Flauschiges Problem von Nirotua ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel I: Dieses Kind ist (k)ein Tierfreund ------------------------------------------------------- „Du bist so ein wunderschönes Wesen“, flüsterte Sebastian zu dem kleinen schwarz-weißen Kätzchen. Er stellte eine kleine Porzellanschüssel vor das Getier und sah zu, wie es die darin enthaltene Milch aufschleckte, wie das kleine sanfte Tier sich darüber beugte, seine kleine rosa Zunge entblößte und sie hinein tauchte, nur um sie schnell und gierig wieder einzuziehen um etwas von dem kostbaren weiße Flüssigkeit zu trinken. Er liebte diesen Anblick, was wohl das Einzige war was ihn wirklich glücklich stimmte. „Warum kann nicht jeder so still und zurückhaltend sein wie du?“, fragte er das Tier. Er zog behutsam seinen rechten Handschuh aus und strich über die Katze, die auf Anhieb anfing zu schnurren und sich dem Butler zuwandte. Sie sah ihn mit ihren grünen Augen neugierig an und kreiste um seine Beine. Doch plötzlich erschrak die Katze, buckelte und lief rückwärts – den Blick weiter auf Ciel gerichtet. Sebastian seufzte, stand aus seiner knienden Stellung auf und verbeugte sich knapp, vor seinen Herrn. „Mach das Vieh weg, Sebastian!“, rief Ciel mit starker Stimme und ballte die Hände zur Faust. „Ich will so etwas nicht auf meinem Grundstück.“ Sebastian wich dem stechenden Blick seines Herrn aus und sah kurz hinter sich. Das kleine Kätzchen fauchte und lief weg, hüpfte über die Hecke und zeigte so wie grazil und königlich sie doch war. Sebastian drehte sich nun ganz um und hob die Schüssel wieder auf. „Sebastian“, fauchte Ciel. „Oh. Dies war ein Befehl, Herr? Tut mir außerordentlich leid, ich habe Eure Aussage falsch verstanden“, sagte der Butler und ging stur an Ciel vorbei, ignorierte seinen wütenden Blick und schloss hinter sich die gläserne Verandatür zu. Ciel tobte, doch dies war dem Butler egal. Schließlich war dieses kleine schutzlose Wesen nicht anders als Ciel. Beide haben Schutz gesucht, beide haben ihn bekommen. Essen, eine Hand die einen beschützt und kurz trügerische Sicherheit gibt. Er sollte sich nicht so anstellen als wäre das Kätzchen ein Monster. Der Gedanke, den edlen Earl Phantomhive mit einer kleinen Straßenkatze zu vergleichen, war für Sebastian sehr amüsant. Er lächelte hämisch und merkte, dass jemand hinter ihm in der Küche stand. Er beobachtete die kleine Gestalt aus den Augenwinkeln heraus. Er denkt immer noch wie ein kleines Kind. Er ist noch so kindisch und denkt immer noch, dass er mich – den Teufel – überraschen könnte , dachte Sebastian und wich einer fliegenden Tasse aus. Diese zerschellte an der Wand, worauf der Butler nach hinten wich und zusah wie die Scherben auf den Boden fielen und weiter zerbrachen. „Ausgerechnet das importierte Geschirr aus Deutschland“, seufzte Sebastian, drehte sich um und sah Ciel an, der schnell atmend das Gleiche tat. „Du sollst mich nicht ignorieren“, schimpfte das Kind und weitete sein Auge als der Butler auf ihn zukam, sich hinkniete und seine Hände auf Ciels Backe legte. „Sind Sie etwa eifersüchtig auf ein Kätzchen?“, flüsterte Sebastian fragend und kicherte. „Verdammter Dämon“, knurrte Ciel und wich, mit einem Schritt nach hinten, aus. Er funkelte den Älteren böse an und drehte sich danach um, ging zielstrebig aus der Küche, die Treppe hoch und hinauf in sein Zimmer. Warum kann der Earl nicht genauso sein wie das Kätzchen , fragte er sich und seufzte verächtlich. Er wandte sich zu den Scherben und wünschte sich die anderen drei inkompetenten Diener her. Oder, dass Ciel selbst seinen Dreck wegmacht. Was für ein vorlauter Gedanke! Einen Earl bitten zu helfen… , dachte er kopfschüttelnd und hob die ersten Scherben auf. Ich muss heute noch ein anderes Teeservice kaufen, dachte er und hatte jetzt schon keine Lust mehr auf den Tag – und dieser war erst bis zur Hälfte überstanden. „Guckt mal, guckt mal, guckt mal“, rief Finny und hatte so die Aufmerksamkeit der anderen beiden Diener-in-Auszeit. „Oh, ist das süß“, quietschte Maylene und hob das kleine Vögelchen auf. „Guck mal, Bard.“ Bard sah von seiner Zigarette, die er in der rechten Hand hielt, hoch, steckte sie sich in den Mund und schüttelte sein Streichholz aus. „Fang du nicht auch noch an, Maylene“, murmelte er undeutlich. Sein Blick glitt an dem Hausmädchen ab und blieb an dem kleinen Vogel hängen. Auch er stand nun neben Finny und Maylene und sah auf das kleine Geschöpf herab. Seine Augen glitzerten und er faltete die Hände gerührt zusammen. „Was das wohl für ein Vogel ist?“, fragte Maylene und stupste das beinahe ganz federlose Getier ein wenig mit der anderen Hand an. Das Vögelchen öffnete den Mund und schrie. Sein Schnabel war noch mit etwas gelben am Rand gezeichnet, nur wenige, kleine Federn zierten die Flügel und den Kopf. „Vielleicht eine kleine Taube“, fantasierte Finny und stellte sich in Gedanken vor, wie der Earl auf eine strahlendweiße Taube reagierte. Er würde strahlen, seine Lippen zu einen Lächeln formen und ihr zusehen wie sie flog. Er würde begeistert sein und sagen: „ Sebastian, du bist ab nun nicht mehr mein Butler. Du nimmst ab jetzt die Gartenarbeit von Finny ab, worauf er nun mein neuer Butler sein wird. “ Und Finny würde sagen: „ Gewiss, Herr “ und sich tief verbeugen, wie es Sebastian immer tat. Er würde aber nicht nur der Butler von dem Earl sein – NEIN –, sondern sein aller – bester – Freund! Ja, so würde es ablaufen und nicht anders. „Vielleicht ist es ein Adler“, fantasierte Bard, worauf das kleine Geschöpf verstummte. Er stellte sich vor wie Sebastian staunen würde, wenn er mit einem Adler auf der Schulter in das Anwesen des Earls schritt und ihn in der Empfangshalle kreisen ließ. Sebastian würde aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen und ihn anhimmeln. Er würde sagen: „ Lass mich dein Butler sein, Edler aller Edelsten .“ Und Bard würde sagen: „ Ciel, dies ist nun mein Anwesen. Du bist nun mein Diener. “ Ciel würde sich verneigen und danach den Koch spielen. Und er, der edle Bardrony, würde herrschen! „Quatsch“, meinte Finny. „Es ist eine Taube.“ Bard funkelte den kleinen Finny böse an und hob ihn an den Kragen hoch. „Es ist ein Adler!“ „Sie ist eine Taube“, entgegnete er etwas eingeschüchtert. „Ein Adler!“ „Eine Taube!“ „Ein Adler!“ „Eine Taube!“ „Ein Adler!“ Die beiden Konkurrenten wurden immer lauter in ihrer Stimme, bis Maylene ihre Brille hochschob und sie beide böse ansah. „Ihr werdet auf der Stelle die Klappe halten!“, rief sie und runzelte wütend die Stirn. Beide Männer hörten abrupt auf und sahen sie verwirrt an, verharrten in ihrer Pose. Maylene nickte gut gestimmt und zog die Brille wieder auf die Nase. Danach war sie wieder in ihrer Rolle als liebes, zurückhaltendes Hausmädchen und wurde auf Anhieb rot. „Tut mir leid für meinen Ausdruck, aber ihr macht dem kleinen Ding noch Angst“, entschuldigte sie sich und lächelte schüchtern. „Was meinst du denn was es ist?“, fragten beide Jungs wie aus einen Mund. Sie zuckte mit den Schultern. „Ho, ho, ho“, mischte sich Tanaka ein, worauf sich alle Drei zu den auf ein Sitzkissen sitzender, Tee trinkenden, kleinen Butler wandten. „Hast du etwa eine Idee?“, fragten alle auf einmal. „Pinguin“, lachte der alte kleine, bärtige Mann und trank etwas Tee. „WAS?!“, fuhren alle drei Diener den Butler an. „Ho, ho, ho“, machte er nur und ignorierte sie weiter. Maylene räusperte sich und hatte so die Aufmerksamkeit der drei Männer. „Was machen wir nun mit dem kleinen Ding?“ „Wir können es nicht behalten“, murmelte Bard. „Warum nicht? Sebastian darf es nur nicht erfahren“, überlegte Finny, worauf die anderen Drei zustimmend nickten. „Wie wollen wir es denn nennen?“, fragte das Hausmädchen und strich mit den Daumen sanft über den Kopf des kleinen, nackten Wesens. „Es ist eine sie “, schmollte Finny. „Vielleicht Cordelia.“ „Wie die werte verlobte des Earls?“, fragte Bard skeptisch und nahm eine weitere Zigarette zur Hand. „Wie wäre es mit Feuer.“ „Oder Helga“, lachte Finny. „Also: Lady Cordelia Helga von Feuer?“, fragte Maylene. Alle nickten und so wurde der kleine Vogel mit einen Tropfen von Finnys Gartenschlauch getauft. Auf leisen Sohlen schlichen Maylene, Bard, Finny und Tanaka in die Küche. Sie späten allesamt hinein und merkten, dass Sebastian die Küche bereits sauber verlassen hatte. Sie strahlte förmlich – woraufhin die Vier staunten. Sie schlichen danach wie Detektive zur Speisekammer und öffneten sie leise. „Was isst überhaupt so ein kleiner Piepmatz?“, fragte Bard und kramte allerlei Sachen hinaus. Käse, ein Brot, eine Schokoladentorte, Kekse, Fleisch (Schwein, Fisch und Rind) und so weiter. Maylene setzte den Vogel auf die Arbeitsfläche in der Küche und wartete mit Finny und Tanaka auf die Ideen des Chefkochs. Als Erstes nahm Bard das Brot zur Hand und wandte es zu dem Vogel. Doch das Brot war mehr als doppelt so groß als das Tier, sodass dieses Lebensmittel wohl ausfiel. Danach war der Käse dran, der noch am ganzen Stück (also ein großer, runder Kreis) war. Dieser war ebenfalls zu groß und da sie in der Natur noch keinen Vogel Käse essen gesehen hatten, kam er auch nicht weiter in Frage. „Ein Adler braucht Fleisch!“, rief Bard aus und griff nach dem Rindfleisch, was bereits in Stückchen geschnitten war. Sebastian war eben ein fleißiger Butler. „Er ist kein Adler“, murmelte Finny. „Doch“, meinte Bard. „Nein.“ „Doch.“ „Nein.“ „Doch.“ „Ein Pinguin braucht Fisch“, mischte sich Tanaka ein. „Ho, ho, ho.“ „Trink' lieber deinen Tee weiter“, murmelte Bard genervt. „Ho, ho, ho.“ „Tee! Das ist es“, rief Maylene plötzlich aus und wandte sich zu Tanaka. „Du hast bestimmt Kekse zum Tee, oder?“ Der kleine Mann nickte und übergab ihr einen. Sie kratzte den Zucker ab und legte ihn in eine Schüssel voller Wasser. Die beiden anderen Herren musterten dies interessiert und sahen desweiteren verstummt zu. Der Keks weichte auf und das Hausmädchen nahm es heraus, drückte das überschüssige Wasser aus und stopfte es in das kleine Vögelchen hinein. Dieses schloss den Schnabel, schluckte und schrie danach lauter als zuvor. „Das war eine grandiose Idee!“, riefen beide Männer aus und klatschten zum Applaus dieser Meisterleisung in die Hände. „Aber wir können nicht die ganzen Kekse des Earls an die kleine Lady Cordelia Helga von Feuer verfüttern“, dachte Bard laut nach. „Sebastian würde uns bestrafen.“ Maylene nickte und wurde rot – schwärmte einen Moment und gab sich ihren Tagträumen ganz hin. Wenn der Vogel groß wird, wird Sebastian ihn fliegen sehen und zu den Dreien sagen: „ Ihr habt dieses Vögelchen ganz alleine aufgezogen. Ihr habt eine große Verantwortung übernommen. Ich bin sehr stolz auf euch und vor allen auf dich, meine kleine, süße Maylene. Willst du meine Frau werden? “ Und sie... sie würde „Ja!“ sagen. Genau so und nicht anders würde es ablaufen. „Vögel essen doch Würmer oder nicht?“, fragte Tanaka in die Stille hinein. Maylene wachte aus ihren Traum auf, nickte, worauf die beiden Männer es ihr gleich taten. „Wir müssen Würmer finden!“, rief Bard aus. „Für die kleine Lady Cordelia Helga von Feuer!“, rief Finny aus. „Genau!“, rief Maylene aus. Sebastian war genervt. Nicht nur, dass Ciel andauernd seine Aufmerksamkeit wollte, nein. Auch, dass es um die drei inkompetenten Diener extrem still geworden war und dies schon seit einer längeren Zeit. Er machte sich Sorgen, vor allem um die Innenausstattung des teuren Hauses. Er würde sie suchen, sobald er die Schokoladentorte aus der Speisekammer geholt und sie dem quengelnden Kind serviert hätte. Er kam in die Küche und wollte am liebsten wieder hinaus gehen. Die Torte wurde angenagt! Wenn ich euch erwische, ihr elenden Bastarde , dachte Sebastian und lauschte. „Ich hab einen!“, rief Finny aus und hob triumphierend den Regenwurm hoch. „Ich auch“, meinte Bard und warf ihn in den Eimer voller Regenwürmer. „Meinst du wir haben genug?“, fragte Maylene. „Nein“, meinte Bard zornig. „Macht weiter!“, rief er in einen Militärton. „Yes, Sir!“, antworteten Finny und Maylene und salutieren. Sebastian folgte dem Geräusch von Schaufeln, Stimmen und einem undefinierbaren Schreien. Er öffnete die Verandatür und schluckte. Der Rasen war aufgerissen, Löcher waren im Boden, als wäre eine Bombe eingeschlagen, überall lagen ausgebuddelte Steine, Fossilien und andere Knochen – es war ein Anblick des Grauens. „Was…“, fing Sebastian stotternd an. „…zur Hölle?“ Sein Blick schweifte über das Bild des teuflischen Chaos und blieb an einem Eimer voller Würmer hängen. „Oh nein“, rief Finny aus und versteckte sich schnell hinter Bard. Maylene wurde rot, nahm den Eimer zur Hand, versteckte ihn hinter ihrem Rücken und danach sich selber hinter Finny. „Was soll das?!“, rief Bard zornig und versuchte den wimmernden Anhang loszuwerden. Doch egal ob er nach links, nach rechts, nach vorne oder nach hinten ging, die beiden folgten wie ein Schatten. Er seufzte und gab letztendlich auf. „Warum habt ihr das gemacht?“, fragte Sebastian mit ruhiger drohender Stimme. Er stand nur wenige Zentimeter vor Bard, sodass dieser bereits den Atem des Butlers spürte. „Wir“, fing er stotternd an. „Wir… wir… wir… waren… haben… sind… wir…“ „Ich hätte heute noch gerne eine Antwort“, sagte Sebastian und sah ihn finster an. „Also?“ „Wir…“, kam nur aus Bard hinaus, der nicht wagte Sebastians Blick auszuweichen. Er ließ sogar seine Zigarette fallen, da er sich nicht mehr bewegen wollte und konnte. „Wir wollen Angeln gehen!“, rief plötzlich Finny aus – die glorreiche, rettende Ausrede des Tages. Bard drehte sich fassungslos um, Maylene tat es ihm gleich. „Ge-Genau...“, stotterte sie. „Wir wollen am See angeln gehen.“ „Angeln?“, fragte Sebastian und entfernte sich ein wenig von Bard. „Genau“, rief Bard zögernd aus. „Angeln.“ „Deswegen die vielen Würmer und dieses Chaos? Nur damit ihr Angeln gehen könnt?“, fragte Sebastian weiter. Die Drei stellten sich in eine Reihe und nickten gleichzeitig. Ein wenig zu häufig aber aussagekräftig. Sebastian rieb sich die Schläfen. „Ihr werdet alles hier aufräumen, danach die Hecke schneiden und alle Fenster des Hauses putzen, verstanden?“ Alle drei salutierten. „Yes, Sir!“ „Ich bin so müde“, nörgelte Finny gequält. „Ich möchte in mein Bett.“ „Sebastian sagte, wir sollen alle Fenster putzen“, meckerte Bard. „Ho, ho, ho“, machte Tanaka, der auf seinem Sitzkissen saß und bereits seine Schlafmütze, die einer blauen Weihnachtsmütze ähnelte, aufsetzte und seinen „Gute-Nacht-Tee“ genüsslich trank. „Wo warst du eigentlich, als wir deine Hilfe brauchten?“, fragte Bard gereizt. „Ich war in dem Würmer-Eimer und habe mich versteckt. Ho, ho, ho.“ „Verdammter, kleiner Mann“, fluchte Bard. „Wie viele Fenster haben wir bereits?“, fragte Finny. „Bestimmt schon 100“, schätze Maylene. „Ihr gabt genau 75 Fenster geputzt“, erklang die grollende Stimme von Sebastian. „Euch fehlen nur noch 30 Fenster. Ihr werdet also, wenn ihr euch beeilt, morgen früh fertig sein und eurer eigentliche Arbeit nachgehen können“, kicherte der Butler und lächelte herzlich. „Tanaka, du darfst allerdings ins Bett.“ „Unfair“, meckerten die drei wie aus einen Mund. Sebastian funkelte sie kurz böse an, danach hatte er wieder ein Lächeln auf den Lippen. Er nickte zum Abschied und kicherte. Danach schritt er weiter und begutachtete im Augenwinkel die Fenster. Nach einer kurzen Zeit war er wieder weg. „Mist“, stöhnte Maylene und lehnte sich an die Scheibe. „Wie geht es Lady Cordelia Helga von Feuer?“, fragte Finny und sah Maylene neugierig an. Sie wandte sich zu der mit Wolle gefüllten Tasse, die an einer Fensterbank stand und spähte hinein. „Sie schläft“, flüsterte sie und gähnte. „Würde ich am liebsten auch.“ Die beiden Männer nickten – Tanaka schlief bereits. Am nächsten Morgen „Guten Morgen, Lady Cordelia Helga von Feuer“, rief Finny und wandte sich zu dem kleinen Vogel, der immer noch in der Tasse schlief. Durch diesen Ausruf wurden auch die anderen wach. Alle außer Tanaka, der wohl den festesten Schlaf in ganz London hatte. „Finny, mach doch nicht so einen Krach“, nörgelte Bard und holte eine Zigarette aus seiner Jackentasche, zündete diese mit einem Streichholz an und schmiss das ausgebrannte Streichholz danach in einen Wassereimer. Die Blicke der drei glitten auf den Wassereimer, sofort wurden sie blasser als zuvor. „W-wir sind… eingeschlafen“, stotterte Maylene und weitete die Augen. „OK!“, fing Bard an. „Wir haben noch genau 3 Fenster – und circa 2 Minuten Zeit bis Sebastian kommt. Auf, auf, auf! Schnell~“ Die anderen nickten und fingen schnell an die letzten Fenster sauber zu machen. Bard wiederum rauchte gemütlich weiter und verteilte Befehle. „Hopp, hopp, hopp. Schneller“, rief er und setzte sich im Schneidersitz in den Flur. „Schneller, los, los, los.“ Die beiden gehorchten, wurden schneller, sodass der Lappen sogar anfing zu qualmen… Erschöpft und müde fielen sie auf die Knie und rangen um Atem. In diesen Moment kam Sebastian durch die Flure und begutachtete die Fenster des Anwesens. „Ihr habt es geschafft“, murmelte er und schüttelte ungläubig den Kopf. „Sehr schön.“ Sofort waren Maylene und Finny putzmunter und sahen ihn mit leuchtenden Augen an. „Wirklich? Hurra!“, sagten sie und hielten den Lappen siegreich, wie eine Flagge, in die Luft. Bard nickte zustimmend und gesellte sich neben seine Partner. Sebastians Blick schweifte auf die zurückgelassene Tasse und runzelte die Stirn. Er ging zu ihr und wollte sie gerade in die Hand nehmen als Maylene stolperte und ihn von der Tasse wegschupste. Natürlich aus Versehen. „Sebastian. Es... t-tut mir so schrecklich leid“, stotterte sie, wobei sich ihr Gesicht rot färbte. „Was soll diese Tasse hier?“, fragte Sebastian monoton. „Das ist meine Tasse“, erklärte Finny geschwind und nahm sie an sich. Verrückte Bande. Warum müssen sie ausgerechnet mich nerven , fragte sich Sebastian und seufzte. Er nickte. „Ihr habt euch eine Pause verdient“, meinte Sebastian. Damit ich euch los bin, dachte er amüsiert von seinen eigenen Gedanken. „Wirklich?“, fragten alle drei und sahen ihn mit großen, leuchtenden Kinderaugen an. „Ihr wart so fleißig, da könnt ihr euch eine halbe Stunde ausruhen“, sagte er mit geschlossenen Augen und lächelte freundlich. „Supi“, riefen sie aus und schon waren sie samt Tasse weg. Sebastian runzelte die Stirn und merkte, dass die drei den Eimer samt Lappen vergessen hatten. Also blieb es wieder an Sebastian hängen diese Sachen wegzubringen. Manchmal fühlte er sich wirklich wie ein Diener der Diener. Er holte seine Uhr aus seinem Jackett und klappte sie auf. Dies würde wieder 10 Minuten in Anspruch nehmen – Zeit, die er nicht hatte. Er müsste bald den Junger Herrn wecken, in genau 12 Minuten. Davor musste er das Bad vorbereiten und die neue Kleidung für den heutigen Tag herausholen, bügeln und zusammenlegen. Außerdem musste er noch das kleine Kätzchen füttern. Sie saß bestimmt schon auf der Verandatürschwelle und wartete auf ihn. Sebastian schwärmte kurz und seufzte danach. Erst die Arbeit und danach das Vergnügen. Maylene schloss schnell die Tür hinter sich und wandte sich danach dem Vögelchen zu. Sie musste heute Morgen auf das kleine Ding aufpassen, am Mittag wäre Finny dran und am Abend Bard. Doch was macht man mit so einem kleinen Vogel? Sie holte es behutsam aus der Tasse, legte das kleine nackte Ding auf ihr Bett und musterte es. „Hast du Hunger, Lady Cordelia Helga von Feuer?“, fragte sie es und strich über die einzelnen, wenigen Kopffedern. Das Kleine fing sofort an zu schreien und schnappte nach ihren Finger. Maylene wich erschrocken zurück. „Hast du Hunger?“, kicherte sie ein wenig nervös und wandte sich zu dem Eimer mit den Würmern. Sie holte einen kleinen Wurm heraus und gab es Lady C. Diese verschlang es schnell und schrie lauter. Ein weiteres folgte, danach noch eins, noch eins, noch eins… „Du hast aber einen großen Appetit“, kicherte das Hausmädchen und sah geschockt auf eine Beule des kleinen Vogels. Es war über den Bauch, also konnte es nicht der volle Magen sein. Es sah ein wenig aus als hätte das kleine Tier eine Pestbeule. Maylene schluckte und strich über diese Ausbeulung. Der Vogel sah sie gespannt an. „Komisch“, murmelte sie und holte ein Tierbuch zur Hand, das sie in ihrem Nachttischchen hatte – genau neben ihrem Tagebuch das mit vielen pinken, glitzernden Herzen geschmückt war, wo im jedem Herzchen „S+M“ stand, und ein Buch über Pistolen. „Mhm, mal schauen“, sprach sie zu sich selber. Sie blätterte durch das Buch und blieb an einer bestimmten Seite hängen mit der Überschrift: Jungvögel. Schade. Keine Bilder , dachte sie. „Der Kropf (lat. Ingluvies) der Vögel ist eine Aussackung der Speiseröhre am Hals, unmittelbar vor dem Brusteingang. Er ist ein Nahrungsspeicher und dient dem Vorquellen der eingespeichelten Nahrung. Die Schleimhaut des Kropfes enthält Drüsen, diese liegen beim Huhn in der „Kropfstraße“, bei der Taube im Fundus; Verdauungsvorgänge finden hier nicht statt (s. aber Hoatzin)“, las sie vor (Auszug aus Wikipedia) und nickte. „Es ist also normal. Gott sei Dank.“ Sie wandte sich kurz zu dem kleinen Vogel, der still einfach nur auf ihrem Bett saß und sie anstarrte. „Du hast sicher Durst“, murmelte sie und schlug das Buch zu, legte es wieder zu ihrem Tagebuch und schloss die Schublade. „Ich hole mal einen Löffel“, entschloss sie sich und ging zur Tür. „Aber nicht wegfliegen“, kicherte sie und verließ das Zimmer. „Löffel, Löffel, Löffel“, murmelte sie und ging einfach so an dem Earl vorbei, ohne zu grüßen, ohne sich zu verbeugen, ohne überhaupt eine Notiz von ihm zu nehmen. Sie ignorierte einfach alles, hatte sie jetzt eine wichtige Mission. „Löffel, Löffel, Löffel.“ „Maylene“, rief der kleine Earl aus und funkelte sie an. Sie wandte sich um, sah ihn an und wurde bleich wie eine Leiche. „Guten Morgen, Herr“, sagte sie schüchtern und wurde rot. „Warum brauchst du denn einen Löffel?“, fragte er monoton. „I-ich machte Tee“, sagte sie schnell und lächelte freundlich. „Für Euch.“ „Sebastian hat mir bereits Tee gebracht“, meinte er und hob eine Augenbraue. Sein eines Auge sah sie fragend an. „Ja… Das... das ist mir bewusst“, log sie und kicherte. „Ich muss dann mal… gehen.“ Sie drehte sich um, verschwand schnell aus der Sicht des Earls. Sie beschleunigte ihren Schritt und bog in die Küche ein. „Komische Frau“, murmelte Ciel und gähnte. Warum hatte Sebastian in nur so früh geweckt. Es war heute doch kein besonderer Tag: kein Besuch, kein Brief der Königin und kein Ausflug. Nur langweiliger Unterricht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)