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seni seviyorum - ich liebe dich

von

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Tag 1 - die Begegnung

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Tag 2 - ignorieren oder nicht ignorieren?

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Tag 3 - ein Scheidungsgrund mehr

Es war morgens und Resit richtete sich gerade von seinem Gebetsteppich auf, als es an der Tür klopfte.

Er seufzte leise. Wirklich Lust zum aufstehen und Tür öffnen hatte er nicht. Erst vor einer Stunde war er aus dem Bett gekrochen, ging duschen und wollte nun etwas für sich alleine beten – auch um den Kopf frei zu bekommen – während Emily nun ihrerseits im Bad hantierte.

Er lauschte einige Sekunden und hielt fast die Luft an, nur um so zu tun, als sei er nicht da. Im Hintergrund bemerkte er, dass die Brause im Bad abgeschaltet wurde.

Im selben Moment klopfte es erneut und die Stimme seines Vaters war zu hören: „Resit, bist du da?“

Natürlich sprach er auf Türkisch, warum auch nicht, er ahnte ja nichts davon, dass Emily hier im Zimmer war und Resit war sich sicher, dass das auch besser so bleiben sollte. Nicht, dass es Inan stören würde, wenn sein Sohn etwas mit der Anwältin hätte, aber genau da lag das Problem...

„Resit?“, es klopfte erneut und nun erhob er sich doch seufzend. Mit blanken Füßen tappte er über den teuren Teppich und kam zur Tür.

„Sekunde.“, bat er durch das schwere Holz und entsicherte den Riegel und den Schließmechanismus. Schließlich öffnete er die Tür einen kleinen Spalt.

„Was gibt es, Vater?“

„Ich wollte dich abholen. Wir Männer haben uns gestern überlegt, vor dem Frühstück noch zusammen zu beten. Das Hotelpersonal hat uns vorn im Schloss einen Raum vorbereitet. Ich dachte, dass du vielleicht mitkommen möchtest.“

„Danke, aber um ehrlich zu sein war ich gerade selbst dabei. Na ja, vielleicht auch schon wieder fertig.“, er seufzte und sein Vater zog eine Augenbraue hoch.

„Was hast du, mein Sohn?“

„Fag bloß nicht.“, bat Resit und öffnet die Tür etwas weiter, lehnte sich in den Rahmen und sah ihn mit verschränkten Armen an.

„Es geht um Nalan, habe ich recht?“, fragte Inan.

Weit gefehlt und doch mitten ins Schwarze.

Resit war verwirrt und ruhelos. Er hatte einen fantastischen Nachmittag und eine noch bessere Nacht mit Emily verbracht, doch nach dem Aufwachen hatte er Panik bekommen. Ihm ging das alles viel zu schnell und wer wusste schon, was die Deutsche von ihm erwartete? Natürlich, bisher hatte sie keine Forderungen gestellt und keinerlei Anzeichnen gemacht, dass sie von irgendetwas ausging, was er ihr nicht versprochen hatte, doch auch, wenn keiner von ihnen diese speziellen Worte, „Ich liebe dich.“, gesagt hatte, so hatte er doch ein schwer ungutes Gefühl bei dieser gesamten Angelegenheit. Immerhin war da noch, wie man es auch drehte und wendete, Nalan, seine Ehefrau. Sie hatte ihn verletzt, das war wohl richtig und sie hatte ihn verlassen, auch dieser Fakt war unumstößlich, doch was, wenn es einfach nur dieser Frust gewesen war, der ihn zu Emily getrieben hatte? Nachdem er sich nun Stunden lang mit ihr vergnügt hatte, war es wie in einer frischen Beziehung – dieses Flittern zu Beginn und das Gefühl von den unzähligen Schmetterlingen war einfach verschwunden und man begann alles etwas nüchterner zu betrachten. Und bei ihm lief das auf Zweifel hinaus, die er an dieser ganzen … Affäre mit Emily hegte.

Und dann schlichen sich wieder Gedanken an Nalan in seinen Kopf. Was auch immer seine Frau zu der Meinung bewegt hatte, sie müsse sich von ihm trennen, es war sicherlich nachvollziehbar. Das Schlimme war nur, je länger er von ihr getrennt war, desto mehr sehnte er sich zu ihr zurück. Die Sehnsucht nach ihr wuchs immer mehr, ob nun aus wirklicher Liebe oder purer Gewohnheit, das wusste er selbst nicht.

„Der Grund, warum ich alleine beten wollte, ja. Entschuldige, Vater.“, er nickte schließlich. „Aber zum Frühstück werde ich wieder bei euch sein.“

Er wollte gerade die Tür schließen, als der Älere schnell eine Hand auf das Holz legte und sie wieder auf schob.

„Ich habe meinen Kollegen angerufen. Emily in allen Ehren, aber ich denke es ist besser einen Anwalt zu haben, der sich mit alledem wirklich auskennt. Und leider gehört die Kleine nicht dazu.“

Schneller als das Resit hätte schalt können, schob er die Barriere vollends aus dem Weg und trat einfach an ihm vorbei ein.

„Ehm“, bracht seine Sohn nur hervor und war mit einem Schlag hell wach. „Wolltest du nicht zum Gebet?“, fragte er, schloss lieber die Tür um zu verhindern, dass vielleicht noch ein ungebetener Gast eintrat und folgte ihm.

„Ja, mach mal keine Hektik. Oh, ich sehe du hast schon an der Übersetzung für Emily gearbeitet.“

Er trat an den Tisch heran, wo verschiedene Blätter kreuz und quer lagen und beugte sich darüber.

„Ja, ich habe gestern Abend angefangen. Aber es ist gar nicht so einfach, diese Beamtensprache...“, nun ja, wenigstens war das zum Teil nicht gelogen...

Inan nickte verstehend und schob das Papier hin und her.

„Ah, das Buch.“, er nahm sich den Gesetzesband vor, den Emily am Tag zuvor bekommen hatte und blätterte ihn durch. „Das ist gut, das Ding. Das sollte dir bei der Übersetzung helfen.“, bemerkte Inan und sah an den Blättern vorbei wieder auf den Tisch.

„Ein wenig, aber...“, begann Resit, doch sein Vater unterbrach ihn: „Das ist aber nicht deine Schrift.“, er zog einen Notizzettel von Emily hervor und betrachtete ihn eingehend. Der Stift hatte vor einigen Sekunden noch darauf gelegen, er rollte gerade über den Tisch.

Irritiert zog er die Stirn kraus und sein Sohn hielt die Luft an, schloss lieber die Augen in der Hoffnung, dass sein Vater wieder weg war, wenn er sie erneut öffnete. Der aber überlegte unterdessen, wie es sein konnte, dass hier ein Notizzettel lag in einer fremden Handschrift. Auf Deutsch. Wenn er es nicht besser wüsste, dann war Emily hier, doch die hatte doch gestern nach diesem miserablen Kaffeetisch die Fahrt zu ihren Eltern angetreten, wo sie über Nacht bleiben wollte – zumindest laut dem Telefonat, das sie mit Sabiha geführt hatte...

Er sah hoch zu seinem Sohn, dessen Finger sich in der Armverschränkung fester um seinen Bizeps schlossen.

„Resit?“, fragte er und dann fiel sein Blick auf einen der Sessel in der Ecke. Ein schwarzer Rock, eine giftgrüne Bluse, ein weißer BH und ein ebenso weißes Damenhöschen, beige Schuhe mit hohem Keilabsatz.

Diese Kleidung hatte Emily am Tag zuvor getragen. Kurz gluckste er, als er endlich verstand. Er sah wieder zu ihm, da blickte er in das verbissene Gesicht seines Sohnes.

„Was ist?“, fragte er nichts verstehend und wollte gerade seine durchaus positive Meinung zu der Beziehung kund tun, als die Tür zum Bad aufsprang.

„Resit? Ich hab meinen BH drüben vergessen, weißt du, wo der von gestern liegt?“, mit einem Handtuch bekleidet trappte Emily in den Schlafbereich und blieb augenblicklich wie angewurzelt und mit gigantischen Augen stehen.

„Inan“

Nun konnte der Vater sich wirklich nicht mehr beherrschen. Er begann breit zu grinsen und hob eine Hand vor den Mund, um nicht vollends loszulachen. Er stellte sich bereits das Gesicht seiner Mutter vor.

„Einen wunderschönen guten Morgen, Emily. Wir denken du bist bei deiner Familie.“, antwortete er nun natürlich wieder auf Deutsch. Augenblicklich wurde ihr Gesichtsausdruck gequält ertappt.

Resit seufzte und nickte zum Sessel hinüber.

„Da ist er. Ich hab deine Sache da rüber gelegt.“

Dankbar für diese Ablenkung nickte sie, sprang schnell hinüber und sammelte alles ein. Dann verschwand sie wieder, ohne ein weiteres Wort, im Badezimmer.

Inan sah ihr nach und blickte dann zu seinem Sohn hinauf.

„So ist das also. Warum habe ich mir das nur gedacht?“, er lachte und ließ sich auf einen der Stühle fallen. Noch immer grinsend sah er dem Anderen dabei zu, wie er sich ihm gegenüber setzte.

„Warum solltest du dir das gedacht haben?“

„Aufgrund der Blicke, die ihr gesern einander zugeworfen habt. Die sind erstaunlich vielen aufgefallen. Besonders im Nachhinein, als ihr euch aufeinmal zeitgleich für den Rest des Tages entschuldigt habt.“

Resit atmete tief durch.

Na wunderbar, das hatte ihm noch gefehlt. Wie sollte er diese Situation nun erklären und zwar vor der ganzen Familie? Er ließ sich von Nalan scheiden und noch während dessen hatte er was mit Emily, bei der am Ende dann doch nicht blieb...

„Ich sage dir, mein Junge, ich bin stolz auf dich.“

Irritiert sah er seinen Vater an.

„Was ist? Nach Nalan ist Emily sicherlich die best Wahl, die du treffen konntest. Sie ist intelligent, äußers pflichtbewusst und sieht klasse aus. Sicher wird mir deine Mutter da auch zustimmen.“

Resit atmete tief durch.

„Behalten wir das alles für uns, in Ordnung?“, bat Resit.

„Natürlich, wir wollen ja die Hochzeit nicht stören.“, Inan nickte verstehend, da trat Emily wieder aus dem Badezimmer. Verlegen trat sie näher und sah den Älteren der beiden Männer vorsichtig an. Die zwei geflochtenen Zöpfe auf ihren Schultern gaben ihr ein mädchenhaftes Aussehen und das blass gelbe Kleid mit hoch angesetztem Rundausschnitt und flattrigen Faltenrock bis zu den Knien wirkten so unschuldig, dass Inan nur den Kopf schüttelte.

„Versuch es gar nicht. Ich hab dich durchschaut!“

Emily machte ein unentschlossenes Geräusch und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen.

Nach außen hin war Resit ruhig, daher macht sie sich keine Gedanken darum, dass er das, was sie hatten, Gedanklich schon beendete. Ihr Problem war eher die Reaktion der Familie auf eine Frau, die nicht ihrer Religion angehört. Schlimmer noch, die zu keiner Religion gehörte!

Doch Inan lachte nur und stand auf.

„Alles gut, Emily.“, er kam zu ihr hinüber, griff nach ihrem Gesicht und zog sie zu sich, gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ich freue mich sehr und Melika mit Sicherheit auch, wenn sie hiervon erfährt.“

Gut, das beruhigt sie. Sie lächelte erleichtert und drückte seine Hände.

„Nimm deine Sachen und pass auf, dass sie keiner sieht.“

Irritiert sah sie zu ihm hinauf, als Resit bereits aufstand und hinüber ging, um ihre Kleidung einzusammeln.

„Und dann?“, sie sah ihm nach.

„Na, denkst du, dass ich dich hier lasse? Nein, nein. Wenn Resit nicht mit kommt zum Gebet, dann werden seine Oma und seine Mutter kommen. Du solltest nicht hier sein. Sie wollten sich gestern schon das Zimmer ansehen.“

„Aber ich dachte, dass du...“

„Vater hat recht. Es ist besser, wenn es keiner weiß. Es würde die Hochzeit durcheinander bringen. Und Sabihas und Cans Nerven stehen so schon dicht am Abgrund.“, meinte Resit und drückte ihr ihre Kleidung in die Arme.

Ratlos betrachtete sie sie und knautschte den Stoff. Dann sah sie wieder hart zu ihm hinauf.

„Schämst du dich für mich?“, fragte sie direkt.

„Darum geht es nicht!“, versuchte er abzulenken. „Es geht darum, dass Großmutter ausrastet, wenn sie davon hört. Zumal ich noch immer nicht geschieden bin.“

Inan nickte zustimmend.

„Es sollte unter uns bleiben.“

Emily sah zwischen ihnen hin und her. Er hatte ihr nicht auf ihre Frage geantwortet und das gefiel ihr genauso wenig, wie diese schwer verdauliche Wahrheit, die er stattdessen aussprach.

„Also komm!“, Inan schob sie in Richtung Tür und öffnete diese bereits, um hinaus zu spähen, doch zum Glück war niemand zu sehen. Als er wieder zurück sah, da kam gerade Resit langsam hinter ihnen her. Mit noch imer verschränkten Armen blickte er finster auf den Boden vor sich.

Emily drehte sich herum und hob den freien Arm, strich ihm über die Schultern und den Brustkorb.

„Hey, lächel mal!“, flüsterte sie, dass er es fast nicht verstanden hätte. Resit hob zwar den Kopf, doch seine Mimik veränderte sich nicht im Geringsten. Inan beobachtete das Spiel im Gesicht seines Sohnes und kniff die Augen zusammen. In diesem Moment ahnte er erneut, dass trotz allem noch nichts ein gutes Ende genommen hatte. Irgendwas würde hier noch kommen und er wollte nicht wissen, wie es schlussendlich ausging.

„Geh jetzt lieber.“, bat er dann, ohne dem Wunsch der jungen Frau nachzukommen, sie noch einmal zum Abschied zu küssen. Stattdessen strich er über ihre Ellenbogen und schob sie dann zu seinem Vater hinüber. „Ich räume noch auf und dann komme ich zum Frühstück.“

Inan nickte.

„In Ordnung. Lass dir Zeit, wir werden sicher eine Weile für das Gebet brauchen.“, er ließ Emily vor sich hinaus gehen und sah dann ebenso wie sie noch einmal zurück, doch die Tür schloss sich bereits, noch ehe sie einen letzten Blick hinein werfen konnten.

Emilys Herz zog sich so stark zusammen, dass sie am liebsten zu heulen angefangen hätte, zu schreien und gegen die Tür zu treten.

„Also los, Emily, wir bringen jetzt schnell deine Sachen weg, bevor einer was sieht und dann gehen wir zum Schloss rüber.“, schlug Inan grinsend vor, doch die junge Frau biss einfach nur fest die Zähne zusammen. Als keine Reaktion von ihr kam sah Inan genauer hin. Er wusste nicht was es war, das ihr Gesicht verzerrte, Wut oder Schmerz, doch dann griff sie fester ihre Sachen auf dem Arm, machte mit einem mal kehrt, ohne ihn weiter zu beachten und rauschte davon.

„Emily?“, fragte er irritiert und sah ihr nach, bis ihre Tür mit einem kräftigen Rumms ins Schloss fiel.
 

„Und was, wenn sie doch nicht mehr wieder kommt?“, jammerte Sabiha den Tränen nahe. Seufzend und dennoch ebenso angespannt wie sie, nahm Can sie in die Arme und betrachtete die vielen Menschen um sie herum, die alle auszuchecken versuchten. Ab diesem Nachmittag war die komplette Anlage nur für die Hochzeitsgesellschaft reserviert.

„Sie wird schon kommen, oder etwa nicht?“, Can wollte erst seine Frau beruhigen, doch dann sah er ebenso verzweifelt wie sie zu seinen Eltern, Schwiegereltern, den anwesenden Großeltern und seinem Bruder. Der Rest der Verwandschaft machte einen vom Hotel organisierten Tagesausflug mit Stadtrundfahrt in Berlin.

Während Peri und Melika ihnen bestätigten, dass sie sich sicher auf Emily verlassen konnten, konnte Inan diese Aussage nicht unbedingt unterschreiben, doch er schwieg dazu und sah zu seinem ältesten Sohn hinüber, der nur wortlos vor sich hinstarrend und mit reglrecht abweisender Körperhaltung auf einer Couch im Wartebereich saß und die Szenerie um sie herum beobachtete.

Emily war nicht zum Frühstück erschienen. Niemand hatte sie gesehen und das Zimmer war leer oder zumindest öffnete sie nicht. Während des Vormittags war dann vermutlich auch Resit aufgegangen, das irgendwas am Morgen gehörig schief gelaufen war und seit dem sah er so aus, als würde er dem Nächsten, der ihn ansprach, mit bloßen Händen den Kopf abreißen. Die Freude seines Vaters über die scheinbare Beziehung von Resit und Emily war dementspechend schnell verflogen.

Doch auch Inan wusste nicht, was er hätte tun sollen. Mit solch einem Dilemma kannte er sich nicht aus. Und um des lieben Friedens Willen, wollte er das Thema auch nicht gegenüber seiner Frau und Cans Schwiegermutter ansprechen. Als Frauen hätten sie zwar gewusst, was zu tun wäre, doch dann wäre bei der Hochzeit wohl entgültig alles aus den Fugen geraten.

Die beiden Großmütter dagengen schienen sich über den Verlauf der Geschichte köstlich zu amüsieren. Sie hätten es ja schon immer gewusst, auf solch eine Person war einfach kein Verlass. Eine unverheiratete, deutsche Frau, die nur für ihren Beruf lebte war die eine Sache, doch diese dann auch noch zur Trauzeugin zu machen – was schon allein deshalb ein Affront war, da sie rein gar nichts vom Eheleben verstand – war für diese alten Damen natürlich ein untrügerisches Zeichen dafür gewesen, dass die ganze Hochzeit ein Reinfall werden würde.

Sabiha schluchzte leise und schüttelte den Kopf.

„Ich hätte sie doch nicht fragen sollen, oder? Es war ein Fehler! Ein ganz großer Fehler!“, jammerte sie.

„Aber nicht doch, mein Liebes.“, Peri kam zu ihr und legte ihr einen Arm um. „Bestimmt hat sie einen triftigen Grund, dass sie zu spät kommt. Sie würde dich nie einfach im Stich lassen.“

„Na sieh mal einer an, wer da kommt!“, Erleichtert atmete Mehmet aus und drückte sich dann durch die Menge, um Emily zuzuwinken, damit sie ihren Weg zu der Gruppe fand.

Sabihas Großmutter begann mit einem Ruck auf Türkisch zu schreien und sprang außerordentlich leichtfüßig für ihr Alter hoch. Schimpfend und zeternd folgte sie ihrem Schwiegersohn auf die junge Frau zu, die sich mit drei Tüten bepackt ihren Weg durch die Menge suchte.

Inan betrachtete sie eine Weile. Es sah nicht so schlimm aus, wie er dachte. Sie wirkte eher gehetzt als alles andere. Aus dem Augenwinkel konnte er beobachten, dass sich nun auch sein Ältester zu ihnen gesellte.

„Enschuldigt bitte die Verspätung.“, brachte sie hervor und wich gleich wieder zurück, als die Großmutter auf sie zu kam. Ihr folgte dann auch Inans Mutter und gerade, als sie sich wieder gefangen hatte und dem Plan folgen wollt, dass sie die Frauen einfach in solch einem Moment ignorierte, standen plötzlich auch Sabiha, Peri und Melika vor ihr. Während sie Letztere ebenso wenig verstand wie die beiden Großmütter, sah sie nur irritiert und kleinlaut zwischen der Braut und ihrer Mutter hin und her, wie sie sie zusammenfalteten.

„Wo bist du gewesen?“, fauchte Sabiha. „Wie kannst du mir sowas antun? Ich dachte, wir wären Freundinnen! Du bist immer pünktlich und heute lässt du mich warten! Ausgerechnet heute! Wo wir jede Minute für die Vorbereitungen brauchen! Wir hätten schon vor einer halen Stunde beginnen müssen und du bist nicht da! Wie kannst du mir das antun?“

„Du hast hoffentlich eine gute Ausrede parat, meine Liebe! Eine sehr, sehr gute Ausrede, hast du uns versanden?“, schallte es auch von Peri.

Die Männer sahen sich nur schweigend an, zumindest Can, Resit, Mehmet und Inan. Der Vater von Letzterem hielt sich wie immer im Hintergrund und ließ seine Frau die Angelegenheit regeln.

Eine Weile war es still und gerade wollten die Großmütter damit beginnen, den unliebsamen Gast wieder von der Hochzeit zu verbannen, da drückte Emily ihrer Freundin die Tüten in die Hand.

„Da drin sind die Hochzeitsschuhe meiner Mama, die du so unbedingt tragen wolltest. Sie möchte sie dir gerne ausleihen. Leider ist mir auf der Fahrt hier her ein Missgeschick passiert. Ich habe meine Saftflasche nicht richtig zugemacht und sie ist über dem Stoff ausgelaufen. Vor lauter Schreck wäre ich fast gegen einen Baum gefahren. Ich bin den ganzen Vormittag durch Berlin gejagt, um eine Reinigung zu finden, die mir sofort die Schuhe wieder säubern konnte. Ich habs auch wiklich geschafft, aber sie sind noch etwas feucht, also stell sie am besten noch mal ans Fenster oder so. Und dein Juwelier hat angerufen. In der kleineren Tüte findest du den Schmuck, den wir bestellt haben und das Geschenk für deinen Mann... und... und als ich beim Warten noch etwas Zeit hatte, habe ich dir deine Lieblingssüßigkeiten besorgt, in der Hoffnung, dass sie dich etwas entspannen können...“

Sabiha wurde immer ruhiger, ebenso wie ihre Mutter, die sich nun doch Verlegen wegen ihres Wutausbruchs das Innere der Tüten betrachte und diese dann Melika zeigte. Leise übersetzte sie ihr alles.

Selbstverständlich glaubten sie ihr alles und zum Großteil stimmte es ja auch, nur war ihr der Saft in ihrem Hotelzimmer über die Schuhe geflossen und anstatt es einem Angestellten zu geben, war sie selbst gefahren, in der Hoffnung so einige Stunden für sich zu haben.

Sabiha stand noch immer da wie angewurzelt und konnte nicht mehr tun, als ihre Freundin anzustarren. Emily atmete einmal schwer durch, wobei ihr Blick kurz zu Resit hinüber wanderte, aber dann sofort wieder zu ihrer Freundin.

„Fangt ihr nur ohne mich an. Ich denke es ist besser, wenn ich aussetze.“

Sie sah ihrer Freundin noch dabei zu, wie diese mit sich selbst hadernd herum zappelte, dann ging sie einfach an ihr vorbei, machte einen besonders roßen Bogen um die Männer, achtete darauf, dass sie niemanden ansah – vielleicht würden sie ja so verstehen, dass sie nicht mit ihnen reden wollte – und lief schon los in Richtung Hinterausgang.

„Fräulein?!“, verzweifelt sah Sabiha bei dieser Anrede durch ihre Mutter zu dieser auf. Peri wies herrisch in die Richtung des Hinterausgangs.

„Da lang! Aber plötzlich! Und wag es nicht ohne sie hier aufzuschlagen!“

Sabiha nickte dankbar und lief schnell hinter ihr her. Auf der Terasse holte sie sie ein, griff sie an der Schulter und drehte sie zu sich herum. Sofort nahm sie sie in die Arme.

„Danke, danke, danke, für alles... Ich habe mich wirklich mies verhalten. Ich weiß doch, dass du mich nie im Stich lässt.“

„Aber ich weiß genauso gut, dass du im Moment sehr reizbar bist. Ich hätte dich anrufen sollen...“, murmelte Emily und erwiderte die Umarmung nur leicht, doch dafür drückte Sabiha nun umso fester zu und quickte dabei freudig.

„Also, wieder alles gut? Ich will das hier nicht ohne dich durchziehen! Also los, ran an den Hochzeitsplaner! Die große Party beginnt genau jetzt!“ Sie sah sie breit grinsend an, aber Emily seufzte nur.

„Nein... ich glaube ich bin heute nicht für soetwas in der Stimmung. Bitte entschuldige... Aber ich würde mich lieber in meinem Zimmer einschließen und erst zum Hennaabend wieder raus kommen.“

„Was?“, Sabiha sah ihre Freundin irritiert an, doch diese begegnete gar nicht ihren Augen, wie sie nun feststellen musste. Emilys Blick ging an ihrem Ohr vorbei in das Haus zurück. Und dann plötzlich brach sie fast in sich zusammen.

„Emily!“, erschrocken schlang Sabiha die Arme um ihre Freundin. „Was hast du nur? Was ist denn los?“

Doch es kam keine Antwort. In den Armen der Braut schluchzte sie nur hemmungslos weiter.

„Meine Güte, ich dachte nicht, dass dich meine Hochzeit so fertig macht! Hast du mir nicht mal gesagt, dass solch eine pompöse Feier nichts für dich wäre? Warum bist du dann jetzt so traurig? An meinem Tag...“

„Um die Hochzeit geht es doch gar nicht.“, Emily wischte sich über die Augen und die Nase und war wirklich versucht ihrer Freundin alles von sich und Resit zu erzählen, doch vermutlich würde sie es an Can weitergeben – so, wie sie ihm einfach alles erzählte – und irgendwann würde diese ganze Sache dann als Selbstläufer wieder bei ihr landen und das mit Sicherheit nicht unbedingt wohlwollend. Also entschied sie sich lieber dagengen.

„Was dann? Was ist denn los mit dir?“

„Egal... ich erzähle es dir, wenn die Hochzeit vorbei ist.“, und Resit wieder in der Türkei, fügte sie noch in Gedanken hinzu.

Sabiha sah sie noch eine Weile nachdenklich an, dann nickte sie aber.

„In Ordnung... aber dafür kommst du trotzdem mit und hilfst mir oben.“, pochte sie weiter. „Du bist doch die Einzige von uns beiden, die wirklich den Durchblick hat.“

Sie grinste sie an und Emily musse lachen.

„Na ja... ok“, meinte sie dann widerwillig und rieb sich noch einmal die Augen, während die Dunkelhaarige sich bei ihr unterhakte und mit sich zog.

Im Vorbeigehen gab Emily ihre Tasche an eine Angestellte weiter und bat sie, die in ihr Zimmer zu bringen – die Frau trug auch bereits die Tüten, die sie für Sabiha mitgebracht hatte – dann griff ihre Freundin schon nach dem Arm ihres Mannes und zu dritt führten sie dann die kleine Gruppe weiter in den Saal des Restaurantes, der gerade umgeräumt wurde.

In der Mitte des Raumes an einem einzeln stehenden, runden Tisch, sahen drei Frauen in schicken Anzügen auf.

„Ah, wunderbar, genau richtig!“, rief die eine und lief auf sie zu, um die Ankommenden näher zu führen. „Wir besprachen gerade wie wir den Saal am Besten umräumen könnten, dass er sowohl allen Gästen einen Platz beim Frühstück gibt, als auch perfekt angeordnet ist, für den morgigen Henna-Abend. Natürlich haben wir bereits alles geplant, aber vor Ort muss man oft leicht improvisieren. Bitte, sehen Sie sich einmal diesen Entwurf an.“

Die Frau wies auf einen großen Bogen festes Papier, auf dem verschiedene Sitzgruppen eingezeichnet waren.

„Für den Hennaabend werden Sie beide den Raum von dort betreten, wo die Schleier gerade angebracht werden. Für die Zeremonie des Abwaschens vom Henna, wird der Bräutigam auch wieder von dort kommen. Hier brauchen wir dann die Mitarbeit des Trauzeugen vom Bräutigam. Sie müssen genau darauf achten, dass Ihr Bruder rechtzeitig für den Zeitablauf hier ist.“, sie sah Resit an und er nickte nur. All diese Vorbereitungen erinnerten ihn nur an seine eigene Hochzeit vor Jahren...

An Konzentration war damit nicht mehr möglich.

Vor allem, weil er bei jedem Gedanken an diese vergangenen Tage, auch zeitgleich an ihre momentane Situation denken musste.

Nur von weit weg bemerkte er, dass nun die zweite Hochzeitsplanerinnen zu reden begann.

„Ebenfalls wurden von dem Bräutigam für den Abend Shishas gewünscht. Während wir hier reden, werden bereits fünfzig hochwertige Wasserpfeifen geliefert und der Saal im Gartenhaus entsprechend vorbereitet.“

Can jubelte spielerisch um die Situation aufzulockern und grinste seinen Vater und Bruder an, doch lediglich Ersterer erwiderte es. Resit schien noch immer in einer weit entfernten Welt gefangen zu sein.

„Kommen wir nun zum Höhepunkt!“

Und an dieser Stelle verließ auch Emily die Konzentration. Selbstverständlich freute sie sich für ihre Freunde und sie wünschte ihnen nur das Beste und würde sie unterstützen, wo es nur ging, aber so sehr sie sich auch bemühte, ihr gingen gerade ganz andere Dinge durch den Kopf. So folgte sie der Gruppe einfach nur gezwungenermaßen, da Sabiha sie noch immer mit sich schliff, doch zuhören war etwas ganz anderes.

So schritten sie zu elft den kompletten Weg ab. Sie begannen in dem vorderen Teil des Geländes, wo sich das Schloss befand. Hier sollte der Hennaabend stattfinden und die größte und luxuriöseste Suite im obersten Stockwerk, sollte die Rolle von Sabihas Elternhaus übernehmen. Sie erklärten der Gruppe, wie sie sich die Abholung vorstellten und schließlich das Davonfahren des Paares. Gemeinsam mit Resit und Emily wollten sie in einer der Hoteleigenen Limousinen zu ihrem Fototermin in einem kleinen, romantischen Park fahren, der noch weiter draußen auf dem Land lag.

Begleitet von Ohs und Ahs folgten sie den Ausführungen, bis zur Rückkehr des Paares. Durch den Garten sollte es dann bis zum Palais gehen. Sie sprachen von jedem Detail der Dekoration und jeder Position der Tische und deren Sitzordnung und erklärten den Zeitlichen Ablauf der Zeremonie.

„Da haben wir dann allerdings ein Problem.“, erst bei diesen Worten lauschte Emily auf. Oh nein, ein Problem... schlimmer konnte es doch nicht mehr werden! Sabiha würde sicher jeden Moment ausrasten.

„Problem? Was für ein Problem?“, na bitte, sie schien schon Panik zu bekommen.

„Nun, der Imam wird Sie belehren und fragen, ob Sie wirklich bereit seid für die Ehe und diese wollen. Traditionell wird er auch die Trauzeugen darum bitten, die Ehrlichkeit Ihrer Antworten zu bezeugen... Aber diese Trauzeugen müsse alle Muslime sind. Und die Trauzeugin der Braut gehört, laut ihren Aussagen, nicht dem Islam an. Das wird ein Problem darstellen.“

„Bitte was?“, entfuhr es Sabiha spitz. „Wir halten uns bei dieser Hochzeit an kaum eine Tradition wirklich! Die Segnung durch den Imam findet auch nicht in einer Moschee statt oder in meinem Elternhaus, sondern hier im Garten vor ALLEN Gästen! Da können wir doch wohl ein Auge zudrücken, weil Emily nicht gläubig ist, oder nicht? Mama!“

Peri machte ein verzweifeltes Gesicht. Sie würde das gern bestätigen, immerhin hatte sie selbst ja auch nicht mehr daran gedacht, dass Emily aufgrund dessen ungeeignet in der Position der Trauzeugin war. Doch hierbei ging es um die religiöse Trauung vor Allah. Der Imam würde es niemals zulassen, dass eine Ungläubige ihre Schwüre bezeugte.

Sie dachte noch nach, als Inan das ganze seiner Frau auf deren fragenden Blicke hin übersetzte. Mit großer Geste und einer Stimme im Ton von ich-habe-es-euch-doch-gleich-gesagt mischte sich aber seine alte Mutter ein und auch Sabihas Großmutter beglückwünschte sie zu dieser Wendung.

„Wenn das etwas ist, das wir nicht lösen können, dann bin ich eben nicht die Trauzeugin.“, erklärte Emily und zuckte die Schultern. „Ich war es ja schon beim Standesamt, den Rest macht dann halt jemand anderes.“

„Aber ich will doch dich!“, jammerte Sabiha wie ein kleines Kind. Peri seufzte.

„Vorschlag: Emily bleibt die offizielle Trauzeugin, aber vor Allah bestätige ich das Ganze.“

„Ist das nicht auch wieder gegen die Regeln?“, Mehmet überlegte.

„Regeln hip oder hop, wir haben doch bereits so vieles zu unseren Gunsten angepasst! Da kommt es auf das nun auch nicht mehr an.“, seine Frau winkte wieder ab und plötzlich wandten sich alle Cans Großmutter zu, die irgendwas vorzuschlagen schien.

„Ich glaube sie wird senil.“, Inan neben Emily verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf, während seine Frau mit seiner Mutter begann zu diskutieren.

„Mutter schläg vor, dass Nalan Sabihas Trauzeugin wird. Immerhin würde es passen, da Resit ebenfalls Trauzeuge ist und sie was von der Ehe und den Pflichten als Frau versteht...“, er seufzte.

„Sie kann doch nicht einfach so vergessen haben, dass Nalan Resit verlassen hat, oder doch?“, ungläubig sah sie zu Inan auf.

„Nein, warte kurz!“, er ließ sie einfach stehen und stapfte nun ebenfalls auf seine Mutter zu. Gemeinsam mit seiner Frau meckerte er auf die Alte ein, die aber von allem, was sie ihr an den Kopf warfen, wohl nichts hören wollte.

„Gut, klären sie alles weitere, wir machen in der Zwischenzeit weiter, würde ich sagen. Wir brauchen jede Sekunde!“, erklärte eine der Hochzeitsplanerinnen und wandte sich wieder dem Brautpaar zu. „Bitte, hier entlang!“, baten sie und wollten so der zankenden Gruppe entfliehen.

„Komm, Emily, das überlassen wir lieber Melika und Inan.“, Peri schob sie weiter in den nächsten Raum.

Kurz bevor die Szenerie vollends aus ihrem Blickfeld verschwinden konnte, warf sie noch einen letzten Blick zurück und sah, wie sich nun auch Resit in die Diskussion einmischte... zu Gunsten seiner Großmutter, wie es schien.

Erschrocken leistete sie keinen Widerstand mehr und schloss schnell zu Sabiha und Can auf.

Sie hatte sich also tatsächlich nicht geirrt. Irgendwo in ihrem kleinen Zeh hatte sie noch immer gehofft, dass Resit am Morgen nur deshalb so reserviert war, weil er erschrocken darüber war, dass sein Vater sie erwischt hatte, doch dies schien nicht der Fall gewesen zu sein.

Natürlich nicht.

Wir konnte sie nur so dumm sein?

Da kam ein verheirateter Typ, der ihr erzählt, dass seine Frau ihm vor nichteinmal vierundzwanzig Stunden eröffnet hatte, dass sie ihn verlassen wollte und schon schlief sie mit ihm? Dieses Verhalten war selbst für sie absolut bescheuert. Und sie hatte schon viele solcher Dummheiten begangen. Aber die Könung schien nun wirklich die zu sein, dass sie hoffte, dass mit Resit nun alles ein Ende haben würde. Die einsamen Nächte, das nach Hause kommen in eine leere Wohnung... Denn wenn sie ehrlich war, denn war ein Kater auch nicht alles, was man im Leben brauchte. Er gab ihr viel Liebe – wobei man sich fragte, ob ein Tier das wirklich absichtlich tat – aber es war einfach nicht genug, mit diesem verschmusten Stubentiger abends auf der Couch zu liegen und seinem Schnurren zu lauschen, während man versuchte der neuesten Folge von Criminal Minds, Navy CIS oder gar the Big Bang Theory zu folgen...

Sie wollte mehr...

Mit jemandem wie Resit... oder eher MIT Resit.

Sie besah sich wie in Trance mit den anderen die verschiedenen Blumenarrangements und überlegte gerade, wie sie dem Ganzen am besten Entfliehen konnte, um zu ihrem süßen kleinen Nico heimzukehren, als sie spürte, wie sich jemand neben sie schob.

Sie musste nicht aufsehen, um zu erkennen, dass es der Bruder des Bräutigams war. Sie erkannte ihn allein an diesem Herrenduft, der sich absolut perfekt mit seinem eigenen Aroma vermischte und so etwas kreierte, dass sie beinahe augenblicklich schmelzen lies. Sie spürte schon wie ihre Knie zu zittern begannen und sie die Nase an seinen Hals drücken wollte, während sich ein wohliges Kribbeln in ihrem Unterleib ausbreitete, aber sie schaffte es, sich, soweit es ging, zu beherrschen. Nicht zuletzt damit, dass sie ihm den Rücken zudrehte, um ihn so aus ihren Sinnen zu verbannen. Dann hakte sie sich wieder bei ihrer Freundin unter und wies auf ein Gesteck aus einfachen, roten Rosen.

„Ehrlich gesagt finde ich das zu … ausgelutscht. Das hat einfach jeder. Viel schöner dagengen finde ich diese hier. Weiße Lilien und rosafarbene und blassgelbe Rosen. Und als Akzent dann vielleicht auf eurem Tisch noch rote Rosen, damit man gleich erkennt, wo ihr sitzt.“

„Das gefällt mir!“, rief Sabiha und die Organisatoren lächelten zufrieden.

„Eine sehr schöne Idee!“, erklärte eine anerkennend – oder vielleicht auch nur, weil sie diesen Ton gewohnheitsmäßig immer mit sich herum trugen.

„Seht ihr, ich verstehe ja doch was vom heiraten!“, erklärte Emily triumphierend und die Anwesenden lachten.

„Damit hätten wir die Tischdecken und die Blumen, kommen wir nun zum Porzelan.“, die Frauen winkten weiter. Eine Hand strich über ihren Unterarm, als sie los gingen, doch Emily bemerkte es erst Sekunden später, als es schon vorbei war. So sah sie sich auch nicht um, sie wusste, wer hinter ihr stand und sie hatte keine Lust mit ihm zu reden. Nicht jetzt. Also konzentrierte sie sich vollends auf das Geschirr, das nun aufgefahren wurde und es klappte. Sie schaffte es Resit voll und ganz aus ihren Gedanken zu vertreiben.

Sabiha begann bereits mit ihrer Mutter zu fachsimpeln, als Emily pfeifend einen Teller hob.

„Das ist doch mal was anderes und ein echter Hingucker! Eckige Teller mit Wellenrand, ich liebe es.“

Can lachte.

„Ich sehe schon, ihr macht das.“, damit löst er sich von der Seite seiner Frau und ging zu seinem Bruder hinüber. Emily wagte es nicht mehr sich zu bewegen, bis auch Can in ihrem Rücken stand und wandte sich dann wieder Sabiha und ihrer Mutter zu, die weiter über die Vor- und Nachteile der Teller und Tassen beratschlagten, im Vergleich zu dem Geschirr, dass Emily herausgepickt hatte.

„Was ist nun?“, wollte Can wissen und sie fluchte innerlich, dass sie das bereits gehört hatte, denn damit stand fest, dass sie das gesamt Gespräch anhören musste. Sie war zu neugiering.

Resit schwieg einige Sekunden, ehe er antwortete.

„Großmutter will Nalan anrufen und mit ihr reden. Und wenn das nicht reicht, ihre Eltern informieren, damit sie sie wieder „auf den rechten Weg“ führen.“

„Und? Hat sie es getan? Wie lief es? Mach es nicht so spannend.“

„Vater versucht sie noch abzuhalten. Er meint, es bringe nichts.“

„Aber das kann er doch gar nicht wissen.“, Can winkte ab. „Nehmen wir es doch, wie es ist. Der Richter wird euch so einfach nicht scheiden nur wegen dem, was sie an der Beziehung stört. Das zählt nicht zu den Gründen, die es einem oder euch beiden unerträglich machen die Ehe fortzuführen... und im Endeffekt wird er das alles ablehnen und ihr seit weitere drei Jahre verheiratet, ehe sie es erneut versucht. So kann das eurer ganzen Leben lang gehen.“

Resit nickte.

„Ich wollte es so schnell es geht über die Bühne bringen. Denn wenn wir beide die Scheidung wollen, dann haben wir vielleicht eine Chance unsere Leben von vorn zu beginnen. Aber du kennst Großmutter. Eine Scheidung geht auf gar keinen Fall. Schon gar nicht in ihrer Familie.“

„Und wenn ihr euch doch wieder vertragt?“, fragte Can und Emily hielt den Atem an.

„Das wäre das Beste, was mir passieren könnte.“, flüsterte Resit, doch sie konnte es dennoch ganz genau verstehen. Sie schluckte kurz und stellte den Teller wieder weg, sah dann über Sabihas Schulter als wäre nichts gewesen.

„Wenn Nalan mich wieder zurück möchte, dann könnte mich nichts davon abhalten. Sie ist meine Frau und ich liebe sie.“

„Dann solltest du es vielleicht wirklich noch einmal probieren. Vielleicht denkt sie ja nun, ein paar Tage später, ganz anders über diese Scheidung. Aber du solltest das tun, nicht Großmutter. Und vielleicht wäre dann wirklich dieses Trauzeuginnenproblem erledigt, oder? Was meint ihr?“, Can richtete nun das Wort an Sabiha, ihre Eltern, die Großmutter – die aber nichtreagierte, da sie kein Deutsch sprach – und Emily. Die ersten drei jedoch waren die Einzigen, die aufsahen, zusammen mit den drei Frauen, die sie durch das Programm führten.

„Worum geht’s denn?“, fragte Sabiha.

„Um Nalan. Ich bin der Meinung, dass, wenn Resit sie zurück will, er mit ihr reden sollte und nicht Großmutter. Und irgendwo fände ich es ganz passend, wenn sie dann wirklich an Emilys Stelle dem Imam unsere Schwüre bezeugt.“

Sabiha machte ein lustloses Gesicht und sah kurz zu Emily, die sich weiter „hochkonzentriert“ das Geschirr anschaute.

„Ich weiß nicht. Klar, wenn du willst, dann ruf sie an und rede mit ihr. Sie ist weiterhin herzlich eingeladen... Aber das mit der Trauzeugin... ich weiß nicht. Ich wollte Emily an meiner Seite haben.“

„Aber wenn das doch nunmal nicht geht.“, Peri sprach liebevoll und eindringlich zu ihrer Tochter, die nur seufzte.

„Emily?“, sprach Resit dann die Blonde an, aber die reagierte nicht, nahm sich nur einen neuen Teller, machte einen Kussmund und hielt ihn Mehmet hin. „Was ein Kitsch!“, lachte sie und er tat es ihr gleich.

„Emily“, richtete nun Peri das Wort an die junge Frau.

„Ja?“, fragte sie nur unschuldig, grinste sie breit an und hielt dann auch ihr den komplett rosafarbenen Teller hin, dessen Muster mit Blumen nur so überlief. „Sieht doch komisch aus, oder? Total überladen!“

Sie legte den Kopf schräg.

„Komm schon, du hast deine Ohren immer überall, also sag was zu dem Thema.“, forderte sie sie lächelnd auf. Sie begriff so wenig wie die Anderen, dass sie mit Absicht unbeteiligt tat. Lediglich Resit ahnte, dass der Teller nur eine Art Schutzschild darstellte. Sein Verdacht bestätigte sich, als sie sich ohne ihn anzusehen wieder umdrehte und alles beiseite stellte. Mit jedem Wort vermittelte sie ihm immer mehr das Gefühl, gar nicht existent zu sein.

„Was er mit Nalan tut ist seine Sache.“, erklärte sie nur. „Und was den Rest angeht könnt Can recht haben.“

Sabiha sah nicht wirklich begeistert von ihr zu ihrem Mann und dessen Bruder, als gerade seine Eltern und Großeltern wieder dazu traten.

„Und?“, fragte Resit für Emilys Geschmack etwas zu euphorisch.

„Sie wird deine Frau NICHT anrufen.“, erklärte Inan hart und sah zu seiner Mutter, die sich nur beleidigt abwandte.

Er atmete tief aus.

„In Ordnung“, mit fester Stimme und Blick sah er durch die Runde und blieb noch einmal für eine Sekunde an Emily hängen, die gerade zwei Tassen miteinander verglich und sah dann wieder zu seinem Vater.

„Dann werde ich das tun.“, verkündete er.

„Was?“, fragte dieser fast entsetzt. Er konnte nicht fassen, was sein Sohn da tat. Sicher, eine Scheidung wäre nicht unbedingt das Beste für das Ansehen der Familie, doch sie war ihm lieber, als dass sein Sohn weiter mit dieser Frau zusammen war. Denn damit, dass sie Resit verlassen wollte, hatte sie auch ihn, als seinen Vater, und seine Mutter und die ganze Familie gekränkt und beleidigt. Und vor allem seinen ältesten Sohn zutiefst verletzt.

„Ja“, Resit nickte. „Ich denke ich sollte es noch mal probieren. Vielleicht hat sich die erste Woge inzwischen gelegt und ich kann noch einmal vernünftig mit ihr reden, dass sie bei mir bleibt und her kommt.“

„Resit, das solltest du dir noch einmal überlegen. Kann mir vielleicht mal einer helfen?“, er sah sich verzweifelt um, besonders zu Emily, doch wie schon vorher tat sie, als hörte sie das alles nicht. Und der Rest der Gruppe stand nur verlegen mit den Füßen scharrend herum.

„Entschuldigen Sie?“, eine Angestellte des Hotels war die Einzige, die das Wort erhob und das auch nicht, um ihn zu unterstützen. „Wir servieren Tee, Kaffee und Kuchen im Garten. Wenn die Herrschaften mir bitte folgen würden?“, sie wies an sich vorbei in die Halle.

„Gut, geht ihr schon vor. Ich werde erst Nalan anrufen.“

Inan betrachtete ihn nur unwirsch, nickte dann aber.

„Gut, Kuchen fassen!“, Sabiha klatschte in die Hände, um die Situation wieder etwas zu lockern. „Sie sind natürlich herzlich eingeladen.“, erklärte sie der Managerin und den Hochzeitsplanern und lief dann schon vor. Nach und nach kleckerten die Anwesenden hinterher. In der Eingangshalle blieb Emily zurück und sah zu dem Torbogen des Flures hinüber, auf dem ihr und Resits Zimmer lagen. Er verschwand gerade im Eiltempo darin.

„Emily, komm“, Inan wollte sie weiterschieben, ehe ihr Zögern jemand bemerkte, aber sie schob ihn weg.

„Geht ihr mal vor, ich muss auch noch telefonieren.“, sie drehte sich gerade herum, als er nach ihrem Arm griff.

„Lass ihn. Es hat keinen Sinn, der Junge ist ein Sturschädel. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann gibt es kein zurück mehr. Lass mich lieber nachher noch einmal mit ihm reden.“

„Aber ich will doch gar nicht zu ihm.“, ihr Lächeln war so zuckersüß, dass es ihm eiskalt den Rücken hinunter lief. „Alles gut, ich bin in zwei Sekunden wieder bei euch! Ich will nur meine Nachbarin anrufen und nach meinem Kater fragen. Ich vermisse die Fellkugel.“

Er schluckte leicht, nickte dann aber und ließ sie gehen.

Ihm war genauso klar wie ihr, dass sie nicht einfach nur nach dem Wohl ihrer Katze fragen wollte. Emily brauchte Ruhe. Sie wolle jetzt niemanden um sich haben, sich einfach nur in ihr Zimmer setzen und über alles nachdenken, was in den letzten Tagen vorgefallen war und sich einen Plan machen, wie sie die Letzten auch noch überleben würde.

Sie schlüpfte durch den Torbogen in den dunklen Gang, wie in das Maul eines Monsters und hob gerade eine Hand ans Gesicht, da beschloss Inan, dass das nicht so ausgehen konnte. Er entschuldigte sich kurz bei Melika mit der Ausrede, dass er nach seinem Sohn sehen wollte und folgte den Beiden. Er stand noch gar nicht richtig im Flur, da wurde er bereits Zeuge ihres Zusammentreffens.

Als Emily kurz den Kopf hob, während sie sich Augen und Nase rieb, entdeckte sie, dass Resit noch immer nicht in seinem Zimmer war. Das Schloss der Tür öffnete sich gerade mit einem Klick, als er aufsah. Zuerst bemerkte er die Gestalt, die auf ihn zugerauscht kam, dann seinen Vater, der ihr mit besorgter Miene zu folgen schien. Und Emily sah tatsächlich nicht gut aus. Ihre Stirn und Augenbrauen warfen bereits krause Wellen und als sie ihn ansah, schlug sie plötzlich eine so harte Schlangenlinie ein, dass er erst dachte sie würde gegen die Wand auf der anderen Seite des Flurs rennen.

Nun war er da, der Moment, vor dem er sich hatte drücken wollen, weil er verdammt schiss davor hatte. Wie sollte er ihr in die Augen sehen und ihr erklären, dass er nun mal immer Nalan lieben würde? Dass das mit ihnen nur eine einmalige Sache war? Er fühlte sich verdammt dreckig dabei, ihr zu sagen, dass sie nichts als eine kleine Affäre war, mit der er sich über den Streit mit seiner wahren Liebe hinweg trösten wollte.

Wie das klang, absolut affig und er war ein Mistkerl.

Das wurde ihm auch klar, als sein Vater langsamer wurde und ihn strafend anblickte, während Emily das Gesicht wieder abwandte ihn so umschiffte, um zu ihrem eigenen Zimmer zu kommen.

Er atmete schwer aus und folgte ihrer Bewegung mit dem ganzen Körper.

„Emily“, versuchte er sie zu stoppen, doch wie den gesamten restlichen Tag bereits, schien sie von ihm keine Notiz zu nehmen. Und dieser Umstand machte ihn rasend!

Wie konnte sie ihn einfach wie Luft behandeln und so tun, als wäre zwischen ihnen nichts? Oder eher nie was gewesen...

Er strich sich durch die Haare, nicht wissend, wie er dieses Gefühl des verletzt seins wieder aus seinem Innern verbannen sollte. Immerhin überlagerte es wehement das Gefühl, Nalan anrufen zu wollen. Das wurde ihm auch erst in diesem Moment klar, in diesem dunklen Gang und mit dem Wissen, dass Emily sich mit der Trennung von ihm genauso schwer tat, wie er mit der von Nalan.

Die Gefühle, die auf ihn einströmte, als er das erste mal den Verdacht hegte, dass Emily sich tatsächlich in ihn verliebt haben könnte, wollte er nicht zuordnen, zu große Angst hatte er davor. Es kribbelte in seinem Magen und sein Herz zog sich schuldbewusst zusammen, als wollte es einfach stehen bleiben.

Emily zu verletzen war wirklich das Letzte, das er tun wollte, doch sein Kopf sagte ihm, dass dieser Moment unumgänglich war.

Sie erreichte ihre Tür, griff in eine ihrer Taschen und zog den Schlüssel hervor. Einen ihrer locker geflochtenen Zöpfe legte sich über ihre Schulter, wie eine imaginäre Grenze. Doch er wollte keine Grenze haben!

Sein Kopf konnte nichts tun, als seine Füße sich in Bewegung setzten. Mit der Hand noch immer an der Klinke seiner Tür, zog den Riegel wieder ins Schloss und gerade, als sie ins Innere des Goldenen Raums trat, tat er einen letzten Satz und bekam noch gerade so einen Fuß zwischen das Holz. Erleichtert atmete er kurz ein und drückt sich dann mit dem ganzen Körper gegen den Druck von Emily auf der anderen Seite, die die Tür zu schließen versuchte.

Von dem Widerstand überrascht, stolperte sie zwei Meter zurück und sah beinahe entsetzt dabei zu, wie er eintrat und nun seinerseits Inan ausschloss.

Schweigend sahen sie einander einige Sekunden an, dann biss Emily die Zähne so fest zusammen, dass ihre Kiefermuskeln ein angestrengtes Bild auf ihren Wangen zeichneten. Sie drehte sich ruckartig herum und marschierte quer durch den Raum... nur wohin sollte sie? Sie war hier mit ihm eingesperrt!

„Emily“, begann Resit noch einmal und folgte ihr, jedoch wesentlich langsamer und beinahe vorsichtig.

„Du brauchst nichts sagen.“, ihre Stimme war heiser und hatte dieses wohlbekannte Geräusch einer Erkältung. Er fühlte sich nur noch mieser. „Ich habe es schon verstanden.“, sie winkte wie beiläufig ab und erreichte nun ihren Kleiderschrank. Und dann? Wie sollte es weiter gehen? Sie öffnete ihn und sah hinein.

In einem Film würde sie wohl ihre Sachen packen, wutentbrannt das Palais verlassen und er würde ihr hinterher stürmen und sie anflehen und anbetteln ihn nicht zu verlassen, weil er sie so unendlich liebte und er so ein unendlicher Idiot war... Aber das hier war kein Film. Und sie konnte nicht gehen, Sabiha würde ihr das nie verzeihen.

„Und jetzt? Willst du deine Sachen packen und verschwinden?“, fragte er nur, was bestätigte, dass er die gleichen Gedanken hatte wie sie.

„Sei nicht albern! Ich will Sabiha nicht allein lassen.“

„Und was dann? Willst du dich in dem Schrank verstecken?“

„Resit, was willst du von mir? Kannst du dich nicht einfach verpissen und deine Frau anrufen?“

„Das könnte ich.“, er trat zu ihr und wirbelte sie mit einem Ruck herum. „Aber ich werde es nicht!“

Er breitete beide Arme aus und hob nun die Stimme. Diese Situation trieb ihn langsam an den Rand seines Nervenkostüms.

„Kannst du mir mal verraten, was dein Problem ist? Was habe ich dir nun wieder getan? Jeden Tag der selbe Mist! Du tust als wäre ich Luft und gehst mir ununterbrochen aus dem Weg. Hab ich dir irgendwas getan?“

Sie schnaubte und schrie zurück: „Glaub kein bisschen, dass das hier wie gestern wird! Ich werde sicher nicht mit dir schlafen, wenn es das ist, warum du gekommen bist!“

„Ich will nicht mit dir schlafen, ich will wissen, was dein Problem ist!“

„Ich habe kein Problem!“

Sie hofften wirklich beide inständig, dass sie mit diesem Wutausbruch, den sie teilten, nicht das ganze Gebäude auf sich aufmerksam machten, doch keiner von ihnen wollte die Stimme senken.

„Ach nein? Warum schaffst du es dann nicht mich anzusehen und reagierst nicht auf mich? Du redest in meiner Gegenwart ja sogar von mir in der dritten Person! Nein, du hast recht, du hast wirklich kein Problem. Du warst den ganzen Vormittag nicht mal hier auf dem Gelände, so wenig Probleme hast du!“

„Bilde dir bloß nicht ein, dass das wegen dir war.“, fauchte sie zurück.

„Nein? Weswegen dann? Die Schuhe für Sabiha standen schon Dienstag hier. Von wegen dir ist beim Autofahren ein Malheur passiert. Verarschen kann ich mich allein, Emily!“

„Ach und du?“, ihre Stimme überschlug sich fast. „Ich komme heute Morgen aus der Dusche und dein Vater ist in dem Zimmer und merkt, was zwischen uns ist und es ist ihm egal.“, sie lachte fast. „Er freut sich sogar für uns... und du schämst dich richtig für mich und zeigst mir das auch offen und wunderst dich, dass es mir schlecht geht? Besonders, wenn du dann noch voller Begeisterung deinem Bruder gegenüber eine Liebeserklärung an deine Frau machst und regelrecht schwörst dich mit ihr auszusöhnen? Vielen Dank, ich fühle mich wirklich geschmeichelt und geehrt und als was Besonderes.“

Nun zog er doch den Kopf zurück. Da war es, die Bestätigung. Seine Kehle schnürrte sich zu. Sie musste es nicht aussprechen, damit er wusst, dass sie ihn liebte. Und was sein Kopf nicht verstand, sogar als regelrecht irrational einstufte: Sein Herz freute sich darüber! Es schien ihm bald aus der Brust zu springen, so aufgeregt war es in diesem Moment. Was war das nur? Er konnte es einfach nicht einordnen. Die Frustration darüber schwang erneut in Wut um.

„Ich will dir ja wirklich nicht zu nahe treten, aber Frauen ticken in vielen Dingen doch wie Männer und auf eines kannst du wetten: Wenn eine Frau sagt, dass sie sich scheiden lassen will, dann ist das kein Code für „Ich fühle mich nicht mehr geliebt, renn mir nach, beachte mich und erobere mich zurück.“, sondern dann bedeutet es genau das Gleiche, als wenn ein Mann das sagen würde: Es.Ist.Aus.“

Er schnaubte.

Recht hatte sie bestimmt. Es gehört eine Menge dazu, eine Ehe einfach so zu beenden. Doch Resit wollte das in diesem Moment nicht einsehen.

Er wusste beinahe nicht, was er tat, als er den Mund wieder öffnete und sie mit tiefer, bedrohlicher Stimme anknurrte: „Was weißt du denn schon? Du bist nicht mal verheiratet. Alles, worauf du dich verstehst ist einem Mann die Beine breit zu machen, wie mir vor zwei Tagen.“

Der folgende Knall war so laut, dass er in Resits Kopf noch eine Weil nachhallte. Emily hielt sich die von dem Schlag schmerzende Hand. Die Wange, an der sie ihn getroffen hatte verfärbte sich bereits rot, als er den Kopf wieder zu ihr drehte, der Blick vollendst entsetzt.

Sie schluckte. Es erinnerte sie an den Moment, als ihr schon einmal gegenüber einem Türken die Hand ausgerutscht war. Das war bereits über Zehn Jahre her, damals ging sie noch zur Schule und der Typ hatte sie ebenfalls als Hure bezeichnet. In diesem Moment war Resit genau wie er. Ein eingbildetes Arschloch, typisch Macho eben und nicht fähig damit umzugehen, wenn eine Frau sich wehrte, was sich daran zeigte, dass der Typ damals sie danach für immer in Ruhe gelassen hatte, so, wie es auch Resit nun tun würde. Wenigstens war sie sich damit sicher, dass sie ihn nie wieder sehen musste.

„Verschwinde“, flüsterte sie in die entstandene Stille.

„Emily...“

„Verschwinde und wehe, ich muss dich noch ein einziges Mal sehen!“, donnerte sie und stapfte wie zur Untermauerung mit dem Fuß auf, wies in Richtung Tür. „Ich will dich NIE wiedersehen, verstanden?! Geh!“

Eilig, als würde sie mit dem Messer hinter ihm stehen, nahm er reiß aus. Vor der Tür lief er seinem Vater in die Arme, der natürlich alles haar klein mitbekommen hatte und ihn nun ebenso fassungslos anstarrte wie er sich fühlte.

Resit schüttelte den Kopf winkte in großer Geste ab und lief weiter zu seinem Zimmer, wo er gleich darauf verschwand.

Ruhelos tigerte er in seinem Zimmer auf und ab. Was hatte er da nur gesagt? Hatte er Emily gerade tatsächlich unterschwellig als Nutte bezeichnet? Wobei, unterschwellig konnte man das wohl nicht mehr nennen. Kein Wunder, dass sie ihn geschlagen hatten. Er hatte es ja nicht anders verdient. Doch was sollte er nun tun?

Es war nun nicht mehr daran zu denken, Nalan anzurufen. Selbst wenn er gewollt hätte, er schaffte es einfach nicht seine Gedanken von Emily weg zu bekommen. Wie sie ihn angesehen hatten, wie verletzt sie war und schlimmer noch, wie er sie behandelt hatte, ohne zu merken, dass sie mehr wollte. Wie konnte er nur so bescheuert sein ihr vorzuhalten sich wie eine Schlampe aufzuführen, obwohl er bereits bemerkt hatte, dass sie ihn liebte? Es waren keine Worte nötig, allein ihre Blicke hatten gereicht...

Er ließ sich auf einen Stuhl am Tisch fallen und vergrub das schmerzende Gesicht in beiden Händen.

Er war ja so ein Idiot!

Während er sich in Gedanken bereits selbst bestrafte, klopfte Inan vorsichtig an die noch immer offene Tür Emilys.

„Geh weg!“, schrie sie von irgendwo aus dem Zimmer und kurz darauf flog ihm ein Kissen entgegen, das vor kurzem noch auf ihrem Bett gelegen hatte. Er schloss die Tür leise hinter sich, hob es auf und trat näher.

„Inan!“, überrascht stemmte sie sich wieder auf die Füße und strich sich über die Augen. Keine zwei Sekunden später grinste sie ihn wieder an, als wäre nichts geschehen.

„Ich weiß, ich weiß, Sabiha wartet sicher schon wieder auf mich und bricht gleich in Panik aus, ich bin sofort bei euch!“, sie kam hinüber zum Tisch und kramte in ihrer Tasche, auf der Suche nach einem Taschentuch.

Er seufzte.

„Hör auf so zu tun als ob. Ich stand die ganze Zeit vor der Tür und habe alles gehört.“

„Keine Ahnung, wovon du sprichst!“, sie schneuzte sich Geräuschvoll und schmiss das dreckige Zellstofftuch dann weg.

„Emily, Kind, nun hör mir mal zu.“, er hielt sie auf, als sie an ihm vorbei zur Tür gehen wollte, schob einen Stuhl vom Tisch weg und bucksierte sie darauf. Dann setzte er sich ihr gegenüber.

„Ich werde nicht entschuldigen, WAS mein Sohn getan hat. Im Gegenteil, ich will mich FÜR ihn entschuldigen. Wer auch immer den Jungen erzogen hat, ich war es offensichtlich nicht. Und Melika sicher noch weniger. Aber bitte, denk dennoch nicht schlecht von ihm.“

Sie schüttelte den Kopf.

„Nein, er ist nur genau das, was ich erwartet habe.“, sie zuckte die Schultern.

„Wie meinst du das.“

„Macho, Aufreißer, Großkotz...“

Inan schüttelte den Kopf.

„Türken werden missverstanden.“

„Inwiefern? Du hast gesagt, dass du alles gehört hast. Dann hast du sicher auch mitbekommen, dass er mich gerade als Schlampe abgestempelt hat. Und entweder ist das typisch für Türken, oder es muss doch an mir liegen... liegt es an mir?“

Er seufzte.

„Nein, das tut es nicht. Aber ich bin auch Türke und würde dich nicht so nennen. Ebensowenig wie Mehmet und Can. Mein Vater vielleicht, aber der steht eh unter der Knute meiner Mutter. Egal, darum geht es nicht. Eigentlich... sind wir vom Wesen her sehr emotional, wie mein Sohn so schön bewiesen hat und schneller mit dem Mundwerk, als mit unserem Gehirn. Beides hängt zusammen. Dazu sind wir sehr... ja, das, was ihr hier vermutlich als Macho bezeichnen würdet. Unsere Frauen sind uns sehr wichtig. Einige übertreiben es sicher und verwechseln Fürsorge dem zarten Geschlecht gegenüber mit Macht und beginnen so, ihre Frauen und Töchter herab zu setzen und wollen ihnen immer befehlen, was sie zu tun und zu lassen haben, aber eigentlich, drückt sich bei vielen von uns die Liebe dadurch aus, dass wir unsere Frauen bis aufs Letzte verteidigen, verstehst du mich?“

Sie sah ihn schweigend an.

„Wenn einer sie beleidigt, dann werden wir aggressiv, wie du es eben an Resit erlebt hast. Ich denke, dass er trotz allem sehr viel für Nalan empfindet und als du sie in Frage gestellt hast, da war es bei ihm vorbei. Was du gesagt hast ist richtig und das weiß er auch, aber wenn man liebt, dann ist alles etwas... anders...“

Emily nickte.

„Ja, das verstehe ich... denke ich...“, sie sah zu Boden. „Und es tut mir leid.“

Er schüttelte den Kopf.

„Nicht dafür. Ich und seine Mutter vertreten die gleiche Meinung, er sollte Nalan gehen lassen. Doch wie wir Machos eben sind, wir werden sicher nicht einfach etwas Geliebtes aufgeben. Aber dadurch, dass er noch gestern sagte, dass er sie gehen lassen will, spricht eher dafür, dass auch er nicht mehr so empfindet, wie es in einer Ehe sein sollte.“

Er grinste, doch Emily konnte es nicht erwidern.

„Immerhin... weiß er dennoch wie es ist zu lieben und geliebt zu werden.“

„Du hast deine Eltern und uns und Sabihas...“

„Das ist was anderes. Das zählt nicht.“

Er sah sie schweigend an.

„Willst du allein sein?“, fragte er irgendwann und sie nickte, stand bereits auf, um ihn zur Tür zu bringen.

Wortlos gingen sie nebeneinander her dann öffnete Inan sie und drehte sich im Rahmen noch einmal um.

„Mach dich nicht so fertig, Emily. Das wird schon wieder.“

Sie schloss die Augen und nickte leicht, senkte dabei den Kopf. Das nutzte er und beugte sich hinab, um ihr einen Kuss auf den Scheitel zu hauchen. Sanft zog er sie in seine Arme und hielt sie fest. Sie tat ihm so unendlich leid, dass sie das allein durchstehen musste. Es Sabiha und Peri zu erzählen war unmöglich, wenn sie die Hochzeit ohne weitere Zwischenfälle überstehen wollten. So drückte er sie einfach nur an sich, während Emily wieder von einem Schluchzen geschüttelt wurde.

Wenn er seinen Sohn in die Finger bekam, dann würde er Hackfleisch aus ihm machen!

„Zufrieden?“, erschrocken stoben die Beiden auseinander und Inan schob die kleine Frau reflexartig hinter sich.

Erst dann erkannten beide Resit, der ihnen eine geöffnete Mappe unter die Nase hielt.

Irritiert sahen sie hinein und während Inan lesen konnte, was darauf stand, erkannte Emily den Bogen lediglich daher, dass sie eine halbe Nacht an ihm gearbeitet hatte.

Es waren die Scheidungspapiere von Resit und am untersten Rand der aufgeschlagenen Seite prangerte mit finsterer Tinte seine Unterschrift.

Irritiert nahm sein Vater alles entgegen und blättert einmal durch.

„Du hast eingewilligt.“, stellte er überrascht fest.

„Schick die Dinger an ihren Anwalt und an deinen Kollegen. Ich will es endlich hinter mich bringen.“

Inan nickte und sah noch einmal zu Emily zurück, die ihn nur mit großen, beinahe schon angsterfüllten Augen ansah. Er wollte gerade wieder etwas zu seinem Sohn sagen, als der der Anwältin bereits das Gesetzesbuch in die Hand drückte.

„Bist du jetzt endlich zufrieden?“, fuhr er sie wieder an. Automatisch umklammerte sie das Buch fest und wich einen Schritt zurück, stieß dabei gegen denTürrahmen.

„Bitte, schrei mich nicht an!“, flüsterte sie so leise und erstickt, dass man es fast nicht verstand, doch er ließ sich davon nicht beeindrucken und wies auf die Mappe.

„Ist es das, was du wolltest?“

Sofort nahm Emily die Beine in die Hand, sprang in ihren Raum zurück und schlug die Tür zu, doch noch ehe diese ins Schloss fallen konnte, drückte Resit die Hand dagengen. Sein Vater wollte ihn aufhalten, doch er funkelte ihn nur an.

„Schick den Wisch raus, ich kümmere mich um Emily.“

Er verschwand in dem Zimmer und Inan rieb sich die Stirn. Während er hinüber ging zum Schloss fragte er sich, ob das Bild des cholerischen Türken nicht doch irgendwo wahr war.

Resit ergriff den Unterarm von Emily und packte ihn fest. Erschrocken schrie sie auf, als er sie auf den Tisch schob und auf den Rücken zwang.

„Ob du jetzt endlich zufrieden bist, will ich wissen!“, bellte er sie erneut an und fing gerade noch so ihre zweite Hand auf, als diese nach ihm ausholte. Fest hielt er sie über ihrem Kopf auf dem Holz fest.

„Aua! Du tust mir weh!“, heulte sie verzweifelt.

„Sag mir endlich, ob du zufrieden bist!“, forderte er erneut.

„Resit es tut weh! Lass mich los!“

Er führte ihre Handgelenke zusammen, sodass er sie mit nur einer Hand fest hielt und zwang ihr Gesicht ihn anzusehen.

„Ich will wissen, ob du das wolltest, dass ich mich scheiden lasse, damit du mich für dich alleine hast.“, sprach er noch einmal, tiefer und wesentlich eindringlicher.

Sie schluckte.

„Nein! Ich will nicht, dass du dich wegen mir scheiden lässt. Ich will, dass du selbst weißt, was dir wichtig ist...“, jammerte die ängstlich. Resit war zum fürchten, wenn er so ausrastete. Lediglich seine Nähe gab dem ganzen eine Note, die es nicht haben sollte. So war es sowohl Angst, die sie empfand, als auch unendlich viel Sehnsucht.

„Und was meinst du, sollte mir wichtiger sein? Du etwa?“

„Ich weiß nicht, was dir wichtig ist und was nicht.“, erklärte sie und wand sich erneut unter ihm. „Bitte, lass mich endlich los, es tut weh, Resit. Bitte beruhige dich wieder.“

„Ich lasse mich für dich scheiden.“, platzte es aus ihm heraus und sie spürte, wie er mit dieser Erkenntnis nun auch den Druck auf ihren Armen lockerte.

„Für dich, verstanden?“, er schob die Arme unter sie, dass er sie mit sich zusammen aufrichtete und dann auf seine Hüfte zog. Unnachgiebig sah er sie an, als duldete er keine Widerworte, als er sie hinüber zum weichen Bett trug. „Glaub aber nicht, dass ich deswegen jetzt hier herum renne und jedem davon erzähle, dass ich dem Scheidungswillen meiner guten, muslimische Frau wegen einer Deutschen nachgebe. Das wird meine Großeltern auf die Palme bringen. Das sollte nicht die Hochzeit meines Bruders gefährden, klar?!“

Sie nickte und landete federnd auf dem Bett. Es dauerte keine Sekunde, da lag er auf ihr, schlang sich ihre Arme um den Hals und küsste sie intensiv, während er ihr Kleid hinauf zog.

Da plötzlich hielt sie ihn wieder auf.

„Warte, Resit, vorher muss ich...“

„Du bist kein guter Geheimnishüter. Ich weiß, dass du mich liebst. Und jetzt halt den Mund.“

„Aber...“

Er verschloss einfach ihre Lippen mit seinen und verwickelte sie in einen so eindringlichen Zungenkuss, dass sie nicht mehr weiter denken konnte. Willig drückte sie sich ihm entgegen und genoss seine Berührungen...

… Wer wusste schon wie lange sie das dieses mal konnte?

Tag 4 - Abschied mit Konflikten

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Tag 5 - seni seviyorum

„Wie schön, habt ihr die hier schon gesehen? Die hat sicher Can für mich hier hoch gebracht!“, Sabiha kam aufgeregt in ihrem Brautkleid angesprungen und hielt sich eine Hand auf die kleine Kuhle unter ihrem Hals. „Da schaut her.“, sie nahm sie weg und zum Vorschein kam... die Kette, die Resit am Tag zuvor gekauft hatte. Überrascht riss Mehmet die Augen auf. Er kannte sie, nur wie kam sie hierher?

„Sie steht dir.“, verkündete Emily aus einer anderen Ecke des Raums und richtete das rote Band, ehe sie es herüber trug. „Seid ihr sicher, dass ihr dieses Ding um sie binden wollt? Also als Jungfrau würde ich sie ja nicht gerade bezeichnen... Sie ist schwanger.“

Mehmet nahm ihr einfach die Schleife ab, dann sah er zu seiner Frau. Nicht begreifend legte sie den Kopf auf die Schulter und sah ihn fragend an, doch dann verstand sie.

„Oh“, macht sie nur und sah zu Emily hinüber, die auffällig unauffällig versucht, nicht auf die Drosselgrube ihrer Freundin zu starren, wo das Schmuckstück hing, das Resit ihr eigentlich zu schenken versucht hatte.

„Dieser Mann“, flötete Sabiha verliebt weiter. „Ich habe diese Schachtel auf dem Tisch da drüben gefunden. Er hat sie hier sicher gestern reingestellt, als Geschenk für mich heute morgen.“

Mehmet atmete tief durch und trat auf seine Tochter zu, um ihr das Band um die Taille zu binden.

„Nein, meine Liebe, da irrst du dich.“, erklärte er. „Diese Kette hat nicht Can gekauft, sondern Resit. Und sie war auch nicht für dich, sondern ein Geschenk an Emily.“

„Was?“, irritiert sah sie ihren Vater an und lief zeitgleich knallrot an, als ihr klar wurde, wie sehr sie sich blamiert hatte. „Aber das ist doch Unsinn, warum sollte Resit Emily eine Kette schenken?“

Doch sie hielt ihre Mutter nicht davon ab, als sie ihr den Schmuck abnahm, stattdessen sah sie zu Emily hinüber. Gerade noch so bemerkte sie, wie sich der Blick ihrer Freundin trübte und sie sich abwandte.

Nun sah sie wieder zu ihrem Vater, der die Enden der Schlaufe noch einmal richete und dann ihren Blick erwiderte.

„Lass Emily lieber mit dem Thema in Ruhe. Es ist besser so.“

Doch Sabiha dachte gar nicht daran und machte einige Schritte auf ihre Freundin zu.

„Du hast was mit Resit?“, fragte sie ungläubig und blieb dicht hinter ihr stehen.

„Hatte“, murmelte Emily. „Es ist vorbei, mach dir keine Gedanken. Deine Hochzeit wird durch nichts gefährdet.“

„Gefährdet? Sag mal, spinnst du?“, fürsorglich drehte sie sie an der Schulter herum. Eine Träne rann ihr über die Wange und Sabiha musste sie einfach sofort in die Arme schließen. „Warum erzählst du mir sowas nicht? Ich hätte Nalan von der Feier geworfen, bevor die Männer zurück gekommen wären.“

„Das konnte ich nicht.“, murmelte sie. „Er sagte doch, dass er sie liebt und das war vielleicht seine einzige Chance alles wieder zu bereinigen.“

„Komm, wir gehen besser raus.“, Mehmet schob seine Frau vor sich her, die die Kette wieder in der Schachtel platzierte. Dann schloss er die Tür.

„Ich fahre nachher an Emilys Stelle mit den Dreien zum Fototerminen.“, erklärte Peri und seufzte leise. „Sie sieht so traurig aus, ich wünschte wir könnten etwas tun.“

„Ich weiß, meine Liebe, ich weiß. Doch du kennst sie, sie ist stark und sie kommt darüber hinweg. Und schon morgen ist der Spuk vorbei, da fliegt Resit wieder heim.“

„Ich weiß.“, flüsterte sie traurig.
 

Gleichzeitig im Palais, richtete Resit seinem Bruder schweigend die Anzugjacke.

Can musterte ihn nachdenklich. Er war so ungewöhnlich still und in seinem Gesicht schien sich kein Muskel zu bewegen. So angestrengt hatte er ihn vermutlich noch nie nachdenken sehen.

„Du hast mir noch immer nicht erzählt, wie es ausgegangen ist mit dir und Emily.“

Resit schwieg weiter.

„Hey, hat sie dir das Trommelfeld zerstochen oder was ist los? Ich rede mit dir!“

„Halt bloß die Klappe.“, murmelte er und ließ von seinem Bruder ab, setzte sich frustriert schnaufend auf einen nahe stehenden Sessel.

„Wirklich geredet haben wir nicht.“

„Ach nein? Dafür warst du ziemlich lang oben.“

„Sie hat uns sofort abgehakt. Und zu versuchen, ihr die Kette zu schenken, hat sie tief verletzt und beleidigt.“

„Was? Warum? Hast du ihr gesagt wie teuer sie war?“

„Nein. Sie dachte erst, dass sie für Nalan wäre und hat es als Unwichtig abgetan, da man an die Liebe kein Preisschild hängen kann. So ähnlich zumindest hat sie es formuliert.“

„Da hat sie recht. Einer Freundin würde ich etwas schenken, das vielleicht maximal fünfzig Euro wert ist. Aber eintausend Euro, oder in deinem Fall achthundert, das ist schon ein anderes Kaliber.“

Er seufzte.

„Sie sagte, sie fühle sich wie eine... du-weißt-schon-was, wenn sie es annehmen würde.“

Can nickte verstehend.

„In dem Fall wäre sie eine sehr teure du-weißt-schon-was.“

Can seufzte. Was sollte er nur dazu sagen.

„Und dann? Was hast du die ganz Zeit da oben getrieben? Dich in einem Zimmer versteckt und geheult? Das kenne ich gar nicht von dir.“

Resit verzog angeekelt das Gesicht. Doch es war nicht auf das bezogen, was er sagte, sondern darauf, wie sehr er sich dafür hasste.

„Nein, wir hatten Sex.“

„Was? Ihr seid ein paar Minuten in einem Raum, trennt euch und schlaft anschließend miteinander?“

„Bescheuert, ich weiß. Ich kann dir nicht sagen, was mich da geritten hat. Vielleicht die Frustriation darüber, wie es mit Nalan lief...“

„Habt ihr schon wieder Streit? Man, ich dachte immer, dass deine Frauengeschichten einen geregelten Gang gehen würde.“

„Nein, wir haben keinen Streit. Es ist nur...“, er tat sich schwer es in Worte zu fassen.

„Ja? Weiter? Ich höre!“

„Ich habe gestern Nachmittag versucht mit Nalan zu schlafen, aber sie... ich weiß nicht...“, er machte einige verzweifelte Armbewegungen, doch sein Bruder verstand sofort. Er zog eine Augenbraue hoch.

„Du bekommst keinen hoch, hab ich recht? Nalan erregt dich nicht.“

Resit nickte verzweifelt.

„Ich weiß nicht, was ich machen soll.“

„Aber bei Emily war alles normal.“

„Normal? Ich glaube ich war noch nie im Leben so schnell hart... zumindest wenn ich nüchtern war...“

„Warst du denn schon so oft betrunken?“

„Nein, natürlich nicht.“

Can sah seinen Bruder nachdenklich an.

„Emily hat recht. Liebe kennt keinen Preis.“

Irritiert sah er zu ihm auf.

„Was soll das nun wieder heißen?“

Can schlug sich die Hand an die Stirn.

„Vergiss es.“

„Nein, sag es!“

Doch Er kam nicht mehr dazu es ihm zu erklären. Es klopft an der Tür und Inan und Melika traten ein. Glücklich vor sich hin trällernd sprang die Mutter auf ihren heiratenden Sohn zu, fummelte noch einmal an seiner Kleidung herum und schob ihn dann hinaus.

„Alles gut, Junge?“, fragte Inan seinen Ältesten, als der sich seufzend erhob.

„Ich weiß nicht.“, murmelte er. „Mich erinnert das alles an die Hochzeit mit Nalan, aber irgendwie will sich kein Glücksgefühl einstellen. Ich muss nur immer wieder daran denken, dass sie mich am Dienstag rausgeworfen hat.“

„Und nun ist sie wieder hier.“

„Und nun ist sie wieder hier.“, wiederholte er seinen Vater zur Bestätigung.

Inan sah Resit prüfend an.

„Und das macht dich unglücklich, weil...“

Doch er schüttelte den Kopf.

„Ich weiß es nicht, Vater. Ich weiß es nicht.“

Inan trat an ihn heran und legte ihm väterlich einen Arm um die Schultern.

„Na komm, auch wir werden vorn erwartet. Du willst doch nicht zu spät kommen und die Limousine mit unserem glücklichen Paar und Emily verpassen, hm? Oder soll Nalan sie auch bei dem Fotoshooting ersetzen?“

„Nein. Soweit ich weiß nicht.“

Er nickte und führte seinen Sohn hinaus.

„Nun kommt doch, beeilt euch!“, rief Inans Mutter ungeduldig und hakte sich bei ihrem Mann unter.

„Geht schonmal vor, ich muss noch etwas mit Resit bereden.“, erklärte sein Vater. Während der Großvater nur verstehend nickte, zeterte dessen Frau schon wieder, dass sie noch alles verpassen würden, schob dann aber ihren Mann hinaus.

Endlich allein verließen die beiden Männer Seite an Seite das Palais und spazierten zum Schloss hinunter.

„Ich habe etwas für dich.“, der Ältere griff in die Innentasche seines Sakkos und zog einige gefaltete Blätter heraus.

„Was ist das?“, fragte Resit und öffnete sie.

„Das sind die Empfangsbestätigungen eurer Anwälte.“, erklärte Inan sachlich. „Mein Kollege hat außerdem ein paar Beziehungen spielen lassen, eure Verhandlung wird von einem Freund von ihm geführt, der sehr liberal ist. In einer Woche könntet ihr beide geschiedene Leute sein.“

„Was?“, überrascht sah Resit seinen Vater an. Die Scheidung, er hatte schon gar nicht mehr daran gedacht, dass er die Unterlagen bereits verschickt hatte und die Anwälte aktiv werden könnten.

„Was ist? Du wolltest, dass ich sie rausschicke. Schon vergessen?“

„Nein, aber...“, er fluchte leise. „Was soll ich nur machen? Emily redet nicht mehr mit mir, sie will mich nie wieder sehen und die Scheidung von Nalan ist voll im Gange, obwohl ich mich doch scheinbar mit ihr ausgesöhnt habe.“

„Scheinbar?“, nun sah Inan seinen Sohn doch irritiert an. „Warum nur scheinbar? Gibt es immernoch Probleme?“

„Ich glaube, dass sie mir etwas verschweigt. So, wie ich ihr verschweige, dass ich etwas mit einer anderen hatte.“

„Du verwirrst mich. Willst du die Scheidung nun oder nicht?“

„Nein, vielleicht... ich habe keine Ahnung.“

Resit ließ sich auf eine Bank fallen und raufte sich verzweifelt die Haare.

„Kennst du das Gefühl, dass du jedes mal, wenn du jemanden küsst oder in den Arm nimmst, vollkommen egal wen, an eine bestimmte Person denken musst?“

„Durchaus, nennt sich Liebe, kann unter umständen ansteckend sein.“

„Sehr lustig. Ich meine es ernst! Immer, wenn ich Nalan vor mir sehe, im Bett, unter der Dusche, egal wo, dann denke ich an Emily.“

Inan sah ihn eine Weile an, dann setzte er sich dazu.

„Ich meine es auch ernst. Du kaufst ihr für mehrere hundert Euro eine Kette, du denkst immerzu an sie, du hast für sie die Scheidung unterzeichnet. Du liebst Emily, ob du willst oder nicht.“

„Quatsch, red keinen Stuss, ich liebe Nalan und niemanden sonst.“

„Ist dem so? Oder sagst du es nur, weil du das Gefühl hast, dass es so sein muss?“

Hierzu schwieg Resit.

„Vielleicht hattest du recht.“

„Wie meinst du das?“, er sah seinen Vater nachdenklich an.

„Das, was du gestern im Auto gesagt hast. Ich glaube, dass du recht hattest. Als uns Nalans Eltern zum Essen eingeladen haben, da haben wir uns nichts dabei gedacht. Ihre Töchter waren alle verheiratet. Nalan erschien uns viel zu jung dazu und du warst noch auf der Schule. Was sie wirklich vor hatten, das ahnten wir erst bei dem dritten oder vierten Treffen. Aber was hätten wir sagen sollen? Ihr zwei verstandet euch blendent. Dass Minderjährige heiraten ist zwar offiziell verboten, doch wer schert sich schon darum, solange die Frau nicht schwanger wird? Also haben wir allem zugestimmt. Ich glaube Nalan wusste um den Plan ihrer Eltern, immerhin seit ihr bis heute Kinderlos, obwohl ihr beinahe zehn Jahre verheirate seid. Doch wie du schon sagtest, das war wohl viel zu früh. Ich habe Nalan beobachtet, ich glaube so wenig wie du, dass sie uns alles sagt. Und ich gehe noch weiter: Ich bin mir sicher, dass sie die Scheidung noch immer will. Doch ihre Eltern haben die Hand über sie. Sie tut, was sie sagen und das ist meines Erachtens nach falsch. Glaube mir, ich habe nicht immer so gedacht. Es hat eine Weile gedauert, bis auch ich dahinter kam... Aber ich bin stolz auf euch beide. Selbst, wenn ich nicht dafür sorge, dass ihr die Richtigen Frauen nehmt, so habt ihr doch gutes Fingerspitzengefühl. Can hat Sabiha und Emily kann vielleicht mit unserer Religion nicht viel anfangen, doch sie ist eine liebevolle Frau. Also ich hatte nie was mit ihr, aber sie ist ein nettes Ding und immer freundlich zu allen. Und trotzdem weiß sie was sie will.“

Resit nickte verhalten, dann beugte er sich plötzlich vor.

„Ich bin so ein fürchterlicher Vollidiot!“, brüllte er verzweifelt.

„Gut erkannt, aber das ist erblich. Dein Großvater, ist auch einer.“

„Was mach ich nur? Ich will sie wieder haben.“, er ließ sich zurück gegen die Lehne fallen und warf den Kopf in den Nacken. „Ich habe sie nur ein paar Stunden nicht gesehen und es kommt mir vor wie Jahre.“

„Dann sag ihr das. Und zwar besser gestern als morgen.“, Inan spang wieder auf die Füße. „Na los doch! Hoch mit dir!“

„Bleib ganz ruhig, ich mache das während des Fototermins.“, er stand auf und strich seine Kleidung wieder glatt. „Wie sehe ich aus?“

„Wie ein Herzenbrecher und nun mach hin.“, Inan scheuchte seinen Sohn nach vorn zum Schloss, wo das Paar und ihre Familien schon die Treppe hinunter eilten und zum Vorderausgang, um in die Limousine zu steigen.

„Resit, da bist du ja endlich! Nun komm!“, rief Sabihas Mutter und schob ihn weiter. Mit angestrengtem Gesicht folgte er seinem Bruder und dessen Braut zum Wagen und hielt ihnen die Tür auf. Er bemerkte gar nicht, dass etwas nicht stimmte, bis Peri an ihm vorbei auf den Sitz stieg.

Irritiert sah er ihr nach und dann wieder hoch zu den winkenden Leuten, die sie verabschiedeten. Dort, zwischen Mehmet und Inan, stand Emily. Sie lächelte glücklich und warf ihrer Freundin einen Luftkuss nach.

Er wusste nicht, was das bedeuten sollte. Wieso stieg sie nicht in den Wagen? Er wollte gerade nach ihr rufen, da schallte es aus dem Inneren des Autos: „Resit, nun komm endlich! Wir haben einen engen Zeitplan und um fünf müssen wir wieder hier sein.“

Resit sah von Peri wieder zurück zu Emily, die sich inzwischen abgewandt hatte. Mehmet führte sie hoch. Sie und Sabihas Mutter hatten die Aufgaben getauscht. Sie würde noch einiges mit Mehmet vorbereiten und kontrollieren müssen, ehe die Gäste zum Kaffee kamen.

Doch warum hatte sie einfach ihren Platz auf der Feier verlassen?

Verwirrt und auch etwas enttäuscht und frustriert stieg er in die Limousine zu den anderen. Und so wie sie ihn ansahen, als die Türen sich schlossen, würde das keine besonders angenehme Fahrt werden.

„Ich glaube, du hast gestern was in der Suite liegen lassen.“, die Brautmutter gab ihm die Samtschachtel mit Inhalt zurück.
 

Begleitet vom Applaus der Gäste, dankten Sabiha und Can den Ersten für ihre Glückwünsche. Als sie ihren Tisch erreichten, setzte wieder feierliche Musik ein und nach der Umarmung von ihren Eltern, landete die Braut in den Armen von Emilys dickbäuchigem Vater.

„Na siehst du, war doch gar nicht so schwer, oder?“, sprach er lachend. Es folgte ein fester Handschlag und Schulterklopfen für Can mit den scherzenden Worten: „Mein herzliches Beileid.“, wofür er einen Schlag in die Seite von seiner Frau kassierte.

„Johann, also wirklich.“, rügte sie ihn spielerisch und umarmte dann ihrerseits den Bräutigam unter missmutigen Augen von dessen Großmutter – wie konnte es bitte sein, dass eine Frau im Hosenanzug auf einer Hochzeit erschien? Aber so war Emilys Mutter nunmal, von Kleidern und Röcken hielt sie nichts. Das war vermutlich der Grund, warum ihre Töchter so darauf abfuhren.

Johann streckte seiner Frau kindisch wie er war die Zunge raus und wandte sich an Inan und Mehmet um.

„Das haben wir doch gut gemacht, oder?“, fragte er und die drei Männer beglückwünschten sich gegenseitig für ein Ereignis, für dessen Eintreten sie eigentlich nichts konnten.

„Oh man...“, Emily kratzte sich peinlich berührt am Hinterkopf.

„Nimms ihnen nicht übel. Du kennst doch unsere Väter. Und Inan passt einfach wunderbar in den Haufen hinein.“, Sabiha grinste sie breit an und Emily konnte nicht anders, als zurücklächeln.

„Ich glaube, da hast du recht. Komm her.“, vorsichtiger aber so fest wie die anderen, umarmte sie ihre Freundin. „Ich wünsche dir alles Gute.“

„Hey, es kann doch nur gut ausgehen, oder nicht?“, fragte Can von der Seite und drückte Emily auch noch einmal kurz, ehe er seine Frau nun wieder zu sich heran zog.

„Ich würde sagen, dass wir die Hochzeit gemeistert haben, ohne übermäßig viele Tote beklagen zu müssen.“

„Das haben wir tatsächlich!“, Emily nahm ihr Sektglas voll Orangensaft auf und prostete den beiden zu. Sie setzte an und trank einen Schluck, doch weiter kam sie nicht. Ihr Blick fiel zwischen die beiden hindurch, wo Nalan und Resit gerade den Großeltern des Bräutigams zur Eheschließung gratulierten.

Can setzte sein eigenes Sektglas ab und sah über die Schulter, im selben Moment, wie auch Resit aufsah.

Er hatte mit ihm geredet, als sie bei dem Fototermin waren. Resit wollte die Scheidung und so wie es aussah, war ihm auch endlich klar geworden, was Emily ihm bedeutete. Doch es war nicht auszuhalten, wie unsagbar unentschlossen er geworden war, kaum, dass sie am Hotel eingetroffen waren. Er schien mit einem mal nicht mehr zu wissen, wo er beginnen sollte und Emily machte es ihm auch nicht gerade einfacher. Sie hatte sich an den nicht vorhandenen Rockzipfel ihrer Mutter gehängt und ging ihm so gekonnt aus dem Weg.

Er sah von seinem Bruder wieder zu seiner Freundin, die sich inzwischen abgewandt hatte, um sich von seiner und Sabihas Mutter herzen zu lassen.

„Meinst du nicht, dass ihr vielleicht noch einmal miteinander reden solltet?“, fragte er sie dann.

„Wen meinst du?“, fragte sie nur unschuldig.

„Dich und meinen Bruder.“

Emily seufzte.

„Nein, lass mal gut sein. Es ist alles geklärt.“, sie winkt ab. „Wir sollten uns nicht mit sowas befassen! Sag mir lieber, wann ihr nun alle aufklärt, warum die Hochzeit vorverlegt wurde!“

Can seufzte, strich sich durch das Haar und sah hinüber zu den drei Vätern, die weiter ihre Scherzchen trieben. Zwar war Alkoholkonsum nicht sonderlich gern gesehen, aber sie ließen sich gerade von den Kellnern das erste Mal nachschenken. Doch was sollte man anderes von Johann erwarten. Er war gewiss kein Alkoholiker, aber wenn er unter Freunden war, dann hob er gerne und viel und schenkt immer und immer wieder nach... nur wirklich betrunken hatte ihn noch keiner erlebt. Sowas schien seine Leber gar nicht zu kennen.

Das würde ein heiterer Abend werden.

Er wollte sich gerade wieder Emily zuwenden und ihr noch einmal nahe legen, sich mit seinem Bruder auszusprechen, doch da war sie schon wieder verschwunden und nahm am Tisch des Brautpaares zwischen ihrer Mutter und dem noch leeren Stuhl von Mehmet platz.

Er seufzte, sah zu seinem Bruder und drückte dann wieder die Hand seiner Frau. Es war Zeit für den ersten Tanz.

Während die beiden auf die Mitte des Saals zuschritten, sah Resit hinunter zu seiner Gattin. Auch sie machte nicht annähernd einen glücklichen Eindruck, wie man es vielleicht erwartet hätte, wenn man an seine eigene Trauung erinnert wurde. Sie blickte gar nicht erst zu ihm hinauf und Emily, nun, die hatte sich auf ihrem Stuhl herum gedreht, um das Paar besser sehen zu können, doch obwohl es umständlicher war, hatte sie ihm demonstrativ den Rücken zugewandt.

Wie sollte er mit ihr reden?

Sie war nie allein. Immer waren seine Eltern, die von Sabiha oder gar ihre eigenen um sie herum. Es schien, als würde sie von allen Ecken bewacht, wie die britischen Kronjuwelen.

Wie nur hätte er ihr da erklären können, dass er sich wegen ihr Scheiden lassen würde? Er wollte es wirklich ausprobieren, wie es war, das Leben mit ihr.

Sein Blick glitt wieder zu der Tanzfläche, wo Sabiha in dem langen, bauschigen Kleid von Can herum gewirbelt wurde. Wie schafften sie es eigentlich, dass sie nicht auf den langen Stoff traten? Das war ihm ein Rätsel.

„Hach, das erinnert mich an eure Hochzeit!“, verkündete seine Großmutter neben ihm und griff sich ans Herz. Ihr Mann neben ihr nickte nur. „Ihr habt genauso süß ausgesehen. Und ich bin sehr froh darüber, dass ihr diese dummen Ideen von der Trennung begraben habt. Das hätte für euch beide kein gutes Ende genommen.“

Dazu sagte niemand etwas, selbst sein Großvater machte keine Anstallten ihr zuzustimmen.

Resit sah auf das bunte Kopftuch der Alten und von dort hinauf in die Augen des Mannes. Er sah nur stumm zurück. Kurz zuckten seine Pupillen, als wolle er ihm etwas zeigen, doch als sich Resit in die Richtung umdrehte, die sie ihm wiesen, sah er nur erneut Emilys blassen Rücken unter dem grau-blauen Chiffonstoff.

Nicht verstehend sah er zurück zu seinem Großvater, doch der war schon wieder ganz in den Tanz seines Enkels mit dessen Frau versunken.

Schweigend brachtete so auch Resit das Schauspiel und hörte dabei irgendwo im Hintergrund seine Großmutter von Hochzeiten schwärmen.

Sie begann von ihren anderen Enkeln zu reden und von den verschiedenen Highlights während deren Vermählungen. Ungewollte besah er sich jeden einzelnen von ihnen. Sie waren glücklich, sie klatschten, sie turtelten leise mit ihren Partnern und lächelten selig bei jedem Schritt, den Can und Sabiha taten.

War er denn der einzige, der sich unbehaglich fühlte?

Nein, Nalan ging es auch so...

Und ihre Eltern schienen es wohl zu merken, denn irgendwo waren sie nervös und ihre Mutter versucht immer wieder ihre Tochtre dazu zu bewegen, wenigstens ein klein wenig zu Lächeln.

Doch es half nichts.

„Schade, dass das die letzte Hochzeit ist.“, verkündete seine Großmutter ehrlich wehmütig.

„Du hast Oktay vergessen.“, warf Resit schneller ein, als er den Gedanken selbst zuende geführt hatte und sah zu seinem Cousin auf, der auf der anderen Seite des Saals stand.

„Ja, Oktay.“, seine Großmutter winkte ab. „Ich glaube nicht, dass er noch einmal heiratet. Er ist so alt wie du und er hat keine Frau in Aussicht. Um ehrlich zu sein glaubt dein Onkel langsam, dass er etwas... falschherum ist.“

Resit rollte leicht mit den Augen.

Und wenn dem so war, ihm war es vollkommen egal. Er beneidete seinen Cousin darum frei zu sein und das tun zu können, was er wollte, während er noch immer überlegte, wie er seiner Frau das Herz brechen sollte, seine Familie entehren und der Hälfte der Anwesenden Gäste einen Herzinfarkt verpassen.

Er bemerkte gar nicht, wie er Oktay angestarrt hatte. Erst, als dieser dem Brautpaar nicht mehr zu folgen schien und ihn ebenso fixierte, war es ihm mit einem Mal peinlich.

Er wandte schnell den Blick ab und bemerkte dabei aus dem Augenwinkel heraus, wie sich Nalan an seiner Seite unsicher bewegte. Sie hob die Arme, verschränkte sie leicht und drehte sich zu ihm, als wollte sie sich von irgendetwas abwenden.

Irritiert sah er auf sie hinab.

„Ich komme gleich wieder.“

Er sah ihr hinterher, wie sie durch die Menge eilte und hinaus in Richtung der Toiletten lief.

Nun schien auch sie von ihm Abstand zu nehmen. Gut, im Vergleich zu Emily war dieses Verhalten nichts Neues bei Nalan.

Emily war eine eher direkte Person, die ihre Gefühle offen auslebte, doch seine Frau war da ganz anders. Sie war schon immer ruhig gewesen, beinahe verschlossen. Es war schwer mit Sicherheit zu sagen, wie sie sich gerade fühlte. Dass sie keinen Augenkontakt suchte, war auch nicht ungewöhnlich, doch seit er von dem Fototermin zurück gekommen war, schien alles noch ein wenig schlimmer. Er hatte kurz vor dem Paar den Saal zusammen mit Sabihas Mutter betreten, doch Nalan hatte ihn nicht begrüßt, als hätte sie seine Zweifel gespürt.

Er atmete schwer durch.

Wie sollte er ihr nur erklären, dass die Scheidung vollzogen werden würde, obwohl sie sich vertragen hatten?

Er sah wieder auf zu seinem Bruder und dessen glückliche Frau. Sie beendeten gerade den Tanz unter erneutem Applaus der Verwandten und Freunde. Nun würden diese ebenfalls aufgefordert werden.

Er seufzte und sah dabei zu, wie sein Bruder zu Emily hinüber ging und sie auf die Beine zog. Sie zierte sich, aber er war unerbittlich. Er wollte seine Freundin einfach aufmuntern. Sabiha dagegen zog ihren Vater mit sich, um mit ihm zum nächsten Lied zu tanzen.

Seine Augen wanderten wieder über die Menge, in der Oktay nun verschwand, als alles auf die Tanzfläche strömte. Seine Großmutter tätschelt ihm kurz den Unterarm und bat ihn, mit ihr zu dem Tisch zu gehen, an dem nun keine unangenehmen Deutschen mehr saßen. Emilys Eltern waren ebenfalls auf die Tanzfläche getreten, denn es konnte keine Feier vergehen, ohne dass sie alles und jeden in Grund und Boden tanzten.

Er wandte sich von den Pärchen ab, um der Alten zu folgen, da hörte er plötzlich die Stimme seines Großvaters – selten genug kam es vor.

„Wenn du den Gerüchten glaubst, dass Oktay homosexuell ist, dann liegst du falsch.“

Verwirrt sah er sich zu dem Mann um, der ihn nur erhaben aus seinen trüben Augen ansah.

„Oktay? Wie kommst du nun auf Oktay.“

„Er hat gerade den Saal verlassen.“

„Ja und? Ich bin nicht sein Kindermädchen, Großvater. Was willst du mir sagen?“

„Du bist so blind wie dein Vater. Das scheint tatsächlich in der Familie zu liegen.“, er seufzte. „Schon vor Wochen hatte ich diesen Eindruck, aber in den letzten Stunden hat er sich verhärtet.“

„Großvater, bitte, mir reicht es, dass Großmutter alles und jeden beleidigen muss. Aber bitte, lass wenigstens du das bleiben.“

„Hör auf mich zu unterbrechen und hör zu.“

Resit grummelte, fügte sich aber.

„Ich denke, dass Nalan einen weiteren Grund hatte sich scheiden lassen zu wollen, als nur den unerfüllten Kinderwunsch.“

„Wie meinst du das?“

„Die Blicke, die Gesten, ich denke, dass da etwas mehr zwischen ihr und deinem Cousin ist.“

„Was?“, er sah ihn ungläubig an. „Sicher nicht. Nalan ist zu... verschlossen, um eine Affäre zu haben.“

„Und du hast sie immer zu sehr geliebt, um etwas mit einer anderen anzufangen und doch ist es so gekommen. Ich bin nicht dumm, Resit. Geh hinter den beiden her und sieh selbst.“

Damit ließ der alte Mann ihn einfach stehen, folgte seiner Frau und setzte sich zu ihr auf seinen Platz.

Er wusste nicht, wie er diesen verbalen Erguss seines Großvaters einordnen sollte, vorallem zu diesem Thema.

Unschlüssig sah er sich um, doch er stand allein in der Hochzeitsgesellschaft. Emilys Eltern wirbelten hüpfend über das Parkett, Inan, der mit Peri tanzte, amüsierte sich köstlich über diesen Anblick, Mehmet gab seiner Tochter ein paar letzte väterliche Worte mit auf den Weg und Emily und Can lachten einfach nur.

Konnte er recht haben? War es möglich, dass Nalan eine Affäre mit Oktay hatte? Vermutlich würde das all seine Probleme lösen, doch seine Frau war nicht der Typ dafür. Dennoch, er beobachtete die Geschwister seines Cousins und deren Familien, dann seine eigene.

Seine Großmutter sah gerade erneut auffordernd zu ihm, doch etwas hielt ihn ab. Er wollte wissen, ob die Beobachtung seines Großvaters der Wahrheit entsprach!

So ignorierte er die Frau an dem Tisch und lief hinüber zu dem mit Vorhängen dekorierten Ausgang, der in die Eingangshalle führte. Er folgte dem Weg in Richtung der Toiletten, bog ab und stand im nächsten Moment direkt vor der Szene, die sein Großvater prophezeit hatte.

„Nalan“, Oktay hielt Resits Frau gerade noch so am Arm fest, ehe sie ihm flüchten konnte.

„Lass mich los, Oktay.“, jammerte sie, eindeutig den Tränen nahe.

„Nalan, bitte“, Oktay zog sie zu sich. „Ich liebe dich!“

Nalan schüttelte frustriert den Kopf.

„Es geht nicht mehr.“, flüsterte sie. „Ich wollt, aber es geht einfach nicht. Ich kann Resit nicht verlassen.“

„Warum nicht? Du hast die Scheidung eingereicht, bitte, zieh es nun durch! Für uns beide!“

„Aber meine Eltern...“

„Deine Eltern sind in diesem Moment vollkommen egal. Tuh das, was du willst und nicht das, was sie wollen! Und wir waren uns doch einig, dass wir beide zusammen gehören, oder nicht?“

„Oktay...“

Weiter kam sie nicht. Er küsste sie fest, doch sie wehrte sich nicht, schmolz nur sichtlich in seinen Armen davon.

„Ich kann dich nicht aufgeben.“

Wow, so viel Mumm hatte Resit nicht gehabt, als es um Emily ging. Und dabei war sie gar nicht verheiratet gewesen.

„Bitte, ich bin bei dir, was auch immer kommt. Gib uns nicht auf!“

„Oktay...“

„Resit!“, als er seinen Cousin entdeckte wirbelte Nalan erschrocken herum. Eilig lösten sie sich voneinander und während sie ihr Kopftuch unnützer Weise versuchte zu richten und sich daran nahezu festhielt, trat er vollends um die Ecke.

„Resit“, jammerte sie leise. „Ich also... Ich kann das erklären! Es ist nicht so, wie es aussieht.“

Sie wirkte so panisch, etwas ganz Neues, da sie normalerweise eher reserviert war.

„Oh doch, ist es.“, widersprach er ihr und musste grinsen. Wie konnte sein Großvater, dieser stumme Mann, der sonst nichts wahrzunehmen schien, die Beziehung der beiden bemerken, aber er nicht? Er schloss kopfschüttelnd die Augen und fing an zu lachen.

Wie absurd diese Situation doch war.

Er machte sich Gedanken, wie Nalan es aufnehmen würde, wenn er ihr beichete, dass er mit einer anderen geschlafen hatte und nun stellte sich heraus, dass auch Nalan anderweitig tätig war. Wobei, ob sie Sex gehabt hatten, das konnte er nicht wissen.

Während er so vor ihnen stand und sich nicht mehr einkriegte, sahen sich die beiden ertappten, aber auch angsterfüllt an.

„Wie lange geht das schon?“, fragte Resit glucksend. Nalan zog den Kopf ein. Sie wollte es nicht sagen, doch Oktay antwortete: „Etwa ein halbes Jahr.“

Resit riss die Augen auf und musste nur noch mehr lachen.

„Nun, das erklärt Vieles.“

„Resit“, Nalan kam auf ihn zugestürmt, griff nach einem seiner Arme und hielt ihn fest. „Bitte, lass uns darüber reden! Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe und es tut mir wahnsinnig leid. Ich gehöre zu dir das weiß ich nun.“

„Weißt du das, oder haben dir das deine Eltern gesagt?“, auf diese Frage ihres Mannes schwieg sie, also hob er wieder den Blick zu Oktay. „Ihr wolltet eure Beziehung öffentlich machen? Daher hat sie die Scheidung beantragt.“

Er bestätigte die Vermutung leicht nickend.

„Bitte, Resit, das hat sich geklärt, es war dumm von mir... von uns! Bitte ich... was?“,

sie sah dabei zu, wie er ihre Hände sanft von seinem Arm löste, dann griff er in die Innentasche, wo er noch immer die Empfangsbestätigung von ihrem Anwalt mit sich trug und den Brief von seinem.

„Bleib ruhig, Nalan, mir geht es genauso.“, er reicht ihr die Schreiben. „In einer Woche könnten wir beide geschiedene Leute sein, wenn du es willst.“

„Was?“, wiederholte sie sich selbst und sah sich alles genau an. Nun trat auch Oktay näher.

„Du bist mit der Scheidung einverstanden?“

„Sonst hätte ich die Unterlagen nicht unterzeichnet. Der Rest sollte rein formell sein.“

„Warum hast du dann die Versöhnung angenommen?“, fragte seine Frau weiter.

„Weil ich erst dachte, dass du es so willst. Und dass ich es so will, aber das war ein Irrtum. Ich denke es ist besser, wenn wir uns trennen.“

Sie nickte, mehr musste sie nicht hören. Das reichte ihr vollkommen.

„Und du gibst uns deinen Segen?“, fragte sein Cousin.

„Meinen Segen braucht ihr beide nicht. Den ihrer Eltern und den von deinen, den braucht ihr. Geht also besser rein und versucht ihn zu bekommen, während alle so gut drauf sind.“

Das Paar nickte und schnell schob Oktay Nalan wieder zurück in den Saal.

Resit sah ihnen lächelnd nach.

Freiheit, er spürte unendliche Freiheit und so viel Glück, denn nun konnte ihm doch niemand mehr den Weg zurück zu Emily verbauen. Nun würde er zu ihr gehen können, ihr sagen, wie sehr er sie liebte und ihr diese Kette geben und dann würden sie endlich vereint sein. Zum Teufel mit seiner Großmutter und all den anderen, die diese Beziehun nicht gutheißen wollten, er und Emily würden zusammengehören und wenn es nach ihm ginge für immer.

Er lehnte sich kurz gegen die Wand, packte die Unterlagen wieder zurück in seine Tasche und holte dafür die Schachtel mit dem Schmuckstück hervor.

Sein zweiter Versuch ihr den Diamanten zu schenken. Und diesesmal war es kein Abschiedsgeschenk.
 

Der ganze Tisch des Brautpaares – oder zumindest die, die an ihm saßen und Deutsch konnten, sowie Melika, der alles übersetzt wurde – lachte. Emily klatschte begeistert in die Hände und ließ sich dann dankend etwas Saft nachschenken.

„Es ist so schön hier, erst gestern schlug meine Frau vor, dass wir doch öfter kommen könnten.“

„Das ist eine fabelhafte Idee!“, warf Daniela – Emilys Mutter – ein. „Unser Haus ist groß genug, wir haben so viele Zimmer frei, ihr bräuchtet nicht einmal ein Hotel!“

Inan strahlte förmlich und übersetzte das seiner Frau.

„Und um die Sache abzurunden kommt ihr auch, oder?“, fragte Johann weiter und sah zu Peri und Mehmet.

„Unbedingt!“

Aufgeregt plapperte Melika da auf Daniela ein. Inan lachte.

„Sie findet die Idee großartig, hat aber Angst, dass sie euch zu viel Arbeit macht.“

„Ach was, so ein Unsinn!“, die Frau winkte wieder ab. „Wir freuen uns immer über Besuch.“

„Spätestens nächstes Jahr im Sommer müsst ihr kommen! Unsere Älteste und ihre Familie bauen bei uns im Garten ein Haus. Richtfest ist für Ende August geplant.“

„Und im Winter kommt ihr dann zu uns!“, verkündete Peri.

„Ja, genau!“, lachte Johann und die drei Ehepaare stießen auf diese Pläne an.

„Oh man...“, murmelte Emily kopfschüttelnd, aber grinsend. Can und Sabiha lachten – sie kamen gerade von der Tanzfläche, um einen Schluck zu trinken. Lediglich die Großmütter schienen nicht sonderlich begeistert.

„Was denn? Sind wir dir wieder peinlich?“

Johann schwang einen Arm um seine Tochter und drückte ihr einen – von seinem langsam silber werdenden Vollbart stacheligen – Kuss auf die Wange.

„Bisher nicht, aber jetzt schon.“, erklärte sie lachend und wischte sich über die Stelle, sodass die Anderen einstimmten.

Langsam verstummte die Musik im Hintergrund und alle Paare sahen auf, um zu erfahren, welches wohl das nächste Lied war, denn danach entschieden sie, ob sie tanzen würden.

Doch es kam kein Lied.

„Merhaba“, hallte Resits tiefe Stimme durch den Saal und während es Emily noch eiskalt den Rücken hinunter lief, schallte es von der Gesellschaft zurück: „Merhaba“

Es war die reinste Schulatmosphäre und alles begann zu lachen, ebenso wie Resit.

Dann begann er zu reden wie ein Wasserfall.

„Eine Ansprache“, erklärte Can leise und nahm seine Frau von hinten in den Arm. Setzen würden sie sich nicht, denn das hier galt ihnen. Resit stand immerhin ebenfalls mitten auf der Tanzfläche und sprach zu ihnen.

Peri saß den drei Deutschen, die kein Wort Türkisch sprachen, am nächsten und begann zu übersetzen: „Ich bin stolz hier sein zu können und freue mich, dass ihr alle erschienen seid, um dieses Gefühl mit mir zu teilen. Heute ist ein besonderer Tag für meinen Bruder und seine wunderschöne Frau Sabiha. Und ich denke ich sprache im Namen von uns allen, wenn ich euch alles Glück dieser Welt wünsche. Ihr seid jung, intelligent, erfolgreich – naja, so mehr oder weniger zumindest, nicht wahr, Sabiha?“

Die Braut warf ihm eine gespielt beleidigte Faust zu und alles lachte. „Nein, wirklich, ihr habt es verdient. Ihr habt einander gesehen und sofort gewusst: Das ist der Mensch, mit dem ich mein Leben verbringen will.“

Emily schloss die Augen. Sie wollte am liebsten gehen, doch sie konnte nicht. Alle Blicke wären auf sie gerichtet und solch einer Peinlichkeit wollte sie ihre Freundin nicht aussetzen.

Das Kommende musste Peri nicht übersetzen. Die Gäste hoben ihre Gläser und applaudierten und Sabiha und Can küssten sich kurz glücklich. Es musste ein Toast auf sie gewesen sein.

Emily atmete tief durch und drehte sich nun endlich auf ihrem Stuhl herum, eigentlich nur, um ihre Freundin noch einmal von unten herauf zu umarmen, doch das war ein Fehler.

Resit stand dicht hinter ihr. Erschrocken konnte sie nicht anders, als zu ihm hinauf zu sehen, als sein Blick über die Gäste streifte und wartete, dass das Klatschen wieder abflaute. Als er bemerkte, dass sie ihn anstarrte, lächelte er sie leicht an. Doch alles, was das in ihr auslöste, war wie ein Knoten in der Magengegend. Sie senkte wieder den Kopf und richtete zur Ablenkung eine Falte auf dem weißen Hochzeitskleid Sabihas.

Resit ließ tonlos die Schultern hängen, fing sich aber gleich wieder und Peri begann weiter zu übersetzen: „Und viel Glück bei der Zeugung von Nachkommen müssen wir euch beiden ja auch nicht mehr wünschen, was? Denn das is ja der ganze Grund, warum die Hochzeit vorverlegt wurde: Sabiha und Can erwarten ihr erstes Kind!“

In diesem Moment war es vollkommen egal, dass das hieß, dass Sabiha keine Jungfrau bei der Hochzeit gewesen war. Alles jauchzte, applaudierte und pfiff freudig. Besonders weibliche Stimmen schnatterten aufgeregt durcheinander.

Emily legte eine Hand auf die Stuhllehne, bettete den entgegengesetzten Ellenbogen darauf und legte den Kopf auf der so aufgerichteten Hand ab, um zu ihrer Freundin hinauf zu lächeln.

Es war so schön zu sehen, wie Can seine Frau in den Arm nahm und sanft küsste. Die Streitereien der Familie wegen ihres aktuellen Aufenthaltsortes und die Wahl einiger Gäste schien verflogen zu sein.

Doch die Stimmung legte sich wieder, als Resit weitersprach und Peri erneut übersetzte:

„Ja, der Zusammenhalt zwischen zwei Liebenden und miteinander Verheirateten ist sehr wichtig. Ihr müsst immer daran denken: Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Nehmt euch auf keinen Fall ein Beispiel an mir und Nalan.“

Mit einem Schlag schwiegen alle erneut und jeder, einschließlich Emily, sah zu Resit hinauf.

Was sollte das heißen?

„Ich weiß, wir sind hier, um eine Hochzeit zu feiern, doch einige von euch werden sicher bereits bemerkt haben, dass es zwischen mir und Nalan nicht mehr besonders gut läuft. Um genau zu sein, darf ich euch eröffnen, dass es gar nicht mehr läuft. Nalan und ich haben uns für die Scheidung entschieden. In gut einer Woche werden wir getrennte Wege gehen.“

Nun brachte sich plötzlich Can von der Seite ein. Er sah die ganze Situation kippen. Die gesamte Stimmung der Hochzeit schien bergab zu gehen, doch Resit gab ihm mit einer kurzen Handbewegung zu verstehen, dass er noch nicht fertig war.

„Das ist aber gewiss kein Grund für Traurigkeit! Ich denke wir können uns auf eine baldige Hochzeit von Nalan und Oktay in Antalya einstellen!“

Alles sah überrascht zu den Beiden hinüber und während Nalan rot anlief, begann Oktay nur zu grinsen und peinlich berührt zu winken.

Resit lachte los, Can stimmte ein und als dann auch noch Sabiha zu klatschen begann mussten einfach alle mitmachen.

Mit der Ankündigung einer Hochzeit trotz Scheidung war die gute Laune wieder hergestellt und man begann nun die Beiden zu beglückwünschen.

Selbst am Tisch des Brautpaares wurde gejubelt, außer Resits Großvater und Sabihas Großmutter, die einfach nur schwiegen, und die Frau von Ersterem, die versuchte brüllend die Aufmerksamkeit ihres Enkels zu erlangen, um ihn vielleicht doch noch auf den rechten Weg zu bringen und um seine Frau zu kämpfen.

Emily gluckste nur leise. Dieses Bild war zu drollig.

Sie sah sich in dem Saal um und konnte sich nicht daran erinnern, jemals in einer solch gut gelaunten und fröhlichen Menge zu sitzen, wo jeder nur lachte und klatschte und sich alle amüsierten.

Da plötzlich griff ihre Mutter ihren Arm. Erschrocken schlug sie sich die Hand vor den Mund und starrte neben Emily auf den Boden. Nichts verstehend wandte sich die Blonde um.

Ihr Herzschlag setzte für einen Moment aus und über die Menge hinweg war nur ein Satz zu hören: „seni seviyorum“

Das verschlug nun auch Resits Großmutter die Sprache, fassungslos ließ sie sich auf ihren Stuhl fallen und sah entgeistert auf ihren Enkel hinab, der dort neben Emily auf dem Boden kniete und unerbittlich fest zu ihr hinauf sah.

„Was...?“, brachte Emily nur hervor, deren Gehör scheinbar kurz ausgesetzt hatte. Zumindest hörte sie alles nur noch dumpf, als hätte sie Ohrstöpsel drin.

Inan sah belustigt zu seiner Mutter und stellte erstaund fest, dass auch sein Vater grinsen musste, als Resit nun noch einmal auf Deutsch wiederholte: „Ich liebe dich.“

Ein Ruck ging durch Emilys Körper, der sie kurz zucken ließ.

Sie erhob sich, er tat es ihr gleich und während nun Can nach dem Mikrophon in Resits Hand griff um seinerseits etwas zu sagen, schlang die junge Frau ihre Arme um den Hals seines Bruders, stemmte sich auf ihren hohen Absätzen noch etwas weiter hinauf und verschmolz mit ihm in einem leidenschaftlichen Kuss.


Nachwort zu diesem Kapitel:
OMG ich hasse Schlüsse... Ich kann sowas nicht... Sie sind schrecklich... entweder zum heulen oder absoluter Kitsch... von daher: Vielen, vielen Dank an alle, die sich dieses letzte Kapitel auch noch angetan haben ;)

Viele Grüße und bis zum nächsten Mal

Eure XdramaX Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (15)

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Von:  bella230109
2018-07-01T19:06:50+00:00 01.07.2018 21:06
ich muss echt sagen habe deine geschichte erst vor ein gestern gefunden und sie ist einfach klasse die liebe zwischen zwei paaren die nicht unterschidlicher sein koennen von der religon aus und denn preuchen aber trozalledem die liebe findet einen weg egal wie und liebe auf dem ersten blick ist was wunderschoenes
des wegen bitte ich dich auch weiter zu schreiben an anderen geschichten da diese ja zuende ist was sehr scharde ist ich haette mich ueber eine fortsetzung der beiden gefreut aber gut

lg bella
Antwort von:  XdramaX
01.07.2018 21:12
Oh, wie schön, vielen Dank :)

Ich habe wahnsinnig lange nichts mehr geschrieben... ich glaube zwei jahre oder länger... ich habe dann aber vor zwei oder drei wochen meinte alte Geschichte "Genau so wie du bist..." unfertig auf der externen Festplatte gefunden und in einem Ruck beendet... Ich stelle immer donnerstags ein kapitel rein.

Wenn du möchtest, dann schau doch rein :)

Was weiteres ist in Arbeit, aber noch in den Kinderschuhen... kann also dauern...

Aber ich finde es sehr schön, dass seni seviyorum noch gelesen wird und gefällt :) Das freut mich doch und motiviert :)

Danke dafür :)
Antwort von:  bella230109
02.07.2018 07:04
ich kann nur sagen auch wenn es nur ein hobby von dir oder anderen ist nicht auf geben ist wie im job nur wer mut hat und denn hast du kann gluecklich weiter schreiben also kopf hoch und schoen weiter schreiben
und ich les mich in der zeit bei deinen anderen geschichten durch 😄😀
Antwort von:  XdramaX
02.07.2018 09:46
Oh je hahahaha OK, viel Glück, aber die einzigen die ich selbst empfehlen würde sind noch seni seviyorum und sesshoumarus braut. Der Rest ist so alt... Hahahaha also bitte nicht steinigen, wenn du was richtig mieses findest hahaha
Antwort von:  XdramaX
02.07.2018 09:47
Eh ich meine sesshoumarus braut und genau so wie du bist hahahaha bei seni seviyorum sind wir ja hier XD
Sorry ich bin heute total verpeilt... Erster Tag im Büro noch einer Woche Urlaub... 😫😭
Antwort von:  bella230109
02.07.2018 13:33
ok ich lass mich ueberraschen und die empfehlung nehme ich gerne zwecks denn beiden geschichten
nah dann viel spass im buero
ich bin leder krank und muss das bett huetten
Antwort von:  XdramaX
02.07.2018 16:31
Oh je, armes 😢
gute Besserung !!
Antwort von:  bella230109
02.07.2018 18:53
danke die besserung kann ich gut gebrauchen aber dafür habe ich jetzt zeit die geschichten durch gehend zu lessen 😁😆
Antwort von:  XdramaX
02.07.2018 19:27
Hahaha so ist es richtig! Immer das positive in der Sache sehen haha
Viel Vergnügen :)
Von:  Minatoast
2015-06-21T07:47:25+00:00 21.06.2015 09:47
Was für ein schönes ende! Du hast mich glücklich gemacht das die beiden zusammen gekommen sind 😊 schön wie resit, emily seine liebe gestanden hat! Aber da hatte ich ja recht gehabt das nalan etwas verschweigt, allerdings das sie etwas mit einem cousin hat war ich erstaunt!
Eine super story, nur echt traurig das es vorbei ist :(
Willst du nicht doch noch ein epilog schreiben oder sogar eine Fortsetzung ;D
z.b. kommt resit jetzt nach Deutschland oder emily in die Türkei und wie entwickelt sich die Beziehung weiter? Oder werden die familien ihr versprechen wahrnehmen sich bei emily s eltern zu treffen und und und
Würde mich wirklich freuen wenn es weiter gehen würde 😆 bitte bitte

liebe grüße mina
Antwort von:  XdramaX
21.06.2015 09:49
War eigentlich nicht geplant, sorry XD
Antwort von:  Minatoast
21.06.2015 09:51
Oh nein :( kannst es dir ja überlegen :)
Antwort von:  XdramaX
21.06.2015 09:55
wollte es eigentich nicht fortsetzen... bin so schon kein Freund von Enden... tu mich immer so schwer damit XD da bin ich froh, dass ich das jetzt los habe XD
Antwort von:  Minatoast
21.06.2015 10:17
Es war ein schönes ende ;) hast du wirklich super gemacht👍 danke für die story ☺
Antwort von:  XdramaX
21.06.2015 10:20
wenigstens gefällt es einer person XD auf ff.de hat mich ein leser scon im stich gelassen XD
Antwort von:  Minatoast
21.06.2015 10:44
Es gibt nur viele die schreiben nicht gerne Kommentare! Mir gefiel es sehr gut, wie gesagt hätte auch weiter gehen können :)
Antwort von:  XdramaX
21.06.2015 10:50
Nein, nicht, dass einer kein KOmmi nicht geschrieben hat, sondern wirklich einer weniger bei den Lesern der Story ist XD
Antwort von:  Minatoast
21.06.2015 10:51
Achso! Mach auf jedenfall weiter so 😊
Antwort von:  XdramaX
21.06.2015 10:53
ok ich vergraul noch mehr, das kann ich muahahahahahahahahaha
Antwort von:  Minatoast
21.06.2015 10:57
Haha 😂 nein schreib schön weiter storys mein ich :D
Von:  Minatoast
2015-06-14T09:37:31+00:00 14.06.2015 11:37
Super Kapitel 👍 hatte mir irgendwie schon gedacht das nalan zur hochzeit kommt! Ich bekomme das Gefühl nicht los das nalan, resit doch noch was verschweigt was zur scheidung führen sollte.
Am anfang des kapitels hab ich ja noch gedacht, jetzt wird alles gut mit emily und resit!
resit kann man zwar auch verstehen das er seine ehe nicht einfach weg schmeißen will, aber dann doch nochmal mit emily zu schlafen macht das ganze noch schwerer für die beiden. Vorallem ist er sich seinen gefühlen nicht wirklich im klaren zu emily, obwohl wie du es geschrieben hast finde ich das er sie schon liebt aber es nicht richtog wahr haben will :)
Aber ich befürchte ja fast das es kein happy end für die beiden geben wird! Lasse mich trotzdem überraschen wie das finale wird, leider nur noch ein kapitel :(

lg mina
Antwort von:  XdramaX
14.06.2015 11:40
zum glück nur noch eins XD
jaaaaaa bin gespannt, was du am Ende sagst ;) noch 6 mal schlafen ;)

und nien, ich verkneife mir das Spoilern lieber mal ^^
Von:  Minatoast
2015-06-07T14:35:19+00:00 07.06.2015 16:35
Oh mein gott!!!!!! Was ist alles passiert in dem kapitel, mir steht immer noch leicht der mund offen (positiv gemeint). Mir tat Emily so leid als sie gemerkt hatte das resit ihre Gefühle nicht erwidert :( und um so verwundert war ich das er die scheidungspapiere doch unterschrieben hatte und vorallem sich dann auf sie gestürzt hat! Hoffentlich ist es nicht nur für einen Moment denn das wär für emily noch schlimmer. Inan ist ja einfach goldig 😊 denke ja mit Wehmut das nur noch ein paar kapitel kommen
ich finde die story einfach genial mach weiter so
Antwort von:  XdramaX
07.06.2015 17:04
zwei pitel XD das nächste da wirste dir denken: WAS ZUR HÖLLE?
und beim letzten: ...
keine AHnung, was du dir da denken wirst XD ich hasse es eine Story zu beenden, ich weiß nie wie XD
Von:  LovelyBlood
2015-06-07T14:03:16+00:00 07.06.2015 16:03
Ach was für ein schönes dramatisches kapitel QuQ
Es war so herrlich lang aber ging so schnell vorbei.... xD
Und bei der besten stelle dann so gnaaarg wars ende Dx
.... xDDD
Antwort von:  XdramaX
07.06.2015 16:21
jaaaaaa es war schon 17 Seiten lang beim schreiben und dann dachte ich mir... nee die Spannung geht runter und keiner hat bock ein so langes pitel zu lesen, also habe ich es da abgebrochen hihi tut mir leid T.T nicht schlagen T.T
Von:  Minatoast
2015-05-31T07:05:42+00:00 31.05.2015 09:05
Eine super story :) bin gespannt wie sich das ganze entwickelt und wie es weiter geht! Dein schreibstil ist richtig gut, ich war direkt gefesselt.
Freu mich aufs nächste Kapitel ☺
Antwort von:  XdramaX
31.05.2015 09:36
hihi danke danke für die Blumen ;) freu mich riesig ^^ erst kommt kein Kommie und nun hab ich gleich zwei über nacht ^^ ich bin zu tiefst gerührt ^^

kommenden Samstag kommt das nächste pitel ^^ es sind insgesamt fünf ^^ jede Woche eines ^^
Von:  AnniinaAgricola
2015-05-31T00:24:16+00:00 31.05.2015 02:24
Wohooo!!!!!! :-) hier geht's ja ab!!!! Coole Story echt!
Antwort von:  XdramaX
31.05.2015 09:34
Ich versuche es zumindest ;) ich meine so lang geht die Story auch nicht, in drei Wochen kommt schon das letzte Kapitel ;) jede Woche eins hihi


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