Freundschaft auf Abwegen von Nightglass (Kazu&Heiji) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Kazuhas Handy war ausgeschaltet, nachdem sie schon fünfmal Heijis Anrufe weggedrückt hatte. Sie hatte sich entschieden ihm nicht all zu leicht zu verzeihen, wie sie es immer tat, wenn er sie versetzt hatte. Diesmal hatte er sie nicht versetzt, sondern ihre Privatsphäre verletzt. Und sie konnte ihm nicht sprechen mit dem Gedanken, dass er schon wusste, was sie über ihn in ihr Tagebuch geschrieben hatte. Von dem kleinkinderhaften Gekrakel >Heiji hat mir meinen Fisch weggegessen. Wie gemein von ihm! < bis zu jugendlichen, dramatischen Einträgen >Wie dämlich von mir zu erwarten, dass Heiji auf magische Weise meine Gefühle erkennen und, noch surrealer, diese auch erwidern würde. < gab es eine Fülle von Peinlichkeiten in dem Jahre alten Tagebuch. Kazuha lag an die Decke starrend auf ihrem weichen Bett und die Straßenlaternen warfen zartes Licht durch das Fenster. Es war mitten in der Nacht, doch Kazuha konnte nicht schlafen. Keine zwei Blöcke weiter schlief Heiji und der Gedanke an ihm, verhinderte sie selbst am Schlafen. Wütend strampelte sie ihre Decke von sich und richtete sich auf. Ihr Tagebuch lag immer noch auf ihrem Schreibtisch und sie verfluchte sich, es nicht, wie sonst immer, in der Schublade verstaut zu haben, sondern es geöffnet auf dem hellen Holz liegen gelassen zu haben. Was hatte Kazuha erwartet? Dass man nicht ein Blick Wagen würde, wenn es einem schon so auf ein Silbertablett präsentiert wurde? »Naiv, Kazuha, naiv bist du! « fluchte Kazuha, nahm das Büchlein und warf es zornig in den Müllkorb. Wieso schrieb sie auch geheime Sachen auf? Wollte man sicher gehen, dass niemand diese Geheimnisse erfuhr, so sollte man einfach diese Geheimnisse nicht aufschreiben, sondern im Gedächtnis aufbewahren. Aber der ganze Zorn brachte nun alles nichts. Es war geschehen und konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Und da sie nicht mehr schlafen konnte, konnte sie genauso gut noch für die Schule lernen. Dies würde sie wenigstens von ihren Gedanken ablenken. Sie schaltete die Tischlampe an und schlug ihre Lehrbücher auf. Algebra mitten in der Nacht zu pauken, machte sie auch nicht alle Nächte. Zwei Blocks weiter lag ebenfalls ein Jugendlicher wach in seinem Bett. Heiji schrieb zum tausendsten Mal Kazuha, dass sie sich nicht so anstellen sollte und er nichts Interessantes gelesen habe, doch Kazuha reagierte nicht. Entweder ignorierte sie ihn oder sie war tatsächlich eingeschlafen, doch so sauer, wie sie gewesen war, ließ darauf schließen, dass sie ihm extra nicht schrieb. Aber was konnte er anderes tun, als ihr Entschuldigungs-SMS zu schicken? Er zog sein Talisman unter seinem T-Shirt hervor und betrachtete den roten Stoff. Das Kettenglied der Handschelle wölbte den Stoff leicht aus und Heiji musste daran denken, wie verzweifelt sie versucht haben, die Schellen voneinander zu lösen. Er hatte das Gefühl, dass sie sich nicht mehr so nahe standen wie früher. Früher verbrachten sie Tag und Nacht miteinander und wussten alles, was der Andere tat. Und heute kannte er nicht einmal ihre Freundinnen. Nao stieg ihm immer wieder in den Kopf. Er konnte sich einfach nicht an eine Nao erinnern. Die einzige Nao, die er kannte, was Nao Nageshi, ihre Kunstlehrerin, doch es war weit hergeholt anzunehmen, dass Kazuha sich außerhalb der Schule mit einer Lehrerin abgab. Er würde sie morgen einfach darauf ansprechen. Wenn sie eh schon wusste, dass er in ihrem Tagebuch gelesen hatte, dann konnte er sie auch drauf ansprechen. Ja, vor der Schule würde er sie fragen. Doch daraus wurde nichts. Als er vor ihrer Tür stand um sie abzuholen, erschien nur Kazuhas Vater, der ihm sagte, dass sie schon vor gut einer halben Stunde losgegangen war. "Die Reaktion ist völlig übertrieben", murmelte er, während er sich auf das Motorrad schwang und losfuhr. Aber auch in der Schule zeigte Kazuha ihm die kalte Schulter und ignorierte ihn regelrecht, während sie sich mit zwei Freundinnen unterhielt. Als es zur letzten Pause läutete, fing er sie noch ab. bevor sie zur Toilette düsen konnte. "Mensch, Kazuha. Stell dich nicht so an! Ich wette, es haben es schon mehr Leute gesehen." Wütend funkelte sie ihn an: "Nein, keines Wegs. So etwas Intimes zeige ich doch nicht jedem hergelaufenem Hund." Die ganze Klasse schaute zu ihnen rüber und machte für Heijis Geschmack viel zu neugierige Gesichter. Manche Mädchen waren bei Kazuhas Worten erröten, während paar Jungs pfiffen. "Was hast du denn? Es gab da nichts Interessantes zu sehen." Kazuhas Freunde im Hintergrund hielten sich die Hände vor die Münder und blickten ihn entsetzt an. Was hatten sie alle? War ein Tagebuch so ein bedeutendes Objekt in deren Leben, dass man es nicht wagen sollte, es uninteressant zu bezeichnen? Aber auch aufs Kazuhas Gesicht zeichnete sich das Entsetzen ab. "I-Ist das dein verdammter Ernst?! Nichts Interessantes?! Das ist es also für dich? Weißt du was, du... Du kannst mich mal!" Wütend schlug Kazuha die Klassenzimmertür hinter sich zu und ließ einen verdatterten Heiji zurück. Er verstand die Welt nicht mehr. Es waren doch nur Erinnerungen, die sie aufgeschrieben hatte. So wie eine Einkaufsliste. Plötzlich legte sich ein Arm um Heijis Schulter und das breitgrinsende Gesicht von Daiki tauchte vor ihm auf: "Naa~ Streit im Paradies? Ich wusste ja nicht, dass ihr schon soweit in eurer Beziehung fortgeschritten seid! Aber hey, sag mal, wie war´s?" Verständnislos schüttelte Heiji Daikis Arm von sich. Was war denn heute mit allen los? Jeder schien nur noch in Rätseln zu sprechen. Es war so, als hätte er irgendetwas verpasst. Kazuha seufzte laut und lehnte sich kurz gegen die Schulmauer. Sie hatte es mehr schlecht als recht geschafft, Heiji aus dem Weg zu gehen. Vor fünf Minuten war er mit dem Motorrad losgefahren, nachdem ihre Freundin ihm gesagt hatte, dass sie schon nach Hause gegangen war. Dankbar winkte sie ihrer Freundin zu, welche sich nun auch auf den Weg machte. Ihr Handy brummte auf. Erst wollte sie gar nicht nachsehen, da sie fest der Überzeugung war, dass Heiji ihr erneut geschrieben hatte, doch wurde sie neugierig. Zu ihrer Überraschung war es eine SMS von Rio. >Hallo Kazuha! Mama hat Kuchen gebacken und wollte fragen, ob du nach meiner Nachhilfe noch zum Kaffeetrinken bleiben möchtest? < Ein kleines Lächeln huschte über Kazuhas Lippen und machte sich auf den Weg zu ihrem Nachhilfeschüler. >Ja, ich bleibe gerne danach. Bis gleich<, schrieb sie, ehe sie ihr Handy wieder in ihre Rocktasche stopfte und sich auf den Weg zu ihrem kleinen Nachhilfeschülers machte. „Kazu“, rief Rio fröhlich und schlang seine Arme um ihre Hüfte, da er nicht höher kam. Lachend hockte sie sich hin und erwiderte seine unbeholfene Umarmung. „Na, Rio, alles gut?“ Er nickte heftig und zog sie schnell ins Haus. Rio war richtig goldig und Kazuha kannte kaum kleine Kinder, die so beflissen lernten wie er. Von den Nachhilfeschülern, die Kazuha mit der Zeit hatte, war er der Angenehmste gewesen. Sie setzten sich an den Wohnzimmertisch, auf dessen Oberfläche schon die benötigten Utensilien lagen. „Also, worum wird es denn in dem Test gehen?“, fragte sie und wuschelte durch die schwarzen Haare. „Geometrie und Winkelrechnung. Dieses Thema verstehe ich einfach nicht so gut“, antwortete Rio etwas niedergeschlagen. „Ach, lass den Kopf nicht hängen. Wir lernen jetzt schön miteinander, bis du alles drauf hast und dann wird der Kuchen später noch besser schmecken.“ Freudig lächelte Rio Kazuha an und nickte. Sie begannen zu lernen. Immer wenn er etwas nicht verstand, half sie ihm weiter und erklärte es ihm ausführlich. So bemerkte niemand von ihnen, wie sich jemand von hinten anschlich und sie beobachtete. Erst als Kazuha sich ausgiebig streckte, da sie schon knapp zwei Stunden in dieser Position verharrt war, fiel ihr Blick auf den Neuankömmling. „Huch, hast du mich erschreckt. Seit wann stehst du denn schon dort“, fragte sie, wodurch sich auch Rio umdrehte. „Onii-chan“, rief er und grinste breit, „Kazu hilft mir ganz doll beim Lernen. Jetzt verstehe ich schon fast alles!“ Sein Bruder lächelte und warf sich hinter ihnen aufs Sofa und stütze seinen Kopf auf seiner Hand ab: „Das ist super, Rio. Dann erwarte ich Höchstleistung bei deinem Test! Ich bleib noch ein bisschen hier und schau euch beim Lernen zu.“ Dabei schaute er Kazuha an und zwinkerte ihr zu. Diese lächelte und wandte sich dem lernenden Jungen wieder zu. Nach einer weiteren Stunde beendeten sie die Nachhilfe, zumal Rios Mutter kam und den Tisch deckte. Rio rannte schnell hoch und verstaute sein Heft in seinem Zimmer. Währenddessen setzte sich Kazuha schon an den Tisch. „Da habt ihr ja ziemlich durchgepaukt. Jetzt könnte er locker den lokalen Mathematikwettbewerb gewinnen“, sagte sein Bruder und setzte sich neben Kazuha. „Genau, auf jeden Fall versteht er jetzt Mathe um Weiten besser als du, Nao. Und das wo du doch Abiturient bist“, grinste Kazuha ihn an. Nao zuckte mit den Schultern: „Vielleicht sollte ich mir von dir demnächst auch mal Nachhilfe geben lassen.“ Sie zog ihre Augenbrauen hoch, doch bevor sie antworten konnte, kam die Mutter erneut rein und stellte den Kuchen vor ihnen hin. „Ah, der riecht ja köstlich, Frau Sakada“, sagte sie stattdessen, was auch nicht gelogen war. Sie kam manchmal in den Genuss von Frau Sakadas Kochkünsten, wenn die Nachhilfe mal wieder zu lange anhielt. Und das Essen war bis jetzt immer lecker gewesen. Sie lächelte freundlich und bedankte sich, bevor sie begannen den Kuchen zu verspeisen. So wie er gerochen hatte, so schmeckte er auch. Einfach köstlich. Obwohl Kazuha anschließend darauf bestand, beim Abwasch zu helfen, weigerte sich Frau Sakada, sodass sich Kazuha schließlich entschied nachhause zu gehen. Dies wollte sie aufgrund von Heiji eigentlich langmöglich aufschieben, doch wollte sie sich der Familie noch länger aufhalsen. „Ich begleite dich“, sagte Nao, als sie sich die Schuhe anzog. „Das ist wirklich lieb von dir, auch wenn ich nur paar Blöcke von hier wohne“, lächelte Kazuha und so liefen sie nebeneinander her und unterhielten sich. Kazuha hatte schon früher gemerkt, dass Nao größer war als sie, aber so wie sie jetzt nebeneinander gingen, fiel ihr auf, dass er gut zwei Köpfe größer war. Sogar etwas größer als Heiji. Und schon wieder waren ihre Gedanken bei Heiji gelandet. Die Nachhilfe hatte sie gut ablenken können, doch jetzt war wieder alleine mit ihren Gedanken. „Oh, wir sind ja schon da“, hörte sie Nao sagen und blickte auf. „Danke fürs Begleiten“, antwortete sie und umarmte ihn zum Abschied. Er fuhr mir grinsend durch die Haare und zwinkerte mir zu. Er liebte es genauso sehr zu zwinkern, wie Heiji seine Cappy. Dann ging er mit der Hand winkend den Weg zurück, während sie ins Haus ging und in ihrem Zimmer verschwand. Kazuha zuckte erschrocken zusammen, als sie die Tür öffnete, denn dort auf ihrem Bett saß ein verstimmter Heiji. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)