um dann in mein Zimmer zu gehen, doch ganz bestimmt nicht um zu lernen. Dort angekommen, fuhr ich meinen Laptop hoch und lud mir das Spiel und Teamgeek herunter. Zweiteres war schneller fertig, wodurch ich sofort wieder in den Raum meiner Band ging und mich kurz entschuldigte: „Es tut mir Leid, dass ich so plötzlich verschwunden bin. Aber mein Alter.“ „Ja, wir haben es gehört. Hey, was geht denn da bei dir ab?“ Tayaka war sichtlich irritiert, doch ich grummelte nur. „Nichts wichtiges. Ich bin jetzt in meinem Zimmer. Drückt mir die Daumen, dass mein alter Laptop das Spiel packt.“ „Warum warst du dann überhaupt an dem anderen Rechner?“ Luzifer war verwirrt und ich zuckte kurz mit den Schultern. „Musste paar Sachen für die Schule raussuchen und ausdrucken. Das geht nur dort. Mein Laptop hat keinen Drucker und dann hat mich die Werbung einmal zu oft genervt und ich hab das Spiel installiert.“ Xenia lachte kurz auf. „Oh ja, mir ging es ähnlich. Der Trailer kann einen schon überzeugen. Aber ich bereue es nicht und du wirst es bestimmt auch nicht tun.“ „Bis jetzt tue ich es auf jeden Fall noch nicht. Aber jetzt heißt es Daumen drücken.“ Die Installation war abgeschlossen und somit versuchte ich das Programm zu starten. Es lud und lud und lud. „Wird das heute noch was?“ Athena wirkte unruhig und auch Xenia schnaubte unwillig. „Scheinbar will es nicht bei dir starten, hm?“ Azrael wirkte ein wenig geknickt, doch ich wollte noch nicht aufgeben. „Es lädt, aber es dauert zu lange, wodurch es sich immer wieder aufhängt. Bestimmt kriege ich es zum Laufen. Mal schauen, was Boogle dazu sagt“, versuchte ich meine Mitspieler zu besänftigen, doch auch Tayaka schnaubte jetzt unwillig. „Das klingt ja nicht so gut. Na ja, ich bin raus. Man sieht sich hoffentlich morgen.“ Nach unserer Verabschiedung war er verschwunden und es dauerte nur wenige Herzschläge in denen auch Azrael, Xenia und Athena verschwanden. Nur der ruhige Atem von Luzifer hallte in meinem Ohr nach und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Er sagte nichts, sondern war einfach nur da und ich konnte in seinem Hintergrund eine leise Gitarrenmusik hören, die sich nicht anhörte, als käme sie aus dem Spiel. „Was machst du?“, durchbrach ich die Stille, während ich einen Artikel nach dem anderen öffnete und kurz las, doch bis jetzt war kaum eine Lösung zu finden. Nur hin und wieder probierte ich etwas aus, das nicht funktionieren wollte. „Ich spiele ein wenig, während ich auf dich warte.“ Er zupfte an ein paar Saiten, was mich irritierte. Warum sollte er auf mich warten? Das ergab für mich keinen Sinn. „Wäre es nicht sinnvoller mir zu helfen?“ „Ich weiß nicht wirklich wie. Aber es macht in meinen Augen Sinn dich sobald möglich so schnell wie möglich auf ein höheres Level zu bekommen. Damit du aufhörst eine Last zu sein.“ Seine Antwort überraschte mich nur im ersten Moment, doch als er die Erklärung hinterher legte, wurde mir klar, dass es ihm nur darum ging, dass ich möglichst schnell ein brauchbares Mitglied wurde. Es ging ihm nicht um mich, sondern nur um meinen Charakter, der für ihn von Nutzen war. Ich knirschte unwillig mit den Zähnen und durchsuchte die Treffer weiter, als ich endlich eine brauchbare Methode gefunden hatte, die ich mir sogar zutraute, wodurch ich die Anleitung Schritt für Schritt befolgte. Es schien eine kleine Ewigkeit zu dauern, in der ich vor mich hin murmelte und die leise Gitarrenmusik von Luzifer im Ohr hatte, die diese leichte Stille zwischen uns vertrieb. „Jetzt sollte es klappen und es heißt nun Daumen drücken“, kündigte ich meinen neuen Versuch an und startete das Spiel. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, in der sich der Ladenbalken so langsam wie eine Schnecke bewegte, doch er füllte sich. Stück für Stück und das Gitarrensolo verstummte schließlich. „Na? Wie sieht es aus? Können wir endlich weitermachen?“ Ungeduld war in der Stimme von Luzifer zu hören, doch ich ignorierte sie, wobei mir ein kurzer Blick auf die Uhr verriet, dass ich nicht mehr allzu viel Zeit hatte. Bald würden meine Eltern von mir verlangen ins Bett zu gehen, aber vielleicht schafften wir ja dennoch etwas. „Ja, bald bin ich drinnen. Aber ich kann nicht mehr lange.“ „Wieso? Musst du ins Bett?“ „Ja und meine Eltern sehen es nicht gerne, wenn ich länger wach bleibe.“ „Ernsthaft? Bist du ein Muttersöhnchen oder was?“ Er hatte doch gerade den Wutausbruch meines Vaters mitbekommen. Da konnte er doch nicht ernsthaft erwarten, dass ich mich gegen sie auflehnte, doch dort war wieder dieser Trotz und ich spürte, dass ich eine leichte Wut gegen Luzifer entwickelte. „Nein, bin ich nicht. Aber mein Vater duldet Ungehorsam nicht.“ Ich bekam nur ein amüsiertes Lachen von Luzifer und spürte, wie mir Galle hoch stieg, doch ich schluckte sie herunter und schon öffnete sich das Spiel gänzlich, wodurch ich mich im Wohnzimmer wiederfand. Luzifers Avatar saß auf der Couch und schien wirklich auf mich zu warten, während die anderen nirgends zu sehen waren. „Die liegen alle oben. Sobald man sich ausloggt, wird der Avatar in das Schlafgemach im ersten Stock teleportiert, wo er dann solange schläft bis man zurück kommt. Aber lass uns jetzt nach unten gehen und noch ein wenig üben.“ Sofort machte er sich auf den Weg nach unten und ich folgte ihm schließlich, wo wir dann schon eines der Lieder zu spielen begannen. Es klang anders, aber dennoch wirkte es schön. Mit jedem Mal wurde ich besser und mein Level stieg und stieg. Ich wusste nicht, wie schnell die Zeit verging, doch plötzlich ließ mich das Hämmern meines Vaters emporfahren. „Nathaniel! Zeit fürs Bett!“ Dann entfernten sich seine Schritte schon wieder und ich wandte mich zurück zum Spiel. Luzifer lud mich gerade zu einer weiteren Saison ein, doch ich lehnte ab. „Tut mir Leid. Ich muss jetzt raus. Man sieht sich morgen, okay? Danke fürs Warten.“ „Tz. Ja, bis morgen.“ Seine Stimme war kühl und distanziert. Dann kam schon die Meldung, dass er den Raum verlassen hatte und somit schloss ich auch die beiden Programme. Irgendwie hinterließ dieser Abschied einen komischen Nachgeschmack auf meiner Zunge, doch ich fuhr meinen Rechner herunter und machte mich fertig fürs Bett, aber das Verhalten von Luzifer ließ mich auch im Schlaf nicht gänzlich los... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)