Ich bin immer für dich da von mikifou (Island Story) ================================================================================ Prolog: 0 --------- „Daan warte bitte, du kannst doch jetzt nicht einfach gehen!“ „Halt die Fresse!“ „Aber! Ich liebe dich doch. Mehr brauchen wir doch nicht!“ „DU brauchst nicht mehr und ich liebe dich bestimmt nicht.“ „Komm schon, Darling... jetzt warte doch. Ich hab doch nur das Beste für dich gewollt.“ Daan blieb abrupt stehen und drehte sich mit mordlustigem Gesicht um. „Das Beste für mich? Etwa als du meine Familie gegen mich aufgebracht hast?“ „Ach ein kleines Missverständnis-“ „Als du meine Verlobte bedroht hast?“ „Aber ich bin doc-“ „Du bist WAS? Mein Freund? HA! Dass ich nicht lache. Du bist das letzte, niederstes Gewürm und so übel erregend, dass mir allein bei dem Gedanken, ich habe dich mal angefasst, die Galle hoch kommt!“ „Aber... du hast gesagt du liebst mich und... würdest mit mir zusammen alles vergessen.“ „Eine Affäre war das, nichts weiter! Argh warum rede ich überhaupt noch mit dir?!“ Daan hasste sich für seine Worte schon beinahe selbst. Nicht weil er sie ausgesprochen hatte oder sie zu hart waren. Nein, sie waren viel zu sanftmütig und das nur, weil er Jacques wirklich begehrt hatte. Aber nachdem was dieser – aus Liebe – ihm alles angetan hatte, wollte er ihn am liebsten an einem Betonklotz in der Saine versenken. Demnach drehte er sich einfach um und ging weiter. Jacques ließ er wettern. Er ging geradewegs auf die alte übergroße Tür zu, die hinaus zu dem Bahngleis führte, wo sein Zug schon bereit stand. Es war Winter und auch wenn es erst um sechs war, war es bereits stockdunkel. Nur einige wenige Laternen erhellten den Bahnsteig und ließen den immer noch frisch fallenden Schnee glitzern. Daan ging den Steig entlang bis er den richtigen Wagon gefunden hatte. Er hatte einen Sitzplatz reserviert, anders ging es ja auch gar nicht, wenn er in einem Nachtzug mit Abteil seine Ruhe haben wollte. Denn die brauchte er nun mehr als nur dringend. Sein ganzen Leben war verpfuscht, alles lag in Schutt und Asche und ihm blieb gerade nichts anderes übrig, als dieses Land, sein Leben und seine Familie zu verlassen und vielleicht darauf zu hoffen, dass er in einigen Jahren, wenn die Wunden nicht mehr so frisch waren, wieder hierher zurückkehren könnte. „Daan, Liebster, nun warte doch! Nimm mich mit, du brauchst mich. Wir haben doch nur noch uns.“ Es war das metallische Klicken der Endsicherung seiner Smith & Wesson. Sein geliebter Revolver war geradewegs zwischen die Augenbrauen des Franzosen gerichtet, der in bleicher Starre wohl nicht mal mehr zu Atmen gedachte. Daan ging rückwärts zum Zug und stieg sicher die Stufen der Zugtür hinauf. Sein Blick blieb immer kalt und angewidert auf Jacques gerichtet, der nun eher weinerlich wirkte. „Du bist für mich gestorben. Also verpiss dich in das Loch, aus dem du hergekommen bist.“ Kapitel 1: 1 ------------ Es war Anfang Mai, als Daan seine neue Arbeitsstelle aufsuchte und sich erstmals seit seinem Einstellungsgespräch vor einigen Wochen erneut vorstellte. Nicht etwa weil man ihn vergessen hatte, sondern weil es für ihn zum guten Ton gehörte, sich vorzustellen. Zudem waren diesmal auch sein direkter Chef, der Abteilungsleiter und der Oberchef anwesend. Anstand und Etikette konnten hier also nicht fehl am Platz sein. Daan war gelernter Mechaniker. Ihn interessierte alles, was irgendwie mit Maschinen zu tun hatte, allerdings keine Computer. Seine Leidenschaft lag bei alten Maschinen, die gewartet werden mussten, die Öl und Pflege brauchten und deren neueren Kollegen, die zwar in ihrer Bauweise einfacher, aber auch komplexer waren, dennoch die gleichen Ansprüche hatten wie die Maschinen von vor 100 Jahren. Er war auch schon viel rumgekommen um möglichst viel zu lernen. Geboren war er in Deutschland. Das war aber eher ein Unfall gewesen, wie ihm seine Eltern mal gebeichtet hatten, denn eigentlich sollte er in Den Haag geboren werden. Eben dort, wo sie auch lebten. Doch seine Mutter wollte hochschwanger noch eine Reise ins Nachbarland machen und hatte sich dabei überschätzt. Nun stand auf ewig in seinen Personalien: Geboren in Kiel. Gut, es gab andere Städte, die seines Erachtens schlimmer gewesen wären, doch in der Grundschule reichte es schon aus, wenn man wo anders geboren worden war. Oh, wie oft hatten die anderen Jungen ihn deswegen aufgezogen und wie cool war er bei den Mädchen gewesen! Es war etwa zu der Zeit, als Daan anfing, sich für Mechanik zu interessieren. Zuerst waren es nur die Rollschuhe seiner Schwester gewesen, die er repariert hatte, dann sein Skateboard bis er irgendwann seinen ersten Roller hatte, um den er sich hingebungsvoller kümmerte als um seine damalige Schulfreundin. Ja, er liebte Maschinen, so einfach, so komplex und sie hörten einem immer zu, nörgelten nicht und waren dankbar, wenn man sich mit ihnen beschäftigte. Daan war der Auffassung, dass auch Maschinen eine Seele hatten. Ja, wie sollte es anders sein? Menschen bauten sie und mit allem, was man eigenhändig erschuf, schuf man auch etwas, das etwas Leben von einem selbst in sich trug. So oder so ähnlich zumindest hatte es mal ein Künstler gesagt habt, den sie in der Schule behandelt hatten. Den Namen hatte er zwar vergessen, da Kunst ihn nicht die Bohne interessierte, doch an der Philosophie des Malers hielt er noch heute fest. Nach seinem Schulabschluss hatte er sich gleich in eine Lehre begeben und war zu einem hervorragenden jungen Mechaniker geworden. Er wollte auch noch Ingenieurwesen studieren und noch mehr erfahren. Zu der Zeit war er so wissbegierig, dass er alles hätte aufsaugen können(,) wie ein ausgetrockneter Schwamm. Er hatte sich in Alkmaar und Haarlem beworben, auch aus dem Grund, da dort jeweils seine Großeltern wohnten. Eine kostenfreie Unterkunft war schon die halbe Miete, so hätte er nur die Studiengebühren zahlen müssen. Seinen Großeltern hätte er mit seinen Fähigkeiten und im Garten geholfen. Eben was so anfiel. Es hörte sich alles so perfekt an und doch war es zu schön, um wahr zu sein. Angenommen wurde er bei keiner seiner Wahluniversitäten. Nur eine hatte ihn gewollt und mit dieser hätte er bei weitem nicht gerechnet. Denn an dieser Uni, der Argo Paris Tech, war es beinahe unmöglich angenommen zu werden. Zudem müsste er dann nach Paris ziehen, sich einen Nebenjob suchen und hätte wohl kein so entspanntes Lernen wie daheim. Er müsste erst noch Freunde finden, denn außer französisch konnte er nichts und hatte auch nichts. Doch es war seine einzige, wenngleich auch schwere, Chance und die musste er einfach ergreifen. Sein Studium in Paris beendete er mit einem sehr guten Schnitt und seitdem war er auf Jobsuche. Erst hatte er daran gedacht, wieder nach Den Haag zu gehen, doch nun, wo er gerade so frei war, warum sollte er dann nicht noch etwas länger fern der Heimat bleiben? Es stand im Internet, dass in Reykjavík Mechaniker gesucht wurden. Es war nicht der hochbezahlte Job, für den er eigentlich ausgebildet worden war, doch es würde gehen. Was das Arbeitswesen anging, war er noch blutiger Anfänger, er würde später mehr versuchen, dachte er bei sich. „Ich denke, damit haben wir alles besprochen, was wichtig war. Mr. Kravig, zeigen Sie doch unserem neuen Kollegen die Halle und seinen Arbeitsplatz. In der Pause können wir Sie dann den restlichen Kollegen vorstellen. Ich hoffe doch, Sie werden sich hier schnell einleben können.“ Daan's Chef, Herr Grimsson, reichte ihm die Hand und lächelte ihn dabei freundlich, aber auf geschäftliche Weise an. Daan erwiderte diese Geste und verneigte noch dankend etwas sein Haupt, eh er sich aufrichtete und sich von Mr. Kravig seinen zukünftigen Arbeitsplatz zeigen ließ. Mr. Kravig war, wie Daan schnell bemerkte, die einzige Person, die man hier nicht mit 'Herr' ansprach. Mr. Kravig war der Sekretär und bekleidete demnach irgendwie eine Sonderstellung zwischen den Chefs und den Angestellten. Er war wahrscheinlich so Mitte 40 und hatte schon erste graue Haare an den Schläfen. Dazu war er beinahe um einen Kopf kleiner als Daan und zierlicher gebaut. Doch auf dessen Schreibtisch hatte er schon ein Foto von ihm und Mrs. Kravig und den drei Kindern gesehen. Irgendwie kamen ihm hier alle so solide vor. Alteingesessen, gläubig und solide. Treu oder auch loyal könnte man sagen. Etwas, das er so nicht kannte oder besser, was ihm nicht mehr zu stand. Mit seinen 1,60 Meter war Mr. Kravig aber wohl die Ausnahme. Die Männer, die hier arbeiteten, waren meist so groß wie Daan oder größer. Dabei war er schon an die 1,80 Meter groß. Nicht ganz, aber dieser eine Zentimeter ärgerte ihn schon irgendwie. „Darf ich fragen, warum Sie nach Island gezogen sind?“ „Hm?“ Daan war ganz vertieft gewesen, die hiesigen, riesigen Maschienen zu bestaunen, „Ach, das... Da gibt es verschiedene Gründe, aber ich habe mal in einem Bericht gelesen, dass Island sehr viele technische Güter hat und selbst einige marktführende Ideen entwickelte, da das Land sich wohl nur mit wenigen Naturgütern verkaufen kann.“ „Da haben Sie wohl Recht. Island ist wohl eine Mischung aus Irland und Grönland. Nun, aber wenn man sich hier auskennt, gibt es durchaus sehr schöne Ecken zu entdecken.“ „Ein Mischung? Hmm, ein guter Vergleich. Mich freut es natürlich, dass dieser Umstand das Land technisch so weit nach vorne gebracht hat.“ Daan lächelte und folgte dem Sekretär einen langen, grau gehaltenen Gang entlang, der zu beiden Seiten riesige Türen für ebenso große LKWs und Lagerräume hatte. Sie traten durch eine dieser Türen und gelangten so zu der riesigen Fläche. An einigen der großen Türen standen LKWs bereit zum Beladen, andere waren geschlossen, andere offen. Die Fläche schien unendlich groß zu sein. Sie war einbetoniert, doch mit der Zeit hatte sich an einigen Stellen kleine Kuhlen gebildet, wo sich das Wasser vom Regen sammelte. Meist dort, wo die großen Laster standen, um die Ware zu empfangen, die sie zum Schiff bringen mussten. Eine direkte Hafenanbindung gab es hier nicht. „Dies hier ist die Hauptstelle in Reykjavík. Wir haben auch noch eine Zweigstelle in Grindavik, wohin Sie auch das ein ums andere Mal müssten, da wir dort weniger Leute haben.“ „Wie kommt das denn?“ „Nun ja, nicht viele sind so Technikbegeistert wie Sie. Viele der jungen Leute hier(,) wollen was anderes machen, Dinge mit mehr Zukunft. Meine Tochter zum Beispiel möchte lieber Tierärztin werden, aber nicht etwas hier bei all den Schafen! Sie will nach Übersee“, entbrüstete sich Mr. Kravig. Die Jugend scheint auch überall gleich zu sein, dachte Daan nur im Stillen. Sie gingen um einen Laster herum und wollten gerade wieder in das Gebäude gehen, als Daan abrupt stehen blieb. „Was ist das denn“, fragte er nur überrascht und zeigte auf einen kleinen Autoanhänger mit verschiedenen Hölzern darauf. Holz, wirklich Holz. „Ich dachte, es gibt hier keine Bäume?“ „Das stimmt auch. Das dort sind alles Importe aus dem Ausland. Ich glaube, meist aus Norwegen und der Ecke dort oben.“ „Haben Sie auch Holzbestandteile in ihren Maschinen?“ Es wäre nichts Neues, denn eh man das Metall hatte, wurde viel mit Holz geweckt?, aber ein Holzbolzen nutzte sich schneller ab als einer aus Chrom oder Stahl. Wozu also so eine veraltete Technik? „In einigen kleineren Werken, ja. Das sind aber meist nur Dinge für den Haushalt. Zudem ist Holz hier sehr beliebt.“ „Ach ja?“ Daan's Überraschung ließ sich nicht verbergen. Holz war doch nichts Besonderes... Doch Mr. Kravig lachte nur. „Für Sie vielleicht nicht. Sie kennen es zur Genüge, aber hier auf der Insel ist es sehr rar und handwerkliche Meisterwerke wie die von Elvar sind überaus gefragt. Ich selbst habe einen schönen Eichentisch in Auftrag gegeben, für den Fall, dass eines meiner Kinder mal heiratet“, berichtete er stolz. „Aha?“ „Wissen Sie, als ich noch Kind war, haben wir Bäume nur im Fernsehen oder auf Bildern kennengelernt. Erst nach und nach kamen die Leute dazu, sich in ihren Gärten kleine Sträucher oder Bäumchen zu pflanzen. Irgendwann begann dann die Familie Laxness ein Holzgeschäft. Die Leute waren erst skeptisch, doch dann wurde der alte Ísak zu einem der berühmtesten Leute auf der Insel.“ „Ach so, ja, Bäume sind bei mir daheim ganz alltäglich. Es gibt sogar eine ausgeprägte Gärtnerkultur“, meinte Daan und dachte nur mit Wehmut zurück an seine Familie. „Eben. Sie werden sicher auch mal in den Genuss kommen und mit ihm zusammenarbeiten können.“ „Mit diesem Ísak?“ „Oh, nein“, winkte Mr. Kravig gleich ab. „Mit Elvar. Ísak war zwar ein alter Meister, aber sein Sohn ist jetzt schon um Längen besser als er.“ Elvar, Ísak, Grimsson und wie sie nicht alle hießen. Die Namen hier waren wirklich noch gewöhnungsbedürftig, aber gut, wenn man zum ersten Mal in Holland ist, klingt sicher auch alles ganz fremd. „Hmm“, machte Mr. Kravig. „Eigentlich dachte ich ja, Elvar würde vielleicht mal rauskommen, aber er scheint beschäftigt. Na, Sie werden ihn sicher bald schon kennenlernen.“ Der ältere Mann belächelte den Anhänger mit dem gestapelten Holz noch einmal, dann ging er weiter voran, wieder hinein in den Gebäudekomplex, der grau und kühl gehalten war. Die Farbwahl störte den jungen Mechaniker nicht weiter, denn später an seinem Arbeitsplatz war es stets etwas wärmer, da hier die Maschinen immer in Betrieb waren. Kapitel 2: 2 ------------ Er stand auf und fühlte sich wie gerädert. Ein Blick aus dem Fenster machte auch gleich klar, woher seine so gedrückte Stimmung kam. Der Himmel hing voller Wolken. Grauer wie weißer Wolken, die gemächlich dahin zogen. Selbst wenn es keine Regenwolken waren, so drückten sie doch sein Gemüt. Daan war ein Wettermensch. Bei schönem Wetter war er gut drauf und sehr produktiv. Ihm sprudelten die Ideen einfach so in den Kopf. Doch bei solchem Wetter blieb er eher phlegmatisch und würde auch gerne das Bett hüten. Doch das ging ja nicht. Heute war erst Donnerstag und er musste noch zwei elendige Tage arbeiten. Als Daan ins Bad ging, wusste er schon irgendwie, was ihn im Spiegel erwarten würde, doch wie immer sah er viel schlimmer aus. Grinsend über sich selbst schüttelte er nur den Kopf und tat sich Zahnpasta auf seine Zahnbürste. Sein Morgenritual war immer gleich. Aufstehen, Radio anmachen, dann ins Bad. Er putzte sich die Zähne, wusch sich das Gesicht und kontrollierte es. Ja, in seiner Pubertät hatte er viele Pickel, doch das hatte sich zum Glück gelegt. Seine Haut war wieder glatt und leicht gebräunt. Seine wirren dunkelbraunen Haare waren an den Seiten kürzer gehalten. Auf dem Haupt waren sie länger, aber nur so lang, dass er sie noch etwas stylen konnte. Er hatte glatte Haare, die nur, wenn sie zu lang wurden, leichte Wellen aufwiesen; oder etwa nach dem Schlafen. Daan ging sich nur mit den Fingern durch die Haare und legte sie mit einigen geschickten Fingerstreichen so, wie sie liegen sollten. Dann kontrollierte er seinen Bart. Einem gepflegten Drei-Tage-Bart konnte doch niemand wiederstehen. Seine Wangen und die Mundpartie hielt er sich dabei frei. Er wollte ja nicht zugewachsen aussehen. Nachdem er im Bad mit seiner morgendlichen Pflege soweit fertig war, ging er zurück in sein Schlafzimmer und suchte sich frische Shorts und Klamotten für den heutigen Arbeitstag heraus. Eigentlich war es egal, was er anzog, da er sich eh auf Arbeit noch mal umziehen musste. Dann ging er in seine kleine spärlich eingerichtete Küche und machte sich ein ebenso spärliches Frühstück bestehend aus einem Kaffee und trockenem Toast. Für die Arbeit nahm er sich gerade mal einen Apfel und Wasser mit. Mittag durfte er dort essen, das wurde ihnen vom betriebsinternen Lieferdienst gebracht. In den ersten Wochen hatte Daan sich schon gut eingewöhnt. Da er in Reykjavik wohnte, hatte er einen recht kurzen Arbeitsweg und konnte diesen mit dem Fahrrad zurücklegen. Die Arbeit machte ihm Spaß und er kannte sogar einige der Module, die er herstellen sollte, noch nicht, weswegen er sich auch erstmal intensiv mit deren Einsatz und Handhabung beschäftigte. Sein Chef Herr Grimsson hatte noch die ersten zwei Wochen nach ihm gesehen. Nun stand erst am Ende seiner Probezeit wieder ein Personalgespräch an. Mit seinen Kollegen war er auch schon ins Gespräch gekommen. Es folgten die üblichen Fragen wie (etwa): Wo kommst du her? Warum hierher? Hast du Familie? Wie alt bist du? Was sind deine Hobbies? Daan musste die meisten davon gefühlte hundertmal beantworten. Im Schnitt hatte er aber erfahren, dass es hier die ‚Alteneisen‘ wie auch viele ‚Frischlinge‘ gab. Mit seinen 24 gehörte er demnach zum unteren Mittelfeld. Viele waren in den Dreißigern, nur die Lehrlinge unter Zwanzig und der Rest gehörte zu den Fünfzig Plus. „Morgen Daan! Warst du schon beim Chef?“ Gunnlaugsson kam ihm entgegen. Er war schon einunddreißig, aber total auf seiner Wellenlänge. Sie hatten sich auch vom ersten Gespräch an super verstanden. Eigentlich heißt er ja Bjarni Tristansson Gunnlaugsson. Er meinte zu ihm, dass er eigentlich noch mehr Namen hätte und erklärte ungefragt gleich mal die Tradition, in Island seinem Kind den Namen eines der Elternteile mitzugeben. Diese Tradition hat sich bis heute noch aufrechterhalten. So wird auf dem Zweitnamen das Anhängsel –son oder –dottir verliehen, um zu zeigen, ob es sich um ein Mädchen oder Jungen handelt. Ziemlich albern wie Daan fand, da es eigentlich offensichtlich sein sollte, ob es ein Mädchen oder Junge war. Gegen Zweit- oder Mehrnamen hatte er nichts. Schließlich hatte er selbst einen recht ansehnlichen Zweitnamen. Aber wie sagte man so schön: Andere Länder, andere Sitten. „Nein, ich bin gerade erst gekommen. Hab meine Karte abgestempelt. Warum muss ich zum Chef“, fragte Daan ziemlich überrasch zurück. Grunnlaugsson war die Frühschicht. Er sorgte immer dafür, dass das Gebäude sozusagen betriebsbereit war, wenn alle anderen Arbeiter kamen. Daher traf er auch den Chef mit als ersten. Woher also sollte er, der wesentlich später zur Arbeit kam, schon von irgendwas wissen? „Stimmt ja. Ich vergesse immer, dass du erst jetzt kommst. Tja, also er will dich sehen. Hast du was ausgefressen?“ Sein Kumpan grinste ihn an und klopfte ihn auf die Schulter, während Daan wirklich nachdachte, ob er irgendwas verpfuscht hatte. „Nicht, dass ich wüsste…“ „War nur’n Scherz. Mach dir keine Sorgen und sag liebe Grüße von mir.“ Grunnlaugsson winkte ihn mit erhobenem Arm, als er schon längst an ihm vorbei gegangen war. Daan war nun doch leicht irritiert. Sollte er den Chef grüßen? Um nicht länger im Trüben zu fischen, machte Daan sich auch schon auf den Weg zum Chefbüro im zweiten Stock. Dieses war recht groß und hatte eine große Scheibe, von er aus der Grimsson auf die Hauptbetriebsstelle in der Firma immer einen prüfenden Blick haben konnte. Er klopfte an und wartete auf ein ‚Herein‘. Erst jetzt öffnete er die Tür und trat in das Büro. Die Wände hatte man in einem Mintgrün gestrichen, welche aber schon sehr abgenutzt waren und könnten einen neuen Anstrich gut vertragen könnten. Die Möbel waren die üblichen Standardbüromöbel. Ein Tisch und unzählige große Schränke für viele, viele Akten. Ein PC der älteren Art stand auf dem Tisch, dazu ein Ventilator und einige persönliche Dinge wie Fotorahmen. „Guten Tag. Sie wollten mich sprechen?“ „Guten Morgen, Van Hoeff. Ja, aber kommen Sie erstmal herein.“ Daan tat wie man von ihm wünschte und ließ seinen Blick weiter durch den Raum schweifen. An den Wänden hingen Zertifikate und alte schwarz-weiß Bilder von der Gründung der Firma. „Eigentlich hatte ich Ihnen ja das letzte Mal gesagt, wir sprechen uns dann in einem halben Jahr wieder zum Personalgespräch. Aber ich habe einen dringenden Auftrag von einem alten Freund rein bekommen und fand, dass es eine gute Möglichkeit für Sie wäre, sich auch die Außenstellen und die mit uns zusammen arbeitende Firma mal anzusehen und sich vorzustellen.“ „Ähm, danke schön. Aber gibt es nicht fähigere Mitarbeiter? Ich bin ja nun wirklich noch ein Neuling.“ „Schon, schon, aber für diesen speziellen Fall brauche ich sogar einen Neuling“, zwinkerte ihm der Chef zuversichtlich zu. „Setzen Sie sich, es dauert einen Moment.“ Daan kam der Aufforderung nach und zog den graugepolsterten Stuhl zurück. Dann setzte er sich und blickte seinen Chef erneut an. Dieser hatte sich über den hölzernen Schreibtisch gelehnt und einige Dokumente vor ihm ausgebreitet. „Sie sind ja schon mit einigen unserer Formulare bekannt gemacht worden. Dies hier sind ganz besondere, die müssen Sie sich gut einprägen. Es sind Sonderaufträge, für die ich dann und wann mal einen Arbeiter abziehe, damit er sich dieser Dinge voll und ganz widmen kann.“ Daan hörte genau zu, doch wusste er bisher immer noch nicht, was er genau tun sollte. „Mögen Sie Holz?“ „Bitte?“ „Mögen Sie Holz?“ Daan überlegte und war nun wirklich verwirrt. „Nun ja, es ist ein guter Rohstoff und man kann viel aus ihm herstellen, aber eigentlich interessieren mich mechanische Vorgänge eher. Das Zusammenspiel von Öl und Metall. Zahnrädern und Gewinden, Schrauben und Nieten und dergleichen“, antwortete Daan und hoffte eigentlich, sich damit nicht gleich disqualifiziert zu haben. Doch sein Chef lächelte und schlug erfreut mit den Händen auf dem Tisch, was ihn beinahe überrasch zusammenzucken ließ. „Gut, dann habe ich ja den richtigen Mann. Hier haben Sie eine Adresse, wo Sie die nächste Zeit arbeiten sollen. Ich hoffe doch, dass Sie das Gewünschte gut herstellen werden. Sie haben drei Monate Zeit. Dann ist Liefertermin.“ „Drei Monate? Bitte, was soll ich denn herstellen?“ „Einen halbautomatischen Schreibtisch aus Holz. Die Pläne liegen ihrem Partner schon vor. Es sind aber nur Rohfassungen und keine fertigen Pläne. Also wundern Sie sich nicht, sollte es nicht sofort funktionieren. Eigentlich bin ich davon überzeugt, dass Sie mehr als drei Monate brauchen werden. Aber ich freue mich, wenn Sie mich eines Besseren belehren können.“ Daan nahm die Adresse in die Hand und stand eine Minute später vor der Tür des Chefbüros. Irgendwie fühlte er sich noch mehr überfahren als heute Morgen und da hatte es eindeutig nur am Wetter gelegen. Mit eiligen Schritten fand Daan seinen Weg zu Gunnlaugsson, der gerade bei seinem Brot im Aufenthaltszimmer saß und ihn nur fragend ansah, als er ihm die Adresse auf den Tisch legte. „Ich steh auf’m Schlauch. Was soll ich machen?“ „Warst du nicht beim Chef?“ „Ja, eben und er gab mir diese Adresse.“ „Na dann hin da und fang an zu arbeiten. Wie lange soll der Auftrag gehen?“ „Drei Monate“ „Ui, dann viel Spaß und schick Grüße von mir mit.“ „Warum?“ Gunnlaugsson schluckte hinter und musterte Daan für eine Weile, eh er feststellte, dass dieser immer noch nicht geschalten hatte. „Alter, du gehst du Elvar. Davon hat Kravig dir doch erzählt. Er ist unser Holzspezi auf der Insel. Und alle Holzarbeiten, die zu erledigen sind, macht er. Das Projekt ist aber zu groß für einen alleine, also darfst du diesmal Elvar helfen. Glaub mir, es gibt einige, die dich darum beneiden.“ Daan erinnerte sich an den Kommentar von Kravig, als sie vor dem mit Holz beladenem Hänger standen. An diesen Zusammenhang hatte er so gar nicht mehr gedacht, weil ihn Holz mal nicht die Bohne interessierte. War er dann nicht der Falsche für den Job? Eigentlich hatte Daan noch sehr viele Fragen, doch hob er sich diese auf. Der Chef schien so freudig, dass ihn wohl demnächst nichts mehr umstimmen konnte. So machte er sich auf den Weg nach Grindavik. Er hatte sich dazu ein Betriebsauto geliehen, ein älteres Modell eines Chevrolet Trucks, der aber genügend Platz auf seiner Ladefläche hatte, um große Teile transportieren zu können. Sei es nun Holz oder Metallzubehör. Von den Skizzen wusste Daan nun schon, dass das Gehäuse aus Holz sein sollte. So dachte er, während seiner vierzig minütigen Autofahrt schon emsig nach, was wie sein könnte, wo Holz und wo Metall zum Einsatz käme. Die Autofahrt bis Grindavik war sehr ruhig. Er fuhr teils an der Küste entlang und das flache baumlose Lang umgab ihn. Es war ein eigentümliches Gefühl für jemanden, der mehr Sträucher und Bäume gewohnt war. Man fühlt sich auf eine Weise ungeschützt und nackt. Dennoch empfand Daan gerade dieses Gefühl als befreiend. Er war so lange eingeschränkt gewesen und nun endlich konnte er sich wahrlich frei fühlen. Hier kannte ihn niemand und er konnte sich ganz neu finden. Es war schön, keine Vorgaben bedienen zu müssen. Einfach nur leben, arbeiten für Geld und die kleinen alltäglichen Dinge erledigen. Aber bei all dem immer frei zu sein und sich nach niemanden richten zu müssen, war wirklich das Schönste, was ihn bisher auf dieser Insel begegnet war. Nach knapp dreiundvierzig Minuten kam Daan in Grindavik an. Er fuhr durch den Stadtkern und weiter wieder zur Küste. Das Haus oder besser der Hof, den er suchte, lag wenige Kilometer abseits des städtischen Lebens. Den Hof umgab ein alter, krumm wirkender Holzzaun, welcher vom Wetter schon stark angegriffen war. Ein schmaler Schotterweg führte zum Haus, das einem alten, nordischen Bauernhof entsprach. Es war ein einfacher Bau, ebenerdig und langgezogen. Daneben stand eine Scheune, die auch schon uralt aussah. Überall auf dem Hof und dem hausnahen Gelände lagen Holz oder Holzreste. Alles schien nach einem System geordnet zu sein. Einiges stand draußen, akkurat hingelegt und vielleicht zum Trocknen gedacht. Anderes schien frisch lackiert worden zu sein. So viel Holz wie hier, hatte er bisher noch nirgends auf der Insel gefunden. Daan parkte seinen Truck vor den vielen Holzhaufen und stieg aus. Selbst die Luft schien hier anders zu riechen. So nach Holz. Leicht modrig vom feuchten Holz, es kam beinahe dem Duft eines Waldes nah. Es fehlte nur das frische Grün. „Hallo?!“ Daan rief laut vor sich her, während er sich umsah und instinktiv weiter zur Scheune ging. Die Tür dort stand offen und das Auto mit dem Hänger, den er letztens gesehen hatte, stand direkt davor. Je näher er kam, desto lauter wurden kleine Geräusche. Jemand arbeitete da und just als Daan nur noch wenige Meter von der Tür entfernt stand, kam ein Jugendlicher aus eben dieser. „Hi, ich suche Elvar.“ Der angesprochene blieb stehen und sah Daan nun direkt an. Er war schlank, hatte aber einige Muskeln an den Armen. Er trug feste Arbeitsschuhe, sicherlich mit Stahlkappen verstärkt, eine blaue Latzhose, die von Späne und hölzernem Feinstaub übersät war. Darunter ein Shirt von Tom Tailor, da er das Emblem auf der Brust lesen konnte. Es war blaugrau und schien zur Arbeitskleidung zu gehören. Das Holz, das er gerade raubringen wollte, stellte er vor sich auf den Boden ab. Er hatte eine gute Marke von Arbeitshandschuhen an, die Daan selbst gerne nutzte. Sie lagen eng an und hatten auf der Handinnenseite eine besondere Beschichtung, waren aber auf dem Handrücken atmungsaktiv. So konnte man lange mit ihnen arbeiten. Anders als die zehnfach verstärkten Handschuhe der Schweißer, die es nur in Einheitsgrößen gab. Daan hasste Einheitsgrößen. „Und wer will was von ihm?“ Die Stimme des Jungen klang nicht so jung wie erwartet. Er musste doch schon älter sein, vielleicht frühe Zwanziger? Dazu hatte er ein schlankes Gesicht und recht feine Züge für einen Mann. Dennoch zeigten seine grünen Augen Stärke und Ausdauer. Die hellbraunen Haare waren länger und wohl mit einem Zopf zusammengebunden. Genau konnte Daan das nicht erkennen, da eine graue Beani das Haar verdeckte. „Ich bin Daan van Heoff. Mir wurde gesagt, dass ich mit ihm an einem Projekt zusammenarbeite.“ „Ach“, nun stellte er das Holzstück beiseite und lehnte es an die Scheunentür. Dann zog er einen Handschuh aus und kam auf Daan zu. „Ich bin Elvar Laxness. Du bist unerwartet früh. Freut mich.“ „Ja, mein Chef hat mir nicht viel erzählt und Gunnlaugsson meinte, ich soll gleich los.“ Daan ergriff die Hand und schüttelte die schlanken Finger, die auf eine Weise rau und weich waren. Eine seltsame Mischung. Ebenso diese Art der Isländer einen blassen Teint zu haben und dabei doch leicht gebräunt auszusehen. Es war ähnlich seiner Haare, die ja dunkelbraun waren, doch in der Sonne schien es immer, als habe er sich die Spitzen gebleicht. Je nach Sonnenstrahlung schimmerten sie hellgrau oder silbern. Daan grinste. Dieses Land und seine Leute machten ihm Spaß. „Ach, Gunnlaugsson? Sag ihm schöne Grüße von mir.“ „Stimmt, er hat gesagt, ich soll Sie grüßen. Dann richte ich es ihm auch noch mal aus.“ Elvar sah ihn mit einem ernsten und beobachtenden Blick an, dann schüttelte er den Kopf. „Dutz mich ruhig. Ich bin sicher nicht älter als du und finde siezen schrecklich. Außerdem, wenn du Scheiße baust, kann ich dir direkt eine runter hau‘n und muss nicht erst zu deinem Chef laufen.“ Elvar grinste kurz fies, dann sah er sich um und ging seiner Arbeit wieder nach. Daan war überrascht. Er wusste den anderen noch nicht einzuschätzen. Auf einer Seite war er nett, dann aber wieder recht feindselig. Daan zuckte mit den Schultern. Ihm konnte das egal sein. Wichtig war, dass sie zusammen arbeiten konnten. Sie mussten sich ja nicht vertragen oder Freunde werden. Kapitel 3: 3 ------------ Drei Monate waren eine verdammt lange Zeit und gerade am Anfang verlief die Zeit so elendig langsam. Die erste Woche war rum und Daan war so erschöpft. Nicht körperlich, eher geistig. Es war Freitagnachmittag und die Sonne schickte einige vereinzelte Strahlen durch die immer dichter werdende Wolkendecke. Daan und Elvar hatte viel geredet, waren den Plan durchgegangen und hatten ihn wieder verworfen, nur um den neuen Plan ebenso zu verwerfen. Es war nicht einfach, diese zwei Elemente zu vereinen, zudem es gerade bei den technischen Details irgendwie nicht klappen wollte. „Ich beginne Montag einfach mit dem Rohbau für den Tisch. Dann schauen wir, wie viel Platz wir haben und was wir wo hinsetzten können. Ok so?“ Daan überlegte. Für ihn war das Mist. Er brauchte einen richtigen fertigen Plan. Da war er einfach zu gradlinig und nicht so wendig wie der Holzprofi neben ihm. „Ja, gut. Es passt mir nicht, aber anders kommen wir ja auch nicht voran“, stöhnte er und kratzte sich am Kopf. Daan besah sich noch mal die Blaupause, während Elvar aufstand und das Licht anknipste. Dann räumte der Tischler einige seiner Werkzeuge an ihren vorbestimmten Platz und begann zu fegen. Er schaute nur kurz auf, als von seinem Gast ein fluchendes Geräusch kam. „So ein Bullshit…. Wie kann man nicht wissen, was man haben will? Das ist doch kein richtiger Auftrag…“ Daan lehnte sich in dem selbstgezimmerten Holzstuhl zurück, legten den Kopf in den Nacken und ließ die Armen zu beiden Seiten hängen. So sah er Elvar beim Fegen zu. „Natürlich ist das ein richtiger Auftrag. Außerdem weiß der Kunde, was er will. Er ist nur nicht so versiert, es richtig aufzuzeichnen. Dafür gibt er es ja in die Hände von uns Profis“, kommentierte er mit neutralem Blick. Daan seufzte lang und laut, während er sich fragte, auf was er sich hier nur eingelassen hatte. Dann hob er den Kopf und rieb sich den Nacken. „Du könntest deine Stühle ruhig mal auspolstern“, bemerkte er nur und kassierte dafür einen Schlag mit dem Besen. „Ey!“ „Meine Stühle sind zum Sitzen da und nicht zum rumlümmeln. Dann geh da auf die Couch!“ Elvar zeigte mit dem Besen ins nächste Zimmer. Da der alte Bauernhof des Tischlers Werkstatt und Wohnung zugleich war, befanden sich die bequemen und sauberen Wohnräume direkt neben den von Feinstaub bewohnten Arbeitsräumen. Daan hatte am letzten Freitag nur eine kurze Führung bekommen, dann hatte er schon mit anpacken dürfen. Doch die Werkzeuge und deren Funktion blieben ihm oft fremd, sodass er lieber zusah, wie Elvar flink etwas schnitze, da ein Relief reinzauberte oder mit verschiedensten Hobeln und Pfeilen zu Werke ging. Beim ihm sah alles so einfach aus, dabei war das Holz doch so widerspenstig. Und doch sah man Elvar an, dass ihm das, was er tat, unheimlich viel Spaß machte. Selbst wenn ihm der Schweiß rann und die Augenbrauen zusammengezogen waren, schien das Gesicht zu strahlen. Daan stand einfach auf und schaute eher flüchtig aus dem Fenster, als er abrupt stehen blieb. Schnell ging er zum Fenster und sah in die dunklen Sturmwolken hinauf. „Ernsthaft jetzt?“ „Hm?“ „Guck dir mal das Gewitter da an. Na es regnet noch nicht, da werd ich schnell lo-“ Just in diesem Moment krachte es über ihren Köpfen. Der Himmel schien einzustürzen, so laut war der Donner. Ein Blitz, noch ein Krachen, dann war es kurz still, eh ein beständiges Rauschen losging. Ein lautes Rauschen wie von hunderten Litern Wasser, die gerade auf sie niederprasselten. „Wolltest du nicht los“, fragte Elvar und musste grinsen. Daan starrte ungläubig nach draußen und war bei Weitem nicht so begeistert wie der Tischler. „AH!“ „Was nun?“ Daan drehte sich um und sah nur noch wie Elvar den Besen fallen ließ und zur Tür stürmte. Schnell rannte er ihm hinterher, blieb aber in der Tür stehen, da es draußen Sturzbäche regnete. „Was ist denn los?“ Er musste seine Worte gegen den Regen schreien. Dazu war es dunkel geworden. Kurz wartete er, dann rannte er hinterher in Richtung Scheune. „Ich muss das Holz hier noch reinbringen! Sonst war meine Arbeit voll umsonst“, hörte er den anderen hektisch reden, während dieser ein großes Brett eiligst in die Scheune trug. Daan überlegte nicht lange, sondern half mit, auch wenn er schmunzelnd den Kopf schüttelte. „Scheiße bin ich nass!“ Elvar trat zuerst in die warme Werksstube, welche er schnellen Schrittes durchschritt und im nächsten Raum verschwand. Daan schloss die Tür hinter sich und sah nur auf den triefend nassen Fleck, den er im Stehen hinterließ. Er war komplett durchgeweicht! Ins Auto konnte er sich so schlecht setzten. Aber Umziehen wäre auch dumm, da er keinen Schirm hatte und somit gleich wieder nass werden würde. Also musste er sich ins Auto retten und sich dann umziehen. „Hier!“ Daan sah auf und fing das Handtuch auf, welches ihm fast im Gesicht gelandet wäre. „Trockne dich ab und dann zieh dich aus. Besser du bleibst hier, bis der Sturm vorbei ist.“ „Wer weiß, wie lange das dauert….“ „Wahrscheinlich bis morgen Mittag. Unsere Stürme sind immer sehr stark und ich will es nicht verantworten, wenn du jetzt noch mit dem Auto fährst und dabei von der Klippe rutschst oder sonst was passiert.“ Gut, das sah er ein. Dennoch war es für den Mechaniker komisch bei jemanden zu nächtigen, den er seit genau einer Woche kannte. „Ich geb dir trockene Sachen. Hab immer welche vorrätig.“ „In deine Sachen pass ich doch nie und nimmer rein“, erwiderte Daan ungläubig. „Meine bekommst du auch nicht. Ich habe ab und zu auch mal Gäste. Die vergessen dann und wann mal was. Keine Angst, es ist alles gewaschen.“ Daan sah den anderen noch eine Weile an, dann begann er sich abzutrocken und sein nasses Shirt auszuziehen. Es klebte alles so ekelig an seiner Haut, dass er es beinahe nicht ausziehen konnte. Ähnlich war es bei der Hose. Er trocknete sich weiter ab und ja… selbst seine Shorts waren an den Beinen nass geworden. So ein Mist auch. Dennoch ging er durch den Werkstattraum in den angrenzenden Wohnbereich, wo Elvar sich selbst gerade eine lockere Jogger anzog. Aha, schwarz tragen wir also, dachte er bei sich, als er einen kurzen Blick auf Elvars Unterhose geworfen hatte. Eher ausversehen, versteht sich. „Und von wem sind all die anderen Sachen?“ „Das geht dich nichts an.“ „Aha? Also doch von diversen Leuten?“ Er hob frech eine Augenbraue und pokerte ziemlich hoch. Elvar schwieg und sah ihn warnend an. „Ich mein ja nur. Du, allein, in einem alten Bauernhof… das ist ein super Plot für einen Schundroman.“ Ernst sah er den anderen an. „Spinnst du?! Denkst du, ich geb mich so freiwillig irgendwem hin?! Außerdem, woher bitte willst du wissen, dass ich nicht Frauen herlocke, um sie zu vernaschen.“ Daan lachte, dann sah er sich den Anderen an, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte und ihn angiftete. „Neee“, meinte er abwinkend, woraufhin Elvar den Besen nahm und auf den nur in Shorts stehenden losging. Daan wehrte den Besen ab und lachte nur. „Genau deswegen. Deine Erscheinung sagt schon, dass du nicht der aktive Part bist. Außerdem hab ich ein gutes Gespür, ob jemand schwul oder hetero ist. Zudem“, er entwand Elvar den Besen, drehte ihn den Arm sanft auf den Rücken und zog ihn so an sich heran, damit er genauer in die grünen Augen sehen konnte. Es war ein seltenes, wirklich frisches Grün und ein Grüngelb, Grünbraun oder eines, wo nur vereinzelte Grünesprenkel enthalten waren. „Lässt du dich wirklich leicht überrumpeln.“ Daan redete ruhiger, eben weil sie sich gerade so nah waren und Bauch an Bauch standen. „Und du bist Bi, das hab ich auch gleich gesehen. Aber da du mich letzten Freitag schon abgecheckt hast und als nicht interessant genug empfandest, brauchst du diese Show hier gar nicht erst abziehen.“ „Und wenn ich meine Meinung inzwischen geändert habe“, grinste er frech und charmant. „Sicher nicht“, erwiderte Elvar und grinste zurück. „Meinst du? Oder hast du deine Meinung geändert“, fragte Daan nun mit eben dem gleichen anzüglichen Grinsen zurück. Elvar sah ihn eine Weile an, studierte die dunkleren Augen und schob sich dann ruhiger von Daan fort. „Weder du noch ich haben unsere Meinung geändert. Außerdem verbindet uns nur ein normales Arbeitsverhältnis.“ Daan sah auf den schmaleren Rücken und zuckte nur mit den Schultern. Wenn er denn meinte. Er hätte nichts dagegen gehabt, aber es musste auch nicht sein. In der Stadt fand er bestimmt ein One-Night-Stand oder er machte es sich selbst. So wild war es nun auch nicht. Immerhin war er für die nächste Zeit erstmal von Beziehungen kuriert. Elvar zog sich seinen Pullover noch über, der ihm schlabbrig am Körper hing. Dann nahm er den Besen und stellte ihn zurück an seinen Platz. „Setz dich ruhig hin, ich mach uns einen Tee oder willst du lieber Suppe? Die ist dann aber nur aus der Dose“, bot Elvar an. „Tee reicht mir, aber vielleicht'n Stück Brot dazu?“ Na, das hatte er zum Glück noch. In der Küche bereitete er dann einen grünen Tee zu und schmierte ihnen ein Butterbrot mit Würstchen, die er noch schnell im Wasser erwärmte. Wenig später servierte er all das und sie aßen schweigend auf der Couch. Ab und an sah er doch zu seinem Besuch herüber. Er konnte es irgendwie nicht verhindern und doch nervte es ihn. Daan sah gut aus, dass hatte er ja schon festgestellt, und er hatte einen recht angenehmen Charakter. Doch ob das reichen würde? Nein, was dachte er da nur?! Nichts mit Typen von der Arbeit, dass hatte er sich doch bei seinem letzten Auftrag hoch und heilig geschworen. Dazu hatte es zu viele Komplikationen gegeben. Außerdem wollte er nicht, dass Eirik nochmal ausrastete. Gut, es war übertrieben gewesen und eigentlich würde sich Daan sicher auch wehren können, aber... Verdammt, an was dachte er hier eigentlich schon wieder?! Während Elvar in Gedanken versunken grübelte, hatte Daan aufgegessen und war aufgestanden. Seine tropfenden Klamotten hing er in dem kleinen Bad auf, welches er auch benutzten durfte. Er hatte auch seine Shorts dort aufgehangen und alles etwas ausgewrungen, dass es vielleicht schneller trocknete. Die geliehene Hose, war zwar im Schritt recht geräumig, aber so ganz ohne Shorts war es ihm auch unangenehm. Doch das war etwas, dass er sich nicht auch noch ausleihen wollte. Als er zurück ins Wohnzimmer kam, war Elvar weg, sowie auch das Geschirr. Dafür kam ein leises Klappern aus der Küche. Daan wartete einen Moment und fragte sich auf was genau. Dann aber setzte er sich auf das Sofa und legte seine Smith & Wesson auf den Tisch und begann sie auseinander zu nehmen. „Ist das eine Waffe?!“ „Nein, ein Marzipanschwein. Eine Smith & Wesson um genau zu sein. Stört es dich?“ „Hast du die etwa die ganze Zeit bei dir?“ Elvar klang sichtlich überrascht und vielleicht auch etwas ungehalten. „Jupp. Ich hab auch einen Waffenschein, wo sie registriert ist. Immerhin bin ich ja Mechaniker.“ „Ja und? Das heißt nicht automatisch, dass du eine Waffe mit dir herum führst.“ „Sagen wir mal so, ich war eine Zeit lang gezwungen und nun ist es eher so was wie eine Gewohnheit geworden.“ Elvar war immer noch etwas schockiert, als er direkt neben Daan auf das alte Sofa setzte, dessen grüner Cordbezug schon hier und da deutliche Abnutzungen zeigte. Neugierig streckte der junge Tischler seine Nase aus und sah interessiert zu, wie geschickt und sicher Daan dieses metallische Etwas Stück für Stück auseinander braute und jedes Einzelteil auf den Tisch legte. „Und das bekommst du auch wieder zusammen?“ „Sicher“, grinste Daan, „das ist leicht oder willst du es mal probieren?“ Elvar sah einen Moment interessiert hin und haderte mit sich. Er musste gestehen, Waffen hatten ihn schon mal interessiert. Aus diversen Gründen allerdings. „Darf ich?“ „Klar, aber erst brauch ich ein dünnes Tuch, sie ist nämlich nass geworden.“ Elvar sprang sogleich auf und war in wenigen Sekunden wieder auf dem Sofa, in der Hand ein dünnes, bräunliches Mikrofasertuch. Daan lachte kurz, dann nahm er das Tuch entgegen und trocknete jedes Teil vorsichtig und gründlich ab. „Gut, dann fang mal an.“ Damit überließ er Elvar das Feld, der sich nur zaghaft traute die Teile anzufassen. Sie waren kalt und einige wogen schwer in der Hand. Allein das Gehäuse der Waffe war recht schwer. Er besah sich das Metallstück und spürte, wie sein Herz schneller schlug. Dann drückte er das Gehäuse schnell Daan in die Hände und zog seine zögerlich zurück. „Mach du. Ich schau nur zu.“ Daan lächelte nur und begann mit geübten Fingern jedes Teil an seinen Platz zu setzten. Es dauerte gerademal wenige Sekunden. Als er die Trommel schließlich drehte, begann synchron das Licht zu flackern. Elvar schien es nicht zu stören, doch Daan sah sich um. Als er zum Fenster sah, blitzte es auf und es hatte den Anschein als stünde da jemand vor ihren Fenster. „Hast du das gesehen?“ „Was?“ „Stand da nicht gerade jemand vor dem Fenster?“ Daan zeigte auf das Fenster und Elvar sah nun auch auf. Wieder blitzte es und der Donner hallte krachend hinterher. Elvar aber lächelte milde und schüttelte den Kopf. „Das da ist nur ein Busch.“ „Ah ja~“ „Darf ich mal?“ „Hm?“ „Deine Pistole, ich möchte sie mal halten.“ „Das ist ein Revolver und da ist aber kein Gramm Holz dran, ne“, zog Daan den anderen auf. Der aber schüttelte nur den Kopf und lächelte trotzdem mit faszinierten Augen. „Egal, bitte.“ Daan überreichte ihm die Waffe und lehnte sich entspannt zurück. Elvar mit einer Waffe, sah sogar für ihn, der ihn erst eine Woche kannte, seltsam aus. Irgendwie passte Holz besser zu dem Tischler. Daan merkte, wie er müde wurde, was allein der Gemütlichkeit geschuldet war. Elvar hielt die Waffe vor sich hin und her, drehte sie und legte seine Hand wie zum Schuss um den Griff und den Finger in den Abzug. Er drehte die Waffe noch mal und betätigte den Hahn, als er auch schon den Finger am Abzug zurückzog und ein lauter Knall aus dem Revolver schoss. Sofort war Daan wider hellwach, doch er hatte es nicht verhindern können. Wer ahnte auch, dass er einfach so schießen würde, wenn die Hand noch nicht mal gesichert war und irgendwie verquer in der Luft hin, als hielte er eine Gabel in der Hand. Den Rückstoß, den die Hand bekam, konnte weder der überraschte Elvar aufhalten, noch Daan, der den Lauf seiner eigenen Waffe an die Stirn bekam. „Scheiße!“ „Oh scheiße!“ „Ahhh, verdammt! Elvar!“ „Gott, oh, Gott, tut mir leid! Ich wusste nicht, dass sie geladen war!“ „War sie nicht. Da war nur ein Patrone drinnen. Wer drückt auch einfach so den Abzug runter?!“ „Wer bitte lässt seine Waffe ungesichert?“ „Ich dachte, du hättest so viel Verstand und würdest nicht schießen. IN deiner Wohnung.“ „Es ist meine Wohnung, da darf ich schießen wann immer ich will, außerdem...“ Daan hatte mit der freien Hand die Waffe entwendet und wieder gesichert, während er sich mit der anderen die Stirn hielt, wo der noch heiße Lauf gegen geschlagen war. Elvar vergaß, was er 'außerdem...' noch sagen wollte, als er sich vor Schreck in Rage geredet hatte und nun den anderen klar ansah. Sein Herz schlug ihm immer noch bis in den Hals und seine Finger zitterten leicht. Er hatte nur seine Decke erschossen, aus er wenige Stücken Späne rieselten. Dennoch war der Schreck, allein schon durch den lauten Knall, groß gewesen. „Zeig mal... zzzhh.. ich hol dir etwas Kaltes“, damit stand er auf und kam mit einem kalten Bier wieder, welches er Daan auf die kleine halbmondartige Brandwunde über der linken Augenbraue hielt. „Hier. Hilft doppelt. Das tut mir leid, echt... tut es sehr weh.“ Daan musterte das besorgte Gesicht. Elvar war ihm so sah, dass man die kleinen Punkte in den grünen Augen sehen konnte und doch musste er grinsen, dann lachte er kurz. „Nein, geht schon. Ich hab mich selbst schon genug verbrannt, da macht das auch nichts aus. Aber“, er grinste immer noch, „wie zum Teufel schafft man es, die einzige Patrone in einer 6er Trommel zu verschießen?“ Wahrscheinlich hatte Elvar beim russischem Roulett immer Glück. Elvar nahm seine Hand vom Bier, als Daan es selbst festhielt und drückte seine zitternden Finger in den Schoß. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie geladen war...“, gab er kleinlaut zu. Vorsichtig legte Daan den Revolver auf den Boden, direkt neben der Couch ab und die nun freie Hand auf die von Elvar. „Passiert. Ist doch alles gut“, sagte er sanft, da es den Eindruck machte, Elvar könnte jeden Moment in Tränen ausbrechen. Was er nicht tat, wie Daan bemerkte, da dieser sich erstaunlich zusammen riss. „Hey, ist doch gut. Ich lebe noch und deine Decke hat'n Blattschuss. Und wenn du nicht aufhörst so zu zittern, überleg ich es mir vielleicht doch noch anders, denn gerade bist du wirklich süß.“ Elvar sah erstaunt in die braunen Augen, als ihm die Bedeutung der Worte langsam aufging und er zu seinem selbstsicheren Ich zurückfand. Bockig schlug er die Hand von Daan von seinen und funkelte ihn an. „Ganz sicher nicht. Vielleicht hätte ich dich doch fester treffen sollen... Ich bin nicht süß!“ Daan lachte und sagte nur: „Oh doch.“ Was Elvar nach und nach wirklich anstachelte. Sie stritten sich – wenn man es überhaupt 'Streit' nennen darf – eine Weile, eh beide sich ansahen und erleichtert lachten. Es war ein Schreck gewesen, aber irgendwie auch gut. Daan hatte das Gefühl nun besser mit Elvar klar zu kommen und sich vielleicht wirklich noch mit ihm anzufreunden. Wusste er doch nicht, was er bei Elvar losgetreten hatte. Es war der nächste Morgen. Die Sonne schien in das Wohnzimmer und weckte den Mechaniker aus unbequemen Träumen. Er schlief schon auf einer besseren Couch. Ihm tat alles weh und Gott, es war Wochenende. Eigentlich sollte er sich in seinem Bett noch mal umdrehen und weiter schlafen. Mindestens bis mittags. Als er zur Decke sah, erkannte er deutlich das Einschussloch von gestern Abend. Er grinste und schüttelte immer noch ungläubig den Kopf über so viel Dummheit. Dennoch rappelte er sich auf und hörte leises Werkeln aus der Küche. „Guten Morgen“, sagte er zerknirscht zu seinem Gastgeber, der ihn ein freundliches Lächeln schenkte. Mit frischen Klamotten und seiner Beanie stand Elvar vor der altmodischen Kaffeemaschine und sah dem letzten schwarzen Tropfen zu, die in die heiße Kanne fielen. „Guten Morgen. Deine Sachen sind schon trocken. Wenn du magst, kannst du dich gleich mal umziehen.“ „Gute Idee. Hast du'n Kaffee für mich?“ „Ja, steht gleich bereit.“ „Merci.“ Daan ging erstmal zurück in das kleine Bad und war froh darüber, dass seine Sachen wirklich trocken waren. Endlich wieder eine Shorts an und aus diesen merkwürdigen Klamotten raus. Er legte das Geliehene ordentlich zusammen und ging wieder ins Wohnzimmer. Dort steckte er seine Waffe wieder in den Gürtel am Rücken und schaute lieber noch mal, ob sie wirklich gesichert war. Das gestern war ihm eine Lehre gewesen. Echt jetzt. Andererseits hatte er nun wirklich keine Patronen mehr in der Trommel. Dann ging er in die Küche und blieb doch wenige Schritte davor stehen. Aus der Küche kamen mehr Geräusche als eben. Es war mehr Besuch da, das war klar und er war männlich, das hörte man an der tiefen Stimme. „Bin wieder da.“ „Wa-? Wo.. kommst du denn her?“ Das war Elvar, der überrascht schien und die Person kannte. „Durch die Tür. Bin gestern angekommen. Doch durch den Sturm leider nicht bis hierher. Dabei hätte die Nacht mit dir bei Kerzenschein sicher viel Spaß gemacht.“ Es klang anzüglich. Sehr sogar und Daan erwischte sich dabei wie er diese Worte ziemlich gehässig bestätigte und sich sogar ein Bild von Elvar im Kerzenschein ausmalte. „Aber.. warum hast du nicht angerufen, ich hätte dich abholen können?“ „Warum denn? Du hast mich ja, wie es scheint, erwartet.“ Gott diese erregte Stimmung hörte man bis hier. „Nein, warte... Eir- hmmm... warte, ich habe Besu-“, zu mehr kam Elvar nicht und in Daan stieg eine unerwartete Wut auf. Wie konnte er sich gerade einfach so knutschen lassen?! Da er eh stören würde, konnte er auch gleich so reinplatzen und das tat er auch. Nur was es sah, beruhigte ihn nicht gerade. Elvar stand mit dem Rücken an die Spüle gedrückt, während ein Mann, größer und deutlich älter als Elvar sich über diesen beugte, ihn am Hintern und Hinterkopf fest hielt und die Zunge wirklich tief in dessen Hals gesteckt zu haben schien. Als ob es eine besondere Belohnung gäbe, besonders weit in den Hals zu kommen. Daan räusperte sich vernehmlich und da schob Elvar – scheinbar endlich wieder im Hier und Jetzt – den Gast von sich. Mit puderroten Wagen, feuchten Lippen und bestimmt auch klopfendem Herzen sah das funkelnde Grün von Gast zu Gast. „Ich sagte doch, ich habe Besuch“, versuchte er sich ruhigen Tons auszudrücken, was mit fehlender Luft sicher schwer war. Der Besuch musterte Daan abschätzend und hob dabei eine Augenbraue. „Habt ihr miteinander geschlafen?“ Bitte was?! „Nein“, riefen beide gleichzeitig aus und fügten jeweils etwas anderes hinzu. „Ich würde doch nie...“ brach Elvar sich ab, während Daan klar festlegte „Wir sind nur Arbeitskollegen.“ Der Andere neigte nur den Kopf. „Aha.“ Elvar schien das alles unheimlich unangenehm zu sein. Warum nur? Jeder hatte doch einen Lover oder nicht? Er hatte ihn zumindest richtig eingeschätzt, dachte sich Daan. „Ich will auch gar nicht weiter stören“, begann Daan nun mit einem freundlichen Lächeln und griff nach seinem Kaffee. „Und warum sind Sie dann hier?“ „Wie gesagt, ich arbeite mit Elvar zusammen an einem neuen Projekt von meiner Firma aus. Ich bin Mechaniker. Van Hoeff, mein Name“, damit reichte er dem Anderen die Hand, welcher ihn nur kurz anblickte, dann die dargebotene Hand aber ergriff und so fest schüttelte, dass Daan beinahe ein Augen zusammen gekniffen hätte. „Höttur. Marinesoldart und Funkmeister. Mir gehört dieses Anwesen hier.“ Daan lächelte ihn an und konnte sich gerade so einen fragenden Blick zu Elvar verkneifen. Hatte dieser nicht erzählt, dass der Hof schon seit einigen Generationen seiner Familie gehörte? „Freut mich. Gestern nach der Arbeit ging dann dieser fürchterliche Sturm los. Da bot mir Elvar an, hier zu bleiben.“ Sie ließen einander los und Daan nahm noch einen Schluck vom Kaffee, der wirklich gut war. „Ich will Sie dann auch gar nicht länger aufhalten. Es hat mich gefreut“, damit nickte er dem Hünen zu und sah dann zu Elvar, der immer noch rote Wangen hatte und dessen grüne Augen gerade seltsam intensiv leuchteten. „Elvar. Bis Montag.“ „Ja, bis Montag.“ Der Hüne sagte nichts, aber das war Daan auch egal. Er ging durch die Haustür und fragte sich, warum genau er gerade so unheimlich wütend war? Er stieg in seinen Leihwagen und fuhr geräuschvoll vom Hof. Es lag sicher nur an dem unbequemen Sofa. Bestimmt sogar. Kapitel 4: 4 ------------ „Ist das wahr?“ „Was meinst du?“ „Was er gesagt hat?“ Elvar seufzte. Gerade fühlte er sich wieder wie im Vogelkäfig. Eingesperrt und ausgefragt. Kurz nur trauerte er der Zeit von vor zehn Minuten hinterher. Er schloss für einen Moment die Augen, dann öffnete er sie und lächelte lieblich. „Ja. Wir sind nur Arbeitskollegen. Letzten Freitag fingen wir an zusammenzuarbeiten. Wie du gehört hast, ist er nicht von hier, also auch nicht interessant für mich, wenn du das denken solltest.“ Eirik musterte den Tischler genau, der um einen ganzen Kopf kleiner war als er. Dann lächelte der Soldat und streichelte sanft Elvars Wange. „Dann ist ja gut. Ich bin froh, endlich wieder hier zu ein. Du hast mir so gefehlt.“ Eirik kam Elvar näher und baute sich wie eben vor ihm auf, dass Elvar zu ihm aufsehen musste. Ruhig und gelassen sah er in die grauen Augen zurück und spürte, wie die warmen und feuchten Lippen sich auf seine legten. Schnell eroberte Eirik ihn und drängte ihn wieder zurück an die Spüle, als er plötzlich von Elvar ließ. „Zieh dich aus“, sagte er ungeduldig und wandte sich dabei schnell zum Tisch um, auf dem immer noch die halbvolle Tasse Kaffee stand. Er nahm sie und schmiss sie geräuschvoll in die Spüle, dass der Kaffee viele Spitzer hinterließ, eh alles im Ausguss versickerte. „Warte, ich habe mich noch nicht vorbereitet...“ „Egal“, Eirik drehte sich um und zog Elvar das Shirt über den Kopf. Unachtsam ließ er es auf den Boden fallen. „Aber... es ist so lange her“, doch da wurde er schon am Arm gepackt und lag mit dem Rücken auf den leeren Küchentisch. Er hatte ihn selbst gebaut, daher wusste Elvar, dass dieser Tisch sehr stabil war. Dennoch war es sonderbar. Eirik ist es sicher nicht mal aufgefallen, dass dieser Tisch hier neu ist, dachte sich Elvar, als seine Hose von dem Anderen ausgezogen wurde und ebenfalls auf dem Boden landete. „Drei Monate“, raunte Eirik, als er Elvars Beine in die Höhe hob und die Pobacken auseinanderzog. „Du kannst mich nicht länger warten lassen.“ Sicher hatte er Druck, dachte Elvar, als wenn er es sich nicht selbst machen würde.... „Kannst du dann nicht mal ein Telegramm oder so schicken? Als Funkmei-“ Er stöhnte schmerzlich und schloss die Augen. Wie immer beruhigte er sich, was blieb ihm auch anderes? Entspannt und mit seinen ganz eigenen Fantasien, die ihn in Ekstase brachten, würde er sich auch diesmal einfach dem Willen des Anderen beugen und hingeben. So wie immer. Eirik stöhnte, als seine Eichel sich gierig in die engen Tiefen drängte. „Wozu“, keuchte er und sah auf den nackten Körper hinab. „So wie jetzt“, wieder stöhnte er ungehalten und drängte sich begehrlicher in die zähe Enge. „So hab ich es am liebsten.“ „Ich weiß“, flüsterte Elvar nur kurz und biss sich auf die Lippe. „Dann frag nicht so dumm“, herrschte Eirik ihn an und begann ohne weiteres Warten oder Elvar nur irgendwie Zeit zu lassen, sich zu bewegen. Elvar schloss wieder die Augen, versank in seiner Welt und gab sich hin. Er spürte jedes Ziehen, doch mit der Zeit wurde es weniger und wich dem tuffigen Gefühl reiner Erregung. Na bitte, dachte er nun und sah kurz auf. Eirik war vollkommen in seiner Ekstase versunken. Frech wie der Tischler nun mal war, kniff er die Backen zusammen und ließ den Älteren stöhnen. Es sollte ihn ärgern, doch trieb es den Hünen nur noch mehr an. Eigentor, dachte Elvar und stöhnte ebenfalls. Nach wenigen Minuten bäumte sich Eirik auf und sank Sekunden darauf auf Elvar zusammen. Das war die andere Seite an ihm. Eine zärtliche, die nur kurz nach seinem Orgasmus kam. Denn dann wurde Eirik immer sanft und beglückte Elvar auch mit Küssen. Nicht, dass er scharf drauf wäre, doch es war angenehmer. „Ohh, ich hab dich so vermisst“, raunte er ihm gegen die Lippen und küsste ihn zärtlich. Elvar lächelte nur und legte seine Arme um dessen Hals. Noch verbunden, küssten sie sich ruhig und sanft. Einige Minuten lang bis Eirik sich erholt hatte. Was sollte er auch machen? Er könnte ihn bitten aufzuhören, aber selbst wenn dieser seinem Wunsch nach kommen würde, beim nächsten Mal bücken, duschen, umziehen oder flüchtigen vorbeigehen würde er ihn wieder nageln und dann gäbe es keine Pause. „Wie lange bleibst du diesmal“, fragte er keuchend in den Kuss. „Weiß nicht. Vielleicht einen Monat“, oh bitte nicht! „Oder nur eine Woche.“ Ein paar Tage reichten ihm schon aus, dachte Elvar bei sich. „Keine Angst. Ich weiß doch wie süchtig du bist.“ „Nach was?“ Wieder konnte er nur keuchen, da Eirik sich erneut ruppig und barsch zu bewegen begann. „Nach mir. Meinem Schwanz und“, er selbst keuchte auch, fasste dann aber fester das Becken an, dass es Elvar beinahe wehtat und stieß hart zu. „Dass ich dich so richtig durchnehme.“ Elvar sagte nichts. Konnte er nicht mehr. Ja, klar..., dachte er nur, eh er wieder die Augen schloss. Der Montag kam Daan's Meinung nach viel zu schnell. Dadurch, dass er den Samstag nicht in seinem Bett aufgewacht war, sondern sich mit einem sonderlichen Liebespaar auseinandersetzen musste, war er diesen Tag auch nicht mehr in Schwung gekommen, irgendwas zu tun. Dabei lebte er in seiner geräumigen Drei-Zimmer-Wohnung nur mit seinem Bett, einer Einbauküche, die schon bessere Tage gesehen hatte und einer Unmenge an Kartons, Kisten und schon bestellten Möbeln, die er allerdings noch aufbauen musste. Am Sonntag hatte er es geschafft seinen Schlafzimmerschrank aufzubauen. Es sollte wenigstens ein Zimmer fertig aussehen. Die Wände blieben bei ihm Weiß. Er konnte nicht Malern und eh es dumm und streifig aussah, ließ er lieber alles Weiß. Das wäre beim Auszug auch einfacher. Dann aber war der Montag mit all seiner Unerbitterlichkeit über ihn hereingebrochen und während er mit dem Auto wieder zu Elvar fuhr, überkamen ihn die Bilder vom Samstagmorgen. Dieser Erik oder wie der hieß, war das wirklich sein Freund? Schien ja fast so. Ein bisschen enttäuscht war Daan schon gewesen. Auch wenn er sich offensichtlich nichts aus Elvar gemacht hatte, wäre vielleicht ein kleines Schäferstündchen drin gewesen? Dazu war er Marinesoldat. War das dann nicht schon eher eine Fernbeziehung? Und wie herrisch der war. Ob der Hof wirklich ihm gehört? Daan fuhr auf den Schotterweg auf, während seine Gedanken von einer Frage zur nächsten sprangen, und nach einer weiteren knappen Minute stand er schon an seinem üblichen Platz vor der Haustür. Ob sie heute in Ruhe arbeiten konnten? Zur Begrüßung hatte er den Soldaten nicht gesehen, was nicht sonderlich zu bedauern war. Elvar sah er dafür genauer an. Nach dem ersten Eindruck schien alles wie sonst auch zu sein, doch schnell zeigte sich, dass Elvar unkonzentriert und vollkommen müde war. Den Rohbau für den Tisch hatte der Tischler natürlich nicht geschafft. So standen sie immer noch vor dem Problem, wie sie eigentlich anfangen sollten. Daan hatte vorgeschlagen, dass Elvar einfach anfinge, doch das... nun ja. Bei jedem Bücken, Heben, Tragen, Setzen oder Herumdrehen verzog sich das jugendliche Gesicht leicht schmerzlich oder aber die Körperspannung nahm sichtbar zu. Gott, eigentlich interessierte es Daan ja nicht, aber wenn sein Arbeitskollege vor lauter Schmerzen nicht mehr arbeiten konnte? Was sollte das bitte? Wobei ein kleiner, sehr gereizter Teil seines Gehirns dachte, dass es ja nun nicht angehen konnte, sich dermaßen K.o. vögeln zu lassen. „Geht es dir gut?“ „Ja.“ Selbst die Gespräche waren eintönig geworden. Alles musste man ihn aus der Nase ziehen, wobei er Elvar auch schon anders kennengelernt hatte. Wenn es da was gab, dass ihn interessierte, dann konnte der Jüngere plappern ohne Ende. Dabei strahlte er immer so fröhlich, vor allem dann, wenn er sich voller Hingabe seinen Schnitzereien widmete. Siehste, sonst, wenn Elvar an Holz arbeitete, hatte er immer dieses entspannte und wirklich glückliche Gesicht. Doch heute? Angespannter geht’s ja schon nicht mehr. „Nein, ehrlich. Wenn es dir nicht gut geht, mach eine Pause. Ich sehe doch, dass dir jede Bewegung Schmerzen bereitet.“ Daan sprach es etwas distanziert an und auch sein Blick blieb recht kühl. Elvar hingegen neigte nur den Kopf etwas tiefer, als sei er sehr beschäftigt. „Ich mein ja nur... Obwohl ich es bisher nie geschafft habe, meinen Partner so hinzurichten“, meinte er vorsichtiger, doch immer noch keine Regung. „Elvar?“ „Was?“ Oh ein Lebenszeichen! Und es klang nicht mal gereizt, eher müde. „Was ist er für dich?“ Es blieb lange still. Daan wusste nicht mal genau wie lange er wartete und gerade als Elvar antworten wollte, öffnete sich die Tür zum Wohnbereich und herein kam der Hüne von gestern. Sofort war Elvar wieder am 'Arbeiten' und sah dabei so verspannt aus, als ob er sich in einer Meisterprüfung befände. „Ich habe gute Neuigkeiten, Elv“, erklärte Eirik mit viel zu lauter Stimme, als seien seine Gesprächspartner mindestens 50 Meter von ihm entfernt. „Marco hat angerufen und sie sind schon dabei meine kleine Ausbeute zu verladen.“ Elvar hob den Kopf und trotz der Müdigkeit strahlten seine Augen aufmerksam. „Ausbeute“, frage Daan nur perplex. „Haste ihm wohl nicht erzählt, wa? Na was denkste denn, von wo Elv das ach so kostbare Holz herbekommt? Treibholz ist es nicht. Das erwerbe ich alles teuer, von den Orten in Übersee.“ „Aha?“ Daan sah den Hünen an, dann Elvar, welcher ihn nicht ansah, sondern nur seinen 'Freund' fixierte. „Wie nett von dir.“ „Was hast du dieses Mal dabei und wie viel ist es?“ Da war sie wieder, diese ungetrübte Lebensfreude über einfaches Holz. Daan musste beinahe schmunzeln, wäre da nicht dieser Hüne im Raum gewesen, der gerade mal desinteressiert mit den Schultern zuckte. „Holz eben. Braunes, rotes und helles. Was hat der Händler gesagt? Magoran und Peak?“ Eirik kratzte sich dabei dumm unterm Kinn, wo die ersten Stoppeln schon dunkel hervor stachen. Selbst Daan wusste, dass es sicherlich Mahagoni und Teak heißen sollte, doch das schien den Seefahrer wenig zu interessieren. Ebenso die Tatsache, dass er mit seiner ganzen Art über Holz zu reden auf Elvars kindlicher Freude rumtrampelte wie ein Elefant im Porzellanladen. „Etwa wieder zwei Tonnen. Konnt'n guten Preis erwirtschaften“, fügte Eirik hinzu und grinste mit seinen gelblichen Zähnen zu Elvar, dem er nun näher kam, seine Pranke unter dessen Kinn legte und ihm einen Kuss aufzwängte. Zumindest hatte Daan nicht das Gefühl, dass es Elvar Spaß machen würde, so geküsst zu werden. Ach, was machte er sich wieder für Gedanken? Gerade wollte er das Liebespaar unbeobachtet lassen und seinen Blick wieder den kleinen, metallischen Einzelheiten widmen, da ließ Eirik auch schon von dem Tischler und schlug ihn kraftvoll auf den Po. Elvar riss die Augen kurz auf und zog die Luft scharf ein, eh er sich zwang seinen Gönner anzulächeln, als wäre das gerade nicht schmerzhaft gewesen. „Danke. Ich freue mich auf die Lieferung. Wann kommt sie denn an?“ Eirik betrachtete unverhohlen Elvars Hintern und neigte den Kopf dabei etwas zur Seite. „Die nächsten Tage oder so. Marco funkt mich dann an.“ Damit schien das Thema für ihn erledigt zu sein. Er beugte sich vor und flüsterte Elvar etwas ins Ohr, der daraufhin kurz zu Daan schielte. So flüchtig, dass man denken konnte, sich verguckt zu haben. „Später. Ich muss arbeiten.“ Verärgert schnalzte Eirik mit der Zunge und maß Daan mit einem Blick, der ihn eindeutig als unerwünscht beschrieb. „Und wie lange?“ Elvar zögerte. „Bis um sechs oder halb sieben“, fiel Daan Elvar mit einem sehr bestimmten Tonfall ins Wort. Eirik hob nur fragend die Augenbraue. „Stimmt das“, fragte er wieder Elvar, der diesmal aus seiner Starre erwachte und nickte. Sein Blick fing den der braunen Augen ein und schien ihn festzuhalten. Ein Detail, dass dem Hünen zu entgehen schien. „Ja, wir haben einen straffen Zeitplan. Und es ist für eine sehr einflussreiche Persönlichkeit.“ Eirik schien schon gar nicht mehr zuzuhören. „Eben und da du ja noch nicht mal den Rohbau fertig hast, brauchen wir vielleicht noch länger...“ „Bitte? Wenn du nicht so Detail versessen wärst, wären wir schon längst viel weiter“, keifte Elvar zurück. In Daans Augen blitzte kurz sowas wie angetane Freude auf, als ein erneutes Schnalzen ihn in die Realität zurückholte. „Dann macht. Aber heute Abend“, den Rest flüsterte Eirik wieder in Elvars Ohr und streichelte dabei seine Flanke wie seinen Hintern. Gott, jaaa, er hatte es ja verstanden, dachte sich Daan, auch wenn er für kurz erfreut gewesen war, Elvar wieder lebendiger zu erleben. Dieser aber fragte sich gerade, in wie weit das Zustimmen der langen Arbeitszeit positiv oder negativ für ihn ausgefallen war oder nicht? Nachdem Eirik die Werkstatt verlassen hatte und nur noch sein über aufdringliches Eau de toilette zurück blieb, konnte Daan nicht anders als Elvar zu mustern. Sie blieben wieder einige Zeit still, eh der Holländer die Stille durchbrach. „Und? Was ist er für dich?“ Elvar sah ihn aus großen grauen Augen an. „Dieser Erik oder wie der heißt. Seid ihr ein Paar?“ Eindeutiger konnte er doch nun nicht mehr fragen. „Eirik. Er heißt Eirik und was er für mich ist, geht dich nichts an.“ „Komm schon. Du hast mir bei den Arbeitszeiten zugestimmt...“ „Und?“ Elvar sah ihn nicht mehr an, sondern begann an seinem Stück Holz einen Hobel anzusetzen und diesen kraftvoll zu sich zu ziehen, dass die Oberarmmuskeln sich leicht anspannten und die eher schlank wirkenden Arme auf eine wunderschöne Weise zeichneten. „Nur weil es mir gelegen kommt. Er ist immer so aufdringlich, wie du ja unschwer gesehen hast. Also tu mir einen Gefallen und lass uns einfach arbeiten.“ „Nur Arbeiten und nicht mehr miteinander reden?“ „Genau.“ „Warum? Letzte Woche noch haben wir-“ „Das war letzte Woche. Gott, bist du aufdringlich... Wenn du es genau wissen willst. Er schläft mit mir. Und ich gebe mich ihm gerne hin. Wann und wo immer er will. Und die Sachen, die du anhattest, waren seine. Nur gerade, mit dir und dem Auftrag, ist es etwas schwieriger. Kapierst du das?“ Elvar maß ihn mit einem verärgerten Grün. Daan wusste nicht, ob ihm das verärgerte Gesicht oder aber die Worte einen größeren Stich versetzte hatten. Sicher. Er hatte sich seit letztem Samstag wenig Hoffnungen gemacht, trotzdem fühlte Daan sich gerade wirklich gekränkt. Dennoch hatte Elvar sein Ziel erreicht. Daan redete nur noch das Nötigste mit ihm und sonst nicht mehr. Leicht verärgert und konzentriert sah er dann auf seine Arbeit. Innerlich brodelte er erst noch eine Weile, doch dann war er so in seine kleinen Details vertieft, dass er einige Male sogar vergaß, dass er nicht alleine war. Elvar hatte ihn einige Mal lauter ansprechen müssen, um eine Antwort auf seine Fragen bezüglich der Arbeit zu bekommen, eh er dann wieder weiter arbeitete. Gegen Mittag machten sie Pause. Elvar ging in die Küche und würde wohl mit seinem Freund essen, während Daan sich an seinen Wagen lehnen oder einfach auf der Ladefläche langmachen würde. Kurz hinter Elvar durchquerte er die Küche und ging hinaus. Noch als er die Tür schließen wollte, hörte er die aufdringlichen Stimmen. „Nein. Nicht jetzt.“ „Und ob. Denkst du ich warte bis Abends? Nur weil du 'arbeiten' musst?“ „Aber.. ich muss wirklich und.. er kann..“ „Sonst hast du dich nicht so geziert.“ Kurz war es still, dann hörte er Kleider rascheln und ein tiefes Stöhnen, was nicht von Elvar kommen konnte. „Angst, er hört dich? Soll er doch. Macht doch Spaß.“ Ein schweres Keuchen, dann ein helles Wimmern und Daan schloss die Augen. „Du wirst immer für mich da sein.. ich treib dir die Flausen schon aus den Kopf“, das Keuchen wurde schwerer und nun mischte sich auch Elvars Stimme mit ein. „Du gehörst mir... +wenn ich dich knallen will, fragst du höchstens, was?“ „Wo“, keuchte Elvar eher atemlos als wirklich erregt. „Du sagst, wie oft, wie lang, wie tie- Nyaahh.“ Daan biss sich auf die Unterlippe. Warum stand er noch hier? „Genau.“ Eirik war ebenso atemlos, dann keuchte er mehr und das Klatschen von Haut auf Haut wurde lauter. Ein tiefes Grunzen und Stille. Nur noch nach Luft ringendes Keuchen war zu hören. „Elvar...“ Eiriks Stimme klang beinahe zärtlich, „wann begreifst du endlich, dass du auf ewig mir gehören wirst?“ Daan hatte die Antwort nicht abwarten wollen, sondern war so leise er konnte – und das war wirklich schwer bei der Wut, der Enttäuschung und... Eifersucht, die er gerade fühlte – zu seinem Truck gegangen und knallte die Fahrertür zu. Er legte den Kopf in den Nacken, ballte die Fäuste und schloss die Augen. Unweigerlich stellte er sich Elvar vor. Wie er errötete, wenn man ihn berührt, wenn man ihn küsst. Was das wohl für ein Gefühl war? Gott, er musste sich heute Abend noch irgendwen suchen, mit dem er schlafen konnte. Hatte am Montag schon eine Bar offen? Verdammt. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Elvar das Spaß gemacht hatte und doch... 'Du gehörst mir'. Daan bekam eine Gänsehaut. Allerdings aus Ekel. Kapitel 5: 5 ------------ Den Montag hatte Daan noch irgendwie überstanden und sich später noch drei Gläser Wiskey genehmigt. In einer heißen Badewanne war das eine Wohltat gewesen und hatte seinen Kopf so richtig zum Schwirren gebracht. Seine Gedanken waren watteweich geworden und ja, er hatte sich selbst einen runter geholt. Und ja, er hatte dabei an Elvar gedacht. Aber an seine eigene Version von ihm. Es hat gut getan. Doch schon am nächsten Morgen war er wieder in der bitteren Realität angekommen. Als er auf dem Hof angekommen war, hatte sich nichts geändert. Eher war es noch, wenn das denn ging, aufdringlicher geworden. Dieser Eirik schien jede Gelegenheit zu nutzen, die sich ihm bot. So war Elvar einmal eine dreiviertel Stunde Holz holen und kam doch ohne dieses wieder. Er schien verschwitzt und hatte glasige Augen. Daan sagte nichts dazu. Sollte er doch, wenn er wollte. Schließlich waren sie alle erwachsen. Trotzdem merkte er, wie es ihm nach jedem weiteren Mal mehr wurmte und seine Eifersucht oder gar sein Hass stieg. Am Mittwoch in der Mittagspause machte Daan sich auf den Weg in die Firma. Er brauchte noch Material, da sie nun deutlichere Vorstellungen hatten, wo Metall in den Tisch sollte und was Holz blieb. Obwohl ihn das bei der derzeitigen Situation wirklich überrascht hatte. Bei den Ladeflächen traf er auf Gunnlaugsson, der ihn erstmal umarmen musste. „Wofür war das?“ „Du hast mir gefehlt! Stell man sich das vor! Ich kenne dich gerade mal zwei Wochen und schon bist du mir ans Herz gewachsen“, zwinkerte der Ältere. „Hast du schon zu Mittag gegessen oder wollen wir schnell zum Fischhändler? Der hat heute wieder frischen Fisch.“ Eines musste man Gunnlaugsson lassen, er hatte einen wirklich einnehmenden Charme. Daan grinste gleich zurück und so wunderte es ihn nicht, dass sie knappe fünfzehn Minuten später schon am Hafen auf einer Bank saßen und auf das heute doch ruhige Meer schauten. „Was macht die Zusammenarbeit mit Elvar?“ „Oh, gut. Sein Freund ist da und sie sind die meiste Zeit am Rumvögeln, aber davon ab, kommen wir mit der Arbeit voran.“ Gunnlaugsson verschluckte sich beinahe an seinem Fisch. Er schluckte hinter und sah mit großen Augen den Holländer an. „Eirik ist da?“ Es klang schon etwas schockiert, was Daan auch nur ein 'kleines Bisschen' neugierig machte. „Ja. Seit Samstag. Warum schockiert dich das so?“ Sein Kollege hatte die Hände auf die Oberschenkel gelegt, die er typisch männlich gespreizt hatte und kaute dabei auf seiner Unterlippe, als denke er sehr angestrengt nach. „Ich hatte eigentlich gehört, dass er noch mindestens zwei Monate auf dem Meer sein sollte. Sein Schiff hatte wohl Probleme beim Verladen von Wahre irgendwo in Übersee. Zumindest hat mir das ein Kumpel bei den Funkern hier an Land gesagt. Nur deswegen hatte ich dem Chef angeboten, dir und Elvar diesen Auftrag zu übergeben. Ach, scheiße! Was macht der Arsch wieder hier?“ Daan verstand nur Bahnhof. „Ihr habt das geplant? Warum? Was hätte es geändert, wenn diese Hohlbirne nicht da gewesen wäre?“ „Ganz einfach“, erklärte Gunnlaugsson, „Du bist charmant, charismatisch, hübsch, bi und du hättest Elvar sicher rumgekriegt, wenn er sich nicht sogar in dich verliebt hätte. Der Plan war so gut. Scheiße, scheiße...“ Daan zog nur eine Augenbraue hoch. So sehr, dass es beinahe wehtat. „Elvar sollte sich in mich verlieben? Warum?“ Sein Kumpel stöhnte nur und vergrub sein Gesicht in einer Hand, da die andere noch das Fischbrötchen hielt. Als er wieder aufsah, blickte er sich kurz um, als ob sie jemand belauschen könnte, nur um dann ein Stück näher zu rücken und Daan zuzuflüstern. „Das ist 'ne längere Geschichte und ich kenne auch nicht alle Details, aber ich habe auch schon mit Elvar zusammen gearbeitet. Vielleicht ist dir das auch schon aufgefallen, aber er schätzt sich selbst sehr gering und gerade in der Gegenwart von Eirik erniedrigt er sich so sehr... Richtig schlimm ist es aber erst nach dem Tod seines Vater geworden. Das letzte Mal, also als ich mit Elvar an einem Projekt gearbeitet hatte, waren wir uns einen Abend näher gekommen. Ich wies ihn zurück, da ich ja schon verlobt war, dennoch schien er so verletzlich... Er war betrunken und erzählte mir frei von sich aus, dass er es hasste, wenn Eirik da war. Ganz hab ich es nicht verstanden, doch Elvar scheint ihm eine riesige Summe Geld zu schulden. Deswegen hatte sein Vater wohl auch den Hof an Eirik verpfändet. Stell dir das mal vor! Eirik ist noch einige Jahre älter als ich und Elvar zarte zwanzig. Oder Einundzwanzig? Egal, aber der Altersunterschied ist enorm und von Liebe ist auch keine Spur. Wie muss es da Elvar wohl gehen, mit dem Seehund zu schlafen?“ Sich ihm hinzugeben... freiwillig, wann immer er will, dachte Daan zusätzlich und erinnerte sich an Elvars vernichtenden Blick. Unbewusst knirschte er mit den Zähne, etwas, das er nur tat, wenn ihm wirklich etwas ärgerte. „Warum macht er das dann“, fragte Daan nur gehaucht und wusste mit all der Information noch gar nichts anzufangen. „Ich weiß nicht genau. Aber es hat was mit dem Holz und den Schulden zu tun. Einmal hab ich, wirklich zufällig, Eirik mit einem Typen am Dock reden gehört. Sie haben sich über das Holz unterhalten und – ich glaub nicht, dass er es auf ehrliche Weise verdient – jedenfalls hat der andere sich nach dem 'Jungen' erkundigt, bei dem Eirik lebt. Der hat nur gelacht und gesagt, dass der wohl das beste Geschäft seines Lebens gewesen ist. 'So leicht fickt sich niemand', hatte er gesagt und der andere dann 'Deine ganz eigene Landhure, ja?'“ Daan wurde schlecht. Schlecht vor unterdrückter Wut. Es kostete ihn sichtliche Mühe, das restliche Brötchen nicht in seiner Hand zu zerquetschen. Gunnlaugsson maß Daan für einige Sekunden, dann legte er ihm die Hand auf den Oberschenkel. „Ganz ruhig. Mir geht’s genauso.“ „Warum hast du dann damals nichts unternommen?“ Daan sprach zwischen seinen Zähnen und Gott, er brauchte Metall auf das er einschlagen konnte! „Hab ich. Ich bot ihm an, ihn da rauszuholen. Ich redete lange auf ihn ein und er wäre vielleicht auch mitgekommen, doch da hatte uns Eirik belauscht und hielt mir seine Schrotflinte vors Gesicht. Klar hab ich mich dann zurückgezogen. Vor allem als er damit wirklich geschossen hatte. Zwar nur auf das Holz, was er selbst 'gekauft' hatte, doch Elvar schien es genug einzuschüchtern. Ich brach das Projekt mit ihm ab und ließ es ihn alleine beenden. Danach hatten wir kaum noch mit ihm zu tun, außer wenn er mal Holz holte. In der Zeit, wenn er alleine ist, scheint auch alles normal zu sein, doch wenn Eirik wieder da ist, wirkt er immer müde, blass und tut so, als würde er uns nicht sehen.“ Gunnlaugsson sah ihn betreten an, doch das beruhigte Daan mal so gar nicht. Sicher hatte auch Gunnlaugsson sein schlechtes Gewissen, was ihn nicht in Ruhe ließ. Nur was sollte er jetzt ausrichten? Er lebte gerade mal einen halben Monat auf dieser verdammten Insel und schon schien sein winziges Leben, dass er sich hier aufzubauen versuchte, grundlegend Kopf zu stehen. Er wollte von Beziehungen und der Liebe Abstand gewinnen. Er wollte verdammt noch mal seine Ruhe haben! Das war es eigentlich gewesen, was ihn überhaupt erst auf eine Insel verschlagen hatte, die in scheinbar jeglicher technischer Hinsicht noch irgendwo zwanzig Jahre hinterher hing. Daan seufzte und schüttelte den Kopf. „Und warum soll ausgerechnet ich mich da jetzt einmischen?“ Nun seufzte Gunnlaugsson sehr tief. „Ich weiß, es ist sehr viel verlangt, dafür, dass du hier neu bist. Aber gerade das hat mich an dir so fasziniert. Eben weil du neu bist, siehst du vielleicht einen Weg, den ich noch nicht bedacht habe. Ich... Elvar ist allein. Er hat keinerlei Familie mehr und ich weiß, wie überaus glücklich er lächeln kann. Es schmerzt mich zu sehen, wie er behandelt wird, wie er sich verschließt und scheinbar alles und jeden zu hassen beginnt. Und dann ist da noch seine Arbeit. Sie ist einzigartig auf der Insel und er verdient gutes Geld damit. Wie hoch müssen denn da die Schulden sein? Nein, da muss was faul sein!“ In Gunnlaugssons Augen zeigte sich ein Glanz wie der eines Tigers, der die Fährte seiner nächsten Beute gewittert hatte. „Wenn ich könnte, wenn ich keine Familie hätte und nicht über die Folgen nachdenken müsste, hätte ich Eirik wohl schon längst erschossen und von der nächsten Klippe gestützt, oder sonst was.“ Daan konnte diese Wut sehr gut nachvollziehen. In ihm kochte es immer noch und dann war er auch so verwirrt, wegen all der neuen Dinge, die er gerade erfahren hatte. Beide Männer saßen nun da und starrten angestrengt nachdenkend vor sich her, als sich nur wenige Meter neben ihm eine Hangertür öffnete und ein Truck mit einem Hänger voll Holz heraus fuhr. Daan stand so schnell auf, dass er beinahe seinen Geistesblitz vergessen hätte. Die fragenden Blicke seines Arbeitskollegen ignorierte er geflissentlich. „Hey, sag mal, geht dieses Holz hier an Elvar?“ „Hä? Wer bist 'n du?“ „Van Hoeff. Freut mich. Und du?“ „Marco“, er besah den Niederländer mit einem skeptischen Blick, „Du musst neu hier sein, ne? Gesehen hab ich dich hier jedenfalls noch nicht.“ „Ja, ich bin erst seit Kurzem hier und arbeite hinten in der Firma für Metall.“ „Ahh, noch ein Mechaniker“, sagte er beinahe abfällig und sah dabei kurz zu Gunnlaugsson auf der Bank. Scheinbar hatten sie schon mal das Vergnügen oder sie kannten sich nur flüchtig. „Dann lass die Finger von Elvar. Er gehört schon jemanden. Und der schätzt es gar nicht-“ „Ich weiß, ich weiß“, hob Daan beschwichtigend die Hände und lächelte dabei, „Ich will ja auch nichts von ihm. Ist mir zu jung. Aber ich muss mit ihm arbeiten.“ „Ah, wieder ein Projekt? Ich dachte, die seien aufgegeben worden, nach dem Unfall letztes Jahr.“ Wieder sah er Gunnlaugsson an und kniff dabei etwas die Augen zusammen. Unfall? Ach sicher das mit der Schrotflinte, dachte Daan. „Der Meister wollte noch eines probieren, da es diesmal sehr lukrativ ist. Auch für den Tischler“, belächelte Daan den Seemann. Dieser aber schien skeptisch. Mann, eine harte Nuss... „Und was willst du nun von mir?“ Marco lehnte sich an seinen Truck und verschränkte die Arme vor der Brust. Daan aber grinste nett. „Dieses Holz hat doch Eirik bezahlt. Seit ihr gute Freunde?“ Marco zog eine Augenbraue hoch. Wahrscheinlich konnte er ihm gerade nicht folgen. „Ja, hat er. Aber Freunde... eher so was wie sehr gute Arbeitskollegen.“ Marco blickte kurz zur Seite, dann machte er eine wegwischende Handbewegung und Daan war sich ziemlich sicher, dass er auf den richtigen Weg war. Er kam einen Schritt auf Marco zu. „Ah ja~ Findest du denn, dass er den Tischler gut behandelt?“ „Das ist doch Ansichtssache. Jeder braucht eine kleine Hure an Land, die er nach Herzenslust vögeln kann.“ Der Ton von Marco klang bissig, vielleicht etwas gereizt mit einer Spur Eifersucht drin. „Ich misch mich da nicht ein.“ „Aber du würdest gerne, oder?“ Daan kam noch einen Schritt näher an den Mann heran, der ebenso groß war wie er selbst und legte eine Handfläche flach auf das Metall des Autos, während er direkt in die grauen Augen vor sich sah. „Wenn Eirik will, lässt du ihn dich auch rannehmen, oder? Aber ist es denn wirklich befriedigend, wenn nur einer Spaß hat?“ „Tss, was weißt du schon. Eirik ist gut im Bett. Das Grobe und Raue gehört zu einem Seemann. Das muss so sein.“ Also eines musste Daan Eirik lassen. Er verstand es hervorragend, sich Leute zu Eigen zu machen. „Hör zu. Die beiden sind mir eigentlich scheiß egal, aber im Moment sind sie mir ein Dorn im Auge. Und du...“, er sprach etwas sanfter und trat noch einen Schritt näher, womit er nur noch zu flüstern brauchte, da sie einander schon so nah waren, „scheinst mir genau das Wissen zu besitzen, das ich brauche, um beide zu ruinieren.“ Marco sah mit großen Augen in die Braunen vor sich. Sein Herz schlug etwas schneller, das konnte er nicht verbergen. Immerhin war er auch nur ein Mann und schon lange hatte Eirik sich nicht mehr für ihn interessiert. Es störte ihn selbst, dass dieser sich nur mit dem Tischler abgab. Dabei waren doch eigentlich schon alle Schulden getilgt. Doch er wollte immer nur Elvar. Elvar hier, Elvar da. Immer nur Elvar. Er hasste diesen Typen mit seiner scheiß Mütze. Wie oft hatte er für Eirik schon gelogen und die legalen Grenzen überschritten? Nein, selbst wenn er es sich noch so sehr wünschte, er konnte und würde Eirik nicht verraten. Der unsichere Blick wich einem robusten, der nicht einzuknicken schien. Doch Daan lächelte immer noch so vergnügt, als würde er hier die Fäden in der Hand halten. „Ich verrate nichts. Er ist ein Kumpel, also zieh Leine.“ „Lass es mich versuchen“, hauchte Daan und hielt dem eisernen Blick des Graus stand. „Du hast es doch nötig. Gib mir eine Nacht. Wenn ich dich besser befriedige als Eirik, will ich die ganze Geschichte hören. Wenn nicht, hau ich hab und du wurdest endlich mal wieder geknallt. Du würdest auf jeden Fall gewinnen.“ Und ich doppelt, dachte Daan, als er sah, wie der ach so feste Blick flackerte und Marco wohl gerade die Vor- und Nachteile abwog. „Tss, das schaffst du nicht. Gegen Eirik-“ Daan legte ihm einen Finger auf den Mund. Ganz zärtlich und begleitet von einem Lächeln. „Ich weiß. Er arbeitet mit Kraft. Aber du warst noch nie in Paris, oder?“ „Nein...“, murmelte Marco und war gebannt von den braunen Augen. „Dann lass dich überraschen.“ „Ok“, hauchte dieser zurück und Daan war sich sicher, dass er nichts abgewogen hatte. Sein Männergehirn hatte wohl weniger Bedenken. Irgendwie war Elvar enttäuscht und deshalb schlecht drauf. Dabei hätte er eigentlich allen Grund fröhlicher zu sein. Erstens war sein Holz angekommen. Das war am Freitag und er hatte sich übermenschlich gefreut. Wie Eirik gesagt hatte, waren wirklich Mahagoni und Teak auf dem Hänger und dann noch so große Stücke. Schnell hatte er alles mit Hilfe von Marco, der ihm immer das Holz vom Schiff bis hierher fuhr, verladen und in der großen, alten Scheune untergebracht. Er war so happy gewesen, dass er für eine Zeit seine Sorge vergessen hatte. Als er Eirik dann gesehen hatte, waren alle Gedanken wieder da gewesen und der kurze Moment der Freude war vergessen. Am Mittwoch, weit nach dem Mittagessen, war Daan erst zurück gekommen. Eirik hatte sich zu der Zeit schon hingelegt gehabt. Er konnte es vor sich selbst nicht verbergen, aber er war froh, wenn Daan da war. Es fühlte sich gut an, in seiner Nähe zu sein. Es ließ ihn sein eingeschränktes Leben vergessen. Vielleicht lag es auch nur an dem Revoler, den Daan bei sich hatte und mit dem er sich vor einer Woche dieses Loch in die Decke geschossen hatte. Kurz grinste Elvar. Er lag auf der grünen Couch und dankte ihr für ihre Härte. Vielleicht lag es wirklich nur an der Waffe, dass Daan ihm sympathisch war, doch gerade würde er ihm so gerne eine runterhauen. „In der Firma ist ein Notfall. Ich muss da erstmal aushelfen. Aber du kannst ja schon mal weiter machen, oder?“ Daan hatte seine Sachen zusammengepackt, während er mit ihm redete und nur kurz bei der Frage aufgesehen, die Elvar flüchtig benickte. „Gut. Es wird eine Weile dauern, aber du kannst ja gerne durchrufen, wenn du den Rohbau fertig hast. Ich denke, etwas Ruhe beim Arbeiten tut dir auch gut.“ Damit schulterte er seine Tasche und sah den Jüngeren endlich an. Er hatte wie immer seine Arbeitshose, Arbeitsschuhe und ein dunkles Shirt an. Über seinen hellbraunen Haare trug er seine Beanie, die seine Zotteln verbargen. „Dann gutes Gelingen“, brachte er irgendwie hervor und fühlte sich doch so, als würde er gerade in einen riesigen Strudel aus Nichts fallen. Sein Blick war auf den Boden gerichtet und erst, als er merkte, dass die Schritte sich nicht entfernten, sondern auf ihn zu hielten und Daan mit mal vor ihm stand, sah er auf. Er wusste nicht mehr, mit was er gerechnet hatte, doch nicht mit einem Blick voller Mitgefühl. Das Grün wurde groß und sein Herz schlug schneller. Sollte... Aber es war nur die große Hand, die sanft über seine Wange strich und ihn leicht schaudern ließ. Dazu lächelte Daan, so unbeschwert, dass Elvar den Blick nicht abwenden konnte. Und dann... war er gegangen. Elvar kaute gerade auf seiner Unterlippe, welche danach immer viel zu rot für das blasse Gesicht aussah. Er verstand es nicht. Was war das für ein Notfall und warum konnte dieser Arsch nicht mal sagen, wann er genau wieder kommen würde? Als er es am Abend Eirik erzählt hatte, aber nur die Tatsache, dass Daan eine Weile nicht kommen würde, schien dieser gleich entspannter zu sein. Eirik war so durchschaubar, fand Elvar. Er war der Typ Mann, der seinen Besitz verteidigen musste und das tat er auf die einzige Weise, bei der er sicher war, Elvar würde ihm unterliegen. Doch seit er wusste, dass Daan nicht kam, hatte sich ihr Körperkontakt auf den Abend beschränkt. Sein Körper dankte es ihm, endlich konnte er sich erholen. Und doch spürte Elvar diese Unzufriedenheit, die ihn wie ein ruheloses Tier immer in die Werkstatt trieb, wo er seine Hände beschäftigen musste. Wenn er arbeitete, dachte er nicht. Dann schien das ewige Gedankenrad endlich mal still zu stehen. Am Samstagnachmittag klingelte das Telefon. Elvar wollte rangehen, doch Eirik war schneller. Kurz fürchtete er, es sei Daan und würde Eiriks Eifersucht wieder entfachen. Doch es kam ganz anders. „Was? Warum? Nein... ich hab frei. Such dir wen anders.... Aber... scheiße!“ Eirik rieb sich die Stirn. „Also morgen früh wird ausgelaufen? Wann? Um sechs, ja klar. Sag dem Arsch vielen Dank!“ Eirik knallte den Hörer zurück auf die Telefongabel und schnaubte vor sich her, als er Elvar bemerkte. „Musst du wieder los?“ In ihm schlug sein Herz wie wild. Es war nicht Daan gewesen, was ihn schon irgendwie verstimmte. Aber... Eirik fuhr wieder los! „Wann“, versuchte er so betroffen wie möglich zu sagen. Wenn er jetzt gut spielte, dann wäre er ihn bald los! „Um sechs. Muss also um fünf morgen früh los“, Eirik trat an Elvar heran und zog ihn in seine Arme. „Ich weiß, dass es traurig ist. Aber ich werde dich heute noch verwöhnen.“ Elvar hörte ihm nicht mehr wirklich zu. Er dankte Gott. Morgen früh. Endlich! Kapitel 6: 6 ------------ „Du hast Nerven, dich nicht zu melden!“ „Ich sagte doch, ruf du mich an.“ „Als wenn ich die Nummer der Firma wüsste!“ „Steht alles im Telefonbuch und bei deinem Telefon hängt ein Zettel, auf dem sie steht.“ Elvar schnaubte verächtlich und wandte sich seinem Holz zu. Daan grinste nur erfreut und packte gemächlich sein Werkzeug aus. Es war Montag und der Plan, den Daan mit Hilfe von Marco und Gunnlaugsson geschmiedet hatte, ging bisher gut auf. Noch am Mittwochabend hatte er Marco überzeugen können, nachdem er zuvor bei Elvar vorbeigeschaut hatte, um seinen Werkzeugkoffer zu holen. Eigentlich wollte er ja seine Ruhe haben, aber er konnte die Dinge auch nicht so stehen lassen. Zugegeben, ihm gefiel das lächelnde Gesicht des Tischlers besser. Außerdem war das kein Umgang für ihn! Er wurde wütend, wenn er nur daran dachte und so beschloss er, dass er Elvar in sich verliebt machen würde! Wie er da dann wieder rauskam, wusste er noch nicht, aber das war egal. Erstmal war dessen Rettung wichtiger. Und so hatten sie mit Marcos Hilfe den Chef der Schiffsspedition erreicht und dafür gesorgt, dass Eirik wieder auf See fuhr. Und zwar lange. Diesmal hatten sie ihm wirklich eine Route gesucht, bei der er nicht abkürzen konnte. Sein Chef war von der Idee scheinbar angetan, denn so wie es ihm kürzlich rausgerutscht war, war Eirik zwar ein guter Funker, aber auch sehr eigensinnig. Die wichtigen Aufträge, die länger als einen Monat gingen, lehnte er immer ab. Doch nun hatten sie genug Druck gefunden, um ihn dazu zu zwingen, eine Fahrt von Island über das Cap der Guten Hoffnung, Madagaskar und Indien bis hin nach Papua Neu Guinea zu machen und in Port Moresby, dem eigentlich Ziel der Reise, einlaufen zu lassen. Dann würden sie über den Pazifischen Ozean zum Panamakanal fahren und noch einen letzten Stopp auf Kuba haben, eh sie Heim fuhren. Das war mehr als genug Zeit, Elvar für sich zu gewinnen, dachte Daan triumphierend. „Hast du mich etwa vermisst?“ Daan war leise um den Tisch herum gegangen, hatte sich von hinten über Elvar gebeugt und ihm vorsichtig die Hand auf den Hobel gelegt, mit welchem Elvar gerade das Holz bearbeitete. Elvar erschrak und zuckt zurück, sodass sein Kopf gegen Daans Schulter stieß und ihm so erstmal gewahr wurde, wie nah ihm der andere war. Sofort stolperte sein Herz und doch blieb er äußerlich ruhig. „Nein. Ich habe die Ruhe genossen. Auch wenn ich schon gerne weiterarbeiten würde.“ Daan lachte erfreut und ging ein paar Schritt um Elvar herum. „Gut, dann lass uns anfangen.“ Es waren zwar nur ein paar Tage gewesen, doch Elvar war wirklich weit mit dem Rohbau gekommen. Daan musste erstmal jede Ecke genau begutachten und vermaß gleich nochmal die Innenräume. Schließlich sollte alles perfekt ineinander passen. Während Daan anfing, an einigen kleinen Schrauben zu arbeiten und die ersten Schienen für die Schubläden zu fertigen, glitten seine Gedanken immer wieder zu dem anderen, aktuellen Problem. Wie sollte er das mit Elvar anstellen? Durch die Sache mit Eirik war er voreingenommen. „Daan?“ Ging er zu schnell ran, würde der Jüngere wohl nur abblocken. Aber wäre die sanfte Tour für ihn auch deutlich genug? Irgendwie hatte er das Gefühl, dass Elvar zu abgeschieden gelebt hatte, um auf kleine Flirtereien anzuspringen. „Daaaaaan?“ Er schreckte auf und sah in recht nahe, grüne Augen. Wo kamen die denn her? „Gott, nochmal, wie oft soll ich dich noch rufen?“ Er blinzelte, dann erst bemerkte er, dass er wohl viel zu tief in Gedanken versunken gewesen war, um Elvars Rufen zu hören. „Weiß nicht. Ruf mich doch nochmal“, meinte er lächelnd und legte den Kopf leicht schief. Elvar aber schnalzte nur mit der Zunge, eh er sich wieder aufrichtete und die Arme vor der Brust verschränkte. „Hättest du wohl gerne. Kommst du nun mit essen? Ich hab Hunger und es ist schon nach Eins.“ „Gut, ich räume nur noch kurz auf.“ Damit wandte er sich seinen Werkzeugen zu und sortierte diese ordentlich weg. Als er merkte, dass Elvar sich zum Gehen gewandt hatte, schaute er ihm nach. Er hatte nun einen Plan. Der würde zwar länger dauern, aber anders ging es wahrscheinlich nicht. Sie aßen zu Mittag, redeten etwas Unverfängliches und arbeiteten dann bis zum Abend weiter. Bis Daan schließlich all sein Werkzeug einpackte und seinen Arbeitsplatz von den feinen Metallspähnen befreite. Er zog sich an und war bereit zu gehen, als er, schon fast an der Tür angekommen, von Elvar aufgehalten wurde. „Warum lässt du eigentlich dein Werkzeug nicht hier?“ Der Tischler stand an einer der vielen Holzstreben gelehnt, die sich hier und da durch das alte Fachwerkhaus zogen. „Ich arbeite zuhause auch gerne mal an Kleinigkeiten.“ „Achso.“ „Wenn dann müsste ich das mit hierher nehmen und hier nächtigen“, meinte er grinsend, „aber dann hast du ja gar keine Ruhe mehr von mir.“ „Wenn es dir zu stressig wird, mit dem hin- und herfahren, gerne.“ Es waren nur leise Worte gewesen und Elvar hatte ihn dabei auch nicht angesehen. Nein, er sah verstohlen nach rechts unten auf den Boden. Daan aber musterte ihn mit großen Augen. Dann ging er die wenigen Schritte auf ihn zu, legte ihm eine Hand auf den Hinterkopf und küsste ihm die Stirn. „Wenn es dir hier zu einsam ist, kannst du mich gern besuchen kommen.“ Er lächelte liebevoll und ging dann doch hinaus. Er setzte sich in sein Auto und startete es. Dann fuhr er langsam vom Hof. Er rechnete nicht damit, dass Elvar ihm nachkommen würde, doch falls doch, hatte er sich Zeit gelassen. Daan war mit sich sehr zufrieden. Es war gut auf Freundschaft zu bauen, denn Elvar war wahrscheinlich wirklich einsam. Sicherlich war es gemein, ihn genau an seinem Schwachpunkt anzugreifen, aber nein, eigentlich nicht. Denn so eroberte man nun mal ein Herz. Und Elvars Herz war ihm wichtig. Er würde Elvar für sich gewinnen und von Eirik befreien. Da war er sich sicher. Beschwingt ging der Holländer am nächsten Morgen in die Werkstatt und fand niemand vor. Verwirrt stellte er seinen Werkzeugkoffer ab und schaute in der Küche nach. Als da niemand war, ging er aus dem Haus und rüber zur Scheune, in der Elvar sein Holz lagerte. Durch die neue Ladung an Holz war es hier voller geworden und sah nicht mehr so aus wie ein leeres Holzgerippe. Nebst dem gelieferten Holz standen einige alte, wie verstaubt und rostige Geräte zur Feldbearbeitung in einer Ecke. In einer anderen lag ein großer Haufen aufgeschüttetes Heu, neben dem ein ordentlich sortierter Berg an Brennholz stand. Am hinteren Ende der Scheue gab es eine Leiter, die hoch zur 'zweiten Etage' führte, wo man über eine zu öffnende Luke und einen Flaschenzug noch mehr Stroh hätte einlagern können. Daan möchte irgendwann mal dort oben hinaufgehen, doch bisher fand er es einfach nicht recht zu stöbern und auf Entdeckungstour zu gehen. Derweil stand Elvar vor dem großen, neu dazu gekommenen Holzstapel und schien zu überlegen. „Guten Morgen.“ Der Tischler reagierte nicht. War das etwa die Revanche von gestern? Daan grinste, dann schlich er sich an und blieb dicht hinter Elvar stehen, eh er ihm ins Ohr flüsterte. „Guten Morgen, Elvar.“ Wie erwartet zuckte der Andere zurück und wäre, über die Tatsache, dass Daan ihm wieder so nah war, beinahe gestolpert, hätte Daan ihn nicht an den Armen festgehalten. Aber Elvar befreite sich aus den großen, gröberen Händen und bedachte Daan eines flüchtigen Blickes. „Ja, Morgen.“ „Was suchst du hier?“ Elvar war etwas rot geworden. Vielleicht war er doch empfänglich für kleine Flirts? „Holz für die Verzierungen.“ „Ah, nimmt man da eigentlich nicht immer das Gleiche? Von wegen zu viel unterschiedliches Material wirkt zu bunt?“ „Schon, aber ich will probieren, wie es mit anderen Klappen aussieht, da das Holz, was ich für die groben Konstruktionen genommen habe, nicht so schöne Maserungen hat wie... das hier zum Beispiel.“ Daan folgte der Handbewegung und sah zu, wie die Finger vorsichtig über das unbearbeitete Holz strichen. „Dann nimm es doch.“ „Hmm“, Elvar schien nicht zufrieden. Künstler, dachte Daan nur und blickte den Tischler wieder an, der dort in seinen Arbeitsschuhen, der Latzhose, deren Träger zu beiden Seiten herunterhingen, den dunklen Shirt und der grauen Beanie immer noch stirnrunzelnd das Holz betrachtete. Es war da als Daan das kleine Tier auf dem rechten Arm aufgefallen war, welches frech Blut saugte. Ritterlich wie er nun mal war schlug er die Mücke platt und ließ die Leiche sorglos auf den mit feiner Späne übersäten Boden fallen. „Au. Was soll das?“ „Da war eine Mücke.“ „Und darum haust du so doll zu?“ „Klar, ich muss dich doch vor zu hohem Blutverlust schützen“, grinste Daan. „Ach so? Oh, dann, habt vielen Dank, oh edler Ritter“, erwiderte Elvar sarkastisch und versuchte grimmig zu gucken. „Es war mir eine Ehre“, konterte Daan und verbeugte sich elegant mit einer großen Armbewegung vor Elvar und suchte gleich, als er den Kopf wieder hob, den Augenkontakt ins schöne Grün. Elvar schaute trotzig zurück. Er bemühte sich, doch grinste er dann selbst und schüttelte nur den Kopf. „Gott, du bist so doof“, lächelte er. „Ach, für dich immer. Ein Lächeln steht dir viel besser.“ „Tss, ich lächle viel. Wenn ich will.“ Gleich zog er wieder eine Schnute. Daan stellte sich wieder hin und musterte das Gesicht überdeutlich. „Echt? Gerade war es noch da. Aber jetzt... Irgendwie seh ich es nicht mehr... Lächeln noch mal.“ Elvar überlegte, dann schaute er Daan an und grinste kurz, eh er wieder weg sah. Daan schüttelte nur den Kopf. „Nee, das war zu kurz. Nochmal. Bitte“, bettelte er und griff nach den behandschuhten Händen. Elvar zuckte nur unmerklich zusammen, doch ging er auf das Spiel ein. „Lass meine Hände los“, lächelte er und Daan lachte. „Vieeel besser.“ „Ach du spinnst doch!“ Elvar entzog seine Hände den Anderen und wandte sich zum Gehen. Sein Lächeln hatte er immer noch aufgesetzt. Vielleicht könnte er ja nur jetzt, ein bisschen Spaß haben, dachte er bei sich und schaute sich kurz um. Ein bisschen, ja, im Moment war er immerhin frei. Zu Daans Überraschung hielt sich Elvar an seinem Vorschlag, mehr zu lächeln. Sie scherzten mehr, redeten über peinliche Unfälle bei der Arbeit und lachten auch mal zusammen. Es fühlte sich gut an, so unbeschwert. Elvar schien dadurch auch mehr Schwung für die Arbeit bekommen zu haben. In den nächsten Tagen kamen beide richtig weit, sodass am Freitag schon die ersten Schubläden eingepasst werden konnten. Als diese gegen Mittag justiert waren, klatschten sie sich ab. „Wir sind so gut“, freute Elvar sich. „Sowas von“, grinste Daan dazu. „Ich mach kurz ein Foto. Was machen wir danach? Hast du schon die Spieluhr geliefert bekommen?“ „Nein, noch nicht, die soll morgen ankommen oder heute. Weiß nicht.“ „Hm“, machte Daan und schoss noch ein paar Fotos für einen kleinen Zwischenbericht für seinen Chef. „Na dann machen wir Mittag, oder?“ Es kam keine Antwort und als er sich umdrehte, war Elvar auch gar nicht mehr in der Werkstatt. Ging es nur ihm so oder kann Elvar wirklich wie ein Geist einfach so verschwinden? Verwirrt sah Daan sich um, dann legte er die Kamera weg, als das Scheppern von herunter gefallenem Holz und Besteck ihn aufhorchen ließ. Verwirrt ging er in die Küche, zur Quelle des Lärms und wollte schon einen Witz reißen, als er Elvar sah. Dieser stützte sich mit den Ellenbogen auf der Arbeitsfläche ab, das Gesicht in den Händen vergraben, und atmete hörbar laut. „Geht‘s dir gut“, fragte Daan und trat langsam näher, um das Brett, das Messer und die Zwiebel aufzuheben. Scheinbar hatte Elvar die gleiche Idee mit dem Mittagessen gehabt. Nur was war gerade los? „Geht schon...“ Seine Stimme zitterte und als Daan vorsichtig dessen Arm berührte merkte er den kalten Schweiß. „Mir ist nur gerade... schwindlig geworden...“ „Komm setz dich“, erwiderte Daan nur sanft und dirigierte Elvar auf einen Stuhl. „Mir geht’s wirklich gut.“ Schwach schob Elvar Daans Hand beiseite und lächelte ihn sogar an. Die grünen Augen strahlten unnatürlich hell aus dem blass gewordenem Gesicht und schienen etwas glasig zu sein. Elvar atmete noch mal tief ein und aus, dann lehnte er sich zurück. „Es geht wirklich. Was weiß ich, was das war. Würdest du schon, das Essen anfangen?“ „Klar.“ Sicherlich hatte er gemeint, dass ein Lächeln ihm besser stand, doch mit so einem Mach-dir-keine-Sorgen-Lächeln. Er sagte nichts weiter dazu. Immerhin wollte Elvar nichts Großes daraus machen. Dennoch behielt er ihn im Auge. Daan hasste es, wenn jemand sich etwas vormachte und sagte, es ginge ihm gut, obwohl es deutlich nicht der Fall war. In seiner Familie war es Gang und Gebe klar anzusprechen, wenn es einem nicht gut ging. Ob es nun ein kleiner Schnupfen war, eine ernsthafte Erkrankung, wie der Krebs seiner Oma, oder einfach nur ein zwischenmenschliches Missfallen. Es war immer über alles geredet worden. Seine Verlobte hingegen war da ganz anders gewesen. Sie hatte ihm über einem Monat verschwiegen, dass es ihr nicht gut ging. Dann als sie einem wichtigen Termin bei ihrem Notar hatten, war sie zusammengebrochen und mit einer akuten Blinddarmentzündung ins Krankenhaus gekommen. Wie sich rausgestellt hatte, hatte sie die Krankheit so weit verschleppt, dass eine Operation nötig gewesen war, wobei dann festgestellt wurde, dass auch einige andere Organe in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Für Daan war es unverständlich gewesen. Ihre Ausrede war, dass sie bei all der Übelkeit eher an eine Schwangerschaft gedacht hatte. Daan hatte sie nur angefahren, wie sie denn an ein Kind denken könne, wenn sie noch nicht mal an sich selbst denken konnte. Von da an hatte er sie nicht mehr im Krankenhaus besucht. Das war die Zeit gewesen, in der ihm Jacques über den Weg gelaufen war. Vielleicht ist das nun auch der Grund, weshalb er sich um Elvar sorgt. Seine Art wie er war, wenn Eirik bei ihm war. Wenn er sich abschirmte und nichts an sich heran ließ. Sein Herz verschloss und allein zurück blieb. Vielleicht wollte er ihm wirklich nur deshalb helfen, weil er wusste, dass es auf andere Weise viel schöner war. Nach dem Mittag, welches Daan alleine zubereitet hatte, hatten sie eine kleine Pause gemacht. Daan saß auf dem grünen, unbequemen Sofa und starrte eine Weile an die Decke. In das Loch, welches noch immer noch gut zu sehen war. Dann sah er zu Elvar hinüber, der auf einem Sessel – ebenso unbequem aussehend – den Kopf nach hinten genommen hatte und immer wieder wegdämmerte. Es ging ihm nicht gut, dachte Daan nur und knirschte mit den Zähnen. Aber in welcher Position war er schon, Elvar was vorschreiben zu wollen? Sie waren nicht mal wirkliche Freunde. Flüchtige Arbeitskollegen, wenn man es genau nahm und sie wussten so gut wie nichts über den jeweils anderen. Würde Elvar überhaupt seine Hilfe wollen? Leise hatte er sich in die Werkstatt geschlichen und weitergemacht. Sollte der Tischler sich noch ausruhen. Es reichte, dass er sich rastlos fühlte und deswegen unkonzentriert war, sodass er zwei Schrauben falsch schliff. Gegen Abend machte Daan sich dann auf den Weg nach Hause. Er hatte Elvar nur kurz geweckt gehabt, welcher ihn gleich anfuhr, dass er ihn doch nie und nimmer so lange hätte schlafen lassen sollen. „Sonst werden wir doch nie fertig und mir geht es gut!“ „Wir haben drei verdammte Monate Zeit. Das schaffen wir schon. Außerdem macht dein Gesicht jedem Gespenst Angst.“ „Wenn ich sage, es geht mir gut, geht es mir gut, verdammt noch mal. Letzte Woche hat es dich doch auch nicht geschert, ob es mir gut ging oder nicht. Warum jetzt?“ „Weil es nicht, nach einfach 'durchgevögelt' aussieht, sondern nach was Ernstem.“ „Ah ja, nach was denn?“ „Einer Grippe, oder so.“ „Ach komm! Ich war die letzten zwei Jahre nicht krank. Ich bin abgehärtet und so ‘ne einfache Grippe kann mich mal. Im Gegensatz zu jetzt hab ich mich schon deutlich dreckiger gefühlt.“ Daan hatte nur finster drein geblickt. Ebenso wie Elvar. Doch dann schluckte er nur, ballte seine Hände zu Fäusten und verließ den Hof. Da machte er sich schon Sorgen und dann sowas! Wild raste er über die Straßen und dankte der Regierung, dass es hier kaum Blitzer gab. Immer noch sauer trat er in seine Wohnung und schaltete das Licht ein. Es war wieder erwartend ein reines Chaos. Zu viele Kartons standen herum, das Schlafzimmer war halb eingerichtet und vor seiner Spüle stapelte sich das Geschirr. Daan ließ den Werkzeugkoffer auf den Boden sinken und schaltete das Licht wieder aus. Nun war alles nur noch fahl beleuchtet. Er stellte sich an sein Balkonfenster und sah hinauf zum halb vollen Mond, der allein seine Wohnung auf ungewöhnlich helle Weise erleuchtete. Eigentlich... fühlte er sich hier wirklich frei und es war wie ein Neuanfang. Er hatte seine Ketten gelöst und war frei. Nichts hatte er versucht mit zu nehmen, außer eben dem wirklich Wichtigen. Und nun war sein Leben so leer wie diese Wohnung. Gerade genug Geschichten zu erzählen wie Kartons da waren. Aber wenn er an Elvar und seine vielleicht erste Freundschaft hier dachte, wurde es ihm schwer ums Herz. Vielleicht war er der, der einsam war? Täglich hatte er Trubel und Leute um sich gehabt. Er grinste hämisch über sich selbst und versteckte seine Augen hinter seiner Hand. Was tat er hier nur? Mit gedämpfter Stimmung fuhr Daan am nächsten Morgen zu Elvar auf den Hof. Es war Samstag und eigentlich arbeiteten sie heute nicht. Das hieß, dass sie sich nicht sahen und doch musste Daan zumindest kurz sicher gehen, dass es Elvar gut ging. Und wenn er sich wieder anschreien lassen musste, war das eben so. Unter den großen Reifen des Autos knirschte der Sand, als er schließlich anhielt. Er stieg aus und schaute hinauf in den mit weißen Wolken verhangenen Himmel. Der Wetterbericht hatte für die nächsten Tage ein neues Unwetter angekündigt. Ob das schon die ersten Vorboten waren? Der Hof lag still vor ihm und wie immer ging er durch die Werkstatt in das Haus. „Elvar?“ Er machte sich gleich bemerkbar, doch nichts war zu hören. „Sorry, dass ich heute vorbeikomme, aber ich wollte nur sehen, wie es dir geht?“ Er ging in die Küche, während er redete. Doch auch hier war niemand. Ob er mal in den anderen Zimmern nachsehen sollte? Mehr als die Werkstatt, die Küche und das Bad hatte er bisher ja nie gesehen oder betreten. Warum sollte er auch. Ach, lieber nicht, es gäbe nur wieder Streit. Zudem antwortete ihm hier eh niemand. Vielleicht war Elvar auch in der Scheune? Daan ging wieder hinaus und schloss die Tür hinter sich. Ein kühler Wind kam auf und ließ ihn schaudern. Er hörte eine Tür klappen. Als er hinsah, bemerkte er, dass der Wind die Tür der Scheune hin und her schubste. Seltsam, wenn Evar länger in der Scheune war, fixierte er doch immer die Tür. Langsam wurde es hier komisch und Daan beschlich ein unheimliches Gefühl. Nervöser und mit einem spontanen Ausstoß von Adrenalin, was ihn deutlich aufmerksamer machte, ging er näher an die Scheune heran. Sein Herz klopfte so schnell vor Anspannung. Immer noch war alles still. Ob er rufen sollte? Er schlich näher und bekam die Tür zu fassen. Als er in die Scheune hineinging, zog er sie mit sich zu und gleich war der Wind vergessen. Hier drinnen war es auf eine andere Art warm. Scheinbar war doch kein Eindringling da. „Elvar“, rief er nochmal, doch immer noch nichts. Daan ging ein paar Schritte mit voller Anspannung weiter und dann sah er ihn liegen. Vor dem großen Holzhaufen lag Elvar. Daans Gedanken rasten und beinahe panisch rannte er zum Tischler hin. Kapitel 7: 7 ------------ „Elvar! Hey, Elvar! Sag was. Wach auf“, schrie Daan beinahe, eh er sich etwas beruhigte. Vorsichtig hob er den Anderen in seine Arme und schüttelte ihn sachte. Elvar schwitzte, wodurch ihm ein wenig der feinen Holzspäne an der Stirn kleben blieben. Was war nur mit ihm los? Dann endlich ein Stöhnen, bevor die Lider mehrfach flatterten und ihn fahles Grün aus glasigen Augen ansah. „Daan“, es war nur ein Wispern, gerade laut genug, um gehört zu werden. „Ist schon Montag? Hab ich verschlafen?“ Daan schüttelte nur den Kopf und half Elvar sich hinzusetzen. Beinahe bekam er keinen Satz heraus, so sehr steckte ihm noch vor Schreck ein Kloß im Hals. „Nein, du Volltrottel. Es ist Samstag und du...“ „Oh, dann muss ich noch etwas arbeiten...“ Elvar stützte sich an Daan ab und richtete sich auf. Vor so viel Hartnäckigkeit musste man fast schon den Hut ziehen. Der Tischler stand kaum sicher auf den Beinen, die Knie zitterten ihm und er atmete schwer. „Was“, entkam es Daan entgeistert. „Du willst jetzt noch arbeiten? Merkst du noch was?“ „Ich kann doch nicht so einfach... blau machen...“ Mit zitternden Fingern fasste er nach dem Holz, welches er wohl auserkoren hatte, doch reichte seine Kraft nicht, dieses überhaupt anzuheben. Daan schüttelte den Kopf und stand nun selbst auf. Er klopfte seine Knie und den Po sauber, dann stellte er sich hinter Elvar und griff nach dessen Handgelenken. „Schluss jetzt.“ Elvar war nun mal devot. Vielleicht klappte es ja, wenn er ihn ein bisschen herumkommandierte, dachte er bei sich. Dabei wollte er ihn einfach nur ins Bett kriegen. Diesmal wirklich unverfänglich. „Lass mich los. Du bist doch Schuld, dass ich gestern verschlafen habe.“ „Aus guten Grund, oder? Und nun lass das scheiß Holz los und komm mit ins Bett.“ „Nein, ich will nicht!“ „Elvar! Verdammt, lass los!“ „Nein, bitte, ich will...“ Ein Schluchzen unterbrach Daans wirre und hitzige Gedanken. Was machte er hier? So wie er gerade geredet hatte, klang er ja wie... Daan schloss kurz die Augen. Er merkte, dass er sauer war, weil dieser Idiot hier so unvernünftig war. Einmal durchgeatmet, dann aber drehte er Elvar zu sich um. Die Handgelenke hatte er losgelassen und beide Hände neben dessen Kopf am Holzhaufen abgestützt. „Sieh mich an! Ich bin nicht er“, sagte er eindringlich und wartete bis diese vollkommen untypischen Augen ihn ansahen. „Wir gehen jetzt rein und messen dein Fieber. Hast du keines, dann gehe ich und du kannst nach Belieben weitermachen. Hast du welches, hörst du auf ein kleines, bockiges Kind zu sein und tust, was ich dir sage.“ Elvar sah ihn immer noch an, wie ein Reh einen Scheinwerfer. „Ok?“ Langsam nur nickte der Andere und schien im gleichen Moment in sich zusammenzusacken. Er fiel nicht, davor hätte Daan ihn bewahrt. Doch das musste er nicht mal. Elvar hatte sich einfach gegen ihn fallen lassen und lehnte nun mit der Stirn, die sich kochend heiß anfühlte, gegen seine Schulter. Die Schultern zuckten leicht nach oben. Unregelmäßig. Weinend. „Mein Kopf tut weh“, jammerte der Jüngere. Er konnte sich nicht im Mindesten vorstellen, wie das alles für Elvar sein musste. Kranke waren ja immer dreifach sensibel. „Dann weine nicht, sonst wird’s schlimmer.“ Sicher war es nicht so geplant, aber was im Leben lässt sich schon wirklich planen? Beruhigend legte Daan ihm die Arme um den schmaleren Körper und hielt ihn für den Moment einfach nur fest. „38,6°C. Ich glaube, das sagt alles, oder?“ Elvar wiedersprach ihm nicht, sondern nickte nur. „Ich war aber wirklich lange nicht mehr krank...“ „Dagegen sage ich auch nichts. Nur das heißt nicht, dass du es nie mehr werden kannst“, erklärte er mit einer recht erwachsenen Haltung, als er das Thermometer wegsteckte und sich den spärlichen Rest von Elvars Medikamentenkoffer ansah. Außer dem Thermometer waren noch unzählige Pflaster, Verbände und Desinfektionsmittel enthalten. Mehr nicht. Zum Glück war es erst zehn. Da hatten die Apotheken noch auf. Er würde erstmal einiges holen müssen. „Hast du eine Badewanne hier?“ „Ich dusche eher. Die Einzige, die ich hab, ist eine sehr alte und die steht draußen...“, Elvar brach ab, als er das verständnislose Gesicht des Mechanikers sah. „Es tut mir leid.“ Daan seufzte nur. „Unglaublich, dass ein bisschen Fieber dich so wehleidig macht. Macht nichts. Hilft nichts. Pack ein paar Sachen ein. Ich pflege dich bei mir.“ „Hmhm.“ Wieder seufzte Daan. Dieser Elvar machte nun wirklich keinen Spaß. Aber gut, Gesundheit ging vor! Beim Sachen packen hatte Daan dann doch helfen müssen. Erst wollte er, aus Rücksicht auf dessen Privatsphäre, ihn alleine gehen lassen. Doch als er sah, wie torkelnd und langsam Elvar sich auf den Weg machte, hatte er ihn kurzerhand eine Hand um die Schulter gelegt und nach dem Weg gefragt. Daan zählte nicht mal mehr, wie oft der Jüngere sich schon innerhalb einer halben Stunde bei ihm entschuldigt hatte. Für Dinge, die nun wirklich nicht der Rede wert waren. Bei jeder Frage, wie z.B. „Wo ist dein Koffer?“, was Daan natürlich nicht wissen konnte – Gott, wo her auch – hatte Elvar nur auf den Ort gezeigt oder es kurz benannt und sich gleich dafür entschuldigt. Daan sagte nichts dazu, sondern warf einige Shorts, Socken, lange Hosen, Shirts und Pullover in den Koffer, bis er voll war. Besser mehr als man braucht, dachte er bei sich. Dann trug er den Koffer zurück in die Küche, eh er Elvar holen ging, der aus dem Bad noch seine Zahnbürste holen wollte. Daan ließ ihn auch wirklich nur die mitnehmen, alles andere hätte er bestimmt auch daheim. Zudem mussten Kranke nicht sonderlich hübsch sein. Wo war denn der Sinn im Kranksein, wenn man sich nicht mal richtig gehen ließ? Nur um sich anschließend grundzureinigen und wieder sich wie neugeboren und obergeil zu fühlen? Mit einer Jacke gegen den Wind und festen Schuhen verfrachtete ihn auf den Beifahrersitz. Den Koffer verstaute er auf der Ladefläche, dann fuhr er los. Während er in der Apotheke alles Mögliche kaufte, blieb Elvar im Wagen und war doch wirklich eingenickt, als Daan wieder kam. Er betrachtete den Schlafenden durchs Fenster und dachte bei sich, dass es vielleicht doch recht niedlich werden könnte. Das dachte er da noch, eh ihm wirklich gewahr wurde, was wirklich alles auf ihn zukommen würde. Doch lieber immer optimistisch an die Sache herangehen! Als Elvar das erste Mal aufwachte, fühlte er sich wie ein frisch blanchiertes Ei. Zumindest glaubte er, dass sich ein Ei so anfühlen musste, das mal eben im Wasserbad zum Gerinnen gebracht wurde. Schwer ließ er seinen Kopf von einer Seite zur anderen fallen und erkannte nur unscharf die Schemen in diesem Zimmer. Irgendwo war er. Flüchtig kam ihn der Raum bekannt vor. Woher nur? Er hatte keine Angst, oder lag das an dieser Schwere? Als er das nächste Mal aufwachte, fühlte er sich nicht minder schlecht. Sein Kopf schmerzte, als hätte man ihn in eine Schraubzwinge getan und diese richtig fest zugezurrt. Das Atmen fiel ihm auch schwer und von bewegen konnte nicht die Rede sein. Seine Beine und Arme fühlten sich an wie eine Gummihülle. Als hätte er nur noch seine Haut ohne Knochen und Muskeln an sich zu hängen. Einfach nur schlapp und nutzlos. Sein Herz spürte er nur ab und an, wenn es ohne Grund zu rasen begann. Oft dann, wenn er diese himmlische Kühle spürte. Mal auf seiner Stirn, dann auch ab und zu an seinen Beinen. Was auch immer ihn da Kaltes um die Waden gelegt wurde, es tat gut und sorgte dafür, dass sich seine Beine zumindest kurzfristig wieder nochmal anfühlten. Nicht so wie Gummi. Die meiste Zeit schlief er jedoch. Ab und an, wenn ihm etwas in den Mund geschoben wurde, machte er die Augen auf und erkannte die Person nur schwach. Einmal träumte er, dass es sein Vater sein und ihm kamen die Tränen. Natürlich konnte das nicht sein. Er war schon lange... nicht mehr an seiner Seite. Eigentlich war er seitdem nur einsam. Allein auf dem Hof, der viel zu groß für ihn war. Ein Bürde, die er nicht mehr wollte. Er würde am liebsten alles abwerfen, weglaufen, die Sachen packen und fort. Einfach nur weg und irgendwo komplett neu anfangen! Doch dazu fehlte ihm schlicht der Mut. Er war gefesselt, durch sein Erbe und auch durch die Angst vor Eirik. Sicher, er war oft nicht da, doch hatte Elvar das Gefühl, dass dieser, von den Dingen, die hier vor sich gingen, immer genauestens Bescheid wusste. Wie damals mit Gunnlaugsson. Den ersten Tag, den Eirik nicht mehr da war, wollte er ihn im Krankenhaus besuchen gehen, doch er schaffte es nicht. Er konnte seine Beine nicht dazu bewegen, in das Zimmer zu gehen. Als er dann später am Strand saß, hatte er die Arme um sich geschlungen und heulte nur. „Ich wollte das nicht. Ich hab das nicht gewollt.“ Immer wieder hatte er das gesagt und sich erst spät abends beruhigen können. Als Elvar das nächste Mal aufwachte, schaffte er es sogar sich aufzusetzen. Irgendwie hatte ein stetes Stimmengewirr ihn geweckt. Er musterte das Zimmer genauer und spürte doch, wie sein Kopf schwer hin und her wankte. Seine Arme und Beine sahen normal aus und bestanden zum Glück nicht aus Gummi. Ob er das alles nur geträumt hatte? Ein kleines Ziepen in seiner Armbeuge ließ ihn verwundert den Arm heben. Dort klebte ein kleines Pflaster, welches eben so aussah wie die, die er immer nach einer Impfung bekam. Wann war er beim Arzt gewesen? „Er scheint noch recht verpeilt.“ „Ach, das gibt sich in den nächsten Stunden. Das Schlimmste hat er hinter sich.“ „Ein Glück. Danke Doktor.“ Erst jetzt bemerkte er die beiden Personen, die neben seinem Bett saßen und sich leise unterhielten. Doch scheinbar hatte sein Aufwachen sie veranlasst, wieder normal miteinander zu reden. Dort saßen Daan und sein Hausarzt auf zwei Stühlen. Daan hielt den Arztkoffer, welcher gerade von seinem Hausarzt wieder geschlossen wurde. „Was“, kam es nur krätzend von Elvar. Dabei wollte er sich mit dem rechten Arm, wo auch das Pflaster war, auf der Bettkante abstützen und all seine Fragen loswerden. Aber er griff daneben. Für ihn war es, als fiele er in Zeitlupe. Er hatte überhaupt noch kein Gefühl für irgendwas. Doch fiel er nicht. Daan fing ihn auf und hielt ihn sicher fest. „Ups“, meinte Daan nur. „Du solltest dich wieder hinlegen.“ Dr. Hagenmörr lachte erleichtert auf. „Na, da ist er ja wirklich in guten Händen. Ich geh dann wieder. Sollte noch etwas sein, dann rufen Sie mich ruhig an.“ „Danke, das mache ich“, erklärte Daan und legte Elvar wieder in die Kissen zurück. Der verstand nicht, was hier gerade vor ging. Nur so viel, dass er krank war, einen Arzt brauchte und Daan sich um ihn kümmerte? Widerstandslos ließ er sich hinlegen und wieder zudecken. Dabei war ihm so warm... Vor allem sein Gesicht brannte gerade. Daan war ihm so nah und so nett. Sein Herz raste und er fühlte sich, als sei er ewig nicht mehr so lebendig gewesen. Daan verließ zusammen mit Dr. Hagenmörr das Zimmer. Elvar lauschte und hörte Schritte, leise Stimmen und dann die Tür. Es war still. Wieder schlug sein Herz schneller. Was nun? Schüchtern zog er die Decke höher. Die schweren Schritte kamen wieder näher und Daan war binnen von Sekunden von der Tür wieder auf seinem Stuhl von eben. „Ich bin krank?“ Daan sah ihn verwundert an und lächelte dann amüsiert und freundlich zugleich. „Ja, kann man so sagen. Du hast dir einen ekeligen Virus eingefangen und hohes Fieber bekommen.“ Ah, dachte Elvar, daher das Gefühl zu schmelzen und die Kopfschmerzen... „Sagt dir das Dengue-Fieber was?“ Elvar dachte nach, doch schüttelte er den Kopf. Dumm, denn gleich stachen Blitze durch seinen Kopf. Er kniff die Augen zusammen und dachte schon, dass Daan nun sicher genervt wäre, doch nichts. Immer noch sah er ihn so freundlich an. „Hatte ich das?“ Daan nickte. „Hast es immer noch. Aber Dr. Hagenmörr hat dir jetzt alle nötigen Spritzen mit dem Gegenmittel gegeben. Es sollte dir bald wieder besser gehen. Das Gute ist, dass du nun ein Leben lang immun bist.“ Daan meinte es nett, aber noch konnte Elvar sich nicht dafür begeistern. „Hast du Hunger?“ Überrascht sah der Kranke nun auf. Darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht... „Mir wäre es lieb, wenn du wenigstens ein bisschen was essen könntest.“ „Meinst du“, krätze Elvar, doch da war der Mechaniker schon unterwegs und kam mit einer kleinen Schüssel Suppe wieder. Sie dampfte und roch lecker. Elvar setzte sich langsam auf und lehnte sich gegen die Kopfstütze des Bettes, eh er die warme Schüssel nahm. „Hast du das gekocht?“ „Ja, nach einem Rezept meiner Oma. Es hilft wirklich gut bei Kranken.“ Elvar probierte und sah ab und an zu seinem Pfleger. Das hier war ihm irgendwie wirklich peinlich, wenn sie nicht redeten. „Wie lange habe ich denn geschlafen?“ „Fünf, knapp sechs Tage. Echt... ich hätte dich am liebsten in ein Krankenhaus gesteckt, weil dein Fieber gar nicht runter gehen wollte!“ Elvar verschluckte sich und hustete. Daan wollte ihm schon die Schüssel abnehmen, doch diese entzog Elvar ihn ganz einfach. „WAS?!“ Sofort kniff er die Augen zusammen. Sein Kopf begann wieder zu hämmern und doch wollte er jetzt noch nicht wieder schlafen. „Ich kann... mhhh... ich kann doch nicht so lange durchschlafen“, meinte er und versuchte seine Kopfschmerzen zu zähmen. Daan entwand ihm die Schüssel und hielt sie nun selbst fest. „Hast du auch nicht. Du warst oft genug wach und hast wie ein Zombie rumgestarrt. Einmal warst du aus heiterem Himmel total laut und aufgebracht, hast geschrien...“, Daan sah ihn ernst an. Elvar konnte sich nicht wirklich vorstellen, wie er ausrastete, während er sich wie ein blanchiertes Ei fühlte, aber er musste keinen angenehmen Eindruck bei Daan hinterlassen haben. Er fühlte sich schuldig, irgendwie... Als Elvar was sagen wollte, begann auch Daan, doch ließ er ihm den Vortritt. „Entschuldige, ich wollte dich nicht...“ Elvar brach ab, als der Holländer gekonnt(e) mit den Augen rollte. „Was?“ „Bitte nicht mehr entschuldigen. Wenn ich das noch einmal höre, schrei' ich, ehrlich“, dabei lächelte er aber und erhob sich. „Und nun leg dich noch etwas hin. Wasser steht da. Und schlaf' noch. Das ist noch immer die beste Medizin.“ Damit war der Andere aus dem kleinen Schlafzimmer verschwunden. Elvar ließ sich wieder ins Bett rutschen und fühlte sich elend. Er könnte heulen, aber sein Kopf tat so schon weh genug. Ob er Tabletten nehmen durfte? Vielleicht hatte Dr. Hagenmörr ihm auch schon etwas gespritzt? Es dauerte nicht lange und der Tischler war wieder eingeschlafen. Eingerollt lag er in dem fremden Bett und spürte die beobachtenden Blicke nicht. Dafür waren seine Träume wirr und unangenehm. Irgendwann in der Nacht wachte er auf. Er war hellwach und ihm tat vom Liegen alles weh. Vorsichtig schob er die Decke beiseite und begrüßte die leichte Kühle an seinen Beinen. Dann stand er vorsichtig auf und versuchte in dem fahl beleuchteten Räumen etwas zu erkennen. Licht wollte er keines anmachen, da auch Daan offenbar schon schlief. Jedoch schienen an den Fenstern keine Gardinen oder Rollos zu sein, wodurch der Mond alles gut erhellte. Nur... wo waren sie hier? Daans Wohnung? Eins, Zwei, da hinten könnte noch ein Zimmer sein, also eine Drei-Zimmer-Wohnung. Er musste gut verdienen, dass er sich das hier leisten konnte. Dennoch fiel es Elvar schwer, gerade und leise zu gehen. Dauernd stieß er gegen irgendeinen Karton oder Beutel. Was war das hier? Lebte er etwa aus Kisten? Daan arbeitete nun schon drei Wochen mit ihm. Wenn er diese eine Krankenwoche mitzählte. Und davor? Wann war er eigentlich hergezogen? Warum wusste er so wenig über ihn? Elvar stand in der Küche und bedachte die scheinbar übernommene und alte Küchenzeile. Als ehrenwerter Tischler juckte es ihm in den Fingern, hier etwas Prachtvolles zu schaffen. Noch mal sah er sich um und ging langsam, schleichend zu der kurzen Couch im Wohnbereich zurück. Daan wohnte nicht, er hauste. Die Küche war schrecklich und das Schlafzimmer war das scheinbar einzige richtig eingerichtete Zimmer. Das Bad war so lala und in dem letzten, kleineren Zimmer standen schon größere Karton, als hätte Daan sich schon Möbel gekauft, diese nur noch nicht ausgepackt. Er kniete sich vor dem Sofa hin und setzte sich. Wenn dieser Wildfang hier schlief, wirkte er wie ein ganz normaler, kleiner, frecher Junge. Amüsiert lächelte Elvar und strich ihm ein paar Strähnen aus der Stirn. Vielleicht, wenn er nicht so verdorben wäre, könnte er sich, wenn er sich anstrengte, in Daan verlieben. Bestimmt sogar. Aber so wie er war, würde es nie funktionieren. Eigentlich müsste er ihn hassen. Immerhin strahlte er das aus, was der Isländer am meisten wollte. Freiheit. „Warum schläfst du nicht?“ Die müde Frage war so leise, dass Elvar nicht mal erschrak. „Ich kann nicht mehr liegen. Sor- Ich wollte dich nicht wecken.“ Er würde sich nicht wieder entschuldigen. Nicht direkt zumindest. „Deine Finger sind eiskalt.“ „Warum liegst du hier auf der Couch?“ „Warum hast du dir nichts übergeworfen?“ „Schläfst du schon die ganze Woche hier?“ „Du bist noch krank...“ „Ich nehme ungern anderen ihre Betten weg.“ Elvar lächelte leicht. Er hatte noch massig mehr Fragen, das würde Daan nicht gewinnen. Dieser aber griff nach seinen ach so kalten Fingern und ließ sein Herz gleich mal stolpern. Im Gegensatz zu den warmen Fingern des Mechanikers, waren seine wirklich eisig. „Was hast du nicht gewollt?“ Nun machte Elvar doch große Augen und irgendwie war ihm nach Fliehen zumute. „Was meinst du?“ „Als du im Fieberwahn warst, hast du geweint und gesagt: 'Ich wollte das nicht. Ich hab das nicht gewollt.'“ Elvars Augen wurden größer und er zog an seiner Hand. Er wollte nicht, dass Daan auch seine schmutzigen Seiten kannte. „Das geht dich nichts an. Lass mich los.“ Daan war nun ebenfalls wach, setzte sich auf und hielt Elvar bestimmt bei sich. „Elvar! Was war los?“ „Nein...“ „Erzähl es mir, bitte. Ich wollte dich beruhigen und nichts half...“ „Es war nichts...“ Da aber hatte Daan ihn schon in eine feste Umarmung gezogen und sprach nun ruhig an sein Ohr. „Ich musste dich Stunden so festhalten, eh du dich beruhigt hattest. Was war los?“ Aber Elvar schüttelte nur den Kopf. „Bitte, Daan, ich kann es dir nicht erzählen.“ „Doch“, flüsterte der Holländer und zog die Umarmung enger. Dennoch war es angenehm und beruhigte ihn wirklich. Zumindest so lange bis Daan seinen Kopf gegen seinen sinken ließ. „Du wirst es mir noch erzählen.“ Es war wieder nur ein Flüstern und doch kribbelte Elvars Nacken vor Pein und Nervosität. Wie meinte Daan das? Wusste er etwa schon etwas? Hatte er vielleicht noch mehr im Schlaf gesprochen? Dann aber rutschten sie mehr und mehr zur Seite ab. Verwirrt blickte Elvar sich um, doch er konnte sich nicht befreien. Sie rutschen die Lehne runter und schwupp, lagen sie auf der Couch. Elvar mehr verquere, weil er immer noch vor dem Sofa kniete. „Daan. Hey!“ Er flüsterte, wenn auch eindringlich. Doch nichts. Dann, sagte er lauter: „Du wirst dich noch anstecken!“ „Nein, nur bei Blutkontakt. Du bist kalt...“ Elvar wurde rot, seine Wangen glühten. Oh verdammt! Er rappelte sich auf und dann endlich konnte er sich befreien. „So quer kann ich aber nicht schlafen und dein Sofa ist zu schmal für zwei.“ Er war sich schon sicher, dass er nun schnell zurück ins Bett huschen konnte. Daan war ihm deutlich zu nahe! Doch just in dem Moment setzte der Andere sich auf, er blinzelte verschlafen und verwirrt, dann griff er nach Elvars Hand und wackelte mit ihm ins Schlafzimmer. Seine Decke hatte er in der anderen Hand mitgeschleift. Elvar aber konnte die nächsten Stunden erst recht kein Auge mehr zu tun. Kapitel 8: 8 ------------ Irgendwann am späten Nachmittag war sein Dornröschen wieder aufgewacht. Daan hatte ihn erst nicht bemerkt, da er völlig in den Text von „Sugar“ von Robin Schulz versunken war. Im ersten Moment hatte Daan gedacht, es handelte von einer Frau, die einfach nur frei war und das auslebte. Egal, wer sich ihr in den Weg stellte, sie lebte einfach. Doch eigentlich war es nicht auf eine Frau im Besonderen zugeschnitten. Eher beschrieb es eine Person, einen Jedermann, der sich selbst aus seinen Fesseln befreite und so einfach das tat, was ihm am meisten entsprach. Also war es perfekt für ihn. So bemerkte er Elvar erst, als dieser hinter ihm stand. Noch eingewickelt in eine Decke und das Gesicht leicht gerötet. Jedoch nicht so sehr wie die letzten Tage. Daan stellte die Musik leiser und drehte sich erfreut zu ihm um. Er war froh, dass das Schwerste nun wirklich überstanden war. „Guten Morgen. Konntest du noch schlafen?“ Daan lächelte vergnügt. Er wollte Elvar nicht anlügen und ihm verschweigen, dass er sich an ihre mitternächtliche Unterhaltung erinnerte. Seit gestern Nacht war ihm eine neue, vielleicht waghalsigere Idee gekommen. „Morgen“, kam es leise, „Was machst du da?“ Daan grinste nur und ließ das Thema fallen. „Ich hab dir doch mal erzählt, dass ich auch gerne zu Hause an kleinen Dingen bastel.“ Elvar nickte und schien sich zu erinnern. „Das ist es aber nicht. Da du dich ja nicht rühren konntest, habe ich die Spieluhr geholt und festgestellt, dass sie zu groß ist. Deshalb baue ich sie gerade um und mache sie passend.“ „Sie passt nicht?!“ Sollte Elvar kurz verlegen gewesen sein, hatte er dies nicht gezeigt. Daan schüttelte mit dem Kopf, dann legte er den Schraubenzieher beiseite und stand auf. „Komm mit frühstücken.“ „Ich habe aber keinen Hunger.“ „Mir egal, du isst jetzt was und sei es etwas Obst. Wenn du noch mehr abnimmst, kannst du dein Holz nicht mehr tragen.“ Nun wurde er doch verlegen und zog die Decke enger um sich. Sicher war es ihm noch nicht aufgefallen, da Daan hier nicht einen Spiegel zu hängen hatte. Gut, bis auf den einen im Bad. Doch der hing so hoch und war so klein, dass Elvar bestimmt nicht nach seinem Körper sehen konnte. Nun aber trottete der Tischler hinterher in die Küche. Für Daan war die Küche erstmal nur ein Übergang. Er brauchte eine und hatte eine, die funktionierte. Da wollte er sich mal nicht beschweren. Bei manchen Sachen war ihm daher die Funktionalität einfach wichtiger. Daan zog einen Stuhl zurück und deutete für Elver verständlich an, dass dieser sich setzten möge. Dann drehte er sich um und sah den missbilligenden Blick des Tischlers nicht mehr, der dessen Möbel eher als eine Krankheit oder was Ähnliches betrachtete. „Warum kümmerst du dich eigentlich um mich? Du hättest mich auch ins Krankenhaus bringen können“, wollte Elvar wissen, als er sich die Decke enger zog und versuchte die Beine etwas zu überschlagen. Doch ohne sich aus der gemütlich warmen Decke zu pellen, würde das wohl nichts werden. „Wo du dir noch mehr Dinge wegholst. Nein, danke. Außerdem mag ich Krankenhäuser nicht besonders.“ Daan stand mit dem Rücken zu Elvar und schnitt gerade ein paar Birnen und Äpfel auf, die er auf einen Teller legte. Auch wenn die Küche etwas heruntergekommen aussah, so war das Besteck und Küchenwerkzeug doch neu und gut gepflegt. „Es ist doch aber total unlogisch, dass du mir hilfst!“ Elvars Wiederspruch ließ Daan nur schmunzeln. War er jetzt aufgebracht oder nervös? „Nein, ist es nicht. Elvar...“, er drehte sich um und sah Elvar ruhig und direkt ins Gesicht. Kurz studierte er die leicht roten Wangen, die schmale Nase, die geröteten Lippen, auf denen Elvar noch immer herum kaute, sowie die leicht geschwungenen Augenbrauen bis er zu den grünen Augen kam und diese eingehender fixierte. Elvars Grün huschte unsicher hin und her, als seine Zähne kurz die Lippen entließen und leiser sprach. „Ja, aber warum? Wieso solltest du so was Unlogisches tun?“ Daan lächelte breiter, aber noch immer milde. „Geh mit mir auf ein Date.“ Kaum waren die Worte gesagt, errötete Elvar vom Kinn bis zu den Ohren. Die grünen Augen schienen mehr zu leuchten und Daan konnte deutlich sehen, wie peinlich es ihm sein musste. Doch er blieb ruhig und lehnte an der Küchenzeile. „Bitte? Wa-warum sollte ich?“ „Weil du überhaupt keine Erfahrungen mit Dates oder Beziehungen hast.“ „Ach, und du willst so ritterlich sein und es mir beibringen ja?“ „Nicht ganz. Ich will, dass du dich in mich verliebst.“ Wieder grinste Daan, nun jedoch auf ehrliche und ernste Weise, während Elvar nur noch röter zu werden schien. Entweder war er empört oder verlegen. Beides würde passen. Der Holländer versuchte erst gar nicht, weiter zu verheimlichen, was sein Plan war. Während Elvar fieberte, hatte er hin und her überlegt, als er sich dabei das schlafende mal ruhige, mal unruhige Gesicht betrachtet hatte. Elvar war eine harte Nuss und er war zu dem Schluss gekommen, dass da wohl nur die Offensive in Form eines Nussknackers helfen würde. Elvar aber reagierte, nach der ersten süßen Verwirrung, mit purer Empörung. Was wiederum sehr süß war. „Bitte was? Warum sollte ich?! Ich habe eine Beziehung und die reicht. Ich werde mich doch nicht einfach so in dich verlieben. Du spinnst doch. Eirik-“ „Eirik hält dich wie eine Hure daheim.“ Daans Blick war streng und auch sein Ton war von amüsiert zu sachlich gewechselt. „Das weißt du auch und ich habe das schon nach nur zwei Wochen gesehen. Mir gefällt so was nicht, also will ich dir helfen. Ich dachte mir, dass du dich in mich verlieben solltest. Dann fällt es dir leichter, dich von ihm zu lösen. So was musst du immer noch selbst machen. Und ja, ich glaube auch, dass du dich in mich verlieben wirst, denn ich bin so ziemlich das Gegenteil von deinem 'Schatz'.“ Er sah ihn auffordernd an und trat nun an den Esstisch. Ganz nebenbei stellte er den Teller mit dem Obst vor Elvar ab und blickte doch konsequent in diese grünen Augen. Mit einer Hand, die eben noch den Teller getragen hatte, stützte er sich auf dem Tisch ab, während seine andere Hand sich hob und sanft unters Kinn legte. Mit einem süffisanten Lächeln hob er dieses an und vertiefte ihren Blick nur noch. „Auch wenn du ziemlich unterwürfig sein kannst, willst du doch freier leben als jetzt. Und genau deswegen wirst du dich in mich verlieben.“ Elvar hielt seinem Blick stand, doch dann entriss er mit einem Ruck seinen Kopf aus der warmen Hand und blickte mit leicht zusammengekniffenen Augenbrauen auf einen Punkt irgendwo auf den Linoleumboden. Es vergingen einige schweigende Minuten oder Sekunden, Daan wusste es nicht genau, denn immer, wenn er mit Elvar zusammen war, schien die Zeit ihm einen Streich zu spielen. Irgendwann aber sagte Elvar doch etwas. Zumindest wollte er. Er öffnete den Mund und ein Ton entwich ihm, doch dann schloss er ihn wieder. Daan setzte sich gemütlich auf den knarrenden Tisch mit seinen dünnen Beinen und nahm sich einen Apfel. „Denkst du. Ich-“ Wieder hörte er auf, verkniff das Gesicht und biss sich abermals auf der Lippe herum. Doch Daan glaubte zu wissen, was Elvar mit diesem trotzigen Tonfall sagen wollte. 'Denkst du, ich will nicht weg von ihm', oder so? Daan grinste. Es wäre zumindest schön, wenn es das gewesen wäre. „Gut, dann geh mit mir auf ein Date“, unterbrach er die Stille. „Was? Nein! Ich will kein Date. Und vor allem nicht mit dir!“ Elvar hatte ihn mit aller Empörung angesehen und doch musterte Daan ihn nur amüsiert, eh er den Kopf schief legte. Und wie er eines will, dachte er bei sich. „Nun komm schon“, sagte er und reichte Elvar einen Apfel, den er vor dessen Mund hin und her bewegte. „Ein Date. Ein ganz normales, erstes Date und wenn es nicht läuft, dann lass ich es sein, ok?“ „Und wenn doch?“ Daan zuckte mit den Schultern, während sein Blick noch immer beharrlich auf dem Grün ruhte, welches so wirr wirkte, trat er sich innerlich gerade selbst für diese Frage. „Du denkst doch, du bist gegen mich immun, also warum sollten wir dann weiter denken als nötig?“ Elvar sah den Mechaniker forschend an und wog wahrscheinlich gerade das Für und Wider ab. Vielleicht lehnte der Tischler ja dennoch ab, aber Daan hatte es jetzt offen und ehrlich versucht. Vielleicht sollte er Elvar noch sagen, dass wenn er ablehnte und sie kein Date hätte, er es wieder und wieder versuchen würde. Aber er wollte ihn ja nicht unter Druck setzten. Warum also sollte Elvar mit ihm ausgehen? Von seiner Warte aus, war das bestimmt total schwachsinnig. Immerhin hatte er sein Leben hier, seinen 'Freund' – auch wenn es Daan dabei hoch kam – eine Arbeit und Erinnerungen. Er hingeben war erst hierher gezogen und konnte nichts außer seinem Charme anbieten. Dazu hatte Daan sich in Angelegenheiten eingemischt, die ihn nun wirklich nichts angingen. Doch wie er schon mal erwähnt hatte, konnte er nicht einfach tatenlos zusehen, wie Elvar sich 'hingab'. Es war falsch in seinen Augen. Für Jemanden, der die Liebe wirklich kennen gelernt hatte, sowie auch einfachen bedeutungslosen Sex – ja er kannte beide Seiten sehr gut – war das, was Elvar hier abzog einfach inakzeptabel! Er wollte ihm helfen. Auch auf die Gefahr hin, dass Elvar ihn hassen würde. Der Tischler aber sah immer noch nachdenklich auf den Tisch. Immerhin hatte er schon einige Äpfel verputzt und Daan damit beruhigt. Dennoch ging Daan davon aus, dass er heute wohl keine Antwort mehr bekommen würde. Nachgiebig lächelte er und stieß sich leicht vom Tisch ab. „Hast du noch Hunger?“ Elvar sah zu ihm auf, überlegte. „Später vielleicht. Ist ja bald Mittag.“ Daan nickte, dass er verstanden hatte und ging wieder ins Wohnzimmer. Wenigstens die Uhr wollte er noch fertigstellen. Ein paar Minuten später hörte er leise Schritte hinter sich. Der Linoleumboden quietschte leicht, wenn man keine Schuhe an hatte. So wusste Daan und spürte es auch, wie Elvar hinter ihm stand und ihn beobachtete. „Wann denn?“ „Hm? Was denn?“ „Wann ist das Date?“ Daan erstarrte für einen Moment, dann ließ er seine Werkzeuge sinken und drehte sich halb zu Elvar um. Er stand da, immer noch in die Decke gewickelt, die Haare verwuselt vom Schlafen und ohne seine Beanie. Er hatte sandfarbene Haare, die ziemlich durch gestuft waren, wie er während der letzten Woche herausgefunden hatte. Sie reichten Elvar bis in den Nacken, waren nicht so dick, wie sie aussahen, und weicher, als er gedacht hatte. Während Elvar noch im Fieber gelegen hatte und sich hin und her wälzte, hatte Daan ihm die Stirn immer mal wieder mit einem Lappen abgetupft. Er wusste noch von seiner Oma, dass sie ihm oftmals nur die Hand auf die Stirn, den Hinterkopf, die Wange oder das Kinn gelegt hatte, um eine beständige, bestänftigende Nähe aufzubauen. Einfach um ihn zu beruhigen, um wortlos zu sagen „Ich bin da. Keine Angst. Es wird alles gut.“ Daan tat selbiges bei Elvar und nach einigen Minuten hatte der Kranke sich wirklich beruhigt. Er warf sich nicht mehr so sehr von rechts nach links, sondern schmiegte seine Wange in Daans Hand. Ihm klopfte das Herz mit mal so sehr, dabei machten sie doch nichts. Dennoch ertappte Daan sich bei unnötigen Fragen wie, wenn Elvar wach wäre, würde er das dann auch noch machen? Oder, wie würde Elvar wohl reagieren, wenn er hiervon wusste? Diesen Abend hatte der Holländer den Kranken noch lange angesehen und mit den sandfarbenen Haaren gespielt. „Ich würde sagen, wenn du wieder ganz gesund bist.“ „Das hört sich so an, als hättest du schon genaue Pläne für den Tag?“ „Nicht soo genau. Aber ich würde mir gerne die Geysire ansehen. Das wollte ich schon immer mal.“ Daan lächelte und Elvar verzog nur den Mund. „Was?“ „Ach nichts. Es ist nur, wenn du die Geysire noch nie gesehen hast und dann mit mir hingehst und der Tag total schrecklich wird, dann hast du immer eine schlechte Erinnerung an diesen Ort.“ Elvar verschränkte durch die Decke hindurch die Arme vor der Brust und sah ihn missmutig an. „Gibt‘s nicht noch einen anderen Ort?“ Daan lächelte nun und stand auf. Er ging auf Elvar zu, legte ihm eine Hand an den Hinterkopf und küsste ihm die Wange. „Darüber mach dir mal keine Gedanken. Ich glaube, der Tag wird schön.“ Damit ging er an Elvar vorbei und trat ins Schlafzimmer. „Du machst dich über mich lustig!“ Elvar kam hinter ihm her und schien abermals empört zu sein. Auf jeden Fall waren seine Wangen rot geworden und das war es wert, dachte Daan belustigt. „Nein, gar nicht. Aber ich werde nun mal alles daran setzten, damit du dich in mich verliebst. Es ist zu deinem Besten, glaub mir.“ Er lachte kurz, dann holte er die gewaschenen Kleider heraus, die Elvar zu Beginn angehabt hatte. „Toll und dann? Angenommen es klappt, ich verliebe mich in dich und löse mich von Eirik, was dann? Du lässt mich fallen, ich werde dich verfluchen und der Auftrag geht den Bach runter, oder was?“ Wieder lachte Daan. „Wahrscheinlich wirst du noch schlimmer sein als meine letzte Freundin. Aber das Risiko will ich eingehen. Hier, neue Sachen. Die Anderen habe ich auch gewaschen.“ Elvar nahm den Berg voller Sachen entgegen und schüttelte nur den Kopf. „Ich verstehe dich nicht, Daan. So was macht keiner 'einfach nur so'. Dein Grund reicht mir einfach nicht“, er seufzte, wahrscheinlich wusste Elvar auch nicht so ganz, was er wollte. Das alles verwirrte ihn einfach nur viel zu sehr. „Ich weiß auch nicht. Aber... hast du gesagt, du hast meine Sachen gewaschen?“ Beinahe erschrocken sah er die Kleider in seiner Hand an, dann sah er auf zu Daan. „Ja, was sonst? Immerhin hast du geschwitzt und ich musste dich ja ab und zu mal-“ „Du... du hast mich gewaschen?!“ Elvar war nun puderrot und Daan verstand erst nicht warum. „Ja... sonst würdest du jetzt stinken und...“ Er schwieg, denn gerade ging ihm auf, warum Elvar so peinlich berührt war. „Oh.. Also.. ich hab nicht soo genau gewaschen. Nur die Brust und die Arme, also... ich mein“, verlegen kratzte er sich am Hinterkopf. Das war mal ein ungewolltes Eigentor. „Ich versteh schon“, murmelte Elvar. Dann griff er nach seiner Reisetasche und schaute hinein. Die Shorts sahen noch genauso zusammengelegt aus, wie er es immer tat. Was das angeht, legte er seine Sachen auf recht ungewöhnliche Weise zusammen. Die Kleider, die er hier in der Hand hielt, waren alle anders zusammen gelegt. Das hieß dann... „Ich habe nur deine Hose und dein Shirt gewechselt. Ich spanne zwar gerne, aber nicht bei jemandem, der sich nicht wehren kann.“ Daan verschränkte die Arme und tat ein wenig beleidigt. Sein Gast aber nickte, eh er sich ins Bad verzog und Daan nur noch die Dusche hörte. Amüsiert lächelte der Mechaniker und setzte sich wieder an die Spieluhr. „Ich muss zugeben, Elvar ist schlecht fürs Herz.“ Dieses Wochenende hatte Elvar noch bei Daan verbracht. Er wurde weiterhin gepflegt, nahm seine Tabletten regelmäßig ein und ließ sich von Daan bekochen. Er ruhte sich artig aus, kuschelte sich in die weiche Decke und schaute sich mehr als einmal in der Wohnung um. Ein paar Mal bot er Daan an, die Möbel mit ihm aufzubauen, damit hier endlich etwas Ordnung und Wohnlichkeit rein kam, doch der Mechaniker wollte nicht. Elvar konnte nicht glauben, dass er sich hier wirklich wohl fühlen konnte. Zwischen all den Kisten und nicht ausgepackten Sachen. Zudem wirkte Daan auf ihn wie jemand, der sich überall schnell zurecht fand. Warum also wollte er so wohnen? Gab es da einen speziellen Grund? Er war so neugierig und hatte schon einige Fragen zu Daan selbst – wenn er schon mit ihm auf ein Date ging, wollte er auch einiges über diese n Menschen wissen – doch die meisten Fragen würde er sich wohl einfach für ihre Verabredung aufheben müssen. Einfach damit keine peinliche Stille aufkommen würde. So zur Sicherheit. Gott, er war ja aufgeregt. Er würde es nie zugeben, aber ja, er war es. Die Sache mit Eirik... das kann man nicht wirklich als Beziehung bezeichnen. Er hatte sich auch mehr erträumt, damals, als er noch kleiner war. Von einer schönen Freundin und irgendwann mal zwei Kindern. Sie würden auf dem Hof leben und sein Vater würde stolz auf ihn sein können. Doch dann kam irgendwie alles anders. In der Schule hatte er wenig mit Mädchen zu tun gehabt und wenn, dann eher rein freundschaftlich. Eine Freundin hatte er nie gehabt und daher hatte er auch nie darüber nachgedacht, auf was er eigentlich stand. Es war ihm auch ziemlich egal. Nach der Schule ging er bei seinem Vater in die Lehre und das waren einige der glücklichsten Jahre überhaupt. Am Ende seiner Ausbildung konnte Elvar sogar für ein halbes Jahr nach Norwegen zu einem befreundeten Tischler gehen und lernte viele neue Techniken, die sein Vater nicht kannte. Dann erkrankte sein Vater und konnte weniger Aufträge annehmen. Sie korrespondierten zwar in regelmäßigen Briefen, aber erst Ende der sechs Monate in Norwegen erfuhr er wie kritisch es wirklich war. Als er dann endlich daheim ankam, erfuhr er, dass sein Vater sich hoch verschuldet hatte. Seine Krankenhauskosten waren auch immens. Er hatte kaum zu Essen da und der Hof war an einigen Stellen baufällig geworden. Elvar hatte sofort ein schlechtes Gewissen, doch konnte er nur arbeiten, seinen Vater pflegen und nach und nach das Haus ausbessern. Den Schuppen ließ er mehr oder weniger verfallen. Und dann bekamen sie Besuch. Sein kranker Vater schleppte sich aus dem Bett und begrüßte den Gast. Elvar mochte den Typen nicht. Er roch nach Wiskey und Bier. Die Haare waren kurz geschoren, als wäre er bei der Arme oder Marine. Sein Gesicht ist eckig mit viel zu markanten Zügen. Für Elvar war das die typische Schlägervisage, mit der er nichts zu tun haben wollte. „Eirik, mein guter Junge. Wie geht es dir? Bist du etwa schon zurück? Elvar, das hier ist Eirik. Eirik, das ist mein Sohn, von dem ich dir schon erzählt habe.“ Elvar neigte nur den Kopf, ließ aber diese stürmischen, grauen Augen nicht aus dem Blick. Das war der Tag, an dem er Eirik kennenlernte. Anfangs dachte Elvar auch wirklich noch, dass dieser Matrose – mehr war er damals noch nicht – es gut mit ihnen meinte. Er hatte einen Auftrag bei seinem Vater aufgegeben, doch dieser konnte ihn nicht erfüllen, weil er zu krank war. Daraufhin hatte Eirik ihm Medikamente besorgt und Holz. Wirklich gutes Holz, bei dem Elvar sich fragte, woher er das wohl hatte. Zudem gab er es ihnen einfach so. Elvar stutzte, doch sein Vater meinte nur, dass er mit Eirik schon einen Vertrag für die Bezahlung gemacht hatte. Es war alles schriftlich festgehalten worden. Elvar sollte sich nur keine Sorgen machen. Es wäre wohl alle geregelt bis er auch endlich Volljährig und arbeitsfähig war. Als Elvar, nach einigen Wochen, den Vertrag beim Aufräumen des Schreibtisches seines Vaters fand, glaubte er sich verlesen zu haben. Seine Knie wurden weich und ihm wich alle Farbe aus dem Gesicht. Dort stand, dass sein Vater Eirik den gesamten Hof vermachte, bis die Schulden – die gigantisch waren – zurückgezahlt worden waren. Insofern gehörte alles Eirik. Auch Elvar. Wirklich! Er war ebenso in dem 'Besitzt' vermerkt, als sei er ein Handelsgut. Klar, hatte man es so nicht geschrieben, da man ihn als Minderjährigen einstufte, dessen Sorgerecht, bei plötzlichem Tod seines Vaters, Eirik zufallen sollte. Elvar wurde wütend. Weniger wegen dem Sorgerecht, als mehr über die Schulden und dem Hof. Er wollte sofort zu seinem Vater gehen und ihn zur Antwort zwingen, als er leise Schritte hinter sich hörte. Erschrocken drehte er sich um und starrte in graue, amüsierte Augen. „Hast du ihn doch gelesen? Aber es bringt nichts. Das ist alles rechtskräftig.“ „Ich bin kein Handelsgut. Mich kannst du nicht haben. Vergiss es. Du hast meinen Vater abgezockt! Das-“ Elvar taumelte zurück, als sich eine stahlfeste Hand auf seinen Mund presste und die wurstigen Finger in seine Wangen drückten. Es tat weh, aber befreien konnte er sich auch nicht. Halt suchend klammerte er sich an der Schreibtischkante fest und starrte trotzig ins Grau zurück. „Hör mal zu, Herzchen. Du gehörst mir. Und sobald dein Vater abgekratzt ist, werd ich dir das schon noch einbläuen.“ Ungläubig starrte das Grün ihn an. Das war ein schlechter Scherz, oder? Nie, nie, NIE würde sein Vater dem zustimmen! Dann zuckte Elvar zusammen, als die andere Hand Eiriks sich auf seinen Rücken legte und unter seine Hose glitt. Das Grau musterte ihn nun interessiert und der Griff der Hand an seinem Mund ließ nach, rutschte nach unten und legte sich um seine Kehle. Elvar schlug das Herz bis zum Hals. Es war so widerlich! Die viel zu raue Hand glitt über seinen Po und Eirik lehnte sich weiter nach vorne. „Du bist zwar keine Frau, aber immerhin so hübsch wie eine. Ich denke, ich werde dich genau dazu machen.“ „Zu was“, würgte Elvar angewidert hervor. „Zu meiner kleinen persönlichen 'Frau', die mir all meine Wünsche erfüllt.“ „Das kannst du vergessen!“ „Oh, du wirst. Glaub mir“, Eirik grinste so ekelig schmalzig, dass Elvar nur den Mund verzog. Er rührte sich nicht, wäre aber am liebsten schreiend weggerannt. Dann legten sich Lippen auf seinen Hals und küsste ihn. Eine Gänsehaut des Ekels überzog ihn und seine Finger begannen zu zittern. Er wollte das nicht! Half ihm doch mal einer! „Oh, da seid ihr beiden ja.“ Vater! Elvar sah ihn eindringlich an, doch die Augen seines liebsten Vaters waren vom grauen Star gezeichnet. Wenn er noch was erkennen konnte, dann wohl nur noch unscharfe Konturen, hatte ihm der Arzt gesagt. Wahrscheinlich sah es für den alten Mann wie ein normaler Flirt aus, da er Elvars entsetztes Gesicht nicht klar sehen konnte. „Ich freue mich, dass ihr euch so gut vertragt.“ „Mehr als das, Herr Laxness. Elvar ist zu süß, ob sie mir wohl erlauben würden, mit ihm zu gehen?“ „Was? Vater, ne-“ Lippen pressten sich auf seine und abermals überfiel ihn ein Schauder. Das gerade sollte sein erster Kuss sein? Nein, nie! Nur leider schrie er nur innerlich. Heute wusste er – auch durch allerlei Livereportagen – dass man sich laut äußern und nie still halten sollte. „Oh oh, mein lieber Eirik, wo könnte ich mir meinen Sohn wohlbehüteter vorstellen als bei dir?“ Bitte was? Wie um alles in der Welt hatte sein Vater diesem Kotzbrocken so verfallen können? Damit drehte er sich um und verließ mit den Worten, dass er sie nicht stören würde, sondern noch eine Termin in der Stadt hatte, das Arbeitszimmer. Elvar starrte noch lange die Tür an. Zuerst merkte er nicht, wie an ihm herum gefummelt wurde. Er war wie betäubt. Als seine Hose fiel, wusste er, was kommen würde, aber es war zu spät. Er brauchte nicht schreien, er brauchte sich nicht wehren. Eirik drehte ihn um und drückte seinen Oberkörper auf den Tisch. Seine riesigen Pranken waren viel zu stark und erstickten jede noch so kleine Zuckung seitens Elvars im Keim. Elvar verlor an diesem Tag einfach alles. Seine Freiheit, seinen Stolz und seinen Glauben an das Gute. Märchen und Sagen waren nie mehr das Gleiche und alles kam ihn so unwirklich und hohl vor. Er würde nie wieder hier wegkommen. Er würde keine Hilfe erwarten brauchen. Er weinte. Das erste Mal tat schrecklich weh. Doch das war nur sein Körper. Schlimmer war, was kurz darauf am Abend folgte. Sein Vater war in die Stadt gegangen und selbst zu später Stunde noch nicht wieder gekommen. Erst hatte Elvar die Zeit nicht bemerkt, da er sich zig mal unter der Dusche gewaschen hatte und Eirik aus dem Weg ging. Er hatte sich seine Worte für seinen Vater zurecht gelegt, seine Sachen gepackt und wollte nur noch hier weg. Die später Uhrzeit hatte er nicht bemerkt. Dann klingelte es und Elvar machte sofort auf. Zwei Polizisten standen vor der Tür mit ihren Mützen in der Hand. Sie beteuerten ihm ihr Beileid, doch sein Vater hätte wohl auf dem Rückweg nach Hause in einer Bushaltestelle einen Herzinfarkt bekommen und sei nicht rechtzeitig gefunden worden. Die meisten Passanten dachte wohl er schliefe. Viel weiß Elvar nicht mehr von jener Nacht. Mit dem Tod seines Vaters war der Vertrag rechtsgültig und alles verloren. Er könnte noch weglaufen. Jetzt sofort, hatte er noch gedacht, doch dann spürte er hinter sich diese unheimliche Präsenz und Eirik stand hinter ihm. Auch ihm erklärten die Beamten den Vorfall und dieser Arsch spielte den Trauernden wirklich perfekt! Elvar aber quälten Fragen. Vielleicht hätte er ihm helfen können? Er hätte einen Krankenwagen rufen, ihn beatmen können. Warum hatte er sich nicht gewehrt gehabt? Oder den Polizisten gleich alles gebeichtet? Doch nichts davon hatte Elvar getan. Er hatte es nicht einmal versucht... Die Wochen danach waren die Hölle für ihn, doch er erinnerte sich zum Glück nicht so genau. Im nach hinein hatte er geglaubt es Eirik zu gute halten zu können, dass er nur zwei mal vor der Beerdigung mit ihm geschlafen hatte. Vielleicht war er doch nett? Doch leider machte der Matrose sein Versprechen war und Elvar wurde gefügig. Es dauerte und doch war das alles irgendwann zu seinem Alltag geworden und seine Weltansicht teilte sich in schwarz und weiß. Wobei er mehr schwarz sah. Sein Herz hatte er verschlossen und seine Träume aufgegeben. Er war zu einer lebenden Marionette geworden, die gut parierte. Eine gefügigen, devote Hure, wie er später mal genannt wurde. Es war ihm alles so egal... Und nun? Elvar saß bei sich daheim auf dem grünen Sessel – den Daan als nicht gerade bequem bezeichnete, sich aber selbst auf der grünen Couch langmachte – und dachte zum ersten Mal seit Langem an diese Geschichte, während er einen Mann ansah, der aus einer Laune heraus, der Meinung ist, ihm helfen zu müssen. Daan war ganz anders als Eirik. Er faszinierte ihn. Genau wie gerade jetzt. Da lag Daan einfach auf der grünen Couch, die viel zu kurz für ihn war, sodass seine Füße über der Lehne hingen, und der Tischler konnte ihn nur anstarren, mustern und seine Augen über die Konturen des Körpers wandern lassen. Als er bei den braunen Augen angekommen war, folgte er deren Blick hinauf zur Decke. Elvar sah das kleine Einschussloch und musste schmunzeln. Dieser kleine Fauxpas schien schon so lange her zu sein. Dabei waren es gerade mal zwei Wochen und es war schon so viel passiert, dass es dem Tischler schon beinahe unwirklich vorkam, wie sie beide hier nach dem Mittagessen mit vollem Bauch einfach eine Pause machten. Als hätten sie alle Zeit der Welt, als sei einfach alles in Ordnung. Es war ein ganz normaler Dienstag. „Was grübelst du so? War das Essen nicht gut?“ „Hmm, doch, doch“, winkte Daan ab. Kurz sahen die braunen Augen ihn an, dann wandten sie sich ab, ohne noch etwas zu sagen. Es war so offensichtlich, dass Daan auf etwas wartete. Er war ungeduldig und die letzten Tage schon etwas zerstreut. Doch er sagte nichts, wartete nur. Elvar stand langsam auf und streckte sich einmal ausgiebig. Dann trat er an das Sofa heran und beugte sich über Daan. Ein paar Strähnen waren nicht in seiner Beanie festgemacht und fielen mit nach vorne, als die braunen Augen ihn fragend musterten. „Morgen ist Mittwoch. Da gibt es in der Stadt viele gute Drinks. Außerdem soll das Wetter endlich mal länger sonnig bleiben.“ Die letzten zwei Tage war es wieder stürmisch geworden. Auch wenn es Elvar nach dem Super-Pflege-Wochenende bei Daan schon am Montag wieder gut ging, hatten sie nichts unternehmen könnten. Daan kam nach wie vor jeden Morgen lang und sie arbeiteten. Doch endlich kam ein Hoch und darauf hatte Elvar gewartet. Er wollte, dass der Tag, an dem sie ausgingen, ein perfektes Wetter hatte! Er würde sich nicht in Daan verlieben, das wusste er jetzt schon. Er hatte viel überlegt und konnte nicht leugnen, dass Daans Worte ihn ein wenig Hoffnung gemacht hatten. Doch es würde nicht reichen. Selbst wenn er Daans Vorgaben erfüllen würde und die Courage und den Mut fände Eirik gegenüber zu treten, würde es nicht reichen. Er dachte an Gunnlaugsson und sein Herz fühlte sich schwerer an. Er konnte es nicht zu lassen. Nicht bei nochmal. Darum sollte der Holländer wenigstens einen schönen Tag mit ihm erleben, eh er einen Korb bekäme. „Ja, stimmt“, gab Daan ihm recht und sah von einem ins andere Auge. „Heißt, du willst rausgehen und was trinken?“ Elvar schmunzelte und beugte sich vor, so wie Daan es am Samstag bei ihm getan hatte, und küsste ihm die Wange. „Nicht rausgehen. Ausgehen. Wir haben doch ein Date.“ Kapitel 9: 9 ------------ Der Mittwochmorgen war strahlend hell. Elvar hatte recht gut geschlafen. Sie hatten sich auf eine humane Zeit geeinigt, zu der sie sich dann treffen würden. Seine Aufregung kam erst, als er nach dem Duschen vor seinem Schrank stand und sich fragte, was zum Teufel er heute anziehen sollte? Er hatte keine schönen Kleider. Keine besonders schönen jedenfalls. Das meiste waren Arbeitssachen und ein alter Anzug, der verstaubt und in die Jahre gekommen aussah. Verdammt, so konnte er sich doch nicht sehen lassen. Von seinen Mützen, den Beanis, hatte er einige mehr. Eine besonders wenig getragene Hose und ein Shirt fanden sich dann doch noch. An mehr musste er doch nicht denken, oder? Stümpfe waren doch egal und Unterwäsche? Elvar wurde rot, als er seine Gedanken schweifen ließ. Nein, Schluss! Es war ein erstes Date und wenn er sich recht erinnerte, hatte Daan auch gesagt 'klassisch'. Hieß das dann nicht, dass beim Ersten nichts passiert, beim Zweiten vielleicht ein Gute-Nacht-Kuss und beim Dritten... Naja, je nachdem halt? Und da sie eh gesagt hatten, es gäbe nur Eines und Elvar dazu noch vorhatte, Daan sowieso abzuschreiben – es wäre für sie beide einfach besser – wäre das ihr einziges Treffen dieser Art. Elvar hielt kurz in seiner Bewegung, das Shirt anzuziehen, inne und starrte enttäuscht vor sich hin. Nur dieser Tag, dachte er. Es wäre nur... für heute. Punkt Zehn stand Elvar am Hafen und fragte sich, warum er vorhin noch so betrübt gewesen war? Was dachte er sich überhaupt? Er war so dumm, das hier überhaupt zuzulassen! Aber egal wie sehr er sich selbst in Gedanken beschimpfte, er tat es nur, weil er gerade absolut aufgeregt war! Er war so gar viel zu früh hier am Hafen gewesen. Seine Finger waren kalt und zitterten vor Aufregung und er könnte sich in den Hintern treten. Daan bemerkte es sicher und dann grinste er nur, wie ein Volldepp, weil er mit allem recht hatte. Elvar hatte noch nie ein Date gehabt und trotz aller Vernunft, konnte er seine Aufregung nicht abschütteln oder seine Nerven beruhigen. Zu der dunkelblauen Jeans und dem dunkelgrünem Shirt hatte er noch eine graue Beanie auf und trug schwarzblaue Stiefeletten. Seine Hände hatte er in seine Hosentaschen geschoben und versuchte sich mit dem Blick auf das glitzernde, ruhige Meer selbst zu beruhigen. Die Sonne schien heute, der Himmel war blau und es war angenehm warm für isländische Verhältnisse. Daan war ebenfalls pünktlich. Er kam exakt fünf Minuten zu spät. „Hey, sorry. Ich hoffe, du hast nicht zu lange gewartet.“ Daans Wangen waren leicht gerötet und er atmete schwerer. Sicher war er das letzte Stück gerannt. Dennoch schmollte Elvar. „Na, du bist ja jetzt da.“ Elvar gab sich cool, als ob das alles hier total normal wäre. Aber als ihn die kühlen Fingerspitzen an der Wange berührten, zuckte er zusammen. Ja, total cool. „Was?“ Er wollte die Finger nehmen und wegschieben, aber Daan entwand sich ihm und umschloss die viel kälteren Finger. „Du siehst hübsch aus.“ Daan lächelte so zuversichtlich, dass Elvar ihm vor Scharm am liebsten eine gescheuert hätte. „Aber deine Finger sind eisig. Du wartest doch schon lange, oder?“ „Nein, wie ich schon sagte. Und ich habe oft kalte Finger...“ Elvar erstickten die Worte, als er sah, wie Daan seine Finger anhob und mit seinen viel wärmeren Lippen berührte. Es war ganz zart, sein Atem war warm und doch... brannte diese Stelle so sehr nach. Er war sprachlos. „Selbst wenn. Du erlaubst doch, dass ich sie dir heute wärme, nicht wahr?“ Wieder dieses Lächeln. Elvar schluckte, eh er sich zur Ordnung rief. „Sag mal, muss das jetzt schon sein?!“ Er spürte wie seine Wangen wärmer wurden. Hoffentlich war er nicht rot geworden oder bitte, lass Daan denken, es läge an der Kälte – und das, wo es heute warm war... „Was denn?“ „Musst du jetzt schon mit mir flirten?“ Mist, nun wurde er wirklich rot! Aber sonst tat auch niemand so was mit ihm. Er war irgendwie verwirrt und glücklich zu gleich. „Ich hab ja nur heute, wo ich offiziell darf. Also werde ich jede Gelegenheit nutzen.“ Charmant umfasste er Elvars Finger und steckte sie zusammen mit seiner Hand in seine Jackentasche. Beide Hände hatte gut Platz und Elvar war über sich selbst erstaunt. Obwohl Daan ihn wieder aufzog, gestattete er all das heute mal. Es war ja nur dieser eine Tag. Dennoch sah es merkwürdig aus, wie seine Hand in der dunklen Lederjackentasche verschwand. So was hier hatte er wirklich noch nie erlebt. Vielleicht verzieh er Daan deshalb so schnell. Wenn er schon die Chance hatte, wollte auch er mal erfahren, wie das sonst so läuft, wenn Pärchen sich verabredeten. „Ja, schon klar, aber übertreib es nicht.“ „Ich mache nur so lange, bis du dich in mich verliebst.“ Elvar hätte jetzt vieles machen können. Die Hand wegziehen, ihn anfauchen, das Date beenden, alles wäre wohl besser gewesen, als einfach nur ruhig zu bleiben und Daan mit einem gezielten, bohrenden Blick zu mustern. „Du bist ja sehr überzeugt von dir...“ „Muss ich ja auch“, grinste Daan, doch stockte dieses Grinsen, als Elvar ihm ein Lächeln schenkte und dem Holländer dabei näher kam. „Pass aber auf, dass du es nachher nicht bist, der an meinem Harken zappelt.“ Elvar kam Daan kurz näher und hatte nur leise ins Ohr gesprochen. Er legte all seine Überzeugungskraft und Verführungskunst in seinen Blick und allein für Daans Blick, hatte es sich gelohnt, Konter zu geben. Als der Holländer sich wieder gefasst hatte, lenkte er gleich alle Aufmerksamkeit auf das Date. Sicherlich hatte Elvar sich schon Gedanken gemacht und eine Art Schlachtplan entworfen. Immerhin sollte dieser Tag super-mega-genial werden – und das in mehreren Schichten. Dass er damit am Ende richtig liegen würde, wusste er jetzt allerdings noch nicht. Sie begannen den Tag mit einem Ausritt. Ganz in der Nähe von Grindavik gab es ein Gehöft mit Schulpferden. Alles Islandponys und alle gut auf Besucher eingestellt, die eigentlich nicht reiten konnten. Diese Pferde waren toll, fand Elvar. Sie waren schon seit Ewigkeiten auf der Insel und einige wurde sogar schon in jungen Jahren mit einigen Altpferden weiter oben auf den höheren Bergen allein gelassen und erst im Herbst wieder herunter getrieben. Elvar erzählte einiges, was er noch aus der Schule wusste. Über die Sagen und Märchen. Die Trolle, Elben und Gnome, die es hier überall auf der Insel gibt – zu deren Schutz selbst Straßen um deren Gebiete drum rum führten. Wie damals die Wikinger hierher ausgewichen waren, weil auf England und in Schottland kein Platz für sie war, als sie aus ihrem eigenen Land geflohen sind. Damals war die Insel noch bewaldet. Daraus bauten die Siedler ihre ersten Häuser und Boote. Irgendwann aber ging das Holz zuneige und durch die vielen Tiere wuchsen keine Wälder mehr nach. Elvar schaute etwas betrübt, doch als sie an einer Herde von Schafen vorbei ritten, schnitt er ihnen gehässige Grimassen. Diese dummen, blöckenden Tiere waren schuld daran, dass kein Baumkeimling es schaffte, größer als zwei Zentimeter zu werden. Daan seinerseits sah sich lange und ruhig um. Er hörte ihm zu und lachte ab und an, wenn eine Sage etwas lustiger war. Während er sich die weiten Felder, die langsam zur Steppe wurden, ansah, erzählte er Elvar einige von seinen Märchen und Sagen. Einige typisch für Holland und die Niederlande, andere waren die allseits bekannten Grimmschen Märchen. Aber vor allem bewunderte Daan die Landschaft. Und Elvar betrachtete Daan. Meist verstohlen, nur wenn sie erzählten, sah er ihm offen ins Gesicht und war wirklich gefangen von der Art, wie der Dunkelhaarige alles beschrieb. „Ich habe in einer Dokumentation mal von Island gehört. Dort haben sie die Gletscher, die Wüste und die unwegsamen Krater gezeigt. Sie haben von den Vulkanen gesprochen und den mittelatlantischen Rücken. Stimmt es wirklich, dass die Vulkane hier so oft ausbrechen?“ Voller jugendlicher Neugier blickten diese braunen Augen ihn an und Elvar lachte nur. „Naja. Mein Vater hatte einige Kleine miterlebt. Ich selbst kann mich nur verschwommen an einen erinnern, den ich mal gesehen hatte, als ich ganz klein war. Und dann sah ich auch nur die schwarzen Rauchschwaden in der Ferne. Nicht den Lavastrom vor der Tür.“ „Ach so... Schade.“ Daan wirkte enttäuscht und sah schon etwas niedlich aus, wie er auf seinem Pferd schmollte. „Die Regierung würde alle evakuieren, eh die Lava zu nah käme“, erklärte Elvar amüsiert. „Ja, hast ja recht. Hmm...“ Er sah sich um. „Was?“ „Shh. Hast du das gehört?“ Wieder musste Elvar lächeln. Daan hatte verdammt gute Ohren. Selbst ihre Pferde fingen jetzt erst, an mit dem Schweif zu wedeln und am Zügel zu ziehen. Dennoch ließen sie sich leicht lenken. „Los! Versuch Schritt zuhalten!“ Daan sah ihn an, da gab Elvar seinem Pferd schon die Sporen. Er galoppierte los und fühlte sich toll. Seit zwei Jahren ritt er nun schon. Angefangen hatte er in Norwegen und alsbald er wieder daheim war, hatte er sich einen Gutshof gesucht und war dann und wann heimlich zu Reitstunden gegangen. Es war immer wieder toll, wie der Wind an seinen Haaren und der Mütze zogen, wie alles in seinen Ohren rauchte und er nichts mehr hören musste. Es war sein persönliches Stück Freiheit, das sein Herz schneller schlagen ließ und ihm dieses unbeschreiblich schöne Gefühl schenkte. Eirik hatte für Tiere nichts übrig. Nicht mal für Hunde. Das Beste aber war, dass Elvar beim Reiten oft einfach nichts dachte. Keine Sorgen, nichts. War es wirklich schon so lange her, dass er gefangen war? Der Geysir war schon zu riechen und Elvar war sich sicher, dass er gewinnen würde, als an seiner Seite Daan auftauchte und ihn sogar um eine Nüsternlänge überholt hatte. Seine Haltung war die eines Reiters. Sicher und geschickt lenkte er das Pferd, grinste ihn an und wollte weiter an ihm vorbei ziehen. Dann fasste Elvar sich wieder und zog nach. Gleich auf hielten sie langsam vor dem Parkplatz, der sich mit mal mitten in der Steppe befand und so richtig fehl am Platz wirkte. Ebenso das kleine, weiße Häuschen mit dem großen Schild über der Tür, worauf »KASSE« stand. Elvar keuchte, atmete schnell und versuchte seinen Plus wieder zu beruhigen. Langsam schritten die Handwerker mit ihren Pferden zu einem hölzernen Unterstand, der extra für Pferdereisende eingerichtet worden war. „Du kannst reiten“, fragte Elvar noch außer Atem, aber mit bewundernder Überraschung in der Stimme. „Sicher. Meine Tante meinte, es gehöre zu den guten Manieren eines Mannes, reiten zu können.“ Daan war ebenso außer Atem wie er. Das, wie auch sein Lächeln und die roten Wangen, machten ihn gerade einfach nur niedlich. „Sie bestand auch darauf, dass ich ein Instrument lerne. Am besten Geige oder Klavier, aber ich bin dazu einfach zu ungeschickt. Ein Klavier reparieren kann ich, aber spielen nicht. Für sie war das ein Ding der Unmöglichkeit.“ „Hehe, na nur gut, dass dich Reiten so interessiert hat“, grinste Elvar und band sein Pferd vor der Tränke fest. Als beide Pferde sicher standen und sie sich aus ihrem Rucksack die Wasserflasche geholt hatten, gingen sie weiter zur Kasse. „Wolltest du nicht, nicht mit mir herkommen?“ „Schon, aber ich dachte mir, dass es vielleicht doch ganz schön wäre, wenn ich dir die Insel zeige.“ „Und was ist mit dem 'Ich werde alles ruinieren'-Spruch?“ Elvar sah ins Braun und winkte dann ab. Sicher hatte er tiefgründigere Gedanken, als nur nett zu sein. Aber die konnte er Daan doch nicht einfach so verraten. „Ich dachte nur, dass es ein schöner Ort zum Reden ist.“ „Das war es auf den Pferden auch.“ Daan ließ nicht locker und Elvar schenkte ihm einen grimmigen Blick. „Willst du nun oder nicht?“ Daan lächelte und lenkte ein. Eigentlich wollte Elvar bezahlen, doch beim Packen seines Rucksackes hatte er sein Portemonnaie vergessen. Daan bezahlte und versuchte, Elvar mit netten Worten zu versöhnen – was ihm leider auch gelang. Er erzählte einen Witz, Elvar lachte und schon war das Schmollen vergessen. Wie auch immer Daan das machte, es war entwaffnend! Auch jetzt, als sie den leicht glitschigen Weg bis zur Absperrung gegangen waren. Vor ihnen breitete sich eine wüste Fläche aus. Der Boden schimmerte wässrig in verschiedenen Farben der Erde. Da war der normale dunkle Oberflächenboden, je näher man an ein Loch kam, desto heller wurde das Sediment. Farben von Ockergelb bis zu Rostrot. Elvar zählte 4 große Löcher aus denen warmer Dampf austrat. Dann grummelte die Erde und aus dem hinterstem Loch wurde Wasser in einer fünf Meter hohen Fontäne gespien, dass sich dann in feinsten Niesel verwandelte und vom Wind getragen wurde. Es war wärmer hier und außer ihnen war noch niemand hier. Es war wohl noch zu früh für Besucher. Dabei war das die am dichtesten gelegene Quelle, die auch Besucher zu ließ. Aber andere Besucher waren Elvar egal. Daan sah gerade unglaublich aus. Unverhohlen musterte Elvar sein Profil. Es war markant, aber nicht zu sehr. Die braunen Augen bekamen in dem warmen Sonnenschein einen eigenen Glanz und die eigentlich vorhin noch perfekt gemachten Haare lagen jetzt wirr von Ritt und Wind da. Eine Strähne lag so falsch, dass Elvar sich zweimal daran hindern musste, sie zu richten. Dann war der erste Geysir leer und versiegte wieder. „Hast du das gesehen? Das war unglaublich! Und das alles wegen Hitze und Wasser in der Erde“, er sah den Tischler erstaunt an und wirkte wie ein kleiner Junge. So süß, dachte Elvar und legte ihm die Strähne nun doch richtig hin. Der zweite Geysir brach los, doch Daan blickte nur ins Grün. Als Elvar es bemerkte, blinzelte er schnell und wandte sich zu den Geysiren um. Wie peinlich, dachte er nur und besah sich nun die zweite Fontäne. „Ja, schon erstaunlich, was Mutter Natur so alles schafft, ne?“ Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Daan seine Haare anfasste und nun selbst richtete. Elvar kaute auf seiner Unterlippe und seine Finger kribbelten. Daans Haare waren trotz des Gels weich und... „Elvar?“ Innerlich erschrak er, doch drehte er sich etwas mehr zu Daan. Seinen Blick hielt er auf das Kinn gerichtet. Besser als die Augen, dachte er. „Mir gefällt es hier.“ Sein Magen kribbelte und er stellte fest, dass es dumm war, auf das Kinn zu sehen. Da waren die Lippen, schmal und hell und sie redeten von ihnen beiden. „Es ist heute beinahe das erste Mal, dass ich dich einfach nur als dich selbst erlebe. Losgelöst und total locker“, fuhr Daan fort und Elvar dachte nur, dass er gerade alles andere als locker war. Seine eine Hand griff fester an das raue Seil, das als Absperrung diente. Ja, er war total locker. Wenn er nicht aufpasste, würde er gleich einen Fehler machen. Obwohl er innerlich irgendwie schon wusste, dass er den Fehler längst begangen hatte. So in Gedanken versunken bemerkte Elvar den musternden Blick nicht. Er wusste nicht, wie seine verkrampfte Hand, sein abwesendes Gesicht, die roten Wangen, die niedergeschlagenen Lider und die gematerte Lippe auf den Holländer wirkten. Er gab es ja zu, er hatte überhaupt keine Ahnung. Nicht von Dates und nicht von Menschen. Er war ein Einsiedlerkrebs und damit bisher immer sehr glücklich gewesen. Denn allein war es vielleicht manchmal einsam, aber mit der richtigen Denkweise, konnte er ebenso viel Spaß haben wie andere. Und doch wich er nicht zurück, als die wärmeren Finger sich unter sein Kinn legten – vermutlich wäre er nur hingefallen mit seinen wackeligen Beinen. Sein Kopf wurde angehoben und unwillkürlich sah das Grün ins Braun. Der Daumen zog etwas an seinem Kinn und Elvar entließ seine Unterlippe, die nun sicherlich schön gerötet aussah. Das Braun war unnatürlich dunkel, trotz der vielen Lichtreflexe. Die Augen sahen ihn gebannt an und Elvar umfasste das Seil nur noch fester. Der zweite Geysir war versiegt und doch rauschte es noch immer in seinen Ohren. Elvar holte Luft und wollte etwas sagen, doch erstickte der erste Laut in seiner Kehle, als Daan den Kopf schüttelte und den anderen Arm um seine Taille legte. Elvars freier Arm baumelte nutzlos an seiner Seite und gerade schlug ihm sein Herz so sehr, dass er glaubte, man müsste es doch in seinem Hals sehen können. Zur Sicherheit hielt er auch noch die Luft an. „Es ist vielleicht etwas früh, aber du lässt mir ja keine Wahl.“ Daans Worte klangen so laut in seinen Ohren, dabei waren sie so leise gesprochen worden. Elvar holte nochmals Luft, wollte etwas Trotziges erwidern und hatte es im nächsten Moment vergessen. Warme Lippen lagen auf seinen. Das Grün starrte aus großen Augen ins Braun. Ein Braun, das ihn zwang, die Lider zu senken und zu fühlen. Elvars Herz schlug jetzt so schnell und unregelmäßig, dass jedes EKG gemeckert hätte. Seine Lippen schienen übersensibel zu sein und er hatte Null Erfahrung im Küssen, und trotzdem folgte er den vorgegebenen Bewegungen, ahmte sie nach und mit mal befand er sich in seinem ersten richtigen, atemraubenden Kuss. Der Arm um seine Taille zog ihn näher und endlich ließ er das Seil los. Seine Hände griffen nach Daans Jackenärmeln und hielten sich daran fest. Die Hand an seinem Kinn hielt ihn bei sich, als sie sich das erste Mal lösten und Luft holten. Das Braun sah jetzt anders aus. Irgendwie wärmer, weicher und unendlich tief. Der Geysir, ihnen am nächsten, spie nun seine Fontäne hoch und hüllte sie beide in weichen, nassen Nieselnebel. „Daan...“ Er kam nicht weit. Die Hand vom Kinn legte sich nun in seinen Nacken, zog ungeschickt an seiner Beanie und hielt ihn doch sicher fest. Wieder küsste Daan ihn und diesmal irgendwie anders. Energischer, dass Elvar sich erst erschrak und dann seufzend nachgab und ihn einfach machen ließ. Daan küsste gut. Wirklich gut. Auf eine Weise, der er nicht widerstehen konnte oder wollte. Für den Moment wollte Elvar nur, dass Daan ihn hielt und niemand anderes mehr von ihm so geküsst werden dürfte. Näher zog er sich, öffnete auf eine Ahnung hin die Lippen und versuchte dem aufkommenden Schwindel stand zu halten. Die warme Zunge in seinem Mund war erst sonderbar, doch ebenso aufregend und bei Gott, er bot Daan sogar mehr Raum, um sich auszutoben, eh Elvar sich auch traute und in den Kampf einstieg. Keuchend löste er sich. Sein Plus schlug deutlich in seine Ohren und seine Wangen waren mindestens genauso rot wie die Daans. Erst jetzt bemerkte er, dass seine Hände sich in Daans Haar und seinen Nacken gestohlen hatten. Verwundert sah er sich das an, als er langsam zu Atem kam und seine Hände wieder senkte. Er dachte, Daan ließe ihn ebenso los und wollte sich abwenden, doch es ging nicht. Denn der Mechaniker hielt ihn immer noch bei sich. Als Elvar sich ihm wieder zuwandte, legte dieser ihm nur seinen Kopf auf die Schulter. „Elvar, lass uns noch eine Runde reiten gehen“, flüsterte Daan. Für einen Moment wurde Elvar rot, denn er dachte zu zweideutig, eh ihm die Pferde wieder einfielen. Für eine Sekunde war der Tischler enttäuscht, dann lehnte er seinen Kopf gegen Daans und zog den muffigen Geruch der Umgebung ein, sowie den herben des Mechanikers. „Gern.“ Als sie zurückgingen, kamen ihnen erste Besucher entgegen. Eine junge Familie, ein älteres Paar und an der Kasse stand noch eine ganze Reisegruppe. Elvar wusste nicht, was er denken sollte. Seine Gedanken waren ruhig und aufgewühlt zugleich. Er war so mit sich beschäftigt, dass es ihn nicht störte, seine Hand in Daans zu wissen oder dass sie von einigen Besuchern ausgibig gemustert wurden. Wahrscheinlich war Elvar immer noch hoch rot und wie sollte er auch nicht. Das eben war sein erster Kuss. Sein erster, wirklich echter, gefühlvoller Kuss. Nicht so wie das, was Eirik vor zwei Jahren mal gemacht hatte. Sein Herz beruhigte sich nur langsam, was Elvar einerseits nur recht war. Andererseits war er schon etwas enttäuscht. Was war dieser Kuss? Gehörte das nur zu Daans Plan, ihn verliebt zu machen? Aber warum hatte er dann so erregt und verwundert gewirkt? Der Ritt zurück wurde wesentlich ruhiger. Sie sprach hier und da noch mal über die Landschaft, aber nicht über sich. Die Fragn, die er eigentlich noch zu Daan und dessen Leben stellen wollte, blieben ihn jäh im Halse stecken. Elvar konnte sich nicht vorstellen, dass es Daan nichts ausgemacht hatte. So energisch, so... „Da sind Schafe.“ Grob wurde Elvar aus seinen abschweifenden Gedanken gerissen und starrte erst Daan, dann die Herde von Schafen an. Verärgert verzog Elvar das Gesicht. „Blödes Viehzeug...“ „Magst du keine Schafe?“ „Nein, das sind die natürlichen Feinde aller Bäume.“ Er seufzte, dann lenkte er sein Pferd langsam durch die Schafe. „Ich glaube, wir sollten lieber absteigen.“ „Glaub ich auch...“ Mit den Zügeln in der Hand kamen sie wesentlich leichter durch die Herde. Aber immer noch sehr langsam. Elvars Laune hob das nicht, anders als Daans. Er wuschelte in den dichten Fellen und lächelte. Tss, wie konnte er nur so blödes Viehzeug anlächeln? Eben hatte er noch ihn so angelächelt... Betrübt sah er zu dem Mechaniker herüber, der sich einen anderen Weg durch die Schafe suchte und ihn schon beinahe überholt hatte. Energisch schüttelte Elvar den Kopf und hätte sich am liebsten selbst geschlagen. Was dachte er hier bitte?! Er war doch nicht wirklich im Begriff, sich in Daan zu verlieben? Prüfend sah er auf und musste schmunzeln. Daan wurde von so vielen Schafen umzingelt, dass er sich nicht mehr rühren konnte. Gerade kam eines von hinten an und stupste ihn an die Seite, was den Mechaniker mächtig zusammenzucken ließ. Amüsiert lächelte Elvar. Es waren doch nur dumme Schafe. Gegen Zwei Uhr waren sie wieder zurück auf dem Gutshof. Der Besitzer hatte schon auf sie gewartet, doch lachte er nur, als sie ihm von der Schafsherde erzählten. Anschließend holten sie sich einen Döner und aßen ihn ganz unromantisch am Hafen. Für Elvars Geschmack verlief der restliche Tag eher wie ein normales Treffen unter Freunden. Daan flirtete nur noch ab und an mit ihm, und dann eher halbherzig. Er hatte sich irgendwie mehr vorgestellt. Gerade nach dem Kuss, aber, ach, so genau wusste er auch nicht, was er wollte. Am Abend fuhren sie mit dem Bus einen Teil der Strecke zu Elvars Hof zurück und gingen den Rest schweigend nebeneinander her. Was war das nur für ein Tag? Irgendwas war komisch und das war nicht er. Mit Mal griff Daan nach Elvars Hand und verschränkte die Finger in seinen. Elvar Herz stolperte. Eben noch hatte er daran denken müssen, aber dass Daan es wirklich tun würde? Wieder war er so nervös und das von einer einzigen Berührung. Beinahe schüchtern sah er zu Daan, welcher nur geradeaus sah. In Gedanken versunken und endlich sah er so aus, wie er schon die ganze Zeit ausgesehen haben sollte. Unerreichbar für ihn. Elvar steckte hier in seinem Sumpf fest und Daan war jemand, der von oben auf ihn herabstrahlte. Mit all seinen edlen Ansichten und überhaupt! „Du musst mich nicht zuhause absetzten. Es wird bald dunkel und dein Weg heim ist noch weit.“ „Ich dachte, ich darf bei dir schlafen?“ Überrascht sah Elvar ins amüsierte Braun. „Wo denn bitte? Die Couch ist dir doch viel zu hart.“ „Hast du nicht Stroh in deinem Schuppen?“ Erstaunt musste Elvar blinzeln. „Ja, schon, aber der Schuppen ist zugig und im Stroh gibt’s bestimmt Mäuse.“ Doch Daan zuckte mit den Schultern. „Stört mich nicht. Also, wenn du nichts dagegen hast und vielleicht noch einen Schlafsack dazu, dürfte ich dann?“ Dieses amüsierte Braun war so anziehend und sah Elvar auf eine Weise an, dass er sich gezwungen fühlte „Ja“ zu sagen. „Warum willst du hier übernachten?“ Ein kleines bisschen dumme Hoffnung machte sich in ihm breit. Vielleicht hatte er es ja geschafft Daan in sich...? „Na, damit wir morgen ganz früh anfangen können. Immerhin haben wir heute einen ganzen Tag blau gemacht“, grinste Daan. Der Funken Hoffnung in Elvar erstarb. Ach ja... klar... es war schon süß, dass Daan da an ihn dachte, denn er hatte in der letzten Zeit ja deutlich gemacht, dass er lieber in Ruhe seine Aufträge fertig bekäme. Er hatte eine ganze Woche durch Krankheit verloren und ihnen blieben nur noch etwas mehr als zwei Monate. Dazu hatte er Daan immer wieder gesagt, dass er ja Eirik hatte. Er war schon 'vergeben' und Daan sollte sich keine Hoffnungen machen oder mit ihm spielen. Nein... Sein Herz tat weh. Verdammt, nun war er doch drauf reingefallen. Wie konnte er nur so dumm sein? Sein Sumpf, sein Käfig waren hier. Er blickte auf und sah das schief hängende Tor des Hofes, als er Daans Hand in seiner fester drückte. „Wie nett von dir, aber ich möchte das 'Date' hier gerne beenden. Wie ich dir gesagt habe, wirst du mich nicht überzeugt bekommen. Besser du schläfst heute bei dir.“ „Ähm, aber Elvar? Wie kommst du darauf?“ Selbstironisch lächelte der Tischler, eh er sich von der größeren Hand losriss. „Wie ich darauf komme?! Das zeigst du mir doch die ganze Zeit! Pah! Ich soll mich in dich verlieben? So ein Scheiß! Was würde mir das bringen? Etwa, dass ich mich von Eirik befreie, dass ich danach ganz alleine bleibe und dich vielleicht mal sehe, wenn ich in die Firma fahre? Am besten zusammen mit einem neuen Lover? Nein. Danke. Da lass ich lieber alles, wie es ist. Klar fühl ich mich nicht wohl bei ihm, aber von ihm werde ich gebraucht und das ohne Liebe. Und sobald der Vertrag eingelöst ist, bin ich eh frei. Das stell ich mir erträglicher vor, als mein Herz von dir brechen zu lassen.“ Leider füllten seine Augen sich mit Tränen. Er redete gerade so großspurig, dabei war es doch schon zu spät. Und Daan sah ihn nur verwirrt an. Es tat ihm leid und machte ihn wütend. Warum sagte er nichts?! „Oder was war das heute bei der Quelle? Küsst du jeden einfach nur so und dann buff? Denkst du, das reiche, um ein Herz zu stehlen?“ „Elvar, warte mal. Was? Ich mein... das vorhin-“ „Vor allem du-“ Elvar knurrte das letzte Wort beinahe, als er nun seine ganze Wut spürte. „Kommst daher und glaubst, mit Nettigkeit alles lösen zu können und mischst dich da ein, wo es dich absolut nichts angeht! Tu mir einen Gefallen und verschwinde wieder dahin, wo du herkommst!“ Damit drehte Elvar sich um und rannte auf seinen Hof. Er weinte und wusste, dass er nun alles kaputt gemacht hatte. Aber besser so, als noch länger so gequält zu werden. Das Schlimme war nur, dass er es viel zu spät gemerkt hatte. Daans Wunsch hatte sich heute Vormittag schon erfüllt. Vielleicht sogar schon vor dem Kuss? Elvar riss die Haustür auf und trat keuchend in den Flur. Er stützte seine Arme auf den Knien ab und wusste sich in Sicherheit. Als er aufsah, meinte er Eirik zu sehen und schon überzog sich sein Körper mit einer eisigen Gänsehaut. Nein, er wollte nicht... „Verdammt! Renn doch nicht weg!“ Erschrocken drehte Elvar sich zur Tür und sah Daan. Nein... „Was war das eben für Blödsinn?“ „Hau ab. Warum folgst du mir?“ „Weil ich wissen will, was in deinem Schädel vor sich geht.“ „Das geht dich ja wohl einen feuchten Dreck an!“ Daan trat auf ihn zu und wieder fand Elvar es schwer, dem dunklen Braun zu widerstehen. „Warum willst du das Date beenden?“ „Hab ich doch schon gesagt...“ „Was war an dem Kuss falsch?“ Gott, musste Daan ihn so leidlich ansehen? Elvar wich zurück, wollte weiter in die Wohnung rennen, doch Daan griff nach seiner Hand und zog ihn zurück. „Lass mich los!“ „Nein, du läufst nur wieder weg.“ „Was ist dein Problem, man! Lass mich los. Lass mich los!“ Je mehr Elvar sich wehrte, desto entschiedener zog Daan ihn an sich. Er umfasste sicher den zweiten Unterarm und im nächsten Moment hielt Daan ihn im Arm. „Lass. Mich. Du bist genauso schlimm wie Eirik“, schrie er nun und hoffte Daan damit endgültig verletzt zu haben. Aber der hielt ihn noch immer im Arm. Es war warm und Daan roch nach Metall, frischer Luft und frischen Sachen, nach etwas Schaf und Pferd und muffigen Wasser, aber auch nach sich selbst. Es war so gemein. Warum? Warum musste er sich auch in ihm verlieben? „Warum?“ Seine Tränen kamen schneller, als er wollte, „Warum bist du so? Ich gehe dich nichts an. Warum hilfst du mir? Warum verwirrst du mich so?“ Er schluchzte und griff doch in Daans Jacke, in der er sein Gesicht versteckte. Wenn er sich was wünschen dürfte, würde er gerne mit Daan zusammen sein. Er wollte dieses Lachen für sich, die fesselnden braunen Augen und nochmal so einen Kuss. Er hatte für die Minuten alles vergessen. Es war wie beim Reiten und doch viel besser, denn er war nicht allein. Daan aber hielt ihn, zog ihn sogar noch näher und wartete, bis er sich etwas ausgeweint hatte. „Du gehst mich sogar sehr viel an“, begann Daan nun leise zu sprechen. „Wenn ich dich verwirre, um so besser, aber ich will dir einfach helfen.“ „Warum“, kam es verweint von Elvar und er merkte, wie Daan den Kopf bewegte und ihn ansah. Es war eine Weile still, eh Daan doch antwortete. „Ich habe einen Grund, aber ich wollte mir nicht eingestehen, dass ich es deswegen mache. Ich dachte, wenn ich dir helfe, bin ich ein guter Mensch und kann mich selbst wieder ansehen.“ Elvar wollte Daan gerne ansehen, doch der zog ihn enger in seine Arme, was dem Tischler die Hitze in die Wange trieb. War Daan immer so warm? „Bevor ich hergekommen bin, waren die letzten Jahre ein einziges Chaos. Aber wenn du willst, erzähle ich es dir.“ Nun schwieg Daan und Elvar spürte, wie unruhig sein Herz schlug. Er hörte es laut und deutlich an seinem Ohr pochen. „Ich würde es gerne hören“, sagte er leise. Immerhin weinte er nicht mehr. Vorsichtig schob Elvar sich von Daan weg und traute sich, ihm ins Gesicht zu sehen. Daan verzog verbittert das Gesicht und schien schon in Gedanken versunken zu sein. Doch dann sah er ihn an und das Braun wirkte beinahe schwarz. Eine warme Hand legte sich an Elvars Wange und ließ ihn scharf die Luft einziehen, als er diesen sanften Kuss so unerwartet auf seinen Lippen spürte. Nur kurz. Dann sah das Grün wieder auf – stumm fragend, was das sollte. „Eine lange Geschichte. Machen wir es uns gemütlich?“ Kapitel 10: 10 -------------- Mit je einem Kakao vor sich stehend und einer Decke über ihre Beine gelegt, saßen die beiden Männer auf dem grünen Sofa in der Wohnstube. Elvar hatte die Beine angezogen und den Kakao in beiden Händen. Daan saß mit den Ellenbogen auf seinen Beinen abgestützt da und blickte in seine Tasse. Es war besser, dass er erzählte. Aber er war so verwirrt, dass Daan eine Weile gebraucht hatte, diesen Tag in seiner ganzen Bedeutung zu erfassen. Wer denkt denn auch, dass sich die eigene Welt an nur einem Vormittag einfach so auf den Kopf stellen lässt. Er war verwirrt und auch unsicher, doch das wollte er Elvar nicht zeigen. Und nun saßen sie hier, er schwieg noch, während Elvar sich vielleicht fragte, wann er wohl anfangen würde. Selbstironisch grinste Daan und begann just, als auch Elvar seine Worte gefunden hatte. „Eigentlich-“ „Wa-“ Sie blickten sich an und doch erschien Elvar ihm viel nervöser als er hätte sein müssen. „Entschuldige. Fang du an.“ Daan nickte nur und lehnte sich noch schmunzelnd zurück, eh sein Gesicht wieder ernster wurde. „Du willst wissen, warum ich dir helfe“, er seufzte tief. „Das habe ich mich ehrlich auch eine Weile gefragt. Aber ich glaube, so langsam weiß ich den Grund. Auch wenn der so überhaupt nicht edel ist.“ Eigentlich hatte Daan schon gehofft, von Elvar unterbrochen zu werden, doch der schien gespannt auf seine Antwort zu warten. Oder warum krampften sich die schlanken Finger gerade so um die Tasse? „Dazu solltest du wissen, dass mein Vater ein Diplomat ist. Er fährt oft für längere Zeit in verschiedene Länder. Ein paar Mal war ich mitgekommen, doch meistens hatte ich nur meine Mutter und den Rest meiner Verwandten um mich. Wenn mein Vater dann heim kam, war er immer sehr streng. Als ich kleiner war, konnte ich ihm selten etwas recht machen; und stolz schon gar nicht. Wenn er es doch mal gewesen sein sollte, hat er es mir nie gezeigt. Jedenfalls habe ich noch vor meinem Abitur aufgehört, ihm gefallen zu wollen und tat immer genau das Gegenteil.“ Daan grinste nun breit seine Tasse an, über deren Rand er vorsichtig mit dem Finger fuhr, als er daran dachte, was er alles angestellt hatte und wie oft sein Vater deswegen in Schwierigkeiten gekommen war. „Natürlich hat das noch mehr sein Missfallen erregt. Nach dem Abi, bei der Berufswahl, wollte ich eben studieren gehen. Er wollte, dass ich als erster Sohn sein Nachfolger werde. Auf seine Art war das meine letzte Chance, mich mit ihm zu versöhnen. Wie du dir denken kannst, habe ich mir meinen eigenen Traum vom Mechaniker erfüllt. Ich wählte eine Uni, die weit weg war. Paris war dafür perfekt. Die Stadt der Liebe. Mit all ihren Verfehlungen und Lastern. Mein Vater hasste mich und wir redeten gar nicht mehr miteinander.“ Er hielt kurz inne und trank einen Schluck. Als er Elvar ansah, zog er verwundert eine Augenbraue hoch. „Was ist los?“ „Ich finde es schrecklich, das zu hören, wo ich doch mit meinem Vater so ein gutes Verhältnis hatte. Gut auch nicht immer, aber...“ Wieder kaute er auf seiner Unterlippe rum, was Daan mit einem intensiven Blick musterte. Er wollte den Finger an die Lippen legen und das Schauspiel stoppen, nur wäre es jetzt sicher fehl am Platz. So zuckte Daan nur lässig mit den Schultern. „Ach, ich hab mich dran gewöhnt. Bitte nimm das nicht so ernst. Es hat auch nichts mit deiner Frage zu tun. Aber damit du verstehst wieso, ist es besser, du weißt es. Eigentlich wurde mir in Paris immer gesagt, was für ein Glückshäscher ich wäre“, jetzt grinste er wieder und legte den Kopf schief. „Warum das?“ „Ach... Paris ist einfach toll! Man hat so viele Möglichkeiten und kann so viel erleben. Warst du schon mal auf dem Eifelturm?“ Begeistert sah er den Tischler an, der nur den Kopf schüttelte. „Dann müssen wir da unbedingt mal hingehen!“ Kurz führte er den Blick vom Restaurant aus und wunderte sich noch, warum Elvar rot wurde. Es war eine Röte, die ihm durchaus kleidete. Doch sie erinnerte ihn auch an das samtige, schwere Rot der Vorhänge. Erst die in dem kleinen Raum, den Daan eine Zeit lang sehr häufig besucht hatte. Dann auch noch die Wohnung desjenigen, den er in dem Raum kennengelernt hatte. Seine Gedanken sponnen gleich die Brücke weiter. Hin zu seiner Ex-Verlobten, dem Kapitel, weswegen er keine Krankenhäuser mehr mochte, seiner Oma, dem großen Zerwürfnis mit seiner Familie und dann den größten Fehler, den er überhaupt nur machen konnte. Schluss, sagte er sich selbst. Denk nicht weiter! Daan zwang sich, Elvar in die Augen zu sehen. Sie waren immer noch so grün und strahlend und wirkte grüner je röter Elvar wurde. Es war so ein schöner Kontrast. Es waren nur wenige Sekunden vergangen, als er in seinen Gedanken die Zeitreise getan hatte und doch hielt er die grünen Augen jetzt mit einem viel intensiveren Blick fest. Einfach um nicht wieder abzudriften. Elvar kannte ihn nicht klein und schwach und so schnell brauchte er das auch nicht zu sehen zu bekommen. „Aber lassen wir mal Paris Paris sein. Ich war sechs oder sieben Jahre dort. Danach bin ich hergezogen“, schloss er seine Erklärung und hoffte einfach mal, dass Elvar nicht nachrechnete, da er genau 35 Monate nicht erwähnte. „Ich wollte einfach von vorne anfangen, da wo mich keiner kennt und das hat ja auch gut geklappt, eh du mir über den Weg gelaufen bist. Erst dachte ich nur, hey der sieht nicht schlecht aus. Dann hat Grimsson mir diesen Job aufgedrückt und Gunnlaugsson hat mir etwas mehr von dir erzählt.“ Elvar zuckte zusammen und wirkte mit mal klein und wie ein Tier in der Ecke. Erst als er Daans verwunderten Blick bemerkte, lächelte er nervös und wandte sich in eine mehr als lahme Ausrede. „Ich hoffe, er hat nicht allzu viel erzählt?“ Daan war neugierig was 'nicht allzu viel' hieß, doch ließ er das für später offen. Ihm schwirrte da eh noch eine Frage im Kopf, von dem, was der Tischler vorhin nur flüchtig gesagt hatte. Jetzt aber ging es um etwas anderes. „Er hat mir von dir und Eirik erzählt. Dass er dein letzter Partner bei einem ähnlichen Auftrag war und dass er damals versucht hatte, dich von Eirik wegzuholen. Er scheiterte, da Eirik euch wohl erwischt hätte und du seitdem noch verschlossener geworden bist.“ Daan trank den Kakao aus und stellte die Tasse auf den Beistelltisch, eh er sich mehr Elvar zuwandte und die Decke von seinen Beinen rutschte. Es war mittlerweile so warm in dem großen Raum, dass er die Decke nicht mehr brauchte. „Elvar, deine Vorgeschichte mit ihm kenne ich nicht. Ich weiß nur kleine Auszüge und die reichen mir. Du... du erinnerst mich an einen Jungen, den ich mal gekannt hatte. Ephraim hieß er.“ Daan versuchte stark zu bleiben, doch alleine diesen Namen zu erwähnen, schmerzte ihn. Er hoffte, dass Elvar es nicht bemerkte. Doch Elvar hatte diesen kurzen Bruch in den Augen gesehen. Zwar konnte er ihn nicht einordnen, aber spürte er, dass dieser Ephraim Daans große Fessel war. So wie Eirik bei ihm. „Ich habe ihn mal im Stich gelassen und nun kam Gunnlaugsson mit dieser Idee, dir zu helfen und ich war sofort dabei. Ich dachte, dass ich vielleicht etwas wieder gut machen könnte. Aber du...“ Daan stockte kurz, da Elvar ihn mit einem Blick ansah, der so viel sagte wie 'Ich kenne deine Schmerzen'. Zumindest bildete der Holländer sich das ein. „Du machst es mir nicht leicht“, wieder sah er ins Grün und wollte es fesseln, was ihm auch ohne große Anstrengung gelang. Mehr noch. Elvar stellte seine Tasse beiseite und erwiderte seinen Blick mit einer schier endlosen Geduld. Oder lag er auf der Lauer? „Als du krank warst, hast du so zerbrechlich gewirkt und dann wiederum schleppst du so große Holzbalken hin und her“, vorsichtig hob sich Daans Hand und strich sachte über Elvars Wange. Er zog ihm die Beanie vom Haar und ließ sie irgendwo liegen, als seine Finger schon sanft eine Strähne sandbraunen Haares hinters Ohr strichen. „Du bist ganz anders, als ich erwartet habe und auf erfrischende Weise ist das...“ Das Grün kam ihm näher, als Elvar auf seinen Knien heran rückte. Die Decke rutsche mehr und mehr auf den Boden, als Daan intensives Grün ansah. Die Unterlippe war röter und die Wangen ebenso. Elvars Atem war warm, als er sprach und Daan krauchte eine Gänsehaut über den Rücken. „Dein Grund ist also Wiedergutmachung? Und du denkst, dass du Eirik einfach nur eine Weile ausschalten musst, damit ich mich in dich verliebe und alles wird gut?“ Ja, nicht? Elvar legte seinen Kopf schief, als dächte er, was für ein süßes Schaf Daan doch war. „Was ist so erfrischend an mir“, wollte er nun wissen. Daan bewegte seine Hand wieder. Mit mal war sein Gehirn wieder anwesend. Es ließ ihn zwar nicht denken, aber wenigstens handelte er endlich wieder wie er selbst. Sicher und wissend, dass er das, was er anvisiert hatte, auch haben und bekommen sollte. Die Hand an Elvars Wange griff weiter in den Nacken und verflocht sich mit den weichen Haaren. Seine zweite Hand legte sich an Elvars Kinn und strich sanft über die unterschiedlich farbigen Lippen, als er ihn auch schon näher zog. „Das ist zu viel, um es mit einem Wort auszudrücken.“ Was war wahr! Er war offen, ehrlich, hübsch, süß, charmant, niedlich, jung und ach, er könnte ewig so weiter machen. Doch das auszusprechen, fand der Holländer dumm und plump. Da stahl er sich lieber einen zweiten Kuss. Ein erneuter Kuss, bei dem sich ihm der Magen vor lauter Kribbeln umdrehen wollte. Doch er versiegelte ihre Lippen und genoss die ersten Sekunden, eh er sich bewegte, die Richtung vorgab und nach wenigen Augenblicken schon mit der Zunge über diese süßen Lippen leckte. Elvar war unheimlich sensibel an seinen Lippen. Das war ihm vorhin schon aufgefallen. Wahrscheinlich hatte er noch nicht viel geküsst, was für ihn umso besser war! Seine Zunge schob sich wieder in die noch unbekannte Mundhöhle und eine Gänsehaut bildete sich auf seinen Armen. Näher zog er den Tischler zu sich, der sich erstaunlich geschmeidig bewegte und sich an ihn drückte. Daan vertiefte den Kuss, keuchte gegen die Lippen und sein Herz stolperte, als er selbiges von Elvar hörte. Wie ein Startschuss zum Lauf, ließ er sich nun auf das eigentlich so harte, grüne Sofa sinken, zog Elvar mit sich und küsste ihn verlangend. Elvar lernte schnell. Seine Zunge agierte geschickter, gab Konter und die feinen Finger wühlten in Daans Haaren. Daan hielt Elvar noch immer im Nacken fest. Seine andere Hand hatte sich auf Elvars Rücken gelegt und strich sanft darüber. Der Effekt war, dass Elvar sich unter seinen Bewegungen zurückzog, sich näher an ihn schmiegte und somit Daans Begierde so richtig entfachte. Gott, wusste Elvar überhaupt, was er ihm hier antat?! Daans Finger glitten über den Rücken nach unten zum Po und auch hier schmiegte Elvar sich näher an ihn, nur um den Fingern zu entkommen, als Daan seine Hüfte mehr hob und ihre Mitten sich so, auf die bisher wohl intensivste Weise, trafen. Beide keuchen auf, doch keiner ließ den Kuss verebben. Erst als Daans Finger sich unter das Shirt stahlen und die warme, weiche Haut berührten, beendete Elvar den Kuss. Auf beiden Armen stützte er sich ab und sah mit leuchtend, verklärten Augen auf ihn nieder. Seine Wangen waren genauso rot wie die Lippen, die dazu noch schimmerten und über die Elvar sich gerade so lasziv mit der Zunge leckte. Daans Finger waren zum Stehen gekommen. Er wollte gerne mehr, doch als Elvar beim leichten Druck seiner Hand im Nacken nur den Kopf schüttelte, wusste er, dass für heute nichts mehr laufen würde. So ein Dreck! Daan legte den Kopf entspannter zurück und beide seiner Hände ruhten auf dem mittleren Rücken des Tischlers. Elvar schien aber nicht ganz so gnadenlos mit ihm zu sein, denn er beugte sich vor und küsste ihm die Lippen trocken. Wieder schlug Daans Herz wie ein Berserker los, als er von nahem ins Grün sah. Stumm formte er seine Frage. „Du hast mir ein klassisches Date versprochen. Da sind fürs Erste zwei Küsse schon zu viel.“ Schmollend über seine Blödheit verzog er den Mund. Wer kann denn bitte auch schon ahnen, dass er es war der sich verl- Ach verdammt. Doch Elvar war so charmant. Sanft legte er sich wieder auf Daans Körper. Ungeachtet der Tatsache, was das in ihm anrichtete. Er rechnete schon mit noch einem viel zu vernünftigen Kommentar, als Elvar ihn küsste. Zart wie Zuckerwatte war der Kuss und wog doch so schwer. Elvar hatte ihn geküsst. Hieß das... durfte er sich wirklich einbilden, dass er doch Erfolg hatte? „Ich glaube, ich könnte mich auf ein zweites Date einlassen.“ Daans Augen wurden größer je länger er ins Grün sah. Dann endlich grinste er frech und schief. „Hab ich's etwas geschaff-“ Aber Elvar legte ihm einen Finger auf die Lippen. „Ruiniere es dir nicht“, meinte er warnend und grinste eine Sekunde später selbst. Elvar hatte eine Weile gebraucht, bis er den alten Schlafsack gefunden hatte. Er roch muffig und war nicht sonderlich anregend, um darin zu nächtigen, dennoch nahm Daan ihn an – er würde einfach mal seinen eigenen hier einschleusen. Er wollte nicht weg. Wer weiß, ob Elvar es sich bis morgen früh mit ihrem zweiten Date nicht wieder anders überlegt hätte? „Ich darf doch morgen früh bestimmt bei dir duschen, oder“, fragte er, als er an dem Stoff gerochen hatte. Elvar hob eine Augenbraue, dann roch er ebenfalls am Stoff und verzog das Gesicht. „Willst du wirklich darin schlafen?“ „Keine Angst, ich bin hart im Nehmen.“ „Vielleicht. Dafür stinkst du dann wie ein Iltis.“ „Darf ich also duschen oder arbeitest du morgen mit einem Iltis zusammen?“ Elvar grinste und winkte ab. „Ja, sicher. Anders kommst du mir auch nicht ins Haus.“ „Ja, Mama.“ Daan würde nicht sagen wollen, dass es am Kuss gelegen hatte, doch fand er, dass sich die Atmosphäre zwischen ihnen deutlich besserte. Sie scherzten rum, lachten über Wortspiele, die ihnen beim Kochen einfielen und benahmen sich wie gute Freunde. Sie kamen sich körperlich nicht nahe, doch das war gerade absolut nicht nötig, denn Elvar war einfach nur locker drauf. Nachdem beide Handwerker sich nach einem letzten Witz endlich wieder eingekriegt hatten, machte Elvar sich daran das Geschirr wegzuräumen. Daan saß noch am Tisch, hatte einen Arm gerade auf dem Tisch liegen und den anderen so angewinkelt, dass er seinen Kopf darauf ablegen konnte. Mit schiefem Blick sah er Elvar zu und lächelte dabei. So ganz genau durfte er nicht darüber nachdenken, wie toll es gerade war. Erst als Elvar ihm mit einer alten Petroleumlampe mit LED-Licht in die Scheune gebracht, diese an einem Harken an einem Balken an der Wand gehangen und ihm auf zögerliche Art eine Gute Nacht gewünscht hatte, ließ Daan seinen Gedanken freien Lauf... Er suchte sich einen großen Strohhaufen und breitete dort den Schlafsack aus. Elvar hatte ihm ein altes, viel zu großes Bauarbeiterhemd geliehen und eine Latzhose – er hatte ja selbst keine frische Kleidung mit. Eigentlich war er zum Übernachten schlecht vorbereitet, doch das war egal. Elvar ließ ihn in seiner Nähe schlafen. Sie hatten sich heute mehrfach geküsst und das bescherte Daan so ein Hochgefühl, dass ihm solche Nichtigkeiten egal waren. Nachdem er sich umgezogen hatte, krauchte er in die Stoffbahn und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Es raschelte hier und da. Der Wind pfiff durch allerlei Ritzen, doch war es angenehm warm. Es war ganz anders als in seiner Wohnung, wo er viel zu oft schlecht schlief, weil es bei ihm einfach zu ruhig war. Daan sah an die nahe Holzdecke und lauschte seinem Atem. Dann schweiften seine Gedanken ab. Diese Sache mit Elvar hier war toll. Erst wollte er ihm nur helfen, weil er sich genötigt gefühlt hatte. Doch seit heute hatte Elvar es geschafft, ihn mit seiner frischen, natürlichen Art zu bezaubern. Daan grinste, als er an vorhin dachte, wo Elvar das zweite Date erwähnt hatte. „Hehe, von wegen, und was wenn nicht“, grinste er, als er sich an dessen Bedenken zum ersten Date erinnerte. Zu dem, was er ihm vor dem Abendessen noch erzählt hatte, die Sache mit dem Jungen Ephraim und dass er ihm im Stich gelassen hatte, war nicht ganz die Wahrheit gewesen. Es stimmte schon, aber war das nur die Spitze des Eisberges. Daans Gedanken wanderten weiter, tiefer, als er es wollte und so schlief er mit den Erinnerungen an seine Kindheit ein. Damals, als er noch zarte 10 Jahre alt war, hatte er noch einen Bruder bekommen. Seinen Vater hatte er damals schon restlos enttäuscht, davon war er überzeugt gewesen. Deshalb wollte er seinen kleinen Bruder vor diesen alten Blödmann beschützen. Es war seine Aufgabe als großer Bruder gewesen! Er war so stolz und glücklich. Dann, als er 17 war, krieselte es richtig zwischen ihm und seinem Vater. Seine Mutter nahm seinen Bruder bei jedem Streit mit sich, damit er nicht allzu viel von Daans schlechten Einfluss mitbekäme. Natürlich war sein Bruder der Liebling seines Vater geworden und Daan konnte nicht verstehen wieso? „Kann ich zu dir hoch kommen“, rief die Stimme seines Bruders zu ihm hoch. Daan hatte sich in seinen Lieblingsbaum verzogen, wie er es immer machte, wenn er sich gestritten hatte. „Duhu, Daan? Warum streitest du dich immer so mit Vater?“ „Warum kriechst du ihm so in den Arsch?“ „Mach ich doch gar nicht“, meinte der Jüngere empört. „Ich finde es nur interessant, was er macht und er freut sich, wenn ich zu höre. Mama ist auch glücklich, wenn Papa sich freut.“ „Was hat sie damit zu tun?“ „Du hast es nicht gesehen, aber jedes Mal nach dem Streit sitzt sie mit mir in der Wohnstube und nuschelt vor sich hin. 'Was hab ich nur falsch gemacht? Wird er wieder böse sein? Sein Bruder ist besser geraten als er'. Ich glaube, sie hat Angst, wenn Vater sauer wird.“ Daan sah zwischen einer Astgabel durch und erinnerte sich daran, wie er das erste Mal gesehen hatte, wie seinem Vater die Hand ausgerutscht war. Und das nur weil er mit fünf Jahren noch kein Fahrrad fahren konnte. Danach hatte er sich für seine Mutter zusammen gerissen. Doch bei allem, was sein Vater von ihm verlangte, war er gescheitert. Dieser Mann verstand es ein Kind unter so großen Druck zu setzen, dass sogar das Drücken einer Klaviertaste zur Qual wurde. Seine Mutter war nur erbleicht und sah ihn entsetzt an. Vielleicht hatte sie damals von ihm abgelassen? „Schatz, er kann es wirklich gut. Er hat so schön gespielt, nicht wahr Schwester?!“ Seine Tante, die Schwester seiner Mutter, war eine gnädige Frau mit strengem Blick. Sie war mit der Idee gekommen, dass sie aus Daan eventuell noch einen Gentleman alter Schule machen könnten. „Ja, er war ganz passabel. Geige spielen war nichts für ihn, aber er ist ein sehr begabter Reiter. Vielleicht könntest du ihn als Hockey einsetzten?“ Das Gespräch der Erwachsenen zog sich noch hin und her. Meist waren es keine schönen Worte für Daan, darum schaltete er wie so oft ab und verzog sich in sein Inneres. „Ich kenne ihre Qualen, aber sie hat mich fallen lassen, darum...“ Sein Bruder lehnte sich an ihn und schloss die Arme um seine Taille. „Darum hast du mich. Ich hab dich immer lieb, Daan.“ Daan kamen fast die Tränen. Sein kleiner, geliebter Bruder war wirklich der Segen für diese Familie geworden. Wenn er in der Nähe war, riss sogar Daan sich zusammen, eckte nicht an und ging immer schön in der Spur. Er wusste, dass sein Bruder ihn deshalb und weil sie zusammen immer genau das machten und verheimlichten, was Vater dem Jungen eigentlich verbot, mochte. Mit fast 19 Jahren hatte Daan dann sein Abi in der Tasche und geriet in den nächsten Streit mit seinem Vater. Er sollte das lernen, was er nicht wollte: Politik. Sein Bruder war dabei und wollte ihn verteidigen. Für einen Jungen von neun Jahren, war er verdammt erwachsen. Mehr als alle anderen in seiner Familie. „Wenn er nicht mal was Ordentliches lernen kann, dann soll er verschwinden. Ich brauche keinen unnützen Sohn!“ Das waren die letzten Worte seines Vaters. Ein Freibrief und ein Versprechen, dass er nie wiederkehren würde. Später am Tag, als Daan seine Sachen packte, kam sein Bruder in sein Zimmer. „Gehst du wirklich?“ „Du hast ihn gehört. Gehe ich nicht, schmeißt er mich raus. Keine Angst, Brüderchen. Ich habe eine Stelle an einer Uni in Paris. Auch wenn es mir weh tut, dich hier zu lassen.“ „Mach dir um mich keine Sorgen“, lächelte der Kleine, eh er Daan in die Arme fiel. „Vater ist verbittert. Er kann einfach nicht über seinen Schatten springen und dir verzeihen. Aber er hat dich lieb. Glaube mir.“ Daan küsste die sandfarbenden Haare seines Bruders. Er hatte die gleichen, hellen Haare wie seine Mutter, ein ganz sanftes, helles Braun. Dazu aber seine dunklen, braunen Augen. Daan kam mehr nach seinem Vater. Sie sahen sich als Brüder nur im Grinsen wirklich ähnlich und sie teilten sich den gleichen Zweitnamen, den sie von ihrem Großvater geerbt hatten und auf dessen Kosten sie oft Scherze machten. „Wenn du kannst, komm mich in Paris besuchen. Vielleicht mit Oma?“ „Klar, mach ich, Rubén. Und schön sauber bleiben.“ „Und die Nägel nicht vergessen, Rubén.“ Dieser Scherz ging auf Kosten ihrer Oma, die ihnen zum Abschied immer das Gleiche sagte. Dann aber wechselte das Bild und er befand sich in der Uni von Paris. Er war glücklich und hatte eine hübsche Frau mit dunklen, lockigen Haaren im Arm. Die Haare fielen über ihre Schultern und reizten Daan immer, sie wegzustreichen. Sie küssten sich und lachten zusammen. Dann wechselte das Bild erneut und Daan hörte seinen Freund sprechen. „Geh, los, amüsiere dich. Ich decke dich und denk mir 'ne Ausrede aus.“ Ein Ausruf, der ihm noch ganz viel Ärger einbrachte. Daan sah nun, wie er in dem roten Zimmer auf jenem Bett saß. Ein junger, dünner Mann beugte sich vorn über seinen Schoß und öffnete seine Hose. Das war immer der Anfang gewesen, eh der Andere sie beide auszog und sie es mehrere Stunden, wenn nicht gar die ganze Nacht miteinander trieben. Hier lernte er alles, was er von der Liebe bisher noch nicht wusste. Ebenso Verführungen und Flirts. Dann wechselten die Bilder noch schneller. Ein Waffenladen. Seine Oma zu Besuch in Paris mit seinem Bruder. Seine Mutter, die ihn bat, zurück zu kehren. Seine Ex-Verlobte und Jacques, seine Smith & Wesson, Schüsse und dann schrak er hoch. Sein Herz schlug ihm bis in den Hals und er war Schweiß gebadet. Verwirrt sah er sich um, dann empfand er einen plötzlichen Ekel gegenüber den Sachen, die er an hatte. Schnell zog er sie aus und legte sich nur in Shorts wieder in den Schlafsack. Seine Hände zitterten noch und er weinte. Er könnte es Elvar einfach nicht erzählen. Dass es nach 4 Jahren noch so weh tun würde... Er war noch nicht so weit. Die restliche Nacht schlief er traumlos durch. Es war eine Wohltat. Dennoch war er am nächsten Morgen ziemlich geschafft. Er wachte zwar mit den Vögeln auf, doch wollte er sich so gar nicht bewegen. Die Zeit verstrich und Daan döste vor sich hin. Es war gerade so angenehm, nichts zu tun und nur für sich zu sein. Ein Geräusch ließ ihn aufhorchen. Ein beständiges Knarren, dass von der Leiter kam, die hier hoch zum Dachboden führte – die Luke war etwa zehn Meter von ihm entfernt. Dann Schritte und Stille. Daan horchte noch kurz, bevor er ein Auge öffnete und Elvar mit verschränkten Armen vor sich stehen sah. „Wenn du wach bist, komm runter. Ich warte auf dich. Ich hab mir schon Sorgen gemacht, du wärst in der Nacht von Ratten aufgegessen worden.“ Daan lachte und hielt Elvar eine Hand hin. Dieser sah sie abschätzend an, eh er sie doch ergriff. Schwungvoll zog Daan den Tischler zu sich runter und legte die Arme um ihn. Alleinsein war vielleicht für eine Weile ok, doch mit jemandem an seiner Seite war es noch tausendmal schöner. „Bist du überhaupt schon wach?“ Daan lächelte an das weiche Haar, das mal nicht unter einer Mütze versteckt war und küsste es bedacht. „Doch, schon. Ich hab nur gehofft, du würdest mich bedachter wecken.“ Daan ließ Elvar mehr Raum, dass dieser sich auf seinen Armen abstützen konnte und doch auf ihm liegen blieb. Seine eigenen Arme legten sich um Elvars Taille, als er ihn ansah und schmunzelnd abwartete, was Elvar nun wohl tun würde. Zu seiner Überraschung wurde der Tischler ein wenig rot, eh er schmollend meinte: „So weit sind wir noch gar nicht...“ „Och, bitte“, bat Daan mit lieben Blick. Elvar sah ihn abschätzend an und so wie der Andere gerade auf ihm lag, konnte Daan fühlen, wie dessen Herz schneller zu schlagen anfing. Elvar war wirklich nicht gut fürs Herz, dachte er nochmal, eh er seine Augen schloss und den Kuss genoss. Es war ein ganz sanfter Kuss und ebenso sanft strichen Daans Hände über Elvars Rücken. Kurz lösten sie sich. Elvar schnappte nach Luft und sah ihn auf eine einnehmende Art an. Das Grün funkelte und wirkte abenteuerlustig. Dann küsste Elvar ihn erneut, inniger, traute sich mehr und Himmel, Daan wäre verrückt, wenn er nicht mitmachen würde. Daan leckte über die Lippen und erhielt Einlass. Seine Zunge kämpfte mit Elvars, der echt schnell gelernt hatte. Der Kuss machte selbst ihn atemlos. Mit seinen Finger strich er über den Rücken, der von der Latzhose bedeckt war und keine Möglichkeit bot, die warme Haut zu fühlen. Dafür winkelte Daan seine Beine mehr an, sodass Elvar ganz von selbst die Beine spreizte und auf seinem Schoß sitzen blieb. Als sie sich lösten, waren Elvars Wangen gerötet und sein Blick so vielsagend, dass Daan es einfach wagen musste. Schwungvoll drehte er sie um, dass Elvar nun im Stroh lag und Daan den Rest des Schlafsacks beiseiteschob. Wieder küsste er den Tischler, eh dieser insistieren konnte. Seine Finger öffneten geschickt die Träger der Latzhose und schoben sie herunter. Wie zufällig strich Daan dabei über Elvars Brust, fühlte die neckischen Erhebungen und fasste die Nippel gleich über den Shirt an. Sanft drückte er sie zwischen seinen Fingern und schob sie mit seinem Daumen in verschiedene Richtungen. Elvar keuchte in den Kuss. Kurz wollten die feinen Hände ihn beiseiteschieben, eh sie sich mehr an ihn klammerten. Scheinbar wusste Elvar selbst nicht, was er wollte. Daan ließ sich nicht beirren, küsste nun den Hals, der sich ihm mehr anbot und schob gleichzeitig und langsam die Hose immer tiefer. Bis in die Kniekehlen, weiter kam er erstmal nicht. Dafür strichen seine Finger zärtlich über die freigelegte Haut hoch bis zur Hüfte, die ebenfalls schon ohne Shorts war, da Daan sie gleich mit runter gezogen hatte. Seine Finger erreichten Elvars Bauch und schoben das Shirt nun langsam hoch. Genüsslich knabberte er an Elvars Hals und saugte sich fest. Der Tischler keuchte, dann schob er Daan bestimmt von sich. Die Wangen waren rot und die Augen erregt. „Hör auf. So weit sind wir noch nicht.“ Daan schmunzelte, da Elvar sichtlich Mühe hatte, normal zu sprechen. „Wenn ich dich so ansehe, dann glaube ich, dass du schon sehr weit bist“, flüsterte er gegen Elvars offene Lippen und strich mit einer Hand über den schon erregten Schaft. Elvar schnappte nach Luft und seine Hände verkrallten sich im Stroh, was ihm keinen wirklichen Halt gab. Daan nutzte diese Blöße, griff das Shirt und zog es Elvar über den Kopf. Halb nackt lag er nun unter ihm, atmete flach und sah ihn wie ein Opfer an. „Ich bin nicht er. Genieß es mit mir zusammen.“ Daan wollte Elvar beruhigen und locken zugleich. Er wusste nicht, ob es klappen würde, doch scheinbar... Elvar schluckte, schloss die Augen, dann öffnete er sie wieder und sie wirkten auf eine Weise verschlossen und offen zugleich. Er wappnete sich, dachte Daan und wusste, dass es nun an ihm lag, welcher Blick für ihn bestimmt wäre. Trainierte, aber schmale Arme legten sich um seinen Nacken und zogen Daan zum nächsten Kuss. Wieder kämpften ihre Zungen und ließen beide Handwerker nur keuchend daraus hervorgehen. Daan begann erneut Elvars Hals zu küssen, gleich danach die Schulter und saugte sich an einigen Stellen fest, biss hinein und spielte mit dem Nippel vor sich. Elvar wandt sich, keuchte erregt und zog Daan unerwartet die Shorts aus. Nun war er es der keuchte, denn die kalten Finger hatten ihn überrascht. Sie waren so präsent gewesen, dass er sie nicht wahrgenommen hatte. Aber wenn er schon mal dabei war... hielt er kurz inne, um sich die Shorts auszuziehen und Elvar die Hose von den Beinen zu streichen. Der Tischler bedachte Daan mit prüfendem Blick und lächelte auffordernd. Hat er ihn gerade verglichen? Zu gerne wüsste er, was Elvar gedacht hatte. Sanft hob Daan ein Bein an und küsste das Knie, dann küsste er sich höher. Vorsichtig liebkoste er die Innenseite des Schenkels, den Schambereich und wieder ließ Elvar seinen Kopf in den Nacken fallen. Daan eroberte sich den Bauch und blieb mit seinen Zähnen an einer Brustwarze hängen. Eine freie Hand legte sich um den unbekannten Schaft und massierte ihn. Daan war so berauscht, er verlor sich beinahe in seinen Gedanken, seiner Fantasie von Elvar. Wie er hart wurde – und es auch wirklich in seiner Hand wurde – wie der schlanke Körper sich wand und ihn nach mehr anbettelte. „Warte“, keuchte Elvar und versuchte, resoluter zu gucken, als er es war. „Ist das nicht zu früh? Ich mein... ich will... nur nicht“, er schluckte hart, denn so wie Daan ihn angesehen hatte, verschlug das Braun ihm die Sprache. So dunkel und leuchtend. Dabei fasste Daan nach Elvars Knien und hob sie hoch, dass die Beine des Tischlers sich um Daans Hüfte legen konnten. Elvar schluckte nochmal, da er sich nun völlig offen zeigte. Auch wenn Daan sein Geschlecht nicht sah, so musste er es spüren. So hart wie dieser ihn schon massiert hatte. „Wir sollten noch“, eine Gänsehaut durchlief Elvars Körper, als er Daans steifes Glied an sich spürte. Wie sich der fremde Schoß gegen seinen Po lehnte und die Hitze der Haut auf ihn überging. Wann war Daan so steif geworden? „Warten? Wozu? Ich sehe deine Begierde, ich sehen meine und zähle nur zusammen, dass wir es beide wollen.“ Elvars Finger griffen ins Stroh, was ihm immer noch keinen Halt bot. Daan aber beugte sich vor und drückte ihn nieder, dass sie beide noch mehr in dem Haufen verschwanden. „Soll ich warten, nur weil es nicht der Reihenfolge eines klassischen Dates entspricht?“ Daans Stimme war von Erregung rau und seine Lippen setzten erste Küsse auf Elvars Brust. Die wieder freien Finger, die eben noch den Beinen geholfen hatten, wanderten über seinen Bauch und ließen den Tischler sich winden. Daans Küsse wanderten nach oben zu seinem Hals. Elvar schluckte schwerer. Eigentlich musste er das hier doch verhindern oder? Aber... er wollte es so sehr. Sein Penis war schon steif und er merkte, wie ihm der Vorsaft auf den Bauch lief und dass, weil Daan ihn so anfasste, wie er es noch nie erlebt hatte. Ein Teil von ihm wollte noch widersprechen. Doch der größere Teil in ihm wollte einfach nur noch schmelzen und fühlen. Sein Körper war hungrig nach dieser Nähe, die er nicht kannte. „Dann...“ „Lass dich fallen.“ Elvar spürte den Biss an seinem Hals und ließ den Kopf in den Nacken sinken. Er bot Daan mehr Platz an, hielt sich mit den Beinen fester und hob das Becken etwas an. „...fang mich auf.“ Daan hatte von seinen Hals gelassen und küsste ihm nun die Lippen. Es fühlte sich so an, als hätte er schon die ganze Zeit darauf gewartet, als wäre das ihr erster Kuss heute. Wohlig seufzte er, schlang seine Arme um Daans Nacken und ließ sich fallen. Eigentlich war er es nicht gewohnt zu küssen, jemanden beim Sex anzufassen oder sich wohl zu fühlen. Er wusste gar nicht, was er mit Daan machen sollte oder wie er ihm was Gutes tat. Sonst hielt er nur hin und aus. Ja, Ausdauer hatte er. Und doch reagierte sein Körper viel von allein. Er strich über den breiten Rücken und küsste begehrend zurück. Elvar keuchte und zog an Daans Haaren. Er wollte mehr. Er war schon lange heiß. Als er heute aufgewacht war, dachte er flüchtig, wie schade es war, dass Daan nicht bei ihm geschlafen hatte. Er hatte sich zur Ordnung rufen wollen, doch je länger er auf ihn wartete, desto mehr dachte er an die Küsse und diese Augen, die ihn lieb bemaßen. Ja, er wollte diesen Sex! Und dann – Elvar hatte nicht mitbekommen, wann Daans Hand sich von ihm fort und zwischen ihre Leiber bewegt hatte – spürte er die harte Eichel an sich und wie sie einfach so eindrang. Er hatte nicht die Finger bemerkt, noch wie sie schon so weit gekommen waren. Elvar keuchte laut auf, doch in dem großen Schuppen klang es eher kläglich. Er wusste sich zu entspannen und machte sich so frei wie möglich. Dennoch hielt Daan auf halben Weg an und erneuerte ihren Kuss, der sich eben noch aufgelöst hatte. Der Kuss half viel besser, sich zu entspannen und mit einem neuen Schub war Daan in ihm. Wieder keuchte Elvar. Lauter diesmal, erregter, kehliger. Der Kuss war abermals dahin, doch heiseres Grün traf dunkles Braun. Elvar musste grinsen, als seine Finger sich begierig in den dunklen Haaren wanden, kurz über die Wange strichen und wieder im Nacken verschwanden. Dann hob er das Becken wieder an, spannte seine Schenkel an und verengte damit den Raum in sich. Jetzt keuchte Daan und musste auch grinsen. „So gefällst du mir noch besser“, raunte er mit dunkler Stimme und begann den Hals zu küssen, während seine Hüfte sich bewegte. Erst nur in kleinen Schüben, dann entzog er sich mehr und kehrte wieder. Elvar bot ihm das perfekte Spiel dazu. Er lockerte seine Beine, wenn Daan sich entzog und spannte sich wieder an, wenn er zustieß. Sie trieben sich gegenseitig an und nahmen sich den Atem. Küsse wurden bald schon undenkbar und nur der Rausch in Elvars Ohren blieb. Als er sich wieder beruhigte, wusste er, dass er gekommen war. So doll wie noch nie. Immer noch hielt er sich an Daans Armen fest. Er fühlte sein Herz schnell schlagen und fand dann das Braun, dass ihn schon eine Weile musterte. Elvar lächelte, sagte nichts und zog Daan zu einem zarten Kuss heran. Beide atmeten sie durch und grinsten sich an. Dann hob er das Becken, da er irgendwie erwartet hatte, Daan wäre wieder draußen, und keuchte erregt auf. Nichts mit draußen, nichts mit erschlafft und erstmal eine Pause. „Verzeih, kannst du noch“, fragte Daan und küsste ihn dabei die Wange, dann wieder den Hals. Oh Gott, dachte Elvar und wusste nicht, warum er sich so sehr freute. Eigentlich mochte er Kaninchensex nicht. Doch das hier war anders. Es war Daan und wenn die zweite Runde auch nur ansatzweise wie die erste wurde, dann... „So oft du willst.“ Kapitel 11: 11 -------------- Der Vormittag war schon in den Mittag übergegangen, als die Handwerker endlich geduscht am Küchentisch saßen und ihr Frühstück aßen, das Elvar vor Stunden vorbereitet hatte. Elvar war das Ganze furchtbar peinlich – auch wenn er es nicht zeigte. Nicht weil er keinen Spaß hatte, Gott weiß, wie toll er das alles fand. Es war nur, dass er nicht gewusst hatte, wie ein paar Gefühle solchen Einfluss auf ihn haben könnten und wie schnell er wirklich kam. Natürlich verglich er Daan und Eirik und was sollte er sagen... Daan gewann um Längen. So oft wie heute war er noch nie gekommen – wirklich gekommen. Nicht an 'einem' Tag. Nicht immer, wenn Eirik ihn rannahm, kam er auch. Er war immer seltener befriedigt; doch bei Daan. Allein sein erstes Mal war so heftig gewesen, dass Elvar ja gemeint hatte, sie wären beide gekommen. Pustekuchen! Er war zu schnell gewesen. Viel zu schnell. Es war ihm so peinlich, weil ihm so was noch nie passiert war. Drei zu Fünf stand es. Eine gute Zahl, wenn man bedachte, dass sie es geschafft hatten, an zwei davon gleichzeitig zu kommen; er einmal zu früh und Daan hatte dann auch noch Spaß daran gefunden, ihn vorher kommen zu. Aber sie hatten es nicht nur getrieben. Daan liebkoste ihn auch, küsste ihn, streichelte ihn und ließ ihn sich so wohl fühlen, wie noch nie beim Sex. Er war so hin gewesen. Und nun kreisten seine Gedanken nur darum, obwohl er sich um seine Arbeit kümmern müsste. Sie hatten wieder einen halben Tag verloren und er dachte nur an Daan. An die Geysire, an die Küsse, an den Geruch von Stroh und wie wunderbar es war, in jemanden so verliebt zu sein. Bedenken gab es gerade keine. Seine rosarote Brille ließ ihn nur das Gute sehen. Er fühlte sich wie auf Wolken. Es war einfach nur himmlisch! Umso peinlicher war es natürlich, als Daan ihn mehrfach aus seinen Tagträumen reißen musste, da er vergaß zu arbeiten. Der Mechaniker schmunzelte oder lachte kurz. Scheinbar amüsierte er sich über Elvars Gedankenlosigkeit. Gegen Abend fuhr Daan mit seinem Auto nochmal los und als er wiederkam, hatte er einen neueren Schlafsack und einige Wechselsachen und Badutensilien mitgebracht. „Was wird das?“ „Was denkst du denn? Dein Schlafsack geht wirklich nicht. Hier habe ich einen besseren und kann auch etwas öfters bei dir übernachten“, erklärte Daan lächelnd und küsste ihm die Wange. „Du willst nochmal hier schlafen?“ „Ähm, ja, schon.“ „Okay“, wenn Daan hier schlief, würde dann noch mal das von heute Morgen passieren? Wenn Elvar ihn verschlafen finden oder sehen würde, könnte er da wirklich wiederstehen? Vielleicht sollte Daan dann doch lieber bei ihm im Haus schlafen, vielleicht in seinem Bett? Es wäre schön warm und Elvar würde sich ankuscheln können und… Errötend wandte Elvar sich ab. Er fürchtete schon wieder mehrere Minuten sinniert zu haben. Das ging mehrere Tage so. Elvar versuchte, konzentriert an dem Tisch zu arbeiten und Daan ließ sein Herz jedes Mal mit einer kleinen Geste oder einem Wort stolpern. Dann tat Elvar wiederrum kleine Dinge, Berührungen, wenige Worte oder ein einfaches Erröten, dass Daan schwer zu schluckten hatte. Doch trotz der kleinen Flirts und Sticheleien kamen sie mit ihrer Arbeit voran. Daan schlief die folgenden Tage noch bei Elvar im Stroh in der Scheune – was ihm scheinbar besser zu gefallen schien, als das Bett, welches der Tischler ihm angeboten hatte. Doch so wie dieser es angeboten hatte, hatte Daan nur ablehnen können. Elvar hatte ihn nicht ansehen können und war rot geworden. Daans Gedanken und sein Kopfkino sprangen gleich an und malten sich Dinge aus, die sie in heimlicher Nähe in dessen Kammer tun könnten. Sicher wollte Daan nochmal mit Elvar schlafen, ihn halten, ihm nah sein. Es zog ihn zu sehr zu dem Tischler, dass es ihm schwer fiel, sich überhaupt zurück zu halten. Oder sich des Nachts allein im Stroh etwas Genugtuung zu verschaffen. Sein Plan, er würde Elvar in sich verliebt machen, war scheinbar aufgegangen – auch wenn Elvar bisher nichts zugegeben hatte, so wusste Daan es doch besser. Dazu waren die Zeichen zu eindeutig. Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass er selbst an einem schweren Fall von Verliebt sein erkrankte. Nicht mal bei seiner Ex war es so heftig gewesen. Ständig wollte er ihn berühren, ihn küssen, ihm nah sein und dafür sorgen, dass Elvar nur noch ihm gehörte. So besitzergreifend war er noch nie gewesen. „Ist das Essen schon fertig?“ Daan schreckt hoch, als er Elvars Stimme mit mal neben sich vernahm. Der Tischler kam in Schlafzeug in die Küche und hatte noch ein Handtuch um den Nacken gelegt, mit welchem er sich die noch feuchten Haare frottierte. Daan musterte ihn flüchtig, aber genau, eh er schluckte und sich mehr auf das Essen konzentrieren musste, da sein Kopfkino wieder ansprang. „Gleich. Du kannst schon die Teller rausholen.“ Elvar sagte nichts, sondern stellte zwei Teller neben den Herd, legte Besteck dazu und blieb genau da stehen. Vielleicht einen halben Meter von Daan entfernt. Zum Glück konnte man Herzschläge noch nicht laut schlagen hören, denn seines schlug gerade viel zu schnell. Daan drehte den Herd aus und füllte ihnen auf. Als er die Pfanne beiseite stellte und gerade die Teller rüber an den Esstisch bringen wollte, legte sich eine warme Hand auf seinen Arm und hielt ihn davon ab. Es prickelte und zwang Daan den Tischler anzusehen. „Was ist?“ Elvar sah ihn an, dann weg. Seine Hand schob sich höher und Elvar zog Daans Arm an dessen Brust. Daan sagte nichts, doch fühlte er schon mehr, als er sehen konnte. Elvars Herz schlug mindestens genauso schnell wie seines. „Vorgestern da… hatten wir Sex.“ Daan stellte sich besser hin und sah auf den etwas kleineren Tischler nieder, der den Kopf zwar gesenkt hielt, es dennoch schaffte ihn dabei anzusehen und das mit einem so intensiven Blick, dass Daan einfach nicht denken wollte. „Ja“, seine Stimme kam ihm kratzig vor. „War das einmalig oder“, Daan legte seine Hände an Elvars Wangen und küsste ihn. Bestimmt, aber sanft, dann sah er Elvar direkt ins Grün. „Nein, niemals. Das war nicht einmalig.“ „Wann“, doch Elvar biss sich selbst auf die Lippe und schnitt so seine Frage ab. Wieder küsste Daan ihn, küsste die Lippe frei und zog Elvar näher an sich heran. „Bald.“ „Ich bin anderes gewöhnt.“ „Ich weiß, aber du musst dich eben umgewöhnen.“ „Warum?“ „Wenn, sollst du mir ganz gehören.“ Elvar sah Daan mit großen, grünen Augen an, dann wandte er seinen Blick gequält ab. „Das wird nicht gehen. Ei-“ „Doch es wird gehen.“ Mit sicherem Braun sah Daan den Jüngeren an und küsste ihm sanft die Wange. „Ich habe mein eigenes Tempo, aber glaube nicht, dass du mich kalt lässt.“ Leise schmunzelte der Tischler, traute sich aber nicht mehr zu. „Was hältst du davon, wenn wir erstmal essen, eh es kalt wird und ich dann bei dir schlafe?“ Elvar sah auf die noch dampfenden Kartoffeln und nickte nur. Er ließ schon von Daan, als ihm der Schluss des Gesagten vollends aufging. Mit großen, grünen Augen sah er röter werdend den Älteren an. Kurz stammelte er unbegreifliche Wörter, dann nahm er die Teller und setzte sich einfach auf seinen. Elvar Herz schlug ihm so sehr in den Hals, dass er beinahe nicht essen konnte. Dennoch war er noch vor Daan fertig. Der Abwasch landete in der Spüle, eh Elvar Daans Hand leicht zitternd ergriff und ihn mit sich in die Teile des Hauses führte, die er bisher noch nicht kannte. Sie gingen an einigen ungenutzten Räumen, einem kleinen Bad und einem Bad nur mit einer Wanne vorbei, eh sie vor einer dunklen Holztür stehen blieben. Da Elvar zögerte, legte Daan seine Arme um den schmaleren Leib und küsste Elvar den freien und duftenden Nacken. Das Handtuch lag vermutlich immer noch in der Küche. „Ich war schon mal hier drinnen, als du krank warst.“ „Das war ohne… die Aussicht auf…“ „Sex? Ja, ich schlafe nicht mit Kranken, auch wenn du unheimlich süß warst.“ Während Daan sprach, setzte er weiter kleine Küsse auf den Nacken, dann den Hals und schließlich die Schulter, die er mehr befreite, als er an dem Shirtärmel zog. „Es war angenehmer in der Scheune, als hier bei dir, denn ich wusste genau, dass das hier passieren würde.“ Er wanderte zurück den Hals hinauf. „Auch, wenn das vermutlich ein Ort ist, den Eirik schon mit dir eingenommen hat, so will ich dich immer noch nur für mich. Jetzt mehr denn je“, raunte er in das Ohr, welches er nun endlich erreicht hatte. Sanft biss er in das Ohrläppchen und zog daran. „Öffne die Tür, Elvar.“ Eine Gänsehaut zog sich über Elvars Arme, doch er gehorchte. Die Tür schwang auf, Daan drehte ihn zu sich um und zwang ihn in einen Kuss. Sehnsüchtig keuchte Elvar in diesen Kuss, während er zurücktaumelte und seine Finger gierig an den Kleidern des Anderen zogen. „Eirik hat nicht… Ich habe schon alles neu bezogen… kommt nicht an dich ran“, waren die letzten Worte, die er zwischen den Küssen zustande gebracht hatte. Daan hörte sie und verstand. Er grinste, drückte den mittlerweile nackten Leib auf das Bett nieder und begann sein zärtliches Spiel. Es war gestern Abend noch spät geworden. Daan war sich nicht sicher, ob sie es nicht vielleicht etwas übertrieben hatten. Doch Elvar wollte mehr und er selbst… er hätte nie nein sagen können. Das Gute daran, dass sie daheim arbeiteten, war, dass kein Chef sie tadelte, wenn sie erst gegen Neun Uhr aufstanden. Zumindest stand Daan auf. Er war frisch und doch erschöpft. Und wenn er Elvar schlafen sah, musste er einfach grinsen. Dieser Mann neben ihm war eine Wucht. Vielleicht würde es noch eine lange Zeit brauchen, bis er ihm sagen konnte, was er wirklich für ihn empfand – in etwa dann, wenn diese ganze Sache mit Eirik geklärt war; denn immer, wenn dieser zur Sprache kam, wurde Elvar seltsam, als wäre er die unüberwindbare Mauer, die zwischen ihnen stand. Vielleicht sagte Elvar ihm deshalb nicht, was er empfand? Daan würde das schon noch rausbekommen, da war er sich sicher. Doch für den Moment gab er diesem, noch schlafenden Mann in seinen Armen einen Kuss auf die Lippen, dann auf die Stirn, eh er sich aus dem Bett puhlte, um dringend das Badezimmer aufzusuchen. Daan schlich in den Flur, der nur durch ein Fenster am Ende des Ganges erhellt wurde. Draußen schien ein herrlicher Tag zu werden, vielleicht sollten sie dann etwas mehr draußen arbeiten? Daan ging weiter, meinte das richtige Zimmer erreicht zu haben und öffnete es. Ein Geruch von alter, stickiger Luft schlug ihm entgegen. Definitiv nicht das Badezimmer und doch schob Daan die Tür weiter auf. Es sah aus wie ein altes Arbeitszimmer. Rechts neben den zwei großen Fenstern stand ein breiter und massiver Tisch, der über und über mit Papieren belegt war. Auf der linken Seite stand ein alter Sekretär, hinter der Tür befand sich ein Schrank und zu seiner rechten Seite eine alte Kommode. Staubpartikel tanzten in der Luft und doch schien es, als sei hier vor kurzem saubergemacht worden. Daan ging fasziniert weiter bis zu dem Schreibtisch mit all den Papieren. Es waren Rechnungen, Zeichnungen von Holzskulpturen, die nur von Elvar sein konnten – doch auch andere, die von einem anderen Zeichner zu stammen schienen. Eirik schloss Daan mal aus. Vielleicht sein Vater? Elvar hatte mal erwähnt, dass er verstorben sei. Dann war das hier seine Erinnerung an seinen Vater? Lebendig und doch alt. Daan fühlte sich mit mal, als hätte er etwas sehr Privates betreten. Elvar würde sicher sauer werden, sähe er ihn hier. Daan wollte schon gehen, als sein Blick an einer einzelnen, vergilbten Papierecke hingen blieb. Es erinnerte ihn an die Urkunde seiner Oma, ihr Testament, dass ihm von einem Notar vorgelegt worden war. Zumindest sah es ähnlich aus. Neugierig zog er das Papier unter anderen hervor und versuchte, so wenig wie möglich alles zu bewegen. Was Daan dann auf dem Papier las, ließ ihn die Worte verlieren. Wut kochte in ihm hoch, gemischt mit Hass und purer Mordlust. Dass es Mordlust war, wusste er, da er sich schon mal genauso gefühlt hatte. Stumm steckte er das Papier ein, schlich hinaus und schloss die Tür, dann steckte er das Papier in seine Tasche und ging ins Bad. Die Dusche empfing ihn mit frischem, kaltem Wasser, was die bebende Wut etwas wegspülte. Als Elvar erwachte, drehte er sich mehr in Daans Arme, kuschelte sich verspielt ein und lächelte den Mechaniker aus grünen Augen munter an. „Guten Morgen.“ Es war ein wunderbares Gefühl aufzuwachen und Daan neben sich zu wissen. Er fühlte sich wohl und wirklich nichts machte ihm gerade Sorgen. „Du hast geduscht“, fragte er überrascht, als er auch schon an Daan schnüffelte. „Ja, sorry, aber mit dir in einem Bett zu schlafen, ist wie an einem Ofen zu lehnen.“ Elvar wurde rot. Er mochte es nun mal warm und muckelig. Elvar schmollte, Daan aber grinste und küsste den Tischler, welcher angetan murrte und sich zurückfallen ließ. Die Arme dabei um Daans Hals gewickelt, zog er diesen mit sich. So war es doch gleich noch viel schöner! Zumal Daan gerade so hitzig war. Bestimmt drängte er Elvar in seine Position, bettete sich zwischen seinen Beinen und ließ den Kuss auflodern. Zu gerne würde Elvar sich dem hier hingeben. So winkelte er ein Bein an und keuchte just in den Kuss. „Entschuldige.“ „Warum denn?“ Daan war ebenso atemlos wie er selbst. „Ich war nur überrascht“, gestand Elvar und lächelte süß. Doch nicht süß genug, denn Daan brachte mehr Raum zwischen sie. „Tut dein Hintern sehr weh?“ Elvar lächelte noch immer. Er konnte nicht abstreiten, dass ihm sein Hintern etwas mehr als nur ‚sehr weh‘ tat. Oder eher gesagt, waren es die Muskeln und alles insgesamt. Doch zu Daan sagte er nur: „Nur ein bisschen. Es hat mich nur etwas überrascht. Das ist lange her.“ Daans Augen schienen aufzulodern, als dieser seine Gedanken schweifen ließ. Das letzte Mal war vor drei Wochen oder vier, als Daan Elvar aus reiner Eifersucht täglich mehrmals rannahm. Sanft legte Elvar eine Hand an Daans Wange und zog ihn wieder zu sich herunter. „Das ist nichts. Wirklich. Überhaupt kein Vergleich, also wenn du so lieb wärst und jetzt nur an mich denkst und“, er zog Daan wieder mit sich hinab und wurde leiser, „mich küsst und“, er winkelte erneut sein Bein an und schmiegte es an Daans Hüfte und Oberschenkel, wobei er diesen etwas mehr an sich drückte, „mich damit nicht alleine lässt.“ Er drängte sein Becken mehr gegen Daans, präsentierte damit sein gerade entstandenes Problem und hoffte inständig, dass dieser Kuss, welcher wieder so hitzig wurde, als klares ‚Ja‘ für einen schönen Morgen stand. 15 rote Flecke zählte Elvar, als er aus der Dusche gestiegen war und sich im Spiegel betrachtete. 15 Male, die Daan ihm verpasst hatte. Er könnte quietschen. Wenn er überlegte, Daan seinen Freund nennen zu können, wurde er gleich noch röter. Aber das ginge ja nicht, ernüchterte er sich gleich wieder. Und doch sponnen seine Gedanken weiter in diese und andere Richtungen. Es war einfach ein zu schönes Gefühl, als dass er damit aufhören könnte. Bei Eirik war Sex einfach nur ein Aushalten für ihn geworden. Bei Daan war sogar reine Handarbeit wie vorhin gerade erst, einfach nur toll. Das könnte vielleicht einfach daran liegen, dass Daan ihn auch berührte, ihn küsste und ihn sich für den Moment wie das Wichtigste, Einzigartigste und Beste fühlen ließ, dass Daan passiert war. Keine Fehler, kein Makel und dann dieser Blick, mit dem Daan ihn immer bedachte – Elvar könnte innerlich schon wieder schmelzen. Ebenso glücklich war er, als er zum spärlichen Frühstück kam. Scheinbar müsste er mal wieder einkaufen gehen, aber war er nicht erst letztens? Gott, wie die Zeit verfliegt, wenn man in Gedanken bei jemand anderem war. „Was grinst du so?“ „Hm? Ach nichts. Mir ist nur gerade was aufgegangen.“ „Aha? Und darf ich wissen was?“ Elvar grinste amüsiert und schenkte Daan einen verspielten Blick. „Nein.“ Daan zog einen Schmollmund, eh er gespielt die Augen weitete, aber so überzogen, dass man gut sah, dass es nur Spaß war. „Hast du dich etwa in mich verliebt? Komm, das ist es doch.“ Elvar wurde prompt rot und verneinte viel zu energisch und schnell. „Ach? Wirklich nicht?“ Daan trat nun an Elvar heran, dessen grüne Augen von einem warmen Rot auf den Wangen umrandet wurden, als er das Kinn sanft anhob und diesen Blick gefangen hielt. „Dabei würde mich das wirklich freuen“, bemerkte er nun leiser und küsste den Tischler. Und wieder wusste Elvars Kopf nichts Besseres zu machen als „Hmm“ zu denken und zu seufzten. Ja, er war verliebt in Daan, was das alles hier noch aufregender, intensiver und gefährlicher machte. Er wollte gar nicht daran denken, wie lange das wohl noch gut gehen könnte. Für diesen Samstag jedoch arbeiteten sie noch kräftig an ihrem Projekt, eh Elvar doch fand, dass dieser Schreibtisch, trotz seiner technischen Raffinesse und allen Verzierungen, noch nicht das gewisse Etwas hatte. Daan verabschiedete sich leider zum Abend hin, was Elvar schon etwas mehr traf, als er zugeben wollte. Er lächelte den Holländer an und wünschte ihn ein schönes, restliches Wochenende, während er bei sich dachte, dass es sicher schrecklich langweilig werden würde, eh Daan wieder da wäre. Zu seiner großen Freude jedoch kam der Mechaniker noch mal auf ihn zu und küsste ihn auf den Mund. Es kribbelte in seinem Bauch und die süßen Worte, die sicher versprachen, dass Daan zurückkommen würde, ließen den Tischler beschwingter zurück in sein Haus gehen. Schlussendlich war das Wochenende nicht der Rede wert gewesen. Als Daan am Montag, wenn auch sehr spät, auf den Hof vorfuhr, wartete Elvar schon voller Ungeduld auf ihn. „Guten Morgen!“ „Guten Morgen. Was bist du denn so fröhlich heute“, fragte Daan, als er aus dem Leihwagen stieg und Elvars fröhliches Gesicht sah. „Hast du mich etwa so sehr vermisst?“ „Das möchtest du wohl gerne wissen, wie“, fragte er mit verschränkten Armen und schelmischen Grinsen. Daan holte seine Sachen aus dem Wagen und ging die wenigen Meter bis zum Haus, wo er vor Elvar stehen blieb. Dieser schluckte unmerklich und versuchte, seine Nervosität mit einem Lächeln kaschieren zu können. „Ja, würde ich gerade wissen. Du hast mir gefehlt und wenn das bei dir auch der Fall sein sollte“, Daan machte eine künstliche Pause, eh er grinste und eine Hand an Elvars Wange legte, „würde ich gerne wieder hier übernachten.“ Mit großen Augen sah der Tischler hoch. Er bemerkte, dass er rot wurde, dennoch lächelte er und schmiegte sich in die Hand an seiner Wange. Dann trat er einen Schritt auf Daan zu und küsste ihn sanft auf den Mund. „Klar, habe ich dich vermisst.“ Dass ihm das unheimlich peinlich war, weil er sowas noch nie getan hatte, konnte er hoffentlich überspielen. Doch war das, nachdem Daan lächelte und seine Tasche fallen ließ, gar nicht mehr so wichtig. Elvar wusste wirklich nicht, wie das mit der Liebe und dem Verliebt sein eigentlich funktionierte, oder den Gefühlen und dem Kribbeln in seinem Bauch und Händen, wenn Daan ihn berührte, ansah oder küsste. Aber war es so schön und aufregend, dass er nicht anders konnte und sich drauf einließ. Eirik hätte ihn am Morgen nie so geküsst, nie so angesehen und nie nach nur einem Kuss, der ihn weiter in die Tür drängte, eh er mit dem Rücken an den Türrahmen stieß, den Atem geraubt. Zumal sie sich nie geküsst hatten. Zwar war es nicht sein wirklich erster Kuss gewesen, da dieser an eine Schulfreundin aus der 10. Klasse ging, doch waren es die ersten, richtigen, die man zählen konnte, und die ersten, die sein Herz so viel höherschlagen ließen. „Arbeiten wir heute auch weiter“, fragte Elvar atemlos und mit leuchtend grünen Augen. „Klar. Wir werden diese Woche sicher weit kommen.“ Sie mussten beide grinsen. „Und werden wir auch…“ Elvars Finger strich sanft über Daans Brust und sah ihn von unten her an. „Sicher, aber erst heute Abend, ich will nämlich nicht gleich wieder damit aufhören müssen.“ Daan sagte es ernst und dennoch wirkte es so verschlagen, dass Elvar einfach nur grinsen konnte. Und das Schöne daran war, dass Daan sein Wort hielt. Wenn er ihm versprach, er machte etwas, tat er das auch. Der Holländer war ungewohnt direkt und wenn sie zu zweit und im Privaten waren, war es Elvar unmöglich, den Blick abzuwenden. Seien es nun diese dunklen, braunen Augen oder das Gesicht oder die Haare, oder… Er hatte es Daan immer noch nicht gesagt, doch er war so verliebt in ihn! In der Woche schlief Daan bei ihm. Nicht mehr auf dem Dachboden der Scheune im Heu, sondern bei ihm im Bett! Während des Tages arbeiteten sie, was für Elvar nicht immer leicht war, doch, wenn er dann an die Versprechungen dachte, die Daan machte, riss er sich zusammen und so kam es auch, dass sie wirklich ein großes Stück weiter gekommen waren. Nach dem Mittagessen fuhr Daan jeden Tag in die Stadt und hatte noch etwas zu erledigen. Er blieb gute zwei Stunden fort, dann machten sie weiter. Als Elvar ihn mal deswegen befragte, erklärte Daan nur, dass er bei seinem Chef in der Fabrik war, weil er da besseres Werkzeug hatte. Es klang, im Gegensatz zu dem, was Daan sonst sagte, zwar etwas seltsam, doch hatte Elvar keinen Grund ihm, nicht zu glauben. Am Freitag musste er sich dann selbst von der Arbeit freisprechen, da er noch eine wichtige Besorgung in der Stadt zu tätigen hatte. Daan fuhr sie daraufhin nach dem Frühstück in die Stadt, wo sie jeder ihrer Wege gingen. Mittags wollten sie sich wieder treffen. Daan hatte wirklich das Wochenende gebraucht, um sich zu beruhigen. Dennoch saß er den gesamten Sonntag vor diesem Vertrag und las ihn so oft, bis er jedes Wort auswendig konnte. Er könnte kotzen, bei den Zeilen, die Elvar zu einem Besitztum erklärten. Als er genug davon hatte, machte er sich ans Werk. Im Internet forstete er Gesetztestexte durch. Das Erbrecht und was alles ‚vererbt‘ werden konnte. Er suchte nach dem Notar, der unterschrieben hatte und machte ihn ausfindig. Am Montag nach dem Mittag fuhr er dann genau zu jenem Notar. Elvar erzählte er vorerst noch nichts davon. Gerade lief es so gut zwischen ihnen. Allein wie Elvar ihn am Montagmorgen angesehen hatte! Als wäre er ewig weg gewesen. Die Sehnsucht stand ihm ins Gesicht geschrieben. Während Daan bei Elvar war, dachte er auch nicht an sein Geheimnis. Er war für Elvar da und er glaubte auch, dass es dem Tischler gut tat. Wann war wohl das letzte Mal gewesen, dass dieser so hoch gelobt wurde, dass jemand ihn bei der Hand nahm, ihn umarmte oder ihm liebe Worte zu flüsterte. Daan versuchte nicht zu kitschig zu werden, doch so viel er auch sagte, Elvar schien alles zu verschlingen und sich noch mehr an ihn zu hängen. Wie er sich auf den Tag freute, wenn Elvar frei wäre! Am Montag: Daan war zugegeben noch unsicher, als er vor der alten Fachwerktür stand, neben der an der Hauswand ein Schild befestigt war, das den Notar auswies, den er suchte. Er umfasste das Papier in seiner Hand fester, dann trat er ein und meldete sich an. Der Holländer musste nicht lange warte, als er auch schon aufgerufen wurde und in den elegant eingerichteten Raum trat. „Gute Tag, ich bin Richard Button. Rechtsanwalt und Notar. Womit kann ich Ihnen helfen?“ Daan schüttelte die Hand des Notars und setzte sich auf den ihm angebotenen Platz. „Gute Tag, ich bin Daan van Hoeff. Ich wollte mich ein wenig bezüglich der Dinge erkundigen, die man vererben kann.“ „Aber sicher doch. Um wen und was geht es?“ Daan ballte die Fäuste mehr zusammen, eh er sich entspannte. „Es geht um meinen Onkel. Er ist schwer krank und würde nach seinem Tod seinen Sohn hinterlassen. Jetzt ist die Frage, ob er ihn mir als Erbe hinterlassen kann.“ Der Notar schmunzelte und schüttelte den Kopf. „Ihr Onkel könnte höchstens Sie als Erziehungsberechtigten einsetzen. Aber Menschen können von je her nicht als Ding in den Besitz eines anderen übergehen. Das verbieten uns die Menschenrechte.“ Daan sah zu Boden und war eine Weile still, eh er mit festem Blick den Notar ansah. „Ich war nicht ganz ehrlich zu Ihnen. Aber ich wollte erst Ihre Meinung dazu hören. Den Onkel und Neffen gibt es nicht. Aber einen anderen Fall mit einer Urkunde, die von Ihnen beglaubigt wurde.“ Der Notar schien erst verärgert, doch dann sah er aufmerksamer auf seinen Kunden. Daan selbst klopfte das Herz bis in den Hals. „Vor Jahren haben Sie dieses Dokument beglaubigt und als ich es gelesen hatte, schien es mir als Laien schon nicht rechtens zu sein. Ich habe auch nachgeforscht und natürlich geht es nicht, einen Menschen einem anderen als Ding zu vermachen. Darum möchte ich von Ihnen wissen, wie es zu diesem Dokument hier gekommen ist.“ Daan reichte das Stück Papier, dass er von Elvars Schreibtisch mitgenommen hatte, dem Notar und beobachtete dessen Blick genau. „Das ist allein schon von der Formulierung ungesetzlich. Nie hätte ich so etwas verfasst.“ Dann sah er weiter nach unten und strich sich über seine schon recht kahle Stirn, als er sein eigenes Siegel sah. „Ich verstehe das nicht. Verzeihen Sie, ich weiß wirklich nicht, wie es zu dem hier kommen konnte.“ „Das Problem ist, dass ich es nicht einfach zerreißen kann. Es gibt diese zwei Menschen und sie sind in diesem Vertrag gefangen. Zumal Laxness Junior, der dort als Besitz überschrieben wurde, gehalten wird wie ein Sklave.“ Am Dienstag: Mehr hatte er am Montag auch nicht erreicht. Der Notar hatte sich das Schriftstück noch mal kopiert und versprach, sich nochmal zu erkundigen. Er wollte sich melden, aber Daan war jetzt schon so angespannt, dabei war gerade mal das Frühstück vorbei. Es kam ihm seltsam vor, so unpassend, dass er hier mit Elvar so friedlich und scherzend beisammen war, während in seinem Innerem so ein Geheimnis gor. Sie arbeiteten fleißig weiter, als dann endlich gegen Mittag Daans Handy klingelte. Der Notar erzählte, dass er ihn um vier erwartete. Endlich fiel etwas von der Anspannung ab. Seine Ausrede war dieselbe wie gestern. Zudem er wirklich wenig Schrauben und Muttern hatte. Als Daan losfuhr, werkelte Elvar noch etwas an den Verzierungen des Tisches. „Es freut mich Sie wieder zu sehen, Herr van Hoeff.“ „Die Freude ist ganz meinerseits. Haben Sie was gefunden?“ „Oh ja, oh ja. Aber zuerst würden Sie mir bestätigen, dass es sich hierbei wirklich um die Familie Laxness handelt? Der Vater war Ísak Laxness, Tischler des Ortes Grindavik, und dessen Sohn Elvar Freyjason Laxness, ebenfalls Tischler in zweiter Generation?“ „Ja, genau um die geht es.“ „Wohnt Laxness Junior noch an dieser Adresse?“ Daan schaute sich die Adresse an und nickte wieder. „Gut. In dem Fall haben wir sehr viel Glück.“ „Wie meinen Sie das?“ „Nun, ich habe noch einmal meine Akten durchsucht und auch wenn es schon zwei Jahre her ist, habe ich ihn dennoch gefunden. Den richtigen Nachlass. Von Herrn Laxness und mir beurkundet.“ Daan sah den Anwalt nur mit großen Augen an, während sein Herz und sein Puls Achterbahn mit ihm fuhren. „Wie bitte?“ „Ja, das war ein wirklich unglücklicher Fall“, meinte der Notar und rieb sich die Schläfen. „Laxness Senior war einige Male bei mir. Ich erinnere mich auch, dass er mir diesen Wisch hier vorgelegt hatte. Ich riet ihm davon ab, zumal alles daran ungesetzlich war. Er schien bekümmert, weil er seinen Sohn nicht mit so einem großen Hof allein lassen wollte, doch mir fiel ein guter Ausweg ein, der seinem Sohn und dem Hof zugutekommen würde. Wir bekamen alles Weitere fertig und er unterschrieb. Am selben Tag ist er dann verstorben. Ich hatte angenommen, sein Sohn würde schon noch wegen dem Nachlass kommen. Und dann war da gerade dieser andere Fall und ich vergaß die Familie Laxness. Diesbezüglich tut es mir wirklich sehr leid, auch wenn eine einfache Entschuldigung sicher nicht ausreichend ist.“ Daan konnte ihm nur beipflichten. Doch irgendwie war das gerade alles zu viel, dass er nicht weiter auf die Entschuldigung eingehen wollte. „Da steht etwas von Schulden… stimmt das denn?“ Der Notar nickte beipflichtend. „Ja, das stimmt schon, aber mit dem Erbe und der Auszahlung der Lebensversicherung wäre das für den jungen Laxness kein Problem gewesen.“ „Das heißt…. Die Schulden sind vom Tisch?“ Wieder nickte der Anwalt und Daan ließ sich erleichtert zurück in seinen Stuhl sinken. Es war zwar nicht das, was ihm am meisten sorgte, doch wohl ein Grund für Elvar, seine Hilfe nicht anzunehmen. „Mehr noch, wenn Sie so wollen. Wenn Sie mir eine Aussage von mindestens noch zwei weiteren Personen beschaffen könnten, die in meiner Obhut aussagen, was dieser Matrose mit Laxness Junior alles getan hat, können wir ihn auf Schmerzensgeld verklagen.“ „Geht das denn?“ „Sicherlich. Der Herr Höttur hat aufgrund von diesem nicht genehmigten Vertrag Urkundenfälschung begangen, dazu kommen noch Freiheitsberaubung, Verletzung der Menschenrechte und Privatsphäre, und sicherlich auch noch psychische Spätfolgen, die noch nicht absehbar sind. Er hat im höchsten Maße wi(e)derrechtlich gehandelt. Und wenn Sie mir nun noch ein paar Zeugen bringen, die das belegen können, dann übernehme ich mit Freuden die Verhandlungen.“ Der alte Anwalt lächelte verschmitzt und in den alten Augen funkelte es unheilvoll. Daan konnte sich vorstellen, dass es für ihn nicht schön war, seinen Namen so beschmutzt zu sehen. Er nickte, reichte dem Anwalt die Hand; bereit für jede Verschwörung gegen Eirik! An den folgenden Tagen ging Daan zu Grimsson, Gunnlaugsson und dem Funker, um sie um Aussagen zu bitten. Seine Kollegen taten es gerne. Bei dem Funker war Daan sich nicht mehr sicher. Er benahm sich merkwürdig. Als würde er etwas Schlimmes tun. Dabei ging es doch nur gegen Eirik. Doch die größte Überraschung folgte noch am Dienstagabend, als Daan wieder zu Elvar fuhr. Er betrat die Arbeitstube, zog seine Schuhe und Jacke aus, eh er weiter ins Wohnzimmer ging und abrupt stehen blieb. Elvar hatte seinen eigenen Revolver auf ihn gerichtet. Dazu der Blick. Das Grün wirkte kalt und für den Moment hatte Daan wirklich Angst. Nicht, dass er angeschossen werden könnte – Elvar traf ihn bestimmt nicht – sondern, dass das mit ihnen schon endete. „Was denkst du dir eigentlich? Treibst dich draußen rum. Als ob ich das nicht mitbekäme.“ Daans Herz raste und er konnte sich nicht bewegen. Als Elvar aber weiterredete, hörte Daan die Filmzitate, die Elvar einen nach dem anderen aufsagte. Aus verschiedenen Filmen, aber sie passten zusammen. Daan entspannte sich und grinste: „Ach ja?“ Elvar sah ihn noch einen Moment ernst an, dann grinste auch er und ließ die Waffe sinken. „Oh ja.“ Daan kam näher und bemerkte jetzt auch, dass Elvar nicht mal die Waffe entsichert hatte. Er lachte kurz auf, eh er Elvar die Waffe aus der Hand drehte und zu ihm auf das grüne Sofa krauchte. Ein Bein platzierte er genau zwischen Elvars, als er ihn auch schon niederdrückte und den Revolver nebenbei auf den Couchtisch legte. „Wie genau war das eben gemeint? Zeig es mir nochmal.“ Flüsternd sprach er gegen die Lippen und fand endlich das warme und verzaubernde Grün vor sich. Dann bewegten sich auch schon Elvars Hände über seine Brust und zogen ihn zu einem Kuss herunter. Er war wild und ungestüm, blieb aber bestehen, als Elvars Finger sich auf weiteren Reisen begaben und unter Daans Shirt strichen, es hochschoben, dann aber wieder nach unten wanderten und sich frech unter die Hose stahlen. Da es zu eng war, wurde kurzerhand die Hose geöffnet, was Daan erfreut keuchen ließ. „Ich wusste, dass du heute nicht schlafen willst“, erklärte Daan und sah flüchtig auf die Uhr. Sechs Stunden bis Mitternacht, ach das schafften sie doch locker! Kapitel 12: 12 FIN ------------------ *12* „Musst du wirklich dahin?“ „Ja. Es ist doch nur ein, zwei Stunden am Nachmittag. Ich komm doch wieder.“ „Hmm.“ „Was? Bist du jetzt bockig?“ „Wie sollte ich nicht? Viel kann ich heute nicht tun.“ Daan kicherte, als er sich enger an Elvar schmiegte und mit beiden Händen den Hintern zu fassen bekam, um ihn kräftig zu kneten. „Ng… Au“, entkam es Elvar. Doch Daan küsste dessen Schulter und biss begehrlich hinein. Wieder keuchte Elvar. „Daan bitte… ich glaub gestern war genug. Ngmmm.“ „Findest du ja? Und was hast du daraus gelernt?“ „Nix?“ Daan machte noch etwas weiter, massierte den verkaterten Hintern in seinen Händen und drängte das Becken gegen seines. Wieder keuchte Elvar und doch ließ Daan in diesem Spiel noch nicht locker. Dazu hatte er viel zu gute Laune. „Wirklich nichts?“ „Daan… nicht da… naahh.“ Elvar wurde hart. Daan zog eine Hand vom Hintern und massierte den Schaft energisch, pumpte und ließ Elvar doch nicht kommen. „Bitte…“ Der Tischler wand sich und Daan sog das gesamte Bild auf. Elvar war wirklich schön, so verschwitzt, mit roten Wangen, lüsternen Augen und wilden Haaren. „Ja?“ „Ich hab‘s… gelernt... Geh nie wieder an deine Pistole…“ „Revolver.“ „Gut, Revolver, aber nun bitte…“ Daan genoss den sich windenden Mann noch etwas unter sich, eh er ihn endlich erlöste. Elvar kam laut, keuchend und nach Luft ringend. „Aber, wenn du willst, zeig ich dir gerne, wie man damit umgeht.“ Daan lächelte unschuldig und küsste lieb die schon so roten Lippen. „Arsch du… es macht dir Spaß… mich zu quälen.“ „Auf diese Weise? Ja, sehr sogar. Du lässt es ja auch immer wieder drauf ankommen, also muss es ja gut sein.“ Wieder küsste er die Lippen, vertiefte den Kuss und entließ Elvar erst, als dieser noch atemloser war als eh schon. „Ja… Du bist gut.“ Sanft strich Elvar mit seinen Fingern über Daans Wangen und küsste ihn noch mal sanfter. Sein Blick sagte vieles und Daan könnte sich sogar einbilden, dass es ihm genau das Eine sagte. Nur sprach Elvar es nicht aus. Ebenso wenig wie er selbst. Da Elvar sich weigerte, aus seinem Bett zu kommen, startete Daan den Tag, in dem er sich duschte und dann auf den Weg zu seinem Chef und Gunnlaugson machte. Als Daan den beiden die Geschichte erzählte, staunten sie nicht schlecht. „Daran merkt man, dass er einfach noch zu jung ist.“ „Wie kann er sich sowas einfach aufschwatzen lassen?“ Gunnlaugson sah noch schockierter aus als sein Chef. „Ich denke mal, er hatte einfach nur Angst. Er war, wie gesagt, jung und ich kann mir schon vorstellen, dass er vor jemanden wie Eirik Angst hatte, wenn dieser ihm drohte“, erklärte Daan recht sachlich. Gunnlaugson schlug mit der Hand auf den Tisch, so laut, dass Daan etwas zusammenzuckte. „Trotzdem!“ „Beruhige dich“, sprang nun der Chef ein, „unser Frischling hat doch eine gute Lösung gefunden und ich denke, dass sein Engagement sogar noch etwas tiefer reicht.“ Vor dem bohrenden Blick Grimssons, konnte Daan nicht anders, als etwas rot um die Nase zu werden. Dennoch nickte er. „Ich hoffe, das stört Sie nicht.“ „Nein, solange ihr beide Privates privat sein lasst und nicht mit in den Beruf bringt“, lächelte sein Chef. Aber diese Antwort war zu erwarten gewesen, denn immerhin bekam der Chef gute Aufträge für Holzartikel rein; da konnte er doch nicht dein einzigen Tischler auf der Insel verlieren. Sie redeten noch etwas, dann gingen sie alle zum Notar, welcher die zwei Aussagen nacheinander in einem separaten Raum aufnahm. Als das erledigt war, fühlte Daan sich schon ein Stück weit sicherer. Er wollte Elvar da rausholen und er wollte auch, wenn dieser es danach noch zuließ, bei ihm bleiben. Einerseits empfand er es als schlimm und unvernünftig, sich so schnell an jemanden binden zu wollen. Gerade mit seiner Vergangenheit, von der er nicht wusste, ob sie ihn nicht doch noch einholte, war eigentlich davon abzuraten. Im nächsten Moment aber, wenn Daan seinen Kopf ausschaltete und nur an Elvar dachte, überschwemmte ihn eine so große Glückswelle, dass er nicht anders konnte, als sich sicher zu sein, dass er Elvar liebte! Am Nachmittag, als Daan endlich wiederkam, stand das Mittagessen auf dem Tisch und Elvar wirbelte recht langsam durch die Wohnung. Im Stillen beobachtete Daan den Jüngeren und musste schmunzeln, als dieser versuchte, sich auf eher komplizierte Weise hinzusetzen, hinzuhocken oder einfach nur zu bücken. Nach dem Mittag wurde es dann richtig interessant. Die Sonne schien durch einige Wolkenlücken hindurch. Es war nicht windig und angenehm warm, als Daan einige Dosen und Holzscheite auf einen alten Holzkarren stellte. Er erklärte Elvar genau, wie seine Smith & Wesson Kaliber 32 in schönem, poliertem Silber funktionierte. Er zeigte ihm, wo die Patronen reinkamen, zeigte ihm, wie geladen wurde. Als Daan seine Trommel rollen ließ, kicherte Elvar nur. „Das klingt wie in einem dieser Westernfilme.“ „Da haben sie ähnliche Modelle benutzt. Aber dieses hier hat mehr Schuss und liegt auch besser in der Hand. Hier, halt mal.“ Daan übergab Elvar seinen Revolver und schmunzelte nur. Er stellte sich hinter den Tischler und legte seine Arme um ihn. Dass er Elvar damit eigentlich mehr ablenkte, als ihm zu helfen, war ihm da einerlei. Der Tischler schluckte, versuchte sein Herz zu beruhigen und seine roten Wangen zu verstecken. Die Waffe indes lag richtig in seiner Hand. Elvar entsicherte und ein lauter Schuss knallte durch die Weiten der Landschaft. Elvar war mit mal nicht mehr rot und sein Herz raste nun aus anderen Gründen. Erst als er Daan lachen hörte, löste sich seine Starre auf. „Was?“ „Es war süß, wie du dich erschreckt hast.“ „Das war verdammt laut!“ Wieder lachte Daan und ließ seine Hände von Elvars sinken, um sie um seine Taille zu legen. „Ja, aber davon ab war der Schuss echt gut.“ Elvar sah in die Richtung, in die Daan gedeutet hatte und wirklich! Eine der Dosen war vom Wagen geschleudert worden und in der Bretterwand dahinter dampfte noch ein kleines, zehn Millimeter großes Einschlussloch. Elvar war gut. Wirklich gut, was das Schießen und Zielen anging, doch umso schlechter, was die Waffe selbst betraf. Er vergaß, wie er nachlud, wie Teile bezeichnet wurden und wie er sicherte. Entsichern war einfach für ihn. Doch wenn Elvar sich mit mal freudig umdrehte, die Waffe dumm hielt und diese ungesichert war, duckte Daan sich schon mal weg. Sie übten jeden Tag etwas in der Mittagspause. Daan machte es ebenso viel Spaß wie Elvar. Dennoch kreisten Daans Gedanken nun mehr denn je um sein Geheimnis. Er hatte seinen Chef und Gunnlaugson zu einer Aussage beim Notar begleitet. Elvar wusste immer noch nichts von seinem Glück. Und jeder Tag, den Daan nun noch wartete, schien es schwerer zu machen, ihm genau das zu erzählen. Am späten Freitagabend traf Daan per Zufall Marco am Hafen. Aus einer flüchtigen Idee heraus kam er dazu, auch Marco nach seiner Aussage gegen Eirik zu fragen. Er schien verwirrt, sagte aber zu, sich nächste Woche mit ihm zu treffen und dann zum Notar zu gehen. Damit hätte er dann drei Aussagen und Elvar wäre für immer frei! Daan schmunzelte, als er sich abwandte und an Elvar dachte. Dass Marco ihn dabei mit argwöhnischen Augen nachsah, bemerkte er nicht mehr. Den Samstag verbrachen der Tischler und der Mechaniker wieder zusammen. Es war eine ruhige Zeit und Elvar zeigte Daan sogar mehr von dem Haus. Räume, die er noch nicht gesehen hatte und mit denen Elvar nicht wirklich was anzufangen wusste. Sie rätselten eine Weile, eh sie begannen, einige Gedanken auf Papier zu bringen. Gegen Abend hin wurde Elvar dann merkwürdiger. Er klammerte sich bei jeder Gelegenheit an Daan und versteckte sein Gesicht. Als fürchtete er sich vor irgendwas, dass noch in weiter Ferne lag. Dazu begann mitten in der Nacht ständig Elvars Telefon zu klingeln. Die ersten drei Mal ging Elvar hin und besah die Nummer, die angezeigt wurde. Doch Ferngespräche wollte er nicht annehmen, war seine einzige Ausrede. Aber Daan bemerkte, dass es dem Tischler schwerer fiel, wieder einzuschlafen. Gegen vier Uhr morgens lud Daan Elvar in sein Auto und fuhr mit ihm zu seiner Wohnung. Hier klingelte kein Telefon, da nicht mal eines vorhanden war. Sie hatten ihre Ruhe und doch schien Elvar sich unwohl zu fühlen. „Zieh dich aus.“ „Was? Warum?“ „Ich will mit dir Baden gehen.“ „Daan, es ist um halb fünf morgens!“ Daan zuckte nur mit den Schultern, als wäre das nichts Besonderes. „Na und? Zieh dich aus oder ich mach das“, fügte er mit einem Schlafzimmerblick der besonderen Sorte hinzu. Dann ging er ins Bad und ließ warmes Wasser in die Wanne ein. Er zog sich selbst aus und rief noch mal nach Elvar, welcher wenig später mit verlegen, roten Wangen ins Bad trat und sich mit der Hand leicht bedeckte. Der Mechaniker schmunzelte und zog die Hand von der Scharm. „Du bist schön.“ „Ich hab‘ doch gar nichts an,,.“ „Deswegen sag ich ja, dass ‚du‘ schön bist.“ Sanft küsste er ihn, hoffte den Tischler so beruhigen und ablenken zu können und seine Sinne nur auf sich zu richten. Gemächlich führte er Elvar in die Wanne und sie setzten sich. Elvar vor Daan, der den Jüngeren enger an sich zog und ihn mit sanften Berührungen gekonnt verwöhnte. „Mir geht es wieder gut.“ „Hm?“ „Danke, Daan“, Elvar drehte sich nach hinten, zog Daans Gesicht näher an sich heran und küsste ihn. „Das war wirklich eine schöne Idee.“ „Danke. Magst du mir nun sagen, was dich so bedrückt hat?“ Wieder zögerte Elvar, doch Daan ließ ihn. Es machte nur Sinn, wenn Elvar es von sich aus erzählen wollte. Schließlich hatte er ja auch einige Leichen im Keller, die Elvar nicht kannte. „Ich fürchte mich vor ausländischen Nummern, weil es nur einen geben kann, der mich anruft.“ „Ah. Deshalb warst du so verstört. Aber das brauchst du nicht mehr sein.“ „Daan, bitte! Dir ist doch klar, wenn Eirik wieder da ist, musst du gehen. Wir können uns dann nicht mehr sehen.“ Wieder wurde Elvar nervöser, wohingegen Daan einfach anfing, dessen Hals zu küssen. „Nein, das ist mir nicht klar. Er hat keine Macht über dich.“ „Pah“, entkam es Elvar schnippisch, „Natürlich hat er! Ich gehöre ihm praktisch. Ich…“, seine Finger zitterten, trotz der Nähe, trotz des warmen Wassers. „Ich komm von ihm nicht los. Egal wie wohl ich mich bei dir fühle, es kann nichts mit uns werden. Wir hätten nie so weit gehen dürfen…“ „Mir gefällt es so viel besser. Du bist viel fröhlicher, wenn er nicht da ist.“ Gequält ließ Elvar den Kopf hängen und wusste nicht, wie er Daan erklären sollte, was seine Fesseln waren. Es ging einfach nicht, es ging nicht! Und, dass er nun doch so viele Gefühle für Daan hatte, machte alles nur noch viel schlimmer. „Wenn Eirik das mit uns mitbekommt, nimmt er seine Flinte und schießt dich tot.“ Unvermittelt musste Daan lachen. „Und du denkst, ich kann mich nicht wehren? Ich habe selbst-“ „Nein, du kannst es nicht!“ Elvar drehte sich in der Wanne und sah nun Daan direkt ins Gesicht. „Er wird warten, bis du ihn vergisst und dich von hinten erschießen, oder irgendwas Hinterhältiges tun und das will ich nicht!“ „Du machst dir zu viele Sorgen um andere. Mich interessiert mehr, was er dann mit dir macht?“ Nun drehte Elvar das Gesicht weg. Es war doch klar, was Eirik mit ihm machen würde! „Daan… das weißt-“ Warme, nasse Finger unterbrachen ihn und weiche Lippen, ließen ihn die Augen schließen. Als er wieder in das Braun sah, wirkte es so viel wärmer und liebevoller, als Elvar es verdient hatte. „Er wird dir nichts tun.“ Elvar schluckte, dann liefen ihm die Tränen. Er wollte Daan so gerne glauben! Er wollte wirklich! Am liebsten wäre er mit Daan zusammen. Bei ihm ging es ihm gut und er wurde gut behandelt. „Daan…“, Elvar schniefte und wischte sich über die Augen. „Mach, dass ich ihn vergesse… bitte.“ Wenn er ihm nicht schon zu stressig geworden war, wollte er das gerne von Daan haben. Nur er konnte das jetzt noch schaffen. Zudem hoffte der Tischler, dass Daan ihn nicht schon leid war. Vorsichtig sah er auf und blickte in warmes Braun. Eine grobe Hand strich über seine Wange und er schmiegte sich hinein. „Ich muss irgendwas falsch gemacht haben, dass du noch nicht ständig an mich denkst“, gab der Holländer nachdenklich zu. Elvar schnaubte ein Lächeln und ließ sich dann zum Kuss heranziehen. Die Wanne war ihnen bald zu eng, so wanderten sie weiter in Daans Bett. Elvar gelang es, nicht an wen anderes zu denken, als an Daan. Als an die Finger, die ihn berührten oder der Körper, der sich an seinem rieb. Er wurde gierig und gieriger und hätte Daan am liebsten gesagt, was er für ihn empfand, doch das würde alles nur noch schlimmer machen. Er genoss und begehrte seinen Liebhaber und ließ ihn nicht von sich weichen, eh die Sonne aufging und die beiden Handwerker auch endlich in den Schlaf gefunden hatten. „Immer, wenn du mir nah bist, vergesse ich all meine Probleme und genieße den Tag.“ „Hmm?“ „Ach, nichts.“ Elvar lächelte zufrieden und schmiegte sich mehr an die Brust, auf der sein Kopf gerade gebettet war. Er hörte Daans Herzschlag. Gleichmäßig und kräftig. So wie jetzt konnte er sich einfach nur wohl fühlen und sogar wie etwas Besonderes. Wenn Daan so wie jetzt seinen Arm um ihn legte, könnte er wirklich meinen, dass er Daan wichtig war. Eine richtige Beziehung hatte Elvar ja in dem Sinne nie gehabt. Verliebt war er auch zum ersten Mal, sodass das alles hier noch so neu für ihn war. Aber schön. Sehr schön sogar. Wenn nicht… „Erzähl mir von deinen Problemen.“ „Nein, schon gut. Das… das braucht dich nicht zu beschäftigen.“ Er bettete seinen Kopf um, dass er Daan in die halb offenen Augen sehen konnte. „Aber dazu sind Freunde da. Egal ob nun platonisch oder als Lover. Du darfst entscheiden. Aber es sollte dir schon klar sein, dass ich dich nicht gehen lassen werde. Egal wer eine Flinte auf mich richtet.“ Es tat so gut, diese Worte zu hören. Es tat auch gut, sich so aufgehoben fühlen zu dürfen, doch schmerzte es auch im selben Moment. Er konnte doch nicht… Kurz dachte er an Gunnlaugson, dem er sich das erste Mal anvertraut hatte. Er bereute es immer noch. Doch Daan war anders und Daan wusste viel mehr als Gunnlaugson seiner Zeit. Würde Eirik Wind davon bekommen, wäre Daan mit Sicherheit tot und läge nicht einfach nur im Krankenhaus. „Das ist nicht nur deine Entscheidung… Ich will nicht, dass du wegen mir verletzt wirst. Auch wenn ich dir für deine Sorgen dankbar bin.“ Vielleicht könnte Daan wirklich was bewirken. Immerhin hatte er es geschafft, ihm eine so tief rosa Brille aufzusetzen. „Ich werde dich solange damit nerven, bis du es sagst.“ Elvar haderte. Wie könnte er? Wie könnte er nicht? Was könnte schlimmeres passieren als das, was er schon kannte und wusste? „Ich… gehöre Eirik“, langsam kamen die Worte aus seinem Mund. „Dazu gibt es einen Vertrag… notariell bestätigt.“ Jetzt konnte er Daan nicht mehr in die Augen sehen. Er fühlte sich schäbig! „Ich wollte das nicht. Mein Vater… hat es damals wohl nur gut gemeint und wollte mich nicht alleine zurücklassen, als er gestorben ist.“ Seine Kehle hatte mit mal einen Kloß, der ihm die Tränen in die Augen trieb. Aber nein. Das wäre noch peinlicher! Er musste sich zusammenreißen. „Ich gehöre ihm… bis ich meine Schulden abbezahlt habe… Aber die…“ Nun brach seine Stimme. Lange hatte er nicht mehr so darüber nachgedacht und sich dabei so verzweifelt gefühlt. Er war ja so erbärmlich. Daan aber küsste ihm die Stirn und sah ihn weiterhin so direkt an. Hasste er ihn nicht oder fand ihn ekelig? „Tut mir leid… Daan, es tut mir leid…“ Die Tränen verbergend schmiegte er sich an die Brust, auf der er eben noch gelegen hatte und wollte sich irgendwo verstecken. Allein die Hand auf seinem Hinterkopf tat so gut! „Du kannst nichts dafür. Immerhin hast du es nicht gewusst.“ Es brauchte noch einen Moment, dann verarbeitete Elvar die Worte und sah Daan aus großen, feuchten Augen an. „Wie meinst du das?“ Nun wurde Daan verlegen. Was?! Was weiß er?! „Letztes Wochenende bin ich auf dem Weg ins Bad in dein Arbeitszimmer gestolpert. Ich hab‘ mich da nur kurz umgesehen und bin wirklich nur per Zufall auf den Vertrag gestoßen.“ Elvars Augen wurden groß. „Ich habe ihn gelesen und wurde noch wütender auf diesen Arsch, als ich eh schon war“, erschrocken keuchte Daan auf, als Elvar mit seiner Faust auf seine Brust schlug und ihm kurz die Luft raubte. „Wie kannst du! Was fällt dir ein…?“ Elvar stockte, als ihm der Tag wieder in den Sinn kam. Daan war duschen und danach komisch gewesen. Jetzt wusste er auch warum! „Darum warst du so komisch“, knurrte er ihn an und strafte ihn mit bösen Blicken. „Ja, aber ich entschuldige mich nicht. Ich weiß nicht, ob du dich mit dem Vertrag schon abgefunden hast, aber ich konnte es nicht. Es klang alles so falsch und davon ab… Wenn du im Internet schaust, werden einige Formulierungen als strafbar bezeichnet und überhaupt. Menschen kann man nicht vererben.“ Elvar war sprachlos. Er wollte sauer sein. Er wollte Daan anschreien, doch blieb jeder Schrei in seinem Hals stecken. „Ich habe kein Internet“, sagte er dann nur streng. „Ich weiß. Ich konnte aber meine Finger nicht davonlassen. Also war ich letzte Woche beim Notar, der das verfasst hatte.“ Elvar wurde noch ärgerlicher. Er war so sauer und blieb doch wie erstarrt. Nur seine Finger krallten sich mehr in Daans Shirt. Zum einen war er wirklich sauer auf Daan, dass er ihm davon nichts erzählt hatte. Nein, er hatte ihn sogar angelogen deswegen! Andererseits ärgerte er sich über sich selbst. All das, was Daan ihm gerade erzählte, hätte auch er machen können. Doch er fand sich mit all dem ab. Hatte sein Schicksal hingenommen. Elvar war und fühlte sich wirklich mehr als erbärmlich. „Und dein Fazit.“ „Dort in der Schublade ist der eigentliche Vertrag, das richtige Erbe deines Vaters. Ließ selbst.“ Elvar fühlte sich steif vor Wut, doch griff er nach der Schublade im Nachttischchen und zog ein ordentliches, von Folie geschütztes Papier heraus. Er erkannte die Unterschrift des Notars. Oft hatte er darauf gestarrt und diesen Menschen verflucht. Doch nun las er Dinge, die sein Herz noch mehr forderten. Tränen liefen ihm über die Wangen. Wenn er doch nur selbst so viel Schneid gehabt hätte, wäre alles viel früher beendet worden? Aber irgendwo tief in ihm drin wusste er, dass er nie den Schneid gehabt hätte. Dazu hatte er sich schon zu sehr von Eirik einschüchtern und einnehmen lassen, als dass er wirklich noch mal irgendwann etwas im Ansatz dagegen getan hätte. Musste da wirklich erst jemand wie Daan vorbeikommen, der ihm die Augen öffnete und den Mut gab, diese Fesseln zu sprengen? „Heißt das… ich…“ „Du bist frei. Niemand kann dir mehr Fesseln anlegen, außer du dir selbst.“ Elvar schluchzte. Diesmal mehr, lauter und länger. Er ließ das Dokument zu Boden segeln und warf sich auf den Mechaniker, wo er das Gesicht in dessen Shirt vergrub und sich dieses Mal einfach nur gehen ließ. Er war froh, einfach nur froh und zugleich auch sauer, dass Daan das nicht mit ihm gemacht hatte, dass er das alles alleine getan und ihm somit beinahe dazu zwang, ihm dankbar zu sein. Etwas, dass es sowieso war! Eine Stunde verging, eh sich Elvar wieder rührte und mit noch roten Augen in die braunen unter sich sah. „Der Rest liegt also bei mir?“ Forschend schaute er Daan in die Augen, in der Hoffnung dieses dunkle Braun könnte seine wirren, noch immer wirbelnden Gedanken in ordentliche Bahnen lenken. „Wenn ich dieses Papier, Vaters… Testament sozusagen, wirklich annehme, bin ich frei von Eirik und muss mich nie wieder mit ihm rumschlagen? Aber das gilt doch auch nur rechtlich gesehen, oder? Wenn er wiederkommt, wird er alles einfordern, was bisher war. Er wird sich einen Scheiß um das Testament scheren und ich komme nicht von ihm frei. Dann ist es noch viel schlimmer. Dann bin ich kein Vogel im Käfig mehr, sondern einer auf einer Stange im Freien, mit einer Kette am Bein.“ „Elvar, mit den Aussagen von Grimsson und Gunnlaugson wird das schon. Dazu gibt es noch meine Aussage und da ich nicht mit dir zusammen bin, kann es auch nicht als unbrauchbar vor Gericht gelten. Dass, was jetzt wirklich noch zählt und was nur du tun kannst, ist das Testament im Beisein des Notars anzunehmen und Eirik klar zu sagen, dass er keine Gewalt mehr über dich hat. Letztes ist wohl das Schwerere…“, gab Daan mit einem etwas mitleidigen Blick zu bedenken. Doch wie sollte er nicht? Wenn Daan in dieser Lage wäre, hätte Elvar vielleicht auch so mitleidig geguckt. Obwohl… Daan würde wohl nie in diese Lage kommen. Er ist anders von seiner Art her. Und er hat eine Waffe. Eine Waffe? Elvar folgte dem Gedanken und sponn ihn weiter. Es wäre gefährlich, aber doch effektiv. „Vielleicht… schaff ich das ja sogar“, begann er kleinlaut mit gesenktem Kopf. „Leihst du mir deinen Revolver?“ Es war Nachmittag geworden und Elvar hatte sich von Daan verabschiedet. Das, was er erfahren hatte, muss er erstmal in Ruhe verdauen und wirklich darüber nachdenken. Da half es nicht, wenn die Person, über die man auch nachdenken musste, in einem Raum mit ihm war. Daan war ihm deswegen nicht böse gewesen und auch nicht geknickt. Er konnte es verstehen, dessen war sich Elvar ziemlich sicher. Und doch hatte er den Mechaniker nur auf die Wange küssen können. Ihm zitterten selbst jetzt noch die Finger, wenn er das Dokument in den Händen hielt. Vorsichtig holte er es aus der Folie raus, als ob es uralt wäre und gleich zu Staub zerfallen könnte. Neben dem eigentlichen Testament von zwei Seiten, waren auch noch Kopien der Aussagen von Grimsson und Gunnlaugson dabei. Elvar musste schmunzeln, als er sie las und bei Gunnlaugson kamen ihm sogar die Tränen. Wie konnte dieser nur noch freundlich über ihn reden, wo er dem armen Mann so viel Leid zugefügt hatte? Dann klingelte das Telefon. Elvar ging hin und sah wieder die ausländische Nummer. Diesmal aber hob er ab. Am Montag ging Daan nochmal zum Hafen und hielt genau auf den Pier zu, wo Marco für gewöhnlich arbeitete. Er fand ihn in einer der riesigen Hallen und wollte ihn nochmal zur Aussage gegen Eirik überreden. „Marco!“ Laut krachte der eiserne Schraubenzieher herunter, den der Hafenarbeiter vor Schreck hat fallen lassen. „Vorsichtig“, lachte Daan nur und hob das Werkzeug auf. „Hey, kann ich dich nochmal wegen dem vom letztens sprechen. Es wäre wirklich wichtig.“ „Eine Aussage gegen Eirik, damit er diesen Tischler in Ruhe lässt. Warum sollte ich?“ „Weil es helfen würde, gegen Eirik eine Verfügung zu erlangen.“ „Was denn für eine Verfügung?“ „Na so eine gerichtliche, damit er sich dem Tischler nicht mehr als auf hundert Meter oder so nähern darf.“ „Bei dem, was du mir erzählt hast, wird er da nicht eher verurteilt und eingebuchtet, oder so?“ Daan kratzte sich überlegend am Kopf. Wenn das der Fall wäre, würde es ihn sicherlich am wenigsten stören. „Weiß nicht genau… vielleicht.“ „Wenn du es nicht genau weißt, dann frag mich nicht! Ich werde sicher nicht gegen ihn aussagen!“ „Und warum nicht?“ Eigentlich hatte er ja nicht so viel Gegenwehr von Marco erwartet. Immerhin hatte er ihm doch den Tipp gegeben, wie Eirik lange fort wäre und selbst dabei mitgeholfen. „Warst du nicht auch gegen Eirik und Elvar.“ Marco schnaubte nur und wandte sich dann ab. „Hey!“ Forsch drehte er den Hafenarbeiter an der Schulter zu sich um und warnte ihn mit schon wütenden Blick. „Ich werde nicht gegen Eirik aussagen. Wenn er von diesem Wixer loskommt, umso besser, aber ich sage nicht gegen ihn aus!“ „Du willst nur, dass er Elvar in Ruhe lässt? Du… bist du in Eirik verlieb-“ Marco war schneller und griff Daan mit solcher Wucht an seinen Jackenkragen, dass der Mechaniker für einen Moment seine Abwehr vergaß. „Du weißt doch gar nichts! Weder von Eirik, noch von mir. Für das eine Mal, da bin ich dir vielleicht dankbar, doch mehr auch nicht. Eirik passt nicht zu dieser Hure von Tischler! Er soll mir gehören! Ich kann ihm viel mehr bieten als jeder andere! ICH-“ Daan riss sich los und schleuderte Marco gekonnt über seine Schulter auf den harten Boden. Keuchend rang er nach Luft und rappelte sich langsam wieder auf. „Was wird das hier? Eine schlechte Nachahme vom irgendeiner Soap? Du willst Eirik also haben? Bitte nimm ihn nur. Aber er soll seine pädophilen Finger von Elvar lassen!“ „Ha ha ha, denkst du, das wird er je? Leider…“, Marco keuchte, als er sich in die Hocke setzte und zu Daan aufsah, „wird er das erst, wenn ihn kein anderer mehr haben kann. Vielleicht hat er ihn schon umgebracht? Dann wäre auch Eirik endlich frei.“ Daan wurde übel. Ohne zu überlegen, zog er seine Waffe und richtete sie direkt zwischen Marcos Augen. „Wie war das?!“ Marco erbleichte vor Schreck und rührte sich gar nicht mehr. „Was weißt du! Nun spuck es schon aus!!“ Daans Schrei hallte durch die sonst leere Halle und verklang irgendwo am anderen Ende. Seine Gedanken rasten. Die Anrufe aus dem Ausland. Selbst wenn es Eirik wäre, könnte er noch nicht hier sein. Dazu war er zu weit weg! Und Elvar war gerade allein zu Hause. „Er kam diese Nacht mit einer Notmaschine zurück und ging dann gleich zu diesem scheiß Tischler. Mich sah er beinahe nicht mal an. Dabei habe ICH ihm doch gefunkt, dass seine Hure fremdgeht!“ Marco weinte, doch Daan empfand überhaupt kein Mitleid. Ekel und Verachtung trafen es da eher. „Seit wann ist er auf dem Hof.“ „Vielleicht seit vier oder fünf Stunden… Genug um die Leiche zu vergrab-“ Ein Schuss ertönte laut durch die Halle und die Schallwellen schienen sich dabei zu überschlagen. Es war noch vor Sonnenaufgang gewesen, als es an der Tür klopfte. Nicht nett, sondern wütend, sodass Elvar wirklich damit gerechnet hatte, das Holz gäbe nach. Als er öffnete, hätte er sich übergeben können. Es passte zu seiner sonstigen Stimmung, dass er wenig geschlafen hatte und sich die meiste Zeit, in der er sich den Kopf zerbrach, sorgte. Eben genau vor diesen Moment. Eirik stand in der Tür. Ein schiefes Lächeln zeigte seine gelben Zähne und auch sonst sah er mehr abgehetzt aus. „Bin wieder da, mein Vögelchen!“ „Ja, das sehe ich… Wie hast du es so schnell hergeschafft?“ Da Elvar ihn nicht reingebeten hatte, schob der Besucher sich jetzt einfach an ihm vorbei ins Haus. Elvar verfluchte sich schon beinahe, dass er zurückgewichen war, doch er wollte nie wieder von ihm berührt werden. „Hab gesagt, wäre krank. Und einige Leute schuldeten mir noch was. Aber sag du mir lieber, was du hier treibst. Kann ich nicht mal mehr auf See fahren, Geld für uns beide verdienen, ohne dass DU EINFACH FREMDVÖGELST?!“ Der Schlag kam so überraschend, dass Elvar nicht mal die Hände heben konnte. Sein Kopf schwirrte und drehte sich, als er sich nur langsam aufrichtete und doch wieder zusammensackte. Seine Wange tat höllisch weh, er schmeckte Blut, aber zum Glück schien ihm kein Zahn zu fehlen. Noch ehe er sich wirklich wieder im Hier und Jetzt besinnen konnte, packte Eirik ihm am Kragen und zog ihn so auf die Beine. „Ich wusste gar nicht, dass ich dich zu so einer öffentlichen Hure erzogen habe?“ Eirik sprach mit einer Ruhe und Ironie, die schon beängstigend war. „Ich sollte dich totschlagen, dann wäre ich wohl noch besser dran.“ Elvar hatte über diese Möglichkeit noch gar nicht nachgedacht, doch jetzt, wo der Seemann es erwähnte, bekam er Angst. Vielleicht sollte er sich vorerst noch mit ihm gut stellen? Immerhin war das ein Ausbruch in den die ersten Minuten, die sie sich sahen. Noch hatte Elvar nichts gesagt oder noch schlimmer, Daan würde nochmal vorbeikommen! „Aber das wäre viel zu schade und zu einfach. Immerhin bist du meine kleine Hure und wenn du eine kleine Züchtigung wünscht, bekommst du eine, die du nie vergessen wirst.“ Eirik musterte ihn mit einem merkwürdig, schleimigen Blick, eh er grinste. „Wenn du dich gut anstellst und brav bist, fick ich dich vielleicht schon früher. Immerhin bist du notgeiles Stück ja nur untreu geworden, weil ich dich nicht ordentlich rangenommen hatte.“ Elvar nickte, obwohl er innerlich die Augen verdrehte und sich gekonnt erbrach. In Gedanken zumindest… vorerst versteht sich. Da er nun so folgsam war, ließ Eirik seinen Kragen wieder los und strich schon beinahe zärtlich über Elvars Wange, die noch vom dem Schlag eben pochte. Es war schwer nicht weg zu zucken. „Und nun geh dich duschen. Dann kommst du nackt in die Küche. Ich will erst sehen, was der Kerl an dir gemacht hat, eh du mir essen machst.“ Eine Gänsehaut durchfuhr Elvar. Ja, er könnte wirklich brechen, doch die letzten Wochen hatten was verändert. Irgendwas war anders als früher, wenn Eirik ihn so behandelte. Aber noch kam er nicht ganz darauf, was es war. Dennoch war die Dusche eine Wohltat. Er wusch sich gründlich und cremte sich sogar mit der komischen Kokoscreme ein, die sein ach so toller Lover von irgendwoher mal mitgebracht hatte. In seiner Nase stank er nun zum Himmel! Vielleicht tat er es einfach aus Gewohnheit? Aber wenn er es genau bedachte, tat Elvar es, weil er ganz genau wusste, dass es Eirik gefallen würde. Es würde ihn milder stimmen. Nur die Knutschflecke konnte er nicht überdecken. Daan hatte einige in seinem Nacken hinterlassen und die älteren waren auch noch etwas zu sehen. Doch diese Male wollte Elvar einfach nicht verdecken. Sie waren das Zeugnis einer sehr schönen Zeit und Schminke würde Eirik sofort durchschauen. Wieso war er so ehrlich zu ihm? Und wieso war er, abgesehen von der Morddrohung vorhin, noch so verdammt ruhig? Nackt wie er war, ging Elvar in die Küche und zeigte sich dem Seemann. Dieser begutachtete alles an ihm. Die Brust, die Arme, den Bauch, die Beine, den Rücken, den Po, ja, Elvar sollte sich sogar bücken! Bei jedem einzelnen Knutschfleck kniff Eirik ihm stark in die Haut, dass sie noch röter wurde. Elvar redete sich ein, dass das nichts im Vergleich zu anderen Sachen wäre, die Eirik noch machen könnte. Es war nur seine Haut. Nicht sein Herz oder das was er wirklich fühlte. Wenn es eben ein Opfer brauchte, um all das hier zu überleben, würde Elvar seinen Körper gerne geben, solange sein Herz und seine innigsten Gefühle für immer bei Daan bleiben könnten. „Geht ja noch. Und? Hat er dich schön rangenommen? War er besser als ich?“ „Nein, er war sehr zärtlich.“ Eirik lachte laut und gehässig auf. Dann zog er Elvar zu sich und legte ihm seine viel zu raue Hand auf den Hintern. Elvars einziger Gedanke dabei war, dass sie sich doch sehr von Daans unterschied. Dieser Gedanke wurde mit einem erschrockenen Quieken seinerseits fortgeschoben, als sich mit mal zwei Finger forsch in ihn bohrten. „Eirik… bitte…“ „Ach Ruhe!“ Er befingerte ihn, als suche er etwas. Dabei war er nicht so sanft wie Daan und doch traf er genau die erogenen Stellen, die auch Daan in letzter Zeit so sehr sensibilisiert hatte, dass Elvar ein erregtes Keuchen entfloh. „Du bist wirklich brav. Hast dich sogar Innen gesäubert.“ „Bitte… Eirik… hör auf“, bat er mit zitternder Stimme. „Wie war das?!“ Die Finger wurden vor und zurückgeschoben und ließen Elvar mehr erzittern. „Ich mein… ich mein ja nur, dass du mich nicht nehmen wirst. Noch nicht, oder? Und wenn du so weiter machst…“ Mit gespielt verklärten Blick sah er Eirik an, der ihm erstaunlicherweise alles abkaufte. Flüchtig fiel ihm der Ausdruck „Mit den Waffen der Frau“ ein, als er den lüsternen Blick Eiriks sah, der sich über seine Lippen leckte und zog nun den Tischler zwischen seine Beine. Mit der zweiten Hand griff er nach dessen Penis und begann zu pumpen. „Schön, was? Ich merke, ich habe dir wirklich gefehlt. Aber… Wenn du es dir selbst machst, vögeln wir vielleicht schon früher.“ Die Geilheit war deutlich in dem Grau zu sehen und Elvar konnte nun wirklich nicht mehr anders, als zu keuchen. Seine Erregung konnte er nicht vortäuschen, nicht mehr und das Dank Daan! Dieser Blödmann war zu gut gewesen. Dann ließ Eirik von ihm und drückte ihn auf den Küchenstuhl. „Fang an. Mach‘s besonders gut und dann blas mir einen.“ Es war kurz nach Zehn, als Daans Wagen geräuschvoll vor der Haustür auf dem Hof zum Stehen kam. Daan stellte den Motor aus und ließ den Schlüssel stecken. Schnellen Schrittes ging er zur Haustür und klopfte, doch da wurde die Haustür schon aufgerissen und graue Augen starrten ihn kalt an. Sein Herz pochte schnell in seiner Brust und das Adrenalin schoss durch seine Adern. „Wo ist er?“ „Wen meinst du?“ „Elvar. Wo ist er?“ Eirik schnaubte nur und betrachtete den Mechaniker verächtlich wie ein Ungeziefer. Wahrscheinlich war er sogar genau das für den Seemann, doch das war ihm so was von scheiß egal. Er wollte nur wissen, ob es Elvar gut ging! „Das hat dich nicht zu interessieren. Verschwinde vom Hof. Jetzt. Dann tu ich dir vielleicht nichts.“ Nun war Daan der, der verächtlich prustete. Als ob dieses aufgeplusterte Meerschwein ihn Angst machen könnte! „Du benimmst dich, als gehöre der Hof dir!“ „Tut er ja auch. Letzte Chance für dich, unverletzt weg zu kommen.“ „Gott, bist du gütig. Ich gehe nur mit Elvar zusammen.“ „Junge, du machst dir falsche Hoffnungen. Elvar ‚gehört‘ mir. Er ist mein Eigentum. Und da er heute so brav war und gestanden hat, dass er dich nur rangelassen hat, weil ich ihm gefehlt habe, bin ich geneigt, ihm zu verzeihen. Vielleicht sollte ich dir sogar danken, denn er ist so viel besser geworden im Blasen.“ Daans Faust schnellte vor und traf Eirik unvorbereitet im Gesicht. Der taumelte zurück und hielt sich die Wange. Leider spuckte er nur ein wenig Blut aus und keinen Zahn. „Du Wixer!“ „Jetzt bist du tot!“ Eirik wollte sich gerade vom Türrahmen abstoßen, als sich hinter ihm im Gang die Küchentür öffnete und Elvar in den Flur trat. Verwundert sah er ihn und Eirik an. Daan war erstmal erleichtert, dass er noch lebte. Ein Glück! Marco hat sich geirrt. Wahrscheinlich wie in so vielem, was Eirik anging. „Elvar“, flüsterte Daan, während der Tischler langsam auf sie zukam. Genau wusste er nicht, was Elvar dachte. Er wirkte merkwürdig und so gefasst. „Was macht ihr hier?“ „Nix. Geh wieder rein und hol die Flinte.“ „Was? Eirik übertreib es nicht.“ „HOL SIE! Und glaub nicht, das wird so glimpflich wie mit dem Anderem, der nur im Krankenhaus gelandet ist. Der Irre hat seine Chancen vertan, hier lebend rauszukommen.“ Daan blickte erst z Eirik, dann fixierte er Elvar, der blasser geworden war. War es wirklich so? Hatte alles gute Zureden am Ende doch nicht geholfen und war seine Angst vor Eirik zu groß? Da Elvar sich nicht bewegte, griff Eirik ihn nun an dem Kragen und zog ihn forsch an sich heran. „Hol sie“, wiederholte er auf sehr bedrohliche Weise. Daan ballte die Fäuste zusammen. Es war egal. Sollte es wirklich auf eine Schießerei rauslaufen, dann würde er eben diesen Wixer umbringen. Elvar wäre frei und was aus ihm würde, war dann zweitrangig. Außerdem hatte er gerade sehen können, dass Elvars Wange rot war, wie von einem Schlag. Er würde nicht noch ein zweites Mal versagen! Sekunden waren gerade vergangen, als Daan seinen Revolver zog und ganz langsam auf Eirik richtete. „Ohhh, jetzt hab‘ ich aber Angst. Hast dir in aller Eile wohl noch eine Waffe besorgt was?“ Ein Schuss hallte wieder und hinterließ ein dampfendes Loch in der Tür, während von Eiriks Wange ein feiner, roter Streifen immer breiter wurde und die ersten Blutstropfen zu fließen begannen. Wenn Eiriks Blick töten könnte, wäre er wahrscheinlich schon tot. Doch so blieb der Seemann nur wortlos, mit verachtendem Blick auf ihn, stehen. Immerhin wusste er, wer gerade am längeren Hebel saß. Vielleicht dachte er ja auch, er könnte der nächsten Kugel ausweichen? Daan hätte grinsen können. Es machte wirklich immer noch Spaß, solche Macht auf jemanden zu haben und diese auch auszunutzen. Elvar kam mit eiligen Schritten wieder und hielt die Flinte in beiden Händen. Eirik begann nur schmierig zu grinsen. „Gib‘ her!“ „Lass mich das machen.“ „Was? DU?!“ Der Seemann lachte laut auf und streckte seine Hand nach der Flinte aus. Sie war abgesägt und würde die Ladung Schrot mit tödlicher Sicherheit auf ihn abfeuern. Wenn Elvar feuerte, würde er vielleicht nicht so sehr verletzt werden. Doch so sauer wie Eirik schon war, würde er ihn wohl nie schießen lassen. Er musste einfach schneller sein als Eirik. „Nein, lass mich“, Elvar hielt die Flinte schon richtig in den Händen und zielte auf Daan. „Er hat mir beigebracht zu schießen. Lass mich dir zeigen, was ich gelernt habe.“ Kurz schielte Elvar zur Seiten und bedachte Eirik mit einem ernsten Blick, um seine Entschlossenheit auszudrücken. Wieder raste Daans Herz. Er atmete ruhig und zielte immer noch auf Eirik. Elvar würde er nie was tun können! „Ha! Sehr gut! Puste ihm das hässliche Gesicht weg. Wenn er dann tot ist, werde ich es genießen, ihn zu zerstückeln und zu Asche zu verbrennen.“ Daan sah auf Elvar, sah wie er schluckte und er merkte, wie die Sekunden sich zogen wie zäher Honig. „Glaub nicht, dass ich ihn zuerst schießen lasse.“ „Glaub du nicht, dass ich dir Eirik überlasse. Er gehört mir!“ Daan knirschte mit den Zähnen und Eirik grinste gefällig. Gerade, als er sich in Sicherheit wog, änderte Elvar sein Ziel und visierte Eirik an. Dabei ging er um Eirik herum und stellte sich neben den Mechaniker, sodass zwei oder mehr Meter zwischen dem Seefahrer und den Handwerkern waren. „Was soll das Elvar?“ „Was denkst du denn?“ „Dass du nicht mehr alle zusammen hast. Komm wieder her, sonst wird’s nachher ungemütlich für dich.“ Elvar zuckte nur mit den Schultern. „Glaub ich ja eher nicht.“ „Was?“ Eirik knirschte mit den Zähnen und sein Gesicht wurde wutrot. Die Hände ballten sich zu Fäusten und er bäumte sich auf. Es war schon beeindruckend, doch Daan ließ es kalt. Kurz blickte er zu Elvar und konnte sehen, dass auch er versuchte ruhig zu bleiben. Nur war ihm die Anspannung mehr anzusehen als ihm selbst. „Du GEHÖRST mir! Dieser ganze scheiß Hof und dein beschissenes, kleines Leben gehören alles mir! Dein Vater hat alles an MICH vermacht und denk nur an deine Schulden!“ Er spielte seine Trümpfe aus und wog sich wieder in Sicherheit. Elvar sagte nichts und Daan fürchtete, er würde wieder einknicken. „Dieser Vertrag ist ungültig. Elvar kann dich wegen Urkundenfälschung, Betrug und Freiheitsberaubung einbuchten, wenn er will!“ „Was weißt du schon davon, du Missgeburt!“ „Daan hat Recht. Du bist hier nicht erwünscht. Der Hof gehört mir. Du hast keinen Anspruch auf irgendwas.“ „Und was ist mit deinen Schulden?!“ Elvar lächelte amüsiert, eh er die Schrotflinte auf den Boden richtete und eine Ladung in den Dreck abfeuerte. Der Sand flog auf und blieb an Eiriks Beinen hängen, der einen Schritt zurückweichen wollte, was nicht ging, da die Haustür ihm schon im Rücken hing. „Was für Schulden? All das, was mein Vater dir geschuldet hatte, hat er dir schon zurückgezahlt. Ich habe das richtige Testament gefunden. Jetzt hast du die Wahl. Geh von der Insel und komm nie wieder, sonst schallte ich die Polizei ein, wenn ich dich noch einmal hier sehe, oder lass dich freiwillig hinrichten.“ Eirik schluckte und wich noch etwas zurück. In seinem Kopf arbeitete es. Die wenigen Gehirnzellen schienen ihm das Denken schwerer zu machen als einem normalen Menschen. Daan zog seinen Abzug und traf direkt in die Tür neben Eiriks Hüfte. Ein reiner Warnschuss, nur als kleine Denkhilfe. „Schon gut. Ich gehe. Aber vergessen werd‘ ich das nicht.“ „Besser so. Dann kommst du ja auch nie wieder!“ Es dauerte noch ein paar Minuten, dann fuhr Eiriks Truck vom Hof und wurde in der Ferne immer kleiner. Zuerst hatten sie ihn noch fluchen gehört, doch nun war alles still um sie herum. Elvar ließ die Flinte sinken und achtlos auf den Boden fallen. Er sah erschöpft aus, was nicht verwunderlich war. Daan sicherte seinen Revolver und steckte ihn zurück in die Halterung an seiner Hüfte. „Alles gut bei dir?“ Elvar sah ihn erst nicht an. Er hatte die Augen geschlossen und ließ die Sonne auf sein Gesicht scheinen. Ein schönes Bild. Es musste sich toll anfühlen, endlich frei zu sein. „Ja“, sagte er schlussendlich, „Mir geht’s wirklich gut.“ Nun sahen ihm die grünen Augen an und schienen in der Sonne zu leuchten. „Es war einfacher als gedacht. Wenn ich bedenke, dass ich erst dich brauchte, um ihn endlich los zu werden.“ „Hey, was soll das denn heißen?“ Elvar lachte und es klang frei und erleichtert, eh er sich kurz die Wange festhielt. „Au!“ „Du solltest das kühlen“, meinte Daan sanft, als Elvar über die Flinte stieg und seine Arme um Daan schlang. Wie es sich wohl anfühlte, ihn zu umarmten, nun da er frei war? Vielleicht war es ebenso gut wie für Daan? „Ich hatte kurz gefürchtet, er hätte dir was angetan.“ „Warum das?“ „Marco hatte so was erzählt.“ „Der Hafenarbeiter? Der ist doch Eirik total verfallen! Der erzählt dir alles, nur um mich noch mehr hassen zu können.“ „Ja… hab‘ ich auch gemerkt. Doch als du vorhin rausgekommen bist, dachte ich kurz-“ „Ich hätte einen Rückfall?“ Daan nickte betroffen, doch Elvar lächelte ihn nur lieb an und zog ihn zu einem Kuss heran. „Nein, ich war erstaunlich ruhig. Sicher, er hat mich bedroht, aber es war, als wüsste ich mit mal genau, was ich zu tun hatte, damit er zufrieden ist. Und ich musste ja nur warten, bis du wieder da bist.“ Mit einem Lächeln küsste er Daan nochmal, der seine Hände vorsichtig an Elvars Wangen legte und den Kuss sogleich vertiefte. Weit kamen sie nicht, da Daan sich doch losreißen musste. „Nach was stinkst du eigentlich?“ „Nach Kokos. Ich hasse es auch und muss das noch unbedingt abwaschen.“ „War das auch so eine Maßnahme, um ihn milde zu stimmen?“ Elvar nickte nur. „Und hast du ihm auch einen geblasen?“ „Hat er das erzählt?“ „Ja… habt ihr…?“ Wieder küsste Elvar ihn und schlag die Arme um Daans Nacken. „Ach, du bist ja richtig süß, wenn du eifersüchtig bist. Wir haben nicht miteinander geschlafen. Das wollte er erst, wenn deine Male weg wären. Ich durfte nur masturbieren und ihm einen blasen. Dann musste ich ihm essen machen und hab ihm vorgegaukelt, dass ich von dir Durchfall hätte.“ „Warum das?“ „Damit ich mich übergeben konnte. Was leichter war als gedacht, denn von ihm wurde mir wirklich schlecht.“ Nun lachte Daan und die Sorgen, die er eben noch gehabt hatte, waren alle hinfällig. „Du bist ‘ne Wucht“, lachte Daan und blickte in die unendlich grünen Augen. „Du auch. Daan?“ „Hm?“ „Ich liebe dich“, erklärte Elvar und wurde sofort puderrot. Daan war das egal. Er küsste seinen Freund innig und ließ sich dabei Zeit. Kokosgestank hin oder her. „Ich liebe dich auch“, gestand auch er endlich und grinste breit. „Was hältst du von einem Bad?“ „Ich bitte drum“, flüsterte Elvar gegen Daans Lippen und verlor sich doch wieder in einem Kuss. Endlich. Endlich! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)