Das Zauberwort von Tamy-kitsune ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Okay … okay …“ Stephen Strange sah finster auf das Artefakt, das sich zum wiederholten Male seinem Zugriff entzog. Die mechanische Eule schüttelte den Kopf und klapperte mit dem Schnabel, doch diesmal verzichtete sie darauf, schrille Laute des Unwillens auszustoßen, die in den Ohren schmerzten. „Versuchen wir es mal anders. Du bist also die 'Eule der Athene' und trägst die Weisheit der Welt in dir? Dann solltest du doch wohl verstehen, dass deine Antworten benötigt werden. Schließlich ist das 'Haupt der Medusa' irgendwo hier in der Stadt im Umlauf und tötet Menschen. Willst du weiter das Leben Unschuldiger gefährden?“, diskutierte er mit dem Vogel, der nur ein verächtliches „Schu!“ von sich gab. Der Bibliothekar des Kamar-Taj beobachtete dies mit ausdruckslosem Gesicht, auch wenn Stephen das Gefühl hatte, das seine Augen amüsiert blitzten. Etwas, dass den frischgebackenen Meister des Tempels von New York wieder einmal gleichzeitig irritierte und ärgerte, denn der andere ließ sich einfach nicht in die Karten blicken und sah in ihm scheinbar immer noch einen Anfänger. Deshalb klang es schon etwas gereizt, als er sich jetzt an ihn wandte: „Wong hast du vielleicht eine bessere Idee, wie ich dieses verdammte Ding dazu bringen kann, mir zu verraten, wo der Schild des Perseus ist?“ Genervt zupfte er am Kragen des „Umhangs der Levitation“, der zustimmend wedelte und dabei kalte Luft in seinen Nacken fächerte. Dieses Artefakt – so praktisch es auch war … manchmal ging ihm dessen Eigenleben und Anhänglichkeit doch ziemlich auf den Keks. Und jetzt wickelte es sich auch noch um seinen Arm und zog diesen sanft wieder hinunter, tätschelte dabei sanft seine immer noch vernarbte Hand. Was zum Teufel hatte das schon wieder zu bedeuten? Wongs Lippen zuckten verräterisch. „Obwohl sie eigentlich nur ein Gefäß für die Magie sind, so entwickeln manche Relikte doch ein Eigenleben und sie suchen sich nicht umsonst denjenigen, dem sie zu Diensten sein wollen, selbst aus“, meinte er gelassen und beobachtete das Spiel nun sichtlich amüsiert. „Das sieht man ja an deinem Umhang, Stephen. Ich würde sagen, da haben sich zwei verwandte Seelen gefunden.“ Der Angesprochene verzog das Gesicht. „Ach, du willst behaupten, ich sei flatterhaft?“, meinte er dann zynisch und erinnerte sich an die Bemerkung der Ältesten, als sie nach dem Kampf gegen Kaecilius erkannt hatte, wer ihm zur Hilfe gekommen war. Wong grinste breit. In diesem Moment war all die Strenge und Ernsthaftigkeit aus seinem Gesicht verschwunden und er wirkte fast schon jungenhaft frech. „Nein, das wollte ich nicht damit sagen“, antwortete er belustigt und beobachtete, wie der Stoff aufgeregt Wellen schlug. „Aber ihr beide habt einen Hang dazu, Anweisungen und Befehle einfach zu ignorieren und euren eigenen Kopf durchzusetzen.“ Ein empörtes Flattern des Umhangs folgte, während Stephen beleidigt drein sah. „Ich habe die Regeln nur gebrochen, weil es notwendig war, das weißt du genau … und ohne das wärst du jetzt nicht mehr am Leben“, verteidigte er sich, merkte aber dann, dass ihn der andere nur hatte aufziehen wollen. „Aber du lenkst jetzt nur ab, Wong.“ Er deutete auf die Eule. „Also, wie verdammt noch mal, kriege ich das Ding zum Sprechen? Du weißt, jede Minute können weitere Menschen sterben, nur weil irgendein Wahnsinniger das Medusenhaupt ausgegraben hat, und für seine Verbrechen benutzt!“ Wieder wedelte es zustimmend um seinen Hals herum. „Lass das“, fauchte er genervt. „Nun … “, Wong räusperte sich, und bemühte sich wieder ernst zu werden. „Um auf die 'Eule der Athene' zurück zu kommen: Ich sagte ja schon, dass einige Relikte ein eigenes Bewusstsein entwickeln. Sie gehört dazu.“ Er sah zu Stephen hin. „Die Eule hat eine lange Geschichte und viele Besitzer gehabt. Der große Feldherr Themistokles holte sich bei ihr Rat im Kampf gegen die Perser. Merlin hütete sie wie seinen Augapfel, um Arthus zu helfen, sein Reich zu erreichten, auch Nostradamos lauschte ihren Worten und nicht zuletzt ließ sich Leonardo da Vinci von ihr inspirieren.“ Er hielt einen Moment inne, als wolle er Stephen auf die Folter spannen. „Jedoch vergaßen im Umgang mit ihr alle niemals eines: Sie erwartet mit Hochachtung und Respekt beachtet zu werden und verlangt eine gewisse Ehrerbietung ihr gegenüber. In dieser Hinsicht ist sie wie die Göttin, deren Wappentier sie ist – etwas eigen.“ Er schmunzelte spitzbübisch in sich hinein und klang für Stephen im nächsten Moment wie seine eigene Mutter, wenn sie ihn als kleines Kind zurecht gewiesen hatte, wenn er etwas unbedingt hatte haben wollen, aber dabei nur gefordert hatte. „Wie also lautet das magische Zauberwort?“ Der ehemalige Neurochirurg verdrehte die Augen. Er erinnerte sich sehr gut daran, dass er dieses Wort nur selten in den Mund genommen hatte, und selbst während seiner Lehrzeit im Kamar-Taj so gut wie gar nicht über die Lippen bekommen hatte. Er knirschte mit den Zähnen und holte tief Luft ehe er es so höflich wie möglich aussprach. „Bitte …“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)