Freundschaftsbeweise von Rabenkralle ================================================================================ 4. -- Sekunden vergingen, in denen Ino darauf gefasst war, dass sie angegriffen wurde. Sie starrte in die Höhle hinein, die Fremden blickten zurück, doch mehr geschah nicht. Sie warteten darauf, dass sie die Initiative ergriff und das ließ sie sich noch machtloser fühlen, als ohnehin schon. Unsicher, was sie tun sollte, suchte sie Shikamarus Blick. Er bemerkte sie, blieb allerdings reglos stehen. Das schien er zumindest, bis ihr auffiel, dass sich sein Arm, den er noch bewegen konnte, langsam zu seiner rechten Seite tastete. Seine Waffe!, fiel ihr ein und ein Hoffnungsschimmer breitete sich in ihr aus. Wenn er sie zu fassen bekam, konnte er für einen Moment Verwirrung stiften, der möglicherweise ausreichte, um – Shikamaru spürte eine Messerklinge an seinem Hals. »Ich würde das sein lassen«, flüsterte ihm eine Frauenstimme ins Ohr. »Es sei denn, du legst es darauf an, dass ich dir vor deinen Kameraden die Kehle aufschlitze.« Er hielt inne. War das ihr Ernst oder ein Bluff? Und was sollte er tun? Nein, es spielte keine Rolle, ob sie es ernst meinte oder nur eine leere Drohung war. Er musste seinen Freunden zu Hilfe kommen, selbst wenn es für ihn unschön werden würde. Flink griff er nach der Pistole. Er wollte sie ziehen und abdrücken, doch dies geschah lediglich in seiner Vorstellung. Finger schlossen sich um sein Handgelenk und drückten so stark zu, dass er seine Hand nicht mehr rühren konnte. »Wenn du nur den Ansatz eines Versuches wagst, dich zu befreien«, sagte die Frau kalt und entriss ihm die Waffe, »jag ich dem blonden Mädel eine deiner Kugeln in den Schädel!« Er sah Ino direkt in die Augen, deutete ein Kopfschütteln an und als er sah, wie der Mut aus ihrem Blick schwand, überkam ihn eine Mutlosigkeit, die er nicht einmal in den ersten Wochen nach dem Ausbrechen des Virus verspürt hatte. Shikamaru senkte den Kopf, um die Enttäuschung seiner besten Freundin nicht sehen zu müssen und gab jeglichen Widerstand auf. »So ist’s brav«, stichelte die Stimme. »Wenn ihr kooperiert, passiert euch vielleicht nichts.« Vielleicht? Okay, ihm waren tatsächlich nicht nur sprichwörtlich die Hände gebunden, aber er konnte nicht untätig zusehen, wie … Nein, das wollte er sich nicht ausmalen. »Eine Frage«, setzte er vorsichtig an, »was wollt ihr von uns?« Als sie lachte, spürte er ihren warmen, aber unheilverkündenden Atem an seinem Hals. »Was wir wollen?«, fragte sie amüsiert. »Kankurou!« Shikamaru fragte sich, was das letzte Wort bedeuten mochte, bis ein Mann aus der Finsternis trat. Er hob einen Rucksack an, studierte den Inhalt und lächelte zufrieden. »Das«, sagte er hochmütig und deutete auf das Gepäck. »Wir wollen all das, was ihr mitgebracht habt – und alles andere, das sich in eurem Versteck als nützlich für uns erweisen könnte.« Tenten stieß ein wütendes Knurren aus. »Wer seid ihr überhaupt?« Der Typ namens Kankurou kam mit einem Grinsen auf sie zu. »Nur ein Haufen Menschen«, begann er, »die in dieser grauenvollen Welt überleben wollen.« Sie schaute ihn voller Verachtung an. »Und das gibt euch das Recht, über andere Leute herzufallen, oder was?« Er lachte, ging in die Hocke und fuhr über ihre Wange. »Die Stärkeren rauben die Schwächeren aus, so ist das nun mal. Es sind immer die Stärksten, die überleben.« »Ach, deshalb musstet ihr ein paar von uns in eine Falle locken, anstatt unsere ganze Gruppe in unserer Unterkunft anzugreifen?«, spottete Tenten und spuckte vor ihm auf den Untergrund. »Das zeigt ja, wie stark ihr sein müsst.« Kankurou ließ von ihrem Gesicht ab und ballte die Hand zur Faust. Seine Fingerknöchel traten hervor, doch er schlug nicht zu. »Shira!«, rief die Frau, die Shikamaru festhielt. »Sorge dafür, dass dieses vorlaute Mädchen den Mund hält.« Ein Mann betrat die Höhle. Er beäugte das Geschehen teilnahmslos im Vorbeigehen und knebelte Tenten, die vergebens versuchte, sich dagegen zu wehren, mit einem Tuch. »Hat noch jemand von euch den Drang, die Klappe aufzureißen?«, fragte sie provokant. Ino sah, wie sie von einem Gefangen zum nächsten blickte. Sie konnte Naruto ansehen, wie es in seinem Inneren brodeln musste, aber er fraß seinen Ärger in sich hinein und beschränkte sich darauf, die Frau voller Verachtung anzublicken. Diese schien das nicht im Geringsten zu beeindrucken und so wandte sie sich von ihm ab und Ino zu. Ihre Augen ruhten aufeinander und der kalte Gesichtsausdruck der blonden Frau, die vielleicht ein paar Jahre älter war als sie selbst, warnte sie davor, sie verbal anzugehen. »Lass dein Messer fallen«, forderte sie sie bestimmt auf. Ino kam ihrer Aufforderung nicht nach. Das Messer in ihrer Hand war in dieser Situation die einzige Sicherheit, die sie noch hatte. »Loslassen«, wiederholte sie mit Nachdruck, »ansonsten nehmen wir es dir mit Gewalt ab. Und wer weiß? Vielleicht geschieht ein kleiner Unfall, bei dem du dir das Handgelenk brichst?« Ihr Lächeln war ohne jegliches Mitgefühl und das schüchterte Ino mehr ein als die Drohung, ihr die Hand zu brechen. »Ich würde auf sie hören«, warf Kankurou ein und mit einem Grinsen setzte er nach: »Temari ist nicht unbedingt dafür bekannt, Scherze zu machen.« »Und wenn ich das mache«, begann sie und schaute aus den Augenwinkeln zu ihm herüber, »was passiert dann?« »Selbstverständlich lassen wir dich und deine kleinen Kameraden gehen«, antwortete er. Es blieb einen Moment lang still, dann brach er in Gelächter aus. »Als ob wir so was Bescheuertes tun würden!«, japste er und da er so sehr lachte, stützte er sich mit den Händen auf den Oberschenkeln ab, um nicht wild durch die Gegend zu wanken. »Reiß dich zusammen, Kankurou!«, ermahnte Temari ihn. »Du benimmst dich wie ein Idiot!« »Ach, lass mir doch den Spaß, Schwesterherz!«, gab er zurück. »Seit die Zombies los sind, hat man so selten was zu lachen.« Ino sah, wie sie sich auf die Unterlippe biss. Ihrer Miene nach zu urteilen, musste seit Beginn der Apokalypse einiges vorgefallen sein, aber sie interessierte sich nicht für die Geschichte der Fremden. Nicht nur, weil sie sie gefangen genommen hatten und bedrohten, sondern weil sie sich nicht mit den Päckchen fremder Leute belasten wollte. Temaris befangener Blick lichtete sich und ihr Gesicht nahm den ernsten Ausdruck an, den es zuvor gehabt hatte. »Okay, führt sie zum Lager«, befahl sie ihren Kameraden. »Unser Anführer bestimmt dann, was mit ihnen geschieht.« Ino wollte sich nicht ausmalen, was für ein Mensch ihr Anführer war, wenn er so kaltherzige Leute um sich scharrte. Sie blickte sich um und analysierte die Lage, in der sie und die anderen sich befanden. Kiba und Akamaru lagen immer noch bewusstlos am Boden; Tenten ließ sich mutlos die Handgelenke auf dem Rücken zusammenbinden und der Typ, der sie geknebelt hatte, fesselte Naruto und band das Ende des Seils an den Mann, der ihn festgehalten hatte. Ihre Augen huschten zum Eingang der Höhle herüber. Er war frei und um sie kümmerte sich niemand, also warum sollte sie nicht einen Fluchtversuch – Sie spürte, wie sich eine kräftige Hand um ihren Unterarm schloss. »Gib mir das Messer«, forderte Kankurou sie auf. »Du möchtest sicher nicht, dass das passiert, was meine Schwester dir angedroht hat, oder?« Ino starrte ihn an und schluckte. Alles in ihrem Körper sträubte sich dagegen, seiner Aufforderung nachzukommen, doch sie sah keine andere Möglichkeit, um heil aus der Misere herauszukommen. Sie lockerte ihren Griff und überreichte ihm die Waffe. Als er es hinter seinen Gürtel steckte, bemerkte sie erst die Pistole, die er daran trug und ihr Herz begann unregelmäßig zu schlagen. Sie war sich sicher, dass er auf sie geschossen hätte, wenn sie losgelaufen wäre. »Gutes Mädchen«, sagte er und präsentierte ihr ein überhebliches Lächeln. »Und jetzt Abmarsch! Du hast Glück, dass wir nicht mehr Seile mitgenommen haben.« Seine Kameraden mit Tenten und Naruto schritten an ihr vorbei. Sie suchte Augenkontakt mit Shikamaru, als er an ihr vorüber getrieben wurde, doch bevor sie ihn fand, spürte sie einen groben Stoß im Rücken. »Beweg dich!«, forderte Kankurou sie auf und schubste sie unsanft vor sich her. »Und denk nicht mal ans Abhauen!« In Wirklichkeit dachte Ino an nichts anderes. Sie wollte laufen, so schnell wie möglich Abstand zwischen sich und diese Leute bringen, doch sie wagte es nicht. Sie wollte nicht von einer dummen Bleikugel erschossen werden und noch weniger wollte sie ihre Freunde im Stich lassen. Sie fixierte sich auf Temari, die wenige Meter vor ihr lief und Shikamaru die Schusswaffe an den Hinterkopf hielt. Seine Arme waren frei, aber er war klug genug, sich nicht gegen diese gefährliche Frau aufzulehnen. Sie nahm einen tiefen Atemzug und schloss für einen Moment die Augen. Sie hoffe, dass von ihren Freunden, die beim Haus geblieben waren, ihnen welche gefolgt waren, doch sie kannte alle gut genug, um zu wissen, dass sie sich keine Hoffnungen machen brauchte. Jeder hielt sich strikt an das, was ihm angeordnet wurde und niemand machte ausgerechnet heute eine Ausnahme. Kankurou stieß sie nach draußen. Obwohl die Sonne von Wolken verdeckt war, blendete sie das Tageslicht. Sie hörte das Zwitschern von Spatzen und sie fühlte sich verspottet von ihrem fröhlichen Gesang, der ihr weismachen wollte, dass alles in Ordnung war. Dass alles noch so friedlich wie vor zwei Jahren war und es sich nur um ein dummes Missverständnis handelte. Sie wünschte sich, dass es tatsächlich so wäre, doch sie gab sich dieser Illusion nicht hin. Sie gingen ein Stück, bis die Höhle aus der Sichtweite verschwunden war und sich der leicht ausgetretene Weg in zwei Richtungen aufteilte. Der Rechte führte bergab – wohin genau, konnte Ino nicht sagen, denn er verschwand einige Meter weiter hinter ein paar Bäume – und der Linke schlängelte sich hinauf in die Berge. Sie schlugen den Letzteren ein. Der Pfad war unwegsam und steil. Shikamaru versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie anstrengend der Aufstieg war. Er spürte, wie seine Beine schwerer wurden und seine Lunge auf Hochtouren arbeitete, aber er unterdrückte jeden lauten Atemzug. »Leg mal einen Schritt zu!«, zischte Temari. »Ansonsten schmeiß ich dich vom Abhang, wenn wir oben sind.« »Wozu willst du dir die Mühe machen?«, fragte er gelassen. »Zieh doch einfach am Abzug. Dann bist du deinen Job als Aufpasserin los und ich muss mich nicht bis nach oben quälen.« »Und mit deinen Überresten ein paar wilde Tiere anlocken?«, entgegnete sie unbeeindruckt. »Träum weiter.« »Ich bin nicht scharf drauf, zu sterben«, gab er zurück. »Aber wenn es dazu dient, euch in Schwierigkeiten zu bringen, überleg ich es mir noch mal.« Sie lachte humorlos. »Ich hätte besser dich und nicht das Mädel knebeln lassen sollen«, bemerkte sie. »Aber die dummen Sprüche werden dir ohnehin bald vergehen.« Nun war er es, der trocken lachte. »Das glaube ich nicht.« »Dann fang schon mal an zu beten!«, fauchte sie ihm ins Ohr und verpasste ihm einen Schlag in den Rücken, der ihn ins Straucheln brachte. Bevor er sich fangen konnte, fand er sich mit dem Rücken an die Felswand gepresst vor. Sie griff seinen linken Arm, verdrehte ihn auf schmerzhafte Weise und presste ihm den Lauf der Pistole an die Schläfe. »Noch so ein Kommentar und du bist tot!«, drohte sie ihm und obwohl sie so leise sprach, dass niemand außer ihm hören konnte, was sie sagte, schwang ihrer Stimme eine Entschlossenheit mit, die ihm geradezu Angst einflößte – oder zumindest hätte sie das, wenn er noch der alte Shikamaru von vor der Zombie-Invasion gewesen wäre. »Dann drück ab!«, provozierte er sie. »Drück ab und locke mit dem Echo des Schusses ein paar Zombies hierher.« Sie lächelte überheblich. »Glaubst du etwa, wir hätten die Umgebung von den Biestern nicht gesäubert?« »Das nicht«, gab er zu, »aber du weißt schon, dass die Dinger Beine haben und laufen können?« »Sei still!«, fuhr sie ihn an. »Sonst hast du gleich zum letzten Mal die Klappe aufgerissen.« Shikamaru erwiderte ihren verärgerten Blick voller Desinteresse und fragte beiläufig: »Bist du fertig mit deinen leeren Drohungen?« »Temari«, warf Kankurou ein »lass dich nicht provozieren!« »Sein dummes Gefasel provoziert mich nicht im Geringsten!«, murmelte sie, dann ließ von Shikamaru ab, schaute ihn verächtlich an und zischte: »Beweg dich!« Er wandte sich von ihr ab und ging los. Sein zufriedenes Lächeln sah niemand. Ino hatte die Szenerie beobachtet. Sie hatte keinen Schimmer, was sich Shikamaru von der Aktion versprach, doch sie vertraute ihm. Er wusste genau, was er tat. Kankurou, der nach wie vor ihren Unterarm festhielt, stieß sie gegen die Schulter, damit sie sich in Bewegung setzte. Sie tat ein paar Schritte, wurde von den Füßen gerissen – und die Ruhe nahm ein jähes Ende. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)