Nicht meine Welt von Shadow-x1999 ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Das Wasser ist salzig und brennt auf seiner Haut. Welle um Welle spült über ihn hinweg, durchnässt seine Kleidung und erstickt ihn fast. Hustend rappelt er sich auf, erst auf die Knie, dann auf wackelige Beine. Der Wind ist kühl und lässt ihn erschauern, während Salz seine Wimpern und Haare verkrustet. Er weiß nicht wo er ist. (Er wusste es einmal...) ____~~~~____~~~~____~~~~____ Sein Weg führt ihn von der Brandungslinie weg, weiter hinauf durch tiefen Sand. Vor ihm ist nichts. Er blinzelt. Vor ihm ragen zerklüftete Felsen empor, verwaschen von Stürmen, aber noch immer gewaltig. Hinter ihm rauscht das Meer, als wolle es ihn zurückrufen, ihm befehlen, zurück in seine kalte Umarmung zu tauchen. Doch er achtet nicht darauf. (Es gab eine Zeit, da nahm er Befehle nur von Leuten an, denen er vertraute...) Seine Kleider sind schon längst trocken, auch wenn die Zeit dafür eigentlich nicht gereicht haben dürfte. Sein Blick irrt wieder zu den Klippen empor. Er braucht einen Ort, an dem er bleiben, an dem er ausruhen kann. Irgend eine Stimme mahnt ihn, diesen unwirtlichen Ozean nicht zu weit hinter sich zu lassen. Also erklimmt er die Felsen, folgt einem schmalen Weg die Steilwand empor. Wie lange er läuft, vermag er nicht zu sagen. Endlich oben angekommen huscht sein Blick ziellos umher (Weil dort nichts ist....), bis er sich an einem kleinen, aber eleganten Haus fängt, dass nahe des Klippenrandes steht. Wie von selbst tragen ihn seine Füße dorthin. Das Dach ist mit schwarzen Schieferplatten gedeckt, die Wände weiß verputzt. Ein unscheinbares Gebäude, aber dennoch einladend. Sachte umfassen seine Finger die Türklinke, welche widerstandslos nachgibt. Er tritt ein. (In sein Zuhause für so lange Zeit....) Kapitel 1: ----------- Vor dem Haus ist ein kleiner Garten. Er zeigt ins Landesinnere hinein, weshalb er vor dem rauen Wetter der See geschützt ist. Hohe Berge überragen ihn von allen restlichen Seiten, doch das macht ihn nur noch schöner. Er hat eine kleine Veranda, die Raum für einen Tisch und zwei gemütliche Stühle bietet. Doch was ihn wirklich ausmacht, sind die Blumen, die in ihm wachsen: Hortensien rascheln in allen Nuancen von blau bis blass rot. Immergrün rankt über den Boden und bedeckt alles mit violetten Kelchen. Vergissmeinnicht verzaubert mit tausenden von kleinen himmelblauen Blüten. Narzissen strahlen so hell wie Sonnenlicht. Nelken wiegen sich sachte im Wind. Stiefmütterchen entfalten ihre bunten Köpfchen in kleinen Grüppchen. Er weiß nicht, warum diese Blumen dort wachsen. Er hat sie nicht gesät (Und doch wachsen sie hier...) Aber manchmal, wenn ihm ihr Duft in die Nase steigt, glaubt er, er müsse sich an etwas erinnern. ____~~~~____~~~~____~~~~____ „Arthur.“ Die Stimme ist sanft, mit einem leichten französischen Akzent. Dennoch wandert seine Hand blitzschnell zu der Waffe in seinem Hosenbund. (Warum er eine Waffe trägt, hat er längst vergessen....) Er schnellt herum, angespannt, als würde er einen Angriff erwarten. Vor ihm steht eine junge Frau. Sie ist schön. Sanfte braune Locken umspielen ihre fein geschnittenen Züge. Ihre schlanke Gestalt steckt in einem nachtschwarzen Abendkleid, welches schulterfrei bis zu ihren Knöcheln fällt. „Mal.“ Der Name legt sich wie selbst auf seine Zunge und noch ehe er ihn ausspricht, weiß er, dass er stimmt. Mit ihm steigen Empfindungen in ihm auf, Erinnerungen und Gefühle. Er kennt diese Frau, kennt sie bereits so lange. Sie sind Freunde. (Und dennoch ist da etwas in ihm, der vor ihr auf der Hut ist, der erwartet, von einer ihrer Kugeln getroffen zu werden...) ____~~~~____~~~~____~~~~____ „Du gehörst nicht hier her.“ Die Worte sind voller Ernst, aber auch Mitleid. Er blickt zu ihr hinüber, überrascht. Sie sitzen gemeinsam im Garten und trinken Tee. Die Worte kommen unvermittelt, aber fallen in die Waagschale wie Eisenkugeln. „Warum?“ Ihr Lächeln ist traurig, so unendlich traurig, als sie ihm in die Augen blickt. „Du bist allein.“ Er will widersprechen, will ihr sagen, dass das nicht stimmt. Schließlich ist sie doch bei ihm. „Nein, ich bin nur ein Gast.“ Es ist, als könne sie seine Gedanken lesen, doch er weiß, dass das nicht stimmt. Sie sind nur schon so lange Freunde. „Irgendwann, wird jemand kommen. Jemand, der dich mit sich nimmt.“ Er schweigt. Was sollte er auch darauf erwidern? Aber irgendwo, verborgen hinter Hortensien, keimt eine Kornblume. ____~~~~____~~~~____~~~~____ Es gibt an diesem Ort keine Zeit. Anfangs gab es nicht einmal Tag und Nacht. Doch irgendwann war er so erschöpft, dass er die Augen schloss und als er aufwachte, dämmerte der Morgen. Seitdem scheint die Sonne. Aber sie geht nicht unter. Niemals geht sie unter, bleibt ewiglich am Himmel stehen, außer er geht in sein Schlafzimmer, müde und ausgehungert nach Ruhe. Dann, nur dann versinkt sie langsam im unendlichen Meer. Dann, nur dann färbt sich der Himmel blau und der Mond erscheint am Firmament, immer eine Sichel. Und so muss es auch sein, nicht wahr? (Aber es gibt keine Sterne und die Nacht erscheint um so vieles finster an diesem Ort, den er nicht benennen kann...) ____~~~~____~~~~____~~~~____ Er hat ein einziges Fenster, dass zum Meer hinaus zeigt. Es befindet sich in seinem Schlafzimmer. Manchmal steht er abends dort, starrt hinaus auf die Wellen und fragt sich, auf wen er wartet. Denn das Mal Recht hat, daran zweifelt er nicht. Tief in seinem Herzen wusste er es vom Moment, da seine Wange über Sand schabte, an. Das diese Person dort unten angespült wird, ist ebenso unverrückbar. Aber er hasst dieses Meer. Hasst es so sehr, dass er es nicht lange ansehen kann. Das er eigentlich von hier weggehen will. Aber er bleibt, hier am Rande der Klippen. Er wartet. ____~~~~____~~~~____~~~~____ Neben seinem Haus steht ein Leuchtturm. Wie lange er steht, weiß er nicht mehr. Er war einfach da. Weiß gekalkt und hoch. Eine Wendeltreppe führt außen hinauf bis zu einer Plattform. Dort oben ist das Signalfeuer, das jede Nacht leuchtet. Das jede Nacht, seinen Strahl über die Wellenkämme wandern lässt. Immer auf der Suche. Immer bereit gesehen zu werden. Wer auch immer kommen mag, er wird den Leuchtturm sehen, der so hoch in den Himmel ragt. Und er wird den schmalen Pfad hinauf auf die Klippen nehmen. Hinauf, bis er das kleine Häuschen sieht, das zu Füßen des Turmes steht. Und er wird wissen, das dort Arthur ist und auf ihn wartet. ____~~~~____~~~~____~~~~____ Wenn Mal nicht bei ihm ist, bleibt ihm so viel Zeit. Zeit, die er nicht zu füllen weiß. Wenn er aufsteht und sich fertiggemacht hat, sitzt er am Esstisch. Vor sich ein Croissant mit Marmelade (Eine Angewohnheit, die aus seiner Zeit in Paris stammt...). Woher das Gebäck kommt, weiß er nicht. Jeden morgen liegt eines im Brotkorb. Und jeden Abend wartet eine Scheibe Brot auf ihn. Auch seine restlichen Lebensmittel tauchen einfach auf. Er denkt an einen Apfel, wie gerne er einen essen würde, und wenn er sich umwendet, liegt einer an seinem Platz, rotwangig und so herrlich frisch. Anfangs hatte er noch versucht ein paar neue Rezepte zu erlernen. (Ein Gedanke an Kochbücher und das Regal über seinem Kopf ist voll von ihnen...) Erfolglos. Die Gerichte tragen Namen und haben sogar Bilder, doch jedes Mal, wenn er sich abwendet um eine Zutat vorzubereiten, ändern sich die Mengenangaben, ja sogar die Zutaten! Und selbst wenn er es schafft, etwas Neues zu kochen, schmeckt es nach nichts. Nichts. So als könne er nur Dinge schmecken, die er kennt. So als würde er nur von Erinnerungen an Mahlzeiten leben. (Und die Stimme in seinem Kopf lacht und gratulliert ihm zu dieser so widersinnigen Einsicht...) ____~~~~____~~~~____~~~~____ Auch Bücher zu lesen dient kaum als Zeitvertreib. Es ist wie mit den Rezepten: Er liest eine Seite, doch bis er fertig ist, hat sich der Anfang bereits verändert. Und sei es nur ein Satz. Es ist, als würde die Geschichte stehen, doch die Worte, mit denen sie erzählt wird, würden laufend umgeschrieben. So, als könne sich der Autor nicht für den Besten Wortlaut entscheiden. Doch irgendwann gewöhnt er sich, an diese seltsamen Bücher. Irgendwann vergisst er, dass es nicht normal ist, was seine Lektüre tut. (Nur die Stimme zischt „falsch“...) Was ihn wirklich stört, ist, das keine neuen Werke hinzukommen. Er hat die gut vierunddreißig Bücher nun schon hunderte Male gelesen, doch nie erscheint ein neues Buch. Nie. Immer die gleichen Titel. Immer die gleichen Geschichten. („Kein Fünkchen Phantasie, Darling.“ Aber warum? Warum?...) ____~~~~____~~~~____~~~~____ Sie sitzen beim Kaffee. Mal nippt an ihrem Milchkaffee und genießt mit ihm die Ruhe seines Gartens. Sie plaudern. Von Arthurs Seite gibt es nicht viel zu erzählen, doch das macht nichts. Mal füllt die Stille mit Worten, erzählt von ihrer eigenen Welt. Erzählt von Wolkenkratzern und kleinen Puppenhäusern. Erzählt von einem Meer, seinem nicht unähnlich, das unablässig gegen die Mauern der Gebäude stürmt, und sie sich langsam, ach so langsam einverleibt. Ihr Gesicht strahlt und sie leuchtet geradezu von innen. Er lächelt. Es ist so selten, dass er einen Grund dafür findet. Deshalb hortet er diese kleinen Momente des Glücks, des Nichtalleinseins. Er bewahrt sie auf, für die Tage, in denen er wieder alleine ist. Gerade knabbert Mal an einem süßen Törtchen, als sie innehält. Sie erstarrt, die Augen in weite Ferne gerichtet. Und etwa in ihm verkrampft sich bei diesem Anblick. Eine Ahnung. Nur eine Ahnung. Er versucht die Angst abzuschütteln, streckt schon die Hand aus, um sie zu berühren, sie zurückzu- holen. Doch das ist nicht nötig. Ihre Augen werden wieder klar und sie lächelt. Sie lächelt, so voller Glück und voller Trauer, dass es ihm fast das Herz zerreißt. „Chérie.“ Ihre Stimme ist sanft. „Es ist soweit. Ich muss gehen.“ Sie erhebt sich und er folgt ganz automatisch. Steif steht er dort, unfähig, etwas zu erwiedern. Ihre Augen treffen sich. Ihre sind so voller Liebe, das er meint, in ihnen zu ertrinken, unter die Oberfläche gesogen zu werden, um nie wieder aufzutauchen. Sie greift nach seiner gefühlslosen Hand und zieht ihn zu sich. Ihre Arme legen sich um ihn und sie umarmt ihn. Ihr Geruch, warm und rosig, steigt ihm in die Nase. Er bemerkt kaum, wie er die Umarmung erwidert. Nur die Träne, die ihm über die Wange rinnt. „Sch~ Ich muss gehen. Es geht nicht anders. Endlich kommt er. Oh, Chérie. Ich habe so lange auf ihn gewartet.“ Sie lächelt wieder, dieses Mal voller Sehnsucht. Sie löst sich von ihm und seine Arme fallen nutzlos herunter. Wind kommt auf und fährt ihr durch den kurzen Bob. Ihr Kleid flattert leicht in der Brise. Er will sie aufhalten, will sie biten zu bleiben, doch er kann nicht. Er weiß, dass sie gehen muss. Bevor sie das Gartentor erreicht, wendet sie sich noch einmal um. „Er wird kommen. Irgendwann wird er kommen und dich mitnehmen. Das darfst du nie vergessen, Arthur! Versprich es mir.“ Ihr Blick ist ernst und er nickt. „Ich verspreche es.“ Die Worte fühlen sich trocken an, doch er meint jedes einzelne von ihnen. Einen Herzschlag noch, ruhen ihre sanften braunen Augen noch auf ihm, dann dreht sie sich um und geht. Sacht fällt das Gartentor ins Schloss und er ist allein. (Warte. Er wird kommen...) ____~~~~____~~~~____~~~~____ Manchmal ist die Stille zu viel. Nicht, das es keine Geräusche gegeben hätte. Aber menschliche Stimmen fehlen, jemand, mit dem er sich unterhalten könnte. Manchmal beschleicht ihn die Angst, für immer schweigen zu müssen. Was, wenn er zu sprechen verlernte? Wenn die Worte in seinem Kopf gefangen blieben, ohne seine Zunge zu erreichen? Also singt er. Er ist nicht besonders gut, aber das ist gleich. Er singt alles, was ihm einfällt. Lieder, die er im Radio gehört hat, Lieder, die er in der Schule lernte und französische Kinderlieder. Mal brachte sie ihm bei. (Wann, weiß er nicht mehr...) Die Melodie sprudelt aus ihm hervor, als wäre dort ein Brunnen, tief in seinem Geist, der versucht, die Einsamkeit wegzuspülen. Die Worte kommen erst später, schleichen sich nach und nach ein. Im Garten, im Kanon mit dem Rascheln der Blätter, in der Küche, zum Hacken seines Gemüsemessers, oder weggerissen, vom stürmischen Wind am Strand. Denn inzwischen geht er manchmal dort hinunter. Wandert an der Wellenlinie entlang, ohne jedoch das Wasser zu berühren, aus Angst, einen Teil von sich (Das Versprechen an Mal...) zu vergessen. ____~~~~____~~~~____~~~~____ Vormittags durchläuft er ein Übungs- und Trainingsprogramm, dass er sich selbst aufgestellt hat. Dauerlauf in die Berge, immer in Sichtweite des Leuchtturms. Kampfsport im Garten. Er weiß nicht, ob es eine bestimmte Art ist, ob Judo, Karate, Taekwando. Aber die Bewegungen sind vertraut. Die Abfolgen fast schon in Fleisch und Blut übergegangen. Wenn das nicht ausreicht, übt er neue Techniken, die er irgendwann einmal gesehen hat. („Filme“ flüstert die Stimme „In Träumen“...) Sie gelingen ihm nicht auf Anhieb, aber er hat Zeit. So viel Zeit, die er nicht füllen kann. Die er wartend verbringt, hoffend. (Worauf?...) Das Training bringt Ablenkung. Wenn sein Herzschlag in seinen Ohren dröhnt und ihm der Schweiß in die Augen rinnt, vergisst er manchmal, wo er ist. Doch manchmal ist es immer noch zu viel. Manchmal lassen ihn die Zweifel und Ängste nicht los. (Das Gefühl, etwas vergessen zu haben...) Dann hört er auf, und verlässt seinen Garten. Ein paar hundert Meter vom Törchen entfernt ist ein Schießstand. Wenn sich seine Finger um den Griff seiner Waffe schließen, und sein Arm und seine Schulter, sein ganzer Körper den Rückstoß abfangen. Wenn die Kugel ihr Ziel trifft, vergisst er. Vergisst alles. Die Leere um sich, die Einsamkeit, das Meer und das Warten. Seine Pistole wird nie leer, nie muss er das Magazin wechseln. (Etwas, das nicht sein darf. Etwas, das ihn früher gewarnt hätte, dass das alles nicht real ist...) Und er schießt; Stunden, Tage? Es macht keinen Unterschied, in dieser Welt, die ohne ihn weder Tag noch Nacht kennt. Er übt, geht näher, weicht zurück, schießt im Lauf, aus der Rolle. Er spielt Szenarien durch, um bereit zu sein. (Bereit wofür?...) Wenn seine Arme heruntersinken, weil sie die Waffe nicht mehr halten könne, wenn seine Schulter schmerzt und der Abend dämmert, (Für ihn. Nur für ihn...) legt er die Pistole weg und geht zurück ins Haus. Zurück zu all den leeren Räumen und dem Fenster zum Meer. ____~~~~____~~~~____~~~~____ Er weiß nicht, wie lange er schon hier ist. Es müssen Jahrzehnte sein. Anfangs machte er jedes Mal bevor er schlafenging eine Kerbe an den Rahmen der Balkontür. Nun nicht mehr. Der Platz ist ihn schon vor unzähligen Jahren ausgegangen. (Aber ein Stimmchen in seinem Kopf hat weiter gezählt. Und flüstert nun leise 36...) Das Bedürfnis vorbereitet zu sein, hat nachgelassen, auch wenn er noch immer tägliche Übungen macht. Doch das Laufen bereitet ihm nach nicht einmal der Hälfte seiner früheren Strecke Probleme. Sein Herz hämmert dann in seiner Brust wie ein Vogel, der verzweifelt aus seinem Käfig zu entkommen sucht. Also beschränkt er sich auf langsame Tai Chi Übungen und das Training am Schießstand. Seine Zielsicherheit ist noch immer erstaunlich gut, auch wenn seine Arme früher ermüden und seine Augen nachgelassen haben. Wenn er in den Spiegel blickt, sieht er graues Haar, durchzogen von schwarzen Strähnen. Seine Haut ist faltig geworden, alt. Manchmal kommt es ihm so vor, als wäre sie für ihn zu groß geworden. Er hält sich nicht mehr so aufrecht wie früher und nach einiger Zeit im Garten schmerzt ihn sein Rücken und die alten Knie. Doch er ist nicht gebrechlich. (Noch nicht...) Noch erinnert er sich an Mals Besuche. (Noch erinnert er sich an das Versprechen zu warten...) Und auch wenn sein Augenlicht von Tag zu Tag ein wenig mehr schwindet, sucht sein Blick immer wieder den Strand ab. ____~~~~____~~~~____~~~~____ Es ist schon spät. Die Dämmerung ist unlängst hereingebrochen, seit er sein Buch weggelegt hatte, um sich müde übers Gesicht zu fahren. Er steht auf, um sich noch eine Tasse Tee aufzusetzen. Das Wasser kocht bereits und er befüllt soeben das Teeei, als das Unvorstellbare geschieht: Es klopft. Vor Schreck entgleitet ihm die Tasse und zerspringt mit einem lauten Knall wie der Paukenschlag zum großen Finale auf dem Boden. Einbildung, versucht er sich einzureden als er zitternd niederkniet und die Scherben aufliest. Das Alter. Doch da klopft es erneut, fordernder. Die Splitter entgleiten ihm ein zweites Mal, doch er achtet nicht darauf. Sein Herz schlägt so laut, dass es alles zu übertönen droht, das Blut rauscht in seinen Ohren. Langsam, als sei dies alles ein Traum, wendet er sich zur Tür. Die Hand umfasst den Türknauf, noch ehe der Geist weiß, wie ihm geschieht. (Endlich...) Als sie schließlich aufschwingt, steht dort ein Mann. Er ist jung, vielleicht Ende Dreißig. Sein Haar ist braun und er trägt ein schreckliches Hemd, das sich furchtbar mit seiner Hose beißt. Ein kurzer Bart verdeckt sein Kinn, und er ist blass. Doch seine Augen blicken ihn an, nur ihn. Dieser Blick ist so schmerzhaft vertraut, so voller ungesagter Dinge, voller Freude und voller Leid. Und etwas in seiner Brust macht Klick. „Darling...“ (Das warten ist vorbei...) Epilog: Epilog -------------- Sie gehen gemeinsam zum Leuchtturm. Der Weg ist nicht weit, doch diese Nacht scheint er sich endlos auszudehnen. Er selbst führt den Mann. Dieser folgt schweigend, doch er kann seinen Blick förmlich spüren. Endlich erreichen sie den Fuß des Turmes. Eine Außenleiter führt um ihn herum hinauf, bis sie in schwindelerregender Höhe eine Plattform erreichen. Er zaudert kurz, wendet sich halb zu dem Fremden (Nicht Fremden! Bekannten, Freund, Kollegen, Rivalen, Liebhaber. Oder doch nicht?...) Seine Miene ist seltsam offen und ernst. Doch als er seine Zweifel sieht, werden die Züge weicher. „Geh nur, Love. Ich bin gleich hinter dir.“ Seine Stimme ist voll eines bekannten Akzentes. (Britisch...) Sie beruhigt etwas tief in ihm und seine Schultern, von denen er nicht bemerkt hatte, wie angespannt sie waren, lockern sich. Die Stufen sind aus Metall. Bei jedem Schritt geben sie ein leises Klacken von sich, das ihren Aufstieg rhythmisch begleitet. Sie halten nicht an, sondern klettern einfach immer weiter und weiter empor. Die letzte Stufe und plötzlich liegt vor ihm die weite Fläche der Plattform. Etwas außer Atem tritt er zur Seite, um dem Mann Platz zu machen. Er lehnt sich ans Gehäuse des Leuchtfeuerraumes. Über ihm flammt immer wieder der helle Strahl des riesigen Leuchtkörpers auf und taucht die Nacht in gelbes Licht. Der Wind ist hier oben stärker und trägt den Gestank (Niemals Duft...) des Meeres zu ihnen. Eine dünne Mondsichel steht am Himmel. Sie wirkt einsam und zum ersten Mal weiß er warum. Ohne sich umwenden zu müssen, weiß er, dass der Mann nun neben ihm steht und wie er hinauf zum Firmament blickt. Sie schweigen eine Zeit lang. Schließlich durchbricht sein Besucher die Stille. „Du weißt wer du bist?“ Die Frage hört sich lächerlich an und zugleich auch nicht. Einsamkeit kann einem Menschen vieles antun. Und Wahnsinn wartet manchmal hinter jedem Schatten. „Ja, ich bin Arthur.“ Seine eigene Stimme klingt seltsam rau, nach all der Zeit, in der er sie nicht genutzt hat. Der Mann nickt kurz, als würde dies ausreichen. „Und...“, er zaudert, leckt sich nervös über die Lippen, „Und weißt du auch, wer ich bin?“ Sein Gesicht ist noch immer dem Mond zugewandt, doch er spürt, wie der Mann ihn aus den Augenwinkeln heraus beobachtet. Und nun ist es an ihm zu zaudern. Er weiß es, doch er ist sich nicht sicher, ob es auch das ist, was der Andere hören will. Schließlich holt er tief Luft. „Du bist der, auf den ich gewartet habe.“ Offenbar überrascht den Mann diese Antwort, sein Kopf fährt zu ihm herum. „Auf mich... gewartet? Aber, woher wusstest du, dass ich kommen würde?“ „Mal. Sie sagte es mir vor Jahren.“ Er lässt bewusst aus, vor wievielen. Er will nicht, dass der andere ein schlechtes Gewissen bekommt. Er ist gekommen, das ist alles, was für ihn zählt. ____~~~~____~~~~____~~~~____ Sie fallen. Nebeneinander, die Hände miteinander verschränkt. Sein Blick geht gen Himmel und er sagt dem einsamen Mond Lebewohl. Er schließt die Augen. Als er sie das nächste Mal öffnet, ist er an einem anderen Ort. (Zuhause.) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)