Heart-shaped glasses von Ai_Mikaze (Alexy/Kentin) ================================================================================ Kapitel 36: The moment of truth ------------------------------- Der restliche Campingausflug verging wie im Flug. An einem Tag gingen sie, wie versprochen, mit Armin in die Stadt, der - welch Wunder - feststellte, dass er sich alles viel schlimmer ausgemalt hatte als es war. Seine Online-Freunde hatten nicht sonderlich weit gelevelt, war der eine mit Fieber erkrankt und der andere hatte über die erste Ferienwoche seine Nichten zu Besuch, sodass auch Armin nicht wirklich etwas verpasst hatte. Das erleichterte ihn doch sehr und er hatte auch keine wichtigen E-Mails. Nicht mal Nachrichten hatte er auf seinem Handy bekommen, genau wie Kentin und Alexy. Vermutlich weil ihre Freunde ohnehin wussten, dass sie nicht zu erreichen waren. Es ging also tatsächlich auch mal ohne Internet, musste Armin zugeben und die restlichen zwei Tage sah man ihn ohne PSP - er ging auch ohne Murren mit um den See wandern als Arno das vorschlug, während Viktoria im Camp blieb und das Essen vorbereitete. Sie machten dabei einige Bilder, was vor allem Alexy Spaß zu machen schien. Am letzten Abend erzählten sie klischeehaft Gruselgeschichten und als es am Tag darauf früh schon zurückging, waren alle durchaus ein wenig traurig. Aber Arno war es, der schon am nächsten Morgen wieder früh arbeiten musste, genau wie Viktoria. Kentin wollte sich danach einen Ferienjob suchen, um vielleicht schon ein wenig Geld für die Wellness-Reise zu verdienen und Alexy, der ungern so oft ohne seinen Freund sein wollte, entschloss sich, es ihm gleich zu tun. Deshalb saßen sie auch einen Tag nach der Heimreise, mal wieder in Alexys Zimmer und suchten via Internet nach Nebenjobs für Schüler. Sie fanden durchaus sehr dubiose Dinge, die schnelles Geld versprachen, aber nicht wirklich seriös wirkten. Dann das übliche Babysitten und Hundesitten. Verschiedene Lagerjobs und Jobs in der Industrie. Vor allem letzteres begeisterte niemand der Beiden und schließlich entschieden sie sich für das Flyer verteilen. Dazu tätigten sie erst einen Anruf, der sie mit einer Leitstelle verband, die für verschiedene Anbieter die Arbeiter suchte. Die Dame am Telefon war sehr nett und meinte, dass sie genau die richtigen Kunden hätte, die generell Schüler als Zielgruppen hätten und mit einem Flyerverteiler in ihrem Alter gut angesprochen werden würden. Es handelte sich dabei um ein neues Spaßbad, ein klein wenig außerhalb und Kentin und Alexy sollten Flyer verteilen, sowie das Bad generell bewerben. Um sich zu informieren, sollten sie das Bad besuchen, dabei würden sie mit dem Chef sprechen und dann selbst alle Annehmlichkeiten austesten dürfen. Danach bekamen sie die Flyer und einen studentischen Mitarbeiter an die Seite gestellt, der selbst an einem Stand stehen würde, während Alexy und Kentin die Laufkunden ansprechen sollten. Die Bezahlung war mit 9 Euro pro Stunde nicht schlecht, würde jeweils Mittwoch, Donnerstag und Freitag für zwei Wochen sein, und 4-6 Stunden betragen. Zudem kamen sie einmal in den Genuss des Bades, das wirklich nicht günstig war. Sie marschierten erst für einen Tag ins Spaßbad und holten sich Infos ab und standen dann den folgenden Mittwoch in der Stadt um die Flyer zu verteilen. Alexy hatte sich besonders schick gemacht dafür, auch wenn sie beide ein T-Shirt mit dem Logo des Bades tragen mussten, hatte er das Shirt enger gesteckt, die Ärmel so gekrempelt, dass es eher ein Top war und einigermaßen enge Hosen an, die durch bunte Gürtel noch verziert wurde. Kentin war das lässige Gegenteil zu ihm, hatte sich aber von Alexy die Haare machen lassen und trug eine stylische Sonnenbrille. Der Student war mit seinen Helferlein durchaus zufrieden. Es lief eigentlich ganz gut, vor allem Kentin war ein wenig erstaunt über sich, schließlich war er früher nie auf Menschen zugegangen, wollte es auch eigentlich nicht, immerhin hatte er sehr schlechte Erfahrungen. Aber es war eben wohl so, dass er jetzt keine Witzfigur war, über den sich jeder lustig machte, tatsächlich flirteten sehr viele Mädchen sehr schnell mit ihm. Sogar einige die er vom Sehen aus der Schule kannte. Kentin war sich ziemlich sicher, dass sie während ihres Jobs auch durchaus noch weitere bekannte Gesichter sehen würden. Tatsächlich lief ihnen Julie über den Weg, die gerade auf den Weg war ein paar Besorgungen zu machen. In der kurzen Mittagspause lud sie die beiden zu einem Café in der Nähe der Verteilungsstelle ein. Danach ging sie wieder ihrer Wege und Alexy und Kentin traten zum letzten Teil ihrer Schicht an. Kurz bevor sie den Stand dicht machen würden, war Alexys anfängliche Euphorie doch ein wenig geschmälert, war er durchaus müde und er freute sich darauf, den Tag mit Kentin ausklingen zu lassen, wenn sie dann zusammen nach Hause gehen und zu Abend essen würden. Glücklich warf er einen kurzen Seitenblick zu seinem Freund, der gerade mit drei Grundschülern im Gespräch zu sein schien und wandte sich dann wieder um, um selbst den nächsten anzusprechen. Er hatte sich dafür ein paar Schritte vom Stand und von Kentin wegbewegt und sah plötzlich jemand vor sich, den er nicht wirklich hatte sehen wollen. „Markus…“, murmelte er und wollte an ihm vorbei, auf andere Menschen zugehen, allerdings hielt ihn Markus am Arm fest. „Was willst du?“, fauchte Alexy und riss sich unsanft los. „Hat es dir nicht gereicht, dass ich zweimal verprügelt wurde! Du warst es doch, der denen meine Nummer und Adresse gegeben hat, oder nicht?“ Er hatte ehrlich nicht gedacht, das Markus noch einmal persönlich ins Gesicht klatschen zu können, aber nun hatte er die Gelegenheit dazu und passieren konnte ihm ja nichts, weil sie inmitten von Menschen waren. Aus dem Augenwinkel sah er auch wie Kentin einen prüfenden Blick zu ihm warf, aber er kannte Markus nicht und wusste daher nicht wer derjenige war, mit dem Alexy redete. „Du verstehst das nicht, sie haben mich bedroht!“ „Ja, mich auch, danach…“, gab Alexy wütend zurück und verschränkte die Arme. „Du hättest es mir auch sagen können und mich nicht einfach ausliefern!“ „Ich war wütend, okay? Du hast doch eh nie wirklich was von mir gewollt…“ Alexy hob eine Augenbraue, immerhin hatte Markus bei ihrem anderen Telefongespräch schon mal sowas angedeutet. „Das stimmt nicht, ich wollte, dass es was zwischen uns wird! Aber ganz sicher nicht mehr, nachdem du mich im Stich gelassen hast!“ Markus zuckte mit den Schultern. „Ich bin nicht stark…“ „Nein, du bist egoistisch und genau deshalb hast du mich auch ausgeliefert!“ Nun wurde Alexy durchaus lauter und Kentin war schneller bei ihm, als Alexy das bewusst wurde. „Alles okay?“, fragte er seinen Freund, legte dabei einen Arm um ihn und sah zu dem Kerl vor sich. „Es tut mir Leid, okay? Ich wollte nicht, dass es soweit kommt… ich wollte nur… meine Ruhe. Ich dachte nicht, dass sie so weit gehen…“ „Mich halb zu vergewaltigen? Natürlich hast du nicht daran gedacht… wirklich, Markus… deine Entschuldigung kannst du dir sonst wohin stecken, verschwinde und trete mir nie wieder unter die Augen!“ „Markus?“, fragte Kentin verwirrt und musterte den Kerl vor sich genauer. Er war unscheinbar, eher schmal gebaut und trug einen Ohrring mit Glitzerstein. Das war auch das einzige Auffällige an ihm. Tatsächlich war er nicht hässlich, was er auch nicht gedacht hatte, denn Alexy achtete schon ein klein wenig auf das Äußere, aber was er gemacht hatte war eben auch umso hässlicher. „Schon gut, schon gut…“, hob Markus gerade die Hände. „Ich geh ja schon, bevor du deinen Lover auf mich hetzt.“ Kentin verzog die Augenbrauen und Alexy schnaufte. „Das muss ich gar nicht, du bist wirklich… erbärmlich. Kentin muss sich nun wirklich nicht die Finger an dir schmutzig machen!“ „Ja, ja…“, murmelte Markus noch, steckte dann die Finger in die Hosentaschen und ging an ihnen vorbei, dabei rempelte er Kentin sogar noch an, der ihm kopfschüttelnd nachsah. „Was ein… Arsch.“, gab er von sich und Alexy seufzte laut. „Er ist ein Feigling und eifersüchtig war er noch dazu, der weiß vermutlich auch nicht was er will. Aber ich denke, damit ist die Sache geklärt…“ „Hm…“ Kentin schlang die Arme um seinen Freund und hielt ihn einen Moment fest, ungeachtet der Menschen in der Stadt. „Er war es also wirklich, huh?“ fragte er und Alexy nickte. „Wollte seinen eigenen Arsch retten… und hat mich… er hat mich einfach so ausgeliefert!“ Erst jetzt merkte Alexy wie wütend er darüber eigentlich wirklich war und zudem auch noch ziemlich enttäuscht. „Er wird seine Strafe irgendwann bekommen, Alex, ganz sicher… lass uns jetzt weitermachen okay, wir können später nochmal reden, wenn du magst.“ „Okay.“ Die beiden waren gerade dabei die restlichen Sachen wegzupacken und nach Hause zu gehen als Kentins Handy plötzlich klingelte. Wenigstens schreckte Alexy so nicht sofort wieder zusammen, der immer noch mit Nachwirkungen von den ganzen Drohungen zu kämpfen hatte und sein Handy seitdem auf lautlos gestellt hatte. „Ja?“, hob Kentin ab, las er die Nummer seiner Mutter darauf. Das Gespräch dauerte nicht sonderlich lang, doch seine Freude auf den gemeinsamen Abend mit Alexy verschwand dabei recht schnell. Sein Freund musterte ihn besorgt, hörte er Kentin nur sehr abgehakt antworten und nur mit „ja“ oder „nein“ und schließlich, dass er wohl nach Hause kommen musste...? „Ist alles okay?“, fragte Alexy, nachdem Kentin aufgelegt hatte. „Weiß ich nicht... aber mein Vater ist nach Hause gekommen und sie hat wohl schon das eine oder andere mit ihm beredet und nun will er, dass ich sofort nach Hause kommen, gab Kentin von sich. Das war so das Einzige was in seinem Leben bisher noch nicht passte und den Moment wollte er auch noch ein wenig hinausschieben. „Oh“, machte Alexy schlau. „Soll ich.. mitkommen?“ „Nein... nein, ich denke das wäre keine gute Idee. Ich schätze das Gespräch wird auf keiner angenehmen Lautstärke bleiben und ich möchte einfach nicht, dass du da mit hineingezogen wirst“, antwortete er und lächelte Alexy schließlich an. „Keine Sorge, ich schaff das schon“, fügte er hinzu und hauchte ihm noch einen Kuss auf die Stirn. Sie wussten alle, dass das Gespräch notwendig war und Kentin hatte seinen Entschluss bereits gefasst. Auch hatte er tatsächlich mit seiner Mutter über den Auszug gesprochen und sie würde ihn auf jeden Fall unterstützen, solange er auch regelmäßig vorbei kam... oder sie wahlweise einlud. Dass er sich nebenbei schon ein paar Wohnungen ansah, verheimlichte er jedoch. Dabei suchte er etwas gemütliches, was sowohl ihm als auch Alexy gefallen würde und bei der Einrichtung würde er sowieso Alexy um Hilfe bitten. „Okay! Dann pass auf dich auf, ja? Du weißt ja wo ich wohne... ich warte“, versuchte Alexy die ernste Stimmung zu entschärfen, ehe sich ihre Wege für den Abend trennten. Kentin hatte sich schon vorgenommen bei Alexy zu schlafen, doch vorerst wartete ein sehr langsames und anstrengendes Gespräch auf ihn. Kaum war er zur Haustür reingekommen, baute sich sein Vater vor ihm auf. Sein Blick verhieß nichts Gutes und Kentin konnte schon daraus lesen, dass es so in etwa heißen sollte: „Was fällt dir ein deiner Mutter solche Flausen in den Kopf zu setzen?“ „Hey...“, begrüßte ihn Kentin vorerst, blieb gerade vor ihm stehen und machte nicht etwa einen Rückzieher. „Kommt doch rein!“, rief Marie, die nicht zulassen wollte, dass die beiden so ein Gespräch im Flur führten. Ohne ein Wort zu sagen ging Guy mit festem Gang ins Wohnzimmer, setzte sich auf das Sofa und befahl seinem Sohn sich neben ihn zu setzen. „Ich schätze du weißt, warum du hier bist“, setzte Guy an, der mit verschränkten Armen neben Kentin saß und ihn durchdringend ansah. „Ich... denke schon?“, erwiderte Kentin und atmete dabei tief durch. Das alles passierte viel zu schnell, auch wenn er schon gedacht hat, dass man ihn sofort zur Rede stellen würde, sobald etwas im Argen war. Trotzdem war er seiner Mutter dankbar, dass sie den ersten Schritt getan hatte, denn so war sein Vater sehr viel einfacher zu überzeugen. „Wie kommst du auf die Idee plötzlich ausziehen zu wollen? Du weißt ganz genau, dass du wieder zurück auf die Militärschule sollst! Da ist eine eigene Wohnung komplett überflüssig!“, fing Guy sofort zu argumentieren. „Außerdem schaffst du es gar nicht eine Wohnung alleine zu führen! Sieh dir Evan an... der schafft das! Aber du kommst doch noch nicht einmal in der Schule zurecht!“ „Du hast überhaupt keine Ahnung worum es hier geht, Vater! Und wenn du mich ständig mit Evan vergleichst, warum adoptierst du dann nicht ihn? Es scheint mir fast so als wäre er dir als Sohn sehr viel lieber“, konterte Kentin plötzlich, der sich sonst nie wagte seinem Vater zu widersprechen. Zu gutem Recht, denn Guy war wahnsinnig wütend. „Was fällt dir eigentlich ein?“, knurrte Guy. Innerlich war Kentin wahnsinnig nervös und er hatte auch jetzt noch viel zu viel Respekt vor seinem Vater, dass er anfing leicht zu zittern. Er musste die Sache durchziehen. „Ich bin erwachsen genug. Ich werde nächstes Jahr 18 und kann durchaus auf meinen eigenen Beinen stehen. Ich verstehe, dass du dir einen starken Sohn wünscht... und das bin ich auch! Vielleicht nicht auf die Weise, wie du dir das vorstellst, aber ich bin lange nicht mehr der Schwächling, den damals jeder gemobbt hat! Ich habe Freunde gefunden, einen sehr lieben Menschen, der für mich da ist und mich glücklich macht und ich kann meine eigenen Entscheidungen treffen!“ Nun war auch Kentin lauter geworden, auch wenn er dabei mehr auf Abstand ging. Er wurde noch nie von seinem Vater geschlagen, aber man wusste nicht was passierte, wenn man ihn so provozierte. „Kentin!“, schrie ihn sein Vater an. Kurz darauf spürte er die Hand seiner Frau auf der Schulter, die mit dem Kopf schüttelte und andeutete, dass er Kentin aussprechen lassen sollte. „Zugegeben, ich bin dir dankbar, dass ich jetzt so bin... auch wenn es die schrecklichste Zeit meines Lebens war bis ich Evan kennengelernt habe. Aber jetzt will ich mein letztes Schuljahr genießen, mein Abi machen und danach SELBST entscheiden was ich tun will. Vielleicht entscheide ich mich ja von allein zurück zum Militär zu gehen? Oder ich will etwas anderes tun? Das ist doch eigentlich egal, oder? Vorerst will ich einfach nur meinen Abschluss, die Zeit mit meinen Freunden genießen und sehen, ob ich es schaffe länger auf eigenen Beinen zu stehen! Und wenn ich dann zurück komme, dann hattest du recht! Aber wenn ich es nicht versuche, kann ich es nicht wissen“, redete Kentin pausenlos weiter. Es waren so viele Dinge, die er sich von der Seele reden musste, Dinge, die er all die Jahre einfach hat über sich ergehen lassen. Guys Kopf war vor Wut rot angelaufen, er ballte die Hände zu Fäusten und schlug vermutlich einfach nur nicht zu, weil es sich um seinen Sohn handelte. Doch Kentin hörte nicht auf seinen Standpunkt klar zu machen, so kam Guy nicht selbst dazu etwas zu sagen. „Außerdem erlaubst du mir viel zu selten, dass ich über Nacht bei... anderen bleiben kann. Wie gesagt - ich bin alt genug... oder verlange ich etwa von euch, dass ihr voneinander getrennt sein sollt?“ „Hast du etwa eine Freundin?“ Guy grummelte noch immer, beruhigte sich jedoch wieder ein wenig als er das hörte. Das war schließlich eines der Dinge, die er sich für seinen Sohn wünschte: Eine Freundin. Nun, allerdings... Kentin hielt inne, überlegte sehr genau was er sagen sollte. Zuerst wollte er Alexy gar nicht erwähnen und nur den Auszug hinbekommen, aber genauso wenig wollte er ihn weiterhin verheimlichen. Sein Blick ging kurz zu seiner Mutter, die ihm mit einem Nicken andeutete, dass es okay sei. „Nein“, sagte Kentin, atmete tief durch und sprach dann weiter: „Ich habe einen Freund... einen festen Freund.“ „WAS“, brüllte Guy, stand dabei auf und packte Kentin am Kragen. „Ich hör wohl nicht richtig? Willst du mich etwa verarschen? Den Auszug kannst du vergessen! Und du gehst sofort zurück zum Militär, pack deine Sachen!“ „Schatz“, mischte sich Marie schließlich ein. Auch sie war mutiger geworden und sorgte dafür, dass ihr Mann Kentin wieder losließ. „Schatz“, wiederholte sie, „Kentin braucht... nicht die Zustimmung von uns beiden und von mir hat er sie. Ich möchte auch, dass er nicht wieder die Schule wechselt“, sagte sie sehr offen. „Wie bitte?“, gab Guy von sich, wenn auch leiser. Bei Marie war er fast handzahm. „Er soll seinen Abschluss hier machen und dann selbst entscheiden was er tun möchte. Ich hab einmal zugelassen, dass du ihn wegschickst, noch einmal werde ich das nicht“, sagte sie und ließ ihren Mann wieder los. Kentin konnte sich in der Zwischenzeit auch wieder fangen, da er tatsächlich Angst bekam. Mehr als sonst. „Was fällt euch ein, euch gegen mich zu verbünden?“, knurrte er. Man merkte jedoch, dass er in dieser Hinsicht hilflos war und kein Mitspracherecht mehr hatte. Zumindest nicht komplett. „Verschwinde aus diesem Haus! Wenn du unbedingt ausziehen willst, dann tu es gleich. So einen Sohn kann ich nicht gebrauchen... schon gar nicht, wenn er schwul ist“, sagte er sehr ernst zu seinem Sohn. Kentin musste natürlich erst einmal schlucken bei diesen Worten. Natürlich hatte er mit so etwas ähnlichem gerechnet, aber nicht gleich damit, dass er... verstoßen wurde? War das wirklich so schlimm für seinen Vater? „Ich bin nicht schwul... ich habe mich eben nur in einen Jungen verliebt, wo ist da der Unterschied?“, murmelte er. Sein Vater sagte nichts mehr dazu und dampfte einfach nur ab, ließ die Schlafzimmertür hinter sich zuknallen. So fertig war Kentin selten, doch er hatte zumindest das Gespräch hinter sich gebracht... auch wenn er dadurch aus der Wohnung geflogen war. Seufzend ließ er sich wieder auf das Sofa fallen um dieses seltsame Gefühl loszuwerden. Seine Mutter setzte sich neben ihm. „Mach dir keine Sorgen“, fing sie an und zog Kentin dabei in die Arme, „Er beruhigt sich schon wieder... du bist schließlich sein Sohn“, fügte sie hinzu und drückte ihn wieder weg. „Du solltest aber wirklich ein paar Sachen packen und eine Weile zu Alexy gehen bis du eine Wohnung gefunden hast? Den Rest kläre ich mit deinem Vater.“ Kentin atmete erst einmal nur durch bis ihm tatsächlich einige Tränen in den Armen seiner Mutter kamen. Er war nicht sehr sentimental, doch die Worte seine Vaters hatten ihn tiefer getroffen als erwartet. „Ich hoffe... ihr streitet euch nicht wegen mir“, murmelte Kentin und wischte sich mit dem Handrücken über die feuchten Augen. „Mach dir darum keine Gedanken, Ken. Ich stehe hinter dir“, meinte sie mit einem sanften Lächeln. Kentin konnte so froh sein, dass seine Mutter hinter ihm stand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)