Tessaiga no sentaku von Mimiteh ("Tessaigas Wahl") ================================================================================ Kapitel 6: Oni -------------- Warum habe ich das Gefühl, dass uns irgendetwas Bekanntes folgt? Nachdenklich blickte Kagome sich um, nicht zum ersten Mal in den letzten Stunden. Sie sah davon ab, etwas verlauten zu lassen, denn wenn ihnen da wirklich etwas folgte, dann hatte Sesshômaru das sicherlich bereits bemerkt. Dennoch war sie angespannt, konnte nicht davon lassen, ihren Blick durch die Gegend schweifen zu lassen. Seit sie losgezogen waren, folgten sie dem Bach flussabwärts. Wenn sie sich an Sesshômarus Worte zuvor erinnerte, dann gingen sie zu diesem nächsten Dorf, sollten es wohl gegen Abend erreichen. Seit ihrem Aufbruch hatte Sesshômaru kein Wort mehr gesagt – abgesehen von ein oder zwei emotionslosen „Jaken!“-Ermahnungen, die den Krötendämon zumindest kurzfristig davon abhielten, weiter über das ‚Menschenweib‘ zu schimpfen. - Sesshômaru hatte durchaus ebenso gemerkt, dass sie verfolgt wurden. Er witterte auch das getrocknete und das frische Blut, das ihrem Verfolger anhaftete. Aber noch hielt er es nicht für nötig, den, der sich nicht zeigen wollte, aufzureiben, auch wenn die Witterung ihm bekannt vorkam. Momentan gab es wichtigeres. Wenn sie InuYasha finden und Rin befreien wollten, gab es wichtigeres. Kagome hatte schon selbst herausgefunden, dass sie so, wie sie im Moment war, hilflos war. Sie brauchte eine Waffe und möglichst auch Kleidung, die hierher passte. Das, was sie momentan trug, mochte in ihre Heimat passen und war schon um Längen besser, als die seltsame Tracht, die sie früher zu tragen pflegte, aber dennoch sah es mehr als seltsam aus. Er blieb stehen, als er im Tal die Siedlung ausmachte, die er angesteuert hatte. Auffordernd sah er Kagome an. Die erwiderte seinen Blick kurz, ehe sie zu verstehen schien, dass er nicht mitkommen würde und vorsichtig aus AhUhns Sattel glitt. Kurz ruhten ihre Augen auf Tessaiga, dass sie die ganze Zeit über nicht losgelassen hatte, ehe sie es wieder sorgfältig in das dreckig gewordene Seidentuch hüllte, dass er zum Schutz vor Tessaigas Bannkreis um das Schwert gewickelt hatte, und es in AhUhns Satteltasche zurückließ. Nun, sie hatte schon früher bewiesen, dass sie nicht dumm war. Mit dem Schwert in der Hand, würde sie keine Chance haben, sich als hilflos darzustellen. „Morgen früh. An der Biegung des Baches“, sagte er nur neutral, als sie sich auf den Weg, den Hang hinab machte. Kagome sah über die Schulter zurück. „Gut. Bis morgen, Sesshômaru. Und… noch einmal danke für die Begleitung.“ Sesshômaru gab keine Antwort. Aber innerlich stellte er fest, dass die junge Frau ihn eindeutig schon zu gut kannte. Sie hatte offenbar durchschaut, dass er nicht nur aus egoistischen Motiven handelte. Denn das tat er nicht. Natürlich ging es ihm hauptsächlich darum, Rin zu befreien. Und Myôga hatte keinen Schwachsinn geredet, als er von den Bannkreis-Varianten geredet hatte. Sesshômaru wusste selbst, dass Yukios gesamter Familienzweig sich auf solcherart Kriegsführung wunderbar verstand. Aber wenn er ehrlich war, wollte er Kagome auch helfen. Gegen Naraku war sie eine unschätzbare Hilfe gewesen und außerdem war ihm klar, dass sie InuYashas Ein-und-Alles war. Ganz davon abgesehen aber wusste er noch etwas, was Myôga mal wieder geflissentlich unterschlagen hatte. Der Körper, den InuYashas Seele sich nach Yukios Tod gesucht hatte, hieß nicht umsonst Leihkörper. Fehlende Identität hin oder her, InuYashas Seele würde sich darin nicht für immer halten können, wenn sie nicht erweckt wurde. Ihre Anwesenheit hielt den Körper am Leben, aber wenn sie nicht geweckt wurde, wäre das nicht von langer Dauer. Wenn es hoch kam, blieben ihnen ein paar Wochen. Und irgendwo wäre es schade um InuYasha. Sesshômaru mochte seinen Halbbruder nach wie vor nicht unbedingt leiden können, bezüglich der Hintergrundgeschichte auch mehr oder weniger nachvollziehbar. Aber gegen solche Familienmitglieder wie Yukio war InuYasha eine echte Erholung. - Derweil hatte Kagome den Fuß des Hanges erreicht und näherte sich etwas zögernd dem Dorf. Es war seltsam, so völlig allein. Gut, InuYasha war nicht gerade die beste Begleitung, wenn man geduldig nach etwas fragen wollte, Miroku setzte meistens andere Maßstäbe bei der Auswahl von Gesprächspartnern, Shippô war noch sehr kindlich und Sango meistens zu nichts zu gebrauchen, weil sie aufgrund von Mirokus Eskapaden nahe dem Siedepunkt stand, aber in diesem Moment, in dem sie die ersten Hütten passierte, wurde ihr wieder einmal klar, wie sehr sie die ganze Bande vermisst hatte und noch immer vermisste. Denk optimistisch, Kagome! Du weißt jetzt wenigstens, dass sie nicht tot sind. Sie leben. Und du kannst sie retten. Halte jetzt bloß durch!, redete sie sich selbst gut zu, während sie den Platz in der Mitte des Dorfes betrat und sich umsah. Viel war nicht mehr los, es war bereits dämmrig, die Männer von den Feldern zurück, die Frauen mit dem Tagwerk fertig. Aber schließlich entdeckten ein paar Kinder sie, sie spürte die neugierigen Blicke. Dann traute sich ein Erstes näherzukommen. Kagome blieb stehen und sah ihm bemüht freundlich lächelnd entgegen. „Guten Abend!“, grüßte sie behutsam. Das Kind, ein höchstens sechsjähriger Junge, blieb vor ihr stehen, ehe er den Gruß zaghaft erwiderte. „Shouta!“, rief plötzlich jemand. Da der kleine Junge den Kopf wandte, vermutete Kagome, dass dies sein Name gewesen war. „Shouta heißt du also? Freut mich, dich kennen zu lernen“, griff sie es sogleich auf und während der kleine Junge sie schüchtern anlächelte, schien es dem Rufer zu lange zu dauern. „Shouta!“, rief er erneut und die Reisstrohmatte vor einer Hüttentür nicht weit entfernt, wurde beiseitegeschoben, als ein Mann heraustrat. Kagome vermutete in ihm den Vater des Kleinen. Jetzt hielt der Mann inne, hatte sie entdeckt. „Wer seid Ihr?“, wollte er wissen und sein skeptisch musternder Blick blieb insbesondere auf ihrer Kleidung hängen, dass merkte Kagome genau. „Eine Reisende, werter Herr. Man nennt mich Kagome“, erwiderte sie und spürte trotz aller Reserviertheit in der Haltung ihres Gegenübers, dass sie langsam sicherer wurde. Unwillkürlich straffte sie die Schultern ein wenig. „Allein?“, wollte der Dorfbewohner lauernd wissen. Rasch schüttelte Kagome den Kopf. „Meine Begleiter lagern etwas entfernt vom Dorf. Mein… Schwager ist ein wenig menschenscheu“, erklärte sie. Sesshômaru wäre sicher nicht sehr begeistert über diese Betitelung, aber es warf sicher ein besseres Licht auf sie, wenn es so schien, dass sie mit Familienmitgliedern reiste. So schien das auch der Mann zu sehen, denn er nickte nun. Also wagte Kagome weiterzureden: „Ich bräuchte einen einfachen Kimono und am bes-“, sie verschluckte sich fast an ihren eigenen Worten, als ein unbestimmtes Gefühl dafür sorgte, dass sich ihr die Nackenhaare aufstellten. Yôki. Und zwar nicht das sorgfältig heruntergedrückte von Sesshômaru – wäre auch zu abwegig, dass er ihr doch gefolgt war – sondern das kaum kontrollierte eines – oder mehrerer – Oni. Instinktiv richtete sie ihre Konzentration darauf. Wo war es? Dort, von rechts kam es, vom Dorfrand, aber von oben. Sie richtete den Blick in diese Richtung, angestrengt versuchte sie etwas zu erkennen. Der dichte Baum da? Hockte es da? Auf jeden Fall schien es nur ein einzelnes Wesen zu sein. Ihr bisheriger Gesprächspartner wollte gerade nachfragen, was los sei, ihr unvollendeter Satz hatte sicherlich nicht dazu beigetragen, seine verständliche Skepsis schwinden zu lassen, da ging alles ganz schnell. Nicht die Baumkrone, aber ein Dach am Dorfrand explodierte regelrecht, als ein beinahe undefinierbares Wesen auf das nächstbeste Haus sprang. Holzteile flogen unter lautem Krachen durch die Luft, Staub wirbelte auf und ein eigenartiges Scharren war zu hören, als das Wesen weitersprang. Klauen…, dachte Kagome nur, während sie hörte, dass es näher kam. Sie spürte die Panik um sich herum, hörte Schreie – und fühlte das unwillkürliche Gefühl von Gefahr, als der Oni plötzlich direkt vor ihr war. Ehe sie richtig darüber nachdachte, schlang sie einen Arm um den Brustkorb des kleinen Jungen, der noch immer vor ihr stand, und warf sich mit ihm zur Seite. Die Klauen des Oni blitzten auf, als sein Schlag ins Leere ging. Hat er es auf mich oder auf den Kleinen abgesehen?, schoss es ihr durch den Kopf, als sie unsanft auf dem Boden aufkam, den Jungen losließ um sich wenigstens ein bisschen abfangen zu können. Sie bekam Erde in den Mund und spuckte angewidert aus. Shouta sah sie schreckensstarr aus angstgeweiteten Augen an. „Was… ist das?“, brachte er mühsam hervor. Kagome wurde einer Antwort enthoben, weil inzwischen die Dorfgemeinschaft gemerkt hatte, was da über sie hereingebrochen war: „Oni!“ Hektisch blickte Kagome sich um. War denn hier nichts, was sich gebrauchen ließ? Stöcke und Forken, mit denen die Dorfbewohner, die nun aus den Hütten strömten, sich zu verteidigen suchten, taten einem Dämon dieser Größe nichts, das wusste sie nur zu gut. Da merkte sie, dass der Oni stehen geblieben war und sich umblickte. Sie nutzte diesen Moment, um ihn näher zu mustern. Klobiger Kopf mit mehr Augen als sie im Moment zählen mochte, zwei Arme, an deren Enden zwar keine Hände, aber dafür zwei umso längere Klauen waren und zwei Beine, nicht minder schwer bewaffnet. Alles in einem schmutzigen Braun und mit einem dicht bepelzten, drachenähnlichen Schwanz ausgestattet. Als sie aber die Blickrichtung des Viechs bemerkte, war es ihr umso mehr egal, was für eine Art Oni ihr gegenüberstand. Denn die flammend orangefarbenen Augen hatten die restlichen Dorfkinder erfasst, die sich angstvoll in einer Nische zwischen zwei Hütten zusammengekauert hatten. Das war also das Ziel dieses Oni. Er wollte die Kinder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)