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Pray

for a better Day
von

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Erinnerungen

Hola Gilbert!

Ich hoffe es geht dir soweit gut da wo du jetzt bist? Ich hab mich derweilen super hier eingelebt. Ich habe sogar wieder angefangen Gitarre zu spielen und einen Garten voller Tomaten habe ich auch. Das Wetter hier ist einfach Traumhaft, würde mir wünschen du wärst auch hier, dann könnten wir gemeinsam die Abendsonne genießen, bei einem Gläschen Wein und einer gemeinsamen Zigarette… Ah du fehlst mir mein Kamerad.
 

Adiós, Antonio
 

Lächelnd faltete Gilbert den Brief zusammen und steckte ihn zurück in das Kuvert, legte diesen dann sorgfältig zu den anderen Briefen. Er drückte schließlich die Kippe in dem Aschenbecher auf dem kleinen Holztisch aus und nahm die Krücke zur Hand, hievte sich schwerfällig auf die Beine und stützte sich noch kurz auf dem Tisch ab.
 

Knapp ein Jahr war es bereits her und trotzdem hatte er sich noch kein Stück an dieses lästige Ding gewöhnt.
 

Ein frustriertes Knurren entwich seinen Lippen und er nahm die Zigarettenpackung an sich, steckte diese in die Tasche seiner schwarzen Hose, ehe er nach seiner Jacke und dem Geldbeutel griff.

Langsam stolzierte er zur Wohnungstür vor und öffnete diese, er brauchte ganz dringend frische Luft und einen Drink, so wie gefühlt jeden Abend – Er war gewiss kein Alkoholiker, er genoss nur die kleinen Spaziergänge zur Kneipe, die Musik die dort spielte und die Drinks die es dort gab, sowie die vielen unterschiedlichen Menschen, die so ausgelassen waren und noch ein letztes bisschen Lebensfreude in sich hatten, trotz all der schlechten Dinge die da draußen passierten.
 

Er würde Lügen, würde er behaupten nicht sogar selber Teil davon gewesen zu sein.
 

Bilder traten vor seinem inneren Auge auf und er schüttelte den Kopf, versuchte diese Bilder wieder davon zu treiben. Hinfort zu spülen. So zu tun, als seien sie nicht da.
 

Er konnte es einfach noch nicht. Er konnte noch nicht an das denken, was er getan hatte.

Genau so wenig wie er auch an das denken konnte, was geschehen war.

An das, was er verloren hatte.
 

Nein, diese Wunden waren noch eindeutig zu frisch.
 

Er biss sich auf die Unterlippe und setzte seinen Weg fort.

Langsam lief er die leeren Straßen der kleinen Provinz nahe Paris entlang, die Laternen tauchten diese in ein warmes Licht und er atmete tief die kühle Frühlingsluft ein.
 

„Salut Gilbert“, begrüßte der Barkeeper ihn freundlich, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Der Preuße nickte dem Mann lächelnd zu und hing seine Jacke an den Garderobenhaken, ehe er sich an einen kleinen runden Holztisch im hintersten Eck der Bar verzog.
 

Sein Stammplatz seit Monaten.
 

Einer der Kellner brachte ihm ein Glas Rotwein. Einen Château Mouton Rothschild. Francis hatte ihm an der Ostfront damals diesen Wein empfohlen.

Er grinste bei dem Gedanken an den quirligen Franzosen.
 

Solltest du irgendwann mal nach Frankreich kommen, dann werden wir gemeinsam diesen Wein trinken. Glaub mir mon ami, du wirst es nicht bereuen!
 

Er nahm das Glas in seine Hand und schwenkte es vorsichtig, beobachtete wie die Flüssigkeit die Glaswand entlang lief und atmete tief den herben Geruch des Weines ein, dann setzte er an und trank den ersten Schluck in Gedenken an seinen französischen Kamerad.

Der zweite Schluck ging an Antonio, der sein Leben so führte, wie er es sich immer gewünscht hatte.

Der dritte Schluck ging auf seinen kleinen Bruder, von dem er nicht mal wusste ob er noch lebte.
 

Dieser Gedanke frustrierte ihn irgendwie.
 

Er stellte das leere Glas schließlich ab und lehnte sich zurück, streckte sein linkes kaputtes Bein etwas aus und sah aus dem Fenster. Beobachtete die wenigen Menschen, die vor der Kneipe entlang liefen und lächelte leicht.
 

Der Preuße würde Antonio heute noch definitiv auf seinen Brief antworten, ihm berichten, dass alles gut bei ihm war.
 

So gut wie es eben sein konnte.
 

Er seufzte und wandte den Blick vom Fenster ab, bestellte noch einen Wein und hing dann weiter seinen Gedanken nach, als er plötzlich ein Geräusch vernahm.
 

Die Tür zur Kneipe öffnete und eine kleine Truppe von Menschen kam herein, an der Aufmachung und der Sprache erkannte er schnell, dass es sich hierbei um Amerikaner handeln musste.

Er rutschte etwas tiefer in den Stuhl, was eigentlich im Nachhinein betrachtet Blödsinn war, er war kein gesuchter Verbrecher. Er war damals Erfolgreich untergetaucht und führte nun ein Leben fernab von den Verpflichtungen eines Soldaten oder… was anderem.
 

Aufmerksam sah er die Neuankömmlinge an, die sich an einen der großen Tische niederließen, direkt in der Nähe der Bar. Die Amerikaner hatten wohl eindeutig vor heut noch ein Glas mehr zu Bechern.
 

Der Kellner kam wieder um ihn seinen Wein zu bringen, Gilbert bedankte sich bei ihm und widmete sich dann wieder der stummen Beobachtung der Amerikaner, als ihm plötzlich einer besonders auffiel.
 

Ein ruhiger junger Mann, nicht älter als 20 vielleicht. Er hatte aschblondes Kinnlanges Haar und große blaue Augen, er sah etwas verloren aus zwischen den ganzen anderen Amerikanern aber da war noch irgendwas - Irgendwas, was Gilbert faszinierte, doch er konnte nicht fix ausmachen, was genau es war.
 

Er nippte an seinem Glas und ließ die rote Flüssigkeit seine Kehle entlang laufen, aus dem Augenwinkel sah er immer wieder zu dem Fremden rüber, als sich irgendwann ihre Blicke kreuzten.
 

Lächelte der Junge ihn etwa an?
 

*
 

Hallo Antonio,
 

Ich hab mich sehr über deinen kurzen Brief gefreut. Mir geht es super, ich hab mich echt gut eingelebt und lebe endlich in Frieden mit allem.

Mich freut es zu lesen, dass es dir soweit auch gut geht und dein Vorschlag klingt wirklich verdammt gut, vielleicht können wir tatsächlich irgendwann mal genau das in die Tat umsetzen? Ich vermiss deine Gesellschaft ebenfalls.
 

Bis bald, Gilbert.
 

„Du verrückter Preuße“, schmunzelte Antonio als er den Brief gelesen hatte. Er legte das Stück Papier neben sich auf den Steinboden der Terrasse und drückte die Zigarette aus, stimmte dann weiter die Gitarre um etwas Kleines darauf zu spielen.

Er hatte erst letztens ein schönes Lied im Radio gehört und konnte sich noch recht gut an die Melodie von eben diesem erinnern.
 

Irgendwann hatte er tatsächlich die Töne soweit, dass Antonio sichtlich zufrieden damit war. Er begann damit die Saiten zu zupfen und lauschte den lieblichen Tönen, die das Instrument in seinen Händen von sich gab. Selig lächelnd sah er in den Himmel und spielte.
 

Er wusste nicht wie lange er spielte aber es fühlte sich an wie eine halbe Ewigkeit, er wünschte sich dass diese nie enden würde.

Seinetwegen hätten die Momente für immer so bleiben können.
 

Seufzend stellte er die Gitarre beiseite und fuhr sich mit der Hand durch die dunklen Haare.

Er wünschte sich nichts sehnlichster wie Gilbert und Francis her, er mochte das Leben hier in Süd-Italien in seinem kleinen Haus mit dem regen Briefaustausch zwischen ihm und Gilbert, aber ihm fehlte dennoch dieser physische Kontakt.
 

Und Francis… Er atmete frustriert aus. Er wusste genau, dass der Franzose nicht wieder kommen würde.

Er hatte es gesehen und er wünschte sich, er könne die Zeit zurück drehen.
 

Doch die Zeit lief einfach weiter. Unaufhaltsam lief sie.
 

Er schloss kurz die Augen um die aufkeimenden Tränen nieder zu kämpfen. Es war nun mehr fast ein Jahr her seit dem Vorfall. Er wollte weg davon und das bedeutete auch, nicht weiter darüber nach zu denken.
 

Antonio erhob sich, nahm den Aschenbecher und die Gitarre in die Hände, dann öffnete er die Terrassentür zu seinem Haus und trat ein.

Er stellte die Gitarre neben der Tür ab und den kleinen Aschenbecher auf dem Holztisch, der gleichzeitig auch als Esstisch fungierte.
 

„Ich glaub er ist hier entlang!“, hörte er eine harsche tiefe Stimme von draußen schreien. Genervt verdrehte Antonio die Augen und ging in Richtung Haustür, als es auch schon klopfte.

Er öffnete die Tür und sah zwei schwarz uniformierten Männern entgegen, die ihm gefährlich entgegen blinzelten.

„Hast du einen kleinen Italiener hier rumstreunen sehen?“, fragte der eine Mann harsch und funkelte Antonio aus blauen Augen prüfend an. Es faszinierte ihn immer wieder wie stur diese Deutschen waren und einfach auf Deutsch mit ihm redeten. Er hatte allerdings das Glück ein wenig Deutsch zu verstehen, erwiderte jedoch auf Englisch: „Tut mir leid, habe ich nicht.“

Der Offizier vor ihm zischte verachtend: „War klar. Wenn du doch was siehst, dann gib unverzüglich vorbei oder du machst dich mit strafbar, Spanier!“
 

Damit rauschten die beiden Männer davon, ließen Antonio etwas verwirrt zurück. Kopfschüttelnd ging er zurück in das Haus.

Es war klar, so klar.

Da kämpft man schon an der Seite der Deutschen an der Ostfront und trotzdem wird man behandelt wie Dreck.

Ihm hat es nur noch gefehlt, dass ihm der Mann vor die Füße spuckte.
 

Die Ostfront.

Bei dem Gedanken schüttelte es ihn und er kniff die Augen zusammen, rieb sich den Nasenrücken und versuchte ruhiger zu atmen.

Er würde nicht daran denken, was dort geschah.
 

Bitter jedoch musste er auflachen.

Die freiwilligen Soldaten der blauen Division.

Freiwillig.

Wie er dieses Wort doch hasste, es war ganz und gar nichts freiwillig.
 

Allerdings hätte er dadurch nie Francis und Gilbert kennen gelernt.
 

Er lächelte traurig.

Es hätte ihn eher gefreut, wenn diese unglücklichen Umstände nicht nötig gewesen wären.
 

Antonio öffnete die Augen und bemerkte eine kleine Blutspur auf dem Fußboden. Ungläubig starrte er auf die roten frischen Flecken.

Er ging zu der kleinen Anrichte im Flur rüber und öffnete die Schublade, nahm seinen Revolver – Das einzige was er von der Ostfront behalten hatte – an sich und entsicherte diesen. Auf leisen Sohlen folgte er der Blutspur, stieß vorsichtig die Tür in den Keller auf und schlich die Steintreppe nach unten. Misstrauisch verengte er die Augen, schärfte seinen Gehörsinn, als er ein leises geschocktes Keuchen und ein Klicken ausmachen konnte. Mit erhobener Waffe drehte er sich in die Richtung aus der das Geräusch kam, nur um direkt in den Lauf einer Waffe zu sehen, welche auf ihn gerichtet wurde.

Er schielte an dieser vorbei und blickte in die großen dunklen Augen eines Jungen, der ihm voller Schmerz und Angst entgegen blickte. Die Hand fest um den Griff der Pistole, den Finger zitternd am Abzug.
 

Antonios Blick wurde weicher, doch er hielt weiterhin die Waffe auf ihn gerichtet. Der Spanier senkte etwas den Blick und sah auf das verletzte Bein von ihm, Blut lief aus dem dunklen Hosenbein und bildete eine kleine Pfütze auf dem Steinboden.
 

„Du bist verletzt“, stellte er auf Englisch fest und sah wieder in die Augen seines Gegenübers, welcher nur die Augen verengte und schneidend erwiderte: „Waffe runter oder ich schieße!“

Schmerzhafte Gedanken

Aufmerksam beobachtete der Preuße die Truppe Amerikaner, ausgelassen tranken sie einen Drink nach dem anderen und erzählten sich offenbar die wirschsten Geschichten.

Besonders einer von ihnen fiel Gilbert dabei eher unangenehm auf, er sah dem anderen zwar ziemlich ähnlich aber irgendwas mochte er nicht an ihm.

Vielleicht lag es an der Bomberjacke die er anhatte oder an dem lauten Organ welches er an den Tag legte. Wild gestikulierend und mit starkem Südstaaten Akzent schilderte der Amerikaner irgendwas, schwenkte dabei seinen Drink hin und her und lachte lauthals, während seine Kameraden irgendwann mit einstimmten.

Gilbert verdrehte genervt seufzend die Augen und blickte dann wieder zu dem anderen Amerikaner. Dieser strahlte eine Ruhe aus und hielt die Gruppe irgendwie in einem gewissen Gleichgewicht, was dem Preußen außerordentlich gut gefiel; Außerdem hatte der Junge ein wirklich hübsches Gesicht, seit Gilbert hier her kam hatte er selten sowas schönes zu sehen bekommen.
 

Er lächelte leicht wehmütig über seinen idiotischen Gedanken.
 

Er nahm schließlich den letzten großen Schluck seines Weines und schnappte sich seine Krücke, stand auf und ging langsam vor zur Bar wo er zahlte und großzügig Trinkgeld da ließ. Er schnappte sich schließlich seine Jacke vom Haken und zog diese über, ihn ließ das Gefühl nicht los bis eben beobachtet worden zu sein.

Der Grauhaarige öffnete die Tür und verließ die Kneipe in die kühle Nachtluft der Straßen von Neuilly-sur-Seine.
 

*
 

„Hey Matt, hörst du mir überhaupt noch zu?“, fragte der blonde Amerikaner seinen besten Freund, der wie erstarrt zur Tür hinsah.

Matthew zuckte etwas zusammen und schüttelte den Kopf: „Ja, natürlich höre ich zu, sorry Alfred, war wohl in Gedanken.“

„Das hat man gesehen Dude“, lachte Alfred und klopfte ihm auf die Schulter, ehe er seinen Drink weg exte. Matthew lächelte nur zaghaft und sah nochmal über seine Schulter zur Tür hin, er hatte gesehen wie dieser Mann ihn angesehen hatte und er fand es faszinierend, sonst sah man ihn nie wirklich an oder man hatte nur Augen für Alfred; Was er durchaus verstehen konnte, der Amerikaner war echt witzig und charismatisch.
 

Und dennoch hatte der Fremde ihn angesehen.

Der Fremde mit den grauen kurzen Haaren, die fransig in dessen Stirn hingen. Dieses blasse fein geschnittene Gesicht mit den scharfen Wangenknochen aber besonders im Gedächtnis blieben Matthew die Augen; Diese rötlich schimmernden schmalen Augen, die ihn mit einer Faszination gemustert hatten, die Matthew so gar nicht kannte.
 

Ein schmunzeln schlich sich auf seine Lippen und er hob sein Cognac Glas an und kippte die goldene Flüssigkeit in seine Speiseröhre, stellte das leere Glas schließlich auf dem Tisch ab und sah zu Alfred, der von einem lustigen Erlebnis in England erzählte wo er »Alice« kennen gelernt hatte – Er jedoch war der einzige der wusste das in Alfreds Leben keine blonde Frau Namens Alice existierte, sondern nur ein britischer Gentleman der auf den Namen Arthur hörte und an den Alfred bedingungslos sein Herz verloren hatte.
 

Die Gedanken des Kanadiers driften erneut zu dem fremden Mann an dem Tisch in der hintersten Ecke der Kneipe ab.

Er hatte eine Krücke bei sich und Matthew fragte sich ob er ein Kriegsveteran war. Vielleicht sogar einer der französischen Armee? Wobei, so wirklich französisch wirkte der Mann nicht auf ihn. Er senkte nachdenklich den Blick.

Was wenn er ein Deutscher Soldat war?

Kaum merklich schüttelte er den Kopf und verwarf den Gedanken. Sollte dies der Fall sein, könne er es ohnehin gleich vergessen und wer weiß, vielleicht würde er den Mann nicht mal wieder sehen.
 

Und falls doch, dann hat dieser ihn sicher längst wieder vergessen.

Matthew wusste, dass er den Leuten nicht sonderlich lange im Gedächtnis blieb und er war eigentlich auch ziemlich okay damit.
 

Doch irgendwas in ihm regte sich und hoffte darauf den fremden Mann wieder zu sehen.
 

*
 

Gilbert war wieder bei sich in der Wohnung angekommen, konnte den ganzen Weg über an nichts anderes denken, als an diesen jungen Mann den er in der Kneipe gesehen hatte.

Dieses schmale Gesicht, die großen blauen Augen und die aschblonden Haare mit dieser einen Locke die in seiner Stirn hing.

Seufzend hing er die Jacke an den Haken im Flur und lehnte die Krücke an der Wand an, er humpelte zum Balkon hin und öffnete die Tür, trat nach draußen und zündete sich eine Zigarette an, die er genüsslich rauchte.
 

Seine Gedanken schweiften erneut zu ihm ab.

Verflucht, dass hatte doch eh keinen Sinn. Er würde ihn vermutlich ohne hin nie wieder sehen. Außerdem war er Teil der amerikanischen Armee, wenn er erst mal herausfand, wer Gilbert wirklich war, würde er vermutlich festgenommen werden, schließlich war er ein abscheulicher Mensch und Verbrecher.
 

Exakt das war es, was er eigentlich war.

Er war ein Soldat, der für sein Land an der Front kämpfte und er war einer der Männer in Schwarz die glaubten mit dem Leben unschuldiger Menschen zu spielen.
 

Scharf sog er bei dem letzten Gedanken die Luft ein und pustete den Rauch aus.

Er durfte nicht wieder daran zurück denken.

An die Verluste die es an der Front gab und an die Verluste die er selber verursacht hatte.
 

Zitternd hielt er die Zigarette zwischen seinen Fingern und spürte einen leichten Schmerz in seinem Bein. Er kniff die Augen zusammen und drückte die Kippe im Aschenbecher aus, hinkte zurück in die Wohnung in das Badezimmer, wo er den kleinen Medizinschrank öffnete und sich eine Tablette rausholte.
 

Die Schmerzen wurden schlimmer.
 

Er nahm sich den Becher von der Anrichte und füllte diesen mit Leitungswasser, schluckte die Tablette und spülte nach. Sein Blick fiel in den Spiegel und er sah sich selbst entgegen.

Die Haut Aschfahl, dunkle Ränder unter den rötlich schimmernden Augen und einen leeren Blick in diesen.

Es gab nur wenige Momente in denen seine Augen mit Leben gefüllt waren.
 

Und seit Monaten wurden diese Momente immer weniger.
 

Er schnaubte verachtend und kehrte zurück in das Wohnzimmer wo er sich an den Tisch setzte, er streckte das kaputte Bein aus und die Tablette wirkte schließlich langsam. Er entspannte sich allmählich.

Seufzend zog er Papier und Stift zu sich, welches immer auf dem kleinen Holztisch lag und er beschloss seinem kleinen Bruder zu schreiben, das war etwas, was er nach Einnahme des Schmerzmittels für gewöhnlich immer tat, er wusste jedoch nicht ob Ludwig ihm je antworten würde oder ob dieser die Briefe überhaupt erhielt.
 

Wenn Ludwig denn überhaupt noch lebte.
 

Schmerzlich verzog er das Gesicht dabei und schüttelte den Kopf.

Nein, daran sollte er nicht denken, wenn er weiterhin glaubte sein Bruder würde leben, dann tat er dies auch.
 

Gott, Gilbert hoffte es zumindest.
 

Er konnte sich noch gut daran erinnern als er mit 18 endlich soweit war in die Armee zu gehen und für sein Land zu kämpfen.

Dann hatte man ihn in die Wehrmacht gesteckt und nach Italien geschickt. Seit dem hatte er nichts mehr von ihm gehört.
 

Dies war jetzt schon zwei Jahre her.
 

Gilbert schloss frustriert die Augen, legte den Stift weg und erhob sich; Auf wackeligen Beinen ging er in das Schlafzimmer und zog sich um, wobei er immer wieder an seinen vernarbten Körper erinnert wurde.

Sein linkes Knie wurde damals ziemlich demoliert, als man versuchte zu retten, was noch zu retten war. Was bedauerlicherweise nicht gerade viel war.

Er erinnerte sich noch genau daran, als ihm dieser Russe damals den Lauf des Gewehres entgegen hielt. Gilbert hatte bereits mit seinem Leben abgeschlossen aber nein, stattdessen hatte er ihn nur gestraft. Gestraft für den Rest seines Lebens.
 

Und wer weiß, vielleicht hatte er dies auch verdient.
 

Halt. Nicht wieder daran denken, mahnte er sich selber an und legte sich schwer auf die Matratze seines Bettes.
 

Einer der Nachteile der Schmerztabletten – Sie machten ihn furchtbar müde.

Er spürte wie seine Lider immer schwerer wurden, er schloss seine Augen und bekam ein klares Bild von dem jungen Mann aus der Kneipe. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, ehe er tief und fest einschlief.
 

Hallo Ludwig,
 

Ich weiß nicht ob du die Briefe bekommst und liest, vielleicht will ich auch nicht wirklich wissen ob du sie bekommst, weil das würde bedeuten dass du entweder am Leben bist und nur wenig Zeit hast zu antworten, was wirklich vollkommen okay wäre, das Leben als Soldat ist anstrengend - oder es bedeutet das du bereits… Ich kann es nicht ausschreiben. Tut mir leid.
 

Ich vermisse dich und hoffe das du gut auf dich aufpasst, wenn du das lesen solltest… Ich wollte dich nur wissen lassen, dass… Pass auf dich auf, versprich mir das bitte.

Der Krieg wird immer grausamer und ich befürchte es ist kein Ende in Sicht.
 

Dein großer Bruder, Gilbert.

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Der Griff um die Waffe von Lovino verstärkte sich, aus funkelnden Augen sah er dem Fremden entgegen und verdrängte den Schmerz in seinem Bein, der ihm damit drohte einfach weg zu knicken. Er musterte den fremden Mann vor sich, der ihn mit einem undefinierbaren Blick aus grünen Augen ansah, wobei Lovino auffiel, dass das linke Auge eine eher milchige Farbe aufwies.

Und er konnte noch was in seinen Augen sehen, da war Sorge in seinem Blick. Aber warum?

Er schüttelte kaum merklich den Kopf und konzentrierte sich wieder; Blödsinn, als ob sich irgendwer Fremdes um ihn Sorgen würde.
 

„Du bist verletzt“, stellte sein Gegenüber beiläufig fest, als dieser auf sein Bein sah.

Lovino stieß ein kehliges Knurren aus. Was fällt diesem Bastard eigentlich ein? Er war doch selber verletzt, wie Lovino feststellen konnte.

Unter dem Kragen des Mannes blitzten die Ansätze einer Brandverletzung hervor, welche sich scheinbar bis zu seinem rechten Arm vorzogen.
 

„Waffe weg oder ich schieße!“, sagte Lovino scharf und versuchte seine Hand etwas vom zittern abzuhalten, blinzelte die aufsteigenden Tränen zurück.
 

„Ist okay, guck, ich leg meine Waffe weg“, kam es ruhig von diesem Mann, er hob seine Hände mit der Waffe in der rechten Hand und legte diese vorsichtig auf den Steinboden.

„Und nun du, ich bin mir sicher wir können das auch ohne Gewalt klären“, schlug er vor und sah ihn fest an.
 

Lovino schüttelte nur den Kopf und stellte dann fest: „Du bist auf einem Auge blind, ich versteh nicht wie du überhaupt hättest zielen wollen.“

Der Mann lachte bitter auf: „Glaub mir, wenn ich dir sage, dass man alles trainieren kann und nun Waffe weg Kleiner!“
 

Lovino zuckte zusammen bei dem plötzlichen Tonwandel des Fremden und er ließ die Waffe sinken.

„Ich werde sie aber nicht weglegen“, sagte er stur und blickte ihn aus dunklen Augen ernst an; Sein Gegenüber nickte daraufhin, als Lovino ein Schwindel überkam. Ein dröhnen trat in seine Ohren und die Sicht verschwamm vor seinen Augen, das war wohl ein wenig zu viel für seinen Körper gewesen. Er versuchte sich zu konzentrieren, doch ehe er auch nur irgendwas weiter tun konnte, nahm sich sein Körper das was ihm zustand und ihm wurde schwarz vor Augen.
 

*
 

Antonio hatte gesehen wie blass der Junge mit einem Mal wurde, er schnellte vor und nahm ihm die Waffe aus der Hand ehe er ihn auffing. Der Blutverlust und die Aufregung mussten ihn wohl ausgeknockt haben. Er griff vorsichtig unter die Kniekehlen von ihm und legte den anderen Arm um dessen schmalen Oberkörper ehe er ihn hochhob und in das Wohnzimmer trug, dort legte er ihn auf dem Sofa ab und holte Verbandszeug aus dem Badezimmer.

Antonio schnitt das Hosenbein des Jüngeren auf und sah auf die Wunde. Eine Schusswunde die knapp unter der Kniescheibe war.
 

„Du hast echt Glück gehabt amigo“, murmelte er leise auf Spanisch und begann dann damit die Wunde zu reinigen und zu verbinden.

Als er damit fertig war, räumte er die Sachen weg und holte ein Glas Wasser aus der Küche, damit der Junge gleich was trinken konnte sobald dieser wach wurde. Antonio setzte sich ihm gegenüber an den kleinen Holztisch und zündete eine Zigarette an, gestresst fuhr er sich durch seine dunklen Haare und sah auf den ruhig atmenden Körper von ihm.
 

Verflucht. Wen hatte er da eigentlich behandelt?

Er kam ihm definitiv geübt vor mit dem Umgang der Waffe, ein wenig ängstlich und unsicher vielleicht, aber eindeutig geübt darin. Während er einen weiteren Zug der Kippe nahm und den Rauch inhalierte, glitt sein Blick nachdenklich über den Kleineren.

Rotbraunes Haar, eine interessante widerspenstige Locke und diese großen dunklen Augen aus denen er ihn angesehen hatte. Ihm war als würde er sich darin verlieren, in diesem Meer aus Emotionen welcher in den dunklen goldenen Irden lag.
 

Wie genau dachte er da eigentliche gerade über den Jungen auf seinem Sofa? Er war vielleicht nicht älter wie 18, er sollte besser nicht so über ihn nachdenken. Seufzend schüttelte Antonio die Gedanken von sich ab und drückte die verglühte Zigarette im Aschenbecher aus.
 

*
 

Lovino hatte keine Ahnung wie lange er abwesend war aber Fakt war, dass sein Bein wie Hölle schmerzte. Er verzog das Gesicht und blinzelte, sah direkt in das Licht welches von der Decke fiel. Verwirrt stützte er sich mit dem Arm auf dem weichen Untergrund ab und hievte sich etwas hoch. Scharf sog er die Luft ein als sich ein stechender Schmerz durch sein Bein zog, er fluchte leise und sah sich um, seine Augen blieben bei dem fremden Spanier hängen. Überrascht keuchte er auf und drückte sich enger in das Polster hinter sich, sah aus großen ängstlichen Augen zu dem Mann.
 

Was er nun mit ihm tun würde? Ihn an die Gestapo übergeben? Wusste er überhaupt dass er bei der Resistenza war?
 

„Du solltest dich noch nicht überanstrengen. Dein Bein ist zwar verbunden und soweit stabilisiert aber du solltest dich besser noch ausruhen“, erklärte der Mann sanft und ein warmes Lächeln umspielte dessen schmale Lippen.

Lovino nickte nur verstehend und sah an sich runter, sein rechtes Bein war verbunden und lag etwas erhöht auf ein paar Kissen.
 

„Warum hast du mir geholfen Bastard? Wieso hast du mich nicht einfach vor die Tür gesetzt oder gleich getötet?“, fragte er harsch nach und warf ihm einen misstrauischen Blick zu, er bemerkte wie der Mann trocken auflachte und sich mit einer Hand durch die dunklen Locken fuhr, dann fixierte er ihn mit einem eindringlichen Blick und meinte: „Weißt du, ich hab so viel Leid gesehen und erlebt, eine nette Geste in diesen Zeiten hat bislang noch nie wem geschadet und wer weiß, vielleicht habe ich auch einfach nur gedacht noch was Gutes tun zu können.“
 

Lovino senkte seinen Blick und spürte eine wärme in sich hochkriechen, er nickte langsam, ehe er verbittert meinte: „In diesen Zeiten kann man nicht mehr viel Gutes tun. Es wird auch nichts Gutes mehr passieren.“

„Verstehe.“

Der Italiener hatte nicht zwingend mit so einer Antwort gerechnet und sah unsicher auf, musterte prüfend die Mimik seines Gegenübers – Er wirkte müde und ausgelaugt, fast schon etwas gleichgültig.
 

„Ich muss nach Hause“, sagte Lovino schließlich als ihm das Schweigen unangenehm erschien.

Der Spanier nickte nur abwesend: „Du kannst jedoch noch nicht gehen.“

„Warum nicht?“

„Die Stimmung da draußen ist noch zu aufgeheizt. Ich schätze du bist aus gutem Grund vor ihnen weggelaufen? Sie werden wohl noch weiter nach dir suchen.“

„Und selbst wenn, was kümmert dich das.“
 

Er sah wie der Spanier mit den Schultern zuckte und ihn nachdenklich ansah: „Eigentlich kümmert es mich tatsächlich nicht aber dennoch ist es vorerst sicherer für dich hier zu bleiben.“

„Und dann was? Was machst du mit mir?“

„Nichts. Ich biete dir nur an hier zu bleiben und dich auszukurieren, bis sich die Lage etwas beruhigt hat.“
 

Lovino verstand nicht so ganz warum der Fremde so freundlich zu ihm war, er war schließlich in sein Haus eingebrochen und hatte mit einer Waffe auf ihn gezielt – Und dennoch bot er ihm gerade an hier zu bleiben und sich auszuruhen. Der Italiener schüttelte energisch den Kopf: „Ich muss allerdings nach Hause. Ich hab einen kleinen Bruder der wartet, er hat sonst niemanden außer mich.“
 

Ausdruckslos blickten ihn die grünen Augen an, ein müdes Lächeln auf den Lippen und nur ein verständnisvolles Nicken. Irritiert davon sah Lovino ihn einfach nur an, setzte sich etwas weiter auf und versuchte sein Bein etwas zu bewegen.

Es schmerzte zwar aber es war möglich, er erhob sich zitternd und ließ den Spanier nicht einen Moment aus den Augen – Er misstraute ihm immer noch, schließlich war er ein Fremder und er hatte keine Ahnung auf wessen Seite er war, noch was für Ambitionen er hatte. Langsam schritt Lovino rückwärts in Richtung Tür, als er von draußen einen Schuss hörte.
 

*
 

Antonio sprang auf als er den Schuss vernahm und schnellte an Lovino vorbei zu dem kleinen Fenster, schob den Vorhang ein wenig beiseite und sah nach draußen. Er konnte zwei Deutsche ausmachen die mit Gewehren auf etwas gezielt hatten, er folgte dem Lauf der Gewehre und sah einen Mann der den Baumstamm entlang glitt. Ein glatter Schuss zwischen den Augen. Der Spanier verzog das Gesicht und drehte sich um.
 

„Du gehst nirgendwo hin Kleiner“, ordnete er an und sah ihn bittend an, nicht zu widersprechen.

Der Italiener widersprach tatsächlich nicht, schob sich allerdings an ihm vorbei um aus dem Fenster zu sehen. Er hörte wie dieser geschockt einatmete und sah dann wie er rückwärts von dem Fenster wegtaumelte, die Hand vor dem Mund und die Augen groß und feucht.

Antonio verspürte Mitleid mit ihm und meinte ruhig: „Du solltest sowas nicht sehen.“

„Ich hab schon schlimmeres gesehen aber“, er hielt inne und seine letzten Worte waren nur ein Flüstern: „Ich kannte diesen Mann.“

„Das tut mir leid“, murmelte Antonio betreten und legte sanft eine Hand auf die schmale Schulter von dem Jungen, er erntete dafür einen giftigen Blick aber das kümmerte Antonio herzlichst wenig: „Setz dich wieder, sonst wird die Heilung deines Beines noch länger dauern.“
 

Der Italiener nickte nur und ging dann zu dem Sofa über, legte sich erschöpft hin und strich sich die verschwitzten Haare aus dem Gesicht.

„Ich bin übrigens Antonio“, stellte er sich vor und schenkte dem Jungen ein warmes aufmunterndes Lächeln: „Und du?“

„Ich wüsste nicht was dich das angeht“, kam es bockig zur Antwort.

„So wüsste ich immerhin wen ich da verarztet habe, verstehst du? Es macht außerdem auch die Kommunikation leichter“, erklärte er nur und legte dabei den Kopf schief.

„Lovino“, seufzte er und hing mahnend ran: „Kein Wort zu niemandem, ich bin morgen wieder weg und wir vergessen was passiert ist.“
 

Lovino also. Das war ein schöner Name für einen so hübschen Jungen. Auf Antonios Lippen zeichnete sich ein erfreutes schmunzeln ab und er nickte: „Si, natürlich.“

„Gut“, meinte Lovino und sah wieder weg in Richtung Fenster: „Sei ehrlich warum hast du mir wirklich geholfen?“

„Ich hab leider ein viel zu gutes Herz, als das ich bewusstlose Jungen in meinem Keller liegen lassen könnte und elendig verbluten lasse“, antwortete Antonio ihm überspitzt ehrlich. Er konnte nicht lange harsch und wortkarg bleiben und irgendwas bewegte Lovino in ihm.
 

„Verstehe. Na dann, hoffe ich hat es sich für dich gelohnt.“

„Das hat es.“
 

Vielleicht war dies wirklich seine Chance noch etwas Gutes zu tun oder gar zu erleben.

Au bord de la Seine

Am frühen Morgen des kleinen Pariser Vorortes, drehten Alfred und Matthew eine Runde an der Seine. Es war noch recht ruhig so früh am Morgen und kaum eine Menschenseele war zu sehen, die aufgehende Sonne tauchte die Umgebung in ein sanftes Licht und ließ die Straße an der Seine idyllisch und schön wirken. Fast so, als würde es keinen Krieg um sie herum geben.

Matthew hing während des Spazierganges seinen Gedanken über den fremden Mann aus der Kneipe nach.
 

Die grauen Haare im Kontrast zu den rötlichen Augen, die blasse Haut und dieser faszinierende Blick mit dem er ihn gemustert hatte.

Ihm wurde bei dem Gedanken ganz warm ums Herz und ein seltsames Kribbeln entstand in seiner Magengegend.

Matthew kannte dieses aufsteigende Gefühl nicht und fragte sich, was dies zu bedeuten hatte. Immerhin war es ein Mann über den er nachdachte.
 

Warum dachte er überhaupt über einen Mann nach?
 

„Du bist seit gestern Abend immer wieder Mal in Gedanken Matt“, stellte Alfred beiläufig fest und sie blieben stehen.

Ertappt sah Matthew zu dem Amerikaner, unsicher blickte er ihn aus blauen Augen an und er konnte schwören, dass sich eine leichte röte auf seinen Wangen abzeichnete.

„Was beschäftigt dich?“, fragte Alfred und legte eine Hand auf Matthews Schulter, er kniff diese mit sanftem Druck und Matthew verstand, dass er sich ihm ruhig anvertrauen konnte.
 

Und bei Gott, das konnte Matthew definitiv, das wusste er. Schließlich würde Alfred von allen am ehesten verstehen, was er seit gestern fühlte.
 

Matthew kratzte also sein letztes bisschen Mut zusammen und hob dann den Blick, sah Alfred in die Augen und meinte: „Weißt du, gestern in der Kneipe, da saß in der hintersten Ecke dieser eine Mann. Er war recht dunkel gekleidet und hat Rotwein getrunken, vielleicht ist er dir ja auch aufgefallen.“
 

Alfreds Mimik veränderte sich, in seinem Blick lag etwas, was Matthew nicht genau deuten konnte und nachdenklich sagte Alfred: „Yes, der Mann ist mir gestern auch aufgefallen, er hat immer wieder Mal zu uns rüber gesehen. Gut, eigentlich hat er die meiste Zeit nur zu dir gesehen.“
 

Matthew nickte zur Antwort.

Das hatte der Fremde. Er hat die meiste Zeit nur ihn angesehen und er fragte sich noch immer warum. Er hatte gestern nicht sonderlich viel getan um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, was zum Großteil daran lag, dass er noch viel zu Müde von der langen Reise war.
 

„Matt? Fandest du ihn irgendwie interessant?“, fragte Alfred geradewegs heraus, der Amerikaner war niemand der lange fackelte sondern direkt zum Punkt kam – So hatte er es bei Arthur damals auch gemacht und war erstmals ordentlich auf die Schnauze geflogen, erinnerte sich Matthew daran, ehe er antwortete: „Irgendwie. Zumindest rein optisch betrachtet aber ich weiß auch nicht. Er ist nur ein Fremder und das würde nicht gut ausgehen schätze ich.“

„Wie meinst du das? Ich mein, ich hab bemerkt dass er definitiv kein Franzose war, dafür wirkte er zu… Nicht Französisch, verstehst du?“
 

Matthew lachte leise bei dem kläglichen Versuch von Alfred seine Gedanken wieder zu geben und er nickte: „Ich verstehe was du mir sagen willst und das hab ich eben auch im Hinterkopf. Ich vermute tatsächlich eher dass er ein Deutscher ist. Vermutlich sogar Soldat. Zumindest ein ehemaliger Soldat.“

Alfred nickte verstehend: „Da ist was dran, als er die Bar verlassen hat, hatte er sich mit einer Krücke abgestützt, er schien wohl irgendeine Verletzung am Bein gehabt zu haben.“

„Genau. Also ja, wie wir sehen – Ich sollte besser nicht weiter darüber nachdenken, es würde mich ohne hin nur verwirren und frustrieren.“
 

Der Kanadier konnte in Alfreds Augen erkennen, dass dieser ihn mitfühlend ansah. Er verstand ihn und dafür war Matthew dankbar.

Alfred war bislang immer der einzige gewesen der ihn irgendwie verstanden hatte.
 

„Wir sollten wieder zurückgehen, oder?“, schlug Alfred schließlich vor und Matthew nickte dankend: „Sollten wir und Alfred?“

Der Amerikaner sah ihn fragend an.

„Danke für dein Verständnis.“

„Nicht dafür, Moose“, Alfred zwinkerte und Matthew schlug ihm freundschaftlich gegen den Oberarm und lachte: „Nenn mich nicht so Kid.“
 

*
 

Gilbert lag wach im Bett, er hatte den wohl verworrensten Traum gehabt. Er hob einen Arm über seine Stirn und starrte die Decke an, seine Brust hob und senkte sich aufgeregt, sein Atem ging schnell und er versuchte diesen wieder etwas zu regeln. Sein Oberteil war nass geschwitzt und klebte an seinem dünnen Oberkörper, als er trocken auflachte.

Er kam sich vor wie ein Jugendlicher der seine Hormone nicht unter Kontrolle hatte. Gilbert schloss seine Augen und fuhr sich durch seine verschwitzten Haare, ehe er sich aufsetzte und versuchte aus dem Bett zu hieven. Humpelnd ging er zu seinem Kleiderschrank über und zog frische Kleidung hervor, ehe er in das Bad ging und sich kalt duschte.

Mit den Gedanken noch immer bei dem Traum in welchem der Soldat von gestern Abend eine Rolle gespielt hatte.
 

Frisch angezogen ging er in den kleinen Vorraum seiner Wohnung, als sein Blick auf den Brief von gestern fiel. Er lächelte traurig und nahm diesen an sich, schnappte sich seine schwarze Jacke vom Haken und die Krücke, ehe er seine Wohnung verließ.

Die Luft die ihn draußen empfing war kühl und tief nahm er diese in seinen Lungen auf, schloss die Augen und machte sich dann langsam auf den Weg um den Brief wegzubringen, als dies erledigt war lief Gilbert den Weg zurück an der Seine entlang.
 

Abrupt jedoch blieb er stehen als er den jungen Mann von gestern sah. Die dunkelblonden Haare, die leicht wellig bis zu dessen Kinn reichten und so seidig weich aussahen. Die blauen großen Augen hinter den Gläsern seiner Brille und das leichte Lächeln welches er auf den Lippen trug als er mit dem vorlauten unsympathisch wirkenden Amerikaner von gestern sprach.
 

Gilbert wusste tatsächlich das erste Mal in seinem Leben nicht wie er sich verhalten sollte.

Umdrehen und wieder gehen? Aber was wenn er ihn bereits gesehen hatte, das würde auch komisch kommen.

Der Preuße atmete schließlich tief durch, versuchte sich zu sammeln und schüttelte dann kaum merklich den Kopf.
 

Er benahm sich wirklich wie ein hormongesteuerter Jugendlicher.
 

Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab und er setzte seinen Weg schließlich fort. Ging gemächlich an den beiden Amerikanern vorbei schenkte dem vorlauten Blonden einen undefinierbaren Blick, während er den anderen freundlich anlächelte.

Dann kehrte er ihnen wieder den Rücken zu und ging weiter den grauen Feldweg der Seine entlang.
 

*
 

„Also wenn du mich fragst, war dein geheimnisvoller Kneipen Mann nicht nur irgendein Deutscher Soldat, sondern ein deutscher Soldat mit hoher Position“, stellte Alfred fest und sah dem grauhaarigen Mann nach.

Matthew seufzte frustriert: „Es macht tatsächlich den Eindruck als wäre er es gewesen.“
 

Seine Hoffnungen auf Chancen wurden immer kleiner, doch da war etwas, was ihm die Hoffnung nicht komplett aufgeben ließ – Dieses kleine Lächeln welches er ihm geschenkt hatte.

Der fremde Mann hatte ihn angelächelt als er vorbei gelaufen war.
 

Matthews Herz pochte aufgeregt als er an die blassen Lippen dachte, die zu diesem unverschämt charmanten Lächeln verzogen wurden. Diese schmalen Augen die ihn warm angesehen hatten.
 

Ihn allein.
 

„Ich weiß nicht worüber du gerade nachdenkst Matt aber wir sollten weiter gehen, sonst kommen wir noch zu spät zurück und du weißt wie unser General sein kann“, meinte Alfred ihn aus seinen Gedanken reißend.

Matthew zuckte kurz zusammen und nickte nur: „Ja ich weiß.“
 

*
 

Am Abend ging Gilbert nach langem Nachdenken über den Amerikaner seiner Routine Tätigkeit nach und er machte sich auf den Weg in die Kneipe vom gestrigen Abend.

Vielleicht auch mit der kleinen Hoffnung wieder auf ihn zu treffen.
 

Er lächelte über diesen idiotischen Gedanken.

Was wenn der junge Mann nicht mal an ihm interessiert wäre?

Und selbst wenn, ein amerikanischer Soldat und ein Ex-Soldat der Deutschen? Sowie ein Ex-Rapportführer.
 

Sein Lächeln erstarb bei dem Gedanken. Besser tut er daran, wenn er auf Distanz blieb und sollte es zu einem Gespräch zwischen ihnen kommen nicht zu verraten was seine damaligen Ränge so waren.
 

Er betrat schließlich die Kneipe und sah sich um, hing die Jacke an den Haken der Garderobe und begrüßte den Barkeeper, bestellte seinen üblichen Wein und setzte sich an den üblichen Platz. Die Krücke lehnte am Fenster neben ihm und sein linkes Bein streckte er aus, sah nachdenklich nach draußen in die dunklen Straßen die ein wenig von den warmen Laternen erhellt wurden. Die Seine glitzerte im Mondlicht und wirkte ruhig und schön. Gilbert lächelte entspannt, er liebte diesen Anblick und spürte direkt eine innere Ruhe in sich aufkommen.
 

„Dein Wein Gilbert“, sprach einer der Angestellten zu ihm und Gilbert schenkte ihm ein dankbares Lächeln: „Merci.“

Er nahm das Glas in die Hand und schwenkte es, die rote Flüssigkeit darin glitzerte und hinterließ ein schönes Fenster an den Glaswänden und als er genauer durch das Glas sah, konnte er die Umrisse eines Menschen ausmachen, die ihm ziemlich vertraut vorkamen.

Er hob seinen Blick und seine Augen trafen direkt die Blauen von dem Soldaten.
 

Gilberts Herz pochte aufgeregt und es war als würde ihm die Luft wegbleiben, als der junge Mann seine Lippen bewegte und mit warm klingender Stimme fragte: „Hello, dürft ich mich dazu setzen?“



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