If looks could kill von Flordelis ([Demonic Reverie]) ================================================================================ Kapitel 3: Dann gilt die Wette. ------------------------------- Nach diesem Anfall kam tatsächlich erst einmal kein weiterer, so dass Morte nichts im Weg stand, an dem nächsten nächtlichen Übungseinsatz, eine Woche später, teilzunehmen. Wie üblich gab es vor dem Einsatz noch eine Besprechung – die wieder einmal aus einer längeren Diskussion zwischen den Lehrern bestand. Ausgelöst worden war sie von Rowan, der mit Bernadette, Nevin und auch Vane zusammenstand und sich lautstark darüber ausließ, dass Morte an dieser Mission teilnahm. Einige andere Traumbrecher standen abseits, beobachteten, wie die anderen Lehrer auf Rowan einredeten und kümmerten sich um nichts weiter. Dieser verteidigte seine Argumente lautstark, während er Morte mit seinem Blick fixiert hielt, als wolle er sie wirklich jeden Moment einfach töten. Eine Weile erwiderte sie ihn mit ausdrücklich gelangweilter Miene, aber da er nicht damit aufhörte, wurde es ihr zu lästig und sie wandte sich ab. Die anderen Schüler standen ebenfalls in kleinen Gruppen zusammen und unterhielten sich lachend. Zumeist waren die Partner aber schon gemeinsam zu sehen. Jeder Traumbrecher hatte einen Partner, der ihn entweder von seinen Fähigkeiten oder der allgemeinen Art zu kämpfen ergänzte. Jeder, außer Rowan, mit dem – welch Überraschung – niemand zusammenarbeiten wollte, und Morte, die noch zu neu war, um einen Partner zu erhalten. Normalerweise kümmerte sie das aber nicht weiter. Sie hatte genug Kontakte und unterhielt sich oft mit Naola, der Assistentin von Vane, deswegen wartete sie weiterhin geduldig bis jemand sich anbot, ihr Partner zu werden. Ihre Aufmerksamkeit wandte sich zwei anderen Schülern zu, die ein wenig abseits von den anderen standen. Der eine schwarzhaarig, der andere braunhaarig, aber beide mit dem etwa selben gelangweilten Blick. Morte kannte sie, der Schwarzhaarige war Ciar und der Braunhaarige Kian – der letzte Weltenbrecher dieser Welt. Genau wie ihre Mutter damals, war er gescheitert, weil er sich verliebt hatte. Ironischerweise eben in Ciar, der ihn eigentlich darin unterstützen wollte, alles zu vernichten. Mehr noch, Ciar war das menschliche Ich des Kierans dieser Welt gewesen. Das alles hatte sie von den Träumen erfahren, die noch immer über Ciars und Kians Verrat lamentierten, ein Schmerz, den sie dazu verwenden wollten, einen neuen Weltenbrecher zu schaffen – irgendwann einmal. Sie erinnerte sich daran, gegen die beiden gekämpft zu haben, bevor sie zu einer der Guten geworden war, mit reichlich unfairen Mitteln, weswegen sie beide nicht sonderlich gut auf sie zu sprechen waren. Über Ciars Gesicht huschte ein spöttisches Lächeln, als er ihren Blick bemerkte. „Hey, Zerstörerin.“ Kian rollte mit den Augen und stahl damit bereits Mortes Erwiderung, weswegen ihr nichts anderes übrig blieb, als ein genervtes „Was?“ an ihn weiterzugeben. Allerdings stellte sie erst sicher, dass Vane weiterhin in seine Diskussion mit den Lehrern vertieft war. „Ich habe gehört, du hast den letzten Albtraum nicht kleinbekommen“, fuhr Ciar schadenfroh fort. „Und? Du ja offensichtlich auch nicht.“ Leider ließ er sich davon nicht im Mindesten beeindrucken. „Ich war nicht einmal in seiner Nähe, wir haben einen anderen Albtraum gejagt.“ Morte beherrschte sich, nicht zu schnauben, das hätte nur gezeigt, dass er im Recht war und das wollte sie ihm nicht gönnen. „Wie wäre es dann mit einer Wette?“ Sein sichtbares braunes Auge – das andere war stets von seinem Haar verdeckt – schien aufzuglühen. „Was für eine Wette?“ Selbst Kian wirkte nun ein wenig interessierter, er hielt die Arme zwar vor der Brust verschränkt, sah aber auch zu ihr hinüber. Noch ein letztes Mal stellte sie sicher, dass Vane nicht zuhörte, dann unterbreitete sie ihren Vorschlag: „Wir wetten, wer von uns beiden diesen Albtraum zuerst besiegt.“ Ciar zog die Brauen zusammen, er wirkte angetan von diesem Vorschlag. „Und was kriege ich, wenn ich gewinne?“ „Was du willst.“ Sie hob gleichgültig die Schultern, da sie ohnehin nicht davon ausging, zu verlieren. „Du musst es mir nicht mal im Vorfeld sagen, ich gehe auf alles ein.“ Seine Mundwinkel zuckten, als wolle er auf diese Worte etwas sagen, aber er überlegte es sich wohl noch einmal anders. „Umgekehrt gilt dasselbe, ich darf von dir verlangen, was ich will“, führte sie aus. „Deal.“ Er ging wohl ebenfalls nicht davon aus, dass er verlieren könnte, aber davon ließ sie sich nicht beeinflussen. „Dann gilt die Wette.“ Und sie würde dafür sorgen, dass er bereute, darauf eingegangen zu sein. Manchmal, wenn Morte in der dunklen Stadt unterwegs war, um Albträume zu jagen, konnte sie Gesprächsfetzen hören, die der Wind ihr zutrug. Sie wusste nicht, ob es sich dabei um andere Schüler, die Lehrer oder einfach nur normale Menschen handelte, aber das war auch einerlei. Es deprimierte sie, zu wissen, dass sie ganz allein unterwegs sein musste und in den windstillen Momenten lastete die Stille schwer auf ihren Ohren und trübte ihre Stimmung mit jedem Schritt weiter. Das ging so lange, bis sie sich nach jeder Interaktion sehnte, selbst einen Streit mit Rowan hätte sie vorgezogen, nur um nicht ganz allein zu sein. Allein, so wie damals, nachdem ihr Vater sich geopfert hatte, um den Weltenbrecher zu vernichten, bevor dieser sein Werk vollenden konnte, aber erst nachdem es ihm gelungen war, alles Leben, abseits ihr und ihrem Vater, auszulöschen. Sie spielte mit dem Gedanken, stehenzubleiben, sich in eine Ecke zu setzen und ihren trüben Überlegungen nachzuhängen, aber zum einen musste sie wieder an ihre Wette denken und zum anderen wurde sie beobachtet. Eine falsche Tat könnte ihr als negativ angelastet werden und sie wollte keinesfalls einen solchen Eindruck erwecken. Was sie schließlich innehalten ließ, war ein leises Flüstern, das nicht aus dieser Realität stammte. Sie erkannte die Sprache, in der geflüstert wurde, als jene wieder, in der Albträume zu kommunizieren pflegten. Die Stimmen klangen ein wenig nach verstimmten Gitarrensaiten, die immer wieder gezupft wurden, manche wohlklingender als andere, aber allesamt mit Bosheit erfüllt. Sie verdankte es den Genen ihrer Mutter, einer Weltenbrecherin, die aus Albträumen geboren worden war, dass sie diese verstehen konnte. Wenngleich sie besonders in der letzten Zeit gelernt hatte, diese Fähigkeit zu hassen. Nach dem Tod ihres Vaters waren sie ihr die einzige Gesellschaft gewesen, doch seit sie beschlossen hatte, eine von den Guten zu werden – und dann auch noch Traumbrecherin – waren sämtliche Vergünstigungen verwirkt, die Albträume hassten sie und bemühten sich auch stets, sie das wissen zu lassen. Im Moment verrieten sie ihr aber unwillentlich eines: Einer der zu jagenden Albträume war ganz in der Nähe. Da sie nichts sehen konnte, holte sie ihre Taschenuhr hervor. Kaum ruhte diese auf ihrer Hand, legte sich ein hellblauer Farbschleier auf die Umgebung. Wellen zeigten, dass eine gewisse Unruhe auf dieser Ebene herrschte, Morte folgte diesen Bewegungen mit den Augen, um herauszufinden, wo die Quelle war – und sie wurde bald fündig. An der nächsten Häuserecke fiel eine Dose zu Boden, allerdings vollkommen lautlos, ein langgezogener Schatten wurde auf die Straße geworfen. Lange, schwarze, spinnenartige Finger griffen um die Ecke, dort, wo sie das Gemäuer berührten, zogen sich dunkel glühende Adern durch das Gestein, die in einem unheimlichen Takt pulsierten. Einen Moment später trat das Wesen in ihr Blickfeld. Es war eine Gestalt, die entfernt an einen Menschen erinnerte, aber Rumpf, Arme und Beine wirkten gestreckt und waren grotesk gekrümmt. Aus seinem Rücken ragten unzählige schwarze Hände, die wie Federn in einem nicht spürbaren Wind tanzten, als wollten sie Morte oder jedes zufällig getroffene Opfer hypnotisieren. Der Kopf bestand aus weißem Traumsand, verfügte allerdings über kein Gesicht. Die Einkerbungen der Augen waren durchaus da, aber es gab schlicht und ergreifend keinerlei Mimik – bis das Wesen grinste. Auf seinem Gesicht öffnete sich ein Spalt, der zwei Reihen rasiermesserscharfe Zähne enthüllte. Bei jedem anderen hätte es möglicherweise Furcht ausgelöst, Morte konnte aber nur humorlos lächeln. Sie öffnete den Sprungdeckel der Taschenuhr, worauf sich ein helles Licht direkt darüber materialisierte. Noch bevor ihre Form gefestigt war, ergriff Morte die Pistole und feuerte einen ersten Schuss auf den Albtraum ab. Das Wesen gab einen Schrei von sich, im nächsten Moment stürmten ihr die Arme entgegen, griffen nach ihr, um sie von weiteren Angriffen abzuhalten. Morte wich aus, sprang auf eine der Mülltonnen und von dort aus, direkt auf den Albtraum zu. Er streckte die eigenen zwei Arme aus, um sie angemessen zu begrüßen, aber sie feuerte ihm eine weitere Kugel entgegen, um einer tödlichen Umarmung zu entkommen. Dann nutzte sie den Körper des zusammengekrümmten Wesens, um erneut abzuspringen und hinter ihm zu landen. Noch bevor es sich ihr zuwenden oder seine Hände koordinieren konnte, um erneut nach ihr zu greifen, zielte sie erneut auf ihn, dabei konzentrierte sie sich aber länger, um eine größere Kugel abzufeuern. Doch bevor sie überhaupt soweit kam, wurde sie von etwas am Fuß gepackt und gegen die Wand geschleudert. Sie hörte ein ekelhaftes Knacken, als ihre Schulter in Kontakt mit der Mauer kam, verkniff sich aber jeden Schrei und hielt die Pistole weiterhin fest umklammert. Wieder griff der Albtraum nach ihr, sie konnte ein leises, hallendes Lachen hören – dann schrie das Wesen schmerzerfüllt auf, als mehrere wolfsähnliche Tiere aus dem Nichts erschienen und nach den einzelnen geisterhaften Armen schnappten. Morte nutzte diese Gelegenheit, um sich wieder auf ihre Pistole zu konzentrieren. Sie spürte, wie die Energie von ihr auf die Waffe überfloss, die Uhr wurde dabei als Katalysator gebraucht. Je mehr auf die Pistole überging, desto schwächer fühlte sie sich, weswegen sie an einem bestimmten Punkt die Verbindung kappte – und den Abzug betätigte. Eine hellblaue Energiekugel in der Größe eines Basketballs jagte aus ihrer Waffe auf den Albtraum zu. Sie traf ihren Gegner direkt in die Brust, zersetzte die Dunkelheit aus der er bestand und löste ihn innerhalb weniger Sekunden vollkommen auf. Morte lächelte zufrieden und auch stolz auf sich selbst. Sie schloss die Uhr wieder und deaktivierte sie damit, worauf auch die Pistole verschwand. Die Traumfresser, so der Name der Wesen, die ihr geholfen hatten, setzte sich alle vor sie hin, so dass sie diese tätscheln konnte. „Danke euch~.“ Früher hatten sie mehr nach Raubkatzen ausgesehen, aber seit Morte friedlich geworden war, erinnerten sie eher an Wolfshunde und sie verhielten sich in ihrer Gegenwart auch wie solche … nur vielleicht ein wenig zahmer. Mortes Schulter, die vorhin arg in Mitleidenschaft gezogen worden war, fühlte sich schon wieder viel besser an, als wäre dieser Unfall gar nicht geschehen. Es war eben äußerst praktisch, einen Dämonenjäger als Vater zu haben. Erst als sie ein langsames Klatschen hören konnte, blickte sie sich wieder um – und entdeckte Ciar, der sie spöttisch ansah. Sofort kehrte ihr Stolz zurück und sie stellte sich aufrecht hin. „Bist du hier, um mir zu gratulieren?“ Nur wenige Schritte hinter ihm konnte sie Kian entdecken, der sich beim Anblick der Traumfresser wohl lieber auf Abstand hielt. Jedenfalls waren seine Augen direkt auf diese Wesen gerichtet. „Ganz bestimmt nicht“, sagte Ciar und deutete auf die Wölfe. „Du hast den Albtraum vielleicht zuerst besiegt, aber nur weil du Hilfe hattest. Und das ist ja nun wirklich nicht fair.“ Sie wiederum deutete auf Kian. „Du hättest auch Hilfe gehabt. Warum ist deine fairer als meine?“ „Er ist was komplett anderes als Traumfresser – von denen du noch dazu ganze sechs Stück hier hast. Kian ist nur ein einzelner.“ „Kian ist stärker als ein Traumfresser. Du willst nur nicht zugeben, dass du die Wette verloren hast!“ „Nur weil du mit unfairen Mitteln gespielt hast!“ Wütend starrte sie ihn an, während er ihren Blick mit kühler Überheblichkeit erwiderte. Wie lange dieser Zustand so anhielt, wusste sie nicht, aber als Kian näherkam, war ihr sofort klar, dass die Traumfresser verschwunden waren. „Statt hier zu diskutieren, sollten wir lieber endlich gehen“, klagte er. „Ich bin müde.“ Das war er wohl nach jedem Einsatz, wie sie mitbekommen hatte. Aber sie musste zugeben, dass sie langsam auch müde wurde und nur noch ins Bett wollte. Die Suche nach dem Albtraum hatte mehr Zeit in Anspruch genommen, als ihr bewusst gewesen war. Noch dazu maß Kian sie weiter mit misstrauischen Blick, als glaube er, sie könnte jeden Moment wieder Traumfresser beschwören. Morte hob die Hände und wich zurück, um zu zeigen, dass sie keine Gefahr darstellte. „Gut, dann geht ihr da lang und ich nehme die andere Richtung.“ Glücklicherweise gab es nach den Aufträgen keinen Sammelzwang, so dass jeder seinen eigenen Weg in die Schule zurücklegen konnte. Ciar und Kian ergriffen diese Gelegenheit auch sofort und gingen davon. Dabei hörte sie beide noch darüber murren, dass es ihr nur dank unfairer Mittel gelungen war, zu gewinnen. Sie schüttelte nur mit dem Kopf und fuhr er herum, um in die andere Richtung zu gehen. Nach wenigen Schritten hielt sie noch einmal inne. Sie glaubte, eine leise Stimme zu hören, die ihren Namen flüsterte, sehnsuchtsvoll, als strecke jemand gleichzeitig die Arme nach ihr aus, um sie wieder an sich zu drücken. Doch als sie sich umsah, war sie immer noch allein in dieser Gasse, es war auch nichts zu spüren. Also verwarf sie den Gedanken wieder, schob ihn auf ihre Müdigkeit und ging weiter, um wirklich endlich ins Bett zu kommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)