Zwei Seiten einer Medaille von Shino-Tenshi ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Auch wenn sie behaupten, dass sie Rock produzieren, dennoch stehe ich nun vor einem pinken Gebäude, das sogar rosa Flamingos im Garten stehen hat. Was wird das für Rock sein? Nur Schmusebaladen und Kuschelrock? Definitiv nicht meine Musik. Mein Avatar will gerade das pinke Gartentor öffnen, als ich ihn schon stoppe. Nein. Nein. Und nochmal nein. Ich will in so einem Haus nicht leben. Wenn es draußen schon so aussieht, dann bekomme ich drinnen nur Probleme. Das ist mir alles zu grell und zu aufdringlich. Außerdem erinnert es mich ein wenig schmerzhaft an meine Schwester, wodurch ich das Gesuch lösche und das Zweite anklicke. Sofort wendet sich mein Charakter um und rennt wieder los. In seinen hinteren Hosentaschen stecken seine Drumsticks und ich wundere mich bei jeden seiner Schritte, das sie nicht herausfallen. Die Welt der Computerspiele ist schon fantastisch. Da kann man die Physik gerne mal ignorieren. Immer wieder drehen sich andere Avatare nach mir um. Ich erkenne, dass die meisten weit unter meinem eigenen Level sind. Wahrscheinlich sind sie verwirrt, warum sie mich noch nie gesehen haben, obwohl ich doch so ein hohes Niveau vorweise. Desto weiter ich jedoch laufe und umso mehr fremde Gesichter ich sehe, desto bewusster wird mir, dass die Wahrscheinlichkeit einen der anderen wiederzusehen unheimlich gering ist. Sie sind wahrscheinlich alle schon gegangen. Warum sollen sie noch hier sein? Ihr Leben hat sie bestimmt auch so eingeholt wie meines. Nur bei einem kann ich mir vorstellen, dass er immer noch hier sein könnte: Luzifer. Seine Begeisterung für diese Spiel war damals schon fast ansteckend. Er nahm es sehr ernst und entwickelte sich zur treibenden Kraft in unserer Band. Ohne ihn hätten wir einige Erfolge bestimmt nicht erreicht und ich? Was habe ich getan? All das weggeworfen. Aber ich hatte damals keine andere Wahl. Erneut will mein Avatar in ein Haus gehen, doch auch jetzt stoppe ich ihn. Es ist so dunkel und düster. Nicht, dass es arg gruselig dekoriert wäre, aber es strahlt eine so erdrückende Macht aus, dass ich auch nicht hinein will. Da werde ich bestimmt depressiv. Wenn das so weiter geht, dann werde ich keine neue Band finden und all mein Abenteuer würde schon enden bevor es begonnen hat. Was soll ich denn dann tun? Ich will das Spiel jetzt noch nicht wegwerfen. Nicht nachdem ich gesehen habe, was daraus geworden ist. Noch einmal wandert mein Blick zu den Büchern. Ich weiß, dass ich lernen soll, aber auch jetzt sperrt sich alles in mir alleine bei dem Gedanken daran. Außerdem kann ich die zwei Sachen bestimmt unter einen Hut bekommen. Aber dafür muss ich erst einmal wieder einen Anschluss finden. Irgendeine brauchbare Band muss doch einen Drummer suchen. Also, auf zum dritten Gesuch. Die Level der Bands werden immer kleiner, wodurch ich nicht einmal weiß, ob ich die anderen Mitglieder nicht damit überfordere. Aber irgendwie bin ich ja selbst wieder ein Anfänger. Wahrscheinlich ist es sogar besser so. Da sind die Erwartungen nicht so hoch und ich kann selbst wieder Schritt für Schritt zurückfinden und all die Neuigkeiten entdecken. Das dritte Bandhaus ist nicht weit entfernt und wirkt sehr neutral und unauffällig auf mich. Dieses Gebäude erinnert mich ein wenig an das Zuhause von Sacrifice. Vielleicht kann ich dort wirklich von Neuen anfangen und wer weiß, vielleicht werde ich dort auch die anderen treffen. Zumindest wenn es sich dem gleichen Muster wie Sacrifice damals bedient. Dieses Mal lasse ich meinen Avatar das Gartentor öffnen und er tritt ein. Lauter kleine Fabelwesen sind im Gras versteckt. Feen und Kobolde. Sie verleihen diesem Ort einem angenehmen Hauch von Magie indem sie einen Schein von Leben entstehen lassen. Im nächsten Moment stehe ich schon auf der Türschwelle und drücke die Klingel. Es dauert ein wenig und dann höre ich wie das Schloss entriegelt wird. Mit einem tiefen Atemzug trete ich ein und sehe mich um. Auch jetzt erinnert mich alles an Sacrifice, doch als ich dann um die Ecke schaue, traue ich meinen Augen nicht. Es ist das Gebäude von Sacrifice, doch die Band nennt sich jetzt „Angels Feather“. Was ist geschehen? „Hallo?“, schreibe ich in den allgemeinen Chat und betrete langsam das Wohnzimmer. Dort sehe ich Tayaka über ein paar Zettel gebeugt sitzen. Neben ihn auf der Couch steht sein Keyboard und er drückt immer mal wieder eine Taste, um dann etwas auf das Blatt zu schreiben. „Tayaka! Hallo!“ Ich eile auf ihn zu und lasse mich dann neben ihn auf die Couch fallen. „Du bist noch hier im Spiel! Aber was ist mit Sacrifice und den anderen passiert? Sind sie auch noch da?“ „Gabriel?“ Tayakas Avatar sieht mich ungläubig an und ich lasse meinen nicken. „Du bist wieder da? Seit wann? Wohin bist du verschwunden? Warum?“ Ich merke richtig, wie er meine eigenen Fragen gar nicht mitbekam, doch ich lächel ihn kurz an, bevor ich dann auf die Notenblätter sehe und auf sein Keyboard. Ist es wirklich das, was ich glaube? Ist er jetzt alleine hier? „Das ist eine lange Geschichte und Vergangenheit. Wichtig ist nur, dass ich jetzt wieder da bin. Vielleicht erzähle ich dir alles mal in einem ruhigen Moment. Aber sag mal, wo ist der Rest und warum habt ihr einen neuen Namen?“ Ich sehe mich um, doch außer Tayaka war niemand zu sehen und sein Avatar seufzt, bevor er den Stift niederlegt. „Als du weggegangen bist, ist hier einiges schief gelaufen. Wir haben lange nach einem neuen Drummer gesucht, doch keiner blieb wirklich lange. Alle verließen sie uns für eine andere Band. Kaum dass wir sie irgendwie eingearbeitet hatten. Dann heirateten Azrael und Athena. Sie wurden Eltern und kamen immer seltener online. Ich konnte Azrael überreden uns wenigstens das Haus zu überlassen, doch er wollte mir den Namen nicht weitergeben und so habe ich mit Luzifer und Xenia eine neue Band gegründet. Immer wieder habe ich versucht das Schlagzeug mit meinem Keyboard zu ersetzen, doch es ging nicht und Drummer blieb uns keiner. Irgendwann gingen dann auch Luzifer und Xenia um ihr eigenes Ding zu machen. Seitdem sitze ich hier und na ja... versuche wieder eine Band zusammen zu bekommen.“ Tayaka lächelt traurig und ich spüre Schuldgefühle in meinem Inneren, doch dann nicke ich ihm zuverlässig zu. „Du bist jetzt nicht mehr alleine. Ich werde bei dir bleiben und gemeinsam bauen wir die Band wieder auf. Gitarristen finden wir bestimmt welche und Bassisten. Ach, die gibt es auch genug. Wir schaffen das und dann werden wir die Säle wieder rocken. So wie damals. Okay, Tayaka?“ Ich strahle ihn an und es dauert ein paar Herzschläge bevor er mein Lächeln erwidert und dann ebenfalls nickt. „Ja, das klingt gut.“ Die Traurigkeit in seinen blauen Augen beginnt langsam zu verschwinden und ich selbst spüre, dass wir es schaffen können. Wir werden schon jemanden brauchbares finden und wenn es ein paar Versuche dauert. Irgendwo gibt es die passenden Bandmitglieder bestimmt und wir werden solange nach ihnen suchen bis wir sie schließlich auch gefunden haben... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)