Nummer Neun von Avialle ================================================================================ Kapitel 13: ------------ Dankbar darüber, dass ihr Herr ein Machtwort gesprochen hatte, schleppte sich ‚Neun‘ weiter. Anders konnte sie nicht bezeichnen, wie sie sich gerade fortbewegte. Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals in ihrem Leben so erschöpft gewesen zu sein. Körperlich als auch geistig. Zudem erforderte es ihre permanente Konzentration, ihr Youki zurückzuhalten. Einzig und allein der Gedanke daran, dass ihr sonst so wortkarger Herr ein Lob ausgesprochen hatte, gab ihr die nötige Kraft, nicht aufzugeben. Jetzt, da sie endlich etwas richtig zu machen schien und er zufrieden mit ihr war, war das Letzte, was sie wollte, ihn abermals zu enttäuschen. Wenn ‚Neun‘ es nicht besser wüsste, würde sie vermuten, dass ihr Schädel kurz vor dem Platzen stand. Nicht nur, dass sie in der Nacht ihre Gestalt gewechselt hatte, machte ihr zu schaffen. Rin hatte wenige Fragen gestellt – dafür aber genau die richtigen, um sie total aus der Bahn zu werfen. Jene, die ihr selbst nie in den Sinn gekommen waren. Worüber sollte sie da als erstes nachdenken? Einerseits war sie zutiefst erleichtert, dass ihr so etwas wie in der Nacht noch nie zuvor passiert war. Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können, wenn kein erfahrener Youkai wie ihr momentaner Herr da gewesen wäre! Die Söldner ihrer Herren hatten immer einen gewissen Abstand zu ihr gehalten, obwohl sie selbst Youkai waren. Irgendetwas schien sie immer davon abgehalten zu haben, ihr zu Nahe zu kommen. Bei keinem von ihnen hatte 'Neun' je einen solchen… Ausbruch beobachtet. Nicht ein einziges Mal. Der Fürst aber hatte gesagt, dies sei normal… Nein, sie verstand einfach nicht, was da mit ihr passiert war. Was sie zudem verunsicherte, war, dass sie eine Erinnerungslücke hatte. Sie wusste noch, dass da etwas war, das sie von ihrer Hilflosigkeit befreien würde. Das Nächste, an was sie sich erinnern konnte, war, wie sie vor ihrem Herrn in ihrem anderen Körper stand und zunächst nicht wusste, was mit ihr nicht stimmte. Dazwischen herrschte gähnende Leere. Was war passiert? Zu gerne würde sie es wissen, bezweifelte jedoch, dass er ihr diese Frage beantworten würde. Außerdem hatte sie kein Recht dazu. Wenn es etwas gewesen wäre, von dem sie wissen sollte, hätte er es gesagt. So schienen die Ereignisse unbedeutend zu sein. Dennoch, so ganz ließ es sie nicht los. Als ob sie etwas verbrochen hätte… Sie runzelte kaum merkbar ihre Stirn und neigte den Kopf zur Seite. Auch das konnte nicht sein ...immerhin hatte er sie gelobt statt sie zu strafen. Abermals dachte sie an an Rins letzte Frage. „Weißt du deinen Namen?“ Bisher war es ‚Neun‘ nie in den Sinn gekommen, dass auch sie einst einen eigenen Namen besaß. Seit sie denken konnte, war sie Nummer Neun. Niemals wurde sie anders angesprochen, das war ihr Name. Aber Neun war eben kein Name, das hatte das Menschenkind richtig erkannt. Über was zerbrach sie sich da überhaupt den Kopf?! Es war unbedeutend für sie! ‚Neun‘ würde immer genau das sein: Eine Nummer, eine gehorsame Sklavin, die alles zur vollsten Zufriedenheit ihres Herrn tat. So war es und würde es auch in Zukunft sein. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Zumindest nicht lebendig. Unwillkürlich wanderte sie mit einer Hand zu ihrem Hals und fuhr darüber. Sprechen. Schon als kleines Kind hatte sie durch Beobachten gelernt, dass es eher nachteilig war, sich als Sklave akustisch zu äußern. Schweigen bekam einem besser. Also hatte sie nie angefangen, es zu versuchen. Warum auch etwas derart Unnützes erlernen? Nur was hatte sich an ihrer Situation geändert? Ein neuer Besitzer. Ein verwirrender Besitzer, der in ihren Augen nicht immer logisch handelte. Dazu das Mädchen, welches eine große Neugierde besaß. ‚Neun‘ ließ die Hand wieder sinken. Nein, bisher war sie mit Schweigen durchs Leben gekommen – und wer wusste schon, ob sie überhaupt in der Lage war, zu reden? Ihr Blick wanderte zu dem Mädchen. Was ging nur in ihrem Kopf vor? Was interessierte es Rin überhaupt, was mit ‚Neun‘ war? Sie sollte nicht so viel über Dinge nachgrübeln, die sich nicht ändern ließen. Ihr Leben war eben so, fertig. Und dennoch ...diese einseitige Unterhaltung wollte sie einfach nicht loßlassen... Das Eingreifen des Fürst war ihr nach wie vor das zweite große Rätsel, an dem sie knabberte und das sie nicht aus ihrem Kopf bekam. Natürlich war sie ihm dankbar, doch das bohrende 'warum' zerrte an ihren Nerven. Das wiederum brachte sie auch auf die Geschehnisse vor ihrer Verwandlung zurück. Erst tötete er sie fast, nur um sie dann zu nehmen. Das ergab keinen Sinn, erst recht weil er so … sanft zu ihr war. Unwillkürlich erinnerte sie sich an dieses unbekannte Gefühl und erschauderte. Ihr Blick blieb an seinem Rücken haften und zum gefühlt tausendsten Mal wollte sie verstehen, was in seinem Kopf vorging. Innerlich über sich selbst den Kopf schüttelnd, drängte sie diesen Wunsch beiseite. Er war der Herr, sie sein Sklave. Sie hatte lediglich zu gehorchen, nichts sonst. Es stand ihr nicht zu, sein Verhalten zu hinterfragen. Über was zerbrach sie sich überhaupt den Kopf? Es führte immer zu ein und demselben Ergebnis. ‚Neun‘ musste damit aufhören. Sie hatte einen Befehl erhalten und den würde sie befolgen. Bewusst fühlte sie nach ihrem Youki und überprüfte, ob es noch unterdrückt war. Nicht auszudenken, wenn sie vor lauter grübeln nachließ… Doch zu ihrer Erleichterung hatte sich nichts verändert und sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Weg vor sich. Nur, um den sorgenvollen Blick Rins auf sich zu spüren. ~~~ „Kagome! Sango!“ Beide Frauen hoben den Kopf beim Klang ihres Namens – da sprang Shippo bereits in ihr Sichtfeld. Die beiden waren gerade auf dem Weg zu den Feldern, als der aufgeregte Kitsune sie aufhielt. Es war bereits Abend, dennoch waren noch eine Handvoll Menschen dabei, die Felder zu richten. Zu eben jenen hatten die Freundinnen gewollt. „Was ist denn los?“ Auf Kagomes Frage hin atmete Shippo mehrmals durch, ehe er wieder sprechen konnte. „Kohaku ist zurück! Er hat sie gefunden!“ Wen, musste er natürlich nicht erwähnen und kaum hatte er in die entgegengesetzte Richtung gezeigt, als die von ihnen eingeschlagene, machten Miko samt Dämonenjägerin kehrt. Erstere hielt aber noch ein Mal inne „Shippo, informierst du unsere fleißigen Feldarbeiter?“ „Klar!“, schon lief der junge Youkai eilig weiter, um möglichst schnell wieder zurück zu sein. Kagome und Sango indes eilten zwischen den Hütten hindurch und ihnen schlossen sich die restlichen der Verbliebenen an, hatte sich die Nachricht doch anscheinend schnell verbreitet. Am Rande des Dorfes blieben sie schlussendlich stehen. Bis zum nächsten Stück Wald war es ein gutes Stück, daher würde es noch etwas dauern, bis die Heimkehrenden bei ihnen angelangt waren. Um sie herum brach Getuschel aus und manch erleichterter Laut war zu vernehmen, wenn jemand einen vermissten Verwandten erkannte. Auch Kagomes Blick ging über die Gesichter, ordnete ihnen Namen zu und überlegte sich bereits, wie sie auf die Nachricht vom Verlust geliebter Familienmitglieder reagieren würden. Und auf Kaedes, dies würde alle schwer treffen und ließ der Miko das Herz schwer werden. Abermals ging sie alle durch und Sango neben ihr sprach aus, was Kagome ebenfalls festgestellt hatte. „Rin fehlt.“ „Sie wird mit Sicherheit bei Sesshomaru sein“, sprach sie ihren Verdacht aus. Die Dämonenjägerin zögerte. „Müsste sie dann nicht längst zurück sein? Sesshomarus Gruppe wäre schneller gewesen.“ Dem konnte Kagome nicht widersprechen, aber sie äußerte einen anderen Gedanken. „Wenn er sie überhaupt wieder hierher bringt.“ Jetzt war es an Sango, zögerlich zu nicken. „Warten wir ab, was sie uns zu erzählen haben. Vielleicht klärt sich alles von selbst.“ Ihre Unterhaltung endete abrupt, als Kirara in ihrer kleinen Form auf sie zukam, nur um umgehend in Sangos Arme zu springen. Die beiden Frauen schmunzelten und wandten sich den ersten Neuankömmlingen zu. Es war bereits Nacht, als Kagome mit dem letzten Verwundeten fertig wurde und sich auf den Weg zu ihrer Unterkunft machen konnte. Sie teilte sich, mangels Alternativen, eine Hütte mit Shippo, Sango und deren Kindern. Kohaku würde ebenfalls bei ihnen unterkommen. Mittlerweile hatte sich auch die Aufregung wieder gelegt. Der schöne Moment, in dem sich Familien wieder vereint in den Armen gelegen hatten, war schnell verstrichen. Die Menschen waren müde von den Geschehnissen, hungrig… Dann erreichten sie endlich ihre Heimat, nur um festzustellen, dass diese ebenfalls Spuren davon getragen hatte, sie nicht in ihre sicheren Behausungen zurückkehren konnten. Kagome hatte sich die Zeit genommen und mit jedem, den sie notdürftig versorgte, zumindest ein paar Worte gewechselt. Ihnen gegebenenfalls ihr Beileid ausgesprochen und jedes Mal war auch der Name Kaede gefallen. Dadurch war die Miko nicht nur körperlich erschöpft, sondern auch geistig. Sie sehnte sich danach, endlich zur Ruhe kommen zu können. Zumindest für ein paar Stunden, ehe sie am nächsten Morgen der Realität ins Auge sehen musste. Natürlich freute sie sich, dass beinahe alle Bewohner des Dorfes da waren, aber es brachte eben auch Probleme mit sich. Ihre räumliche Situation hatte sich verschärft und auch mit der Nahrung würde es schwierig werden. Blieb nur zu hoffen, das InuYasha und Miroku nicht allzu lange brauchen würden. Mit einem schweren Seufzer betrat sie den kleinen Raum und ließ den Blick schweifen. Die Zwillinge schliefen bereits tief und fest, ebenso wie Shippo, der bei ihnen lag. Sango und ihr Bruder saßen noch am Feuer und schienen sich leise unterhalten zu haben. „Das hat aber lange gedauert“, bemerkte Sango, während sich Kagome bei ihnen niederließ. Diese legte erst Pfeil und Bogen ab, ehe sie ihre Freundin müde anlächelte. „Viele haben noch mit mir sprechen wollen. Die Menschen sind voll Trauer und Sorge… Ihnen fehlt es an Hoffnung.“ Verstehend nickten die Geschwister und Kohaku erklärte leise: „Ich hatte ihnen nichts Genaueres gesagt, um eben dies während der Reise zu verhindern.“ „Dir macht niemand einen Vorwurf, es war richtig, was du getan hast“, die Miko machte eine kurze Pause. „Dennoch, es wird schwer für uns alle werden. Wir müssen aber dafür sorgen, dass keiner von ihnen aufgibt. Wenn einer anfängt…“ Den Blick nachdenklich auf die Nekomata auf ihrem Schoß gerichtet, dachte Sango laut nach: „Wir haben hier genug Arbeit. Teilen wir sie so ein, das jeder etwas zu tun hat und nicht zum Nachdenken kommt.“ „Zumindest bis eure Männer zurück sind. Wenn sie sehen, dass wir wieder mehr Nahrung und Saatgut haben und auch der Wiederaufbau voran schreitet, werden sie auch neue Kraft und Hoffnung schöpfen“, fügte ihr Bruder hinzu. Bei seiner Wortwahl horchte Kagome auf „Wir? Du bleibst also?“ „Vorerst ja. Ich werde euch gewiss nicht im Stich lassen.“ Ehe die Miko ihrer Freude über diese Nachricht Ausdruck verleihen konnte, ergriff Sango bereits das Wort. „Du hast von der Sache mit Rin gehört?“ Augenblicklich wich das Lächeln aus dem Gesicht der Gefragten: „Ja, habe ich. Wenn sie jemand findet, dann ja wohl Sesshomaru.“ „Hoffen wir es…“, murmelte die Dämonenjägerin, ehe sich schweigen über sie legte. ~~~ Hungrig blickte ‚Neun‘ hinüber zum Feuer. Jaken und Rin hatten Fische gefangen und diese brieten gerade. Zur Abwechslung Mal hatte die Sklavin sich nicht um die Nahrungsbeschaffung kümmern können, denn ihr Herr hatte sie anderweitig gefordert. Schon am Vortag hatte er zu ihrer aller Überraschung bereits am Nachmittag Halt gemacht und ihnen mitgeteilt, dass sie im Schutze des kleinen Hains auch die Nacht verbringen würden. Sie hatte ihre Chance gleich genutzt, um noch eine weitere Runde zu schlafen. Am Abend wurde sie von Rin geweckt, die sich mit einem ehrlichen, schuldbewussten Blick entschuldigte – aber weit und breit hatte die Kleine keine Möglichkeit gesehen, sich zu versorgen, daher hatte sie sich an ‚Neun‘ gewandt. Diese hatte sich umgesehen und festgestellt, dass ihr Herr nicht da war, also war sie der Bitte des Kindes nachgekommen. Rin hatte ihre Blicke beim Essen bemerkt und ihr ebenfalls etwas angeboten, sodass auch die Inu ihren Hunger hatte stillen können. Dass sie schon wieder das Bedürfnis hatte, essen zu müssen, sollte ihr eigentlich zu denken geben. Dabei lag der Grund auf der Hand. Kaum hatten sie ihr karges Mahl am Abend beendet, war der Fürst aufgetaucht und hatte ‚Neun‘ mitgenommen. Es hatte eine weitere Lektion im Umgang mit ihrem Biest und ihrem Youki gegeben, an deren Ende sie sich einmal mehr zurück ins Lager geschleppt hatte und an Ort und Stelle eingeschlafen war. Das Ganze war aber auch anstrengend… An diesem Tag hatten sie ebenfalls bereits am Mittag ihr Lager aufgeschlagen, nur hatte ihr Herr sie umgehend mit sich genommen. Jaken und Rin hatten da bereits entschieden, dass sie am nahegelegenen Fluss Fische fangen würden. Es hatte die Sklavin seltsamerweise berührt, als das Menschenkind ihr strahlend verkündete, dass heute Mal sie die Youkai versorgen würde und nicht umgekehrt. Sie kannte das Gefühl nicht, das die Fürsorge des Kindes in ihr ausgelöst hatte. Ihre Verwirrung hatte sie aber nicht mehr zum Ausdruck bringen können, da ihr Herr sich bereits entfernte. Kurz löste sich ihr Blick von dem verlockenden Fisch und wanderte zu besagtem Youkai. Auch heute hatte er sie im Umgang mit ihren Kräften unterwiesen und ‚Neun‘ hatte sich große Mühe gegeben. Das Unterdrücken ihres Youkis fiel ihr mittlerweile überraschend leicht, sie musste nicht mehr ihre gesamte Konzentration dafür aufbringen. Wie sie aber merkte, war das noch längst nicht alles, was sie seiner Meinung nach können musste. Zu ihrer eigenen Enttäuschung gelang es ihr nicht immer, seinen Anweisungen nachzukommen. Auch wenn er selbst sie nicht rügte und geduldig blieb, es machte ihr zu schaffen. Wenn er sie wenigstens bestrafen würde! Aber er tat nichts dergleichen, sondern machte mir einer stoischen Ruhe weiter, die ihresgleichen suchte. Dabei hatte sie das doch gar nicht verdient. Immerhin versagte sie, kam seinen Forderungen nicht nach. Das durfte nicht passieren. Beim nächsten Mal würde sie es besser machen. ‚Neun‘ ballte unwillkürlich die Hände. Sie musste besser werden! Immerhin wusste sie doch jetzt etwas, das sie tun konnte, um ihn zufrieden zu stellen. Also musste sie es auch tun! Eine andere Option stand nicht zur Debatte. „Essen ist fertig!“ Rins fröhlicher Ausruf brachte ihr sofort die vollständige Aufmerksamkeit der Inu ein. Diese ließ sich nicht zwei Mal bitten und begab sich zu Jaken und Rin ans Feuer, um ihren Anteil entgegen zu nehmen – der zu ihrer Überraschung größer als erwartet ausfiel. Die Kleine bemerkte ihre Überraschung und strahlte ‚Neun‘ an. „Ich habe mir extra viel Mühe gegeben, damit es für uns alle reicht!“ Ein kleines Lächeln stahl sich auf die Lippen der Sklavin und sie senkte dankbar den Kopf. Gerade als sie sich erheben und auf ihren Platz gehen wollte, legte sich eine Hand auf ihren Arm und ließ sie inne halten. Es war wieder das Kind, welches sie aufgehalten hatte. „Bleib doch sitzen, du musst nicht gehen.“ Zögerlich sank ‚Neun‘ zurück, wich dabei dem Blick des murrenden Kappas aus. Offenbar war es nicht seine Idee gewesen, sie mit ihnen essen zu lassen… Unschlüssig, ob sie nun darauf reagieren sollte, blieb sie wo sie war und konzentrierte sich lieber auf ihr Mahl. Denn wenn sie es richtig einschätzte, würde sie heute noch eine weitere Einheit absolvieren dürfen… Da brauchte sie alle Energie, die sie kriegen konnte. Abermals sah sie sich im Lager um und stellte fest, das Ah-Uhn sich am Flussufer in der Sonne ausgestreckt hatte und vor sich hin döste. Ihr Herr saß nach wie vor einige Meter entfernt an einen Baum gelehnt, hatte aber die Augen geschlossen. Ob er schlief? So ganz sicher war sie sich da nicht. Nachdenklich kaute sie auf dem nächsten Bissen herum und neigte unwillkürlich den Kopf. Was ihr Herr wohl vor hatte? Ohne Grund lehrte er sie mit Sicherheit nicht den Umgang mit ihren Kräften. Dass er es aus Gutmütigkeit tat, schloss sie von vornherein aus. Irgendetwas musste er also damit bezwecken… Da schlug er die Augen auf und erwiderte ihren Blick – umgehend sah sie nach unten und zog den Kopf ein. Jetzt hatte er sie auch noch beim Starren erwischt… Doch wieder blieb ein Tadel aus und sie wandte sich den anderen zwei am Feuer zu. Von ihnen hatte zum Glück keiner ihren Fauxpas bemerkt, denn Jaken und Rin hatten begonnen miteinander zu zanken. Nichts Ungewöhnliches, wie sie mittlerweile wusste. Schien irgendwie dazu zu gehören… Man könnte meinen, die beiden konnten sich nicht ausstehen. Die Sorge des Kappas, als Rin ohnmächtig war und seine Freude über ihr Erwachen sprachen da aber gänzlich andere Sprache. Irgendetwas hatte das Menschlein an sich, anders konnte sich ‚Neun‘ nicht erklären, warum sie unter dem Schutz eines Fürsten stand. Überhaupt war es schon sehr verwunderlich, wie vertrauensvoll Rin mit der bunt gemischten Gruppe umging. Auch in der vergangenen Nacht schien sie einen schlechten Traum gehabt zu haben – abermals hatte sie Trost beim Fürsten gesucht und diesen auch erhalten. Das war geradezu absurd. Ebenso wie die Fürsorge, die sie ihr zuteilwerden ließ. Sie sollte sich nicht um jene Sklavin sorgen, die ihr ihre Kette angelegt hatte. Dennoch tat sie es. Das war entgegen jedweder Vernunft. Nur warum wunderte sie sich überhaupt? In dieser Gruppe schien sich so oder so niemand für solcherlei Dinge zu interessieren. ‚Neun‘ bekam kaum mit, wie sie ihr Mahl beendeten und wurde erst zurück in die Realität gerissen, als ihr Herr sich erhob und sie auffordernd ansah. Hatte sie sich also nicht getäuscht. Mit mehreren Schritten Abstand, folgte sie dem Fürsten und betrachtete dabei gezwungenermaßen seine Rückansicht. Ein Schauder lief über ihren eigenen Rücken. Berührungen ließen sich bei ihren Übungseinheiten nicht vermeiden und irgendwie hatte sie dadurch ein Vertrauen zu ihm aufgebaut, das sie bisher zu keinem anderen Herrn hatte. Wenn diese sie berührt hatten, war es selten angenehm für ‚Neun‘ gewesen. Sie verband mit den Meisten einfach nichts Positives. Nicht, dass sie ihre Herren angeekelt hätten, aber sie mochte es eben nicht. Zu grob waren sie, interessierten sich nicht dafür, wie es ihr ging. Selbstredend hatte sie ihr rücksichtsloses Verhalten dennoch nie in Frage gestellt, sondern stumm akzeptiert… Der Fürst aber hatte sie seit vorletzter Nacht nicht mehr verletzt. Wenn er sie anfasste, passierte nichts. Außer vielleicht, dass sie einen Fehler korrigieren konnte und somit ihrem Ziel, ihn zufrieden zu stellen, näher kam. Aber da war noch mehr. Sie bekam die Erinnerung an den gemeinsamen Akt nicht aus dem Kopf. All das, was sie dabei empfand, war ihr bisher unbekannt gewesen. Sie mochte diese neuen Empfindungen aber – und er hatte sie ihr gezeigt. Mit gewissen Erstaunen über sich selbst, musste ‚Neun‘ feststellen, dass sie sich nicht nur so bemühte, weil er ihr Herr war und sie dies tun musste. Nein, sie WOLLTE ihm tatsächlich gefallen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)