Die Dinge, die wir immer wollten... von Sakuran (Taichi & Mimi) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Als ich noch jung war, habe ich mich oft gefragt, was wirklich wichtig ist im Leben. Viele Menschen, denen man auf seinem Lebensweg begegnet, haben eine andere Meinung dazu. All diese Ratschläge oder Ansichten haben mir nicht dabei geholfen zu entscheiden, was ich im Leben erreichen möchte. Was will ich für mich in meinem Leben? Was ist wirklich von Bedeutung für mich? Heute weiß ich, dass es nur zwei Dinge im Leben gibt, die uns wirklich bewegen. Liebe und Freundschaft. Zwei Dinge, die unsere Welt immer wieder beinahe zum Einsturz bringen. Die uns auf der einen Seite überglücklich machen und auf der anderen Seite in das tiefste Tal der Verzweiflung stürzen können. Liebe und Freundschaft sind nur durch einen sehr schmalen Grat voneinander getrennt und selbst heute vermag ich nicht zu benennen, was genau der Unterschied zwischen den Beiden ist. Zumeist erwächst tiefe Liebe aus einer umso tieferen Freundschaft und andersherum. Wo geht denn die Liebe hin, wenn sie nicht mehr da ist? Ich glaube, dass wahre und aufrichtige Liebe niemals verschwindet, sie wird zu etwas Anderem. Besser gesagt geben wir diesem Gefühl einfach einen anderen Namen. Am Ende ist alles durch einen hauchdünnen Faden miteinander verbunden. Immer kurz davor endgültig zu reißen und dennoch, irgendwie gelingt es immer wieder, sich daran festzuhalten. Kaum merklich verbindet uns dieser Faden immer wieder mit einem besonderen Menschen und hält den größten Katastrophen stand. Irgendwann stellen wir fest, dass unsere Lebenszeit, wie Sand durch unsere Finger rinnt. Erstarrt und blind lassen wir immer wieder die einzige Chance auf die Liebe an uns vorüber gehen. Vielleicht aus Angst verletzt zu werden. Vielleicht in dem Wissen etwas zu zerstören oder aber diesen einen besonderen Menschen, den wir lieben, für immer zu verlieren. Doch die Frage ist, wie viele Chancen gibt uns das Leben, diese eine und wahre Liebe zu finden? Wie viel Zeit haben wir noch übrig, bis die gesamte Lebenszeit aufgebraucht ist und wie haben wir diese wenige Zeit tatsächlich genutzt? Das hier ist keine Liebesgeschichte. Es ist die Geschichte meines Lebens. Über die Dinge die ich immer wollte. Eine Geschichte über das, was am Ende wirklich wichtig ist und uns immer wieder bewegt. Denn letztlich sind uns alle Wege vorherbestimmt, wir müssen nur die Augen öffnen und anfangen mit unserem Herzen zu sehen. Mutig und aufrichtig, den Sand des Lebens in unseren Händen haltend, danach zu streben alle uns gegebenen Chancen zu nutzen. Und zwar auch unter den Schmerzen, die das Leben mit sich bringt. Denn nichts im Leben ist so bitter, wie die Erkenntnis, am Ende seiner Tage, nicht alle Chancen genutzt zu haben. Die Gewissheit darüber, den einen besonderen Menschen los gelassen zu haben. Wo geht die Liebe hin wenn sie weg ist? Ich glaube, dass ist nicht die richtige Frage. Die Frage ist doch, was passiert mit mir, wenn du nicht mehr in meinem Leben bist? Was passiert mit den Dingen, die wir immer wollten? Kapitel 1: Alles verändert sich ------------------------------- 27. Juni 2015, Minato Imperial Hotel, Odaiba Heute war der Hochzeitstag seiner besten Freunde. Der Sommer hatte gerade begonnen und die Hitze des Tages steckte noch immer in seinen Knochen. Taichi saß etwas gelangweilt am Tisch und beobachtete die feiernde Menge. Gerade wurden die letzten Teller des Abendessens abgeräumt und der junge Mann hatte soeben sein sechstes Bier an diesem Abend geleert. Irgendwie kam es ihm schon hoch, wenn er daran dachte, dass sein bester Freund nun doch das Mädchen heiratete, in das er wirklich sehr lange verliebt gewesen ist. Die beiden waren nun etwa sieben Jahre zusammen, zumindest wenn man die längeren oder kürzeren Pausen dazwischen ignorierte. Taichi beobachtete die rothaarige junge Frau, während sie die Glückwünsche zahlreicher Hochzeitsgäste entgegen nahm. Ihr frisch gebackener Ehemann stand mit seiner tadellosen blonden Frisur daneben und lächelte höflich. Taichi sah seinen beiden besten Freunden sofort an, dass sie keinen Spaß daran hatten, sich immer wieder auf die gleiche Art und Weise bei ihren Gästen zu bedanken. Deshalb kroch ein freches und selbstgefälliges Grinsen über sein Gesicht. „Ich hätte nicht gedacht, dass dein Gesicht tatsächlich noch dämlicher aussehen kann, als ohne hin schon. Aber da hab ich mich mal wieder drastisch getäuscht.“ Diese unverschämten Worte einer weiblichen Stimme drangen in sein Gehör und sofort richtete Taichi seinen Blick auf die junge Frau, die an dem großen runden Tisch ihm gegenüber saß. Sie grinste ihn verschmitzt an und hatte ihr Kinn auf ihre schmalen Hände gestützt. Verwundert über diesen provokanten verbalen Angriff, zog er seine rechte Augenbraue nach oben und musterte die brünette Frau. „Das liegt wohl einfach daran, dass deine Art und Weise über einen Menschen zu urteilen grundsätzlich oberflächlich ist. Außerdem kann ich mich keineswegs daran erinnern, dass du jemals mit irgendwas richtig gelegen hast.“ Er lächelte sie an und nahm einen Schluck von seinem Bier. Das war nicht die erste und gewiss nicht die letzte Spitze seiner alten Freundin Mimi an diesem Abend und Taichi würde mit weiteren verbalen Angriffen von ihrer Seite rechnen. Mimi war für diesen heutigen Anlass extra angereist. Soweit Taichi wusste, studierte sie nach ihrem Schulabschluss in Japan in den USA. Vor vier Jahren hatten Yamato, Sora und Taichi die Oberschule erfolgreich beendet und im Alter von 19 Jahren ein Studium begonnen. Ein Jahr später beendeten auch Mimi und Koushiro die Oberschule. Yamato wechselte ziemlich schnell an die Hochschule für Musik und Sora erfüllte sich ihren Traum mit ihrem Modedesign Studium. Joe hatte bereits zwei Jahre zuvor mit seinem Medizinstudium begonnen und hatte nur sehr wenig Zeit für Freundschaften oder andere Dinge. Taichi selbst hatte sich für Politikwissenschaft und Sport entschieden, denn wie immer in seinem Leben, war er auch hier sehr unentschlossen und konnte sich auf kein Hauptfach festlegen. Mimi hatte sich an einer Elite-Universität an der Ostküste der USA eingeschrieben und wollte dort Betriebswirtschaft studieren. Doch Taichi vermutete vielmehr, dass es Mimis Vater war, der das wollte und sie dazu drängte diese Universität zu besuchen. Bei den jährlichen gemeinsamen Treffen der Freunde machte Mimi nämlich nicht den Eindruck, als würde sie die Zeit in den Staaten und ihr Studium vollends genießen. „Taichi? Bruderherz?“ Die zaghaften Worte seiner kleinen Schwester rissen ihn aus seinen Gedanken. Erstaunt sah er zu ihr rüber. Hikari saß mit ihrem Verlobten ebenfalls am Tisch. Unter dem roten Kleid seiner Schwester verbarg sich ein rundes Bäuchlein. Mittlerweile war gut zu erkennen, dass sie ein Kind unter ihrem Herzen trug. Hikari war bereits im siebten Monat schwanger und der stolze werdende Vater saß neben ihr. Taichi musterte den kleinen Bruder seines besten Freundes und konnte sich noch immer nicht vorstellen, wie es möglich war, dass der brave Takeru seine Schwester schwängern konnte. Diesen Abend an dem die beiden es ihren Familien beichteten würde Taichi wohl nicht vergessen. Er hatte den armen Kerl so dermaßen verprügelt, dass es ihm heute noch leid tat. Aber dennoch konnte er, als großer Bruder, den Gedanken einfach nicht ertragen, dass seine kleine Schwester von einem Mann in dieser Art und Weise berührt wurde. Irgendwie trieb ihm das immer wieder die Wut in die Brust zurück und somit verfinsterte sich auch schon wieder sein Blick. Als Takeru diesen wahrnahm, rutschte er merklich verängstigt etwas auf seinem Stuhl nach unten. Das Verhältnis zwischen ihm und dem großen Bruder seiner Verlobten war immer noch angespannt. Schließlich war diese Schwangerschaft nicht geplant und wortwörtlich ein Unfall. Doch Hikari und Takeru war sofort klar, dass sie dieses Kind unbedingt behalten wollten, auch wenn sie noch jung waren. „Jetzt hör schon auf damit! Taichi! Du benimmst dich wie ein kleiner Junge!“ schimpfend ermahnte Hikari ihren Bruder und legte ihre Hand auf seine. Erschrocken sah Taichi sie wieder an und ließ von dem Blondschopf ab. „Was ist denn?“ fragte er nach und zog seine Hand zurück. „Ich gehe jetzt nach Hause, ich bin ganz schön geschafft. Wir sehen uns morgen beim Hochzeitsfrühstück?“ fragte sie und lächelte ihren Bruder an. Besorgt musterte er seine Schwester. Ihre langen dunkelbraunen Haare hatte sie zu kleinen Locken gedreht. Sie sah wirklich bezaubernd aus und Taichi konnte manchmal kaum glauben, wie schnell sie doch erwachsen geworden war. „Ist alles in Ordnung? Soll ich dich nach Hause bringen? Geht es dir und dem kleinen gut?“ fragend sah Taichi auf ihr kleines rundes Bäuchlein. „Also dem Kleinen geht’s bestimmt nicht gut, wenn er ständig solche Mörderblicke von dir bekommt! Bleib mal locker Tai!“ Mimi grinste frech und sah Takeru an. Sie meinte damit nicht das Kind in Hikaris Bauch, sondern den kleinen Blondschopf, der unter dem bösen Blick seines zukünftigen Schwagers immer kleiner wurde. Hikari musste daraufhin kichern und stand langsam auf. Takeru half ihr dabei und stützte sie etwas ab. Sie ging zu ihrem Bruder und küsste ihn liebevoll auf die Wange. „Nein schon gut. Bitte mach dir nicht immer so viele Sorgen um mich. Takeru passt auf mich auf.“ Hikari blickte ihrem besorgten Bruder tief in die Augen. Wann würde er aufhören sie ständig beschützen zu wollen? Dafür war jetzt jemand anderes da. Taichi seufzte leise und sah Takeru ernst an. „Pass wirklich auf sie auf!“ Stumm nickte Takeru auf die Aufforderung seines Gegenübers. „Dann ruh dich aus, wir sehen uns morgen. Schreib mir eine Nachricht wenn du zu Hause bist...“ fügte Tai noch hinzu und sah seiner kleinen Schwester hinterher, als sie mit Takeru den großen Saal verließ. Mimi grinste noch immer selbstgefällig und beobachtete ihren alten Freund. Taichi bemerkte ihre Blicke und nahm den letzten Schluck seines Bieres. Sie saßen nun nur noch zu zweit an dem Tisch. Koushiro saß mit seiner Freundin und Joe einen Tisch weiter. Alle drei kamen zu Taichi und Mimi rüber gelaufen als sie sahen, dass Hikari und Takeru den Festsaal verließen. Koushiro lehnte sich auf Taichis Schulter und verabschiedete sich ebenfalls bei ihm. Joe gab Mimi einen freundschaftlichen Abschiedskuss auf die Wange. Mit Argwohn und etwas Eifersucht im Blick fixierte Taichi den Älteren, als dieser Mimi so nahe kam. „Ihr wolltet gehen Joe...“ fauchte Taichi bösartig und verschränkte seine Arme vor der Brust. Joe lehnte sich wieder zurück und ließ von Mimi ab. Verschämt kratzte er sich am Hinterkopf und nickte. Gemeinsam verließen die drei dann schließlich die Feierlichkeit und zurück blieben Taichi und Mimi. Es war mittlerweile weit nach Mitternacht. Der Alkoholpegel der Gäste stieg konstant an und war kaum noch auszuhalten. Ständig wurde Mimi von irgendwelchen älteren Herrschaften angemacht oder zum Tanzen aufgefordert. Sichtlich genervt stöhnte sie bereits bevor derjenige auch nur ein einziges Wort an sie richten konnte. Gelangweilt spielte die junge Frau mit ihrem Finger am Rand ihres Champagner Glases. Mimi trug ihr Haar als Hochsteckfrisur. Nach dem langen und heißen Tag waren bereits einige Strähnen heraus gefallen. Grinsend beugte sich der junge Mann auf den Tisch, als er ihre Langeweile erkannte. Auch er hatte keine Lust mehr hier länger zu verweilen und diesem glücklichen Liebespaar zuzusehen. „Wollen wir jetzt mal richtig feiern?“ fragte er provokant. Mimi grinste ihn an und lehnte sich ebenfalls nach vorne. „Ich dachte du würdest nie fragen! Lass uns das Beste aus dieser todlangweiligen Veranstaltung für Liebespärchen machen!“ Kichernd erhoben sich die beiden und griffen an der Bar eine Flasche Whisky ab. Gemeinsam schlichen sie sich durch den Hinterausgang des großen Veranstaltungsaals. Dabei durchquerten sie die Küche. Die Köche waren mittlerweile mit dem Abwasch fertig und räumten müde die restlichen Dinge in der Küche auf. Keiner nahm wirklich Notiz von den Beiden. Mimi lief vorneweg und hatte die Flasche des alkoholisches Getränks in ihrer Hand. Sie trug ein hellblaues Kleid. Der dünne Seidenstoff reichte fast bis zum Boden und es war für Tai ungewohnt, sie in einem langen Kleid zu sehen. Schmale Träger hielten den mit Spitze besetzten Stoff an ihrem Körper und einige Haarsträhnen fielen über die nackte Haut ihres Rückens. Taichi musterte sie nachdenklich und bemerkte, wie die junge Frau seine Hand ergriff und ihn durch den schmalen Gang zog. Neben ihnen türmten sich Getränkekisten und zahlreiches anderes Zeug. Doch plötzlich hatte der junge Mann nur noch Augen für die wunderschöne Frau vor ihm. So bekam er auch nicht mit, dass sie ihn bereits nach draußen geleitet hatte. Beide standen im Garten des Hotels, in dem die Hochzeitsfeier ausgerichtet wurde. In der Mitte des von Bäumen umsäumten Platzes befand sich ein Pool. Sie ließ seine Hand los und zog sich ihre hellblauen Pumps aus. Barfuß schritt Mimi zum Pool und setzte sich an die Kannte des Beckens. Damit ihr Kleid nicht nass wurde, raffte sie es sich bis zu den Oberschenkeln rauf und tauchte ihre Beine mit einem lauten Seufzer in das kühle Wasser. Noch immer stand Tai wie versteinert hinter ihr und betrachtete ihr Antlitz. Diese heiße Sommernacht, der Pool und diese wunderschöne Frau. All das erinnerte ihn an etwas längst vergangenes. Eine Erinnerung, die immer wieder in ihm aufkam und die er versuchte so gut es ging zu verbannen. Doch mit jeder Bewegung von ihr, jedem Windzug, der ihr durchs Haar strich fühlte sich Taichi zurück in die Vergangenheit versetzt. Erinnert an die unvergessliche Nacht mit ihr. Unfähig jemals zu vergessen, was zwischen ihnen war, zuckten die Bilder vor seinen Augen erneut auf. Es war ein heißer Spätsommerabend im August vor vier Jahren. Der Abschlussjahrgang der Odaiba Oberschule hatte an diesem Abend eine riesige Feier auf dem Gelände der Schule geschmissen. Es war zuvor mit den Sportlehrern abgeklärt worden, dass sie im Bereich des Schwimmbades eine Poolparty veranstalten konnten. Wie jede andere gewöhnliche Oberschule, verfügte auch die Odaiba Oberschule über einen Außenpoolbereich. „Mach's gut Tai und mach nicht mehr so lange...unglaublich was du wegsaufen kannst!“ sagte ein Mitschüler zu dem Brünetten jungen Mann und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. Mittlerweile waren fast alle gegangen und Taichi saß ganz schön betrunken am Rand des Beckens und betrachtete Yamato und Sora, wie sie miteinander knutschten. Ungewollt zog sich ein zynisches Lächeln über seine Lippen und er wendete seinen Blick von dem Liebespaar ab. Selbst nach nunmehr drei Jahren fiel es ihm schwer zu akzeptieren, dass sich Sora für seinen besten Freund und gegen ihn entschieden hatte. Yamato kam zu ihm rüber und beugte sich zu ihm runter. „Wir verschwinden jetzt auch, mach alles aus wenn du gehst und denk dran...Mimi ist auch noch hier!“ er grinste provokant und wuschelte seinem Freund durchs Haar. „Was soll das denn heißen? Ach verpisst euch doch alle! Der Letzte macht das Licht aus, wie?“ meckerte Taichi genervt und spritzte mit seinem Fuß Wasser auf Yamato, als dieser lachend zurück zu Sora lief. „Schlaf deinen Rausch aus, du alter Suffkopf!“ rief er ihm noch nach und verließ endgültig das Gelände mit seiner rothaarigen Freundin. Wütend pustete Taichi seine Wangen auf und sah dem Pärchen hinterher. Plötzlich wurde er nass gespritzt. Erschrocken riss er seinen Kopf herum und blickte auf die gegenüberliegende Seite des Swimmingpools. Grinsend hockte dort ein Mädchen mit langem kastanienbraunem Haar. Ihr dünnes Sommerkleid gewährte tiefe Einblicke und ihr roter Bikini war darunter deutlich zu erkennen. „Ich hätte nie gedacht, dass dein Gesicht noch dämlicher aussehen kann, als ohne hin schon!“ ihre dunkelbraunen Augen funkelten ihn herausfordernd an. Mimi war eine Jahrgangsstufe unter ihm, doch sie nahm ebenfalls an der Abschlussfeier teil. Mittlerweile waren auch alle ihre Klassenkameraden gegangen. Taichi seufzte und stieß sich mit seinen muskulösen Oberarmen vom Beckenrand ab und tauchte in das Wasser ein. Das kühle Wasser schmiegte sich sofort an seine heiße Haut und die Abkühlung tat ihm wahrlich gut. Er trug noch immer seine Badehose und sein Oberkörper war frei. Während er sich im Wasser auf Mimi zu bewegte, musterte diese entzückt seine durchtrainierte Brust. Als er bei ihr ankam, lehnte er beide Arme auf den Beckenrand und sah sie mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem frechen Gesichtsausdruck an. „Glaubst du tatsächlich, dass du in einer günstigen Position bist mich zu ärgern?“ Mimi rümpfte ihre Nase auf seine Frage hin und blickte kurz fragend nach oben. „Ich denke, dass jede meiner Positionen überaus günstig ist und ich in jeder auch umwerfend gut aussehe.“ Taichi lächelte. Es hatte ihm schon immer gefallen, dass sie so schlagfertig war. Mimi hatte zwar sehr viele nervtötende Eigenschaften und oftmals war sie einfach eine nörgelnde Prinzessin, doch sie sagte immer die Wahrheit und machte aus ihrer Meinung kein Geheimnis. Der junge Mann schätzte ihre Aufrichtigkeit und bewunderte sie für diese Stärke. „Na wenn das so ist...“ kommentierte er ihre Aussage nur matt und packte sie am Handgelenk. Mit einem kurzen aber kräftigen Ruck zog er die zierliche Frau zu sich ins Wasser. Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet und riss dementsprechend geschockt ihre wunderschönen Augen auf. Ihr schmaler Körper tauchte sofort unter. Hustend tauchte sie wieder auf und strich sich wütend einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Taichi kam nicht umher, kräftig über den Anblick zu lachen. Sie sah aus wie ein begossener Pudel. Ihr Sommerkleid klebte wie durchsichtiges Seidenpapier auf ihrer Haut und ließ keine Stelle ihres Körpers versteckt. Dieser Anblick gefiel dem jungen Mann und er scherte sich nicht darum, dass sie seine lustvollen Blicke bereits bemerkt hatte. Schweigend bewegte sie sich auf ihn zu und legte ihre Arme um seine Schultern. Ihre dunkelbraunen Augen fixierten die seinen und ein verführerisches Lächeln legte sich über ihre Lippen. „Gefällt dir was du siehst?“ fragte sie unverhohlen und streichelte ihm sanft einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Taichi grinste und wendete seinen Blick von ihrem elektrisierenden Körper ab und sah ihr direkt ins Gesicht. Über die Jahre hatte sie sich kaum verändert. Noch immer hatte sie diese riesigen nussbraunen Augen, diese langen Wimpern und wundervolle kirschrote Lippen. Die Konturen ihres Gesichtes waren weiblicher geworden und auch die Art und Weise wie sie ihn ansah hatte sich verändert. So einen verführerischen Blick hatte er noch nie zuvor bei ihr gesehen. Sein Herz fing an schneller zu schlagen. Ihre kühlen Finger auf seinen Schultern trugen dazu bei, dass sich über seinen gesamten Rücken, eine wohlige Gänsehaut zog. Zart bohrten sich ihre Fingernägel in sein Fleisch und Taichi sog die Luft fast schon zischend durch seine Lippen. Der kurze Schmerz machte ihm jedoch nichts aus. Plötzlich überkam ihn ein merkwürdig ungewohntes Gefühl. Unbemerkt nährte sich sein Gesicht dem ihren. Sie war fast zwei Köpfe kleiner als er und diese Distanz galt es zu überbrücken. Wollte er sie gerade Küssen? Sie bewegte sich nicht, sie wich ihm nicht aus. Immer näher kam er ihren kirschroten Lippen. Langsam schloss er seine müden Augenlider und stellte sich darauf ein, seine Lippen in der nächsten Sekunde mit ihren zu versiegeln. Doch spürte er keinen zarten Kuss eines schönen Mädchens, vielmehr bekam er einen Tritt gegen sein Schienenbein und noch ehe er sich versah, wurde er von Mimi unter die Wasseroberfläche getaucht. Als Tai, nach Fassung ringend, wieder auftauchte sah er keuchend zu ihr. Dieses unverschämte Mädchen hatte seinen Moment der Schwäche ausgenutzt, das würde er nicht auf sich sitzen lassen. Grinsend jagte er sie durch den Pool. Noch immer laut lachend versuchte Mimi ihm auszuweichen, beide vertieften sich in ein zunächst freundschaftliches Gefecht, welches jedoch nach und nach immer leidenschaftlicher wurde. „Tai...hör auf! Meine Augen brennen schon von dem ganzen Wasser...“ laut lachend rieb sich Mimi ihre Augen und versuchte ihrem Gegenüber auszuweichen. Doch dieser zeigte kein Erbarmen und versuchte sie immer wieder unterzutauchen oder nass zu spritzen. Plötzlich packte er sie am Handgelenk und hielt sie ungewohnt bestimmend fest. Es gelang ihr nicht sich zu lösen. Noch ehe sie etwas sagen oder die Situation vollumfänglich realisieren konnte, zog der junge Mann sie zu sich und drückte ihren zierlichen Körper an sich. Seine Hand legte sich auf ihre Wange und ohne Vorwarnung küsste er sie. Taichi zog sie fester zu sich und hielt ihren Körper fest mit seinem Arm umschlossen. Seine Augen waren geschlossen und mit seiner Zunge drang er fordernd in ihren Mund ein. Die Augen der jungen Frau waren weit aufgerissen und unfähig sich zu bewegen, verharrte Mimi in dieser Position. Erst nach und nach gelang es ihr zu begreifen, was gerade geschah. Ihre Hände, die auf seiner Brust ruhten und mit leichtem Druck versuchten ihn von sich zu drücken, ließen von ihm ab und fuhren über seine Schultern in seinen Nacken. Genüsslich schloss sie ihre Augen und gab sich diesem Kuss vollkommen hin. Leidenschaftlich erwiderte sie sein Zungenspiel. Kurz stützte sie sich mit ihren Unterarmen auf seinen Schultern ab, sodass sie unter Wasser ihre Beine anheben und um seine Hüften schlingen konnte. Daraufhin nahm Taichi seine Hand von ihrer Wange weg und legte beide Hände an ihren Po. Er stützte sie etwas und drückte dabei ihren Unterleib dichter an sich selbst heran. So konnte er sie tragen und mit ihr zusammen das Wasser verlassen. Sachte legte er sie auf einer der Sonnenliegen ab. Zu keiner Sekunde hatte er den Kuss mit ihr gelöst. Mimis Arme waren noch immer um ihn geschlungen und zogen ihn sofort zu sich herunter. Er keuchte lustvoll in ihren Mund und begann ihr Sommerkleid hoch zu raffen. Es klebte auf ihrer makellosen sonnengebräunten Haut und es gelang ihm kaum, es von ihr zu entfernen. Mit einem kleinen Lächeln beugte sich Mimi nach oben und setzte sich etwas aufrechter hin. Sie unterbrach den Kuss und funkelte ihn mit ihren dunklen Augen verführerisch an. Schweigend zog sie sich ihr Kleid selbst über den Kopf und ließ es achtlos zu Boden gleiten. Ihre Hände legte sie auf seine Brust und mit etwas Nachdruck, beförderte sie Taichi auf den Rücken. Er lag mit seinem Kopf am Fußende der Liege und sah sie erstaunt an. Mimi setzte sich auf ihn drauf und legte ihre Lippen an seinen Hals. Sofort kniff Taichi mit einem genussvollen Seufzer seine Augen zu und gab sich ihrer Liebkosung hin. Mimi konnte zwischen ihren Beinen deutlich seine Erregung spüren. „Jetzt gefällt mir deine Position tatsächlich...“ hauchte er sanft und legte seine Arme auf ihren Rücken. Ihr war heiß und kalt zugleich, doch sie wollte jetzt nicht über die Konsequenzen ihres Handelns nachdenken. Sie wollte jetzt einfach nur bei ihm sein, ihn spüren, ihn berühren und ebenso von ihm berührt werden. Sie hatte sich diesen Augenblick so lange gewünscht. Ihre heimlichen und stetes gehüteten Gefühle für ihn, hatte sie fest in ihrer Brust verschlossen. Wohl wissend, dass sein Herz einem anderen Mädchen gehörte. Auch wenn dieses Mädchen seine Gefühle nicht erwiderte. Doch auch wenn sie jetzt wohlmöglich nur das Trostpflaster für ihn war oder er sich aufgrund des erheblichen Alkoholpegels in seinem Blut zu ihr hingezogen fühlte, überkam die junge Frau ein Gefühl der Glückseligkeit. Das Klicken des Verschlusses ihres Bikinioberteils riss sie aus ihren Gedanken. Er hatte es geöffnet und legte seine Lippen zärtlich auf ihre Schulter. Mimi öffnete ihre Augen und hielt inne. Seine Hände legte er sanft auf ihre Brüste und massierte diese. Leise keuchte sie in sein Ohr und legte ihren Kopf auf seine Schulter. Ihre Finger fuhren über seine harte Brust und zogen die Linien seiner Muskulatur nach. Langsam lösten sich seine rauen Finger von ihren weichen Brüsten und wanderten über ihren nackten Rücken hinab zu ihrem Bikinihösschen. Beide Hände schob er darunter und umfasste ihr Hinterteil. Laut stöhnte Mimi auf und drückte ihren Körper an seinen. Es gefiel ihr, was er mit ihr anstellte. „Soll ich immer noch aufhören?“ seine Stimme klang so tief und überraschte sie. Zuvor hatte Mimi ihn im Pool dazu aufgefordert aufzuhören, da ihre Augen vom Wasser bereits brannten. Das war nun seine Antwort? In dieser Situation? Unfähig etwas zu sagen schüttelte sie vehement ihren Kopf und presste ihre Fingernägel tief in seine Brust. Lächelnd legte Taichi seine Lippen wieder auf ihren Hals und liebkoste sie dort. Seine Finger befreiten ihren Körper vom letzten Stück Soff. Ihr Bikinislip glitt achtlos zu Boden. Ihre Wangen färbten sich rot und plötzlich war es ihr unangenehm, dass sie vollkommen unbekleidet auf ihm lag. Sie presste sich an ihn heran und verkrampfte ihren Körper. Taichi spürte das und streichelte zart über ihren Rücken. „Schon gut...“ sagte er leise und schmiegte seinen Kopf an ihre Schulter. Sie müssten das nicht tun und er würde sie niemals dazu drängen. Auch wenn ihm plötzlich bewusst wurde, wie gern er mit ihr geschlafen hätte. Irgendwas in ihm fühlte sich derart zu ihr hingezogen, dass er kaum an sich halten konnte. Ihre Küsse, ihre Finger auf seiner Haut, der Duft ihrer Haare. All diese Dinge brachten ihn beinahe um den Verstand und er konnte nicht fassen, dass sein Herz fast aus seiner Brust sprang. „Nein....hör bitte nicht auf....“ sagte sie leise und beugte sich wieder etwas rauf. Sie sah ihm direkt in die Augen und in dem Moment, als sich ihre Blicke trafen, wusste Mimi, dass ihr Herz nur für diesen Moment schlug. Stürmisch küsste sie ihn und fuhr mit ihren Fingern durch sein zerzaustes Haar. Sofort erwiderte Taichi ihren Kuss und musste selbst mehrfach leise keuchen. Seine Hände fuhren erneut über ihren Körper und versuchten jeden Zentimeter zu erkunden. Nach und nach tastete er sich bis zu ihrer empfindlichsten Stelle vor. Als Mimi ihm durch lustvolles Stöhnen signalisierte, dass sie damit einverstanden war, tauchte er mit seinem Finger in sie ein. Taichi bewegte sich sanft zwischen ihren Beinen und hielt mit seiner anderen Hand ihre Hüfte fest. Immer wieder spürte er, wie Mimi unterdrückt in den Kuss seufzte und ihr Becken seiner Hand entgegen drückte. Sie selbst fuhr mit ihren Händen ebenso seine Brust entlang und zog um seinen Bauchnabel kleine Kreise. Kurz musste Taichi lächeln. Das war wieder einmal typisch für sie. Wie ein kleines verspieltes Schulmädchen. Doch dann schob sie plötzlich ihre kühlen, schmalen Finger unter seine Badehose und umgriff seine erigierte Männlichkeit. Daraufhin musste Taichi den Kuss mit ihr unterbrechen und laut aufstöhnen. Sein Körper bäumte sich nach hinten und seine Knie wurden weich. Seine Augen konnte er nur schwerlich öffnen und zu ihr sehen, während sie ihm das lästige Kleidungsstück abstreifte. Mit größter Anspannung öffnete er schließlich seine dunkelbraunen Augen einen Spalt breit und sah sie an. Ihre Wangen glühten und ihre langen Haarsträhnen fielen über ihre Schultern und kitzelten auf seiner nackten Brust. Einfühlsam legte er seine linke Hand an ihre Wange und zog sie sanft zu sich runter. Lange sah er ihr in die Augen. Sie wich seinem Blick nicht aus. „Ich habe nichts...“ stotterte Taichi und die Röte stieg ihm ebenso ins Gesicht. Mimi legte ihm sanft einen Finger auf die Lippen und lächelte. Sie hatte bereits, während sich die beiden ansahen, unauffällig in ihrer kleinen Handtasche gewühlt. „Ein junges Mädchen sollte immer etwas dabei haben, um sich vor so bösen Buben wie dir zu schützen....“ sagte sie kess und packte das Kondom aus. Da war es schon wieder. Ihre gewohnt schlagfertige Art, selbst in einer Situation wie dieser. Taichi musste lächeln und beobachtete geduldig, wie die junge Frau ihm das Kondom überstreifte. Kurz war er verwundert darüber, doch dann sah er in ihr wunderschönes Gesicht. Wie dumm mochte er doch gewesen sein zu glauben, dass er ihr erster Mann sein würde. Sicherlich hatte Mimi bereits einige Erfahrungen gesammelt. Ganz im Gegensatz zu ihm. Er hatte nie etwas langfristiges oder ernsthaftes mit einem Mädchen. Außer heiße Küsse und wildes Gefummel lief da nichts. Auch wenn die Mädchen gerne mehr wollten, so war es doch Taichi, der am Ende immer an eine andere dachte und dann nicht mit diesen, für ihn namenlosen Mädchen, schlafen konnte. Es gelang ihm einfach nicht dieses rothaarige Mädchen aus seinem Kopf zu kriegen, auch wenn sie längst einen anderen hatte. Doch sein Herz ließ es einfach nicht zu, dass er sich einer anderen Frau hingab. Umso erstaunter war er jetzt, dass diese Gefühle, während er mit Mimi zusammen war, nicht in ihm aufkamen. Er sah nur diese wunderschöne brünette Frau vor sich und war vollends auf sie konzentriert. Jede ihrer Bewegungen, jeder ihrer zaghaften Atemzüge und jeder lustvolle Ton der ihren Lippen entwich schärfte seine Aufmerksamkeit. Im Moment gab es keine andere Frau in seinem Kopf, es gab nur sie. Es gab nur Mimi. Sachte drückte er ihren Körper nach hinten und legte sie auf den Rücken. Seinen Körper legte er zwischen ihre Beine und fuhr mit seinen Händen sanft ihren Oberschenkel entlang. Liebevoll küsste er ihren Hals und fuhr mit seiner anderen Hand unter ihren Nacken. Seine Augenlider fielen zu und er gab sich ihr mit all seinen Sinnen hin. Als er sanft in sie eindrang, spürte er einen leichten Widerstand und Mimi keuchte kurz etwas schmerzvoll auf. Erschrocken öffnete er seine Augen und musterte ihr Gesicht. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn und sie lächelte ihn sofort beschwichtigend an. Sanft fuhren ihre Hände über seinen Rücken. Sie winkelte ihre Beine an und schaffte ihm somit etwas mehr Platz und ließ ihn somit tiefer in sich gleiten. „Schon gut...“ flüsterte sie schwer atmend und schloss ihre Augen wieder. Er war also doch ihr erster Mann. Sie war noch Jungfrau und er hatte ihr soeben Schmerzen bereitet. Taichi bewegte sich ganz vorsichtig in ihr und beobachtete wie sich ihr schmerzverzogenes Gesicht nach und nach entspannte. Sie drückte ihn fest an sich und keuchte ab und an lustvoll auf. Zufrieden schloss er seine Augen und konzentrierte sich gänzlich auf dieses unsagbar wohlige Gefühl. Sie fühlte sich so gut an. Sich in ihr zu bewegen war unbeschreiblich und sein Herz sprang ihm beinahe aus der Brust. Als Mimi ebenfalls anfing sich mit ihm zu bewegen und seinem Rhythmus anzupassen, musste auch Taichi immer wieder laut aufstöhnen. Seine Erregung steigerte sich ins unermessliche und seine Bewegungen wurden immer intensiver und schneller. Schweiß rann ihm in kleinen Perlen über den Rücken und ihre Finger krallten sich in seiner Haut fest. Ihre beiden Körper glänzten und verschmolzen in einer innigen Umarmung miteinander. Die aufsteigende Hitze ihrer pulsierenden Körper war kaum noch zu ertragen. Angestrengt kniff Taichi seine Augen zusammen, er wollte seinen Höhepunkt noch nicht erreichen, doch es ließ sich einfach nicht länger aufhalten. Plötzlich stellten sich alle kleinen Härchen auf seiner Haut auf. Sein Puls raste und alles um ihn herum schien zu verschwimmen. Er fühlte nur noch ihre Gegenwart um sich herum und atmete ihren süßlichen Duft ein. Der Geschmack, den ihre innigen Küsse hinterlassen hatte, verweilte noch immer auf seiner Zunge. Sein gesamter Körper zitterte und kraftlos sackte er auf ihr zusammen. Sofort versuchte er sich wieder abzustützen, sodass er sie nicht mit seinem Gewicht erdrückte. Sein Atem war schwer und schnell zugleich. Er konnte sich kaum aufrecht halten. Zärtlich legte Mimi ihre Beine um ihn und drückte ihn ein letztes Mal tief in sich. Dabei blieb ihm nichts anderes übrig als sich auf sie zu legen. Seine Hände fuhren durch ihr Haar und er sog den süßen Duft ihrer Strähnen in sich auf. Ihre Arme legte sie fest um seinen muskulösen Körper und schmiegte ihr Gesicht an seine Brust. Langsam färbte sich der Himmel über ihnen lila und es würde nicht mehr lange dauern, bis die Sonne am Horizont den neuen Tag einläuten würde. Mittlerweile hatten sich beide in ein großes Badehandtuch gekuschelt und lagen gemeinsam auf der Sonnenliege. Taichi lag unter Mimi und hatte seine Arme um sie gelegt. Die junge Frau hatte ihre schmalen Finger zwischen seine geschoben und ihre beiden Hände miteinander verflochten. Ihr Rücken war gegen seine Brust gelehnt und die junge Frau hatte ihren Kopf an seine Schulter geschmiegt. Verträumt zog sie mit den Fingerkuppen ihrer anderen Hand kleine Kreise auf seiner Brust. Taichi genoss die Wärme, die ihm ihr Körper schenkte. Sanft legte er seine Hand auf ihren Oberarm und drückte ihren Körper dichter an den seinen. „Tai...“ fragte sie leise. Der junge Mann öffnete fragend seine Augen und sah sie an. Als sich ihre Blicke trafen, schenkte sie ihm ein zauberhaftes Lächeln. „Vielen Dank...“ sagte Mimi und legte ihren Kopf wieder an seine Schulter. „Wofür?“ fragte Taichi verwundert, doch die Antwort auf seine Frage blieb sie ihm bis Heute schuldig. Diese Nacht mit ihr, hatte Taichi niemals vergessen können. Diese Erinnerung hatte sich in sein Herz eingebrannt und jedes Mal, wenn er den warmen Wind des Sommers auf seiner Haut spürte, den Duft ihres Parfüms roch oder auch nur ansatzweise in der Nähe eines Schwimmbeckens war, schossen ihm sofort die Bilder dieser Nacht in den Kopf. Auch jetzt, vier Jahre später, saß er hier mit ihr an einem Schwimmbecken, trank Whisky aus der Flasche und musste dennoch unentwegt daran zurückdenken wie er, in dieser heißen Sommernacht, mit ihr geschlafen hatte. Grinsend schüttelte er den Kopf und starrte weiterhin stumm auf die Wasseroberfläche. Beide hatten bislang noch kein weiteres Wort miteinander gesprochen, doch die Falsche war bereits zur Hälfte geleert. Mimi zog im Wasser kleine Kreise mit ihren Beinen. Sie konnte das Schweigen ihres Freundes deuten, denn ihr ging es nicht anders. „Auch ich denke sehr oft daran...“ sagte sie leise. Erstaunt über ihre zögerlichen Worte, blickte er zu ihr rüber und nahm noch einen Schluck aus der Flasche. Er gab ihr keine Antwort darauf, denn er wollte seine Gefühle keineswegs offenbaren. Nach dieser einen gemeinsamen Nacht gab es nämlich kein Happy End. Mimi und Tai gingen größtenteils getrennte Wege. Im Großen und Ganzen war einfach alles schief gelaufen, was nach so einer Nacht hätte schief laufen können. Doch daran wollte er jetzt nicht denken. Es war zu lange her und alte Wunden aufzureißen, dass würde niemandem von Nutzen sein. Mimi plantschte etwas mit ihren Füßen und spritzte das Wasser nach oben. „Alles hat sich verändert...“ sie lächelte und sah in den Himmel. „...unsere besten Freunde haben geheiratet, deine Schwester erwartet ein Kind und wird bald Mutter. Sie ist glücklich mit Takeru zusammen und selbst Koushiro hat eine Frau gefunden, die zu ihm passt...“ Ihr Lächeln färbte sich plötzlich bitter und ihre Augen fingen an zu glänzen. Taichi bemerkte diese Veränderung in ihrem Gesicht und auch in ihrer Stimme. Besorgt beugte er sich etwas nach vorne und hörte ihr weiterhin aufmerksam zu. „...alles verändert sich nur ich scheine auf der Stelle zu treten. Unverändert, erstarrt, blind und stumm drehe ich mich im Kreis. Es scheint als hätte ich meinen Weg längst verloren. Vielleicht habe ich ihn auch nie gekannt...“ Mimi schüttelte ihren Kopf und unterdrückte ihre Tränen. „Ach schon gut...hör nicht auf das was ich sage....ich bin betrunken und sentimental.“ Taichi lehnte sich zurück und stützte sich mit seinen Armen auf dem harten Asphalt ab. Seine Beine baumelten ebenso im Wasser. Sein Blick suchte das Sternenzelt und er lächelte. „Aber du hast dich doch verändert. Du studierst und bist zurück zu deinen Eltern in die USA gegangen. Sicherlich wirst du sehr bald in der Firma deines Vaters arbeiten und einen netten amerikanischen Mann kennenlernen, der dich heiratet und dir einen süßen Braten in die Röhre schiebt.“ Taichi grinste unverschämt und bemerkte, dass nicht wie gewohnt, eine scharfzüngige Bemerkung von ihr zurück kam. Sie blieb stumm und ihr Blick richtete sich tieftraurig auf die Oberfläche des Wassers. Plötzlich blieb ihm sein Sarkasmus im Halse stecken und er bemerkte wie unglücklich sie doch tatsächlich war. Zwar hatte er es immer vermutet, dass Mimi mit ihrem Leben in den Staaten nicht glücklich war, doch wie konnte er nur ansatzweise erahnen wie schlimm es wirklich stand. „Ich habe mein Studium vor einigen Wochen abgebrochen. Mein Vater war so wütend darüber, dass er mich vor die Tür setzte. Ich, seine einzige Hoffnung auf einen anständigen Erben, auf jemanden der seine Firma in seinem Sinn weiterführt. Ausgerechnet ich widersetze mich ihm und breche dieses Studium ab. Ich wollte damals nie zurück in die Staaten, ich wollte dieses Studium niemals anfangen und doch....“ Taichi seufzte und fuhr sich durchs Haar. „Und doch bist du gegangen...du bist einfach zurück gegangen...du hättest ebenso gut hier bleiben können...dann hättest du den Streit mit deinem Vater eben schon drei Jahre eher gehabt. Was soll jetzt dieses Selbstmitleid?“ sein Tonfall war ungewollt scharf und wütend. Doch warum? Erschrocken sah sie ihn mit gläsernen Augen an und drückte ihre Hand auf ihre Brust. „Wie kannst du so gemein sein?“ fragte sie leise und starrte ihn direkt an. Er zog eine Augenbraue nach oben und konnte ihre Frage nicht verstehen. „Ich bin doch nicht wegen meinem Vater gegangen...offenbar hast du alles vergessen! Ich bin wegen einem Menschen zurück gegangen, der mich immer wieder von sich gestoßen hatte.“ Ihre nussbraunen Augen starrten ihn vorwurfsvoll an. „Es war unerträglich mitanzusehen, wie du in deiner Eifersucht auf Yamato und Sora gefangen warst und der Neid dich auffraß.“ Die Augen des jungen Mannes weiteten sich und es war wie ein Stich in sein Herz. Gefangen in seiner Eifersucht und dem Neid über das Glück seiner Freunde, erkannte Taichi damals nicht, welche Gefühle sich tatsächlich in seinem Herzen versteckten. Unfähig diese zuzulassen verschloss er diese Gefühle tief in seinem Inneren, in der Hoffnung, dass sie niemals wieder auflammen würden. Und so stieß er den Menschen von sich, dem sein Herz längst verfallen war. So gab er erneut die Chance auf Liebe aus seinen Händen und ließ diese wundervolle Frau, mit der er seine erste Nacht verbracht hatte, gehen. Sie gab ihm erstmals das Gefühl wirklich geliebt zu werden und Taichi konnte es einfach nicht zulassen. Immer wieder wies er sie damals zurück, bis ihr nichts anderes übrig blieb als zu gehen. Ihn loszulassen. Soviel Zeit war seitdem vergangen und selbst jetzt war es nicht möglich, dass er sich eingestand, was längst offensichtlich war. Zynisch grinste er und schüttelte ungläubig seinen Kopf. „So ein Blödsinn...“ sagte er und nahm erneut einen Schluck aus der Flasche. Mimi biss sich auf ihre Unterlippe und war fassungslos über seine arrogantes Verhalten. „Mimi, wie du vorhin gesagt hast. Alles verändert sich. Das was früher mal gewesen ist, ist so lange her. Du solltest aufhören in der Vergangenheit zu verweilen und anfangen dein Leben vorwärts zu leben und nicht rückwärts. Was ist dir wirklich wichtig? Was sind die Dinge die du immer wolltest?“ Die junge Frau sah ausdruckslos in sein Gesicht und einzelne Tränen kullerten über ihre Wange. „Tai, du hast recht. Alles verändert sich. Auch Gefühle verändern sich und somit auch die Dinge die ich immer wollte.“ Sie erhob sich langsam und zog ihre Beine aus dem Wasser heraus. Ihr langes hellblaues Kleid glitt über ihre wundervollen langen Beine und bedeckte diese wieder. Taichi sah fragend zu ihr rauf. Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln. „Manchmal müssen wir aufhören zu warten und zu hoffen, denn im unaufhörlichen Fluss der Zeit verändert sich alles stetig um uns herum. Auch wenn es scheint, als würden wir still stehen, so werden wir unweigerlich mitgerissen und wachen irgendwann auf und stellen fest, dass alle Dinge, die wir jemals wollten, längst verloren und vergessen sind....“ Sie strich sich einige Haarsträhnen hinters Ohr. „...aber ich möchte nicht vergessen.“ Mit diesen Worten ließ sie ihn hinter sich zurück und begab sich zurück ins Hotel. Verwirrt und etwas benebelt von dem Alkohol dachte Taichi über ihre Worte nach. Hatte sie ihm gerade indirekt gestanden, dass sein abweisendes Verhalten der Grund dafür gewesen ist, dass sie zurück zu ihren Eltern gegangen war? Hatte er gerade so verletzt und kühl reagiert, weil es ihm noch immer wehtat, dass er sie vor drei Jahren einfach gehen ließ? Hastig sprang er auf und wollte ihr hinterher, sie aufhalten und ihr genau diese Fragen stellen. Doch er war zu langsam. Als er zurück in den Gang kam, war von ihr keine Spur. Auch im großen Festsaal, wo sich nur noch wenige Gäste und das Brautpaar tummelten konnte er sie nicht finden. Schwer atmend stützte er sich auf einem Tisch ab. „Alles verändert sich...?“ murmelte er leise. Kapitel 2: Richtig oder Falsch ------------------------------ Die Sonnenstrahlen des neuen Tages kitzelten auf seiner Nase und genervt drehte er sich nochmal in seinem Bett um. Allzu lange war es noch nicht her, dass er in seinem Bett gelandet war. Wahrscheinlich hatte er auch deswegen vergessen die Vorhänge zuzuziehen. Ein anhaltendes Brummen machte seine Laune nicht wirklich besser. Wütend packte er sein vibrierendes Telefon vom Nachtisch und ging ran. „Was ist? Ich schlafe noch!“ brüllte er mit rauchiger Stimme in sein Telefon. „Kommst du denn heute noch vorbei? Wir warten alle auf dich. Wir wollten doch zusammen frühstücken...“ Taichi rieb sich die Augen und blickte auf seinen Wecker. Es war bereits nach 10 Uhr. Die Stimme am anderen Ende der Leitung erkannte er sofort, es war seine Schwester. Müde gähnte er und streckte seinen linken Arm nach oben. „Ich bin in 20 Minuten da...“ sagte er leise und legte auf. Es fiel ihm ziemlich schwer, aber irgendwie bekam er doch noch seine trägen Knochen aus dem Bett. Er hatte gestern Abend nicht nur viel getrunken, sondern die gesamten letzten Tage waren einfach grundsätzlich lang und anstrengend gewesen. Am Donnerstag wurde der Junggesellenabschied von Yamato gefeiert, am Freitag die offizielle Hochzeitsankündigung und gestern schließlich die eigentliche Hochzeitsfeier. Wahrscheinlich bestand sein gesamter Blutkreislauf mittlerweile aus Alkohol. Taichi trottete aus seinem Schlafzimmer ins Badezimmer. Er wohnte in einer kleinen Zwei-Raum-Wohnung. Diesen Luxus konnte er sich als Student leisten da er, neben seinem Studium als Trainer für kleinere Jugendfußballvereine arbeitete. Er trainierte sozusagen den Fußballnachwuchs Japans. Im Badezimmer angekommen führte ihn sein Weg direkt unter die heiße Dusche. Er lehnte seinen brummenden Schädel gegen die kühlen Fliesen und stöhnte müde. Wann war er denn bloß nach Hause gekommen? Er konnte sich nur noch daran erinnern, dass er einen Streit mit Mimi hatte und danach so wütend war, dass er nach der Hochzeit noch in einer Bar abgesackt ist. Als er sich seine Jeans und ein frisches Hemd übergezogen hatte betrachtete er sein Gesicht im Spiegelbild und fuhr sich übers Kinn. Auch er hatte sich in den vergangenen Jahren äußerlich etwas verändert. Die Konturen seines Gesichts waren viel härter und männlicher geworden. Hinzu kam, dass er sich seit zwei Tagen nicht rasiert hatte und dementsprechend zierte ein drei-Tage-Bart sein Gesicht. Doch es war keine Zeit dafür sich zu rasieren, er musste jetzt zu diesem dämlichen Frühstück, schließlich hatte er es seiner Schwester versprochen. Die gemeinsame Wohnung seiner besten Freunde lag nicht weit entfernt. Es waren gerade mal zwei Stationen mit der U-Bahn und zu Fuß etwa 15 Minuten. Die Sonne brannte bereits jetzt wie Feuer auf dem Asphalt und die Luft war so schwer und stickig, dass es draußen kaum auszuhalten war. „Ich mach schon auf!“ sagte Sora fröhlich und ging zur Tür. Es hatte geklingelt und sicherlich handelte es sich dabei um den letzten fehlenden Gast. Taichi begrüßte seine beste Freundin mit einem höflichen Kuss auf die Wange und zog sich die Schuhe aus. „Entschuldige, dass ich euch hab warten lassen.“ sagte Taichi und folgte der Rothaarigen in das Speisezimmer. „Ach mach dir keine Gedanken. Mimi ist auch gerade erst gekommen.“ Etwas erstarrt sah Taichi seine beste Freundin an und schluckte hart. Das hatte er vollkommen vergessen, natürlich würde Mimi heute auch da sein. Sicherlich würde sie heute oder morgen abreisen und zurück in die USA fliegen. Wie sollte er sich jetzt verhalten? Schließlich war er gestern ein wirkliches Ekelpaket ihr gegenüber. Es sollte sich heute um eine Art Abschlussfrühstück handeln. Es war Sonntag und morgen müssten alle wieder ihren Pflichten nachgehen. Die Hochzeitsfeierlichkeiten waren dann endgültig vorbei. Plötzlich stockte dem brünetten jungen Mann der Atem, als er das Zimmer betrat. Am Tisch saßen, neben seiner Schwester und ihrem Verlobten, Joe und Koushiro. Mimi stand neben Joe und hatte sich mit ihrem Arm auf seiner Stuhllehne abgestützt. Er schluckte hart und begrüßte zunächst seine Schwester mit einer Umarmung. Den restlichen Freunden schenkte er nur ein mattes „Hallo!“ und setzte sich dann neben seine Schwester. Yamato und Sora begaben sich zügig zurück in die Küche und holten noch einige Frühstücksutensilien. Zunächst folgte sein Blick dem frisch verheirateten Ehepaar und blieb dann jedoch bei Joe und Mimi hängen. Taichi beobachtete mit steigender Wut, dass sich Mimi angeregt mit Joe unterhielt und ihn selbst keines Blickes würdigte. Er konnte nicht jedes Wort verstehen, doch ihr Lächeln und die immer wieder musternden Blicke von Joe auf ihrem Körper, gefielen Taichi überhaupt nicht. War dieses Gefühl in seinem Bauch etwa aufkommende Eifersucht? Als sich Mimi runter beugte, da ihr Joe etwas ins Ohr flüstern wollte, reichte es dem aufbrausenden brünetten jungen Mann. Unter dem Tisch trat er heftig gegen das Stuhlbein seines Gegenübers, was wiederum bedingte, dass Joe nach hinten kippte. Erschrocken hielt Mimi den Stuhl mit ihrer Hand und verhinderte somit, dass Joe nach hinten stürzte. Wütend sah Joe zu Tai rüber. „Was soll das?“ fragte er verärgert nach. Taichi zuckte mit den Schultern und faltete beide Hände vor dem Gesicht. Entschuldigend verneigte er seinen Kopf und lächelte. „Es tut mir leid, ich wollte nur die Beine etwas ausstrecken, da bin ich wohl gegen deinen Stuhl gestoßen....“ Diese fadenscheinige Entschuldigung nahm ihm zwar sein älterer Freund ab, jedoch nicht die schlagfertige brünette junge Frau. Mimi musterte Taichi mit einem durchdringenden Blick. Sie setzte sich nun ebenfalls an den Tisch und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie sagte nichts zu Taichi, denn sie wollte dieses Treffen nicht zerstören. Wenn sie jetzt einen Streit mit ihm angefangen hätte, wäre es nur unschön für alle anderen gewesen. Er hatte wieder die Arme vor seiner Brust verschränkt und sah sie ebenfalls stumm an. Man hätte wahrscheinlich die Blitze zwischen ihren Augen zucken sehen können, so angespannt war die Luft. Trotz dieses kleinen Zwischenfalls, wurde es dennoch ein nettes Beisammensein und die Spannungen zwischen Tai und Mimi legten sich, da sie sich nicht mehr anschauen mussten. Sora und Mimi räumten den Tisch ab und die Männer stießen nochmal auf ihren Freund mit einem Bier an. Hikari schimpfte deswegen und versuchte sie davon zu überzeugen, dass es viel zu früh zum Trinken war. Doch es war aussichtslos. Als die beiden Frauen aus der Küche zurückkamen fing Mimi an sich zu verabschieden. „Ich muss leider schon gehen...“ sagte sie und umarmte Koushiro. Sie setzte die Runde fort und ließ Taichi natürlich aus. Dieser zog seine rechte Augenbraue hoch und folgte ihr mit seinen Blicken in den Flur, als sie sich ihre Schuhe anzog. Sora hatte sie begleitet und holte ihren Koffer aus der Abstellkammer. Plötzlich spürte Taichi einen stechenden Schmerz zwischen seinen Rippen. Seine Schwester hatte ihn mit ihrem Ellenbogen heftig angestoßen. „Hattet ihr gestern Streit?“ fragte seine kleine Schwester und sah ihn mit ihren riesigen braunen Augen an. Taichi zischte wütend und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was auch immer. Es ist doch so wie sonst auch. Die Prinzessin der Herzen fliegt zurück in die USA und jeder weint um sie. Armes Prinzesschen....“ Hikari lächelte kurz und sah ihn dann ernst an. „So ist es aber nicht. Sie fährt zu ihrer Großmutter. Irgendwie gab es wohl Streit mit ihrem Vater und Mimi wollte sowieso länger bleiben. Gestern hatte ihre Tante angerufen und erzählt, dass es ihrer Großmutter sehr schlecht gehen würde. Sie sei sehr krank. Daraufhin hatte sich Mimi entschlossen, so schnell wie möglich rüber nach Tateyama zu fahren.“ Sie nahm einen Schluck von ihrem Organgensaft und bemerkte den erstaunten Blick ihres Bruders. „Die Dinge sind nicht immer so wie sie scheinen, mein lieber Bruder. Ich glaube von der verzogenen Prinzessin von damals ist nicht mehr sehr viel übrig.“ Taichi hörte den Worten seiner Schwester aufmerksam zu und verstand jetzt auch, warum Mimi gestern so verletzt auf seine dummen Sprüche reagiert hatte. Ihm war schon viel länger bewusst, dass von der verzogenen Prinzessin überhaupt nichts übrig war. Mimi war überhaupt nicht so oberflächlich und wehleidig wie sie sich immer darstellte. Das war alles nur ihre schützende Fassade nach außen. Doch Taichi kannte sie besser. Er kannte ihr wahres Gesicht und wusste genau, dass sie auf der einen Seite unglaublich stark und auf der anderen wahnsinnig zerbrechlich sein konnte. „Tateyama in Chiba?“ fragte er matt nach und blickte seine Schwester an. Hikari nickte verwundert. „Ja...aber wieso ist das wichtig?“ Sora kam gerade zurück und hatte Tränen in den Augen. Die Tür war soeben ins Schloss gefallen und Mimi hatte die Wohnung verlassen. Taichi drehte sich zu der Rothaarigen um und sprang sofort von seinem Stuhl auf. „Ich...ich muss los! Danke Schwesterherz!“ sagte er und hauchte seiner Schwester einen Kuss auf die Wange. Beinahe hätte er Sora im Flur umgerannt, als er in seine Schuhe sprang. Verwundert kam die frisch verheiratete Sora zurück in das Zimmer, in welchem ihre Freunde saßen. Auch Hikari hatte ihrem Bruder sehr erstaunt hinterher geblickt. „Was ist denn jetzt los? Haben Tai und Mimi etwas miteinander?“ fragte Sora erstaunt und setzte sich zu den anderen an den Tisch. Hikari grinste verschmitzt und senkte ihren Blick nachdenklich. „Ich weiß es nicht. Aber ich wünsche den beiden viel Glück.“ Taichi sprintete die Treppen in dem 16-stöckigen Hochhaus hinab und hoffte, dass er sie noch einholen würde. Draußen angekommen blieb er auf dem Bürgersteig stehen und blickte zunächst in jede Richtung. Vor dem Haus standen einige Taxis und sicherlich hatte sie sich eines genommen und war damit zum Bahnhof gefahren. Wenn sie nach Tateyama wollte, gab es nur eine Zugverbindung von Tokyo. Zunächst versuchte er sie anzurufen, doch Mimi drückte ihn natürlich weg. „Diese blöden Zicken...ich will mit dir reden verdammt! Weiber!“ schimpfte er und suchte im Internet die Zugverbindung raus. Nur noch zwanzig Minuten und der Zug würde abfahren. Er sprang in ein Taxi und ließ sich ebenfalls zum Bahnhof fahren. Es war Sonntag und in dem dichten Gedränge aus Menschen, konnte Taichi seine alte Freundin nirgends entdecken. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als direkt zum Gleis zu gehen. Vielleicht würde sie dort stehen und auf den Zug warten. Nur noch fünf Minuten übrig. Zügig sprintete er durch die Menschenmassen und suchte das Gleis. „Da....Gleis zwölf...“ sagte er schnaufend und schubste beinahe eine ältere Dame bei Seite. Entschuldigend blieb er stehen und half der Dame sich wieder zu sortieren. Der Zug stand bereits zur Abfahrt bereit. Taichi rannte hinüber und konnte gerade noch erkennen, dass eine brünette Frau ihren Koffer in den Zug beförderte. Eilig rannte er zu ihr und hoffte, dass es Mimi war. „Bitte warte....“ keuchte er schnaufend und stützte sich auf seinen Knien ab. Als er nach oben blickte sah er jedoch in das Gesicht einer völlig fremden Frau. Diese funkelte ihn selbstverständlich hocherfreut an. Peinlich berührt rieb sich Tai seinen Hinterkopf und entschuldigte sich für die Verwechslung. Es war sinnlos Mimi im Zug zu suchen, dieser würde nämlich gleich losfahren und vielleicht war sie auch überhaupt nicht in einem der Wagons. Verzweifelt schob er seine Hände in die Taschen und lief mit einem betrübten Blick zurück in Richtung Bahnhofshalle. Plötzlich hörte er ein dumpfes Schlagen. Erschrocken drehte er seinen Kopf nach links und sah, dass es Mimi war, die von Innen gegen das Fenster schlug. Gemeinsam liefen beide zur nächsten, noch geöffneten, Tür des Wagons. „Was machst du hier?“ fragte sie außer Atem und sah ihn fragend an. Ebenso keuchend starrte Taichi sie an. „Ich....also....wir....gestern...“ Verdammt! Jetzt fehlten ihm die Worte. Was wollte er ihr denn überhaupt sagen? Er war wie immer einfach los gerannt, ohne auch nur darüber nachzudenken, was er eigentlich wollte. Was er ihr sagen sollte, wenn sie vor ihm stand. Der Schaffner Pfiff zur Abfahrt und die Türen piepsten bereits und wollten gerade schließen. „Tai...der Zug fährt ab....was willst du?“ sagte sie hektisch und stemmte ihre Hand in die Tür. Ihre Blicke trafen sich. Sein Herz pulsierte rasend schnell in seiner Brust und ihm wurde klar, dass er sie jetzt unter keinen Umständen gehen lassen durfte. Nicht schon wieder. Unüberlegt stieß er sie zurück in den Wagon und folgte ihr in den Zug. Gerade noch so, bevor sich die Türen schlossen und der Zug sich in Bewegung setzte. Mimi landete hart an der anderen Seite und stieß gegen die Wand des Wagons. Schmerzlich kniff sie ihre Augen zusammen. Taichi selbst stieß ebenfalls gegen sie und stützte sich mit beiden Armen neben ihrem Kopf ab. Sein Atem war unregelmäßig und ihm fehlten noch immer die Worte. Nach der ersten Schrecksekunde gelang es auch Mimi, ihre Augen wieder zu öffnen. Wütend stieß sie ihn von sich weg. „Du Schwachkopf! Was soll das?“ schrie sie ihn an. Seine Augen weiteten sich erschrocken. Es war lange her, dass sie ihn so wütend angeschrien hatte. Er fuhr sich durchs zerzauste Haar und rang weiterhin nach Atem. Sein Blick war stur auf den Boden gerichtet. „Im Moment vermag ich kaum zu sagen was richtig oder falsch ist. Mir fehlen die richtigen Worte...gib mir etwas Zeit.“ sagte er leise und stützte sich keuchend auf seinen Beinen ab. Die junge Frau wich ein paar Schritte zurück und ihr wütender Blick wurde eine Spur sanfter. Ist er ihr etwa gefolgt, um sich zu entschuldigen? Wollte er sie vielleicht nicht gehen lassen? Warum war er hier? Sie ging in die Hocke und klemmte dabei den kurzen Saum ihres Kleides in die Kniekehle, sodass ihr niemand drunter sehen konnte. Sanft lächelte sie und blickte zu ihm rauf. Ihre zarten Finger strichen ihm, die vom Schweiß getränkten Haare aus dem Gesicht. „Taichi Yagami, ich hätte nie gedacht, dass du noch dämlicher gucken kannst, als ohne hin schon!“ Keuchend lächelte er sie an. Er war dankbar dafür, dass sie ihm die Zeit ließ, über seine Worte nachzudenken. Trotz all den vergangenen Jahren, gab sie ihm erneut die Chance sich bewusst zu werden, was er ihr tatsächlich sagen wollte. Denn im Moment gelang es ihm nicht einmal, sich selbst zu beantworten, warum er jetzt plötzlich hier in diesem Zug saß und mit ihr nach Tateyama fuhr. Es bedurfte keiner weiteren Worte zwischen den beiden. Sie hatte ihn trotzdem verstanden und nahm seine holprige Entschuldigung für sein gestriges Verhalten an. „Jetzt brauchst du aber ein Ticket...ich hoffe du hast Geld bei dir, denn jetzt musst du mich bis Tateyama begleiten. Das ist der Schnellzug. Wir halten also nirgends an.“ Sie grinste und begab sich zurück auf ihren Platz. Langsam und lächelnd folgte er ihr. Als der Schaffner vorbei gegangen war, drückte Taichi seine Geldbörse zurück in seine Hosentasche und setzte sich wieder neben seinen Freundin. Sie sah bereits die ganze Zeit, sehr nachdenklich, aus dem Fenster und beobachtete das Meer. Er folgte ihrem Blick und versuchte die richtigen Worte zu finden. Wie sollte er jetzt am besten ein Gespräch mit ihr anfangen? Denn wohl oder übel, würde er die nächsten sechzig Minuten mit ihr in diesem Zug verbringen. Sie waren gerade auf die Tōkyō-wan-Aqua-Line gefahren. Es handelte sich hierbei um eine Mischung aus Brücke und Tunnel, welche über die Tokyo Bay führte und somit die Metropole Tokyo mit der Präfektur Chiba verband. Wo man auch hinblickte erstreckte sich der endlose pazifische Ozean. In der steigenden Mittagssonne glänzten die schäumenden Wellen des Meeres wie kleine Perlen. „Es ist bestimmt 15 Jahre her, dass ich das letzte Mal nach Tateyama gefahren bin.“ sagte die junge Frau schließlich und stützte ihr Kinn auf ihrer schmalen Handfläche ab. Mimi brach damit das unerträgliche Schweigen zwischen den beiden. Taichi wendete seinen Blick vom Ozean ab und sah zu ihr. Er konnte nur die seitlichen Kontur ihres Gesichts erkennen. „Wie lange wirst du bei deiner Großmutter bleiben?“ fragte er schließlich. „Ich weiß es nicht.“ „Deine Großmutter wird sich bestimmt trotzdem freuen, auch wenn du solange nicht da gewesen bist.“ Taichi wollte sich gerade zurücklehnen und sein Handy checken, als ihm auffiel, dass kleine Tränen über die Wangen der jungen Frau kullerten. Ihre nussbraunen Augen waren fest zusammen gekniffen und sie schien ganz offenbar mit ihrer Fassung zu ringen. Erschrocken beugte er sich wieder nach vorne und legte unbewusst seine linke Hand auf ihren rechten Oberschenkel. „Mimi....was ist denn?“ fragte er dummerweise und ärgerte sich bereits jetzt über diese dämliche Frage. „Es ist alles so kaputt. Meine Familie, mein Leben. Alles was mir immer wichtig war, ist so weit weg. Ich kann es kaum noch erkennen.“ ihre Stimme klang zerbrechlich und hatte überhaupt nichts von ihrer spitzzüngigen und schlagfertigen Art. „Bitte erzähl es mir. Ich höre dir zu. Nicht so wie gestern....“ sagte er einfühlsam und streichelte mit seinem Daumen über ihren Oberschenkel. Plötzlich kam er sich so schäbig vor, dass er sie gestern so dumm angemacht hatte. Mit einem traurigen Lächeln sah sie ihn an und schüttelte den Kopf. „Warum sollte ich? Du glaubst doch sowieso, ich sei eine verzogene Prinzessin, die nur gerne im Mittelpunkt steht. Du hast es mir oft genug gesagt.“ Mimi nahm sich ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und schob somit seine Hände von sich weg. Taichi seufzte. Es stimmte was sie sagte, oftmals hatte er ihr solche Worte gegen den Kopf gedonnert. „Und du findest mein Gesicht dämlich. Komm schon, wir sind Freunde. Trotz allem...du kannst mir alles sagen.“ Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und lächelte ihn an. Das letzte ernsthafte Gespräch mit ihm, war mindestens ein Jahr her. Sie hatten immer versucht Kontakt miteinander zu halten und auf einer halbwegs stabilen freundschaftlichen Basis miteinander auszukommen. Die jährlichen Treffen der Freunde waren dabei immer eine große Herausforderung für die Beiden. Letztlich endeten diese Treffen mit viel Alkohol und Streit zwischen Mimi und Taichi. Häufig gab es dann für einige Wochen oder sogar Monate überhaupt keinen Kontakt zwischen ihnen. So verlief es all die Jahre zwischen den Beiden. Es war ein ständiges Hin und Her. Gefangen zwischen Freundschaft, Zuneigung, Eifersucht und vielleicht noch mehr. Irgendwann waren beide so in dieser Spirale gefangen, dass keiner von Beiden den Ausweg fand. Was war das zwischen ihnen? Freundschaft oder Liebe? War es richtig oder falsch was sie miteinander teilten? Mimi atmete tief durch und starrte aus dem Fenster. Er hatte gerade gesagt, dass sie Freunde seien, trotz allem. Was meinte er damit? Trotz alle dem was zwischen ihnen passiert ist? Es tat ihr weh, dass er diesen Satz so beiläufig erwähnte und alles, was zwischen ihnen passiert war, als unbedeutend hinstellte. Dennoch konnte die junge Frau einige Worte finden und versuchte ihm ihre derzeitige Situation zu erklären. „Seit sechs Monaten wohne ich nicht mehr zu Hause. Mein Vater hat mich rausgeschmissen. Ich habe mir in New York ein Zimmer gesucht und angefangen zu jobben. Aber das Geld reichte natürlich hinten und vorne nicht. Mein Vater hat sich mit dem Rest unserer Familie bereits vor langer Zeit zerstritten. Es ging um Geld, das Erbe und einige andere Dinge. Doch ich habe den Kontakt zu der Schwester meines Vaters und seiner Mutter immer gehalten. Als Yamato und Sora mir sagten, dass sie heiraten würden, habe ich meine letzten Ersparnisse zusammen gekratzt und bin nach Tokyo geflogen. Übernachtet habe ich bei alten Freunden, doch länger konnte ich dort natürlich nicht bleiben. Ich hätte sowieso nicht zurück fliegen können, ich hab gar kein Geld für ein Ticket. Gestern hatte mich dann meine Tante angerufen. Sie sagte, dass es unerwartet schlimmer geworden sei, was den Gesundheitszustand meiner Großmutter angeht. Sie selbst habe sich bei der Arbeit auf dem Fischerboot das Bein gebrochen und könne nun nicht mehr täglich die 15 Kilometer mit dem Fahrrad oder dem Auto zum Haus meiner Großmutter fahren.“ Erneut schossen der jungen Frau Tränen in die Augen. Sie schüttelte heftig ihren Kopf und versuchte ein Lächeln aufzusetzen. „Ich habe sofort gesagt, dass ich kommen würde und mich um meine Großmutter kümmere. Vielleicht war es wieder sehr selbstsüchtig von mir, schließlich brauchte ich eine Unterkunft. Du hast vielleicht doch damit recht, dass ich eine verzogene undankbare Prinzessin bin. Aber in meiner Naivität hatte ich gehofft, dass ich an dem Ort, an dem ich als Kind so glücklich und unbeschwert war, vielleicht wieder zu mir finden könnten. Vielleicht sogar neu anfangen könnte.“ Seine Augen wurden ernst und folgten jeder Mimik ihres Gesichts. Ihre Worte kamen von Herzen und Mimi war wirklich kurz davor zu zerbrechen. Zunächst blieb er stumm und lehnte sich in seinen Sitz zurück. Er konnte sich daran erinnern, dass Mimi als Grundschülerin sehr häufig bei ihrer Großmutter gewesen war. Sie wohnte in einem alten typisch japanischen Haus direkt am Meer. Es war sehr abgelegen und überall um das Grundstück erstreckten sich die kilometerlange Felder der Bauern. Nach längerem Schweigen zwischen den Beiden, fand Taichi schließlich doch wieder zu seiner Stimme zurück. „Ich werde bei dir bleiben....“ sagte er schließlich und schob seine Hände hinter den Kopf. Mimi drehte sich mit einem verwunderten Gesichtsausdruck zu ihm um. Ungläubig musterte sie ihn und dachte, sie hätte ihn nicht richtig verstanden. „Ich werde dir helfen. Wenn du dort ganz alleine, in diesem riesigen Haus, mitten in der Pampa bist....wer soll den Krankenwagen rufen, wenn du dir einen Fingernagel abbrichst?“ Verdutzt weiteten sich ihre Augen und sie blickte in sein schamlos grinsendes Gesicht. Mimi strich sich lächelnd einige Haarsträhnen hinter das Ohr. Er hatte es wieder geschafft. Taichi hatte sie zum lächeln gebracht. Ihr war vollkommen bewusst, dass es sinnlos war mit ihm darüber zu diskutieren. Wenn er es sich in den Kopf gesetzt hatte, dann würde er zunächst auch darauf bestehen. „Vielen Dank...“ sagte sie leise. Taichi beugte sich zu ihr und wischte ihr die restlichen Tränen aus dem Gesicht. Liebevoll hauchte er ihr einen Kuss auf die Wange. Sofort schoss ihr die Röte in das Gesicht. Es war ihr peinlich, dass er sie hier im Zug auf die Wange küsste und außerdem reagierte sie auf seine Nähe immer mit höchster Anspannung. Als er sich von ihr löste, flüsterte er ihr noch etwas ins Ohr. „Nicht dafür.“ Mimi lächelte verschämt und lehnte sich wieder in ihren Sitz. Dann sah sie ihn frech von der Seite an und streckte ihm die Zunge raus. „Und was ist mit deinen Unterhosen?“ „Wie bitte?“ „Na du hast doch jetzt überhaupt keine Klamotten mit. Und müsstest du morgen nicht in die Uni? Was ist mit deinem Fußballtraining?“ „Also ich hätte sowieso nur Prüfungen und die kann ich auch schieben. Meine Fußballjungs trainieren in dieser Hitze sowieso nicht. Da ist Pause bis zum Herbst und was meine Unterhosen angeht....“ Er grinste frech und schob eine Hand auf ihren nackten Oberschenkel. „...sicherlich kannst du mir welche von dir leihen....“ Mimi hielt seine Hand fest und lehnte sich dicht zu ihm rüber. Sie zog eine Augenbraue rauf und flüsterte ihm mit einer verführerischen Stimme etwas ins Ohr. „Das hättest du wohl gern, mein Lieber?“ Ein zufriedenes Lächeln schob sich über seinen Lippen. Ihre schlagfertige Art war zurückgekehrt und die tiefe Traurigkeit schien zunächst aus ihren Augen verschwunden zu sein. Ihm war bewusst, dass es ihre Probleme und Ängste nicht lösen würde, wenn er einige Tage an ihrer Seite blieb, doch zumindest hatte er ihr, für einen kurzen Moment, das Gefühl gegeben nicht alleine zu sein. „Ich hole mir etwas zu trinken...möchtest du auch etwas?“ fragte sie sanft und stand auf. Taichi nickte auf ihre Frage hin und machte es sich in seinem Sitz bequem. Als sich ihr schmaler Körper an ihm vorbei schob, ertappte er sich dabei, wie er ihr ganz offensichtlich auf den Hintern starrte. Sofort wendete er seinen Blick ab und versuchte die Röte aus seinem Gesicht zu vertreiben. Mimi drängelte sich durch den engen Gang an den zahlreichen Passagieren vorbei und ergatterte die letzten zwei Dosen Cola an der Bar. Als sie zurück kam, blickte sie etwas verwundert auf den jungen Mann, der friedlich schlafend in seinem Sitz saß. Ein schmales Lächeln legte sich über ihre Lippen und sie setzte sich wieder neben ihn. Leise stellte sie seine Getränkedose ab und öffnete ihre eigene. Mimi konnte nicht anders, als ab und an in sein Gesicht zu blicken. Im Schlaf sah er so friedlich aus. Sein Gesicht hatte noch immer diesen dunklen Teint und mit seinem drei-Tage-Bart wirkte er viel älter. Die Brünette stellte ihre Getränkedose ebenfalls auf der kleinen Ablage am Fenster ab und sah nach draußen. Verträumt musterte sie das glänzende Meer, als sie plötzlich spürte, dass etwas auf ihrem Schoß landete. Erschrocken blickte sie in sein schlafendes Gesicht, als er mit seinem Kopf auf ihren Oberschenkeln landete. Sofort legte sich ein roter Schimmer über ihre Wangen und Mimi wusste nicht so richtig, wie sie sich jetzt verhalten sollte. Schlafend schmiegte Taichi seinen Kopf an ihren Schoß. Unbewusst streichelte sie mit ihren Fingern zögerlich über seine Wange. Seine Haut fühlte sich rau und stoppelig an. Sanft schob sie ihm einige Haarsträhnen von der Stirn. Sein Atem war gleichmäßig und seine Lippen waren leicht geöffnet. Auf einmal kamen ihr die Erinnerungen an den letzten Sommer zurück ins Bewusstsein. Seit dem letzten jährlichen Treffen aller Freunde im vergangenen Juli, hatte sie mit Taichi bis zum vergangenen Wochenende, keinen Kontakt mehr. Ihr einfühlsamer Gesichtsausdruck verfinsterte sich, als diese schmerzlichen Erinnerungen an diesen längst vergangenen Abend wieder in ihr aufflammten. Wie in allen Jahren zuvor, hatten sich die acht Freunde auch dieses Jahr im gleichen Restaurant in der Nähe des ehemaligen Sommercamps getroffen. Yamato und Sora hatten gerade bekanntgegeben, dass sie im darauffolgenden Sommer heiraten wollten. Grundsätzlich herrschte deswegen eine ausgelassene Stimmung. Nach einiger Zeit fiel Mimi jedoch auf, dass der aufbrausende brünette junge Mann, noch immer nicht zurückgekehrt war. Seine Schwester schien seine Abwesenheit ebenso besorgt zu hinterfragen. „Ich werde mal nach meinem Bruder sehen. Er hat heute Abend viel zu viel getrunken...“ Noch bevor Hikari aufstehen konnte, drückte Mimi sie sachte wieder nach unten. „Ich gehe schon. Ich wollte sowieso auf die Toilette.“ mit einem höflichen Lächeln öffnete Mimi die Schiebetür des Séparées und betrat den langen Flur des Restaurants. Im Gang war es beinahe komplett still und man hörte kaum ein Geräusch aus den angrenzenden Räumlichkeiten. Ihr Weg führte sie nach draußen. Der Himmel war sternenklar und der Regen hatte offenbar vor einigen Stunden aufgehört. Die Regenzeit war beinahe vorüber. Vom Eingang des Restaurants führte ein kleiner steinerner Weg in den Garten. Der Stoff ihres Sommerkleides wiegte sich in der seichten Brise des Windes. Ihre nussbraunen Augen entdeckten ihren alten Freund schließlich sitzend auf dem kleinen Treppenabsatz, der zum Teehaus führte. Er nahm gerade einen großen Schluck aus seinem Whiskyglas. Mimi faltete ihre Hände hinter dem Rücken und stellte sich vor ihm hin. Er sah überhaupt nicht gut aus. Sein Gesicht wirkte fahl und es schien, als sei er nicht nur überaus betrunken, sondern ebenfalls sehr wütend. „Denkst du nicht, dass du für Heute genug hattest?“ fragte sie einfühlsam und lächelte ihn an. Seine dunkelbraunen Augen funkelten sie vorwurfsvoll an. Ein wütendes Zischen fuhr über seine Lippen und er setzte das Glas erneut an seine Lippen. „Was willst du? Lass mich in Ruhe. Ich brauche keine Standpauke von dir!“ Sein aggressiver Tonfall beeindruckte die junge Frau keineswegs. Sie kannte seinen unbeherrschten und aufbrausenden Charakter. „Ich verstehe dich nicht. Als Freund solltest du dich für die Beiden freuen, stattdessen sitzt du hier draußen und gibst dir die Kante. Versinkst in deinem Selbstmitleid.“ „Ach sei doch still! Was interessiert es dich überhaupt?“ „Es interessiert mich sehr wohl, wenn du dich so gehen lässt, wegen einer Frau die dich schon lange abgewiesen hat und noch immer trauerst du ihr hinterher. Unfähig nach vorne zu blicken und dich für das gemeinsames Glück der Beiden zu freuen. Es gelingt dir nach all den Jahren immer noch nicht, deine eigenen Bedürfnisse nach hinten zu stellen. Du hast es immer noch nicht geschafft, darüber hinweg zu kommen. Soll das immer so weiter gehen?“ Mimi war sehr darauf bedacht, dass ihre Worte unter keinen Umständen vorwurfsvoll klangen. Im Gegenteil, sie sprach ihre Worte sehr einfühlsam und besorgt aus. Dennoch schien sie ihn nicht zu erreichen. Wütend warf er sein Glas weg und stand auf. Als er auf sie zukam, wich Mimi erschrocken einige Schritte nach hinten zurück. Hart packte er sie am Oberarm und hielt sie fest. Die junge Frau versuchte sich sofort aus seinem Griff zu lösen, doch es gelang ihr nicht. „Sei verdammt nochmal ruhig! Du hast doch keine Ahnung wie ich mich fühle!“ schrie er sie an und drückte seine Hand noch etwas fester zusammen. „Lass mich los! Du tust mir weh!“ keuchte Mimi mit schwacher Stimme und kniff ihre Augen zusammen. „Deine herablassende Art hat mich schon immer gestört und jetzt stellst du dich vor mich hin und willst mir etwas von Freundschaft erzählen? Hast du schon mal in den Spiegel gesehen? Du bist doch diejenige die abgehauen ist. Du bist es doch, die niemals da ist wenn man sie braucht!“ Mit ihrer anderen Hand holte sie aus und schlug ihm kräftig ins Gesicht. Tränen rannen über ihre Wangen. Als Taichi sie noch immer nicht freigab, schlug sie ihm erneut ins Gesicht. Seine Wange glühte rot und zeigte deutlich den Abdruck ihrer Handfläche. Seine leeren Augen weiteten sich erschrocken und er lockerte seinen Griff. Sofort riss sich Mimi von ihm los und rannte zurück. Erst jetzt schien er zu realisieren, was er getan hatte. Gedankenverloren hielt er sich die schmerzende Wange und blickte ihr nach. Die junge Frau konnte ihre Tränen nicht länger zurück halten. Niemand sollte sie so sehen und daher versuchte sie so schnell wie möglich, auf die Toilette zu verschwinden. Doch noch im Gang packte sie jemand am Handgelenk. Vor Angst erstarrt, drehte sie sich um und sah in seine gequälten Augen. „Nein! Lass mich los!“ schrie sie und wollte sich erneut von ihm lösen. Doch er hielt sie weiterhin am Handgelenk fest. „Hör mir zu!“ sagte er und drückte sie gegen die Wand. „Nein!“ schrie sie weiter und versuchte ihn von sich weg zu drücken, was ihr aber nicht gelang. In dem Handgemenge stieß Mimi mit ihrem Ellenbogen gegen die Türklinke der Damentoilette. Beide stolperten unbeholfen und noch immer miteinander kämpfend in den Waschraum. Taichi versuchte, ihre um sich schlagenden Hände festzuhalten und somit einer weiteren Ohrfeige zu entgehen. Dabei stieß er sie unabsichtlich nach hinten und beide landeten in einer Toilettenkabine. „Hör jetzt auf! Hör mir zu!“ schrie er sie wütend an und drückte sie gegen die Abtrennwand. Hinter ihm fiel die Kabinentür ins Schloss und Taichi fixierte ihr verheultes Gesicht. Offenbar schienen ihr die Kräfte zu schwinden, zumindest wehrte sich Mimi kaum noch gegen ihn und schluchzte stattdessen immer lauter. „Du selbstgefälliges Arschgesicht! Dein jämmerlicher Versuch mir die Schuld in die Schuhe zu schieben kotzt mich an! Dein Selbstmitleid kotzt mich an! Du kotzt mich an! Nimm deine dreckigen Finger von mir weg....“ Mimi wollte ihm noch viel mehr Beleidigungen ins Gesicht schmettern, doch sie kam nicht dazu. Taichi presste ihr seine Lippen auf den Mund und versiegelte ihr schimpfendes Mundwerk mit einem leidenschaftlichen Kuss. Vollkommen außer sich weiteten sich die Augen der jungen Frau. Seine Zunge brach harsch und fordernd in ihre Mundhöhle ein. Mit seiner rechten Hand hielt er ihre beiden Handgelenke über ihrem Kopf fest umschlossen. Seine linke Hand schob ihr Kleid nach oben. Taichi stemmte sich mit seinem Körper zwischen ihre Beine und drückte somit ihre Hüfte an der Kabinenwand nach oben. Nun realisierte sie, worauf sein weiteres Handeln zusteuern würde. Sie hörte, wie er sich die Hose öffnete und gerade dazu ansetzen wollte, weiter zu gehen. Ihr gesamter Körper verkrampfte. So wollte sie das nicht. Sie wollte nicht, dass er sie so rücksichtslos an sich riss, ohne darauf zu achten, wie sehr er sie damit verletzte. Erneut sollte sie ihm als Trostpflaster dienen? Die Leere in ihm ausfüllen? Unaufhörlich liefen ihre Tränen über ihre Wangen. Mit aller Kraft biss sie ihm plötzlich in die Unterlippe. Sofort quoll Blut aus der Wunde und Taichi ließ mit einem kurzen schmerzverzerrten Keuchen von ihr ab. Seine Hand legte sich schützend auf die blutende Wunde und fassungslos starrte er sie an. Mimi legte sofort beide Arme um sich und rutschte an der Kabinenwand nach unten. Sie presste ihre Beine fest zusammen und zog sie dicht an ihren zitternden Körper. „Hör bitte auf....ich will das nicht....“ schluchzte sie und kniff ihre Augen zusammen. Sein erstarrter Blick ruhte auf ihrem zerbrechlichen Körper. Unfähig etwas zu sagen starrte er sie an. Blut tropfte auf seinen Hemdkragen. Sachte stieß er die Kabinentür auf und ging zu einem der Waschbecken rüber. Mit ausdruckslosen Augen betrachtete er sein blutverschmiertes Gesicht im Spiegel. Was hatte er da nur beinahe getan? Was war nur los mit ihm? Das wollte er doch selbst nicht. Er wollte Mimi auf keinen Fall, gegen ihren Willen, an sich reißen und benutzten wie ein Objekt. Sein Herz stach in seiner Brust und er bemerkte, wie seine Finger unaufhörlich zitterten. Noch immer hörte er ihr lautes Schluchzen. Kraftlos beugte er sich über das Waschbecken und stützte sich mit beiden Händen ab. Ihm war so übel, am liebsten hätte er sich sofort übergeben. „Ich hasse dich Taichi Yagami! Ich will dich nie wieder sehen! Verschwinde!“ ihre Stimme klang so herzzerreißend und dem jungen Mann war sofort klar, dass er sie zu tiefst verletzt hatte. In diesem Moment realisierte Taichi zum ersten Mal, dass er ihr Herz in tausend kleine Stücken zerbrochen hatte. Als er seine Hand an die Tür legte, um den Waschraum zu verlassen und ihr hilfloses Schluchzen immer wieder in seinen Ohren widerhallte, wurde ihm ebenso bewusst, dass gerade auch etwas in ihm zerbrach. Verkrampft legte sich seine Hand um die Klinke und über seine Wangen rannen heiße Tränen. An seinem Kinn vermischten sich diese schließlich mit seinem Blut und tropften unaufhörlich auf den Kragen seines weißen Hemdes. „Es tut mir leid...“ murmelte er mit brüchiger Stimme, ungewiss ob sie ihn gehört hatte und verließ den Waschraum. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, lehnte er sich weinend dagegen und fuhr mit beiden Händen über sein Gesicht. „Ich vermisse dich so sehr...“ keuchte er unter Tränen und verschwand. Die Auseinandersetzung an diesem Abend blieb, gegenüber den restlichen Freunden, nicht unbemerkt. Taichi organisierte sich ein Taxi und verließ das Restaurant umgehend. Mimi erzählte unterdessen, dass die beiden sich gestritten hätten und Taichi in seinem alkoholisierten Zustand hingefallen sei und sich dabei die Lippe aufgeschlagen hätte und deswegen ins Krankenhaus gefahren wäre. Was sich jedoch tatsächlich zwischen den Beiden ereignet hatte, behielt sie für sich. Von diesem Abend an, hatten die beiden keinerlei Kontakt mehr zueinander. Immer wieder versuchte der junge Mann ihr einen Brief zu schreiben, wie auch einige Jahre zuvor und sich bei ihr zu entschuldigen und seine Gefühle offen zulegen, doch er schickte diese Briefe niemals ab. Und so verging die Zeit. Aus Tagen wurden Wochen und aus Wochen wurden Monate. Das Jahr näherte sich dem Ende und selbst zu Weihnachten oder dem Jahreswechsel hörte Taichi nichts von ihr. Seine Nachrichten und Mails blieben unbeantwortet. Bis zum vergangenen Wochenende, als die beiden sich zum ersten Mal, nach einem ganzen Jahr, wiedersahen. Das erste Aufeinandertreffen der Beiden war derart angespannt, dass niemand so recht wusste was er sagen oder tun sollte. Den größten Teil des Abends gingen sie sich aus dem Weg. Bis zu dem Zeitpunkt, als beide alleine in der Küche ihrer Freunde standen. Mimi wollte so schnell wie möglich aus der Situation ausbrechen, die Küche verlassen und auf keinen Fall mit ihm alleine sein. Taichi hingegen war so nervös, dass ihm die gesamte Flasche Orangensaft umfiel und direkt über Mimis Füße lief. Als sich beide hinhocken und das Missgeschick aufwischen wollten, stießen ihre Köpfe zusammen. „Es tut mir leid...“ stotterte Taichi und sah die Brünette besorgt an. Sein Blick wurde sanfter und plötzlich legte sich ein beinahe flehender Tonfall auf seine Stimme. „Es tut mir wirklich so unendlich leid...bitte verzeih mir.“ Diese Entschuldigung hatte natürlich nichts mit dem Orangensaft zu tun. Doch es war seine typische unbeholfene Art, seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Mimi legte ihren Kopf sachte zur Seite und lächelte ihn an. Es waren zwar nicht die Worte, die sie hören wollte, doch der jungen Frau war bewusst, dass ihr Gegenüber diese zögerlichen Worte aus tiefstem Herzen sprach. „Ja ich weiß.“ sagte sie und wischte mit dem Küchentuch über seine blutende Hand. Dabei streichelten ihre zarten Finger über seinen Handrücken. Offenbar hatte er sich an den Splittern der Glasflasche geschnitten. Ihre leuchtenden nussbraunen Augen sahen direkt in seine. „Das habe ich doch schon längst...“ Das donnernde Geräusch des Zuges, der über die Gleise fuhr, holte Mimi zurück in die Gegenwart. Mittlerweile hatten ihre Finger aufgehört über sein Gesicht zu streicheln. Dennoch betrachtete sie ihn weiter stumm und versuchte zu verstehen, warum es zwischen ihr und ihm so kompliziert war. War es falsch, dass sie sich im vergangenen Jahr nicht gemeldet hatte? Seine Nachrichten ignorierte? War es vielleicht gänzlich falsch ihn jetzt mitzunehmen und mit ihm zusammen Zeit zu verbringen? Wohin sollte das führen? Bislang gab es nichts weiter zwischen ihnen als unerfüllte Hoffnungen und tiefe Verletzungen. Mimi versuchte seinen Kopf von ihrem Schoß weg zu drücken und ihn damit aufzuwecken. Verwundert öffnete er tatsächlich seine braunen Augen und blieb dennoch seelenruhig auf ihr liegen. Sein Blick wirkte verträumt und müde. „Sind wir schon da?“ fragte er leise und rieb sich über die Augen. Sie schüttelte stumm den Kopf und blickte aus dem Fenster. Er sollte die Röte in ihrem Gesicht nicht erkennen. „Bitte geh von mir runter...du bist mir zu schwer...“ Taichi blickte sich kurz um und verstand, dass er auf ihrem Schoß lag. Sofort setzte er sich wieder aufrecht hin und streckte seine Arme nach oben. Genüsslich gähnte er und rieb sich seine Augen erneut. „Entschuldige...“ sagte er matt und sah nach vorne. Es war ihm verdammt unangenehm, dass er auf ihrem Schoß eingeschlafen war. Ihr so nahe zu sein, brachte ihn jedes Mal aus der Fassung. Seine Knie fühlten sich plötzlich weich an und seine Handflächen waren verschwitzt. Warum löste sie immer wieder solche Reaktionen bei ihm aus? Der junge Mann versuchte, diese Gedanken zu verdrängen und starrte auf die Anzeigetafel des Wagons. Dort stand, dass es noch knapp zwanzig Minuten bis zur Ankunft waren. Stumm griff er nach der Getränkedose und öffnete diese. Im Augenwinkel bemerkte er sehr wohl, dass Mimi verkrampft nach draußen starrte. Sie wollte einem Gespräch und einem direkten Blickwechsel mit ihm ausweichen. Der junge Mann seufzte leise und wusste nicht, was er tun oder sagen sollte. Plötzlich fühlte er sich wieder so unbeschreiblich hilflos in ihrer Gegenwart. Kein Blick, kein Wort, nur Stille herrschte zwischen ihnen, bis sie endlich den Bahnhof von Tateyama erreichten. Unaufgefordert nahm Taichi ihren Koffer und trug ihn aus dem Zug heraus. Von hinten griff sie nach seinem Handgelenk und wollte ihn davon abhalten, doch mit einem kurzen aber strafenden Blick wies er sie sofort zurück. Verdutzt ließ Mimi von ihm ab und gewährte ihm, ihren Koffer zu tragen. Die Menschen verließen den Bahnsteig zügig und bald standen die junge Frau und ihr unfreiwilliger Begleiter alleine in der heißen Mittagssonne. Um sie herum erstreckte sich bereits der Ozean und die Zikaden zirpten in der sengenden Hitze des Tages. Mimi setzte sich auf ihren Koffer und blickte nachdenklich auf die leere Straße. Taichi legte seine Hände in den Nacken und starrte sie genervt an. „Sollen wir hier braten wie die Hühnchen oder wie kommen wir zu deiner Großmutter?“ Sie schenkte ihm einen feurig wütenden Blick. „Mein Onkel wollte mich abholen. Sicherlich kommt er gleich und jammere gefälligst nicht so herum, wie ein kleines Mädchen.“ Beleidigt blies er seine Wangen auf und wollte gerade mit ihr anfangen zu streiten, doch dann sahen die beiden einen alten Lastwagen mit riesiger Ladefläche angefahren kommen. Mimi wischte sich mit ihrem Arm den Schweiß von der Stirn und erhob sich von ihrem Koffer. Fröhlich winkte sie dem Fahrer in dem kleinen Fahrerhäusschen zu. Dieser stoppte das rostige Fahrzeug direkt vor den beiden und stieg freudig aus. „Mimi-chan!“ rief er und umarmte seine Nichte. „Onkel Kazuki!“ Taichi beobachtete diese Szene und war verwundert über das Auftreten von Mimis Verwandtschaft. Offenbar waren ihre Verwandten hier, nur einfache Landleute. Ganz im Gegenteil zu ihrem Vater, der ein millionenschweres Unternehmen in den USA führte. Sollte das etwa bedeuten, dass diese kleine Prinzessin in ganz gewöhnlichen Verhältnissen aufgewachsen ist? Er musste über diesen Gedanken grinsen und stellte sich bildlich vor, wie sie vor Ekel kreischend, einen Kuhstall säuberte. Die Worte ihres Onkels rissen Taichi plötzlich aus seinen Gedanken. „Bist du etwa mit deinem Mann gekommen?“ Mimi lachte lautstark los und winkte mit ihrer Hand wild fächernd ab. „Um Gotteswillen! Das ist nur Taichi und nicht mein Mann!“ Plötzlich entglitt dem jungen Mann sein Gesicht. Was sollte das denn heißen? Fassungslos schenkte er ihr einen zornigen Blick und schwieg. „Ihr müsstet euch leider auf die Ladefläche setzen, vorne habe ich einen jungen Ginkgo Baum im Topf. Deine Großmutter wollte unbedingt, dass noch einer im Garten gepflanzt wird. Hinten würde er vom Fahrtwind geknickt werden...“ Mimi nickte verstehend und wollte ihren Koffer gerade über die Straße schieben, als Taichi es ihr abnahm und diesen mit einem Handgriff auf die Ladefläche beförderte. Verwundert sah sie ihn an. „Schau nicht so dumm. Soll ich dich auch noch hochheben oder schafft euer Gnaden es selbstständig hochzuklettern?“ brummte er sichtlich genervt. Mimi lächelte und schüttelte ihren Kopf. Es war süß, wenn Taichi, wie ein kleiner Junge, bockig war. Grazil stieg sie nach oben und schenkte ihrem männlichen Begleiter freie Sicht auf ihr strammes Hinterteil. Natürlich blieb es von ihrer Seite nicht unbemerkt, dass Taichi diesen Ausblick sichtlich genoss und sich auch nicht scheute hinzustarren. „Wisch dir den Sabber vom Mundwinkel, wenn du fertig bist...“ sagte sie provokant und setzte sich hin. Taichi folgte ihr und setzte sich ihr gegenüber. Mit einem unverschämten Grinsen im Gesicht musterte er sie. „Als hättest du es nicht herausgefordert!“ Sie fuhren los und der Fahrtwind verursachte einen angenehmen Schauer auf ihrer Haut. Mimis lange Haarsträhnen wogen sich im Wind. Taichi beobachtete jede einzelne Regung ihrer wunderschönen Gesichtszüge. An den Beiden zog die atemberaubende Landschaft vorbei. Auf der einen Seite erstreckte sich der pazifische Ozean und auf der anderen Seite sah man riesige Sonnenblumenfelder. „Übrigens....“ Durchbrach ihre zarte Stimme das Schweigen. „...als du in den Zug eingestiegen bist, sagtest du, dass du nicht mehr wüsstest was richtig oder falsch sei...“ Taichi nickte und sah ihr fragend ins Gesicht. Doch Mimi betrachtete die vorbeiziehende Landschaft und strich sich einige Haarsträhnen hinters Ohr. „Es gibt kein richtig oder falsch, schwarz oder weiß. Das Leben ist eine Facette aus unterschiedlichsten Graustufen, denkst du nicht?“ Er schüttelte seinen Kopf und lächelte sanft. „Ich fände es überaus bedauernswert, wenn das Leben nur eine Aneinanderreihung von Grautönen wäre. Ab und zu taucht hoffentlich ein kleiner bunter Fleck auf....“ Taichi sah ihr tief in die Augen. „...und diesen sollten wir unbedingt festhalten. Denn den einzigen Fehler den wir tatsächlich machen können ist es, unser Leben in Graustufen zu fristen.“ Der Wind stieß ihr heftig ins Gesicht und Mimi kniff ihre Augen zusammen. Nur schwach konnte sie seine folgenden Worte hören. „Ich glaube, dass ich seit langer Zeit eine richtige Entscheidung in meinem Leben getroffen habe.“ Kapitel 3: Hoffnung ------------------- Die Fahrt von dem kleinen Bahnhof bis zum Zielort dauerte etwa zwanzig Minuten. Taichi war unendlich durstig und die Hitze trieb ihn beinahe an den Rand der Verzweiflung. Als Onkel Kazuki mit dem klapprigen Lastwagen vor dem Haus anhielt, erstreckte sich ein atemberaubender Anblick vor den beiden Freunden. Das alte traditionell japanische Anwesen lag direkt angrenzend an dem flach abfallenden Sandstrand. Ein schmaler Holzsteg führte direkt vom Garten des Hauses hinüber zu den Dünen. Durch die hohen Dünen und Wellenbrecher konnte man, von der Straße aus, das Meer nicht erkennen. Sicherlich hätte man zunächst die Sanddünen erklimmen oder die obere Etage des Hauses betreten müssen. Um das rustikale Anwesen führten jeweils mehrere hölzerne Terrassen. Offenbar konnte man von jedem Zimmer im Untergeschoss, durch Schiebetüren nach draußen gelangen. Hinter dem Haus erstreckte sich ein wundervoller Garten. Unzählige bunte Blüten waren zu erkennen und zwei riesig gewachsene rote Ahornbäume. Die Sonne schien durch ihre kräftig gefärbten Blätter und ließ das gesamte Anwesen in einem rötlichen Schimmer erscheinen. Um sie herum herrschte absolute Stille. Kein anderes Haus oder Geschäft befand sich in der näheren Umgebung. Soweit sich Taichi erinnern konnte, hatte er das letzte Wohnhaus vor etwa zehn Minuten beim Vorbeifahren gesehen. Für ihn als Großstädter war diese Einsamkeit fast kaum zu glauben. In Tokyo trat man sich an jeder Stelle gegenseitig auf die Füße und hier wohnte diese ältere Dame fast gänzlich allein. Der junge Mann nahm den Koffer seiner Freundin von der Ladefläche und folgte ihr und ihrem Onkel schweigend ins Innere des Hauses. Kazuki trug den kleinen Ginkgo Baum und stellte ihn vor der Eingangstür ab. Bedächtig öffnete er die große Tür und die drei traten in das Haus. Taichi konnte zwar nur den Eingangsbereich erkennen, doch ihm war sofort klar, dass es sich hierbei tatsächlich um ein sehr altes Haus handeln musste. Die gesamte Holzverkleidung und Einrichtung war traditionell japanisch und zuletzt hatte er diese Art von Inneneinrichtung bei seinem letzten Besuch im Tempel gesehen. Mimi und ihr Onkel hatten bereits ihre Schuhe ausgezogen und standen fast im Wohnzimmer, als Taichi aus seinen Tagträumen erwachte und sich ebenfalls schnell seiner Schuhe entledigte und den Beiden folgte. Vom Eingangsbereich waren es wenige Schritte bis in das Wohnzimmer. Es handelte sich hierbei um einen großen, offenen Bereich. Eine alte und breite Holztreppe führte nach oben in die erste Etage. Links von Taichi befand sich der Zugang zur Küche. Hinter ihm ging ein kleines Gästebadezimmer ab. Auf der rechten Seite waren die Schiebetüren zum Garten komplett geöffnet und ein angenehmer Wind zirkulierte im Haus. In der Mitte des Raumes befanden sich wie gewöhnlich ein großes Sofa, Fernsehgerät und ein Tisch sowie zahlreiche Schränke und Anrichten. Mimis Großmutter saß in einem ausladenden englischen Sessel und schien zu schlafen. Ihr Haar war komplett ergraut und zu einer kleinen runden Knolle zusammengesteckt. Auf ihrem Schoß lagen zwei Stricknadeln und dazugehörige Wolle. Neben ihrem Sessel stand ein Tropf und die darin befindliche Infusion schien bereits gänzlich durchgelaufen zu sein. Barfuß ging Mimi zu ihrer Großmutter und kniete sich neben sie. Liebevoll legte sie eine Hand auf die der alten Dame und versuchte sie ganz vorsichtig aufzuwecken. „Wir sind da Großmama...“ Ihre Stimme klang weich und einfühlsam. In dieser Form hatte Taichi seine Freundin noch nie sprechen gehört. Taktvoll hielt er sich im Hintergrund und wartete das weitere Geschehen geduldig ab. Die Stimme ihrer Enkelin erreichte die ältere Dame und müde schlug sie ihre Augen auf. Trotz ihres vorangeschrittenen Alters, hatte sie unglaublich strahlende blaue Augen. Mimi lächelte sie fröhlich an. Etwas verwundert musste die Hausherrin diesen Gast, der neben ihr kniete, betrachten. Offenbar schien sie ihre Enkelin nicht sofort zu erkennen. „Mimi-chan?“ fragte sie verwundert nach. Die brünette junge Frau nickte und betrachtete die leere Infusion. „Wie geht es dir?“ fragte sie schließlich und betrachtete das faltige Gesicht ihrer Großmutter. „Ach, Unkraut vergeht nicht. Die machen alle viel zu viel Aufsehen um mich. Du bist ja eine richtig hübsche junge Frau geworden.“ Mimi grinste und stand langsam wieder auf. Es war wirklich sehr lange her, dass ihre Großmutter sie persönlich gesehen hatte. Wahrscheinlich kannte sie Mimis Gesicht nur von Fotos, welche die junge Frau regelmäßig schickte. „Ja das glaub ich auch, dass Unkraut nicht vergeht und die Anderen viel zu viel Aufsehen um dich veranstalten. Deswegen bin ich vorbei gekommen, damit ich denen die Leviten lesen kann. Es ist unanständig einer älteren Dame soviel Ärger zu bereiten. Was meinst du? Soll ich ein paar Tage hier bleiben und darauf achten, dass die sich alle ein bisschen mehr um sich selbst kümmern?“ Ihre Großmutter lachte auf und hustete dann etwas. „Ja, das wäre doch eine gute Idee. Aber du musst mir ein anständiges japanisches Essen kochen! Nicht dieser amerikanische Kram, den du gewohnt bist.“ Mimi verzog ein nachdenkliches Gesicht und musste sich selbst tatsächlich eingestehen, dass sie kein einziges japanisches Gericht zubereiten konnte, außer vielleicht Reisbällchen. Im Hintergrund konnte Taichi kaum noch an sich halten vor lachen. Er wusste genau, dass Mimi nicht gut kochen konnte, zumindest was die japanische Küche anging. Der jungen Frau fiel das unterdrückte Kichern ihres Begleiters natürlich auf und beleidigt starrte sie ihn an. „Was ist daran so witzig?“ fragte sie schließlich mit einem bösartigen Unterton in der Stimme. Taichi fühlte sich ertappte und versuchte seinen Mund zu halten und das Lachen zu unterdrücken. Nun fiel auch der älteren Dame auf, dass noch andere Personen im Wohnzimmer standen. Ihren Schwiegersohn erkannte sie natürlich sofort, doch den brünetten jungen Mann, mit den zerzausten Haaren, hatte sie noch nie gesehen. „Wer ist das?“ fragte sie ihre Enkelin und tippte sie am Arm an. Mimi sah zu ihr und lächelte sanft. „Das ist ein alter Freund von mir. Taichi Yagami, er wohnt in Tokyo und hat mich begleitet. Macht es dir etwas aus, wenn er ebenfalls einige Tage hier bleibt? Er kann unglaublich gut putzen und den Rasen im Garten mähen.“ Die ältere Dame machte ein zufriedenes Gesicht und nickte. „Ja, ja. Mein Schwiegersohn hat es sowieso noch nicht geschafft, meinen Ginkgo Baum zu pflanzen und wenn er den Rasen mäht, sieht es so aus, als hätte eine Ziege die Halme einzeln abgeknabbert. Von daher würde ich es begrüßen wenn ein junger Mann sich handwerklich betätigt.“ Mimi und ihre Großmutter fingen sofort an kräftig zu lachen. Die beiden Männer bekamen gleichermaßen ihren Denkzettel verpasst und standen wie kleine begossene Pudel in der Ecke. Taichi konnte es nicht fassen, wie unverschämt Mimi ihn anpries. Als sei er ein Hausmeister. Kazuki schlug dem Brünetten lachend auf die Schulter. „Überleg dir lieber nochmal, ob du mit diesen garstigen Weibern hier alleine bleiben möchtest?“ Taichi blies seine Wangen auf und schob seine Hände in die Hosentasche. Wie ein Herz und eine Seele unterhielten sich Mimi und ihre Großmutter. Es schien fast, als wäre kein einziger Tag vergangen, an dem sie sich nicht gesehen hätten. Als Taichi das strahlende Lächeln seiner alten Freundin erkannte, wurde sein eigener Gesichtsausdruck sanfter. Sie war glücklich darüber hier zu sein und offenbar fiel ihre Anspannung sofort von ihr ab, als sie bemerkte, dass ihre Großmutter keineswegs böse auf sie war, weil sie solange nicht zu Besuch gewesen ist. „Ich glaube das überlebe ich...“ sagte er grinsend und folgte Onkel Kazuki nach draußen. Gemeinsam trugen sie den kleinen Baum in den Garten, während Mimi etwas zu trinken vorbereitete. „Vielleicht kannst du ihn tatsächlich einpflanzen. Frag Kimiko wo sie ihn hin haben möchte. Ich fahre jetzt wieder zurück zur Arbeit, das Feld muss bestellt werden. Falls etwas sein sollte ruft einfach an...viel Spaß!“ Der ältere Mann zwinkerte Taichi zu und sprang wieder in seine Klapperkiste. Mimi rannte ihm noch schnell entgegen und reichte ihm eine Getränkedose ins Fahrerhäusschen. Taichi konnte nur beobachten, dass sie sich noch kurz unterhielten. Offenbar ging es um ihre Großmutter. Der junge Mann war über den Namen der Großmutter verwundert. Offenbar hieß sie mit Vornamen Kimiko. „Deine Tante hat insoweit alles mit dir besprochen? Die Ärztin kommt drei Mal die Woche vorbei. Morgen wird sie wieder kommen und dir sicherlich auch noch einiges erklären. Aber ansonsten kann sich die alte Dame noch gut alleine beschäftigen. Es ist sehr lieb von dir, dass du hier bist. Ich glaube, dass es ihr sehr gut tun wird.“ Mimi sah ihren Onkel traurig an und nickte stumm. Dann fuhr er ab und ließ Taichi und Mimi alleine zurück. Der junge Mann ging zu ihr rüber und lächelte sanft. „Alles in Ordnung?“ fragte er und musterte ihr Gesicht. Es zeigte ihm deutlich, dass sie viele Sorgen in sich trug. Doch Mimi schenkte ihm nur ein freundliches Lächeln und nickte. Gemeinsam gingen sie wieder nach drinnen und setzen sich zu Kimiko ins Wohnzimmer. Taichi verschlang sofort drei Gläser Eistee und lehnte sich im Sofa zurück. Mimi erzählte ihrer Großmutter von der Hochzeitsfeier und von ihrer Reise nach Japan. Schweigend hörte Taichi dem Gespräch der beiden Frauen zu, dabei beobachtete er immer die Mimik und Gestik seiner Freundin, welche ihm deutlich verriet, wie angespannt die junge Frau war. „Dein altes Zimmer gibt es immer noch und für deinen Begleiter könntest du eines der Gästezimmer herrichten. Dieses Haus ist so unendlich groß, es gibt genügend Räume. Deine Tante hat natürlich nur für eine Person einen Schlafplatz vorbereitet.“ Mimi lächelte und brachte die Gläser zurück in die Küche. „Kein Problem, ich mache etwas für Taichi zurecht. Du bleibst hier und ruhst dich aus...“ Taichi stand ebenfalls vom Sofa auf, als seine Freundin nach oben ging. Schweigend folgte er ihr und betrachtete ebenso staunend die obere Etage des Hauses, wie er es zuvor mit der unteren getan hatte. Mimi schob die Tür zu ihrem Zimmer auf. „Wir müssen die Bettwäsche heraussuchen und vielleicht gibt’s noch ein paar Wechselsachen für dich...“ Taichi sah verwundert zu Mimi, die sich vor dem Schrank hingekniet hatte und nach Bettwäsche suchte. „Du musst das nicht für mich machen...“ „Willst du mir etwa sagen, dass du ein Futon herrichten kannst?“ „Was soll daran so schwer sein? Matte auf den Boden und Bettwäsche drüber?“ Taichi zog eine Augenbraue rauf und grinste. In den ganzen Zimmern roch es nach Tatami und der Boden fühlte sich rau unter seinen Füßen an. Wie es in Japan traditionell üblich war, schlief man auch in diesem Haus auf einem Futon, welcher auf dem Tatami Fußboden hergerichtet wurde. Die junge Frau hatte bald alles zusammengesucht und drückte es ihrem Begleiter in die Hände. Gemeinsam gingen sie den kleinen Flur entlang. Das Zimmer von Mimi war das Erste, gleich auf der rechten Seite mit einem Ausblick auf das Meer. Links vom Gang befand sich das Zimmer ihrer Großmutter, dann gab es noch zwei weitere Zimmer und ein letztes am Ende des Gangs. Als Mimi die Tür aufschob, wurde Taichi von der Sonne geblendet. Es handelte sich hierbei um ein Eckzimmer mit Aussicht auf den Garten und das Meer. Verwundert weitete sich sein Blick und er betrat das Zimmer. „Warum schläft deine Großmutter nicht hier? Es ist ein wunderschönes Zimmer!“ sagte er ungläubig und legte die Bettwäsche auf dem Fußboden ab. Mimi öffnete alle Fenster und fing an das Futon auszurollen. „Es ist das Zimmer meines Vaters...“ ihre Stimme klang hart. Taichi schluckte hart und nickte verstehend. Ihm war klar, warum keiner der beiden Frauen in diesem Zimmer schlafen wollte. Es gab hier zu viele schmerzliche Erinnerungen. Zum Einen die leidende Mutter, die ihren Sohn ans Geld verloren hatte und zum anderen die Tochter die von ihrem Vater verstoßen wurde. Auf den Anrichten standen Fotos von ihm aus seiner Jugend. Er schien ein ganz normaler junger Mann gewesen zu sein. Auf einigen Bildern lächelte er sogar und schien sichtlich fröhlich zu sein. Taichi beugte sich ebenfalls runter und wollte Mimi dabei helfen, seinen Schlafplatz herzurichten, als sich ihre beiden Hände versehentlich berührten. Erschrocken hielt Mimi inne und zog sofort ihre Hand weg. Wie ein kleines Schulmädchen blickte sie verlegen zur Seite und wich seinem Blick aus. Tai selbst blickte sie erstaunt an und wusste nicht, was er sagen sollte. Nervös erhob sich Mimi und ging rüber an den Kleiderschrank ihres Vaters. „Vielen Dank, dass du mich begleitest...“ sagte sie leise und suchte etwas passendes zum anziehen heraus. Noch immer am Boden kniend beobachtete der junge Mann, das Handeln seiner Freundin. Mimi kam zurück und legte ihm einen Yukata auf seinen Futon. Noch bevor sie ihre Hände davon lösen konnte, packte Taichi ihre zierlichen Finger und fuhr mit seinen dazwischen. Sofort sah sie zu ihm auf und die Röte stieg ihr ins Gesicht. Sanft lächelte er sie an und streichelte mit seinem Daumen über ihren Handrücken. „Vielen Dank, dass du mich mitgenommen hast.“ antwortete er ihr schließlich und ließ ihre Hand wieder los. „Den Yukata kannst du erstmal anziehen....vielleicht kann dir diene Schwester ein paar Klamotten schicken.“ Es war ihr so unangenehm, dass ihr Gesicht merklich an Farbe gewonnen hatte und er das natürlich mitbekam. Umgehend stand Mimi auf und verließ das Zimmer. Ihr Herz schlug bis zum Hals und ihre Knie waren weich. Warum flammten diese Gefühle immer wieder auf? Er blieb in seinem neuen Zimmer zunächst sitzen und ließ Mimi gehen. Es war nicht seine Absicht, sie zu bedrängen. Dieses ständige Hin und Her, Heiß und Kalt zwischen den Beiden machte ihn verrückt. Doch er selbst wusste nicht, was er eigentlich wollte und ob sie ihn noch wollte, nach all dem was passiert war. Nachdenklich kramte er sein Telefon aus der Hosentasche und wählte die Nummer seiner Schwester. „Was bist du? Warum? Was ist mit der Uni? Bist du verrückt?“ Die grelle und fast schreiende Stimme seiner Schwester nervte Taichi ungemein. „Jetzt quatsch mich doch nicht voll! Ich bin erwachsen, du sollst mir einfach nur ein paar Klamotten vorbei schicken!“ „Das dauert doch aber mindestens drei Tage! Was willst du bis dahin machen?“ „Schon mal was von Over – Night - Express gehört?“ brummte er und legte sich auf sein Futon. „Du bist so dämlich. Was läuft denn da zwischen dir und Mimi?“ „Ach lass mich doch damit in Ruhe! Schick mir jetzt meine Klamotten und geh mir nicht auf den Nerv!“ damit legte er wütend sein Telefon auf. Seine kleine Schwester führte sich in letzter Zeit vermehrt wie seine Mutter auf. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie bald selbst eine Mutter sein würde. Mittlerweile schien es später Nachmittag zu sein, denn die Sonne senkte sich langsam am Horizont und schien nicht mehr so kräftig ins Zimmer wie zuvor. Taichi erhob sich von seinem Bett und stellte sich ans geöffnete Fenster. Der Ozean schimmerte in allen Farben und einige Möwen zogen kreischend ihre Kreise über dem Wasser. Ein Lächeln schob sich über sein Gesicht. Soeben hatte er beschlossen, dass er heute definitiv noch schwimmen gehen würde. Mimi stand gerade in der Küche und suchte einige Zutaten zusammen, damit sie etwas zum Abendessen zubereiten konnte. Irgendwie schien sie jedoch ratlos und überfordert zu sein. Als Taichi nach unten kam, wechselte er wenige Worte mit ihrer Großmutter und ging dann ebenfalls in die Küche. Mit einem spitzbübischen Grinsen im Gesicht, beobachtete er die nervöse junge Frau, wie sie versuchte die Zubereitungshinweise auf den einzelnen Verpackungen zu lesen. „Jetzt sag mir nicht, dass wir die Kanji nochmal miteinander üben müssen. Ist das etwa zu schwierig für meine amerikanische Freundin?“ Genervt stöhnte sie und warf ihm die Packung Reis entgegen, die Tai aber ohne größere Mühe sofort auffing „Nein, dass schafft deine amerikanische Freundin gerade noch so, die japanischen Schriftzeichen zu lesen. Vielmehr fragt sie sich, wie sie einen ganzen Fisch zubereiten soll!“ „Ich verstehe deine Frage nicht.“ „Ich kann doch nicht den gesamten Fisch braten. Was ist denn mit dem Inneren des Fisches?“ „Das musst du rausholen...“ Der Ekel war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, als sie seine Antwort vernahm. Taichi musste lachen und kam zu ihr rüber. „Na komm schon Prinzessin, der Fisch muss ausgenommen werden.“ „Können wir nicht einfach Reis essen? Den kann ich kochen.“ „Erzähl doch keine Märchen, du lässt bestimmt selbst das Wasser anbrennen!“ „Wie bitte?“ Mimi nahm den rohen Fisch und wollte damit gegen Taichis Oberarm schlagen. Dieser wich ihr aus und drehte sie gekonnt um. Er drückte sie an sich und wehrlos presste sie ihren Rücken gegen seine Brust. Beide Arme hielt er umschlossen und legte den Fisch wieder auf dem Teller ab. „Aber, aber! Mit Essen spielt man nicht.“ sagte er lachend. Kichernd versuchte sich Mimi aus seinem Griff zu lösen, doch Taichi hielt sie fest und fing zusätzlich auch noch an, sie in die Seite zu kneifen. „Wenn du aufhörst mich zu kitzeln, dann mache ich dir auch einen Pudding zum Nachtisch....“ sagte sie keuchend. Ihr Bauch tat bereits vom Lachen weh und sie hatte keine Kraft mehr sich gegen seine Attacken zu wehren. Umgehend lies er sie los und sah sie mit riesigen Knopfaugen an. „Das ist fair. Ich freue mich schon auf meinen Nachtisch!“ Sie nickte stumm und machte sich ans Werk ein Abendessen zuzubereiten. Er ließ sie alleine in der Küche zurück und ging zu ihrer Großmutter. Er fragte, wo er den Ginkgo Baum pflanzen sollte und die älter Dame bat ihn darum, sie zum Garten zu begleiten. Im Moment war sie wirklich schwach und konnte nicht alleine laufen. Dennoch wollte sich nicht, dass Taichi sie im Rollstuhl schob. Sie packte seinen Arm und stützte sich auf ihm ab. Sofort griff der junge Mann nach ihr und stützte sie zusätzlich. Gemeinsam gingen sie nach draußen und Kimiko zeigte dem jungen Begleiter ihrer Enkelin, wo er den Baum pflanzen sollte. Taichi half ihr dabei, sich im Garten auf die Bank zusetzen. Zufrieden lächelte sie ihn an und schloss ihre Augen. Die Vögel sangen und vom Meer wehte eine sanfte Brise. Nachdenklich betrachtete er die ältere Dame, als er das Loch für den Baum grub. Was war eigentlich mit Mimis Großvater? Ihm wurde bewusst, dass er viele Einzelheiten aus ihrem Leben überhaupt nicht kannte. Eigentlich waren es nur oberflächliche und unbedeutende Fakten, die Mimi von sich preisgab. Als der kleine Zögling in der Erde verschwunden war, hatte sich die Sonne beinahe vollständig hinter dem Horizont verabschiedet. Vorsichtig brachte Taichi die Hausherrin wieder zurück. Eigentlich gab es ein großes Esszimmer, doch Kimiko konnte nicht mehr auf dem Boden sitzen und daher hatte Mimi den Wohnzimmertisch gedeckt. So konnte ihre Großmutter, während des Essens, in ihrem Sessel sitzen bleiben. „Itadaki-masu!“ sagte Mimi fröhlich und hoffte, dass den anderen Beiden ihr zubereitetes Mahl schmecken würde. Taichi betrachtete seinen Portion misstrauisch und schob zunächst den etwas zu dunkel gebratenen Fisch zur Seite. Zunächst probierte er den Reis, welcher gewöhnlich schmeckte und somit genießbar war. Als nächstes schob er sich ein Stück Fisch in den Mund. Es schmeckte bitter und sauer zugleich. Sofort griff er nach seinem Getränk und nahm einen riesigen Schluck. Doch noch ehe er hätte etwas sagen können, sprach Kimiko das aus, was er dachte. „Mimi, das schmeckt fürchterlich! Was hast du denn mit dem Fisch angestellt? Hast du den in Essig gebraten?“ Verwundert probierte die junge Frau selbst ein Stück und spuckte es gleich wieder aus. „Nein. Es müsste eigentlich Soja Sauce sein und kein Essig...“ Taichi fing an, über beide Ohren zu grinsen. „Du hast die Zeichen für Soja Sauce und Essig verwechselt...stimmt's?“ Mimi sah ihren Freund errötend an. „Natürlich nicht. Außerdem ist Essig doch nicht braun!“ Kimiko fing ebenso an zu lachen. „Nun mein Essig ist aber in einer braunen Flasche, mein Liebes. Du hast tatsächlich die Schriftzeichen verwechselt. Es wird Zeit, dass du wieder in deinem Heimatland lebst und unsere Schrift übst...“ Nun konnte Taichi wirklich nicht mehr an sich halten. Es brach einfach aus ihm heraus und er musste so herzlich lachen, wie er es schon lange nicht mehr getan hatte. Auch Kimiko konnte es sich nicht verkneifen, über das Missgeschick ihrer Enkelin zu kichern. Mimi hingegen stopfte sich beleidigt etwas Reis in den Mund und starrte wütend auf ihren Teller. Nach dem spärlichen Mahl räumte Mimi den Tisch ab. In der Küche feuerte sie die Teller wütend in die Spüle und entsorgte den misslungenen Fisch im Müll. Sie stützte sich auf der Küchentheke ab und kniff ihre Augen zusammen. Es ärgerte sie so unsäglich, dass sie bei dieser einfachen Aufgabe versagt hatte und sich alle lustig machten. Taichi betrat den Raum und stellte die Gläser neben ihr ab. Sofort bemerkte er ihre verkrampfte Körperhaltung und ging zu ihr. Als er sie berühren wollte, zog sie ihren Arm von ihm weg und drehte ihm wütend den Rücken zu. „Hey...komm schon, das war doch nicht böse gemeint.“ sagte er sanft und blieb hinter ihr stehen. „Ach lass mich in Ruhe...“ fauchte sie böse. Er holte tief Luft und ging näher auf sie zu. Langsam beugte er sich seitlich über ihre Schulter und wollte einen Blick auf ihr Gesicht erhaschen. Überrascht riss er seine dunkelbraunen Augen auf und sah sie an. Tränen liefen über ihre rosigen Wangen. Besorgt legte er beide Hände auf ihre Oberarme. „Das ist nicht schlimm. Das nächste Mal klappt es bestimmt...“ sagte er leise. Er konnte sich nicht erklären warum sie weinte und was hätte er jetzt auch sagen sollen? „Das ist es nicht...“ sagte sie schluchzend. „Warum weinst du dann?“ „Nichts funktioniert...ich bekomme nicht mal so eine Kleinigkeit hin.“ Mimi legte ihre Hände vor ihr Gesicht und schluchzte unaufhörlich. „Es geht überhaupt nicht um den Fisch, stimmt's?“ Als Antwort bekam er nur ein stummes Nicken von ihr. Er hatte plötzlich wirklich Mitleid mit ihr. Sie musste sich unglaublich alleine und verloren fühlen. Ohne Halt und ohne Ort an den sie zurückkehren konnte. Er vermochte es sich nicht vorzustellen, wie es wohl wäre, wenn er seine liebende Familie und seine zumeist nervtötende Schwester nicht mehr hätte. Auf einmal drehte Taichi sie sanft zu sich um und nahm Mimi in seine Arme. Er drückte ihren Kopf an seine Brust und spürte, wie sich die junge Frau nicht dagegen wehrte. Ihre Hände glitten auf seine Brust und verkrampften sich im Stoff seines Hemdes. Ihr Gesicht presste Mimi fest gegen ihn. Für einen kurzen Moment ließ sie ihre schützende Fassade fallen und zeigte ihre Verletzbarkeit. Sie suchte nach Trost und nahm diesen gerne von ihm an. Seine große Hand legte er schützend auf ihren Haarschopf und fuhr mit seinen Fingern durch ihr Haar. Er kannte diesen süßlichen Duft von ihr nur zu gut. Er hatte sich so lange danach gesehnt, sie endlich wieder in seinen Armen zu halten. Sofort machte er seine Augen zu und konzentrierte sich auf diesen Moment mit ihr. Schweigend standen beide, liebevoll ineinander verschlungen, in der Küche und genossen diesen kurzen Moment von Zärtlichkeit. Irgendwann konnte Taichi kein Schluchzen mehr hören. Somit öffnete er seine Augen und blickte nach unten. Noch immer hielt er diese wundervolle Frau in seinen Armen. Mimi hatte sich beruhigt, schmiegte sich aber dennoch an seine Brust. Sachte legte er seine Finger um ihr Kinn und drückte ihren Kopf vorsichtig nach oben. Mit einem einfühlsamen Lächeln blickte er in ihre tränenschweren Augen. Sein Daumen wischte ihr die restlichen Spuren der Tränen weg. Beide Hände legte er an ihre Wange. Schüchtern sah Mimi ihren Gegenüber an und wusste nicht so recht, was nun geschehen würde. Taichi beugte sich zu ihr nach unten und machte seine Augen zu. In diesem Moment fing ihr Herz an zu rasen. Wollte er sie jetzt etwa küssen? Unfähig etwas zu tun starrte sie einfach in sein Gesicht. Nervös kniff sie ihre noch immer feuchten Augenlider zusammen. Auf einmal spürte sie etwas warmes auf ihrer Stirn. Als sie erstaunt ihre Augen öffnete, erkannte sie, dass Taichi sie sanft auf ihre Stirn küsste. Erleichtert glitten ihre Hände von seiner Brust hinab und es schien, als würde ebenso ihre gesamte Anspannung abfallen. Langsam löste er sich von ihr und sah sie fragend an. „Es geht schon wieder...geh nur. Ich schaffe den Rest in der Küche alleine.“ sagte sie leise und zog ihre Hände schützend an ihre Brust. Sie wollte nicht weiter darüber sprechen, was gerade geschehen oder eben nicht geschehen war. Zaghaft lächelte sie ihn an und trat ein paar Schritte zurück. Taichi nickte stumm und warf ihr einen letzten besorgten Blick zu. Doch dann verließ er schließlich die Küche und ging nach draußen. Er benötigte dringend frische Luft und musste erst einmal wieder einen klaren Kopf bekommen. Mit beiden Händen in den Taschen lief er den schmalen Holzsteg entlang und erreichte nach kurzer Zeit die Dünen. Dahinter erstreckte sich der endlose Ozean. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages verschwanden hinter der unendlichen Linie des Horizonts und ließen das dunkle Blau der Nacht aufsteigen. Der junge Mann setzte sich auf die Düne und ließ seine Beine nach unten hängen. Der Wind fuhr ihm durchs Haar. Beinahe hätte er sie geküsst. Um Haaresbreite hätte er sich und seine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Taichi konnte es keine einzige Sekunde ertragen, sie derart leiden zu sehen. Ihr verweintes Gesicht und das hilflose Schluchzen in seinen Armen. All das kannte er von ihr und doch erschütterte es ihn jedes Mal aufs Neue. Verzweifelt schüttelte er seinen Kopf. Trotz aller Hoffnung, die neu in ihm aufflammte, wusste er, dass er ihr zu viel Leid zugefügt hatte. Seine Brust schmerzte und es schien, als würde ihm etwas den Hals zuschnüren. Taichi zog seine Beine fest an seinen Körper und legte seinen Kopf auf die Knie. Was sollte er nur tun? Warum konnte er nicht ehrlich zu sich selbst sein? Warum gelang es nicht, dass sie zueinander fanden? Über all die Jahre hatte er gehofft und gewartet, dass es irgendwann einen Zeitpunkt geben könnte, an dem er stark genug wäre, ihr alles zu gestehen. Einen Zeitpunkt in seinem Leben, an dem er den Mut aufbringen würde, seine Vergangenheit ein für alle Mal hinter sich zu lassen und mit ihr neu anzufangen. Hoffnung war etwas grausames. Wie eine winzige Flamme konnte sie den dunkelsten Ort erleuchten aber ebenso im Bruchteil einer Sekunde, durch den schwächsten Windhauch sofort erlöschen. „Eines Tages wird alles gut sein, das ist unsere Hoffnung. Heute ist alles in Ordnung, das ist unsere Illusion.“ Erschrocken drehte sich Taichi nach hinten und erkannte die weichen Gesichtszüge seiner Freundin. Sie setzte sich neben ihn und hatte ein kleines Bündel in ihren Händen. „Zumindest hat das einmal der große Philosoph Voltaire behauptet...“ Sie packte das kleine Bündel auf ihren Schoß und sah auf den Ozean hinaus. Noch immer starrte er sie verwundert an. „Viele Dinge die in meinem Leben geschehen sind, kann ich nicht verstehen. Viele Entscheidungen die ich getroffen habe bereue ich zutiefst und manchmal ist der Schmerz über den Verlust von dem, was mir am meisten bedeutet, kaum auszuhalten. Doch dann gibt es diese winzige Hoffnung in meinem Herzen, dass ich morgen aufwache und alles ist in Ordnung.“ Sie legte ihr langes braunes Haar über ihre rechte Schulter und sah weiterhin aufs Wasser hinaus. „Es ist sehr lange her, da habe ich mit meinem Vater an diesem Strand gespielt. Ich kann bis Heute nicht verstehen, warum er den Kontakt zu meiner Familie abgebrochen hat. Ich habe meinen Vater vergöttert und hielt mich natürlich daran, wenn er mir sagte, ich soll nicht mehr hierher kommen. Geld und Macht haben ihn verändert. Ich weiß nicht wann er aufgehört hat mein Vater zu sein oder ob ich aufgehört habe die Tochter zu sein, die er sich wünschte. Was bleibt mir anderes übrig als jeden Tag zu hoffen, dass es wieder so sein könnte wie früher?“ Taichi bewunderte ihre aufrichtigen Worte und konnte dennoch sehen, dass es ihr unglaublich schwer fiel die Fassung zu wahren. Auch er hatte unendlich lange gehofft und gewartet, dass sich dieses eine Mädchen, doch noch für ihn entscheiden könnte. Doch er hoffte vergebens und ließ stattdessen diejenige gehen, die ihm ihr Herz voller Hingabe geöffnet hatte. „Mimi, ich...“ doch sie unterbrach seinen Satz und reichte ihm das kleine Bündel von ihrem Schoß. „Ich habe dir einen Nachtisch versprochen. Es ist zwar kein Pudding, aber etwas, das ich wirklich zubereiten kann.“ Sie hielt ihm die flachen Pfannkuchen vor die Nase. „Original amerikanische Pancakes. Na los, iss schon!“ Erstaunt sah er auf das süße Gebäck, nahm sich einen aus ihrer Hand und biss davon ab. Genüsslich kaute er das Stück, bevor er es schließlich hinunter schluckte. Es schmeckte wirklich ausgezeichnet und Taichi aß brav den gesamten Pancake und sogar den zweiten auf. Es war dunkel geworden und die Sterne glänzten auf der unruhigen Wasseroberfläche des Meeres. Keine Vögel oder sonstige Geräusche waren zu hören. Es herrschte eine ungewohnte aber dennoch wundervolle Stille. Mimi hatte ihre Beine an sich heran gezogen und betrachtete mit einem sanften Lächeln den Mond. „Vielen Dank. Es war sehr lecker!“ sagte Taichi und reichte ihr das Taschentuch, indem die Pfannkuchen eingewickelt waren wieder zurück. Als Mimi es ihm abnehmen wollte, blickte sie auf seinen ausgestreckten rechten Arm. Sie nahm ihm das Taschentuch aus der Hand, legte aber gleichzeitig ihre andere Hand auf seinen Arm. Zart fuhren ihre Finger über die Tätowierung, welche seinen Unterarm schmückte. Er folgte ihrem Blick und sah traurig auf seinen Unterarm. Ihre Finger fuhren zunächst den Schriftzug ab und dann über die darunter versteckte Narbe. Sie konnte es nicht richtig lesen, da es spiegelverkehrt in seine Haut gestochen war. Mimi versuchte den Arm zu wenden, doch es gelang ihr nicht. Stattdessen stöhnte Taichi etwas, da sie ihm den Arm fast überdrehte. Mit einem Lächeln setzte er sich so hin, dass sich beide gegenüber saßen. So konnte Mimi sich mit dem Rücken zu ihm hinsetzen und seinen Arm genau betrachten. „Wie lange ist das jetzt her?“ fragte sie leise und fuhr weiterhin mit ihren kühlen Fingerspitzen über die grazilen Schriftzüge: »Life is Pain« Selbstverständlich kannte sie seine Tätowierung und wusste auch, was auf seinem Arm stand und dass er damit die riesige Narbe zu verbergen versuchte, die sein Motorradunfall hinterlassen hatte. „Im Oktober drei Jahre...“ sagte er matt und ballte seine Hand zur Faust. Mimi blickte seine Faust an und legte sofort ihre Hand darauf. Sanft öffnete sie seine Handfläche wieder und fuhr mit ihren Fingern zwischen seine. Noch immer war dieses Thema für ihn schmerzlich und Mimi hatte nicht bezwecken wollen, alte Wunden in ihm aufzureißen. Doch plötzlich drückte Taichi seinen Arm gegen Mimi. Noch immer blieben ihre Hände miteinander verflochten und er presste ihren femininen Körper gegen seine Brust. Sanft legte er sein Kinn auf ihre Schulter. Seine Hand zitterte und sein Herz schlug so fest, dass Mimi es an ihrem Rücken spüren konnte. Sanft legte sie ihre andere Hand an seinen Unterarm und atmete tief durch. Sie konnte nicht verstehen, warum er sie so fest an sich drückte, doch sie ließ es geschehen. Es war ein verregneter Oktoberabend vor drei Jahren, an dem Mimi sich von ihren Freunden verabschiedete, um nach ihrem Schulabschluss in die USA aufzubrechen. Nach einem langen und schmerzhaften Sommer hatte sie sich dazu entschlossen, den Mann den sie liebte aufzugeben und zu versuchen irgendwo neu anzufangen. Trotz ihrer wunderbaren gemeinsamen Nacht vor einem Jahr, gelang es Mimi nicht, dass Taichi sich von Sora löste. Immer wieder wies er sie ab und sagte ihr zu guter Letzt, dass er keine Beziehung mit ihr wolle, dass sie nur eine Freundin sei. An diesem Tag hatte sich Mimi dazu entschlossen, Japan und ihn zu verlassen. Sie konnte es nicht ertragen ihm dabei zuzusehen, wie er einer Erinnerung hinterher lief. Nächste Woche würde ihr Studium in Boston beginnen und die letzten Tage wollte sie mit ihren Freunden verbringen. Es war für sie eine große Enttäuschung, dass Taichi an keinem dieser Abende dabei war. Ihre Freunde boten ihr an, sie zum Flughafen zu begleiten, doch die junge Frau lehnte dankend ab. Sie wollte nicht, dass ihre Freunde sahen, wie sie vor Wut und Verzweiflung in Tränen ausbrach. Wut darüber, dass er nicht hier war und Verzweiflung weil er sie einfach gehen ließ. Nachdem sie mit dem Taxi abgefahren war, tauchte Taichi in der Wohnung seiner besten Freunde auf. Er war vom Regen völlig durchnässt und außer Atem. Völlig außer sich wollte er wissen, ob Mimi noch da war. Sora versuchte ihm zu erklären, dass sie bereits vor einer halben Stunde mit dem Taxi zum Flughafen gefahren sei. Ohne den Warnungen seiner Freunde jegliche Beachtung zu schenken, verschwand Taichi und machte sich in einem haarsträubenden Tempo mit seinem Motorrad auf den Weg zum Flughafen, in der Hoffnung sie doch noch einzuholen. Er hatte lange mit sich selbst gehadert und dann dazu entschlossen, dass er sie unmöglich gehen lassen konnte. Taichi hätte sie niemals abweisen sollen, denn sie war die eine besondere Person in seinem Leben. Doch an diesem Abend erreichte er sie nicht mehr. Aufgrund viel zu Hoher Geschwindigkeit, kam er auf regennasser Fahrbahn von der Straße ab und stieß mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammen. Es gelang zwar, trotz schwerster Verletzungen, sein Leben zu retten, doch aufgrund des erheblichen Schädel-Hirn-Traumas erlangte Taichi sein Bewusstsein nicht zurück. Er lag bereits zwei Wochen im Koma, als Mimi Hals über Kopf aus den USA anreiste. Sora und Yamato hatten sie erst spät darüber informiert, da sie nicht wollten, dass sich ihre sensible Freundin Vorwürfe wegen des Unfalls machte. Mehre Tage und Nächte brachte sie an seinem Bett zu. Mimi hielt durchweg seine Hand. Sie weinte, schimpfte, schrie und fluchte an seinem Bett. Doch nichts schien ihn zurück zu holen. Schließlich fassten Hikari, Yamato und Sora den Entschluss, dass Sora versuchen sollte, sein Bewusstsein durch einen Kuss zu erreichen. Die Ärzte hätten wohl gesagt, dass zumeist die Personen den Patienten erreichen, die ihm sehr viel bedeuten. Für Mimi war es damals ein Schlag ins Gesicht und als ihre rothaarige Freundin das Zimmer von Taichi betrat, hielt sie es nicht länger aus. Unter einem fadenscheinigen Vorwand verabschiedete sie sich von ihren Freunden und reiste sofort ab. Heute hätte Mimi nicht mehr sagen können wie viele Wochen sie jede Nacht weinte, als sie am Flughafen die Nachricht von Yamato erhielt, dass er noch am selben Abend aufgewacht sei. Jetzt saß sie hier mit ihm am Strand und diese große Narbe sowie die darüber liegende Tätowierung waren alles, was an diesen schrecklichen Unfall erinnerten. Noch immer drückte er sie fest an sich und Mimi spürte, wie diese längst vergessen geglaubte Wut in ihr aufstieg. Ihre Fingerspitzen bohrten sich in sein Fleisch und ihre Augen wurden gläsern. Noch immer konnte sie es ihm nicht verziehen. Es hatte sie so sehr verletzt. „Ich muss dir etwas sagen...“ murmelte er mit schwacher Stimme und spürte, wie angespannt ihr Körper plötzlich wurde. „Ich will nichts mehr davon hören. Es ist drei Jahre her....lass es gut sein.“ sagte sie matt und wollte sich aus seiner Umarmung lösen. Aber Taichi hielt sie fest und drückte sie an sich heran. „Warum bist du auf einmal so wütend?“ fragte er ebenso zornig über ihren Tonfall. „Du bist mir deswegen nichts schuldig. Wir waren kein Paar und sie hat dich geküsst, damit du aufwachst. Es ist vorbei und kein Thema mehr. Bitte fang nicht davon an.“ „Was? Wen soll ich geküsst haben? Wovon sprichst du denn überhaupt?“ Sie konnte es kaum ertragen diese Erinnerungen erneut zu durchleben und jetzt stellte er sich so dämlich an. Wütend rammte sie ihm ihren Ellenbogen in den Bauch und stieß seinen Arm von sich weg. Mimi rutschte die Düne hinab und lief aufgebracht zum Wasser. Umgehend stand er auf und folgte ihr. „Bleib stehen und sag mir wovon du sprichst!“ rief er und packte ihr Handgelenk. Als sie sich erschrocken umdrehte und ihn mit angstverzerrten Augen anstarrte, ließ er sie sofort los. Offenbar hatte sein fester Händedruck die junge Frau an den Abend im Restaurant erinnert. „Bitte entschuldige...ich wollte dir nicht wehtun.“ „Zu spät...“ flüsterte sie und schlang ihre Arme um sich. „Aber Mimi...bitte sag mir doch, was du meinst. Welcher Kuss soll mich aufgeweckt haben?“ „Der von Sora.“ Taichi schwieg und betrachtete ihr Gesicht. Er atmete tief durch und nahm all seinen Mut zusammen. Langsam verstand er nämlich warum Mimi so verletzt war. „Auf dem Weg zum Flughafen, hatte ich die ganze Zeit überlegt, was ich dir wohl sagen könnte, damit du nicht gehst. Ich wusste, dass ich bereits zu viele der falschen Worte gesagt hatte. In meiner eigenen Unsicherheit habe ich dich gekränkt. Ich hatte so große Angst, dich für immer zu verlieren und dabei wollte ich dich niemals missen in meinem Leben. Dieser Unfall ist geschehen, weil ich achtlos gewesen bin. Dich trifft daran keine Schuld.“ Er sah wie sich ihre Mimik weiter verfinsterte und sie ihn nicht mehr ansehen konnte. „Doch was auch immer du denkst, mich hat keine Prinzessin aus dem Schlaf wach geküsst. So etwas ist niemals passiert.“ Taichi legte seine Hand auf ihre und versuchte sie zu umfassen, doch Mimi weigerte sich. „Ich bin aufgewacht, weil du da gewesen. Drei Tage und drei Nächte bist du bei mir gewesen. Ich kann mich an jedes einzelne Wort erinnern, das du mir entgegen geschrien hast. An jede deiner Tränen, die auf meine Hände tropfte. Doch ich konnte mich nicht bewegen, dir nichts sagen. Es war, als wäre ich gefangen in meinem eigenen Körper. Ich habe aus deinem Munde gehört, wie sehr ich dir wehgetan habe. Was du dir für Vorwürfe gemacht hast und wie groß deine Sorgen um mich waren. Ich habe auch gehört, dass du mich nicht verlieren wolltest.“ Mimi wurde feuerrot als sie seine Worte hörte. Wie konnte er das all die Jahre für sich behalten, dass er ihren Besuch mitbekommen hatte? Wütend holte sie aus und verpasste ihm eine Ohrfeige. „Du bist so gemein...“ flüsterte sie und sah ihn verächtlich an. „Hat es dir gefallen mich so zu sehen? Hast du es genossen, dass ich mich quälte?“ Wütend fixierte er sie und ging näher auf sie zu. „Ich dachte du hättest mich verlassen. Als ich aufwachte warst nicht du es, die an meinem Bett saß. Niemand hat mich geküsst, damit ich aufwache. Du hast mich aufwachen lassen. Deine aufrichtigen Worte waren es, die mich zurück ins Leben holten.“ In diesem Moment entglitten ihr sämtliche Gesichtszüge. Fassungslos starrte sie ihren Gegenüber an und konnte nicht glauben, was er da sagte. Noch bevor sie sich regen oder etwas sagen konnte, packte Taichi ihre Schultern und zog sie zu sich. Er beugte sich zu ihr und legte seine rechte Hand an ihre Wange. Er schloss seine Augen und sog den süßlichen Duft ihrer Haare in sich auf. Automatisch stellte sich Mimi auf ihre Zehenspitzen und kam ihm etwas entgegen. Im Schein des Mondes geschah es letztlich. Sanft legte er seine Lippen auf ihre. Zunächst sträubte sie sich und drückte ihre Hände gegen seine Brust. Doch als er mit seiner Hand über ihren Rücken strich, brach ihr Schutzwall zusammen. Sehnsüchtig legte sie ihre Arme um seinen Nacken und schmiegte sich an ihn. Mimi ließ seine Zunge gewähren. Zärtlich umspielte er die ihre. Genüsslich schloss sie ihre Augen und erwiderte seinen Kuss. Als sie sich langsam von ihm löste, blickte er sie enttäuscht an. Mit einem zarten Lächeln zog sich Mimi ihr Kleid über den Kopf. Verdutzt starrte er sie an, wie sie in Unterwäsche vor ihm stand. „In Ordnung!“ sagte er freudig und zog sich ebenfalls seine Schuhe und die Hose aus. Grinsend stupste sie ihm gegen die Brust. „Nicht das, was du willst du perverser Kerl! Lass uns ins Wasser gehen...“ „Auch dort können wir miteinander...“ Taichi konnte seinen unverschämten Satz nicht beenden, da er sich vor ihrem Schuh ducken musste. Er knöpfte sein Hemd auf und folgte ihr ins Wasser. Die Wellen waren seicht und gleichmäßig. Der salzige Geschmack des Meeres lag überall in der Luft. Mimi lief vor ihm und genüsslich betrachtete er ihren schmalen Rücken. Ihr Körper hatte sich seit dem letzten Mal nicht verändert. Als sie sich umdrehte, bemerkte Taichi plötzlich, dass er errötete. Die junge Frau griff nach seiner Hand und zog ihn zu sich. Sie legte beide Arme um seinen Nacken und schlang ihre Beine um ihn. Schweigend legte sie ihren Kopf auf seine Brust und kuschelte sich an ihn. Liebevoll legte er seine Arme um ihren Körper und drückte sie an sich. Gemeinsam trieben sie im Wasser ohne ein Wort zu sprechen. Es schien, als würden ihre Herzen im gleichen Rhythmus schlagen. Mimi löste ihren Kopf von seiner Brust und blickte zu ihm rauf. Im Schein des Mondes wirkten seine Augen fast schwarz. Sie lächelte sanft und strich ihm wenige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Mit ihrem Daumen fuhr sie über die kleine Narbe an seiner Unterlippe. Sie hatte diese bereits in ihrem vorhergehenden Kuss gespürt. Mimi wusste genau, um welche Verletzung es sich dabei handelte. Kurz dachte sie an diesen schrecklichen Abend vor einem Jahr zurück, doch dann richtete sich ihr Blick wieder auf seine wundervollen Augen. „Die größten Menschen sind jene, die anderen Hoffnung geben können...“ Dankbar für ihr Kompliment lächelte er sie ebenso an und zog mit seiner Hand ihr Kinn dichter zu sich, damit er seine Lippen erneut mit ihren versiegeln konnte. Zärtlich küssten sie sich, umgeben vom beständigen Schaukeln der Wellen und im silbernen Glanz des Mondes, in ihren Herzen die aufkeimende Hoffnung tragend, einen neuen gemeinsamen Weg miteinander zu finden. Kapitel 4: Die Tage mit dir - Teil I: Annäherung ------------------------------------------------ 29. Juni 2015, Tateyama, Präfektur Chiba Mittlerweile war es weit nach Mitternacht, aber dennoch herrschte draußen eine unsägliche Hitze. Mimi und Taichi schlichen sich gerade kichernd durch das Wohnzimmer. Beide begaben sich, in ihrer durchnässten Unterwäsche, in das große Badezimmer. Tai warf die Kleidung der beiden achtlos auf den Fußboden und musste immer wieder kichern. Auch Mimi schloss mit einem unterdrückten Lachen die Badezimmertür hinter sich. „Ich habe den Sand überall!“ flüsterte Taichi und setzte sich auf den Rand der Badewanne. Mimi ging an den Badezimmerschrank und reichte ihrem Freund eine neue und noch verpackte Zahnbürste. Grinsend öffnete sie ihren kleinen Kulturbeutel und suchte sich ihre eigene Zahnbürste heraus. „Hör auf damit. Ich komme mir vor wie ein Teenager...“ flüsterte sie ebenfalls und steckte sich ihre Zahnbürste in den Mund. „Wieso?“ entgegnete Taichi und öffnete die Verpackung. „Wir haben jetzt zwei Stunden im Wasser geknutscht und danach sind wir über den Strand gerannt und haben uns mit Sand beworfen. Findest du das altersentsprechend?“ Er lachte und beobachtete Mimi, die vorm Waschbecken stand und sich geduldig ihre Zähne putzte. Ihre schwarze Unterwäsche klebte an ihrer nassen Haut. Ihr Körper war wirklich wundervoll und er konnte nicht verbergen, dass er sie überaus attraktiv fand. „Ja klar ist das altersentsprechend. Wir sind über 20 und nicht tot!“ Erneut brachte er sie zum lächeln. An diesem Abend wollten beide keine weitere Unruhe stiften und schlichen sich leise nach oben. Mimi öffnete sachte die Schiebetür zum Schlafzimmer ihrer Großmutter. Bevor Mimi zum Strand gegangen war, hatte sie ihre Großmutter ins Bett gebracht. Die junge Frau erkannte, dass die ältere Dame schlafend in ihrem Bett lag und gleichmäßig atmete. Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck schob Mimi die Tür wieder zu. Taichi war unterdessen bereits in sein Zimmer gegangen und hatte sich auf sein vorübergehendes Bett gesetzt. Müde fuhr er sich durchs Haar. Mimi kniete sich vor die Tür, betrat sein Zimmer jedoch nicht und lächelte ihn stattdessen an. „Gute Nacht.“ murmelte sie leise. Verwundert sah er sie an und kroch die wenigen Zentimeter zu ihr. „Willst du mir etwa keine Gesellschaft leisten?“ fragte er mit einem frechen Grinsen und packte sie an ihrer Hüfte. Sanft zog er sie zu sich und legte seine Lippen auf ihren Hals. Genüsslich schloss die junge Frau ihre Augen und seufzte unter seinen Liebkosungen auf. Auch wenn sie es genoss, drückten ihre Hände ihn dennoch sachte von sich weg. „Nein, du wirst dir wohl selbst Gesellschaft leisten müssen...“ sagte sie kess und schubste ihn etwas nach hinten, als er sie erneut küssen wollte. „Nachdem du mich so verrückt gemacht hast, werde ich mir wohl tatsächlich selbst Gesellschaft leisten müssen...“ Seine zweideutige Anspielung brachte ihm einen Klaps gegen die Stirn ein. Doch dann hauchte sie ihm einen sanften Kuss auf die Wange. Ohne ein weiteres Wort begab sich Mimi in ihr eigenes Zimmer. Der junge Mann sah ihr noch einen kurzen Moment lächelnd nach, begab sich dann jedoch auch in sein Bett. Der neue Tag brach sehr schnell heran und Mimi schlug ihre braunen Augen erschöpft auf. Das permanente Geräusch eines aufschlagenden Balls hatte sie geweckte. Noch immer lag sie in Unterwäsche in ihrem Bett. Als sie das dünne Laken zur Seite schlug fiel ihr wieder ein, was gestern Abend geschehen war. Mit einem glücklichen Lächeln fuhr sie sich durchs lange Haar und erhob sich. Verträumt stellte sie sich vor ihr geöffnetes Fenster und blickte nach draußen. Der strahlend blaue Ozean erstreckte sich vor ihrem Fenster. Der Himmel war jedoch mit dicken Regenwolken verhangen. Offenbar hatte es die gesamte Nacht geregnet. Die Regenzeit war noch nicht vorüber und die Luft draußen war stickig und feucht. Sie beugte sich etwas aus dem Fenster, damit sie auf die Straße sehen konnte. Der brünette zerzauste Kindskopf spielte mit einem Fußball auf der Straße und kickte diesen immer wieder in die Luft. Sie konnte kaum glauben, dass ihr Begleiter bereits wach war. Mimi schloss das Fenster, damit die Hitze des aufsteigenden Tages nicht ins Haus zog. Bevor sie sich ins Badezimmer begab, sah sie nach ihrer Großmutter und stellte fest, dass diese noch schlief. Somit konnte sie sich nach unten begeben und eine heiße Dusche genießen. Taichi wechselte zwischen seinem Fuß und seinem Knie, bis er schließlich den Fußball hoch in die Luft beförderte. „Guten Morgen du Störenfried. Wo hast du denn diesen Ball her?“ Erschrocken drehte sich Taichi um und der Fußball prallte direkt auf seinen Kopf. Stöhnend fuhr er sich, mit seinen Händen, über den Kopf. Die junge Frau musste über dieses Missgeschick lächeln und bewegte sich zu ihm rüber. „...konntest du nicht schlafen?“ fragte sie weiter und verschränkte ihre Arme hinter dem Rücken. „Guten Morgen meine Liebe. Ich habe ausgezeichnet geschlafen, doch der Postbote brachte mir bereits heute Morgen um 6 Uhr mein Paket. Ich wollte euch nicht wecken und bin deswegen so zeitig aufgestanden.“ Die junge Frau musterte ihren Freund von oben bis unten und stellte fest, dass er tatsächlich frische Kleidung trug. Eine kurze braune Stoffhose, die ihm bis zum Knie ging und ein schlichtes dunkelblaues Shirt. Offenbar hatte ihn das Päckchen seiner Schwester aus Tokyo erreicht. „Du hast mich dennoch aufgeweckt mit deinem Fußballspiel...“ Es war bewundernswert, dass er noch immer so begeistert vom Fußball war und wie ein kleiner Junge, morgens um sieben Uhr, auf der Straßen stehen und spielen konnte. „Der Ball lag am Strand. Offenbar haben ihn dort einige Kinder vergessen...“ sagte Tai und stellte seinen Fuß auf das runde Leder. „...es tut mir Leid, dass ich dich aufgeweckt habe.“ Mimi schüttelte ihren Kopf und machte sich auf den Weg nach drinnen. „Schon gut. Ich werde meiner Großmutter beim aufstehen helfen. Du könntest eventuell einen Tee für sie kochen.“ Taichi folgte ihr und ließ den Ball draußen liegen. Als sie vor ihm die Treppe hinaufschritt, blieb Tai stehen und musterte ihren Körper. Sie trug kurze blaue Hotpants und ein weißes Tanktop. Etwas betrübt starrte er ins Leere, denn er hatte keinen Gutenmorgenkuss von ihr bekommen. Der junge Mann goss heißes Wasser über den Tee und betrachtete den aufsteigenden Wasserdampf. Was war denn zwischen ihnen? Wie sollte es jetzt weiter gehen? War das gestern eine Ausnahme? Hatten sie einfach wie unreife Teenager am Strand rumgeknutscht und jetzt kehrten sie in ihre erwachsene Welt zurück? In diese Welt, in der sie kein Paar waren, sondern nur alte Freunde? Unzählige Gedanken schossen durch seinen Kopf und hielten ihn, die gesamte Nacht, vom schlafen ab. Sein Herzschlag kam überhaupt nicht zur Ruhe und er sah durchgehend ihr wunderschönes Gesicht vor sich. Vorsichtig begleitete Mimi ihre Großmutter die Treppe hinunter. Es war ihr nicht schwergefallen, ihrer Großmutter dabei zu helfen, aufzustehen und sich frisch zu machen. Glücklicherweise war Kimiko kein Pflegefall und konnte sich selbst waschen und anziehen. Das Laufen bereitete ihr nur einige Probleme und das heiße Wetter strapazierte ihren Kreislauf ungemein. Die junge Frau half ihrer Großmutter in den Sessel und gab ihr ein Glas Wasser, welches Taichi bereits auf den Tisch gestellt hatte. Mimi war über die Aufmerksamkeit ihres Begleiters positiv überrascht und ging zu ihm in die Küche. Erstaunt weiteten sich ihre Augen als sie bemerkte, dass ihr Freund bereits ein ganzes Frühstück zubereitet hatte. Er legte gerade ein gebratenes Omelett auf den letzten Teller und sah zu ihr rüber. „Trägst du die Teller rüber? Ich komme gleich nach...“ sagte er sanft und räumte die schmutzige Bratpfanne in die Küchenspüle. Schweigend und noch immer völlig fassungslos über seine Kochkünste, tat Mimi das, was ihr aufgetragen wurde. Kimiko machte große Augen und freute sich über das leckere Frühstück. Mimi reichte ihr zusätzlich ihren Tee und setzte sich auf das Sofa. Sie wartete auf ihren Freund und blickte nachdenklich auf ihr gebratenes Ei. Taichi konnte wirklich sehr aufmerksam sein. Ein zartes Lächeln schob sich über ihre schmalen Lippen. Wie ein Wirbelwind nahm er neben ihr Platz und riss sie aus ihren Gedanken. „Itadaki-masu!“ sagte er und fing bereits an, seine Portion hungrig zu verdrücken. „Du bist wirklich unglaublich...vielen Dank.“ sagte sie leise und musterte ihren Freund. Nach dem Frühstück räumten beide Freunde den Tisch ab und Kimiko blieb in ihrem Sessel sitzen. Wie immer strickte sie etwas. Taichi wischte über den Wohnzimmertisch und betrachtete ihre geschickten Finger. „Was wird das?“ fragte er neugierig und blickte die ältere Dame neugierig an. Kimiko grinste und blickte über ihre schwarze Brille. „Das ist mein Geheimnis. Sei nicht so neugierig, das ist unhöflich.“ Der junge Mann errötet etwas und wollte sich gerade entschuldigen, als es an der Haustür klingelte. Mimi eilte aus der Küche heraus und öffnete dem vermeintlichen Gast die Tür. „Guten Morgen Frau Doktor. Mein Onkel hatte mir bereits gesagt, dass Sie heute kommen würden.“ Mimis Stimme klang ungewohnt förmlich und Taichi blickte neugierig um die Ecke. „Guten Morgen, ich bin Asuna Watanabe. Du musst die Enkeltochter sein. Du bist deiner Großmutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Als seist du ihre eigene Tochter.“ Mimi sah sie erstaunt an und begleitete sie ins Wohnzimmer. Taichi verstand diese merkwürdige Aussage der Ärztin nicht und musterte diese daher von oben bis unten. Sie war etwa zwischen 35 und 40 Jahren alt und trug ihr langes schwarzes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Ihre Kleidung war sportlich und in der Hand hatte sie eine typische Arzttasche. Sie begrüßte den jungen Mann höflich und fragte nach seinem Namen. Danach ging sie zu ihrer Patientin. Taichi blieb die gesamte Zeit im Hintergrund und wollte auf keinen Fall stören. Seine brünette Freundin folgte der Medizinerin und setzte sich auf das Sofa. „Wie geht es dir heute Kimiko?“ fragte sie und holte einige Utensilien aus ihrer Arzttasche heraus. Scheinbar war die ältere Dame genervt von dem Anlass ihres Besuchs, freute sich aber dennoch über die Anwesenheit von Asuna. „Mir geht es gut. Ich will nicht, dass ihr euch ständig so sehr um mich sorgt.“ „Verträgst du das Medikament jetzt besser?“ „Ach was auch immer...du gibst sowieso keine Ruhe. Was bleibt mir also übrig, als es zu nehmen?“ „Du möchtest keine erneute Chemotherapie, da bleibt mir nichts anderes übrig, als dich auf diese Weise zu therapieren.“ „Ich habe dir aber schon vor vier Jahren gesagt, dass ich das alles nicht mehr möchte...“ Kimiko drehte ihren Kopf wütend zur Seite und schloss ihre Augen. Mimi hörte den beiden Frauen aufmerksam zu und konnte nicht ganz verstehen, worum es eigentlich ging. Asuna drehte sich zu ihr um und lächelte sie zufrieden an. „Es ist verwunderlich, aber zunächst macht sie einen guten Eindruck. Natürlich muss ich das Blut noch ins Labor schicken um sicher zu sein, wie ihre derzeitigen Werte sind. Aber eure Anwesenheit scheint ihr gut zutun.“ Asuna erhob sich und streichelte ihrer Patienten liebevoll über die Schulter. „Ich werde deiner Enkeltochter die neue Packung geben. Sobald etwas sein sollte rufst du mich sofort an, hast du verstanden? Es freut mich, dass es dir besser geht. Deine Enkeltochter ist ein hübsches Ding. Ich werde dich jetzt wieder in Frieden lassen, wir sehen uns in zwei Tagen.“ Kimiko sagte kein Wort, aber dennoch konnte man ein dezentes Lächeln auf ihren Lippen erkennen. Mimi begleitete die Ärztin nach draußen. „Ist wirklich alles in Ordnung mit deiner Großmutter, oder ist dir etwas besorgniserregendes aufgefallen?“ fragte Asuna draußen nochmal nach. Mimi war vollkommen konfus und konnte diesen Blick auch nicht verbergen. „Ja, mit ihr ist soweit alles in Ordnung. Aber ich habe nicht verstanden, was sie gerade zu ihr sagten? Was hat sie denn überhaupt und warum lehnt sie eine umfangreiche Behandlung ab?“ Asuna stellte ihre Tasche ab und kramte eine Packung Zigaretten aus ihrer Hosentasche. Mit einem Seufzer schob sie sich eine in den Mund und zündete diese an. Nach ihrem ersten Zug lehnte sie sich gegen das Haus und blickte Mimi mit einem Lächeln an. „Deine Großmutter hat metastasierenden Lymphdrüsenkrebs. Die Erkrankung wurde im Jahr 2009, also vor sechs Jahren, festgestellt. Es gab mehrere Operationen, Chemotherapien und Bestrahlungen, weil es immer wieder dazu kam, dass andere Bereiche ihres lymphatischen Systems betroffen waren. Nach dem Tod deines Großvaters lehnte sie jedoch jegliche Form der Behandlung ab. Es schien, als hätte sie aufgegeben und wollte ihm folgen, doch irgendwas hält sie noch immer hier. Trotz ihrer überwiegend katastrophalen Werte, ist ihre gesundheitliche Verfassung immer noch relativ stabil.“ Asuna zog erneut an ihrer Zigarette und versuchte den verzweifelten Blick ihrer Gesprächspartnerin zu ignorieren. „Ich kenne deine Großmutter schon sehr lange und ich glaube, dass sie auf ein Wiedersehen mit dir gewartet hat. Du solltest die Zeit mit ihr genießen, denn keiner von uns vermag zu sagen, wieviel sie noch hat.“ Ihre Worte trafen Mimi wie ein Schlag ins Gesicht. Diese trockene und schonungslose Art ihr das zu sagen. Doch irgendwie war die junge Frau nicht wütend darüber, sie war dankbar für diese Ehrlichkeit. Kleine Tränen bildeten sich in ihren Augenwinkeln, doch Mimi ließ sie nicht über ihre Wange rollen. Mit einem freundlichen Lächeln bedankte sie sich bei der Ärztin. Denn sie wusste jetzt, dass sie die Fehler ihres Vaters vielleicht nicht bereinigen konnte, aber sie konnte hier sein. An der Seite ihrer Großmutter und sie bis zum Ende begleiten. Ein Stück des Weges mit ihr gehen und bei ihr sein, wenn es zu Ende gehen sollte. Vielleicht war es das, was sich ihre Großmutter wünschte, worauf sie schließlich solange wartete. Taichi hatte das Gespräch zwischen der Ärztin und seiner Freundin mit angehört. Ihm stockte der Atem. Zuletzt hörte er nur, dass das Auto losfuhr und Mimi weiterhin draußen stehen blieb. Der Himmel hatte sich bereits erneut zugezogen und es kündigte sich in der schwülen Hitze erneut Regen an. Große Tropfen prallten langsam zu Boden und Mimi stand noch immer draußen. Besorgt schritt Taichi ebenso auf die Straße, unfähig ein einziges Wort an sie zu richten. Die junge Frau stand mit ihrem Rücken zu ihm. Er konnte beobachten, wie ihre schmalen Hände sich zitternd zu Fäusten ballten. Nach und nach senkte sich ihr Kopf und Taichi war sich sicher, dass sie anfing zu weinen. „Warum ist er nicht hier? Wieso tut er das? Was muss nur geschehen, dass man seine eigene Mutter im Stich lässt?“ ihre Stimme durchdrang die Stille und klag schwach. Taichi wusste überhaupt nicht, was er darauf antworten sollte. Er konnte es auch nicht verstehen, wie ihr Vater seine eigene Tochter vor die Tür setzen und den Kontakt zur Herkunftsfamilie abbrechen konnte. Wohl wissend darüber, dass seine Mutter schwerkrank und der eigene Vater bereits verstorben war. Alles was er jetzt hätte sagen können, waren irgendwelche halbherzigen Standardsätze und das hatte Mimi wahrlich nicht verdient. „Lass uns sein Grab besuchen...“ dieser Satz kam ihm völlig unüberlegt über die Lippen und führte dazu, dass sich Mimi verwundert umdrehte und in Taichis Gesicht starrte. „...ich meine zum Grab deines Großvaters. Er wird dir deine Frage sicherlich nicht mehr beantworten können, aber manchmal hilft es schon, wenn man eine Frage aussprechen kann.“ Taichi bemerkte, dass seine Freundin überhaupt nicht weinte. Einzig die Tropfen des Regens liefen über ihr Gesicht und rollten an ihren langen Haarsträhnen hinab. Ein stummes Nicken beantwortete seine Frage. Sie zeigte ihm, dass im Schuppen ein altes klappriges Fahrrad stand. Langsam ließ auch der kleine Regenschauer endlich nach. Etwas misstrauisch, ob dieses Fahrrad die beiden tatsächlich tragen würde, stieg Taichi auf. Mimi setzte sich hinter ihn und hielt sich am Rahmen es Gepäckträgers fest. Zunächst fuhr der junge Mann sehr vorsichtig, da er die Befürchtung hatte, dass dieser alte Klapperkasten, jede Sekunde auseinander fallen könnte. Doch es stellte sich heraus, dass der erste Anschein täuschte. Ab und an warf er einen Blick hinter sich und versuchte Mimis Gesicht zu erkennen. Sie war absolut still und blickte sehr nachdenklich auf die vorbeiziehende Landschaft. „Hier müsste es sein...“ sagte sie nach einer ganzen Weile leise und zog an seinem Shirt, damit er anhielt. Taichi stieg vom Fahrrad ab und folgte seiner Freundin mit einem gewissen Abstand. Der junge Mann war verblüfft darüber, dass seine Freundin sich, trotz der vergangenen 15 Jahre, noch immer sehr gut auskannte und den Weg zum Friedhof ohne Probleme beschreiben konnte. Nach dem Grab ihres Großvaters mussten die beiden aber tatsächlich suchen, da Mimi es noch nie besucht hatte. Der bewaldete Platz war von einer halbhohen Mauer umgeben und wirklich klein. Es gab nicht allzu viele Grabstätten und somit gelang es schnell, das richtige ausfindig zu machen. Taichi betrachtete den einfachen Grabstein, an dessen Spitze sich verbrannte Räucherstäbchen befanden. Die Inschrift lautete: »Tachikawa, Ryoshi 1943-2011«. Als Tai das Datum las, musste er erschrocken zu seiner Freundin blicken, die neben ihm stand und ein paar neue Räucherstäbchen anzündete. In ihm wuchs ein bedrückender Gedanke und er konnte diesen nicht länger für sich behalten. „Wie ist dein Großvater gestorben?“ „Bei dem Tsunami 2011. Er war zu Besuch bei einem Freund in Sendai...sie waren zu der Zeit auf dem Meer beim Fischen...Man hat ihn erst Tage später gefunden.“ ihre brüchige Stimme brach ab. Mimi ging ehrerbietig in die Knie und legte ihre Hand auf den Grabstein. Ihm stockte der Atem. Das würde ja bedeuten, dass Mimi zu dieser Zeit sehr wohl in Japan lebte und somit ihre Familie nach dieser Katastrophe nicht besucht hatte. Sie war schließlich erst im Oktober 2012 zurück in die USA gegangen. Tai wurde plötzlich bewusst, wie groß ihre Schuldgefühle sein mussten. In einem Familienstreit, zerrissen zwischen den Fronten, wird sie seit dem immer daran gedacht haben, wie sie an diesem Tag nicht bei ihrer Großmutter sein konnte. Der junge Mann vermochte sich nur ansatzweise vorzustellen, wie verzweifelt sie damals gewesen sein musste und zu allem Überfluss kam hinzu, dass er sie in diesem Jahr ebenso schlecht behandelt hatte. Dabei hätte sie ihn dringend gebraucht. Mimi hatte diese Geschichte niemals erzählt. Taichi war sich sicher, dass niemand davon wusste. Warum hatte sie es all die Jahre für sich behalten und diese Bürde ganz alleine getragen? Sanft legte er seine Handfläche auf ihre Schulter, doch Mimi schob sie von sich weg. „Lass das! Dein Mitleid ändert jetzt auch nichts mehr daran...“ sagte sie leise und klang dabei ziemlich harsch. Erschrocken zog er seine Hand wieder zurück und blieb weiterhin stumm hinter ihr stehen. Das Schweigen zwischen den beiden kam ihm wie eine Ewigkeit vor, doch dann nahm er seinen Mut zusammen und versuchte seine Gedanken in Worte zu fassen. „Das Schwierigste ist sich selbst zu verzeihen. Aber ich glaube niemand ist dir wirklich böse gewesen. Alle haben dich herzlich empfangen und deine Großmutter ist überglücklich, dass du bei ihr bist.“ Ihre Stimme wurde zornig und die schmalen Finger ihrer Hand verkrampften sich auf der glatten Oberfläche des Steins. „Meine Großmutter hat vor langer Zeit ihren Lebenswillen verloren und alles nur, weil niemand von uns bei ihr war. Weil ich mich meinem Vater nicht widersetzen konnte und die richtige Entscheidung traf. Stattdessen ging ich den Weg des geringsten Widerstandes, so wie immer. Feige und schwach, in meinem Selbstmitleid zerfließend und hoffend, dass mich irgendjemand aus dieser Situation retten würde. Aber da war niemand...“ Taichi ging ebenfalls in die Knie und hockte sich neben sie. „Ich werde mir das niemals vergeben können und ich habe keine Kraft mehr darauf zu hoffen, dass mein Vater sich irgendwann ändern wird.“ Traurig musterten seine dunkelbraunen Augen, ihr vom Schmerz verzerrtes Gesicht. Die Weichheit ihrer bezaubernden Gesichtszüge schien plötzlich gänzlich verschwunden zu sein. Ihre Worte brachen ihm beinahe das Herz und Taichi wusste, dass er an ihrem gegenwärtigen Gefühlszustand nicht unschuldig gewesen ist. Denn er war derjenige, in dem sie damals eine Person zum anlehnen suchte. Er war es, von dem sie gerettet werden wollte. Doch Taichi wies sie immer wieder zurück. „Du darfst nicht aufhören zu hoffen, denn was passiert, wenn wir keine Hoffnung mehr haben?“ Er versuchte sie aufmunternd anzulächeln. Doch sie sah ihn nicht an. Starr blickte sie auf die schwarzen Schriftzüge des Grabsteins. „Wir werden realistisch und schlagen ungebremst auf dem Boden der Tatsachen auf. Hoffnung lässt uns langsam ausbluten, bis nichts mehr von uns übrig ist. Nichts, außer Schmerz und Leid.“ Für einen kurzen Moment musste der junge Mann über ihre erschreckend negativen Worte nachdenken. „Ich kann nicht glauben, dass ich solch bitteren Worte aus deinem Munde höre. Niemand kann so hart zuschlagen wie das Leben! Aber der Punkt ist doch einzig und allein, wie viele Schläge man einstecken kann und danach trotzdem weitermacht. Wenn wir aufhören zu hoffen, dann geben wir auf. Wir geben uns selbst und unsere Träume auf und ein Leben ohne Träume ist kein Leben.“ Jetzt packte er sie doch am Arm und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. Er wollte nicht, dass sie so finstere Gedanken in sich trug. Auch wenn sie die Vergangenheit nicht ändern konnten, so musste man stetes mit aller Kraft und Hoffnung nach vorne blicken, denn das Leben ging weiter. Mimi sah ihn wütend an und wollte, dass er sie losließ. Keine Träne verließ ihre leeren Augen, doch seine Worte berührten ihr Herz. Seine Gesichtszüge wurden eine Spur sanfter und er schenkte ihr ein mutiges Lächeln. Sie gab ihm keine Antwort, sondern erhob sich stattdessen. Gemeinsam gingen sie zurück zum Fahrrad und machten sich auf den Heimweg. Mimi hatte sich die gesamte Fahrt am Gepäckträger festgehalten, doch plötzlich bemerkte Taichi, dass sich ihre zarten Finger um seinen Bauch legten und sich an ihm festhielten. Verwunderte sah er über seine Schulter und bemerkte, dass sie ihren Kopf ebenso an seinen Rücken lehnte. Er sah wieder nach vorne und versuchte sich auf die Fahrt zu konzentrieren, doch als er bemerkte, dass nasse Tränen sein Shirt durchtränkten konnte er nicht anders als abrupt anzuhalten. Als der Fahrtwind nicht mehr in seinen Ohren rasselte, konnte er ihr verzweifeltes Schluchzen deutlich hören. Zunächst verharrte er in dieser Postion und stieg nicht ab, doch dann konnte er es nicht länger aushalten. Tai stieg ab und zog Mimi mit sich. Dabei kippte das klapprige Fahrrad um und fiel zu Boden. Beide standen sich gegenüber und er hielt ihre Arme fest. Sie hatte ihre Augen verkrampft geschlossen und versuchte gleichmäßig zu atmen, doch es gelang ihr nicht. Ihr gesamtes Gesicht war mit kleinen Bächlein aus Tränen überzogen. Er beugte sich etwas nach unten, damit er sie ansehen konnte, dabei streichelte er mit einer Hand über ihre Wange. „Mimi, verstehen können wir das Leben nur rückwärts, aber leben müssen wir es vorwärts. Nichts wird die Vergangenheit ändern, aber wir können unsere Zukunft ändern. Ich werde immer an deiner Seite sein.“ Langsam öffnete sie ihre Augen und als sich ihre Blicke trafen zog er sie fest zu sich und küsste sie. Beide Arme schlangen sich um ihren Körper und er drückte sie schützend an sich. Es fing an zu regnen, doch das interessierte ihn nicht. In diesem Moment wollte er sie einfach festhalten und ihr diese Last von den Schultern nehmen. Ihre Arme schoben sich unter seinen durch und vergruben ich in seinem Rücken. Zögerlich erwiderte sie seinen Kuss. Er konnte ihre Tränen schmecken und presste sie noch fester an sich. Offenbar konnte sie einfach nicht aufhören zu weinen. Besorgt löste er sich von ihren zitternden Lippen und sah ihr in die Augen. Mit Zeigefinger und Daumen drückte er ihr Kinn nach oben. „Was kann ich tun, damit du diese Last nicht mehr in deinem Herzen trägst?“ seine Frage klang sehr leise und einfühlsam. Sie sah ihn an und schenkte ihm ein schwaches Lächeln. Sanft fuhr ihre rechte Hand über seine Wange. Am liebsten hätte sie ihm ins Gesicht geschrien, dass er bei ihr bleiben, sie für immer festhalten und mehr als nur ein Freund für sie sein sollte. Doch die Vergangenheit hatte sie eines Besseren belehrt und so blieb Mimi stumm. „Du bist hier, das reicht mir.“ sagte sie schließlich und setzte sich wieder auf das Fahrrad. Unzufrieden über ihre Antwort blieb er stehen und bedauerte ein stückweit, dass sie sich aus seiner Umarmung gelöst hatte. Ihre Tränen waren getrocknet und die bedrohlich näher kommenden Wolken über ihnen, kündigten ein heftiges Unwetter an. Schweigend setzte er sich wieder auf das Fahrrad und fuhr zurück. Während der gesamten Fahrt hielt sich seine Freundin an ihm fest. Ihre warmen Händen ruhten auf seiner Brust und mit Sicherheit konnte sie seinen rasenden Herzschlag spüren. Taichi genoss dennoch diese zärtliche Berührung von ihr und versuchte so langsam wie möglich zurück zu fahren. Als sie am Haus ankamen, regnete es bereits in Strömen. Eilig rannte Mimi nach drinnen, während Taichi das Fahrrad unterstellte. Mimi zog sich ihre Schuhe aus und betrat das Wohnzimmer. Ihre Großmutter saß in ihrem Sessel und strickte immer noch fleißig. „Wir sind zurück....“ sagte sie und fuhr sich durchs nasse Haar. „Sehr schön. Habt ihr die Gegend erkundet?“ fragte sie und blickte ihre Enkelin an. Mimi nickte stumm und wollte ihrer Großmutter nicht erzählen, dass sie bei dem Grab ihres verstorbenen Ehemanns gewesen ist. Die junge Frau wollte keine alten Wunden aufreißen und sah sich momentan auch nicht dazu in der Lage, mit ihrer Großmutter über die Vergangenheit zu sprechen. „Hast du Hunger? Soll ich dir etwas zum Mittagessen kochen?“ „Mimi, ich bin kein kleines Kind. Du musst mich nicht umsorgen und bei dieser Hitze habe ich sowieso keinen Hunger.“ Grinsend stemmte die junge Frau ihre Hände in die Hüfte. „Ich weiß, dass du kein kleines Kind bist, sondern eine verdammt alte Schachtel und selbst die müssen etwas essen. Soll ich dir etwas Obst schneiden?“ Die ältere Dame blickte lachend über den Rand ihrer Brille. „Ich möchte keine Kerne in meiner Melone...“ Mimi kicherte, während sie in die Küche lief. Ihre Großmutter hatte nichts von ihrer sarkastischen Art und ihrem schwarzen Humor verloren. Irgendwie konnte Taichi nicht zurück ins Haus gehen. Er brauchte einige Zeit für sich und müsste über das, was gerade zwischen ihm und Mimi geschehen war nachdenken. Betrübt lief er zum Strand und betrachtete das Meer. Die Regentropfen peitschten über das Wasser und er selbst war mittlerweile vollkommen durchnässt. Warum hatte sie ihm damals nichts vom Tod ihres Großvaters erzählt? Vielleicht hätte er sich dann anders verhalten. Vielleicht wäre er dann nicht so dumm gewesen. Damals, nach dieser ersten gemeinsamen Nacht vor vier Jahren. Hand in Hand liefen beide nach Hause. Noch immer war es bedrückend heiß und die Sonne zeigte ihre Strahlen bereits am Horizont. Als sie an ihrer Haustür ankamen, nahm Taichi sie in den Arm und küsste ihre Stirn. „Vielen Dank Tachikawa....“ Sie strich ihm einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Vor wenigen Stunden lagen sie noch gemeinsam am Pool und genossen ihre Zweisamkeit, doch der Tag brach unaufhaltsam an und beide mussten in ihr eigentliches Leben zurückkehren. Noch immer stellte sich die Frage wie es nun zwischen ihnen weitergehen würde. „Vielen Dank fürs nach Hause bringen, Yagami.“ Er lachte und drückte ihren halbnackten Körper fest an sich. „Das letzte Mal haben wir uns in der Grundschule beim Nachnamen genannt...“ Mimi stellte sich auf ihre Zehenspitzen und legte ihre Lippen auf seine. Sofort stieg er auf ihren Kuss ein und stupste mit seiner Zunge die ihre fordernd an. Seine Hände schoben sich ihren Rücken hinauf und ruhten schließlich in ihrem Nacken. „Soll ich dich noch ins Bett bringen?“ fragte er grinsend und löste sich aus ihrem heißen Kuss. Mimi grinste unverschämt und schob ihn sachte von sich weg. „Ich danke dir für dieses beinahe unwiderstehliche Angebot, aber du solltest deinen Rausch ausschlafen. Außerdem wird meine Mutter nicht begeistert sein, wenn du betrunken durch unsere Wohnung schleichst.“ „Du bist achtzehn Jahre alt. Deine Mutter sollte sich damit anfreunden, dass du Männer mit nach Hause bringst.“ „Dass ich Männer mit nach Hause bringe, ist auch nicht das Problem. Wenn ich dich mit nach Hause bringe, dann wird es problematisch.“ sie grinste ihn frech an und beförderte ihren Schlüssel in das Schloss. Der junge Mann steckte ihren frechen Spruch mühelos weg und griff nochmal nach ihrem Arm. Begierig zog er sie zu sich und küsste sie erneut. Dieser Kuss war so leidenschaftlich, dass Mimi nichts anderes übrig blieb, als leise zu keuchen. Er raubte ihr förmlich den Atem und als er sich von ihr löste, blickte sie ihn beinahe vorwurfsvoll an. „Schlaf gut Prinzessin...“ sagte er und ließ von ihr ab. Für einen kurzen Moment blickte sie ihm nach, bevor sie schließlich doch das Haus betrat. Als Taichi endlich in seinem Bett landete, dauerte es eine Ewigkeit bis er endlich in den Schlaf fand. Ständig spürte er noch immer ihre Finger auf seiner Haut, ihre Lippen auf seinen, er roch ihren Duft an seinem Körper und schmeckte ihren süßen Geschmack. Doch als er am späten Nachmittag seinen Rausch ausgeschlafen hatte, traf ihn die Realität wie ein Schlag ins Gesicht. Völlig verkatert erhob er sich aus seinem Bett. Es fiel ihm schwer den vergangenen Abend zu rekonstruieren. Seine Schwester hämmerte zum dritten Mal gegen seine Tür und verstärkte seine Kopfschmerzen. „Lass mich in Ruhe!“ fauchte er wütend und setzte sich an seinen Schreibtisch. Stumm betrachtete er das Foto seiner rothaarigen Freundin, welches vor ihm stand. Zögerlich nahm er es in seine Hände. Plötzlich machte sich ein Gefühl von Übelkeit in ihm breit. Hatte er tatsächlich mit einem anderen Mädchen die letzte Nacht verbracht und war dieses Mädchen etwa Mimi? Tai winkelte seine Beine an und legte das Foto umgedreht auf seinem Schreibtisch nieder. Seine Gedanken kreisten um die letzten Stunden. Noch nie in seinem Leben, hatte eine Frau derart intensive Gefühle in ihm ausgelöst. Auch wenn er einiges an Alkohol intus hatte, so war er völlig zurechnungsfähig und hatte keineswegs vergessen, was zwischen ihm und seiner langjährigen Freundin geschehen war. Natürlich gab es in der Vergangenheit einige unbedeutende Frauen in seinem Leben, doch mit keiner war er soweit gegangen und hatte mit ihnen geschlafen. Er wollte keine dieser Frauen und Taichi war bis zum heutigen Tag der festen Überzeugung, dass es an seinen Gefühlen für Sora lag. „Verdammte Scheiße!“ keuchte er und schob mit seinem Fuß das Foto noch weiter von sich weg. Er wollte nicht fortwährend darüber nachdenken, was das zwischen ihm und Mimi zu bedeuten hatte. Auf keinen Fall wollte er die nächste Freundin in seinem Leben verlieren und erneut abserviert werden. Doch zum damaligen Zeitpunk, wollte Taichi genau das nicht wahrhaben und entschloss sich stattdessen dazu, seine Gefühle für Mimi zu verschließen. In diesem Sommer war die Schule endlich beendet und die letzten regulären Ferien standen an. Für Yamato, Sora und Taichi war es zunächst die letzte freie Zeit, bevor sie ihr Studium anfingen. Tagelang konnte niemand den brünetten Kindskopf erreichen. Er ging einfach nicht an sein Telefon und seine Schwester jagte er jedes Mal zum Teufel, wenn sie vor seiner Tür stand. Mimi selbst verbrachte die Tage damit, darüber nachzudenken, was sie falsch gemacht haben könnte. Sie machte sich wahnsinnige Sorgen um ihn und entschloss sich, nachdem vier Tage verstrichen waren, ihn einfach zu besuchen. Vorsichtig klopfte Hikari an die Tür ihres Bruders. „Tai, Mimi ist hier...sie wollte dich besuchen.“ Wütend warf er sein Buch gegen die Tür. „Ich bin nicht da und jetzt lass mich in Frieden!“ „Sie sitzt aber schon in der Küche. Was ist nur mit dir los? Bitte komm raus, wir machen uns alle Sorgen...“ Vollkommen erschüttert sprang Taichi aus seinem Bett auf. Hatte seine Schwester sie tatsächlich reingelassen? Was sollte das denn? Was sollte er jetzt zu Mimi sagen? Seitdem sie miteinander geschlafen hatten, hatten sie sich weder gesehen noch miteinander gesprochen. Er atmete tief durch und fuhr sich durch sein zerzaustes Haar. Plötzlich klopfte es erneut an seiner Zimmertür. „Verschwinde!“ schrie er. „Sag mir doch wenigstens, was ich falsch gemacht habe....“ die Stimme, die in seine Ohren drang war nicht die seiner Schwester. Sie klang zitternd und fast weinerlich. Offenbar stand Mimi vor seiner Tür. Er konnte nicht anders, langsam öffnete er seine Tür und blickte in ihre gläsernen Augen. Es fehlte nicht mehr viel und die Tränen würden über ihre Wangen laufen. Taichi schluckte hart und starrte sie wortlos an. Ihre nussbraunen Augen musterten ihn besorgt und sie trat in sein Zimmer ein. Leise schloss sie die Tür hinter sich. „Was ist mit dir? Geht's dir nicht gut?“ fragte sie leise und wollte ihm über die Wange streicheln, doch Taichi wich ihr sofort aus. Ihr Duft, ihre Finger, ihre Stimme, ihre Augen. Er konnte es kaum aushalten. Sie machte ihn wahnsinnig und sein Herz tat ihm so unendlich weh. „Mimi....“ seine Stimme klang rau und brüchig. „...das war eine einmalige Sache. Wir sind doch trotzdem noch Freunde oder?“ Für den Bruchteil einer Sekunde, hätte Taichi schwören können, dass ihr besorgter Blick aus ihrem puppengleichen Gesicht verschwand und sich ihre Augen erschrocken weiteten. Doch als sie ihm eine Antwort schenkte, lächelte sie ihn bereits frech an. „Selbstverständlich! Bilde dir mal nicht soviel drauf ein. Das war nur Sex, mehr nicht. Klar sind wir noch Freunde.“ Er erwiderte ihr Lächeln und war erleichtert über ihre Reaktion. „Ich wollte nur nach dir sehen und wissen, ob es dir gut geht. Wir versuchen dich schließlich seit Tagen zu erreichen. Melde dich mal bei den Anderen. Wir sehen uns....“ mit diesen Worten öffnete sie bereits seine Zimmertür und trat nach draußen. Kurz blieb er verwundert stehen und haderte mit sich, ob er ihr nachgehen sollte. Doch er konnte sich keinen Zentimeter bewegen. Als die Wohnungstür ins Schloss gefallen war realisierte er, dass er dieses bezaubernde Mädchen, auf eine so schäbige Art und Weise abserviert hatte, dass er sich selbst hätte auf die Füße kotzen können. „Verfluchte Scheiße!“ schrie er heraus und trat mit seinem Fuß die Tür zu. Verzweifelt raufte er sich die Haare und schlug mit seiner Faust gegen die Wand. Glücklicherweise konnten sich die beiden, in den folgenden Wochen, aus dem Weg gehen. Im September ging die Schule wieder los und Mimi war heilfroh, dass sie Taichi nicht mehr jeden Tag sehen musste. Sie hatte weder ein, noch aus gewusst. Er hatte sie damit kalt erwischt und sie unaussprechlich verletzt. Ihre Gefühle für ihn waren echt und tiefer als jemals zuvor. Er war ihr erster Mann und sie dachte jede Nacht an das zurück, was sie mit ihm geteilt hatte. Keiner ihrer Freunde wusste von ihrer gemeinsamen Nacht. Nur Hikari hatte einen winzigen Verdacht, dass irgendwas zwischen ihrem Bruder und ihrer Freundin geschehen war, da sie das Verhalten ihres Bruders mitbekam. Dennoch sprach sie ihn nicht darauf an, denn ihr älterer Bruder flüchtete sich in unzählige Dates mit namenlosen Mädchen. Beinahe jeden Abend ging er mit irgendwelchen Weibern aus. Hikari konnte es kaum glauben was mit ihm geschah, denn er verhielt sich wie der letzte Macho. Dabei verabscheute Taichi solche Aufreißertypen. Schließlich vergingen die Wochen und der Sommer neigte sich dem Ende. Die Blätter färbten sich bunt und die Nächte wurden merklich kühler. Im Oktober fing das Studium für Yamato, Sora und Taichi an. Einiges hatte sich verändert, außer die unbeschreibliche Leere im Inneren des jungen Mannes. Es gab keinen Tag, an dem er nicht an Mimi dachte. Mit diesen sinnlosen Verabredungen versuchte er vergebens, die Erinnerungen an sie aus seinem Kopf zu verbannen. Der 15. Oktober 2011 war ein Samstag und Taichis 19. Geburtstag. Seine Eltern hatten ihm die Wohnung überlassen, damit er eine ordentliche Party schmeißen konnte. Es waren damals nicht nur seine Freunde Yamato, Sora, Koushiro und Joe anwesend, sondern auch seine kleine Schwester und ihr Freund Takeru. Außerdem hatte er einige Leute aus der Schule und der Uni eingeladen. Die Wohnung der Yagamis war zum bersten gefüllt, nur eine Person tauchte den gesamten Abend nicht auf. Über diese Enttäuschung versuchte sich Taichi mit einem erheblichen Alkoholkonsum hinweg zu trösten, doch seine Schwester wusste es besser. „Warum ist sie heute nicht hier?“ fragte Hikari in einem kurzen Moment, als Taichi auf dem Balkon stand und eine Zigarette rauchte. Wütend zog ihm seine Schwester die Kippe aus dem Mund. „Spinnst du? Was ist nur mit dir los? Was ist zwischen euch gewesen? Seit der Abschlussfeier bist du wie ausgewechselt.“ „Was soll das? Hast du ne' Macke? Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß. Ich bin erwachsen und kann machen was ich will. Ich trinke soviel ich will, treffe mich mit Mädchen wie ich will und kann rauchen wenn ich das will!“ „Aber nicht solange ich dir dabei zugucken muss, wie du dich selbst damit kaputt machst! Das bist doch nicht du!“ Taichi wurde immer wütender über die Worte seiner Schwester. Er wollte sich damit nicht auseinandersetzen, schon gar nicht an seinem Geburtstag. Er setzte die Flasche Gin an und wollte gerade einen kräftigen Schluck nehmen, als Hikari ihm die Flasche aus der Hand riss. Er wollte sie packen und sich seine Flasche zurückholen, als er sie versehentlich schubste und Hikari gegen die Scheibe stieß. Erschrocken starrte sie ihren Bruder an. Dieser wich sofort zurück und wollte sich entschuldigen, doch sie schreckte ängstlich zurück. „Ich liebe dich, aber das ertrage ich nicht länger. Dich so zu sehen...es ist genug, du hast genug! Komm mal wieder klar!“ schrie sie ihn an und ging nach drinnen. Es dauerte nicht lange und Hikari hatte dafür gesorgt, dass die ganzen Menschen die Wohnung verließen. Ihr Bruder führte sich erbärmlich auf und Hikari war der Meinung, dass die Feier mit seinem ungebührlichen Benehmen beendet war. Zunächst waren alle Gäste verwirrt, doch es stellte keiner Fragen, da Hikari außer sich vor Wut war. Schließlich verließ auch sie die Wohnung und übernachtete bei Takeru. Sie konnte die Anwesenheit ihres Bruders nicht länger ertragen. Niedergeschlagen begab sich Tai zurück in die Wohnung und schüttete den restlichen Inhalt der Flasche in den Abfluss. Was war nur mit ihm los? Jetzt hatte er selbst seine Schwester von sich gestoßen. Das Läuten der Türklingel riss ihn schließlich aus seinen Gedanken. Müde schritt er zur Tür und öffnete diese, doch den Anblick, der sich ihm jetzt bot, hätte er keinesfalls erwartet. „Happy Birthday...“ eine junge Frau reichte ihm ein kleines rotes Päckchen. „Mimi...“ stotterte er und streckte seine Hand zögerlich nach ihrem Geschenk aus. Seit Wochen hatte Mimi mit sich selbst gerungen, ob sie ihn zu seinem Geburtstag besuchen sollte oder nicht. Natürlich wusste sie von der Party und ihre Freunde hatten sie mehrfach dazu aufgefordert mitzukommen. Doch die junge Frau redete sich damit raus, dass sie für die Prüfungen lernen müsste. Später an diesem Abend konnte sie nicht anders, ihre Sehnsucht nach ihm war so stark, dass sie es nicht länger ertragen konnte, ihn nicht zu sehen. Jetzt stand sie vor seiner Tür und versuchte eine freundschaftliche Basis mit ihm zu finden, doch jedes Wort, welches ihren Mund verließ, hörte sich dämlich an. „Ich hatte dieses Geschenk schon vorher besorgt und wollte es dir geben. Was soll ich damit, bei mir liegt es nur sinnlos herum und....“ Wahrscheinlich hätte sie noch ewig so weiter gesprochen, wenn er sie nicht plötzlich gepackt und nach drinnen gezogen hätte. Seine muskulösen Oberarme pressten sie gegen die Wand und sofort legte er seine Lippen auf ihre. Sein Kuss schmeckte nach Schnaps und Zigarette, dennoch schloss Mimi sofort genüsslich ihre zarten Lider. An der Wand schob er ihre Arme rauf und fuhr mit seinen Fingern zwischen ihre. Mimi seufzte genüsslich in seinen Kuss und schmiegte sich an ihn. Wie sehr hatte sie sich nach seinen Küssen gesehnt? Seinen Geruch und Geschmack vermisst? Langsam fing er an, ihr zunächst die Jacke und dann das Oberteil über den Kopf zu ziehen. Bereitwillig ließ sie ihn gewähren und begann die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen. Ihre warmen Finger fuhren über seine nackte Brust, dabei konnte sie jede Faser seiner trainierte Muskulatur spüren. Tais maskuline Körperstatur steigerte ihre Lust ins unermessliche. Schritt für Schritt begaben sie sich in sein Zimmer. Zu keiner Sekunde hatten die beiden ihren innigen Kuss miteinander gelöst. Seine Finger machten sich an dem Knopf ihrer Jeans zu schaffen. Mit einem leichten Stupser beförderte er sie auf sein Bett. Ein beinahe gequältes Keuchen verließ Mimis Lippen, als er ihre Hose auszog. Noch während er vor dem Bett stand und das lästige Stück Stoff auf den Boden beförderte, öffneten ihre zarten Fingerspitzen seine Hose. Mit ihren Füßen schob sie diese nach unten und zog ihm am Arm zu sich runter. Taichi folgte ihrer Aufforderung nur zu gerne und schob seinen durchtrainierten Körper zwischen ihre Beine. Ihre Finger vergruben sich in seinen Haaren und drückten seinen Kopf nach unten. Umgehend legte er seine heißen Lippen auf ihren pulsierenden Hals und fing an diesen zu liebkosen. Seine raue Handfläche fuhren über ihre makellose Haut und schob sich unter ihren Slip. Der junge Mann zögerte nicht lange und drang mit seinem Finger sanft in ihre Weiblichkeit ein. Mit seinem Daumen umkreiste er zärtlich ihre empfindliche Perle und hielt sie dadurch am Rande ihres Höhepunkts. Als ihre Lust ihr beinahe den Verstand raubte, bäumte sich die junge Frau, mit einem lauten Stöhnen auf und drückte ihren bebenden Körper seiner Hand entgegen. Ihr lustvolles Keuchen steigerte seine Lust unbeschreiblich und sofort versiegelte er ihre Lippen mit einem alles abverlangendem Kuss. Mimi schlang ihre Arme um ihn und grub ihre Finger tief in sein Fleisch. Es brachte ihn dazu, dass er genüsslich in ihren Kuss seufzte und sich von ihr löste. Schweigend hob er ihre Hüften an. Sein Finger glitt aus ihrer rhythmisch pochenden Vulva heraus und schließlich streifte er ihr den Slip ab. Sehnsüchtig öffnete sie ihre Augen und blickte ihn an. Als sich ihre Blicke trafen hämmerte sein Herz so stark gegen seine Brust, dass Taichi das Gefühl hatte, er würde jeden Moment innerlich zerspringen. Seine Augen tasteten jeden Millimeter ihres lusterfüllten Gesichts ab. Zärtlich streichelte er mit seinem Finger über ihre Wange und seine Augen waren plötzlich von tiefer Trauer erfüllt. „Das ist momentan alles, was ich dir geben kann...“ flüsterte er zögerlich und konnte ihrem Blick kaum standhalten. Mimi vernahm seine leisen Worte und in einer stillen Sekunde strich sie, mit ihrem Finger über seine Lippen und schenkte ihm ein zärtliches Lächeln. „Ich weiß...“ murmelte sie und fuhr mit ihrer Hand in seinen Nacken. Selbst wenn das alles war, was er ihr geben konnte, sie wollte ihn unbedingt spüren. Mimi sehnte sich so sehr nach ihm, dass sie sich für diesen Moment damit zufrieden geben würde, nur die Frau zu sein, mit der er die Nacht verbrachte. Fordernd zog sie ihn zu sich herunter und küsste ihn hingebungsvoll. Tai griff mit seiner linken Hand nach seinem Nachtschränkchen und holte ein Kondom heraus.Während sich die beiden innig küssten, entledigte er sich ungeduldig seiner eigenen Unterhose und streifte sich das kleine Stück Gummi über seine erigierte Männlichkeit. Mimi winkelte ihre Beine an und gewährte ihm somit etwas mehr Platz. Ihr Verlangen war kaum auszuhalten, nervös biss sie sich auf die Unterlippe und sehnte sich nach seiner Berührung. Sie wollte ihn endlich in sich spüren. Tai ging es nicht anders, immer wieder musste er in diesen heißen Kuss mit ihr keuchen. Der junge Mann hielt es nicht länger aus und presste sich zwischen ihre Beine. Zärtlich drang er in sie ein. Ihr gesamter Körper erschauderte unter seiner Berührung und die kleinen Härchen an ihren Armen stellten sich auf. Als Taichi anfing sich in ihr zu bewegen, stöhnte Mimi lautstark auf und unterbrach ihren leidenschaftlichen Kuss. Auch der junge Mann sehnte sich nach ihr. Ihr süßer Geruch und ihre zarte Stimme, die unter seinen Bewegungen immer wieder lustvoll in sein Ohr keuchte, machten ihn rasend vor Begierde nach ihr. Mimi schlang ihre Beine um ihn und drückte seinen Körper bestimmend nach hinten. Etwas erstaunt sah er sie an und folgte ihren Bewegungen. Taichi saß nun aufrecht in seinem Bett und hatte Mimi auf seinem Schoß. Somit gewährte sie ihm, dass er noch tiefer in sie eindrang. Es war ein unglaublich intensives Gefühl und er schlang sofort seine Arme um sie. Langsam fing sie an ihre Hüften auf seinem Schoß zu bewegen. Genussvoll kniff er seine Augen dabei zusammen und überließ ihr bereitwillig die Führung. Keuchend presste Taichi seinen Kopf gegen ihre Brust. Seine rechte Hand schob er zwischen ihre beiden verschmolzenen Körper und stimulierte, mit seinen geschickten Fingern, die pulsierende Perle ihrer Weiblichkeit. Seine linke Hand schob sich langsam über ihren Rücken und öffneten den Verschluss ihres BHs. Mimi strich ihm durchs Haar und beobachtete sein Handeln. Für sie war Taichi ein außergewöhnlich attraktiver Mann. Sie liebte sein markantes Gesicht, sein zerzaustes dunkelbraunes Haar und jeden Zentimeter seines durchtrainierten Körpers. Wenn seine großen Hände ihren Körper berührten oder sie seine warme Haut auf ihrer spürte, machten sich tausende Schmetterlinge in ihrem Bauch breit. Dieser Mann raubte ihr alle Sinne. Zärtlich fuhr er mit seiner Zunge über die Knospen ihrer Brüste. Immer wieder saugte und knabberte er an ihrem empfindlichen Fleisch, was bedingte, dass sich Mimi kurzzeitig gegen ihn drückte, weil sie über diese fordernde Berührung von ihm erschrocken war. Ihre Haut schmeckte süßlich und er konnte nicht genug davon bekommen. Ihre Bewegungen auf seinem Schoß wurden immer fordernder und schneller. Taichi versuchte sich auf etwas anderes zu konzentrieren, aber das Gefühl sie zu spüren und mit ihr Eins zu sein war so intensiv, dass er es nicht länger aushalten konnte. Seine Hände packten ihre Wangen und zogen sie etwas zu sich runter. Mit einem verlangenden Kuss versiegelte er ihre beiden Lippen miteinander. Im selben Moment verkrampfte Mimi ihre Finger so heftig auf seinem Rücken, dass sie kleine rote Striemen hinterließ. Beide stöhnten gemeinsam in den Kuss auf und erreichten ihren Höhepunkt. Kraftlos sackte sie auf ihn und Tai ließ sich nach hinten gleiten. Mimi lag erschöpft auf ihm drauf und legte ihre Hände auf seine Brust. Liebevoll legte er seine Hand auf ihre und drückte ihren heißen und pulsierenden Körper an seinen. Fürsorglich zog Tai die Bettdecke über ihre beiden, noch immer miteinander verbundenen Körper. Mimi hatte ihre Augen geschlossen und ihre Atmung hatte sich deutlich verlangsamt. Das Gefühl, welches ihn jetzt durchströmte war noch viel besser als Sex. Ihr warmer Körper auf seinem, ihr pulsierendes Herz, welches gegen seine Brust schlug und das Geräusch ihrer gleichmäßigen Atmung ließen ihn seit unendlich langer Zeit wahrhaftige Geborgenheit fühlen. Eigentlich hatte er sich, bei keinem anderen Menschen, jemals so sicher gefühlt. Liebevoll streichelte er über ihren nackten Rücken und drückte ihren zierlichen Körper fester an sich. Aber Mimi wendete sich auf einmal aus seiner Umarmung heraus und legte sich erschöpft neben ihn auf die Seite. Er drehte sich zu ihr um und zog ihren nackten Körper an sich. Zunächst wollte Mimi es nicht zulassen und aufstehen, doch in seiner warmen Umarmung konnte sie nicht anders, als genüsslich ihre Augen zu schließen und seine Zärtlichkeit zu genießen. Taichi legte seinen Kopf an ihre Schulter und platzierte seine warmen Hände auf ihrem Bauch. Sie spürte seine warmen Lippen auf ihrem Hals und schmiegte sich mit ihrem Rücken dichter an seine Brust. Irgendwann hörte die junge Frau nur noch seinen gleichmäßigen Atem. Er war eingeschlafen. Verzweifelt legte sie ihre Hände vor ihr Gesicht und versuchte so leise wie möglich zu schluchzen. Wie konnte sie nur zulassen, dass es schon wieder passierte und dabei hatte er ihr doch ausdrücklich gesagt, dass er nicht mehr als Freundschaft für sie empfand. Auch jetzt hatte er ihr gesagt, dass das alles war, was er ihr geben konnte. Tai liebte sie nicht, es war nichts weiter als bedeutungsloser Sex für ihn. Das zwischen den beiden war aber mittlerweile weder Freundschaft noch Liebe. Es war irgendwas dazwischen und Mimi war sich sicher, dass es immer wieder so ablaufen würde. Sobald sie in seine Nähe käme, wäre ihre Sehnsucht so unendlich groß, dass sie sich mit all ihren Sinnen nach ihm verzehren würde. Schlussendlich würde sie sich dadurch immer wieder selbst verletzen und früher oder später daran zerbrechen. Sie wusste nicht, wie lange sie noch so in seinen Armen lag, bevor sie sich dazu aufraffen konnte sein Bett zu verlassen. Als Mimi ihn sanft auf den Rücken drehte, blickte sie in sein friedlich schlafendes Gesicht. Noch immer war er unwiderstehlich und sie liebte sein wundervolles Gesicht. Voller Liebe streichelte sie über seine Wange und beugte sich schützend über ihn. Schwermütig legte sie ihre Lippen ein letztes Mal auf seine. Tränen liefen über ihre Wangen und Mimi fing diese schnell mit ihren Fingern auf, bevor sie auf sein Gesichts tropften. Taichi schlief so tief, dass er es nicht mitbekam, wie sie ihre Sachen weinend vom Boden fischte und sein Zimmer verließ. Im Wohnzimmer zog sich Mimi ihr Oberteil und ihre Jacke wieder an. Als sie gerade die Wohnung verlassen wollte, fiel ihr Blick auf das kleine rote Geburtstagsgeschenk. Taichi hatte es offensichtlich, auf der kleinen Anrichte im Wohnzimmer, liegen gelassen. Die ersten Sonnenstrahlen des anbrechenden Tages kitzelten auf seiner Nase. Sein Schädel dröhnte schmerzvoll und es dauerte einen kurzen Moment, bis er realisierte wo er sich befand. Plötzlich fiel ihm auf, dass etwas fehlte. Noch vor wenigen Stunden lag ein warmer Körper neben ihm, der ihn wärmte. Doch jetzt war der Platz neben ihm leer, einzig ihr Duft haftete noch an ihm und seiner Bettwäsche. Müde schlug er seine dunkelbraunen Augen auf und suchte nach ihr, doch er war alleine. Neben seinem Kopf lag ein kleines rotes Päckchen, daneben das Foto von Sora, welches zuvor auf seinem Schreibtisch lag und darunter befand sich ein schmaler Notizzettel. Der junge Mann raffte sich etwas auf und griff nach der handschriftlichen Nachricht. Als er ihre Worte las, verkrampften sich seine Finger um das dünne Stück Papier und kleine runde Tropfen, die auf dem Papier landeten, verwischten die Tinte » Ich dachte, dass das was du mir geben kannst, mir reichen würde. Doch ich weiß, dass ich dir nicht genug bin, dass ich nicht diejenige bin, die du willst. Ich kann nicht die andere Frau in deinem Leben sein. Du bedeutest mir sehr viel, aber ich selbst bedeute mir noch viel mehr. Deswegen können wir uns nicht mehr sehen, es verletzt mich zu sehr. Mimi « Der Wind peitschte ihm den Regen ins Gesicht. Taichi saß auf dem nassen Sand und hatte seine Beine fest an seinen Körper gezogen. Wenn er sich heute an diesen Geburtstag zurückerinnerte, schnürte es ihm die Brust zu. Wie konnte er nur so dumm sein? Er hatte diese wundervolle Frau zutiefst verletzt und zwar zu einem Zeitpunkt in ihrem Leben, indem sie ihm am Nötigsten gebraucht hatte. Mit tränenschweren Augen blickte er auf den tobenden Ozean. Wütend vergrub er seine Finger in seinen nassen und zerzausten Haaren. Auf einmal traf ihn etwas hartes an seinem Kopf. Erschrocken drehte sich der junge Mann um und stand sofort auf. Drei kleine Jungs rannten in ihren Regenmänteln am Strand entlang und kickten einen Fußball. „Entschuldigung...“ rief einer der Jungen. Er hatte eine gelbe Regenjacke an und kam zu Taichi gelaufen. Sein wütendes Gesicht wurde sofort liebevoll und er ging in die Hocke, damit er dem kleinen Jungen ins Gesicht blicken konnte. „Ist das etwa euer Fußball? Ich habe ihn heute früh hier am Strand gefunden und ihn mir für eine kurze Weile ausgeliehen.“ Mittlerweile waren auch die restlichen zwei Jungs ihrem Freund zur Hilfe geeilt und blieben neugierig vor Tai stehen. Ihre großen runden Knopfaugen musterten den großen Mann. „Ja. Wir kommen hier immer entlang, auf unserem Weg zur Schule. Kannst du uns ein paar coole Tricks mit dem Ball zeigen?“ Verwundert starrte der Ältere die drei frechen Jungs an und grinste. „Müsst ihr nicht nach Hause? Außerdem regnet es doch...“ „Ach du kannst am Ende überhaupt keine tollen Tricks!“ „Ja du Angeber! Nimmst dir unseren Ball und kannst überhaupt nicht Fußball spielen.“ Taichi zog seine rechte Augenbraue rauf und packte ohne weitere Worte das runde Leder. Gekonnt vollzog er einige schwierige Manöver mit dem Ball. Seine jungen Zuschauer folgten seinen Bewegungen mit Spannung und nach einer Weile spielte er ihnen den Ball auch zu. Nach und nach entwickelte sich zwischen den drei Jungs und Tai ein richtiges Fußballspiel. Im Eifer des Gefechts bemerkten sie überhaupt nicht, dass die Sonne sich mittlerweile durch die dunklen Wolken gekämpft und ihre nassen Haare getrocknet hatte. Mimi konnte nun endlich die gewaschene Wäsche im Garten aufhängen, da der Regen nachgelassen hatte. Erschöpft blickte sie auf die Uhr und stellte fest, dass es spät geworden war. Die Sonne senkte sich bereits im Horizont und der Tag neigte sich dem Ende. „Ist Taichi wieder da?“ fragte sie ihre Großmutter und stellte den Wäschekorb auf dem Sofa ab. „Ich habe nichts mitbekommen. Vielleicht zählt er die Sandkörner am Strand?“ Mimi schnaufte über den sarkastischen Spruch ihrer Großmutter. „Vielleicht hast du ihn auch mit deinen furchtbar hässlichen Stricksöckchen vertrieben.“ sagte sie grinsend und zog sich bereits ihre Sandaletten im Flur an. Sie wollte nach draußen gehen und nach ihm suchen. Mimi war besorgt und verwundert, dass er nach ihrem Ausflug nicht ins Haus gekommen war. Selbstverständlich musste auch sie darüber nachdenken, was zwischen ihnen passiert war und auch darüber, was er zu ihr sagte. Vielleicht brauchte er einfach etwas Zeit für sich oder dachte bereits darüber nach abzureisen. Die junge Frau würde ihm diese Entscheidung nicht übel nehmen, schließlich konnte man nicht verlangen, dass er an ihrer Seite blieb und die letzten Tage ihrer Großmutter begleiten würde. Sie waren schließlich nur Freunde und kein Liebespaar, auch wenn es gestern Nacht wieder verdammt innig zwischen ihnen geworden war. Auf der Straße konnte sie ihn nirgends entdecken, also führte sie ihr Weg tatsächlich zum Strand. Als sie über den schmalen Holzsteg lief und die Spitzen der Dünen erreichte, erblickte sie ihren Freund mit drei Jungs beim Fußball spielen. Lächelnd beobachtete sie die Szene und schlang ihre Arme um sich. „Dieser Kindskopf. Da hat er wohl schon neue Freunde gefunden?“ flüsterte sie kichernd. Er schien sehr viel Spaß zu haben und konzentrierte sich vollkommen auf seine kleinen Mitspieler. Mimi bemerkte, wie sie ihn verliebt musterte und sich vorstellte, dass er mit seinen Söhnen spielen würde. Umgehend färbten sich ihre Wangen rot und sie drehte sich verschämt um. Die junge Frau entschloss sich dazu, ihn ungestört weiter spielen zu lassen und begab sich zurück ins Haus. Die Sonne war beinahe hinter dem endlosen Ozean verschwunden, als Taichi sich von seinen neuen Freunden verabschiedete. „Vielen Dank! Bis morgen.“ sagte einer der Jungen und nahm dem erwachsenen Mann den Fußball ab. Mit einem zufriedenen Lächeln blickte Taichi den drei Freunden hinterher. Dieses unbeschwerte Spiel war eine gute Ablenkung, doch augenblicklich kamen seine schwermütigen Gedanken zurück in sein Bewusstsein. Im Angesicht der Dunkelheit wurde ihm bewusst, dass es bereits verdammt spät war und er den gesamten Nachmittag am Strand verbracht hatte. Doch offenbar sorgte sich seine Freundin kein bisschen um ihn. Vielleicht war sie auch froh darüber, dass sie ihre Ruhe vor ihm hatte. Bei diesem Gedanken musste er hart schlucken und begab sich langsam zurück zum Haus. Als er seine Schuhe ausgezogen hatte, betrat er das Wohnzimmer, doch es war niemand zu sehen. Sein Hunger trieb ihn in die Küche und etwas erschrocken wich er zurück, als er Kimiko dort stehen sah. „Entschuldigung...ich wusste nicht...“ stotterte er und wurde rot um die Nase. Kimiko hatte gerade ihre Medikamente eingenommen und trank ein Glas Eistee. Verwundert sah sie ihn an. „Wo hast du dich denn rumgetrieben? Mimi war besorgt und hat nach dir gesucht.“ „Ich bin am Strand gewesen und habe mit einigen Jungs aus der Nachbarschaft Fußball gespielt.“ sagte er kleinlaut und kam sich mit einem Mal dämlich vor. Auf dem kleinen Küchentisch stand ein Teller mit einer Portion des Abendessens. Darüber befand sich eine Frischhaltefolie. Kimiko seufzte und nahm sich noch etwas zu trinken. „Sie hat dir das übrig gelassen. Sie ist ein gutes Mädchen, mach ihr keinen Kummer.“ Seine Augen weiteten sich und er wusste nicht so recht, was er jetzt sagen sollte. Stattdessen nickte er stumm und sah verlegen zu Boden. Als die ältere Dame an ihm vorbei ging, um die Küche zu verlassen, legte sie ihre Hand an seinen Oberarm und lächelte ihn an. „Außerdem wurde mir gesagt, dass du meinen Rasen mähst. Du bist nicht hier, um am Strand zu faulenzen. Bring meinen Garten in Ordnung, du unverschämter Bengel!“ Auf ihre Worte musste Taichi unweigerlich lachen und nickte. Sie war mindestens genauso schlagfertig wie ihre Enkeltochter. Der junge Mann hörte, dass Kimiko gemächlich die hölzerne Treppe nach oben ging. Erschöpft setzte er sich an den Küchentisch und betrachtete sein Abendessen. Mimi war wirklich unglaublich. Sicherlich hatte sie ihn am Strand gesehen und dazu entschlossen, ihn spielen zu lassen. Genüsslich schob er sich den ersten Happen des Steaks in seinen Mund. Das Fleisch war vorzüglich zubereitet und er war erstaunt, dass seine Freundin letztlich doch so gut kochen konnte. Nachdem er aufgegessen hatte, ging Tai ins Badezimmer und putzte sich seine Zähne. Sein Weg ins Bett führte ihn erneut durchs Wohnzimmer und plötzlich schreckte er auf. Was er zuvor nicht gesehen hatte war, dass auf dem Sofa eine schlafende Mimi lag. Sie hatte sich in das weiche Polster gekuschelt und schien dort bereits die gesamte Zeit tief und fest zu schlafen. Als sich der erste Schock gesetzt hatte, ging er zu ihr rüber und betrachtete ihr friedliches Gesicht. Er ging vor ihr in die Knie und streichelte einzelne Haarsträhnen aus ihrem Gesicht. Sie hatte ihre Arme vor ihrer Brust angewinkelt und dabei ihre zarten Hände vor ihren Lippen gefaltet. Seine Hand ruhte auf ihrer Stirn und am liebsten hätte er sie jetzt geküsst. Seine dunkelbraunen Augen wanderten über ihren schlafenden Körper und Taichi bemerkte, dass sie langsam anfing zu zittern. Es schien als würde sie frieren. Ohne länger darüber nachzudenken, schob er seine Arme unter ihren Körper und trug sie vorsichtig die Treppe hinauf. Noch während sie schlief, kuschelte sie sich an seine Brust und legte automatisch ihre Arme um seinen Nacken. Mit einem verliebten Lächeln sah er sie an und öffnete mit seinem Fuß gemächlich die Schiebetür zu ihrem Zimmer. Er konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden und legte sie sachte auf ihrem Futon ab. Mimi hielt ihn unbewusst weiter fest und zog ihn somit grob zu sich runter. Wenn sich Tai nicht mit seinen Armen abgestützt hätte, wäre er wohl auf sie drauf gefallen. Errötend verharrte er still in dieser Position und sah ihr beim schlafen zu. Sie war für ihn die schönste Frau, die er jemals gesehen hatte. Krampfhaft versuchte er sich daran zu erinnern, wann er sie das letzte Mal schlafend gesehen hatte. Doch er konnte seine Gedanken keineswegs zu Ende bringen, denn plötzlich drehte sich Mimi auf die Seite und zog ihn ungewollt mit sich. Gezwungenermaßen legte er sich hinter sie und nahm ihren zierlichen Körper in den Arm. Ihr Rücken kuschelte sich an seine Brust. Ein heißes Gefühl von Wohlbefinden und Sehnsucht machte sich in ihm breit. Diesen Moment in vollen Zügen genießend, machte er seine Augen zu und zog das dünne Laken über ihre beiden Körper. Wann er zuletzt so mit ihr in einem Bett lag, daran konnte er sich sofort erinnern und es fühlte sich unglaublich schmerzlich an. Sollte er besser aufstehen und gehen? Es war nicht gut hier zu sein und diese Situation auszunutzen. Aber auf der anderen Seite sehnte er sich, seit so langer Zeit, nach ihrer Wärme. „Was ist das zwischen uns?“ Diese zarte und leise Stimme riss den jungen Mann aus seinen Gedanken. Hastig schlug er seine Augen auf und blickte auf ihren Hinterkopf. „Ich wollte dich nicht wecken. Bitte entschuldige. Ich lasse dich jetzt schlafen...“ Ihre Frage hatte er überhaupt nicht richtig verstanden und wollte sich gerade von ihr lösen, als sie seine Arme fest umschlossen hielt. „Was ist das zwischen uns?“ wiederholte sie ihre Frage und ihre Stimme blieb sanft und einfühlsam wie zuvor Taichi senkte seinen müden Körper wieder und musste hart schlucken. Ihm schnürte es die Brust zu und das Atmen fiel ihm plötzlich schwer. Nun hatte er ihre Frage sehr wohl verstanden und würde nicht drumherum kommen ihr zu antworten. „Ich weiß es auch nicht...“ murmelte er unsicher. Mimi schwieg eine ganze Weile und bewegte sich keinen Zentimeter. Für einen gewissen Moment dachte Taichi, dass sie wieder eingeschlafen war. „Vor vier Jahren hast du noch gesagt, dass das zwischen uns nur Freundschaft sei. Jetzt sagst du mir, du weißt es auch nicht...“ Ihre Worte waren ernst, aber nicht traurig. Der junge Mann holte tief Luft und drückte seine Stirn gegen ihren Rücken. Sein Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb und er war sich sicher, dass sie es spüren konnte. Ihre Frage war berechtigt und seine Antwort war dumm. Tai wusste ganz genau, was das zwischen ihnen war, doch er war zu feige es auszusprechen. „Weißt du es denn?“ fragte er schließlich und versuchte so gefasst wie möglich zu klingen. So sehr er sich auch bemühte, sie kannte ihn zu gut und hörte die Unsicherheit in seiner Stimme. Doch ein kleines bisschen beruhigte sie seine Reaktion und ein schmales Lächeln zog sich über ihre Lippen. „Vielleicht sollten wir es, nach all den Jahren, endlich herausfinden. Was meinst du?“ Als er diesen Satz aus ihrem Munde hörte überkam ihn eine derart überwältigende Freude, dass Taichi Mimi am liebsten an sich gerissen und ihr seine Gefühle ins Gesicht geschrien hätte. Dieser Satz machte ihm klar, dass sie ihm ein letztes Mal eine Chance gab, ihm verzieh und ihr Herz öffnete. Schlagartig drehte er ihren Körper zu sich um. Beide Hände legte er auf ihre Wangen und drückte ihre Stirn gegen seine. Die dunkelbraunen Augen des jungen Mannes waren weiterhin verschlossen. Zärtlich legte Mimi ihre Hände auf seine und wartete auf eine Antwort. „Mimi, du bist zu keinem Zeitpunkt in meinem Leben, die andere Frau gewesen.“ Bestürzt über seine Worte, riss die junge Frau ihre Augen weit auf. Unweigerlich begann ihr ganzer Körper zu zittern. Seine Antwort auf ihre Frage, riss nicht nur alte Wunden auf, sondern offenbarten eine Seite von ihm, die sie nicht kannte. „Wenn du mich lässt, dann werde ich hier an deiner Seite bleiben und gemeinsam finden wir endgültig heraus, was das zwischen uns ist.“ Die junge Frau konnte nichts auf seine wundervollen Worte erwidern. Stumm nickte sie und kämpfte mit den Tränen. Doch er wollte sie nicht erneut weinen sehen. Ohne zu zögern legte er seine Lippen auf ihre. Sofort presste Mimi ihren zitternden Körper an seinen und ließ seine fordernde Zunge nur zu gern passieren. Ihre Arme schlangen sich um seinen Nacken und zogen seinen kräftigen Körper dichter zu sich. Tai selbst schob seine Hände unter ihr Top und streichelte einfühlsam über ihre nackte Haut. Mit einem gequälten Gesichtsausdruck löste sie sich von ihm und schlug ihre glänzenden Augen auf. Ihre beiden Blicke trafen sich und Taichi schenkte ihr ein liebevolles Lächeln. „Kann ich heute Nacht bei dir bleiben?“ fragte er leise. Schweigend löste sich Mimi aus seinen Armen und stand auf. Sie ging hinüber zu ihrem Fenster und zog sich ihr Oberteil sowie ihre Hose aus, bis sie lediglich in Unterwäsche vor ihm stand. Sie zog die Vorhänge zu und öffnete das Fenster einen Spalt breit. Verwundert beobachtete er sie und wartete, bis sie sich wieder zu ihm setzte. Verführerisch legte sie sich ihr langes Haar über die rechte Schulter. Er streichelte über ihren nackten Oberarm und ließ ihre Haarsträhnen durch seine Finger gleiten. Weiterhin herrschte Stille zwischen den beiden und Mimi setzte mit ihren Fingern am Saum seines Shirts an und zog es ihm über den Kopf. Tai ließ es geschehen und musterte ihren verklärten Blick. Als sie mit ihren Fingern zum Bund seiner Hose glitt, hielt er sie fest und schüttelte seinem Kopf. „Eines kann ich dir mit Gewissheit sagen, das zwischen uns, ist mehr als Sex...“ Er zog sich selbst seine Hose aus und legte sich neben sie aufs Futon. Verwundert legte sich Mimi ebenfalls wieder hin und sah ihn fragend an. „Heute Nacht nicht. Heute Nacht, werde ich mehr für dich sein, als das.“ Seine Worte erhellten ihren Blick und sie schenkte ihm ein überglückliches Lächeln. Dankbar drehte sie sich um und schmiegte ihren nackten Rücken gegen seine ebenso entblößte Brust. Seine Wärme und das unbeschreibliche Gefühl von Haut an Haut, machte all die Verletzungen der vergangenen Jahre kurzzeitig vergessen. Zärtlich küsste er ihre Schulter und legte seine Handflächen auf ihre. Mimi verschränkte seine rauen Finger mit ihren und schloss ihre Augen. „Ich bewundere deine Selbstbeherrschung, denn in meinem Rücken spüre ich deutlich, dass dein Körper etwas anderes möchte als schlafen...“ in ihrer Stimme konnte man deutlich hören, dass sie sich über seine Erregung lustig machte. „Meine Liebe, ich bin auch nur ein Mann und außerdem ist es jawohl ein Kompliment für dich und es wäre furchtbar, wenn sich in meiner Hose nichts regen würde, wenn du in Unterwäsche vor mir stehst...“ Taichi blieb gelassen, denn er schämte sich nicht für seine Erektion. Schweigend blieben die beiden nebeneinander liegen und in der alles verzehrenden Dunkelheit schliefen sie miteinander ein. Ohne gesprochene Worte war es sowohl Mimi als auch Taichi bewusst, dass sie sich seit vielen Jahren nicht so nahe waren wie jetzt. Kapitel 5: Die Tage mit dir - Teil II: Wahrheit ----------------------------------------------- 30. Juni 2015, Tateyama, Präfektur Chiba Zart fuhren ihre Finger über seine nackte Haut. Der gleichmäßige Rhythmus seines schlagenden Herzens brachte sie dazu, ihre Augen aufzuschlagen. Benommen blinzelte die junge Frau und sah nach oben. Ihr Kopf lag auf seiner nackten Brust und ihre rechte Hand war um ihn geschlungen. Noch immer spürte sie seinen Arm in ihrem Rücken. Ein zufriedenes Lächeln schob sich über ihre Lippen. Es handelte sich also nicht um einen Traum, sie waren gestern Nacht tatsächlich nebeneinander eingeschlafen. Sein Schlaf war friedlich und sein Oberkörper hob sich gleichmäßig bei jedem Atemzug. Mimi legte ihre Hand vorsichtig auf seine Wange und richtete sich etwas auf, damit sie ihn küssen konnte. Es dauerte wenige Sekunden und sie spürte seine Hand an ihrem Hinterkopf. Gierig schob er seine Zunge in ihren Mund und erwiderte ihre liebevolle Geste ihn zu wecken. Der unvergleichliche Duft von ihm und das Gefühl seiner rauen Hände auf ihrer Haut, erfüllten die junge Frau mit einem sehnsüchtigen Verlangen. Mimi schob ihren nur mit Unterwäsche bekleideten Körper, auf ihn und platzierte ihren Schoß auf seinem. Mit beiden Händen griff sie nach seinen und schob diese über seinen Kopf. Genüsslich keuchte er unter ihr auf und presste seinen Unterleib gegen ihren. Auf diese Art und Weise von einer Frau geweckt zu werden, gefiel wohl jedem Mann. Sie konnte seine Erregung deutlich zwischen ihren Schenkeln spüren und fing an, sich gleichmäßig auf ihm hin und her zu bewegen. Tai konnte nicht anders als sich aus ihrem innigen Kuss zu lösen und unterdrückt zu stöhnen. Schlaftrunken öffnete er seine dunkelbraunen Augen und sah ihr direkt ins Gesicht. Einzelne Sonnenstrahlen umspielten ihren makellosen Körper und ließen ihre sonnengebräunte Haut in unzähligen Facetten schimmern. Ihre nussbraunen Augen hatten, durch den Schein des Sonnenlichts, vielmehr eine goldene Färbung angenommen. „Guten Morgen Prinzessin, ich hätte eher mit einem betretenen Schweigen nach dem Aufwachen gerechnet, aber nicht damit...“ sagte er mit rauchiger Stimme und lächelte sie verführerisch an. „Gefällt es dir etwa nicht, so geweckt zu werden?“ fragte sie kurz und knapp und schmiegte ihre Brüste an seine nackte Haut. Ihr aufreizendes Vorgehen entlockte dem Brünetten ein genüssliches Grummeln und er versuchte seine Hände aus ihrem Griff zu lösen, doch sie ließ es nicht zu. „Was glaubst du? Ich gebe dir einen dezenten Hinweis, das in meiner Unterhose ist nicht das Frühstücksbaguette...“ Sie grinste ihn charmant an und legte ihre Lippen an sein Ohrläppchen. Mimi wusste, dass er an dieser Stelle wahnsinnig empfindlich war. Zärtlich umspielte sie diese Stelle mit ihrer Zunge. Taichi konnte es kaum noch unter ihr aushalten. Er wollte sie anfassen, an sich reißen, sie spüren, küssen, ihre Haut schmecken. Lediglich ein gequältes Stöhnen kam über seine schmalen Lippen und er presste seine Augenlider fest zusammen. Langsam löste sie ihre Hand von seiner und fuhr damit sachte über seinen nackten Oberkörper, hinab zum Bund seiner Unterhose. Ohne weitere Umschweife fuhren ihre Finger unter den lästigen Stoff und legten sich um seine erigierte Männlichkeit. Taichi bäumte sich unter ihrer Hand stöhnend auf und starrte ihr fassungslos ins Gesicht. War das gerade ihr Ernst? Wollte sie ihn auf diese Weise beglücken? Kaum fähig auch nur ein Wort auszusprechen, begann sie damit, ihre Hand rauf und runter zu bewegen. Ihm schienen alle Sinne zu schwinden und Taichi hatte kurzzeitig das Gefühl, als würde er jetzt ohnmächtig werden. Das kannte er überhaupt nicht von ihr, dieses fordernde und begierige Handeln. Mimi konnte deutlich beobachten, wie sich ein rötlicher Schimmer über seine Wangen zog und er immer wieder unter ihren Bewegungen lustvoll keuchen musste. Tai konnte sein Verlangen nicht länger zügeln, er wollte nicht, dass sie ihn zum Höhepunkt brachte. Er wollte sie gänzlich spüren. Ruckartig packte er sie und schleuderte sie auf den Rücken. Als er sein pochendes Glied zwischen ihre Schenkel presste, seufzte Mimi unterdrückt und winkelte sofort ihre Beine an. „Du hast es nicht anders gewollt Prinzessin...“ raunte er in ihr Ohr und wollte ihr gerade seine Hand unter ihren Slip schieben, als es an der Haustür läutete. Erstarrt hielten beide inne und sahen sich schweigend an. Als es erneut an der Haustür klingelte fing Mimi an zu grinsen. Frustriert stieg Tai von ihr runter und legte sich neben sie. „Da hast du aber nochmal Glück gehabt, denn ich hätte dich schneller vernascht als ein Schokotörtchen.“ jammerte er und sah sie mit einem süffisanten Grinsen an. Mimi erhob sich und zog sich rasch etwas über. „Naja, dass es immer besonders schnell geht bin ich ja gewohnt. Wann hat es schon mal länger als ein paar Sekunden gedauert?“ Als sie über ihn drüber stieg, um das Zimmer zu verlassen, streckte sie ihm lachend die Zunge heraus. In diesem Moment packte er sie am Knöchel und schlug ihr scherzhaft auf den Hintern. „Die paar Sekunden haben bislang immer gereicht, damit du auf deine Kosten kommst und mir lustvoll ins Ohr stöhnst!“ sagte er mit einem herausfordernden Schmunzeln und ließ sie gehen. Unten angekommen öffnete die junge Frau hastig die Haustür und blickte in das angestrengte Gesicht ihres Onkels. „Onkel Kazuki, was ist los? Ist etwas passiert?“ fragte sie besorgt, schließlich war es überaus ungewöhnlich, dass ihr Onkel in aller Früh vor der Tür stand. „Guten Morgen Mimi-chan, es tut mir leid, dass ich euch so zeitig aufwecke, aber mir sind drei Erntehelfer ausgefallen und ich muss heute unbedingt fertig werden, denn die nächsten Tage soll es immer wieder heftig regnen.“ „Also soll ich dir helfen?“ fragte sie lächelnd. „Nein, ich werde helfen...“ verwundert drehte sich die brünette Schönheit um und sah in das Gesicht ihres Freundes. Taichi kam gerade die Treppe hinab und blieb hinter ihr stehen. „Das wäre fabelhaft, aber ich möchte nicht unhöflich sein....“ stammelte der ältere Herr und wirkte sichtlich nervös. „Kein Problem. Ich mache mich fertig und komme gleich mit dir.“ sagte Tai und begab sich ohne weitere Worte ins Badezimmer. Erstaunt blickte Mimi ihm hinterher. Sie ließ ihren Onkel im Wohnzimmer Platz nehmen und ging nach oben zu ihrer Großmutter. Liebevoll weckte sie die ältere Dame auf und schilderte ihr die Situation. „Ich werde mit fahren und einkaufen gehen. Sicherlich freut sich Tante Mei darüber und ich kann dir ebenso etwas frisches vom Markt mitbringen. Was hättest du gerne?“ Kimiko erhob sich in ihrem Bett und blickte ihre Enkelin verschlafen an. „Kirschen...“ knurrte sie müde und rieb sich die Augen. „Viel Spaß ihr beiden. Genießt den Tag zusammen.“ fügte sie hinzu und grinste. Etwas verlegen sah Mimi zu ihrer Großmutter und wusste nicht so richtig, wie sie dieses Grinsen deuten sollte. „Ähm....danke. Kommst du auch wirklich ohne mich zurecht?“ „Mimi, ich bin schon erwachsen und kein Pflegefall. Ihr beide solltet deinem Onkel und deiner Tante helfen und am aller wichtigsten, eure Zeit miteinander verbringen.“ Angestrengt seufzte Mimi und kniete sich vor dem Bett ihrer Großmutter hin. Mit einem liebevollen Lächeln streichelte sie ihre Hand. „Ich danke dir Großmama....“ als sie aufstehen und gehen wollte, hielt Kimiko ihr Handgelenk fest und zwang sie, eine Sekunde länger an ihrem Bett zu verharren. „Manchmal ist es zu früh, aber es ist niemals zu spät mein Kind. Gib ihm die Möglichkeit es wieder gut zu machen.“ Über die Worte ihrer Großmutter erschrocken, schluckte Mimi hart und blickte unsicher in die blauen Augen der älteren Dame. Meinte sie damit etwa die Beziehung zwischen ihr und Taichi? Woher wusste sie davon? War es etwa so offensichtlich, dass es zwischen ihnen tiefe Gefühle und umso tiefere Verletzungen gab?. Mit einem gezwungen Lächeln versuchte sie ihr Pokerface zu bewahren und das Zimmer zu verlassen. Noch während sie die Tür langsam öffnete, erreichten sie die abschließenden Worte ihrer Großmutter. „Ich habe dich lieb meine Kleine. Viel Spaß heute.“ Wie erstarrt blieb Mimi stehen, unfähig sich umzudrehen oder etwas darauf zu antworten. Ihre schmalen Finger verkrampften sich auf dem groben Pergament der Schiebetür. Mit ihren Tränen kämpfend verließ sie das Zimmer. Auf dem Gang kam ihr der junge Yagami entgegen und lächelte sie frech an, doch als er ihr betrübtes Gesicht erblickte, verschwand sein fröhlicher Gesichtsausdruck. „Alles in Ordnung? Soll ich besser hier bleiben? Geht es deiner Großmutter nicht gut?“ „Nein, es ist alles in Ordnung. Mir war nur etwas schwindlig, aber es geht schon wieder. Begleite meinen Onkel, ich werde mit dem Fahrrad hinterher kommen.“ es gelang ihr dieses Mal problemlos eine unbekümmerte Miene aufzusetzen. Sachte strich er über ihre Wange, in der Gewissheit, dass sie ihn anlog. Doch sicherlich hatte sie ihre Gründe und er würde sie jetzt nicht dazu drängen, ihm die Wahrheit zu sagen. „Bis gleich...“ flüsterte er und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Mimi schmiegte sich gegen seine Lippen und nahm seinen betörenden Geruch in sich auf. Er hatte offensichtlich frisch geduscht und duftete unaussprechlich gut. Als er sich von ihr löste, schenkte sie ihm zum Abschied ein zärtliches Lächeln. Mit eiligen Schritten verließen die beiden Männer anschließend das Haus. Sie hörte noch, dass die alte Klapperkiste ihres Onkels mit einem lauten röchelnden Geräusch ansprang und sich auf der holprigen Straße in Bewegung setzte. Nach einer ausgiebigen Dusche, zog sich die junge Frau ihr gelbes Sommerkleid über. Die Hitze des Tages war bereits jetzt kaum auszuhalten und deshalb band sie sich ihre Haare mit einer roten Schleife zusammen. Während sie sich auf den Weg zum Haus ihrer Tante machte, peitschte der Fahrtwind durch ihren langen Zopf. Immer wieder musste sie über die Worte ihrer Großmutter nachdenken. Kein einziges böses Wort, keine Vorwürfe, keine Schuldzuweisungen hatte sie erfahren. Warum fiel es ihrer Großmutter so leicht ihr zu vergeben? Mimi konnte sich nicht einmal selbst verzeihen, wie sollte sie dann ihrem Vater vergeben? Wie sollte es ihr jemals gelingen ihre hohe Mauer fallen zu lassen und einem anderen Menschen zu vertrauen? Wie sollte sie ihm jemals wieder vertrauen? Vehement schüttelte sie ihren Kopf und versuchte die schmerzlichen Erinnerungen an ihre gemeinsame Vergangenheit zu verdrängen. Letzte Nacht hatten sich die beiden schließlich versprochen, einander eine letzte Chance zu geben und gemeinsam herauszufinden, was das zwischen ihnen war. Keine Vorwürfe, keine Schuldzuweisungen und kein böses Wort, sondern einzig und allein ein Neuanfang. Noch bevor sie das Haus endgültig erreicht hatte, konnte sie die ganzen Männer auf den Feldern erkennen. Gemeinsam beförderten sie die Weizenbündel auf die Ladeflächen der Lastwagen oder sammelten mit riesigen Mähdreschern die letzten Ähren des Getreides zusammen. Auf der anderen Seite der Straße befanden sich weitläufige Sonnenblumfelder und färbten die gesamte Landschaft in einem satten Gelbton. Sie stellte das klapprige Fahrrad am Gartenzaun ab und bewunderte das kleine Haus ihres Onkels und ihrer Tante. Noch immer hatte es diese merkwürdige blaue Farbe und der krumme Gartenzaun weckte alte Kindheitserinnerungen in ihr. Mimi stieß vorsichtig die Haustür auf und zog sich ihre Sandaletten aus. „Tante Mei?“ fragte sie und begab sich auf direktem Wege in das Wohnzimmer. Ihre Tante winkte ihr stürmisch und saß mit ihrem gebrochenen Bein auf der Couch. „Oh Mimi! Komm her! Wir haben uns ewig nicht gesehen. Zuletzt auf deiner Abschlussfeier in der Schule? Du bist aber groß und hübsch geworden....sieh dich nur an!“ Verschämt setzte sich die Brünette neben ihre Tante und bedankte sich für die zahlreichen Komplimente. Zwar hatten sie immer miteinander telefoniert oder per Skype miteinander gesprochen, doch es war einfach nicht das Selbe. „Wie geht es deiner Großmutter? Gefällt es dir im Haus?“ Mimi versuchte alle Fragen ihrer Tante so gut es ging zu beantworten, doch immer wieder kamen neue hinzu. Irgendwann bot die junge Frau an, ihrer Tante im Haushalt zu helfen, schließlich konnte sie mit ihrem gebrochenen Bein überhaupt nichts erledigen. Mimi war unendlich dankbar, als sie endlich im Badezimmer stand und die Wäsche erledigte. Die bohrenden Fragen ihrer Tante waren kaum auszuhalten. Die Zeit verging wie im Flug und während Mimi gerade einige Blumen im Haus goss, rief ihre Tante nach ihr. „Da kommen die Jungs, könntest du ihnen etwas zu trinken bringen, mein Schatz?“ fragte sie und Mimi trat zu ihr ins Wohnzimmer. Neugierig wie ihre Tante war, schien sie mit ihrem gebrochenen Bein zum Fenster gehumpelt zu sein und starrte nach draußen. „Wer ist denn dein ominöser Begleiter? Kazuki hat mir davon erzählt, dass du einen jungen Mann mitgebracht hast...“ Mimi stöhnte genervt und folgte ihrer Tante ans Fenster. „Ihr solltet nicht soviel über meine Begleitschaften nachdenken...“ murrte sie und suchte nach ihrem brünetten Freund. Als sie ihn zwischen den anderen Männern entdeckte lächelte sie unbewusst und wurde rot um die Nase. Taichi hatte sein Shirt ausgezogen und man konnte, trotz der Entfernung, seinen muskulösen Oberkörper deutlich erkennen. Seine dunkelbraunen Haare klebten auf seiner Stirn und seine Haut glänzte vor Schweiß im Schein der Mittagssonne. „So, so. Der brünette junge Mann also.“ sagte ihre Tante und freute sich über den verschämten Gesichtsausdruck ihrer Nichte. „Ist das dieser Joe von dem du mir erzählt hast? Es scheint ja tatsächlich etwas ernstes zu sein zwischen euch beiden. Das freut mich für dich. Wann hatte er dir einen Heiratsantrag gemacht? War das nicht letztes Weihnachten? Hast du ihm bereits eine Antwort gegeben?“ Die quälenden Fragen ihrer Tante rissen die junge Frau zurück in die Realität. Ihre goldbraunen Augen weiteten sich schockiert. Sorgfältig verborgen im hintersten Teil ihres Herzens, hatte sie diese Erinnerung versucht zu vergessen. Doch mit einem Mal rissen alle Wunden wieder auf. „Nicht Weihnachten....es war Silvester....“ murmelte sie schließlich. Mei hatte selbstverständlich bemerkt, welche Reaktion sie mit ihren Fragen bei Mimi ausgelöst hatte und sah sie dementsprechend betrübt an. „Bitte entschuldige Mimi. Es geht mich auch überhaupt nichts an....“ „Schon gut. Das da draußen ist Tai und eine Antwort habe ich Joe noch nicht gegeben.“ Mei holte tief Luft und bemerkte, dass sich ihre Nichte in einer offensichtlich gespannten Situation befand. Zwischen zwei Männern, zwischen ihrem Vater und ihrer Familie, zwischen Liebe und Freundschaft. Aufmunternd drückte sie ihrer Nichte die Getränke in die Hand. „Geh da raus und bring ihnen etwas zu trinken. Heute musst du dich sowieso nicht mehr entscheiden.“ Mimi lächelte dankbar über die einfachen Worte ihrer Tante und begab sich schließlich nach draußen. Die Männer luden gerade die letzten Reste auf die Ladefläche und Taichi bemerkte sie sofort. Grinsend sprang er vom Wagen runter und ging ihr ein Stückchen entgegen. Durstig entriss er ihr eine Flasche Wasser und setzte ungeniert zum trinken an. „Vielen Dank Prinzessin...“ sagte er grinsend. „Du bist so unverschämt.“ antworte sie ihm mit einem strafenden Blick und ging zu den restlichen Männern rüber. Einige hatten bereits zusammengepackt und wollten zum nächsten Einsatzort fahren, doch für ihren Onkel war der heutige Tag beendet. Seine Felder waren bestellt und dank der Hilfe von Taichi waren sie sehr schnell fertig geworden. „Du bist total dreckig...“ sagte sie und musterte ihren braungebrannten Freund, der sich erschöpft gegen die Ladefläche des kleinen Lastwagens lehnte. „Echte Männer müssen dreckig sein! Komm her meine Süße, ich gebe dir was von meiner Männlichkeit ab....“ er packte sie und drückte seinen verschwitzten Oberkörper gegen sie. Mimi gluckste laut auf und lachte. „Igitt! Lass mich sofort los! Du hast doch überall puh-puh von der Kuh!“ Mit einem lauten Aufschrei musste Taichi loslachen und drückte sie fester an seinen Körper. „Sprichst du etwa englisch mit mir? Was habe ich von der Kuh an mir? Meinst du etwa Mist?“ Sie zappelte und strampelte in seinen Armen, doch ihre Kräfte schwanden, da sie so angestrengt lachen musste, dass ihr bereits Tränen übers Gesicht liefen. Dennoch gelang es ihr, mit einem zufälligen Treffer in seine Magengrube, sich aus seiner Umarmung zu lösen. Zügig flüchtete sie vor ihm ins Sonnenblumenfeld. Doch ohne zu zögern, nahm er ihre Verfolgung auf. Mimi lachte so laut, dass es keine Schwierigkeit darstellte, sie zwischen den meterhohen Pflanzen ausfindig zu machen. Schnell hatte er sie eingeholt und schlang seine Arme sie, dabei kamen beide ins Straucheln und fielen zu Boden. Noch immer versuchte sie ihn spielerisch von sich zu drücken, doch Tai blieb standhaft und beugte sich über sie. Ihr herzliches Lachen und ihre strahlenden Augen erfüllten sein Herz mit einem unbeschreiblichen Glücksgefühl. „Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich dich das letzte Mal so lachen gesehen habe...“ seine Stimme klang schwermütig und sanft strich er über ihre Wange. Sofort verstummte ihr Lachen und sie sah ihn zärtlich an. „....du bist so wunderschön.“ ergänzte er seinen Satz abschließend. Seine Worte trieben ihr die Röte ins Gesicht und verschämt drehte sie dieses zur Seite. Irgendwie war es ihr plötzlich unangenehm, wenn er sie so anstarrte. Die hochgewachsenen Pflanzen spendeten ihnen Schatten und ein angenehmer Windhauch sorgte für Abkühlung. Er legte seine Finger an ihr Kinn und zwang sie, in sein Gesicht zu sehen. Stumm trafen sich ihre Blicke. Vorsichtig legte sie ihre Fingerspitzen auf seine nackte Brust. Tai beugte sich weiter hinunter und verharrte wenige Millimeter vor ihren Lippen. Ihr Herzschlag wurde immer schneller und hämmerte wie wahnsinnig gegen ihren Brustkorb. Für Mimi war es kaum auszuhalten, dass er ihr so nahe war, sie aber dennoch nicht küsste. Seine rauen Finger strichen über ihren Hals, hinab zu ihrem Dekolleté. Einzelne Schweißperlen tropften von seinem Kinn herab und trafen ihre nackte Haut. „Kannst du dich noch an diesen Tag am Meer erinnern?“ fragte er plötzlich. Etwas erstaunt wich sie seinem Blick aus. Natürlich wusste sie genau wovon er sprach, doch Mimi wollte nicht an diesen Tag zurück denken. Der Tag, an dem sie sich ihrer tiefen Gefühle für ihn bewusst wurde. Der Tag, an dem sie sich ihn verliebte. „Keine Ahnung was du meinst. Ich habe in meinem Leben sehr viele Tage am Meer verbracht.“ „Ich meine den einen Tag, an dem wir gezwungenermaßen alleine am Strand waren. Ich glaube du warst 15 und bist in den Sommerferien zu Besuch in Tokyo gewesen.“ „Ich war 14 und du bist in dem Oktober 15 geworden. Außerdem war es der letzte Tag der Ferien...“ fügte sie schnippisch hinzu und bemerkte kurz darauf, dass sie soeben zugab, dass sie sich sehr wohl daran erinnern konnte. „Ich dachte du könntest dich nicht mehr erinnern?“ Taichi war sehr zufrieden darüber, dass sie auf seine Fangfrage hereingefallen war. „Na und? Was ist denn mit diesem Tag?“ zickig drehte sie ihren Kopf zur Seite und machte ihre Augen zu. Es war der letzte Tag der Sommerferien, als Taichi bereits seit zwanzig Minuten an der Bushaltestelle auf seine Freunde wartete. Sie hatten sich ausgemacht, den letzten Tag nochmal am Strand zu verbringen. In wenigen Tagen würde er das neue Schuljahr an der Odaiba Oberschule beginnen und die Zeiten an der Mittelschule waren endgültig vorbei. „Entschuldige, ich bin zu spät. Wartest du schon lange?“ Diese nervige Mädchenstimme riss ihn aus seinen Gedanken und verwundert blickte er in diese goldbraunen Augen. „Mimi? Wo sind denn die anderen beiden? Wir wollten doch zu viert fahren. Wo sind Sora und Yamato?“ Die junge Frau stützte sich erschöpft auf ihren Oberschenkeln ab und platzierte ihren riesigen Rucksack auf dem heißen Asphalt. „Sora hatte mir gesagt, dass die beiden es nicht rechtzeitig schaffen würden. Wir sollen erstmal ohne sie fahren und die zwei würden dann nachkommen.“ Sofort verfinsterte sich seine Miene. Er konnte nicht fassen, dass seine besten Freunde ihn mit dieser anstrengenden Zicke alleine fahren ließen. Da hätte er auch zu Hause bei seiner nervigen Schwester und ewig nörgelnden Mutter bleiben können. Alleine wie dieses Mädchen hier schon wieder auftauchte. Mit einem riesigen Rucksack und viel zu spät. Immer musste sie sich wie ein Prinzesschen aufspielen und brachte ihn damit vollkommen auf die Palme. Allein schon diese rosa gefärbten Haare. Was zur Hölle hatte sie mit ihrem wundervoll hellbraun gelocktem Haar angestellt? Jetzt sah sie aus, wie ein amerikanischer Popstar und es gefiel dem jungen Mann überhaupt nicht. Sie war bereits seit drei Wochen zu Besuch in der Stadt und verbrachte die restlichen Ferien mit ihren Eltern hier. Taichi hatte mitbekommen, dass ihre Eltern darüber spekulierten, im nächsten Jahr zurück nach Japan zu ziehen, sodass Mimi eine Oberschule in Tokyo besuchen könnte. Denn offenbar waren sie, mit der Ausbildungsqualität in den amerikanischen Schulen, nicht zufrieden. „Was ist denn jetzt? Ist das nicht unser Bus? Willst du nicht einsteigen? Tai?“ Erneut riss ihn diese grelle Stimme aus seinen Gedanken und wütend sah er sie an. Eigentlich wäre er jetzt am liebsten wieder nach Hause gefahren, doch ihm war so heiß, dass er unbedingt baden gehen wollte. Angesäuert stieg er zu ihr in den Bus und ließ sich neben ihr nieder. War es ihr denn überhaupt nicht unangenehm, dass sie mit ihm alleine an den Strand fuhr? Sie blickte die gesamte Zeit freudig aus dem Fenster und wippte mit ihren Beinen hin und her. Es dauerte etwa vierzig Minuten, bis sie die Stadt hinter sich gelassen hatten und den weitläufigen Strand erreichten. Es handelte sich dabei um einen Naturstrand, welcher direkt an ein Waldstück grenzte. Nicht viele Besucher verirrten sich hierher. Einzig die hiesigen Fischer hatten ihre Boote an ihren kleinen Bootshütten angelegt und fuhren jeden Tag zum fischen nach draußen. Die Busse verkehrten lediglich aller zwei Stunden und den letzten durfte man tunlichst nicht verpassen, denn sonst hätte man etwa 8 Kilometer zur nächsten Bushaltestelle laufen müssen. Als der Bus anhielt, waren Taichi und Mimi die letzten Fahrgäste, welche ausstiegen. Im Freien war die Hitze des Tages kaum zu ertragen. Angestrengt trotte die junge Frau neben ihrem Freund hinterher. Von der Haltestelle bis zum Meer waren es nochmals etwa zehn Minuten Fußmarsch und Mimi hatte wirklich überhaupt keine Ausdauer ihren schweren Rucksack zu tragen. „Tai, kannst du nicht meinen Rucksack tragen? Ich bin eine Lady und du solltest ein Gentleman sein....“ Der junge Mann lief in einem weiten Abstand vor ihr und verdrehte nur genervt seine Augen. „Dann pack gefälligst nicht soviele Sachen ein! Trag deinen Rucksack alleine, ich bin nicht dein Packesel! Und sag nicht immer »Tai« zu mir. Wir sind nicht mehr in der Grundschule.“ „Taichi, du bist vielleicht kein Packesel aber ein blöder Esel!“ Einige hitzige Wortgefechte später, erreichten die beiden Streithähne endlich den Strand. Der Anblick des strahlend blauen Ozeans beruhigte ihre Gemüter und ein betretenes Schweigen kehrte ein. Der junge Mann zögerte nicht lange und entledigte sich umgehend seiner Kleidung. Mimi hingegen platzierte sich zunächst auf ihrem Handtuch und beobachtete ihn dabei, wie er mit nacktem Oberkörper in den Wellen verschwand. Sie konnte nicht verstehen, warum er immer so gemein zu ihr war. Kühle Wasserspritzer auf ihrer Haut, rissen die junge Frau aus ihren Gedanken. Klitschnass legte er sich neben sie, auf sein eigenes Handtuch. Nachdenklich beobachtete Mimi ihn und wusste nicht, über was sie sich mit ihm unterhalten sollte. Taichi selbst hatte seine Augen fest geschlossen und versuchte sich zu entspannen. Am Strand gesellten sich nur wenige andere Menschen und somit herrschte eine angenehme Stille. Langsam erhob sich Mimi und zog sich ihr Shirt und den Rock aus. Sie wollte sich ebenfalls abkühlen und begab sich, die wenigen Meter zum Wasser. Heimlich öffnete er seine Augen und betrachtete ihre Silhouette. Taichi musste zugeben, dass ihr Körper überaus attraktiv und sehr weiblich war. Er schluckte hart, als ihr glänzender Körper in die Wellen eintauchte. Warum war es immer so kompliziert zwischen ihnen? Egal was sie sagte oder tat, irgendwie fühlte er sich immer von ihr herausgefordert. Wütend drehte er sich auf seinen Bauch und wollte nicht weiter über diese merkwürdigen Gefühle, die in ihm aufstiegen, nachdenken. Nach und nach sank er in den Schlaf und bemerkte nicht, was um ihn herum geschah. „Taichi....wach auf....“ Eine eiskalte und nasse Hand auf seinem Rücken ließ ihn hochschrecken. Verwundert musterte er ihr Gesicht. Nasse Haarsträhnen klebten auf ihrer Haut und ihre gebeugte Haltung gewährte ihm tiefe Einblicke in ihr Dekolleté. Dieser pinkfarbene Bikini verdeckte wirklich nur die nötigsten Stellen und die Wangen des jungen Mannes färbten sich umgehend feuerrot. „Da vorne liegt ein Ruderboot. Wollen wir damit ein Stückchen raus fahren?“ ein sanftes Lächeln ließ ihre goldbraunen Augen noch intensiver leuchten als ohne hin schon. „Du meinst wohl eher, ob ich die Prinzessin in einem Ruderboot herumfahren würde? Nein danke, kein Interesse.“ Genervt drehte er sich wieder auf den Bauch und strafte sie mit Missachtung. Seine abweisende Reaktion verletzte die junge Frau. Wütend packte sie ihren Rucksack und warf ihr Handtuch über die Schulter. Mimi lief alleine zu dem kleinen Ruderboot und ließ diesen dämlichen Trotzkopf alleine zurück. Taichi richtete sich auf und sah ihr nach. Warum konnte diese Ziege nicht einfach Ruhe geben? Immer dieses Drama. Wollte sie jetzt alleine hinaus fahren? Taichi folgte ihr mit großen Schritten und packte sie am Handgelenk, bevor sie in das hölzerne Boot steigen konnte. „Was soll das? Du kannst doch überhaupt nicht rudern mit deinen kleinen Streichholzärmchen. Warum musst du immer so nervig sein?“ Ihre rehbraunen Augen färbten sich traurig und kleine Tränen schoben sich über den Rand ihrer Augenlider. „Warum musst du immer so ein gefühlskalter Vollidiot sein? Ich habe dir nichts getan und du kannst mich immer nur dumm anmachen! Wenn ich dich so nerve, warum sind wir dann überhaupt Freunde? Dann sag es mir doch ins Gesicht, dass du mich nicht leiden kannst. Dann weiß ich wenigstens woran ich bin.“ Sichtlich betroffen über ihre Worte sah er sie an und ließ ihr Handgelenk los. „Mimi...“ stammelte er. Vollkommen unfähig die richtigen Worte zu finden oder auch nur ansatzweise zu beschreiben, was in ihm vorging, kletterte er mit ins Boot. Schweigend ruderte er sie und sich nach draußen. Die Wasseroberfläche glitzerte wie tausend Kristalle. Mimi saß mit einem tieftraurigen Gesicht am anderen Ende des Bootes und hatte ihre Beine fest an ihren Körper gezogen. Er konnte seinen Blick einfach nicht von ihr abwenden. Offensichtlich hatte sein Verhalten sie verletzt und Mimi dachte, dass er nicht mit ihr befreundet sein wollte und die Zeit mit ihr nur als große Last empfand. „Du nervst mich nicht. Du überforderst mich manchmal einfach, du bringst mich aus der Fassung und machst mich nervös.“ seine leisen und unverhofften Worte, erheiterten ihren Blick und Mimi sah zu ihm rüber. „Ich mache dich nervös?“ fragte sie frech nach und strich sich einige Haarsträhnen hinters Ohr. Augenblicklich errötete Taichi und wich ihrem Blick aus. „Bilde dir mal nichts drauf ein!“ Sie schüttelte lächelnd ihren Kopf und sah aufs Meer hinaus. „Schon gut. Ich danke dir, für deine Aufrichtigkeit.“ ihr war bewusst, dass es ihm unangenehm war, seine Gefühle zu offenbaren. Also stellte sie keine Fragen und akzeptierte seine Antwort. Ihr wunderschönes Lächeln gefiel ihm sehr und der junge Mann konnte nicht leugnen, dass es exakt dieses Lächeln war, welches ihm unaufhörlich den Verstand raubte. Der Nachmittag verstrich schnell und die beiden hatten dennoch sehr viel Spaß miteinander. Wie ein frisch verliebtes Pärchen alberten sie herum und waren irgendwann erschöpft auf dem kleinen Boot eingeschlafen. Somit bemerkten sie nicht, dass ein verhängnisvolles Unwetter aufzog und sich bereits der gesamte Himmel tief schwarz gefärbt hatte. Der Wind frischte auf und peitschte die Wellen gegen das Boot. Von dem erbarmungslosen Schaukeln erwachte die junge Frau und blickte sich verschlafen um. Schockiert realisierte sie ihre Situation und packte Taichi an der Schulter. „Wach auf! Wach auf! Wir müssen zurück!“ schrie sie panisch und rüttelte heftiger an ihrem Freund. Taichi blinzelte verträumt und stieß sie entnervt von sich. Plötzlich zuckten einzelne Blitze am Firmament und brachten heftigen Regen mit sich. Riesige Tropfen schleuderten auf sie hernieder. Erschrocken setzte sich der junge Mann auf und betrachtete seine Umgebung. „Was zur Hölle?“ stammelte er und sah seine Freundin besorgt an. Diese hatte schützend ihre Hände über ihren Kopf gelegt und saß zitternd in die hinterste Ecke des Bootes gekauert. Ohne weiter darüber nachzudenken fing Taichi an zu rudern. Sie waren relativ weit abgetrieben und er war sich nicht sicher, ob er es noch rechtzeitig zurück schaffen würde. Der Wind wurde immer stärker und die Abstände zwischen den Blitzen und dem ohrenbetäubenden Grollen des Donners wurden immer geringer. Es erschien ihm wie ein Wunder, als er das rettende Ufer endlich erreichte. Beinahe übermenschliche Kräfte hatten ihn angetrieben und nur so war er dazu in der Lage gewesen, in einem überaus schnellen Tempo an Land zu rudern. Mimi saß wie versteinert noch immer zitternd in der Ecke. Sie war nicht ansprechbar. Fluchend packte er seine Freundin und trug sie aus dem Boot heraus. Sie krallte sie an ihm fest und presste sich zitternd an seine Brust. Der Regen hatte die gesamte Straße geflutet und Taichi konnte keine einzige Menschenseele erkennen. Seine dunkelbraunen Augen erkannten, dass bereits Blitze auf der Wasseroberfläche einschlugen und der heftige Sturm peitschte einzelne Äste durch die Luft. Es war viel zu gefährlich, um länger hier draußen zu bleiben. Sie müssten dringend einen Unterschlupf finden, doch wohin? Sich der immer bedrohlich werdenden Situation bewusst, packte er ihren Rucksack und lief mit ihr in den Armen zum nächsten Fischerhäusschen. Der junge Mann setzte Mimi vorsichtig ab und blickte sie an. Noch immer vollkommen verängstigt, erschien ihr Blick leer. Besorgt streichelte er über ihre Wange. „Mimi...alles wird gut. Ich bin doch bei dir. Hab keine Angst...“ murmelte er und legte beide Hände auf ihre Wangen. In dieser Sekunde wurde ihr Blick wieder klar und sie sah ihn an. Tai lächelte und ließ sie los. Mit einem kräftigen Stoß öffnete er die klapprige Holztür der kleinen Hütte. Irgendwie tat es ihm leid, dass er unerlaubt einbrach, aber was hätte er sonst tun sollen? Seine Freundin bewegte sich von alleine nach drinnen. In der kargen Hütte befanden sich kaum nützliche Gegenstände. Sie schien mehr oder weniger als Bootsgarage oder Werkstatt zu dienen. Der junge Mann schloss die Tür hinter sich und stellte einen Stuhl davor. Auf einmal knallte es heftig und ein Blitz erhellte den gesamten Himmel in einem blendenden silbernen Licht. In diesem Moment fuhr Mimi zusammen und schrie panisch auf. Unbewusst drehte sie sich herum und krallte sich an Taichi fest. Ihre Fingernägel vergruben sich in seiner nackten Haut und unzähligen Tränen liefen über ihre Wange. Sie hatte solche Angst, dass ihr Körper kaum aufrecht stehen konnte. Jeder Muskel, jede Faser ihres zierlichen Körpers bebten vor Angst. Ihre Fingernägel verursachten kurzzeitig ein überaus schmerzhaftes Gefühl, doch dann legte er sofort seine Arme schützend um ihren halbnackten Körper. Ihre Kratzspuren brannten wie Feuer auf seiner Haut und der junge Mann seufzte schmerzerfüllt. „Schon gut Mimi....“ sagte er leise und drückte sie fest an sich. „Es tut mir so leid....es ist alles meine Schuld. Ich wollte mit diesem dämlichen Boot raus fahren und jetzt sitzen wir hier fest....es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid....“ Wie ein Mantra wiederholte Mimi diese Worte und Taichi war völlig überfordert mit der Situation. Seine Freundin konnte doch überhaupt nichts dafür. Letzten Endes waren sie doch beide unachtsam und schliefen auf dem offen Ozean ein, ohne auf sich und die Umgebung zu achten. Langsam glitt er mit ihr zu Boden und kniete sich mit ihr hin. Noch immer hielt er sie fest in seinen Armen. Fürsorglich nahm Taichi ihr Shirt aus dem Rucksack und zog es ihr über den Kopf. Verwundert sah Mimi kurz zu ihm rauf und löste ihre Umarmung. Langsam schob sie ihre Arme durch die Ärmel und starrte verschämt auf den kargen Fußboden. „So ein Unsinn. Du hast keine Schuld. Ich hätte auf dich aufpassen müssen.“ sagte er leise und lehnte sich mit seinem Rücken an der Wand an. Mimi tat es ihm gleich und sah aus dem kleinen Fenster. Jeder Blitz, jeder Donner und jedes Geräusch des knarzenden Holzbodens brachte sie zum zittern. Verzweifelt zog sie ihre Beine an ihren Körper und faltete ihre Hände schützend über ihrem Kopf zusammen. Taichi war sich bewusst, dass seine Freundin neben ihm, riesige Ängste ausstand. Schweigend legte er seinen Arm um sie und zog sie an sich heran. Ihr Körper war völlig erstarrt und eiskalt. „Komm her....“ sagte er leise und drückte sie noch etwas fester an sich heran. Sofort konnte sie seine Wärme spüren. Mimi schloss ihre Augen und legte ihre Hände sanft auf seine Brust. Ihren Kopf schmiegte sie an seine Schulter und lauschte seinem hämmernden Herzschlag. Taichi begriff selbst nicht, warum er mit einem Mal so aufgeregt und nervös war. In seinem Bauch kribbelte es unglaublich und ihm wurde heiß und kalt zu gleich. Ihre zarten Finger auf seiner Haut, bescherten ihm eine intensive Gänsehaut. Plötzlich legte er seine andere Hand an ihre Wange und fuhr damit unter ihr Kinn. Mimi folgte seinem sanften Druck und sah ihn an. Schweigend betrachteten sich die beiden. Ihre braunen Augen funkelten in der Dunkelheit. Noch nie hatten sie sich so direkt angesehen, noch nie waren sie sich so nahe gewesen, noch nie hatte er sie auf diese Weise berührt. Quälend langsam näherte er sich ihren Lippen. Sein Herz zersprang fast in seiner Brust und er war nicht dazu in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Unerwartet erschütterte das laute Grollen des Donners die Stille und Mimi zuckte so heftig zusammen, dass sie sich erneut an ihn krallte. Entsetzt realisierte Taichi in diesem Moment, dass er sie beinahe geküsst hätte. Auch Mimi wurde es mit einem Mal bewusst, was gerade fast geschehen war. Verschämt wich sie von ihm und stand auf. „Entschuldige...“ keuchte sie mit schwacher Stimme und lief mit ihren nackten Füßen zum Fenster rüber. Verzweifelt starrte Taichi auf den Boden und krallte seine Hände in sein nasses Haar. Sie waren doch nur Freunde, warum hatte er dieses Verlangen nach ihr? Ihre nervige Art trieb ihn doch zur Weißglut, warum hatte er so eine riesige Sehnsucht nach ihr? Weshalb wollte er sie unbedingt küssen, sie spüren, berühren und bei ihr sein? Mimi legte zitternd ihre Arme um sich selbst und starrte abwesend aus dem Fenster. Ihr Herz schlug so heftig gegen ihren Brustkorb, dass sie es nicht länger leugnen konnte. Plötzlich war er mehr als nur ein Freund. Aber war er das nicht schon immer? Im Bruchteil einer Sekunde wurde sie von seinen kräftigen Händen gepackt. Tai drehte sie zu sich um und drückte ihren Rücken gegen die Fensterscheibe des kleinen Raums. Kurz trafen sich ihre Blicke und mit einem Mal küsste er sie. Sofort riss sie ihre Augen weit auf und legte ihre zitternden Hände an seine Brust. Er selbst schlang seine Arme um ihre Taille und schmiegte sich an sie. Mimi war so überrascht über diesen Kuss, dass sie ihn zunächst nicht erwidern konnte. Verunsichert löste er sich deshalb von ihren Lippen, konnte sie aber aus Scham nicht ansehen. Schweigend standen sie sich gegenüber. Mutlos ließ er seine Arme sinken und wollte zurückweichen, als Mimi ihn plötzlich am Handgelenk packte und daran hinderte. Er kam sich so dumm vor und schämte sich dafür, sie einfach geküsst zu haben. Mit einem kräftigen Ruck zog sie ihn zu sich, legte ihre Hand an seine Wange, stellte sich auf ihre Zehnspitzen und legte ihre Lippen auf seine. Für einen kurzen Moment gelang es ihm nicht, zu begreifen was gerade passierte. Doch als ihre Zunge sich sanft in seinen Mund schob wurde ihm bewusst, dass es tatsächlich Realität war. Der brünette Hitzkopf schloss umgehend seine Augen und erwiderte ihren Kuss. Genussvoll keuchend schlang er seine Arme um sie und drückte ihren frierenden Körper dicht an seinen eigenen. Mimi fuhr mit ihren Händen in seinen Nacken und spielten mit seinem Haar. Dieser Kuss brachte alles in ihrem Inneren zum beben. Ihr Herz raste und als er sie zusätzlich gegen das Fenster drückte, schlang sie dankbar ihre Beine um seine Hüften. Ihr gemeinsamer Kuss wurde immer leidenschaftlicher und Mimi musste beständig leise aufkeuchen. Ihm wurde bewusst, dass er sie unglaublich vermisste. Seitdem sie vor drei Jahren Japan verlassen hatte, musste er ständig an sie denken. Wenn sie zu Besuch war, konnte er es kaum aushalten ohne eifersüchtig oder wütend zu werden. Sie verursachte in ihm ein Wechselbad der Gefühle. Er wollte es nicht wahrhaben, dass sie ihm wichtiger war als andere Freunde. Doch was war das zwischen ihnen? Natürlich hatten beide bereits mit anderen Personen innige Küsse ausgetauscht, doch mit keinem hatte es sich so intensiv angefühlt wie jetzt. Irgendwann lagen beide ineinander verschlungen auf dem Boden, noch immer in einen innigen Kuss versunken, als Taichi seine Handfläche unter ihr Shirt schob. Etwas durcheinander legte Mimi ihre Hand stoppend auf seine und löste sich von ihm. Langsam und verschämt schüttelte sie ihren Kopf. Mit einem zarten Lächeln zog er seine Hand wieder hervor. Stumm legte er sich neben sie. Mimi kuschelte sich auf seine Brust und sog seinen süßlichen Duft in sich auf. Müde schloss sie ihre Augen und streichelte mit ihren Fingerspitzen über seine nackte Brust. „Ich bin froh, dass ich diesen letzten Sommertag mit dir hatte...“ flüsterte er leise. Mimi nickte stumm und verschränkte ihre Finger mit seinen. Das Unwetter ließ irgendwann nach und die beiden begaben sich zurück zur Bushaltestelle. Glücklicherweise dauerte es nicht lange und ein Bus hielt an. Beide waren so erschöpft, dass sie während der gesamten Fahrt nebeneinander schliefen. Mimi hatte ihren Kopf auf seiner Schulter platziert und hielt seine Hand fest umschlossen. Letztlich beförderte der Busfahrer die beiden, an der Endhaltestelle, nach draußen. Ihre Wege müssten sich nun trennen und Taichi lächelte sie dankbar an. „Mach's gut...“ sagte Mimi und wollte sich gerade auf den Weg zurück zum Hotel begeben, als er sie festhielt. „Warte Mal....“ sagte er schüchtern. „Ich muss dir noch was sagen...“ murmelte er weiter. Ihre goldbraunen Augen weiteten sich verwundert und plötzlich wurde Mimi ganz nervös. Sicherlich kam jetzt, dass es ihm leid täte, doch er könne keine Fernbeziehung führen. Oder so etwas wie, dass sie nur Freunde waren und es dabei belassen sollten. Egal was, er hatte ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie ihn überforderte, verunsicherte und nervte. Immer wieder stritten sie miteinander. Mimi konnte sich an kein einziges Gespräch erinnern, in dem sie sich nicht gegenseitig provoziert hätten. Unsicher wedelte sie mit ihrer Hand vor ihrem Gesicht herum und lächelte verkrampft. „Schon gut. Ich werde es niemandem erzählen. Wir sind doch Freunde und so sollte es auch bleiben. Es war schließlich nichts besonderes. Morgen bin ich auch schon wieder weg. Also, wir sehen uns!“ Sie löste sich hastig aus seinem Griff und eilte auf die andere Straßenseite. Völlig erschüttert über ihre Worte blieb Taichi wie angewurzelt stehen und starrte ihr nach. War das etwa ihr Ernst? Wie konnte sie sagen, es sei nichts besonderes gewesen? Sie hatte ihn hingebungsvoll geküsst. Stundenlang lagen sie gemeinsam in dieser Hütte und hatten etwas miteinander geteilt, was er noch nie zuvor in einer solchen Intensität mit einem Mädchen geteilt hatte. Bedeutete das etwa, dass Mimi nichts weiter für ihn empfand außer Freundschaft? Gab es keine Chance, dass sie zueinander finden könnten? War alles schon vorbei, bevor es überhaupt angefangen hatte? An diesem Tag fasste Taichi einen Entschluss. Er würde die Gefühle für dieses Mädchen für immer aus seinem Herz aussperren und versuchen ohne sie weiterzuleben. In der Hoffnung, seine Liebe für sie irgendwann zu vergessen und Trost in den Armen einer anderen Frau zu finden. Wütend stieß Mimi ihn von sich runter und stampfte aus dem Sonnenblumenfeld hinaus. „Was soll das Tai? Warum fängst du jetzt mit diesen uralten Geschichten an?“ Verwundert über ihre aufgebrachte Reaktion, folgte er ihr und zog sich am Lastwagen sein Shirt wieder an. „Weil dein lächelndes Gesicht mich an diesen Tag erinnert hat...“ sagte er leise und lief ihr hinterher. Mimi ging nicht weiter darauf ein und warf ihm den Autoschlüssel ihrer Tante zu. „Wir müssen noch etwas einkaufen. Du fährst!“ sagte sie und stieg in den grauen VW Passat. Taichi war immer noch verwirrt über ihre schlechte Laune. Hatte er etwa schlechte Erinnerungen in ihr geweckt? Als er neben ihr im Auto saß, grinste er frech. „Also zum Glück besitzt dein Onkel ein richtiges Auto. Ich hätte sonst nicht gewusst, wie er mit diesem alten Lastwagen bis nach Tokyo fahren kann.“ Mimi musste sich ein Grinsen verkneifen, denn eigentlich war sie wütend auf ihn, doch irgendwie schaffte er es immer wieder, dass sie ihm nicht lange böse sein konnte. „Da meine Tante im Moment sowieso nicht Auto fahren kann, sagte sie, dass wir es nutzen können. So müssen wir nicht immer mit dem Fahrrad fahren und können auch mal einen Ausflug machen.“ Taichi fuhr los und nickte nur stumm. Von hier aus waren es nur wenige Minuten mit dem Auto, bis zur Innenstadt von Tateyama. Die zahlreichen Häuser reihten sich auf kleinstem Raum aneinander und kleine Geschäfte pflasterten die schmalen Straßen. Mimi kaufte auf dem Markt frisches Obst und Gemüse. Taichi hingegen wurde von einigen Jungs angesprochen und sofort zum Fußballspielen aufgefordert. Trotz seines Spiels, verlor er seine brünette Freundin zu keinem Zeitpunkt aus den Augen und folgte ihr. Mimi betrachtete begeistert die kleinen Schaufenster der Geschäfte. „Bis dann Jungs!“ rief Taichi den frechen Burschen hinterher, als sie sich mit ihrem Fußball auf den Heimweg machten. Die junge Frau bemerkte nicht, dass ihr Freund bereits hinter ihr stand und ihrem fröhlichen Blick folgte. Mimi sah sich ein schmuckvoll verziertes Blütenarmband an. Gedankenverloren holte sie ihre Geldbörse hervor. Sofort verfinsterte sich ihr fröhlicher Blick und Taichi konnte deutlich erkennen, dass sich kein bisschen Geld darin befand. Unsicher, ob er sie darauf ansprechen sollte, wich er ein paar Schritte zurück. Sie hatte ihm auf der Zugfahrt bereits gesagt, dass sie mit ihrem letzten Geld nach Japan gekommen war. Die jetzigen Einkäufe hatte sie mit dem Geld ihrer Großmutter bezahlt und sie selbst hatte nichts übrig, um sich dieses Armband zu kaufen. „Lass uns zurück fahren. Deine Großmutter wartet bestimmt schon auf uns.“ Erschrocken drehte sich Mimi zu ihm um. Die junge Frau hatte seine Anwesenheit nicht bemerkt und packte ihr Portemonnaie wieder in ihre Tasche. Mit einem aufgesetzten Lächeln nickte sie und lief mit ihm zusammen zurück zum Auto. Als sie am Haus ankamen, neigte sich der Tag bereits dem Ende. Nachdem die beiden mit Kimiko zu Abend gegessen und sich die ältere Dame in ihr Zimmer zurückgezogen hatte, verschwand Mimi im Badezimmer und Taichi setzte sich erschöpft auf die Terrasse. Nach diesem körperlich anstrengenden Tag, war das heiße Bade eine wahre Erlösung gewesen und es war ihm schwer gefallen dem anhaltenden Gezeter seiner Freundin nachzugeben, da diese auch unbedingt duschen wollte. Seine Beine baumelten vom hölzernen Boden herunter und berührten gerade so einige Grashalme. Nachdenklich betrachtete er die unzähligen Glühwürmchen, die wie winzige Sternschnuppen im Garten umher kreisten. In Gedanken war er vollkommen bei ihr und überlegte sich, wie er ihr wohl am besten aus dieser schwierigen Situation heraushelfen konnte und ob sie seine Hilfe überhaupt wollte. Plötzlich zuckte er zusammen, als eine eiskalte Bierdose gegen seine Wange gedrückt wurde. Mit einem liebevollen Lächeln beugte sich Mimi zu ihm runter und reichte ihm das Getränk. Ihr offenes Haar fiel ihr über die Schultern. Sofort stieg ihr angenehmer Duft in seine Nase. Es roch nach einer Mischung aus Lavendel und Nelken. „Sicherlich bist du durstig...“ sagte sie und setzte sich neben ihn auf den hölzernen Fußboden der Außenterrasse. Verwundert nickte er und öffnete mit einem lauten Zischen das Bier. Auch Mimi hatte sich eine Dose mitgebracht und nippte nachdenklich daran, während sie ihren Blick über den bezaubernden Anblick des Gartens schweifen ließ. Es herrschte eine angenehme Stille zwischen den beiden, bis ihre zögerliche Stimme irgendwann das Schweigen durchbrach. „Was wolltest du mir eigentlich damals an der Bushaltestelle sagen?“ Verwundert legte er seinen Kopf schief und musterte das traurige Gesicht seiner Freundin. Warum fing sie jetzt doch wieder mit dieser Geschichte an? Vorhin hatte sie ihn noch angeschnauzt deswegen. Taichi zuckte mit den Schultern und lächelte. „Ich weiß es nicht mehr...“ mit diesen Worten wollte er sich aus der Situation herausreden und so schnell wie möglich das Thema wechseln. Er konnte ihr jetzt unmöglich gestehen, was er ihr damals sagen wollte. Aber hatten sie sich letzte Nacht nicht versprochen ehrlich zueinander zu sein und herauszufinden, was das zwischen ihnen war? Tai kniff verkrampft seine Augen zusammen und nahm einen großen Schluck von seinem Bier. „Achso...“ murmelte sie betrübt und baumelte mit ihren Füßen. Jetzt tat es ihm leid, dass er so offensichtlich gelogen hatte. Mimi wusste natürlich, dass er es ihr nicht sagen wollte. Der junge Mann stellte seine Getränkedose neben sich an und holte tief Luft. Einzig das beinahe ohrenbetäubenden Geräusch der Zikaden durchbrach die heranbrechende Nacht. Wo war sein Mut, wenn er ihn am nötigsten brauchte? „Ich wollte dir sagen, dass ich dich wahnsinnig vermisse und auf dich warten werde, selbst wenn du im nächsten Jahr nicht zurück nach Japan gekommen wärst.“ er unterbrach seinen Satz und fuhr sich seufzend durchs Haar. „Doch du kamst mir zuvor und hast mir eine direkte Abfuhr erteilt.“ er lächelte verletzt und schüttelte sachte seinen Kopf. Ihre Augen weiteten sich ungläubig und Mimi fühlte, wie sie am ganzen Körper anfing zu zittern. Die Bierdose entglitt dem festen Griff ihrer Finger und fiel ins Gras. Sie konnte nicht glauben, was er sagte. Jetzt begriff sie, denn in Wahrheit hatte sie ihn damals zurück gewiesen. Ihre Feigheit und die Angst von ihm enttäuscht zu werden, hatten verhindert, dass sie damals zueinander fanden. Schockiert legte sie eine Hand auf ihren Mund und versuchte ihre aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Taichi blickte starr nach vorne in den Garten und lächelte bitter. „Und ich glaube, dass ich immer auf dich gewartet habe. Bis heute warte ich auf dich und hoffe, dass wir irgendwie einen Weg zueinander finden...“ Sie konnte nicht länger an sich halten. Die erbarmungslose Wahrheit traf sie wie ein Stich unvermittelt und direkt ins Herz. Weinend drückte sie ihre Hände vor ihr Gesicht. Jetzt ergab alles einen Sinn. Zuerst hatte sie ihm eine Abfuhr erteilt und dann wies ihn auch noch Sora zurück. Kein Wunder, dass Taichi so abweisend war und seine Gefühle unterdrückte. Er ist in der Vergangenheit von beiden Frauen zutiefst verletzt worden. Womöglich hatte er immer das Gefühl gehabt, dass Mimi ihn verlassen hatte. „Ich bin so dumm....es tut mir leid....“ schluchzte sie verzweifelt und presste ihre zitternden Finger gegen ihr tränenüberströmtes Gesicht. Er drehte sich zu ihr um und sah sie besorgt an. Verzweifelt musterte er ihren zitternden Körper. So hatte er das nicht gemeint. Er wollte keine alten Wunden aufreißen, er wollte einzig und allein ehrlich zu ihr sein. Sanft legte er seine Hände auf ihre Schulter. „Mimi, es hat lange gedauert, bis ich es endlich verstanden habe. Keiner von uns hat daran Schuld. Vielleicht waren wir beide damals noch nicht bereit dafür. Manchmal ist es einfach der falsche Zeitpunkt, manchmal ist es einfach zu früh...“ Liebevoll streichelte er über ihre Wange und zog ihre Hände weg. Er wollte sie ansehen und sie trösten. Heute hätte man sowieso nichts mehr an der Vergangenheit ändern können. Vielleicht hätten sie damals ein Paar werden können, vielleicht wäre ihre Liebe stark genug gewesen und hätte die Distanz zwischen ihnen überbrückt, aber was wenn nicht? Mimi öffnete ihre Augen und sah ihn vollkommen aufgelöst an. Seine Worte waren denen ihrer Großmutter so ähnlich. Wie konnte er noch immer so voller Mut und Hoffnung sein? Verkrampft hielt sie sich an ihrem Freund fest. „Aber wann ist es zu spät?“ fragte sie keuchend unter Tränen. „Wenn wir aufgeben....“ flüsterte er mit einem hoffnungsvollen Lächeln auf den Lippen und legte seine Stirn an ihre. „Aber ich bin weit davon entfernt aufzugeben.“ Voller Liebe legte er seine Arme um sie und drückte ihren Kopf sanft gegen seine Brust. Ihre heißen Tränen durchnässten sein Shirt sofort und Taichi fuhr mit seinen Fingern durch ihr wundervoll duftendes Haar. Nach Halt suchend, vergruben sich ihre Finger im dünnen Stoff seines Oberteils und fuhren seinen Rücken hinauf. Mimi presste ihren zitternden Körper an seinen und wollte ihn niemals wieder los lassen. Nicht nur, dass plötzlich alte Wunden aufrissen, die Wahrheit tat ihr einfach so unendlich weh, dass sie außer Stande war ein Wort zu sagen. Es dauerte einige Zeit, bis Taichi schließlich seine Sprache wieder fand. Beide Hände legte er um ihr Gesicht und blickte ihr direkt in die Augen. „Mimi, am aller meisten verletzt uns die Wahrheit, die wir vor uns selbst verheimlichen wollen. Doch heute können wir, das was gestern war nicht mehr verändern. Alles was wir haben, ist dieser eine Moment. Ein einziger Moment der voller Liebe, Freude und Glück sein kann. Doch genauso von Angst,Schmerz und Hoffnungslosigkeit erfüllt sein könnte. Ganz egal, denn die Zukunft kann keiner von uns vorhersagen und an der Vergangenheit können wir nichts mehr ändern.“ Ihre weinerlichen nussbraunen Augen suchten seinen hoffnungsvollen Blick. Mimi legte ihre Handfläche an seine Brust und spürte sein schlagendes Herz. Woher konnte er nur immer wieder diese Stärke nehmen? „Bitte bleib bei mir...“ flüsterte sie erstickt und sah wieder nach oben, direkt in seine Augen. Kaum merklich bewegte er seinen Kopf und zog ihren zierlichen Körper dicht an sich heran. „Mach deine Augen zu....“ sagte er mit fester Stimme. Sie spürte, wie er seine Hand zärtlich über ihre Wangen fahren ließ und langsam in ihren Nacken schob. Ihre langen Haarsträhnen ließ er sachte über ihre rechte Schulter fallen und legte ihren Kopf etwas seitlich. Mimi konnte seine heißen Lippen auf ihrem Hals spüren. Sofort durchfuhr sie ein angenehmer Schauer und sämtliche Härchen an ihrem Arm stellten sich auf. Mit einem genüsslichen Seufzer, legte sie ihre Hände in seinen Nacken und drückte seine Lippen dichter an ihre Haut. Ihn so nah bei sich zu spüren fühlte sich wundervoll an. Tai drückte sie sanft nach hinten und somit legte sich Mimi auf ihren Rücken. Während seine Lippen noch immer ihren pulsierenden Hals liebkosten, wanderte seine Hand langsam über ihr Dekolleté und dabei kaum merklich über ihre Brüste. Die junge Frau bäumte sich lustvoll unter seinen Streicheleinheiten auf und hielt ihre Augen weiterhin fest verschlossen. Ihre Sinne konzentrierten sich einzig und allein auf seine Berührungen. Die dunkelbraunen Augen des jungen Mannes, musterten jede Regung ihres wunderschönen Gesichts und ihm wurde immer bewusster, wie sehr er diese Frau begehrte. Bereitwillig ließ sie seine Hand passieren und spürte, wie er diese langsam unter den Stoff ihres Oberteils schob. Sofort zog sich ihr Bauch zusammen und eine Gänsehaut überkam ihren gesamten Oberkörper. Vorsichtig legte er seine Lippen auf ihren nackten Bauch. Mimi zuckte erschrocken zusammen und musste etwas grinsen, da es kitzelte. Seine kraftvollen Hände schoben sich an ihrer Seite hinauf. Es geschah im Bruchteil einer Sekunde, als er ihr plötzlich das Shirt über den Kopf zog und beide Hände um ihre wohlgeformten Brüste legte. Nach dem Duschen hatte sie sich nichts weiter unter ihr T-Shirt gezogen und somit schmiegten sich seine Lippen sofort an ihre weiche nackte Haut und Mimi konnte nicht anders, als unter seinen verführerischen Berührungen lustvoll zu stöhnen. Die junge Frau krallte ihre Hände in sein zerzaustes braunes Haar und drückte ihn fester an ihren bebenden Körper. Genießerisch umfassten seine Lippen die empfindlichen Knospen ihrer Brüste. Seine Hände ließen unterdessen von ihren weiblichen Rundungen ab und schoben sich unter ihren Hintern. Ohne weiteres zog er ihre kurze Schlafpanty, inklusive Slip herunter. In diesem Moment riss Mimi erschaudert ihre Augen auf und zog an seinem Haar. „Was tust du da...“ stotterte sie, wohl wissend, dass sie hier mitten im Freien lagen. Taichi ließ von ihr ab und beugte sich über ihr Gesicht. Zärtlich und zugleich voller Begierde lächelte er sie an. „Ich bringe das zu Ende, was wir heute früh angefangen haben. Außer du möchtest es nicht...“ flüsterte er und legte sehnsüchtig seine Lippen auf ihre. Keuchend erwiderte sie seinen fordernden Kuss und schloss ihre Augenlider nur zu gern. Mimi schlang ihre Arme um ihn und spürte, wie seine rechte Hand langsam zwischen ihre Oberschenkel fuhr. Ganz zärtlich und sanft erkundete er zunächst die Innenseite ihrer Schenkel, bis er dann schließlich zwei Finger in ihre heiße Mitte gleiten ließ. Er drang nicht in sie ein, sondern verwöhnte ihren empfindlichsten Punkt sanft mit seinem Mittelfinger. Seine Zunge bohrte sich derart stürmisch und kraftvoll in ihren Mund, dass sie immer wieder erstickt keuchen musste. Abrupt löste er den Kuss mit ihr und wanderte mit seinen Lippen über ihre weiche Haut, hinab zu ihrem Bauchnabel. Verwirrt sah sie zu ihm hinunter und bemerkt erst viel zu spät, dass er mit seiner Zunge zwischen ihre Beine glitt. Mit einem innigen unterdrückten Aufschrei, bäumte sie sich ihm entgegen, als sie seine Zunge an ihrer heißen Weiblichkeit spürte. Mit kreisenden Bewegungen verwöhnte er ihren empfindlichsten Punkt und hielt sie somit stetig am Rande des Höhepunkts. Es raubte ihr sämtliche Sinne. In völliger Ekstase schob sie ihre Finger zwischen ihr eigenes Haar und hob ihre Hüfte, in rhythmischen Abständen, seinem Gesicht entgegen. Dem jungen Mann gefiel es sehr, dass er ihre Lust derart anheizen konnte. Er wollte sie noch ein wenig länger hinhalten, konnte jedoch nicht widerstehen und verwöhnte sie zusätzlich mit seinen Fingern. Als er mit beiden Fingern in sie eindrang erreichte Mimi, unter einem heftigen lustvollen Keuchen, ihren Höhepunkt. Machtvoll vergruben sich ihre Finger in seinem Nacken und hinterließen tiefe rote Striemen auf seiner Haut. Es fühlte sich so intensiv an, dass ihr gesamter Körper zusammenzuckte. Ihre Füße fingen an zu kribbeln und dieses Gefühl strömte wenige Sekunden später durch jedes ihrer Körperteile. Ungewollt pressten sich ihre Schenkel zusammen und drückten seinen Kopf etwas ein, doch Taichi machte es nichts aus. Zufrieden legte er seinen Kopf auf ihren nackten Bauch und lauschte ihrer immer gleichmäßiger werdenden Atmung. Liebevoll streichelte sie über sein Gesicht und zog ihn sachte zu sich rauf. Ihre Blicke trafen sich und Taichi legte sich vorsichtig auf sie drauf. Zärtlich und mit einem zufriedenen Lächeln streichelte sie ihm einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Seit wann kannst du denn so was?“ fragte sie kess. „Ich bin keine 16 Jahre mehr und jetzt weiß ich auch endlich, was man da unten mit euch Frauen so anstellen soll.“ er erwiderte ihr unverschämtes Grinsen. „Hast du etwa geübt?“ fragte sie leise. In diesem Moment wich er ihrem Blick aus und wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Es war richtig, dass er zwischendurch mit einigen Mädchen etwas hatte, doch das konnte er ihr nicht erzählen. Er konnte ihr nicht sagen, dass er sich, mit bedeutungslosen sexuellen Bekanntschaften, versuchte über sie hinweg zu trösten. Auf einmal spürte er ihre Finger in seinem Nacken. Zärtlich streichelte sie über seine nackte Haut. Ihr Gesicht erstrahlte durch ein sanftmütiges Lächeln. Sie bemerkte, dass es ihm unangenehm war und ihr Freund dieser Frage ausweichen wollte. Deswegen forderte sie keine Antwort ein, schließlich war sein betretenes Schweigen Antwort genug für sie. „Hattest du andere Männer?“ fragte er schließlich und durchbrach die friedliche Stille zwischen den beiden. Erstaunt über seine Frage blickte sie ihn an, doch Taichi konnte ihrem Blick nicht standhalten. In seiner Stimme konnte sie sehr deutlich seine Eifersucht hören. Mimi streichelte ihn noch immer und küsste zärtlich seine Wange. „Warum ist das wichtig?“ fragte sie mit einem zärtlichen Tonfall in der Stimme. „Ich weiß nicht...“ stammelte er unsicher und kniff verkrampft seine Augen zusammen. Irgendwie durchbohrte seine Eifersucht gerade sein Herz. Er wollte nicht, dass ein anderer Kerl sie berührte, küsste oder mit ihr schlief. Allein wenn er jetzt daran dachte, steigerte sich sein Puls und unbändige Wut kroch seinen Magen hinauf. Mimi drückte ihn sachte zurück, bis sich beide gegenüber saßen. Schweigend zog sie ihm sein Shirt über den Kopf und fuhr mit ihren Fingerspitzen seine markanten Brustmuskeln entlang. Leidenschaftlich legte sie ihre Lippen auf seine Haut und folgte ihren Fingern mit ihrer Zunge. Sofort erschauderte sein erhitzter Körper und Taichi gluckste kurz lustvoll auf. Bevor sie ihre Hand unter seine Hose schob, blickte sie zu ihm rauf und sah direkt in seine Augen. Mimis linke Hand fixierte sein Gesicht und hinderte ihn daran, erneut ihrem Blick auszuweichen. „Alles was wir haben, ist dieser eine Moment. Ein einziger Moment der voller Liebe, Freude und Glück sein kann. Doch genauso von Angst,Schmerz und Hoffnungslosigkeit erfüllt sein könnte. Ganz egal, denn die Zukunft kann keiner von uns vorhersagen und an der Vergangenheit können wir nichts mehr ändern.“ Sie hatte soeben seine eigenen Worte wiederholt. Ihm fiel dazu nichts mehr ein und als er ihre kühlen Finger am Schaft seiner Männlichkeit spürte, vernebelten ihm sowieso sämtliche Sinne und er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Keuchend gehorchte er ihr und ließ sich seine Hose ausziehen. Die junge Frau drückte ihn sachte zu Boden und beugte sich über ihn. Ihm fiel es schwer den Blickkontakt zu halten, denn jedes Mal wenn sie ihre Hand auf und ab bewegte, musste er voller Begierde seine Augen zusammenkneifen. Ein letztes Mal beugte sie sich über ihn und hauchte ihm einen sinnlichen Kuss auf die Lippen. Sofort erwiderte er ihr inniges Zungenspiel, doch seine Freundin war nicht besonders gnädig, denn bereits nach wenigen Sekunden löste sie sich von ihm. Ihre leuchtenden goldbraunen Augen trafen seinen Blick. „Denn in Wahrheit ist alles was wir haben, dieser eine Moment...“ Kapitel 6: Die Tage mit dir - Teil III: Vergebung ------------------------------------------------- 01. Juli 2015, Tateyama, Präfektur Chiba Sie schmiegte ihre nackte Haut dicht an seine und zog den dünnen Stoff enger um ihren Körper. Beide hatten sich in eine Decke gekuschelt. Taichi saß auf dem hölzernen Terrassenboden und war an die Hauswand gelehnt. Seine Freundin saß, mit dem Rücken zu ihm zwischen seinen Beinen und kuschelte ihren Kopf an seine Brust. Zärtlich schob er ihr langes hellbraunes Haar über ihre rechte Schulter, damit er ihre linke küssen konnte. Die Dunkelheit wich langsam dem aufkommenden Tageslicht und im Morgengrauen färbte sich der Himmel in den unterschiedlichsten Farbtönen. Sie hatten die gesamte Nacht hier draußen verbracht, jedoch nicht miteinander geschlafen. Stattdessen hatten sie etwas vollkommen anderes miteinander geteilt und Taichi konnte noch immer nicht fassen, dass sie wie zwei Teenager stundenlang wild miteinander rumgemacht hatten, ohne auch nur eine Sekunde daran zu denken, einen Schritt weiter zu gehen. „Sag mal, wie fühlt sich das eigentlich an, dass deine Schwester bald ein Baby bekommt und du dann ein Onkel bist?“ auf ihre Frage musste der Brünette grinsen. „Irgendwie fühlt es sich komisch an. Aber ich glaube, dass es am schlimmsten für Takeru gewesen sein muss.“ „Weshalb? Hat er sich nicht über die Schwangerschaft gefreut?“ „Mhm...nein, das würde ich nicht sagen. Ich glaube vielmehr, dass ich ihn wirklich schlimm zugerichtet habe.“ Mimi musste kichern und küsste seinen Oberarm. „Warum wundert mich das nicht? Man kann deine Feindseligkeit fast schon körperlich spüren, wenn man neben euch sitzt. Du kannst es ihm doch nicht tatsächlich immer noch übel nehmen, dass er mit deiner Schwester zusammen ist?“ „Natürlich kann ich das und noch viel wütender macht mich, dass er sie angefasst und geschwängert hat. Die beiden hätten besser aufpassen müssen, sie sind doch keine Kinder mehr.“ „Genau Tai, sie sind keine Kinder mehr und wenn sich beide dazu entscheiden, mit 20 Jahren ein Kind zu bekommen, dann ist es eine gute und richtige Entscheidung. Findest du nicht?“ „Nein finde ich nicht. Eine solch weitreichende Entscheidung sollte man erst dann treffen, wenn man dazu bereit ist, die Verantwortung für ein Kind und dessen Mutter auch wirklich ein Leben lang zu übernehmen.“ seine Stimme klang unerwartet bissig. „Tai...“ murmelte sie leise und sah ihn erschrocken an. „Entschuldige bitte, aber für mich ist dieses Thema einfach ein rotes Tuch.“ „Aber warum? Ich verstehe es nicht. Sie ist doch deine Schwester und du liebst sie über alles. Sicherlich willst du doch, dass sie glücklich wird.“ Der junge Mann seufzte nachdenklich und kniff seine Augen angestrengt zusammen. Wie hätte er das erklären sollen, warum es ihm so schwer fiel seine Schwester loszulassen und sie einem anderen Mann anzuvertrauen? „Ich glaube ich war zwölf oder dreizehn Jahre alt, als ich mit meiner Schwester und meiner Mutter übers Wochenende in die Therme nach Izu fahren wollte. Im Auto hatte ich mich so heftig mit Hikari gestritten, dass mich meine Mutter zurück nach Hause brachte und alleine mit meiner Schwester nach Izu fuhr...“ Mimi war verwundert, dass Taichi plötzlich anfing etwas aus seiner Vergangenheit zu erzählen. Doch offenbar bewegte es ihn sehr, denn der junge Mann hatte seine Augen geschlossen und sein bislang entspanntes Lächeln wich einem schmerzerfüllten Gesichtsausdruck. Die junge Frau schwieg und streichelte mit ihrem Daumen über seinen Handrücken, denn noch immer lagen seine Hände auf ihrem Bauch. Nach einer kurzen Pause konnte Taichi die richtigen Worte finden und sprach langsam weiter. „Als ich in die Wohnung kam wunderte ich mich, dass im Flur die Schuhe einer Frau standen. Zunächst dachte ich, dass vielleicht eine Arbeitskollegin meines Vaters zu Besuch war, doch weder in der Küche noch im Wohnzimmer saß jemand...“ Eigentlich hatte Taichi gedacht, dass er längst über diese Geschichte hinweg war. Doch es zum ersten Mal jemandem zu erzählen und es laut auszusprechen bereitete ihm tatsächlich körperliche Schmerzen. Als diese Bilder wieder vor seinem inneren Auge erschienen, wurde ihm derart übel, dass Taichi befürchtete sich gleich übergeben zu müssen. „Auf dem Weg in mein Zimmer, kam ich am Schlafzimmer meiner Eltern vorbei und die Tür war einen Spalt breit offen...mein Vater hatte tatsächlich Besuch....“ Mimis goldbraune Augen weiteten sich schlagartig und sie starrte ihren Freund fassungslos an. Er hatte, im Alter von zwölf Jahren, seinen Vater beim Fremdgehen erwischt? Die junge Frau war völlig erstarrt und wusste überhaupt nicht, was sie dazu sagen sollte. „Keine Ahnung wie, aber sie haben mich wohl bemerkt und mein Vater schickte sie dann weg. Stundenlang hat er mit mir geredet und mich darum gebeten meiner Mutter und Schwester nichts zu erzählen. Dann natürlich noch dieses typische dämliche Gequatsche von wegen, es ist nicht das wonach es aussieht bla, bla, bla...“ Voller Wut schüttelte er seinen Kopf und öffnete seine tiefbraunen Augen wieder. Sein entschlossener Blick verwirrte Mimi und sie hörte weiterhin aufmerksam seinen Worten zu. „Ich habe meiner Mutter nichts erzählt. Doch mein Vater hat mein Vertrauen in die Aufrichtigkeit der Liebe und die Verantwortung die eine Ehe mit sich bringt zutiefst erschüttert. Er zwang mich dazu, dieses Geheimnis mit ihm zu teilen, was mich wiederum ebenso zu einem Lügner machte. Er betrog meine Mutter und deshalb fällt es mir einfach schwer, in anderen Männern einen aufrichtigen und gutmütigen Kerl zu sehen. Ich glaube fest, dass auch meine Schwester von Takeru enttäuscht werden wird und dann steht sie ganz alleine mit einem Kind da...“ Taichi biss sie auf seine Unterlippe. „Genauso wie meine Mutter...“ Mit zitternden Fingern streichelte Mimi ihm über seine Wange. Er wirkte mit einem Mal so zerbrechlich und hilflos. Sie wusste nicht, dass auch die Eltern von Tai derartige Krisen in ihrer Ehe durchlebt hatten. Sie wusste, dass Yamato und Takeru innerhalb einer Trennung aufwuchsen, doch Taichi selbst hatte niemals erwähnt, dass es ebenso große Probleme in seiner Familie gab. „Ich kann meinem Vater nicht vergeben und deshalb kann ich meine Schwester einfach nicht los lassen. Meine Angst ist viel zu groß, dass Takeru diese Verantwortung für sie und das Baby nicht tragen wird. Denn mein Vater hat in diesem Moment, auch keinen Gedanken an seine zwei Kinder verschwendet.“ Mimi drehte ihm wieder ihren Rücken zu und kuschelte sich an ihn. „Du vertraust ihm nicht. Weder deinem Vater noch dem Freund deiner Schwester. Doch was viel schlimmer ist, du vertraust dir selbst nicht.“ sie hatte ihre Worte klar und bestimmt gewählt. „Tai, du hast nichts falsch gemacht. Dein Vater ist hier der Schuldige...“ „Nein. Ich habe dieses Geheimnis bewahrt und damit riskiert, dass meine Mutter erst viel später dahinter kam. Denn natürlich hörte diese Affäre nicht auf. Kurz nach dem Tag am Strand mit dir, trennten sich meine Eltern und wir lebten einige Zeit alleine mit meiner Mutter in der Wohnung. Aber das Leben ist schwer für eine alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Irgendwann hat mein Vater sie wieder weich gekriegt und sie versöhnten sich. Wenn ich von Anfang an etwas gesagt hätte, dann hätte meine Mutter sich vielleicht zeitiger von ihm lösen können und wäre nicht immer wieder so von ihm enttäuscht und verletzt worden.“ Ein Vater war das ultimative Vorbild für jeden jungen Mann und Taichi hatte ganz offensichtlich ein sehr schlechtes. „Wie würdest du entscheiden, wenn du an der Stelle von Takeru wärst? Würdest du Verantwortung für die Frau und das Kind übernehmen?“ ihre Stimme klang zart und leise. Mit einem bitteren Lächeln löste er seine Hände von ihren. „Mimi, ich konnte damals keine Verantwortung für mein eigenes Handeln übernehmen, wie sollte ich es jetzt können?“ Schließlich hatte er sich wie der letzte Arsch verhalten. Erst hatte er mit Mimi geschlafen und sich dann nicht mehr bei ihr gemeldet. Er hatte sie von sich gestoßen und sie damals mit ihren Sorgen und Nöten alleine gelassen. Er war ein schlechter Freund und ein noch viel schlechterer Liebhaber. Auf seine Aussage schwieg die junge Frau, denn sie hätte nichts ergänzen können. Doch eine Sache lag ihr auf dem Herzen. „Vielleicht hast du recht, mit dem was du sagst. Aber heute ist es anders. Heute bist du hier bei mir und versuchst deine Fehler wieder gut zumachen. Damit übernimmst du Verantwortung und ich glaube auch, dass Takeru an Stärke und Reife gewinnen wird, um deine Schwester glücklich zu machen. Er wird ein guter Vater, denn er hat ein gutes männliches Vorbild...“ Taichi zog ungläubig seine rechte Augenbraue nach oben. „Wen denn? Du meinst doch nicht etwa Yamato. Ich wüsste nicht inwieweit der ein gutes männliches Vorbild sein sollte.“ Mit einem verschmitzten Grinsen schüttelte Mimi ihren Kopf. Yamato war vielleicht wirklich nicht das beste Vorbild für einen jungen Mann. Er hatte vor seiner Beziehung zu Sora wahnsinnig viele Liebschaften und auch während der Beziehung zu ihr, hatte es immer mal wieder kurze Pausen gegeben, die sich der Blondschopf mit anderen Frauen versüßte. „Nein, ich meine nicht Yamato. Ich meine dich! Du bist ein gutes und starkes männliches Vorbild für ihn. Er kennt dich schon so lange und du bist der ältere Bruder seiner großen Liebe. Ich glaube, dass Takeru zu dir aufsieht und er sehr viel Wert auf deine Meinung legt. Er will es dir immer recht machen und schafft es einfach nicht.“ „Er kann es mir auch nicht recht machen, wenn er Sex mit meiner Schwester hat!“ fauchte Taichi und freute sich dennoch über die Worte seiner scharfsinnigen Freundin. Es imponierte ihm, dass Mimi ihn soeben als starkes männliches Vorbild bezeichnet hatte. Die junge Frau verdrehte seufzend ihre Augen und stieß ihm absichtlich ihren Kopf gegen die Brust. Plötzlich war sie sich nicht mehr so sicher, ob er wirklich irgendwann erwachsen werden und seine Schwester los lassen könnte. Doch viel wichtiger erschien ihr im Moment die Frage, ob er seinem Vater jemals vergeben könnte. Denn Mimi stellte sich genau die selbe Frage. Wann könnte sie ihrem Vater jemals verziehen? Warum war es so verdammt schwer, jemandem zu vergeben von dem man verletzt worden war? „Sag mal, warum ist es nicht zeitiger passiert?“ fragte er mit leiser Stimme und legte seine Hände doch wieder auf ihren nackten Bauch. „Was meinst du?“ Mimi legte ihren Kopf etwas schräg, damit sie ihn ansehen konnte. „Dein erstes Mal. Das war doch mit mir. Warum so spät? Du bist doch schon 18 gewesen.“ „Du stellst komische Fragen. Ist doch vollkommen egal warum. Es gab halt vorher keine Gelegenheit...“ stammelte sie errötend und wich seinem Blick aus. Wieso stellte er ihr plötzlich so eine dämliche Frage? Sie waren doch gerade noch bei einem völlig anderen Thema gewesen. „Du lügst. Als hättest du zuvor keine Gelegenheit gehabt. Ich glaube du hättest dir aus tausenden Männern, den Einen aussuchen können.“ „Das habe ich auch.“ Sie lächelte zufrieden und schloss ihre Augen. Mit dieser Antwort hatte er überhaupt nicht gerechnet. Sofort färbten sich seine Wangen rot und er starrte ihr unaufhörlich ins Gesicht. Sein Herz hämmerte gegen seine Brust und ihr aufrichtiges Geständnis warf ihn vollkommen aus der Bahn. Mimi schob ihre Finger zwischen seine und drückte seine kräftigen Hände gegen ihren Bauch. Tai wollte ebenso ehrlich zu ihr sein. Auch er hatte zuvor zahlreiche Gelegenheiten gehabt, doch er konnte mit keiner der anderen Mädchen weiter gehen. In dieser Nacht vor vier Jahren, ist es schließlich völlig unverhofft mit Mimi passiert. Aber so sehr er es wollte, er konnte es ihr nicht offenbaren. Taichi brachte es einfach nicht übers Herz, ihr zu gestehen, dass sie die erste Frau war, mit der er geschlafen hatte. „Mit wem hattest du denn dein erstes Mal?“ sie brauchte ihn nicht anzusehen um zu wissen, dass ihre Frage ihn verlegen machte. Sie bekam keine Antwort von ihm und wunderte sich darüber. Mimi öffnete ihr Augen und beugte sich etwas zur Seite, damit sie ihn ansehen konnte. Sein Blick wirkte abwesend und beinahe verletzt. Vorsichtig legte sie ihre Hand an seine Wange und riss ihn aus seinen Gedanken. „Was ist mit dir? Ich wollte keine alten Wunden aufreißen oder schlechte Erinnerungen wecken...“ flüsterte sie besorgt. „Warum bist du gegangen?“ seine Frage hallte durch die Stille des nahenden Sonnenaufgangs. Sie zog sofort ihre Hand zurück und ihr zärtlicher Blick wurde sofort düster. „Was soll das? Warum stellst du mir diese Frage? Ist jawohl nicht dein Ernst?“ ihr wütender Tonfall sagte ihm bereits alles und dennoch, bestand er auf eine Antwort. „Du bist im Sommer 2012 gegangen und hast dich dazu entschieden, dein Studium in den USA zu absolvieren. Wenn es tatsächlich etwas mit mir zu tun hatte, dann hättest du viel eher gehen können...“ „Nein. Ich wollte meine Schule wenigstens beenden und mir nicht auch noch das von dir zerstören lassen!“ ihre bösartigen Worte unterbrachen ihn und Tai musste hart schlucken. „Beantworte mir meine Frage. Warum bist du gegangen?“ Sie konnte nicht glauben, dass er so hartnäckig blieb. Seine Dreistigkeit brachte sie zum kochen. Mimi löste sich aus seiner Umarmung und beugte sich etwas nach vorne. Im Moment wollte sie nicht, dass er sie berührte. „Du stellst die falschen Fragen! Vielmehr solltest du dich fragen, warum du mich nicht aufgehalten hast. Wenn dir unsere Freundschaft so wichtig gewesen ist, weshalb konntest du mich so schnell los lassen? Du sprichst von Verantwortung und davon, dass weder dein Vater noch Takeru jemals Verantwortung für jemand anderen übernehmen können. Warum konntest du mich ohne weiteres einfach gehen lassen? Warum hast du keine Verantwortung dafür übernommen?“ Er spürte, dass sie sich immer weiter von ihm löste und seinen Berührungen auswich. Taichi fuhr sich übers Gesicht und seufzte leise. Es gab nichts zu diskutieren. Mimi hatte, mit dem was sie sagte, völlig recht. „Ich habe dich niemals los gelassen. Ich bin feige gewesen...“ Tai konnte ihre Fragen nicht abschließend beantworten. Ihm fehlten einfach die richtigen Worte. „...Eine Entschuldigung wäre jetzt auch nicht das, was du hören willst. Außerdem hast du mehr verdient als bloße Worte...“ er flüsterte beinahe und legte seine Hand vorsichtig auf ihren nackten Rücken. Schweigend erhob sie sich und schlang die dünne Decke komplett um ihren zierlichen Körper. Traurig blickte er zu ihr rauf und griff nach ihrer Hand, doch Mimi stieß diese von sich weg und ging nach drinnen. Selbst wenn sie jetzt besser verstand, warum Taichi so unsicher war und offenbar mit seiner eigenen Vergangenheit, ein schweres Päckchen zu tragen hatte, so konnte sie ihm einfach nicht verzeihen. Mimi war noch nicht soweit, zu tief saßen die Wunden, zu sehr war ihr Herz gebrochen. Seufzend sammelte Taichi die restlichen Kleidungsstücke vom Boden und zog sich seine Unterhose an. Der junge Mann begab sich ebenfalls nach drinnen und bemerkte, dass seine Freundin ins Badezimmer gegangen war. Er selbst wusste genau, dass es jetzt nichts bringen würde, mit ihr zu sprechen. Deshalb ging er nach oben und legte sich vollkommen erschöpft in sein Bett. Die junge Frau hingegen saß noch eine ganze Weile alleine im Badezimmer und versuchte die Erinnerungen an diesen Abend zu vergessen. Sie wollte sich nicht an den Grund erinnern, warum sie im Herbst 2012 Japan verlassen hatte und Hals über Kopf in die USA geflüchtet war. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Es war einer der ersten Tage im August 2012 und die Regenzeit war gerade vorüber gegangen, als sich die acht Freunde in einem Hotel direkt am Strand niedergelassen hatten. Dieses Jahr hatte Sora die glorreiche Idee gehabt, den gemeinsamen Tag in Izu zu verbringen und gemeinsam einige Tage am Strand zu faulenzen. Nach dem turbulenten Schulabschluss von Mimi und Koushiro kamen ein paar ruhige Tage gerade richtig. Taichi versuchte jede Möglichkeit zu nutzen und ging Mimi größtenteils aus dem Weg. Problematisch war jedoch, dass er ebenso seinen Freunden Yamato und Sora auswich, da er überhaupt nicht damit zurecht kam, dass diese ständig aneinander hingen. Der junge Yagami empfand es als absolut unnötig, dass die beiden auch noch in einem gemeinsamen Zimmer schliefen. Und als wäre das alles nicht genug gewesen, spazierten seine Schwester und Takeru ständig fummelnd und knutschend vor ihm herum. Es blieb ihm überhaupt nichts anders übrig, als sich in diesen drei Tagen dem Alkohol hinzugeben. Nach einem nervigen Vormittag am Strand hatte er sich an der Hotelbar niedergelassen und versuchte seinen Kummer zu ertränken, was ihm mehr oder weniger auch gelang. Glücklicherweise teilte er sich ein Zimmer mit Koushiro. Denn der scharfsinnig Rotschopf zeigte wenig Interesse an dem aufgewühlten Gefühlsleben seines brünetten Freundes und stellte dementsprechend keine bohrenden Fragen. Damit Takeru die Finger von Hikari ließ, hatte Taichi diesen im Zimmer von Joe einquartiert. Seine Schwester teilte sich deswegen leider ein Zimmer mit Mimi. „Mimi...“ murmelte er bei diesem Gedanken und fuhr sich mit beiden Händen durch sein verschwitztes Haar. Seit seinem Geburtstag im vergangenen Jahr, hatten sie kein Wort mehr miteinander gesprochen. Sein Studium lief insoweit ohne Probleme und es lenkte Taichi von seinem beschissen Gefühlschaos ab. Dennoch hatte sich nichts daran geändert. Er fühlte sich einfach wahnsinnig alleine. Alle um ihn herum schienen ihr Glück zu finden. Seine Schwester führte eine feste Beziehung, welche immer ernster wurde und auch Yamato und Sora schienen sich endlich auf etwas verbindliches geeinigt zu haben. Nur ihm gelang es nicht, sich darüber klar zu werden was er denn eigentlich wollte. Es gelang ihm nicht, auch nur drei Sätze mit Mimi zu wechseln, ohne dass sich die beiden beschimpften. Einfach alles war die reinste Katastrophe. Wütend setzte er das nächste Glas an seine Lippen und leerte es in einem Zug. Er wollte einfach alles vergessen, nicht mehr an sie denken, sie los lassen, sein Glück in den Armen einer anderen Frau finden, selbst wenn es nur für eine Nacht wäre. „Ich gehe noch ein paar Bahnen schwimmen und ich möchte dich nicht bei irgendwas mit irgendwem erwischen, wenn ich wieder komme! Bitte behaltet eure Finger bei euch! Bis gleich Hikari.“ mit einem breiten Grinsen verließ Mimi das gemeinsame Zimmer und begab sich in den unteren Teil des Hotels. Heute Vormittag am Strand war sie überhaupt nicht dazu gekommen ein wenig zu schwimmen. Die Wellen im Meer waren viel zu hoch und darüber hinaus hatte sie sich viel zu sehr über diesen dämlichen Vollidioten geärgert. Was mischte der sich überhaupt ständig in ihre Gespräche ein? Ständig ging er dazwischen wenn sie sich mit anderen Männern unterhielt oder am Strand mit Joe und Koushiro herumalberte. Vorzugsweise warf er ihr dann beleidigende Sprüche an den Kopf oder schubste sie beim Volleyballspiel unsanft zur Seite. „Dämlicher Blödmann, kümmere dich doch um deine eigenen Sachen...“ murmelte sie und legte ihr Handtuch auf eine der Poolliegen. Der kleine Innenbereich war vollkommen menschenleer, da sich alle beim Abendessen befanden. Ihr Blick fiel auf eine andere Liege. Verwundert musterte sie die wenigen Bekleidungsstücke, welche sich darauf befanden. Es handelte sich um eine türkisfarbene Badehose und das Oberteil eines violetten Bikinis. Das passende Höschen fand Mimi schließlich auf dem Fußboden und blieb erschrocken vor einer der Umkleidekabinen stehen. Errötend nahm sie zur Kenntnis, dass sich zwei Personen hinter der dünnen Trennwand befanden und ganz offensichtlich großen Spaß miteinander hatten. Stolpernd eilte Mimi zurück und schnappte sich ihr Handtuch. Dabei fiel ihr Blick nochmals auf die Badehose. Sie hatte diese Hose heute schon einmal gesehen. Taichi trug diese heute Vormittag am Strand. Sie hatte sich noch über dieses dämliche Muster lustig gemacht und ihn damit aufgezogen. Ein beißender Schmerz durchzog ihren Körper. Kaum merklich schossen ihr die Tränen in die Augen. Eigentlich wollte sie einfach nur verschwinden, diese Scham nicht länger ertragen, dieses pulsierende Stechen in ihrer Brust ignorieren. Doch sie konnte nicht anders, als sich noch einmal umzudrehen. Laut und deutlich konnte sie das lustvolle Stöhnen des Pärchens hören. Ihre schmalen Finger krallten sich in den weichen Stoff ihres Handtuchs und ihre salzigen Tränen tropften unaufhaltsam auf ihren knöchernen Handrücken. Warum tat er das? Wie konnte er sich einfach mit einem anderen Mädchen vergnügen und warum musste sie es auch noch mitbekommen? Hatte er sie denn nicht schon genug erniedrigt und verletzt? Irgendwann gelang es Mimi, aus ihrer Schockstarre zu erwachen und den Poolbereich zu verlassen. Wütend riss sie die Zimmertür auf. Mit einem schrillen Schrei sprang Joe zur Seite und hielt sich ein Kissen vor seine entblößte Männlichkeit. „Mimi! Kannst du vielleicht anklopfen? Ich bin nackt! Was willst du?“ schrie er und hüpfte nervös einige Schritte nach hinten. „Ach bleib locker, du hast da unten nichts, was ich nicht schon längst woanders gesehen habe!“ ihre Stimme klang ungewollt bissig und sofort wendete sie ihren Blick von ihrem nackten Freund ab. Vom Aufschrei seines Zimmergenossen alarmiert, kam Takeru aus dem Badezimmer. Er hatte sein Handtuch um die Hüften gewickelt und musterte ratlos die Szene zwischen Mimi und Joe. „Du! Mitkommen!“ fauchte die junge Frau in einem dominanten Tonfall und winkte den Blondschopf mit ihrem Zeigefinger zu sich. Takeru wusste überhaupt nicht, was hier vor sich ging und folgte der Anweisung von Mimi. Er kam zu ihr und wurde plötzlich am Handgelenk gepackt und hinter ihr her gezogen. „Was...was soll das?“ murmelte er und hielt sich krampfhaft sein Handtuch fest, damit es nicht runter rutschte. Die junge Frau öffnete ihre eigene Zimmertür und beförderte den Jüngeren ins Zimmer. Wortlos platzierte sie ihn auf ihrem Bett und holte ihre Reisetasche aus dem Schrank. Hastig beförderte sie ihre Kleidung in die Tasche und zog sich ihre Jeans über. Aus dem Seitenfach ihres Schminkbeutels nahm sie einige Kondomverpackungen und drückte sie dem Blondschopf in die Hand. Noch immer entsetzt starrte Takeru seine Freundin an. „Ich werde jetzt abreisen und du wirst heute hier übernachten!“ Mimi schob gerade ihre Arme durch ihr knappes Shirt und schlüpfte in ihre Sandaletten. „Was?“ keuchte Takeru beinahe erstickt und sah auf die kleinen glänzenden viereckigen Verpackungen in seiner Hand. Mimi ging rüber zur Badezimmertür und klopfte. „Hikari, ich muss jetzt unverhofft nach Hause. Takeru sitzt auf meinem Bett und wartet auf dich. Nutzt eure Chance, dein dämlicher Bruder weiß nämlich nichts davon...“ Sie ging zurück zu Takeru und zwinkerte ihm zweideutig zu, als sie ihre Tasche vom Bett nahm. „Ich wünsche euch viel Spaß.“ mit diesen Worten verließ sie das Zimmer. Ohne ein Wort des Abschieds fuhr Mimi noch am selben Abend mit dem nächsten Zug zurück nach Tokyo. Der Schmerz über seinen Verrat saß so unendlich tief, dass sie nicht mehr sagen konnte, wann sie aufhörte zu weinen. Ihr war bewusst, dass Taichi stets darauf bedacht war, dass seine Schwester und Takeru niemals miteinander alleine waren. Somit war das ihre Rache an ihm, denn als Hikaris beste Freundin wusste Mimi genau, wie sehr sich die Jüngere nach gemeinsamer und ungestörter Zeit mit ihrem Freund sehnte. Diese Nacht verbrachten Takeru und Hikari tatsächlich miteinander. Somit ging Mimis Plan auf, denn als Taichi davon erfuhr, dass Takeru im Zimmer seiner Schwester übernachtet hatte, war er unsagbar wütend und gab Mimi für alles die Schuld. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Am nächsten Morgen stand Mimi bereits streitend im Wohnzimmer. Die Sturheit ihrer Großmutter trieb sie gerade an den Rande der Verzweiflung. „Sie hat aber gesagt, dass sie heute nicht kommen kann und wir deswegen ins Krankenhaus fahren sollen. Jetzt sei halt nicht so stur!“ ihre Stimme klang gereizt. „Das interessiert mich nicht. Was soll ich denn in diesem Krankenhaus? Ich will das nicht, dass mir ständig irgendwelche Gerätschaften in die Venen gebohrt werden.“ Kimiko leerte den letzten Schluck ihrer Teetasse und sah ihre Enkelin gleichgültig an. Mimi trug einen kurzen Jeansrock und dazu ein rotes Spitzentop. Ihre langen hellbraunen Haare hatte sie zu einem kunstvoll geflochtenen Zopf hochgesteckt. Ihre Nacht war kurz und der Anruf von Dr. Asuna Watanabe hatte sie endgültig aufgeweckt. Die Ärztin berichtete Mimi, dass sie heute soviel im Krankenhaus zu tun hätte, dass sie unmöglich zum Hausbesuch vorbei kommen und Kimiko untersuchen könnte. Sie bat die junge Frau deswegen darum, gemeinsam mit ihrer Großmutter ins Krankenhaus zu fahren. „Sie möchte aber mit dir über deine Blutergebnisse sprechen. Warum ist es dir so egal?“ verzweifelt gestikulierte Mimi mit ihren Händen und versuchte ihrer Großmutter die Notwendigkeit der Untersuchung deutlich zu machen. „Also wirklich alte Frau, was soll diese Diskussion? Wenn du deinen Garten heute noch auf Vordermann gebracht haben möchtest, dann solltest du deinen Hintern unverzüglich ins Auto schwingen und mit ins Krankenhaus fahren...“ Grinsend musterte der junge Mann die beiden Frauen und begab sich schnurstracks in den Flur, damit er seine Schuhe anziehen konnte. Seine Worte waren bewusst unverschämt und er musste sich wahrhaftig das Lachen verkneifen, als er die erschrockenen Blicke von Mimi und Kimiko mitbekam. Das lautstarke Wortgefecht der beiden Frauen hatte ihn aufgeweckt und beide hatten nicht einmal mitbekommen, dass er an ihnen vorbei ins Badezimmer gelaufen war. Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht erhob sich die ältere Dame aus ihrem Sessel und folgte ihrem männlichen Gast in den Flur. Völlig fassungslos starrte Mimi ihr hinterher und konnte nicht glauben, dass die große Klappe ihres Freundes tatsächlich dafür gesorgt hatte, dass sich ihre Großmutter umentschied. „Ihr seid wohl neue beste Freunde?“ zischte sie zynisch und sah zu ihrem Freund, als dieser das Auto aufschloss. „Bist du etwa eifersüchtig?“ Tai grinste sie nur frech an und stieg ins Auto. „Das hättest du wohl gern du selbstgefälliger Vollidiot!“ Mimi half ihrer Großmutter beim einsteigen und platzierte sich bewusst neben ihr auf dem Hintersitz. Die junge Frau hatte keine Lust neben Taichi zu sitzen, denn sie war noch immer wütend auf ihn. Er seufzte angestrengt, kommentierte die Aussage seiner Freundin jedoch nicht und fuhr los. Kimiko blickte aufgeweckt aus dem Fenster und zeigte Mimi einige Orte, an denen sie mit ihr als kleines Mädchen häufig gespielt hatte. Mit einem sanftmütigen Lächeln lauschte die junge Frau den Erzählungen ihrer Großmutter und konnte sich sogar an manche Geschichten zurückerinnern. Die ältere Dame schien in den letzten Wochen nicht sehr häufig das Haus verlassen zu haben, denn sie wirkte vollkommen aufgeregt und nervös, als die drei das Krankenhaus erreichten. „Ich brauche Ihre Hilfe nicht! Ich kann alleine laufen...“ schimpfte sie einen der männlichen Pfleger an und stolzierte geradewegs durch den Empfangsbereich. Kimiko wusste genau, wo sich das Büro ihrer langjährigen Freundin und behandelnden Ärztin befand. Mimi und Taichi folgten der ergrauten Dame schweigend und beobachteten die Reaktionen des Personals. Offenbar kannten sehr viele Angestellte des Krankenhauses Kimiko noch aus alten Zeiten, denn schließlich hatte sie über 40 Jahre hier gearbeitet. „Ihr setzt euch brav hier draußen hin und wartet bis ich fertig bin. Es werden keine Exkursionen durch das Krankenhaus angestellt, habt ihr verstanden?“ Kimiko grinste unverschämt als sie die errötenden Gesichter ihrer Enkelin und ihres männlichen Begleiters sah. „Was soll das heißen? Wie sprichst du denn mit uns? Als wären wir kleine Kinder.“ murmelte Mimi beleidigt und setzte sich gehorsam auf einen der Wartestühle. Taichi musste sich sein Lachen verkneifen und nahm ebenfalls neben Mimi Platz, als Kimiko das Zimmer von Dr. Asuna Watanabe betrat. Der weitläufige und dunkle Flur im sechsten Stockwerk des Krankenhauses war menschenleer. Alles wirkte so kühl und verlassen. Der beißende Geruch von chlorhaltigen Putzmitteln kroch beiden Freunden in die Nase. Mimi fühlte sich wahrlich unwohl und wollte so schnell wie möglich wieder nach draußen. Sie lehnte sich etwas nach vorne und stützte ihre Ellenbogen auf ihren Oberschenkeln ab. Nachdenklich starrte sie auf die gegenüberliegende Wand. Ungeduldig fing sie an mit ihrem rechten Fuß zu wippen. Irgendwie war sie plötzlich doch sehr um den Gesundheitszustand ihrer Großmutter besorgt. Was sollte sie nur tun, wenn die Werte schlecht waren? Wie sollte sie ihre Großmutter bis zum Ende begleiten? Was hätte sie dabei zu beachten? Wollte Kimiko sie überhaupt dabei haben? Zahllose Gedanken schossen ihr durch den Kopf, als sie plötzlich eine warme Hand auf ihrem Knie spürte. Mimi zuckte sofort zusammen und drehte ihren Kopf zur Seite. Mit einem liebevollen Lächeln betrachtete der brünette junge Mann die tiefen Falten auf ihrer Stirn. „Zerbrich dir nicht deinen hübschen Kopf, es wird schon alles gut sein und selbst wenn nicht, dann finden wir gemeinsam einen Weg, wie es dann weitergehen kann.“ Taichi seufzte genervt und presste seine Finger etwas fester gegen ihr Knie. „Und um Himmelswillen, hör auf so nervös mit deinem Fuß zu wippen! Du machst mich damit wahnsinnig.“ Mimi blies ihre Wangen auf und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Wand. Erst sagte er so einfühlsame Worte und dann machte dieser dämliche Spruch wieder alles kaputt. Taichi blieb einfach ein unbeholfener Kindskopf. „Du bist einfach unmöglich...“ grummelte sie zickig und sog die Luft scharf durch ihre Lippen. „Wieso denn schon wieder ich? Du bist jawohl unmöglich! Mich heute früh einfach so stehen zu lassen ohne meine Frage zu beantworten.“ Wütend zog sie ihre Augenbrauen hinab und fixierte ihn mit einem vorwurfsvollen Blick. „Deine Frage war dämlich. Ich kann überhaupt nicht glauben, dass du jetzt schon wieder damit anfängst.“ „Hör auf damit! Wir hatten uns etwas versprochen, wir wollten herausfinden, was das zwischen uns ist. Dafür muss ich wissen, warum alles so gekommen ist, wie es jetzt ist. Warum kannst du es mir nicht sagen? Was war der Grund? Warum bist du einfach gegangen?“ seine Stimme klang ruhig und sein zorniger Blick wich einem fast schon flehenden Gesichtsausdruck. Mimi konnte nicht anders, sie wich seinem Blick aus und kniff ihre goldbraunen Augen verzweifelt zusammen. Wie sollte sie ihm das nur erklären? Bis heute hatte sie selbst keine Worte dafür gefunden und ihm jetzt zu beichten, dass der Grund ihrer überstürzten Flucht in die USA war, dass sie ihn in flagrantie mit einer anderen Frau beim intimen Beisammensein erwischt hatte, brachte sie einfach nicht über die Lippen. „Hatte es was mit unserem jährlichen Treffen im Sommer in Izu zutun? Du bist am zweiten Abend einfach abgereist, ohne dich zu verabschieden und danach hieß es, du hättest die Zusage der Boston University bekommen und würdest in den USA studieren...“ Es gelang ihm nicht, seinen Satz zu beenden. Mimi fiel ihm abrupt ins Wort, denn sie konnte die aufflammenden Erinnerungen an diesen Zwischenfall am Pool nicht länger ertragen und wollte so schnell wie möglich dieses Thema beenden. „Du hast dich an diesem Wochenende einfach unmöglich verhalten. Ich hatte keine Lust mehr, ständig mit dir zu streiten und da bin ich lieber zurück gefahren.“ Erstaunt hielt Taichi inne und starrte seine langjährige Freundin an. „Ich habe mich unmöglich verhalten? Was ist denn mit dir? Du bist genauso ekelhaft gewesen und hast sogar absichtlich Takeru im Zimmer meiner Schwester übernachten lassen, nur um mir eins auszuwischen. Wie würdest du das bitte nennen?“ „Ach krieg dich mal ein! Du übertreibst es sowieso mit deinem exorbitanten Beschützerinstinkt.“ „Wie bitte? Ich stelle mir schon etwas Besseres für meine Schwester vor, als dass sie ihre Unschuld in einem mittelmäßigen Hotelzimmer verliert...“ „An diesem Abend hat sie gewiss nicht ihre Unschuld verloren. Da gab es bereits zuvor weitaus mehrere Gelegenheiten, von denen du überhaupt nichts weißt! Und warum nicht? Weil sie es dir niemals erzählen würde, weil du wie eine Bombe in die Luft gehen würdest. Was spielst du dich überhaupt so auf? Du bist doch viel schlimmer, vögelst mit irgendwelchen Weibern herum. Deine Schwester hat wenigstens seit langer Zeit einen festen Freund...“ Jetzt war das Maß wahrlich voll. Taichi konnte das nicht aushalten. Er sprang von seinem Stuhl auf und stellte sich vor Mimi. Wütend stieß er gegen ihre Schulter und schubste sie somit etwas nach hinten. „Was fällt dir überhaupt ein? Was erzählst du für einen blöden Scheiß und lass jetzt verdammt nochmal meine Schwester da raus. Hier geht es überhaupt nicht um meine Schwester, sondern um ein Problem, das du mit mir hast! Was unterstellst du mir eigentlich?“ plötzlich klang seine Stimme überhaupt nicht ruhig. Taichi war absolut aufgebracht und musste seine Wut wahnsinnig stark kontrollieren, damit er nicht vollkommen ausrastete. In ihm entflammte ein unbeschreibliches Feuer und noch nie zuvor hatte er sich so angegriffen von Mimi gefühlt. Als er sie nach hinten schubste, riss Mimi ihre Augen erschrocken auf und schlug seine Hand von sich weg. Sofort stand sie auf und stieß ihn ebenso nach hinten. Er sollte nicht den Eindruck bekommen, dass sie sich von seinem latent aggressiven Verhalten einschüchtern ließ. „Du bist so ein beschissener Lügner! Kannst du morgens überhaupt in den Spiegel schauen, ohne dich selbst anzuwidern? Ich habe dich gesehen mit ihr! An diesem Abend, unten am Pool. Du hast es mit ihr in der Umkleidekabine getrieben. Dir sind doch die Gefühle aller anderen Menschen um dich herum vollkommen egal. Du spielst dich als großer Beschützer auf, willst jeden Kummer und Schmerz von deiner Schwester fernhalten und was tust du mit mir? Was tust du mir an?“ Mit einem Mal brach ihre sonst so kräftige Stimme ab. Den Tränen nahe, ballte Mimi ihre Hände zur Faust und rang nach Atem. Ihre langen Fingernägel bohrten sich so tief in das Fleisch ihrer Handflächen, dass sie keuchend ihre Lippen aufeinander presste. Dennoch weinte sie nicht. Die junge Frau blieb standhaft und wich seinem Blick zu keiner Sekunde aus. Seine tiefbraunen Augen waren vollkommen leer und Taichi suchte verzweifelt nach Worten. Das, was sie gerade zu ihm gesagt hatte, traf ihn hart und unvermittelt. Noch nie, hatte sie ihm so direkt ins Gesicht gesagt, wie sehr er sie verletzt hatte. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich schonungslos damit konfrontiert und konnte damit überhaupt nicht umgehen. Es waren drei Schritte, bis er die Wand in seinem Rücken spürte. Hätte er sich nicht irgendwo anlehnen können, so hätte er wahrscheinlich das Gleichgewicht verloren und wäre in den tiefen Abgrund, welcher sich unmittelbar vor ihm auftat, gestürzt. Nach Atem ringend schüttelte er seinen Kopf und suchte in ihren wässrigen Augen nach der Antwort auf all seine Fragen. „Ich habe nicht...“ versuchte er seinen Satz zu beginnen, doch Mimi ließ es nicht zu. „Nein! Ich will es nicht hören. Es interessiert mich auch überhaupt nicht, mit wem und wie vielen Frauen zu zusammen gewesen bist. Mit wem du wie und wann geschlafen hast...“ Auf einmal packte er sie an ihren nackten Schultern und presste sie mit einem kraftvollen Stoß gegen die gegenüberliegende Wand. Wütend starrte er sie an. Seine Hände zitterten, als er ihren ängstlichen Blick wahrnahm. Sofort lockerte er seinen festen Griff und senkte seinen Kopf. „Hör mir zu...bitte! Mimi, bitte lass es mich wenigstens versuchen. Wenn wir uns weiter solche Vorwürfe an den Kopf schmeißen, werden wir niemals die Wahrheit herausfinden und uns gegenseitig vergeben können.“ Die junge Frau schluckte hart und drückte ihn mit beiden Händen von sich weg. Sein temperamentvolles Verhalten machte ihr Angst und plötzlich spürte sie, wie heiße Tränen über ihre Wangen rannen. „An diesem Wochenende bin ich mit niemandem zusammen gewesen. Ich saß an der Bar und habe versucht mich abzulenken. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie an dem Pool des Hotels oder in einer der Umkleidekabinen gewesen. Warum glaubst du, mich gesehen zu haben?“ Er blickte sie aufrichtig an und ließ ihre Schultern los. Taichi ging einige Schritte zurück, da er bemerkte, dass er sie zum weinen brachte. „Ich habe deine furchtbar hässliche Badehose gesehen und zwei Personen laut und deutlich dabei gehört...“ Nachdenklich lehnte er sich gegen die Wand und versuchte sich an dieses Wochenende zurück zu erinnern. Es fiel ihm verdammt schwer, da er über die gesamten drei Tage nur getrunken hatte. Irgendwie war dieses Wochenende ein schwarzer Fleck in seiner Erinnerung. Verzweifelt fuhr er sich durchs Haar. Taichi war sich absolut sicher, dass es nicht so gewesen war, wie Mimi es ihm unterstellte. „Diese Badehose. Du hattest mich das gesamte Wochenende damit aufgezogen und gesagt, dass sie wie die Fetzen einer Tapete eines abgehalfterten Hippies aussehe...“ verwundert fuhr sich Tai über sein Kinn und starrte an die Decke des Krankenhausflurs. „Ich habe diese Badehose nie wieder gesehen. Wo ist die denn abgeblieben?“ Ungläubig zog Mimi ihre linke Augenbraue nach oben und setzte sich wieder auf einen der Wartestühle. Wollte er ihr jetzt etwa das Märchen erzählen, irgendjemand hätte ihm diese hässliche Badehose geklaut? „Ich weiß noch, dass Yamato und Sora bereits zum Abendessen gegangen waren und ich nicht mitgehen wollte. Irgendwann kam Koushiro zu mir an die Hotelbar und brachte mir etwas zum essen. Was hatte er nur zu mir gesagt?“ Mit Zeigefinger und Daumen drückte Tai gegen seine schmerzenden Augen. Warum kamen ihm die Worte seines Freundes nicht in den Sinn? Was hatte er ihm nur gesagt? „Du glaubst auch, ich habe mir meinen Kopf nur ausgeliehen, damit es nicht in meinen Hals regnet, oder?“ Mimi verschränkte ihre Arme vor der Brust und konnte nicht fassen, dass Taichi sie wirklich zum Narren halten wollte. Mit einem Mal riss Tai seine Augen auf und starrte seine Freundin an. „Genau! Ausgeliehen! Er sagte mir, dass er versehentlich meine Badehose angezogen hätte und sie sich deswegen für den Rest des Wochenendes ausleihen wolle. Koushiro hat sie mir bis Heute nicht wiedergegeben.“ Taichi fing an, mit einem unanständigen Grinsen, zu seiner Freundin zu blicken. Die junge Frau pfiff misstrauisch durch ihre Lippen und schüttelte ihren Kopf. „Du willst mir nicht sagen, dass es Koushiro gewesen ist, den ich beim Koitus erwischt habe? Was bist du denn für einer? Jetzt schiebst du es auf andere? Du bist so schäbig Taichi Yagami!“ „Also wir können ihn gerne anrufen und fragen, was denn eigentlich aus meiner wunderschönen Badehose geworden ist...“ er zückte sein Telefon und wählte die Nummer seines rothaarigen Freundes. „Außerdem glaube ich nicht, dass du dir deinen hübschen Kopf nur ausgeliehen hast, damit es nicht rein regnet. Vielmehr ist der dafür da, dass du deine Haare irgendwo befestigen kannst.“ Mimi grinste selbstsicher und schlug ihre Beine übereinander. Der brünette junge Mann stellte sein Telefon auf Lautsprecher und setzte sich wieder neben seine Freundin. „Tai, hast du nichts zu tun? Was willst du, ich arbeite!“ wie gewohnt war Koushiro kurz angebunden und hatte alle Hände voll zu tun, obwohl vorlesungsfreie Zeit war. „Hey Kumpel, ich rufe dich aus Tateyama an und wollte heute eigentlich an den Strand gehen und da fiel mir auf, dass ich meine atemberaubend schöne Badehose vermisse. Hattest du sie dir nicht mal ausgeliehen?“ Mimi musste über das dämlich grinsende Gesicht ihres Freunde kichern und hielt sich dabei die Hände vor den Mund. Offenbar schien es ihm ernst zu sein und er wollte ihr beweisen, dass nicht er es war, der mit einem Mädchen in der Umkleidekabine geschlafen hatte. „Äh, wie? Was? Keine Ahnung? Badehose? Warum? Woher? Weiß ich doch nicht!“ das offensichtlich hilflose Stammeln seines Freundes verriet dem brünetten jungen Mann, dass Koushiro sehr wohl wusste, worum es ging. „In Ordnung. Vielleicht irre ich mich ja auch und die Badehose ist einfach woanders weg gekommen.“ Seine Stimme stockte immer wieder, weil Taichi kurz davor war in schallendes Gelächter auszubrechen. „Ist ja kein Thema. Ich muss jetzt leider wieder arbeiten. Mach's gut und viele Grüße an Mimi...“ dann hatte er auch schon aufgelegt und sich somit galant einem weiteren Verhör entzogen. Als Taichi sein Telefon wieder in die Hosentasche gesteckt hatte, fingen er und Mimi beinahe gleichzeitig an zu lachen. „Es war also Koushiro? Aber mit wem denn bitte?“ die junge Frau konnte kaum aufhören zu lachen und hielt sich ihren schmerzenden Bauch. „Ich habe keine Ahnung mit wem. Aber so was hätte ich ihm nicht zugetraut. Ein richtiger Casanova unser kleiner »Izzy« und dann noch mit meiner Badehose! Igitt! Ich weiß schon, warum ich die nicht wieder bekommen habe und ich will sie auch überhaupt nicht mehr. Wer weiß, was er damit angestellt hat....“ Mimi nickte nur stumm und erholte sich allmählich von ihrem kräftezehrenden Gelächter. Irgendwann war es wieder vollkommen still und die beiden saßen betreten nebeneinander. Taichi beugte sich nach vorne. Seine kräftigen Unterarme stützte er auf seinen Oberschenkeln ab und seine dunkelbraunen Augen musterten seine weißen Turnschuhe. Vor Nervosität fingen seine Finger an zu zittern und Taichi verschränkte beide Hände miteinander, in der Hoffnung, dass sich das unkontrollierte Zucken seiner Gliedmaßen dadurch verbessern würde. „Mimi, ich weiß selbst, dass nicht immer alles gut gelaufen ist zwischen uns. Eigentlich ist es nie so richtig gut gelaufen. Ich bin vielleicht ein dämlicher Vollidiot, der die Gefühle von anderen Menschen nicht immer richtig deuten kann und aus Angst selbst verletzt zu werden, lieber in Kauf nimmt, einen anderen Menschen zu verletzen. Aber ich bin kein Lügner.“ Sie sah ihn betrübt an und nickte leicht. Ein Gefühl von Scham und Schuld durchflutete ihr pochendes Herz. „Ich habe dich noch nie angelogen...“ sagte er leise und drehte sich langsam zu ihr um. „...ich möchte immer ehrlich zu dir sein und hoffe, dass du es irgendwann auch sein kannst.“ Sie wusste überhaupt nicht, was sie jetzt sagen sollte. Denn seine Worte waren so schonungslos ehrlich, dass es ihr unaussprechlich wehtat, dass es ihr nicht gelang, ebenso ehrlich zu ihm zu sein. Er konnte ihren traurigen Blick nicht richtig deuten und beschloss, es zunächst dabei zu belassen. Indirekt hatte er seine Antwort bekommen. Sie war gegangen, weil sie dachte, er hätte eine andere Frau. Sie hatte ihn ohne Abschied verlassen, weil sie sich unendlich verletzt und gedemütigt fühlte. Sicherlich wäre alles ganz anders verlaufen, hätte sie ihn zur Rede gestellt. Letztlich war es ein verhängnisvolles Missverständnis, welches das Maß für Mimi endgültig zum überlaufen brachte und bedingte, dass es die junge Frau nicht länger in seiner Nähe aushalten konnte. „Ich hole uns mal einen Kaffee...“ schwungvoll erhob sich der junge Mann von seinem Stuhl und schenkte seiner Freundin ein einfühlsames Lächeln. Wortlos sah sie ihm hinterher, als er in den Fahrstuhl stieg. Zitternd ballten sich ihre Hände auf ihrem Knie und kleine Tränen tropften auf ihre Haut. Wenn sie nicht so feige gewesen wäre, hätte sich alles ganz anders entwickelt. Diese Wut und Enttäuschung hätte sich nicht, über all die Jahre, in ihrem Herzen ausgebreitet. Obwohl sie jetzt wusste, dass es nicht Tai gewesen war, den sie mit einem anderen Mädchen erwischt hatte, fühlte sie sich keineswegs erleichtert. Denn plötzlich spürte sie den stechenden Schmerz der Eifersucht in ihrem Herzen und ihr wurde unaufhaltsam bewusst, dass es ihr überhaupt nicht egal war, mit wem er zusammen gewesen ist und mit wie vielen Frauen er geschlafen hatte. Beide sind zwar niemals ein Paar gewesen und doch fühlte sie sich von ihm betrogen. Wie sollte man jemandem etwas vergeben, obwohl er eigentlich überhaupt keinen Fehler gemacht hatte? Zappelig stand Taichi gegen den Kaffeeautomaten gelehnt und starrte sein eigenes Spiegelbild in der bunten Glasscheibe an. Damals war es keine andere Frau gewesen, aber in den darauffolgenden Jahren hatte er sehr wohl einige One-Night-Stands. Wie würde Mimi wohl darauf reagieren, wenn er ihr davon erzählen würde? Er selbst könnte überhaupt nicht damit umgehen, wenn sie ihm offenbaren sollte, dass sie ebenfalls andere Männer gehabt hatte. Er beugte sich runter und griff nach dem zweiten Becher Kaffee. Als sich Taichi wieder aufrichtete, glaubte er, in der Reflexion des Kaffeeautomaten, Mimi hinter sich zu erkennen. Verwundert drehte er sich um und verschüttete dabei etwas von dem heißen Gebräu auf seiner Hand. „Autsch...“ keuchte er und pustete sofort über seine verbrühte Handfläche. Die junge Frau bewegte sich an ihm vorbei und verschwand im nächsten Quergang. Mit holprigen Schritten folgte der junge Mann ihr, doch als er um die Ecke bog, konnte er nur sitzende Patienten und einige Krankenschwestern erkennen. Er schüttelte seinen Kopf und seufzte nachdenklich. „Ich sehe schon Gespenster...“ murmelte er und begab sich zurück in den sechsten Stock des Krankenhauses. Dort angekommen standen eine ältere Dame, eine brünette junge Frau und eine im weißen Kittel gekleidete Ärztin auf dem Gang. Die Untersuchung schien soweit beendet zu sein. Mimi schien sehr erleichtert zu sein und bedankte sich bei Dr. Watanabe mit einer tiefen Verbeugung. Taichi musste darüber grinsen, denn Mimi übertrieb es ein wenig mit ihrer Dankbarkeit. Kimiko hingegen kam ihm bereits entgegen und wirkte nervös. „Geht es dir gut alte Dame?“ fragte er frech und zwinkerte ihr verschmitzt zu. „Taufrisch wie ein kühler Frühlingsmorgen.“ entgegnete sie und drückte auf den Knopf des Fahrstuhls. Er grinste und lehnte sich wartend an die Wand. „Ich hätte nichts anderes erwartet, schließlich hält es jung andere Menschen herum zu kommandieren.“ „Ich kommandiere nur vorwitzige Jungs herum.“ „Ja, ich weiß. Es gefällt dir doch, mich herum zu kommandieren?“ „Aber nur, weil du meine Anweisungen so außerordentlich gut befolgst.“ Sie zwinkerte ihm zu und stieg in den Aufzug. Taichi seufzte nur lachend und sah zu Mimi, die ihm plötzlich einen der Kaffeebecher abnahm. Schweigend grinste sie über die kleine Auseinandersetzung zwischen ihrem Freund und ihrer Großmutter. „Ist soweit alles in Ordnung mit deiner Großmutter?“ fragte Tai flüsternd, sodass die ältere Dame nichts davon mitbekam. Mimi nickte stumm und nippte an ihrem Getränk. „Ja ihre Werte sind insoweit unverändert. Es gibt zwar keine drastische Verbesserung aber auch keine Verschlechterung ihres gesundheitlichen Zustandes.“ Er nickte verstehend und betrachtete ihr gemeinsames Spiegelbild an der Innenverkleidung des Fahrstuhls. „Mir ist gerade etwas merkwürdiges passiert. Als ich unten gewesen bin, dachte ich, ich hätte dich gesehen. Jedoch mit schwarzem Haar. Verrückt oder?“ Taichi nippte an seinem Heißgetränk und blickte zu Mimi. Dabei bemerkte er nicht, dass Kimiko kaum merklich etwas zusammenfuhr und nervös auf die Stockwerkanzeige des Fahrstuhls starrte. „Ich geistere dir also im Kopf herum, sodass du schon Halluzinationen von mir bekommst? Dabei würden mir schwarze Haare überhaupt nicht stehen...“ Sie wollten das Krankenhaus verlassen, als Mimi wie angewurzelt stehen blieb. „Oh nein! Ich habe meine Tasche oben vergessen. Wartet hier unten, ich bin gleich wieder da!“ Noch bevor Taichi oder Kimiko etwas sagen konnten, eilte die junge Frau zurück in die Eingangshalle und verschwand im nächsten Aufzug. „Nein! Warte! Mimi!“ rief Kimiko beinahe mit zitternder Stimme hinterher. Verwundert mustere Taichi die ältere Dame und lehnte sich gegen die Hauswand. Irgendwie hatte er den Eindruck, als würde etwas anderes dafür sorgen, dass Kimiko unter keinen Umständen hierher ins Krankenhaus wollte, als die Aversion gegenüber ihrer Behandlung. Als Mimi endlich wieder oben angekommen war, sah sie, dass die Zimmertür von Asuna Watanabe noch immer offen stand. Sie schien keinen neuen Patienten zu haben und so konnte Mimi ihre Tasche aus dem Behandlungszimmer heraus holen. „Entschuldige bitte, ich habe meine Tasche vergessen...“ Es brauchte lediglich drei Schritte, zwei Augenaufschläge und einen kurzer Atemzug, bis Mimi realisierte, dass vor ihr eine junge Frau stand. Eine junge Frau in Schwesternkleidung mit langem schwarzen Haar, goldbraunen Augen und einem Gesicht, das dem ihren zum verwechseln ähnlich sah. Erstarrt und unfähig etwas zu sagen verharrte Mimi in ihrer Bewegung und klammerte sich verkrampft an ihre kleine Handtasche. Ihr Gesicht färbte sich schal weiß und der Glanz verschwand aus ihren Augen. „Wie kann das sein?“ murmelte die Brünette noch immer vollkommen erstarrt. Im selben Moment trat Asuna hinter ihrem Schreibtisch hervor, doch Mimi sah nur wie sich ihre Lippen bewegten. Sie hörte kein Wort, sah nur weiterhin fassungslos in das Gesicht dieser fremden Frau, die ihr so unglaublich ähnlich sah. Sie kam einige Schritte auf Mimi zu und wollte nach ihrer Hand greifen, aber völlig panisch trat Mimi einige Schritte zurück, stieß dabei gegen die Tür und stürzte beinahe zu Boden. „Mimi...warte doch, lass es mich erklären...“ die Stimme dieser fremden Frau hallte markerschütternd in ihren Ohren wieder. Ohne eine Sekunde länger darüber nachzudenken, stieß Mimi die Tür zum Treppenhaus auf und eilte die unzähligen Stufen hinab. Sie wusste nicht mehr, wie oft sie stolperte und sich weinend gegen das Geländer pressen musste, um nicht hinab zu fallen. Der Lärm in der riesigen Eingangshalle verstummte, als sie wie in Trance in Richtung Ausgang wankte. Noch immer waren ihre schmalen Fingerspitzen in das Leder ihrer Handtasche vergraben, doch es gab ihr keinen Halt. Vielmehr drohte sie, in einen endlosen Abgrund zu stürzen. Plötzlich packte sie jemand am Handgelenk. „Bitte warte. Du solltest es nicht auf diese Weise erfahren und schon gar nicht heute. Aber jetzt ist es eben passiert und wir müssen darüber sprechen.“ Asuna starrte in die leeren Augen der jungen Frau, welche sie festhielt. Kurzerhand stieß Mimi sie von sich Weg und eilte nach draußen. Taichi und Kimiko standen bereits am Auto. Beide beobachteten wie Mimi, mit schnellen Schritten auf sie zukam, dicht gefolgt von Asuna. Taichi konnte genau beobachten, wie Kimiko sich auf ihre Lippe biss und anfing zu zittern. „Ihr wollt mir also etwas erklären? Darauf bin ich gespannt! Dann mal los, ich höre...“ diese laute, fast schreiende Stimme kannte Taichi in dieser Art überhaupt nicht. Was war denn mit seiner Freundin los? So aufgebracht und wütend hatte er sie selten erlebt. „Nicht hier. Nicht auf dem Parkplatz...“ sagte Asuna seufzend und sah zu der älteren Dame. Ohne eine einzige Frage zu stellen oder auch nur ein Wort zu wechseln, fuhr Taichi mit den drei Frauen zurück ins Haus. Er hatte nicht die leiseste Vorstellung von dem, was im Krankenhaus geschehen war. Er konnte nicht verstehen, warum Mimi so aufgebracht und Kimiko so niedergeschlagen war. Mimi stürmte fluchend und schimpfend in das Haus, dabei wirbelte sie aufgebracht durch das Wohnzimmer. Asuna setzte sich ruhig auf das Sofa und zog ihren weißen Kittel aus. Kimiko legte ihre Hand sanft auf Taichis Schulter, der die Situation verständnislos beobachtete. „Machst du uns bitte einen Tee mein Lieber?“ ihre Stimme klang ruhig und fast schon entspannt. Von ihrer vorhergehenden Nervosität und Unsicherheit war nichts mehr zu spüren. Tai nickte nur stumm und ging in die Küche. Dennoch konnte er jedes Wort deutlich hören, was die drei miteinander wechselten. Wie gewöhnlich setzte sich Kimiko in ihren Sessel und betrachtete ihre Enkeltochter nachdenklich. „Ich weiß nicht mehr, wie oft ich mir die richtigen Worte für diesen Moment zurecht gelegt habe und doch bekomme ich jetzt keinen vernünftigen Satz zustande.“ mit einem betrübten Blick sah Kimiko zu Mimi. „Ich weiß überhaupt nicht, ob ich deine Worte hören will. Was wirst du mir jetzt sagen? Was werdet ihr mir für eine Geschichte erzählen und wird es dann die Wahrheit sein? Was soll ich denn noch glauben?“ Mimi schüttelte ihren Kopf und wischte sich die aufkommenden Tränen aus den Augen. „Die junge Frau vorhin in meinem Büro, sie ist meine Tochter und die Tochter deines Vaters...“ Asuna stockte kurz und betrachtete den verzerrten Gesichtsausdruck von Mimi. „ Ihr Name ist Sae und sie ist deine Halbschwester.“ Mit einem Mal fing Mimi an zu lachen und setzte sich auf das Sofa. Sie konnte nicht glauben was sie da hörte. Wollte diese Frau ihr tatsächlich erzählen, ihr Vater hätte eine Affäre mit ihr gehabt? Kalter Schweiß überzog ihre zitternden Handflächen. Die junge Frau presste ihre Oberschenkel so fest aneinander, dass sich ihre Beine taub anfühlten. Übelkeit stieg ihren Hals hinauf, als hätte ihr jemand in die Magengrube geschlagen. „Dein Vater und Asuna waren langjährige Sandkastenfreunde. Sie ist sechs Jahre jünger als Sōsuke und nachdem dein Vater an die Oberschule wechselte, entfernten sich die beiden voneinander. Plötzlich empfand Sōsuke, dass Asuna viel zu jung und nervig sei. Über die gesamte Schulzeit hinweg, war es sein größtes Ziel, die Schule so schnell wie möglich zu beenden und dieses langweilige Fischerdorf zu verlassen. Doch als er von zu Hause wegging und seine Jugendliebe nicht mehr in seinem Leben war, konnte er nicht länger vor seinen Gefühlen davon laufen. Kurz vor der Hochzeit mit deiner Mutter, war er noch einmal hier zu Besuch und verbrachte eine Nacht mit Asuna. Daraus ging ein Kind hervor, doch Sōsuke lehnte die Verantwortung für seine Tochter ab, schließlich warst du bereits unterwegs und er wollte deine Mutter nicht alleine lassen. Er musste sich zwischen seiner großen Liebe und der Verantwortung, welche er für deine Mutter und dich übernommen hatte, entscheiden.“ Kimiko blieb vollkommen entspannt bei den Schilderungen aus der Vergangenheit und blickte nur einmal kurz zu Asuna, um sicher zu gehen, dass sie nichts falsches erzählt hatte. Die junge Ärztin hatte nichts hinzuzufügen und fuhr sich stattdessen mit ihren Fingern durchs Haar. Sie selbst hätte diese Geschichte nicht erzählen können. Zu tief saßen die Wunden, die eine unerfüllte Liebe hinterlassen hatte. Zu frisch waren die Erinnerungen an ihre gescheitere Ehe mit einem Mann, den sie niemals wirklich lieben konnte. „Dein Großvater hat die Entscheidung seines Sohnes niemals verstanden. Er sagte immer, dass dein Vater auch für zwei Kinder hätte die Verantwortung tragen können. Auch auf die Gefahr hin, dass deine Mutter ihm diesen Seitensprung nicht vergeben hätte. Dieser stetig anhaltende Disput führte letztlich zum Bruch zwischen deinem Großvater und deinem Vater.“ Taichi hörte jedes einzelne Wort und presste seine Hände auf die Arbeitsfläche der Küche. Diese Geschichte war grauenvoll. Mit keiner Faser seines Körpers hätte er den Schmerz und die Enttäuschung seiner Freundin nachempfinden können. Mit einem Mal war alles anders. Plötzlich hatte sie eine Halbschwester und einen Vater, der diese Wahrheit ihr gesamtes Leben vor ihr verheimlicht hatte. „Es war ein stillschweigendes Abkommen zwischen mir und deinem Vater, dass sich unsere Familie um Asuna und das Baby kümmern würde. Bis zu deinem achten Geburtstag seid ihr regelmäßig im Sommer zu Besuch gekommen. Dein Vater hat während dieser Zeit seine uneheliche Tochter und Asuna besucht. Doch mit jedem Jahr wurdet ihr euch ähnlicher. Ihr habt zusammen am Strand gespielt, ihr seid euch sehr nahe gewesen, wie richtige Schwestern und Sōsuke konnte das nicht länger ertragen. Er entschloss sich dazu, dass Rückzug die beste Alternative wäre und so hörten eure Besuche abrupt auf. Damit du niemals davon erfährst, verbot er dir ebenso hierher zu kommen.“ Mimi hörte den Worten ihrer Großmutter aufmerksam zu und drückte ihre Hände fest gegen ihre Oberschenkel. Im Moment befand sie sich im freien Fall und nichts gab ihr, in irgendeiner Weise, Halt. Alles um sie herum zerbrach und nichts in der Welt schien sie jetzt noch retten zu können. Nichts hätte sie dazu bringen können, ihrem Vater jemals zu vergeben. Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Wange. Kimiko stand vor ihr und lächelte sie liebevoll an. „Mein Kind, es gibt keinen Grund dafür, dass du einen solch unaussprechlichen Groll gegen deinen Vater hegst. Dein Vater ist bestraft genug. Sein ganzes Geld und seine Macht stehen für innere Leere und den Versuch etwas zu verdrängen. Doch Geld und Macht sind völlig unbedeutend. Im Leben geht es einzig und allein um Anerkennung. Aber nur die Anerkennung der Menschen die wir lieben, erfüllt unser Herz mit Glück. Dein Vater hat die Frau, die er über so lange Zeit liebte, zurück gelassen, da er seine Gefühle für sie viel zu spät zugelassen hat und zu diesem Zeitpunkt bereits mit einer anderen Frau verlobt gewesen ist.“ Sie wischte ihrer Enkelin die Tränen aus dem Gesicht. „Wie viele Chancen gibt uns das Leben, bis wir begreifen, was uns wirklich wichtig ist? Irgendwann ist es zu spät. Irgendwann haben wir jede Möglichkeit verstreichen lassen. Doch ist das Band des Schicksals erst einmal durchtrennt, kann man es niemals wieder reparieren.“ Die Worte der älteren Dame trafen Taichi tief im Herzen und er musste seinen Kopf gegen die Wand lehnen. Seine Knie zitterten und der Schweiß rann ihm eiskalt über den Rücken. Plötzlich riss ihn die zerbrechliche Stimme seiner Freundin aus seinen Gedanken. Mimi war aufgestanden, hatte sich für die Ehrlichkeit ihrer Großmutter bedankt und für ihre wilden Beschimpfungen gegenüber Asuna entschuldigt. „Sicherlich könnt ihr verstehen, dass das ziemlich viel mit einem Mal ist und ich jetzt erstmal etwas Zeit für mich alleine brauche. Nehmt es mir nicht übel...“ sagte sie und wollte gerade nach draußen gehen, als Kimiko sie festhielt. „Mimi, ich habe deinem Vater schon vor sehr langer Zeit verziehen. Doch solange Sōsuke sich seine Fehler nicht selbst vergeben kann, werden wir nicht zueinander finden. Denn es fängt immer damit an, dass man aufhören muss sich selbst zu bestrafen. Auch du solltest irgendwann deine undurchdringliche Mauer fallen lassen und dem Mann, der schon so lange um dich kämpft, die Chance geben dein Herz zu erobern.“ stumm starrte die junge Frau in das faltige Gesicht ihrer Großmutter und quälte sich ein Lächeln über die Lippen. Wie konnte Kimiko nur so gut Bescheid wissen? Konnte sie ihre Emotionen etwa lesen wie ein offenes Buch? Selbstverständlich hatte Taichi diese Worte ebenso vernommen und biss sich auf seine Lippen. Von wem sprach Kimiko? Welchen Mann meinte sie? Besorgt sah Taichi in den Flur und beobachtete, wie sich Mimi ihre Schuhe anzog. Er war unschlüssig, ob er ihr folgen oder sie lieber alleine lassen sollte. Doch bevor er eine Entscheidung treffen konnte, kam Kimiko auf ihn zu und schob ihn zurück in die Küche. „Ist der Tee schon kalt, schließlich hast du eine Ewigkeit gebraucht ihn zu kochen. Ich dachte schon, du bist eingeschlafen...“ sie grinste und versuchte das merkwürdig angespannte Gesicht des jungen Mannes zu deuten. „Wie kannst du jetzt Witze machen? Du kannst sie doch nicht alleine gehen lassen. Ihre Welt zerbricht gerade und du lässt sie gehen?“ seine Stimme klang vorwurfsvoller als er es beabsichtigt hatte. „Manchmal muss man die Menschen, die man liebt los lassen, damit sie ihren eigenen Weg finden. Glaub nicht, dass es leicht für mich ist.“ ihr Blick wirkte zornig und Tai wich sofort zurück. Kimiko seufzte leise und sprach geduldig weiter. „Auch du müsstest begriffen haben, dass man im Leben nicht unendlich viele Chancen bekommt und es irgendwann einfach zu spät ist. Auch du solltest ehrlich zu dir selbst sein. Vor allem solltest du ehrlich zu ihr sein. Ihr beide müsst euch eure Fehler eingestehen und euch gegenseitig vergeben, nur dann könnt ihr zueinander finden. Doch im Moment hindert euch eure eigene Eitelkeit und die Angst erneut verletzt zu werden daran. Wenn du sie wirklich liebst, dann solltest du es ihr auch endlich offenbaren.“ schockiert riss er seine Augen auf und starrte in die wässrigen Augen der älteren Dame. „Wie bitte? Wie kommst du denn darauf?“ stotternd versuchte sich der junge Mann aus der Situation zu befreien. „Ach hör schon auf. Man kann es dir auf der Stirn ablesen. Warum hast du es nicht schon längst getan? Was fällt dir nur so schwer?“ diese Frage war tatsächlich berechtigt. Was zur Hölle machte es so schwer, ihr seine Gefühle zu offenbaren? „Vielleicht habe ich das schon längst und sie hat mich zurückgewiesen?“ Kimiko schüttelte auf seine Frage ihren Kopf und lächelte. „Das hast du nicht und sie würde dich heute nicht zurückweisen. Ein Blinder sieht doch, dass sie nur darauf wartet von dir gerettet zu werden. Sie wartet einzig und allein auf dich. Doch sei versichert, irgendwann wird auch Mimi aufgeben und versuchen, ihr Glück woanders zu finden. Genauso wie ihr Vater. Doch ihr werdet keine erfüllte Liebe bei einem anderen Menschen finden.“ Wütend sah Taichi zu der älteren Dame und war wirklich entrüstet über ihre Unverschämtheit ihm so etwas direkt ins Gesicht zu sagen. „Worte sind nicht alles. Man muss dem Menschen, den man liebt, seine Gefühle zeigen. Leere Worte reichen nicht aus...“ erstaunt über seine entschlossene Stimme blickte er verlegen zur Seite. „Das mag sein, aber weder das eine noch das andere hast du ihr einwandfrei bewiesen. Ich vermag sie nicht zu halten, jetzt da ihre Welt zerbricht. Das muss derjenige tun, dem ihr Herz gehört.“ Der Sand kitzelte unter ihren nackten Füßen, als Mimi den Strand erreichte. Schweigend betrachtete sie die blaue Färbung des Horizonts und spürte die Hitze der Nachmittagssonne auf ihrer gebräunten Haut. Langsam zogen große Regenwolken am Himmel auf und verdunkelten den strahlenden Tag. Der Wind peitschte über das salzige Meer und die bebenden Wellen türmten sich zu schäumenden Giganten auf. Die Regenzeit war noch nicht vorbei und dennoch kühlte der heftige Regen, die siedend heißen Tage nicht ab. Mimi gelang es nicht, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Immer wieder sah sie das Gesicht dieser jungen Frau vor sich, hörte die Worte ihrer Großmutter und spürte das unaufhörliche Zittern ihrer eigenen Hände. Trotz des ohrenbetäubenden Rauschen des Meeres, hörte sie das knirschende Geräusch des Sandes, der durch die schweren Schritten einer Person sachte bewegt wurde. Es war nicht nötig sich umzudrehen, denn Mimi erkannte ihren Freund an seinem Gang. Müde strich sie sich einige Haarsträhnen zurück und ging in die Hocke. Ihre schmalen Finger zogen kleine Kreise im Sand und sie konnte beobachten, wie einzelne Regentropfen die winzigen Steinchen miteinander verklebten. „Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, wie mein Vater mit mir auf seinen Schultern über diesen Strand gelaufen ist. Als Kind hat er mir die ganze Welt gezeigt und ich dachte immer, dass er mich für immer und ewig beschützen würden. Nichts böses könnte mir passieren, wenn er in meiner Nähe ist und egal wie weit wir einmal voneinander entfernt wären, seine Liebe würde mich immer wieder finden...“ Ihr Lächeln wurde bitter und sie spürte, wie Taichi hinter ihr stehen blieb. Der junge Mann hatte beide Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben und betrachtete seine Freundin mit einem einfühlsamen Blick. Was sollte er ihr sagen? Wie sollte er sie trösten? „Manchmal wünschen wir uns sehnsüchtig, dass die Zeit einfach stehen bleibt. Doch das Leben geht einfach weiter und dabei ist es egal wie verzweifelt, entmutigt und traurig wir sind. Es gibt keine Pause, kein Verharren in unseren schönen Erinnerungen. Irgendwie muss es weiter gehen, irgendwie müssen wir immer wieder aufstehen...“ Verzweifelt schloss Mimi ihre goldbraunen Augen und schüttelte den Kopf. „Mit einem Mal zerbricht alles. Es gibt nichts mehr woran ich noch glauben kann. Mein Vater war der Mensch, zu dem ich immer aufgesehen habe. Doch er hat mich mein ganzes Leben belogen, eigentlich kenne ich ihn überhaupt nicht. Plötzlich ist er völlig fremd für mich und mein ganzes Leben scheint eine Lüge zu sein...“ Taichi richtete seinen Blick auf und betrachtete die tobende See. Mittlerweile war die Sonne hinter den beinahe schwarzen Regenwolken verschwunden und die Abstände der Regentropfen wurden immer geringer. „Am Ende tragen wir alle unsere Maske und leben eine Lüge. Wem zeigst du schon dein wahres Gesicht? Wer kennt dich denn wirklich genauso wie du bist?“ „Du hast recht, wir alle tragen unsere Maske und verstecken unsere wahren Gefühle dahinter. Es gibt wohl nur wenige Menschen, denen wir unser wahres Gesicht zeigen. Nur wenige, denen wir schutzlos gegenüber treten. Auch ich habe meine Maske irgendwann abgenommen, doch alles was übrig blieb war ein gebrochenes Herz. Selbst der eigene Vater kann einen hintergehen, verraten und die bis dahin heile Welt in tausend Scherben zerschmettern. Letztlich ist es einfacher, sich hinter einer großen Mauer zu verstecken, damit man nicht verletzt wird.“ Ein verbittertes Lächeln schob sich über ihre Lippen und eisig kalte Regentropfen rannen über ihre nackte Haut. Taichi blickte auf sie hinunter. Ihre Worte taten ihm weh und erneut erinnerte es ihn daran, wie sehr er sie verletzt haben musste. Wie sehr sie es bereute, sich ihm gegenüber jemals geöffnet zu haben. „Du darfst deinen Vater nicht einzig und allein dafür verurteilen, was er falsch gemacht hat. Vielmehr sollte man sich fragen, warum Menschen solche Entscheidungen treffen. Warum bevorzugen es viele Menschen lieber eine Lüge zu leben, anstatt ehrlich zu sich selbst und allen anderen zu sein? Wahrscheinlich wird sich dein Vater niemals vollständig gefühlt haben. Immer auf der Suche nach etwas, das er niemals wieder finden könnte, weil er es längst hinter sich gelassen hatte. Er hatte sich damals dazu entschieden, für dich und deine Mutter Verantwortung zu übernehmen. Doch er konnte die Frau, die er über alles liebte einfach nicht vergessen.“ Mimi hielt für einen kurzen Moment inne und überlegte, ob ihr Freund von sich selbst oder tatsächlich ihrem Vater sprach. Ihre Augen suchten auf dem endlosen Ozean nach irgendwas das ihr Halt geben konnte, doch sie fanden nichts. „Aber was ist mit meiner Mutter? Wie kann ich mit einem anderen Menschen zusammen sein, ein Kind bekommen und diesen nicht lieben? Das ist einfach nur selbstsüchtig...“ ihre Stimme war voller Wut und Schmerz, denn auch Taichi hatte sich für eine andere Frau entschieden. Er wies Mimi ab und gestand Sora, dass sie mehr als nur eine Freundin für ihn sei. Mimi würde dieses Telefonat mit ihrer rothaarigen Freundin niemals vergessen, in dem sie ihr davon erzählt hatte. Plötzlich durchbrach seine rauchige Stimme die Stille zwischen den beiden und riss die junge Frau aus ihren schmerzlichen Erinnerungen. „Ich glaube es gibt verschiedene Formen von Liebe. Die Liebe, die man für sein Kind oder seine Geschwister empfindet ist tief, beschützend und unauslöschlich. Dann die Liebe, die man für einen Freund empfindet, diese ist aufrichtig und vertrauensvoll...“ Taichi musste seinen Satz unterbrechen und hart Schlucken. Wie sollte er ihr seine Gefühle offenbaren? Seine Finger zitterten und seine Knie wurden weich. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so verletzlich und schwach gefühlt wie jetzt. „....zuletzt die Liebe, die zwei Menschen durch ein unsichtbares Band immer während miteinander verbindet. Voller Sehnsucht, Zuneigung, Hingabe und Aufopferung für den anderen, ohne etwas im Gegenzug dafür zu verlangen. Egal wie weit die beiden voneinander entfernt sein werden, sie werden immer nach diesem Gefühl suchen. Sie werden immer nach diesem einen besonderen Menschen suchen. Doch sie werden ihn nicht finden, denn diesen einen besonderen Menschen gibt es nur einmal auf dieser Welt.“ Während er sprach, öffnete Mimi ihre Augen. Tränenschwer starrte sie auf ihre Füße und ihr schlagendes Herz hämmerte gegen ihren Brustkorb. Langsam erhob sie sich und spürte seine Nähe in ihrem Rücken. „Demnach glaube ich nicht, dass er deine Mutter nicht liebt. Es ist nur nicht die gleiche Form der Liebe, die er möglicherweise für eine andere, beziehungsweise für eine besondere Frau empfindet.“ Mit diesen Worten beendete Taichi seine Ansprache und beobachtete, wie sich Mimi langsam auf das Wasser zu bewegte. Der Regen hatte sein Shirt bereits durchtränkt und Taichi folgte seiner Freundin. „Was glaubst du, kann man dieses Band, welches zwei Menschen miteinander verbindet durchtrennen? Wie lange wird der eine den anderen lieben, wenn seine Liebe nicht erwidert wird?“ Als er ihre Worte vernahm, starrte er sie erschrocken an. Doch Mimi rührte sich keinen Millimeter. Sie stand still am Wasser und starrte mit leerem Blick in die Ferne. Taichi biss sie auf seine Unterlippe und ballte seine Hände zu Fäusten. Alles an ihm fing an zu beben und es schien, als würde man ihm den Boden unter den Füßen wegreißen. „Wie lange der eine den anderen lieben wird?“ fragte er leise nach und fixierte mit seinen dunkelbraunen Augen ihre seitliche Gesichtskontur. „Er wird so lange bei ihr sein, wie die Gezeiten das Meer bewegen. Er wird sie solange wollen, solange sie ihn auch will. Er wird sie solange in seinen Armen halten, bis sie sich vor nichts mehr fürchtet. Er wird sie lieben, solange die Sterne über ihnen leuchten und noch länger, wenn er es kann.“ Ihr ganzer Körper bebte, als sie seine Worte hörte. Längst hatte Mimi ihr Gesicht zur Seite gedreht und starrte ihn vollkommen gerührt an. Ihre Tränen brannten auf ihren eisig kalten Wangen und der Regen peitschte von hinten gegen ihren Rücken. Sein Gesicht wirkte völlig entspannt und Mimi meinte, ein Lächeln auf seinen Lippen zu sehen. Der standhafte Blick des jungen Mannes hielt ihre goldbraunen Augen gefangen und sanft legte er seine Hand auf ihre Wange. Seine warmen Finger fuhren über ihre Haut. Unter seinen Berührungen musste sie anfangen zu schluchzen und plötzlich schlang sie stürmisch ihre Arme um ihn. Sofort erwiderte Taichi ihre Umarmung und legte beide Hände fest in ihren Nacken. Er schmiegte seinen Kopf an ihre Schulter und musste sich zusammenreißen nicht ebenso anzufangen zu weinen. Sein Herz raste und kalter Schweiß rann über seinen Rücken. Ihre Finger vergruben sich im nassen Stoff seines Shirts und Mimi konnte seinen unbeschreiblich guten Duft wahrnehmen. Weinend schmiegte sie ihr Gesicht gegen seine Brust und ihr wurde mit einem Mal bewusst, dass er hier an ihrer Seite war und darum kämpfte zu ihr durchzudringen. Doch Mimi konnte ihre Maske auch jetzt einfach nicht abnehmen. Zu tief saßen ihre Verletzungen und es würde niemals gelingen einander aufrichtig zu sein, solange sie ihm nicht verzeihen könnte. Die junge Frau war nicht dumm. Sie hatte sein indirektes und sehr vorsichtiges Liebesgeständnis gerade sehr wohl verstanden. Es war das erste Mal, dass er sich ihr gegenüber derart offenbarte und ihr, wenn auch sehr versteckt, zu verstehen gab, wie viel sie ihm bedeutete. In ihm überschlugen sich die Emotionen. Taichi war bewusst, dass es jetzt die perfekte Gelegenheit wäre, alles offen zu legen und ihr aufrichtig seine Gefühle zu gestehen. Doch sein Körper fühlte sich so schwer an und kein Worte kam ihm über die Lippen. Er war ein erbärmlicher Feigling. Mit einem Mal löste sich Mimi von ihm und lächelte ihn zärtlich an. „Gibst du mir noch einen Moment?“ fragte sie leise und streichelte über seine Wange. Denn trotz seiner liebevollen Worte, herrschte in ihrem Inneren eine große Unruhe und sie benötigte Zeit für sich, um alles wieder zu sortieren. Im Bruchteil einer Sekunde hatte sie plötzlich eine Schwester und ihr gesamtes Leben hatte sich verändert. Hinzu kam sein unerwartetes indirektes Geständnis. Betroffen sah er sie an und nickte stumm. Ein riesiger Kloß steckte in seinem Hals und Taichi ärgerte sich unsäglich über sich selbst. Wie konnte er nur damit anfangen und es nicht zu Ende bringen? Was würde sie jetzt von ihm denken? Sicherlich hatte sie es nicht einmal wahrgenommen, dass er von seinen eigenen Gefühlen ihr gegenüber gesprochen hatte. Er hatte sich vollkommen lächerlich gemacht und wollte dieser furchtbaren Schmach entfliehen. Ohne weiteres drehte er ihr den Rücken zu und lief zurück zum Haus. Seine Wut trieb ihn vollkommen blind in sein provisorisches Zimmer. Er wusste nicht, ob Kimiko noch im Wohnzimmer saß und ob Asuna bereits gegangen war. Alles was er wahrnahm war das dröhnende Geräusch des Regens. Vor Kälte zitternd zog er sich seine nassen Klamotten aus und versteckte sich unter seiner Bettdecke. Am liebsten hätte er angefangen zu heulen. Wie konnte er ihr, in dieser Situation, nur sowas sagen? Es war doch klar, dass sie im Moment mit völlig anderen Dingen beschäftigt war als seinen kindischen Gefühlen. Irgendwann muss er wohl eingeschlafen sein, denn als er das dumpfe Kratzen der Schiebetür vernahm, war es bereits dunkel draußen. Noch immer regnete es und der silberne Schein des Mondes, kämpfte sich ab und an zwischen den verhangenen Regenwolken hervor. Schlaftrunken gelang es ihm nicht, sich rechtzeitig umzudrehen. Leise Schritte kamen näher und er spürte, wie sich ein zierlicher Körper unter seine Bettdecke schmiegte. Eiskalte Füße schoben sich unter seine Beine und der junge Mann zuckte erschrocken zusammen. Seine Augenlider blinzelten ein paar Mal und sein müder Körper drehte sich schlussendlich um. Ihre leuchtenden Augen sahen direkt in seine. Umgehend wich er ihrem Blick aus und versuchte zwischen ihren beiden Körper eine gewisse Distanz zu schaffen. Doch Mimi ließ es nicht zu. Zärtlich legte sie ihre Hand auf seine Wange. In der Dunkelheit tasteten ihre Finger sein raues Gesicht ab. Zart fuhr sie über seine Lippen und schließlich küsste sie ihn. Als er ihren hingebungsvollen Kuss nicht erwiderte, löste sie sich von ihm. Traurig suchten ihre Augen nach seinen. Ihre Finger glitten auf seine nackte Brust und sie konnte deutlich seinen schnellen Herzschlag spüren. „Ich bin dir so dankbar dafür, dass du hier an meiner Seite bist. Ohne dich, wäre ich heute zerbrochen. Ich habe verstanden, dass ich meine Maske abnehmen muss und mich nicht länger hinter meiner hohen Mauer verstecken darf. Denn wenn ich dir nicht vergeben kann, wird diese Mauer zwischen uns noch viel höher und jede Mauer ist der Anfang von einem Gefängnis. Aber ich will nicht einsam sein. Ich will nicht ohne dich sein. Ich möchte, dass du bei mir bist. Ich möchte, dass du mich solange in deinen Armen hältst, bis ich mich vor nichts mehr fürchte und ich möchte, dass die Sterne für immer über uns leuchten.“ Beinahe flüsternd erreichten ihn diese zärtlichen Worte. Es war eine wunderschöne Antwort auf sein Geständnis von vorhin. Sofort schlang er seine Arme um sie und zog sie fest an sich heran. Überstürzt legte er seine zitternden Lippen auf ihre und küsste sie so heftig, dass sein Atem kurz aussetzte. Als würde ein tonnenschwerer Stein von ihrem Herzen fallen, fühlte es sich an, diese Worte ausgesprochen zu haben. Mimi konnte sich endlich absolut befreit diesem innigen Kuss hingeben und vergrub ihre Finger in seiner wilden Haarmähne. Trotz eindeutiger Versuche, wies er sie auch diese Nacht höflich zurück und lächelte sie an. Es fiel Taichi unbeschreiblich schwer ihrem sinnlichen Körper zu widerstehen. Doch er wollte, dass es mehr zwischen ihnen gab als diese leidenschaftliche sexuelle Anziehungskraft. „Du sagtest vorletzte Nacht, dass du mehr für mich sein möchtest als »das«. Was meinst du damit?“ fragte sie leise. Verwundert betrachtete er ihr Gesicht und fuhr mit seinen Fingerspitzen sanft über ihren Rücken. Ihre schimmernden Augen fesselten ihn jedes Mal aufs neue und noch immer schmeckte er ihre süßlichen Lippen auf seinen. „Ich möchte der sein, der alles von dir weiß, der dich hält, dich beschützt und dem du alles anvertraust. Ich möchte der sein, den du hinter deine Maske blicken lässt. Mimi, ich weiß ganz genau, dass ich dir unglaublich wehgetan habe...“ Sie legte ihren Zeigefinger auf seine Lippen und schüttelte sanft ihren Kopf. Erneut küsste sie ihn und schmiegte sich an ihn. Denn unlängst war er genau all das für sie und sie hatte ihm verziehen. Denn an der Tür, mit der wir die Vergangenheit abschließen, steht nur ein Wort: Vergebung. Kapitel 7: Die Tage mit dir - Teil IV: Sehnsucht ------------------------------------------------ 02. Juli 2015, Tateyama, Präfektur Chiba Seine warme Haut, die sich wohlig an ihren Rücken schmiegte. Seine Finger, die ihre Hände fest umschlossen hielten. Sein heißer gleichmäßiger Atem, den sie in ihrem Nacken spürte. Mit geschlossenen Augen nahm sie seinen verführerischen Duft in sich auf. Die letzten Reste seines samtig süßen Parfums vermischten sich mit seinem eigenen Geruch. Es war eine Mischung aus Sandelholz und Mandel. Mit einer routinierten Kopfbewegung beförderte sie ihre langen hellbraunen Haare zur Seite und presste sich fester gegen seinen muskulösen Körper. Über so viele Jahre war es ihr sehnlichster Wunsch, in seinen Armen einzuschlafen und schließlich aufzuwachen. Er war die gesamte Nacht hinweg ein absoluter Gentleman gewesen. Zu keinem Zeitpunkt versuchte er die Situation auszunutzen und widerstand ihren bezirzenden Verführungsversuchen. Zunächst war Mimi darüber verwundert und dachte, dass er möglicherweise das Interesse an ihr verloren hätte. Doch Taichi begründete ihr eindrucksvoll, dass er mehr als nur ihr Liebhaber sein wollte. Noch immer hallten seine lieblichen Worten in ihren Gedanken und Träumen wieder. Das beständige Trommeln der Regentropfen ließ die junge Frau nur schwerlich durchschlafen. Immer wieder erwachte sie und wälzte sich unruhig umher. Letztlich war es seine starke Umarmung, welche ihr die Nötige Ruhe schenkte und Mimi endlich in den erlösenden Schlaf sinken ließ. Unerwartet spürte sie seine behaglichen Lippen auf ihrem Hals und seine zarten Küsse bescherten ihr eine wohlige Gänsehaut. „Guten Morgen...“ seine kratzige Stimme zauberte ein sanftmütiges Lächeln auf ihre Lippen. Der Tag war bereits angebrochen, doch die dichten Regenwolken hüllten die Welt in einen mausgrauen Mantel. Sanft löste sie sich aus seinen Armen und drehte sich gänzlich zu ihm um. Zärtlich versiegelte sie ihre Lippen mit seinen und fuhr ihm durch sein zerzaustes Haar. „Ich hoffe, du konntest dennoch gut schlafen, obwohl du dein Bett mit einem ungebetenen Gast teilen musstest?“ „Du bist niemals ungebeten. Aber ich hatte einige Probleme mit dem Schlafen.“ sagte er grinsend und öffnete seine dunklen Augen. Ihr fragender Blick veranlasste Taichi, seine Antwort etwas auszuschmücken. „Sagen wir es so, es ist verdammt schwierig neben dir zu schlafen und deine weiblichen Vorzüge gänzlich zu ignorieren...“ „Nun, dieses Leid hast du selbst gewählt...“ ihre Hände glitten tiefer hinab über seinen nackten Rücken. „...wir könnten es gerne nachholen.“ Ihre glänzenden haselnussbraunen Augen forderten ihn verführerisch heraus und ihr verschmitztes Grinsen machte es für den jungen Mann nicht einfacher, ihr zu widerstehen. Zart bohrten sich ihre Fingernägel in seine Haut. Er zuckte kurz zusammen und seufzte genüsslich. Mit einem sanften aber nachdrücklichen Stoß beförderte er seine Freundin auf den Rücken und beugte sich über sie. „Du hast es nicht anders gewollt...“ raunte er lustvoll. Sie quälte ihn damit und Taichi wollte überhaupt nicht länger gegen sein Verlangen ankämpfen. Er hatte es lange genug versucht und Mimi signalisierte ihm deutlich, dass sie mehr wollte. Ein erschreckend lautes Donnern durchbrach die sinnliche Stille der beiden. Vollkommen angsterfüllt fuhr Mimi zusammen und zog ihre Beine intuitiv an ihren Körper heran. Dabei traf sie den jungen Mann unglücklicherweise direkt in seiner Körpermitte. Mit einem gedämpften schmerzerfüllten Aufschrei ließ er sich neben ihr nieder und rang nach Atem. Sofort richtete sich Mimi auf und blickte ihn besorgt an. „Oh Gott, das wollte ich nicht! Ich habe mich vor dem Gewitter erschrocken...“ stammelte sie verunsichert und fuhr ihm über die Stirn. Der Schmerz ließ ziemlich schnell nach und Taichi zwinkerte ihr lächelnd zu. „Jetzt brauche ich erstmal eine Stärkung. Zeit fürs Frühstück...“ Sie konnte sich ihr Kichern nicht verkneifen und nickte stumm. Irgendwie sollte es wohl einfach nicht sein, dass die beiden einen Schritt weiter gingen. Während Taichi bereits in der Küche nach etwas essbarem suchte, öffnete Mimi alle Fenster, um die schwüle Hitze aus dem Haus zu bekommen. Kimiko schien noch immer in ihrem Zimmer zu sein. Sie mochte diese regnerischen grauen Tage nicht und zog sich lieber zurück. „Das klappt nicht...wie soll ich das Ei aufschlagen, ohne dass die Schale reinfällt?“ jammerte die Brünette und fischte erneut einige Bruchstücke der Eierschale aus der Rührschüssel. Er stellte sich hinter sie und griff mit beiden Händen um ihre. Sanft schmiegte er seinen Kopf auf ihre Schulter. Ungewollt zeichnete sich ein rötlicher Schimmer auf ihren Wangen ab und Mimi spürte, dass ihre Knie sofort weich wurden, wenn sie seinen kräftigen Körper an ihrem spürte. Geduldig zeigte ihr Taichi, wie man ein Ei richtig aufschlug und das Gemüse ordentlich zerkleinerte. „Mimi, du bist die Frau. Du musst kochen, nicht ich.“ frech drückte er ihr einen Kuss auf die Wange. Noch bevor die junge Frau etwas entgegensetzen konnte, klopfte es an der Tür. Verwundert sahen sich die beiden an. Mimi trocknete sich die Hände ab und ließ ihren Freund alleine in der Küche zurück, um die Haustür zu öffnen. Aus Rücksicht auf Kimiko schien diese Person nicht geklingelt zu haben, was wiederum bedeutete, dass es jemand sein musste, der ihre Großmutter gut kannte. Mit einem ächzenden Geräusch schob Mimi die große hölzerne Tür auf und blickte direkt in ihre eigenen Augen. Noch immer bestürzt über die Ähnlichkeit zwischen ihr und dieser fremden Frau, trat Mimi zunächst einige Schritte zurück. Unfähig ein Wort über die Lippen zu bringen, starrte sie fassungslos in diese goldbraunen Augen. Einzelne Regentropen perlten über den Stoff ihres dunkelgrünen Regenschirms und prallten mit einem gedämpften Geräusch auf dem hölzernen Boden der Terrasse auf. Ein sanftes Lächeln umspielte diese vertraut erscheinenden kirschroten Lippen und einige Haarsträhnen ihres graphitschwarzen Haares fielen über ihre Schulter. „Guten Morgen, mein Name ist Sae Watanabe, ich würde dich gerne kennenlernen.“ ihre Stimme klang zerbrechlich und die junge Frau verbeugte sich höflich vor Mimi. Im selben Moment teilte ein greller Blitz den Himmel entzwei und das bedrohliche Grollen des Donners ließ die beiden Frauen ängstlich zusammenzucken. Im Affekt griff Mimi nach dem Arm der jungen Frau und presste ihre Finger fest um die schmalen Knöchel ihres Handgelenks. Mimi spürte, dass ihr Hals mit einem Mal so unbeschreiblich trocken wurde, dass sie kaum ein Wort über ihre Lippen brachte. Verschämt sah sie in die nussbraunen Augen ihrer Halbschwester und ließ umgehend von ihr ab. „Ich glaube, dass du die Ältere bist und deswegen musst du dich gewiss nicht verbeugen.“ Sofort biss sich Mimi auf ihre Unterlippe und bereute diesen dämlichen Satz. Angespannt holte sie Luft und setzte zu einem neuen Versuch an. „Ich bin Mimi Tachikawa und würde mich sehr darüber freuen, dich endlich kennenzulernen.“ Ein merkwürdig vertrautes Gefühl breitete sich zwischen den beiden aus und es kam ihnen so vor, als hätten sie endlich ein fehlendes Stück von sich selbst gefunden. Ein fehlendes Stück des Puzzles, nach dem sie bereits ihr gesamtes Leben gesucht hatten. Auch in den darauffolgenden Tagen vertiefte sich dieses innige Gefühl der Verbundenheit zwischen den zwei Schwestern. Trotz der verregneten Tage verbrachten Mimi und Sae sehr viel Zeit miteinander. Sie war elf Monate älter als Mimi und befand sich mitten in ihrer Ausbildung zur Krankenschwester. Sae wuchs als uneheliche Tochter auf und hatte es deswegen immer wahnsinnig schwer gehabt. Als ihre Mutter dann endlich heiratete und aus dieser Ehe auch noch zwei Söhne hervorgingen, kehrte endlich etwas Ruhe in das Leben des Mädchens ein. Jedoch hielt die Ehe zwischen ihrer Mutter und ihres Stiefvaters gerade mal wenige Jahre. Es musste eine schmerzliche Trennung gewesen sein, da er seine Frau noch immer zutiefst liebte und nicht verstand, dass sie seine Gefühle einfach nicht erwidern konnte. Letztlich hielt er es nicht mehr aus und die beiden einigten sich, dass er mit den Söhnen nach Tokyo umziehen sollte. Seitdem lebten ihre jüngeren Brüder mit dem Ex-Ehemann ihrer Mutter in Tokyo. Sae hatte selbstverständlich sehr viele Fragen zu ihrem leiblichen Vater und quetschte Mimi förmlich aus. Beide Frauen fanden sehr schnell zahlreiche Gemeinsamkeiten und verstanden sich auf Anhieb gut. Es schien, als hätten sie sich bereits ihr gesamtes Leben gekannt. Taichi erlebte währenddessen eine völlig andere Mimi und konnte deutlich erkennen, dass es ihr seit wirklich langer Zeit zum ersten Mal richtig gut ging. Auch Kimiko fühlte sich erleichtert, dass die beiden Frauen endlich zueinander gefunden hatten. Trotz der schier endlosen regnerischen Tage schaffte Mimi im Haus ihrer Großmutter etwas Ordnung. In den kurzen und heißen Unterbrechungen der heftigen Schauer, kam Taichi seiner Aufgabe nach und verrichtete erforderliche Arbeiten im Garten. Trotz des zeitweise immer schlechter werdenden gesundheitlichen Zustandes von Kimiko, genoss sie das gemeinsame Leben mit ihrer Enkeltochter und deren charmantem Begleiter. Alle waren sehr bemüht, die ältere Dame zu versorgen und ihren Zustand zu verbessern. Jedoch verweigerte sie sich gewohnt dickköpfig und widmete sich dem Stricken. Die Nächte verbrachten Mimi und Taichi stets gemeinsam, jedoch hielt der junge Mann sein Versprechen ein. Zunächst fühlte es sich für beide befremdlich an, sich so nahe zu sein und dennoch nicht miteinander zu schlafen. Aber das, was sie stattdessen miteinander teilten, war viel intensiver und tiefgreifender als alles andere. Nachdem es mittlerweile den dritten Tag in Folge regnete beschlossen die beiden Frauen einen Tag in der Therme zu verbringen. Mimi packte gerade einige Handtücher in ihre Tasche und seufzte laut. „Was ist denn Prinzessin? Möchtest du mich doch dabei haben? Wir könnten so schön im heißen Wasser unsere feuchten Körper aneinander reiben...“ er wackelte dummfrech mit seinem Hinter. „Nein, lieber nicht. Ich wollte mir heute den Appetit nicht verderben...“ sagte sie grinsend und verpasste ihm einen Klaps auf der Stirn. Der junge Mann kniete sich neben sie auf den Fußboden. „Damals hast du genau das Selbe zu mir gesagt...“ Zärtlich musterte sie sein Gesicht und streichelte über seine Wange. „Damals habe ich dir noch viel mehr gesagt als das...“ ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Es war ein schwül heißer Sommertag im August 2013. Die Regenzeit war etwas zeitiger vorüber gegangen als gewöhnlich. Wie jedes Jahr trafen sich die acht Freunde und verbrachten einige Tage miteinander. In diesem Jahr waren sie nach Okinawa gereist und besuchten einige traditionelle japanische Bäder. „Warum besucht man denn im Hochsommer ein Sentō? Es ist total heiß draußen, warum soll ich mich noch in eine heiße Quelle setzen?“ Taichi fuhr sich durch sein zerzaustes Haar und lehnte sich an den Bartresen. „Weil es hier in Okinawa nicht nur heiße Bäder gibt, sondern auch kühle...“ die Antwort seines rothaarigen Freundes stimmte ihn nicht gnädiger. „Außerdem wollten die Weiber unbedingt Wellness und diesen ganzen Mädchenkram...“ fügte Yamato hinzu und nahm einen großen Schluck von seinem Eistee. „Ja die Weiber...“ murmelte Taichi und blickte zu der brünetten jungen Frau am gegenüberliegenden Tisch, die sich gerade angeregt mit ihrer rothaarigen Freundin unterhielt. Alle waren lediglich mit einem Yukata bekleidet und nahmen eine Auszeit vom Baden. Während sich die beiden Frauen unterhielten trat Joe an deren Tisch und legte Mimi sachte seine Hand auf die Schulter. Mit Argwohn fixierte Taichi jede einzelne Bewegung seines älteren Freundes. Er konnte es überhaupt nicht ertragen, dass Mimi immer wieder freudig lächelte und Joe's Berührungen zuließ. „Ich geh noch ne' Runde ins Bad...hält ja keiner aus hier!“ schimpfte er wütend und stieß beinahe einen Stuhl um. „Tai warte....jetzt ist kein regulärer Badebetrieb mehr....Was hat er denn bloß?“ doch die Worte seines blonden Freundes erreichten ihn nicht mehr. Beim Vorbeigehen stieß Tai mit seiner Schulter heftig gegen Joe, sodass dieser ins Schwanken geriet. „Hey! Was soll das Tai?“ fragte dieser und blickte seinem Freund fragend nach. Die brünette junge Frau hingegen schwieg und leerte den letzten Rest ihres Glases. „Mach dir nichts draus Joe. Er ist ein dämlicher Vollidiot...“ sagte sie und erhob sich langsam von ihrem Stuhl. „Ich gehe schon mal nach oben. Wir sehen uns beim Abendessen...“ fügte sie lächelnd hinzu und verließ die Lobby des Hotels. Selbstverständlich ging Mimi nicht auf ihr Zimmer, sondern folgte Tai. Jetzt war sie nach einem Jahr endlich wieder in Japan und er spielte sich erneut wie das letzte Arschloch auf. Das Maß war voll und sie wollte dieses Benehmen nicht länger hinnehmen. Auch wenn sie bis jetzt noch kein einziges Wort miteinander gewechselt hatten, so duldete Mimi es keine Sekunde länger, dass er sich Joe gegenüber so verhielt. Nach einem kurzen Fußmarsch durch den Garten des Hotels erreichte man das rustikale Bad. Taichi betrat den Vorraum und entledigte sich seiner Kleidung. Wie es beim Besuch in einem Sentō üblich war, begab man sich unbekleidet ins Thermalwasser. Der Bereich für Männer und Frauen war in diesem Bad nicht getrennt, sondern in spezielle Uhrzeiten unterteilt. Im Vorraum befanden sich keine anderen Schuhe oder Hinweise darauf, dass sich andere Gäste im Bad befanden. Verwundert folgte die junge Frau ihm unauffällig und schlang ihr Handtuch fest um ihren Körper. Der heiße Wasserdampf ließ Mimi kurzzeitig die Orientierung verlieren, doch dann spürte sie eine kräftige Hand auf ihrer Schulter. „Was willst du denn hier? Jetzt ist Badezeit für die Männer! Du traust dir was...“ sagte er schroff und fixierte sein Handtuch an seiner Hüfte. „Ich sehe hier keine Männer, nur dämliche Idioten, die sich ihren Freunden gegenüber unmöglich verhalten. Bist du jetzt eigentlich bald mal fertig mit deinem kindischen Theater? Wie lange soll das noch so weiter gehen?“ entgegnete sie scharfzüngig und wedelte mit ihrer Hand den Dampf weg. „Was ist denn dein Problem? Hat die Prinzessin heute Nacht etwa auf einer Erbse geschlafen oder hat es dir dein Prinz nicht gut besorgt?“ „Achso, das ist also dein Problem.“ sie grinste süffisant und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Nein sei versichert, dass es mir mein Prinz stets gut besorgt, besser als du es jemals getan hast...“ Er spürte wie die Wut in ihm hoch kroch und sich Eifersucht in seiner Brust breit machte. „Wenn du uns alle durch hast, kannst du mir am Ende ja eine Auswertung geben, welcher von uns der Beste gewesen ist...“ sein Tonfall wirkte plötzlich sehr scharf und bedrohlich. Unbeherrscht holte Mimi plötzlich aus und verpasste ihm eine heftige Ohrfeige. „Was bildest du dir ein? Du solltest nicht von dir auf andere schließen. Ich würde das einem Freund niemals antun. Erst mit ihm schlafen und ihn dann fallen lassen! Und zur Krönung schmeißt du dich an die Freundin deines besten Freundes ran, du bist so armselig Taichi Yagami!“ Erschrocken zuckte er zusammen und rieb sich seine pulsierende Wange. Ihre Worte waren verletzend und provokant zugleich. „Und warum kommst du immer wieder angekrochen, wenn du nicht mit mir schlafen willst? Lassen wir diese Streiterei doch einfach und kommen lieber gleich zur Sache...“ mit einem niederträchtigen Grinsen sah er sie an. „Das glaube ich, dass du mich gerne auf den Knien sehen würdest. Aber ich wollte mir heute nicht den Appetit verderben.“ ihr bissiger Blick durchbohrte ihn förmlich. „Schon gut, ich habe keine Kondome dabei und bei dir weiß man nicht, wer da vorher schon dran war. Nachher drehst du mir noch ein Baby an oder viel schlimmeres als das...“ seine Worte waren so bösartig und er konnte selbst nicht fassen, dass er das gerade sagte. Noch bevor ihm eine Entschuldigung über die Lippen kam, traf ihn ihre flache Hand erneut ins Gesicht. Als Mimi zum nächsten Schlag ausholte, packte er ihr Handgelenk und hielt sie davon ab. Sein gesamtes Gesicht schmerzte unerträglich und wütend starrte er sie an. Mimi biss sich so heftig auf ihre Lippen, dass sie bereits ganz weiß wurden. Plötzlich tat es ihm so unendlich leid, dass er solch heftigen Worte zu ihr sagte. Doch es war geschehen und ließ sich nicht rückgängig machen. „Du Schwein! Lass mich los!“ schrie sie tränenerstickt und löste sich aus seinem Griff. Sie wollte nur noch weg von ihm. Verzweifelt riss sie an der Tür, doch sie ließ sich einfach nicht öffnen. „Was zum...ich will hier raus!“ rief sie und schlug mit ihren Fäusten gegen das massive Holz. Doch die Tür bewegte sich keinen Millimeter. Offenbar wurden sie eingeschlossen. Er folgte ihr und packte sie am Arm. „Mimi...bitte....es tut mir leid...“ stammelte er. Doch Mimi wehrte sich so heftig, dass er sie kaum bändigen konnte. Immer wieder schlug sie ihm kraftvoll ins Gesicht. „Verschwinde!“ schrie sie hysterisch und er wusste sich nicht anders zu helfen, als sie festzuhalten und gegen das Waschbecken zu drücken. Dabei drehte er sie um und presste ihren Rücken gegen seine Brust. Angestrengt hielt er mit seinen Armen ihre umschlossen, damit sie nicht mehr nach ihm schlagen konnte. „Warum tust du das? Lass mich los! Lass mich doch endlich gehen...“ stotterte sie verzweifelt. Tai schwieg und lehnte seinen Kopf keuchend gegen ihren nackten Rücken. Ihr Herz raste, aber dennoch spürte er, wie sich ihre Muskulatur nach und nach entspannte. Sachte ließ er ihre Arme los und Mimi stützte beide Hände erschöpft gegen den beschlagenen Spiegel. „Ich kann dich nicht los lassen...“ flüsterte er. „Das hast du doch schon längst. Du willst mich überhaupt nicht. Dein Herz gehört einer anderen Frau...“ erwiderte sie leise und versuchte ihn durch den Spiegel anzusehen, indem sie mit ihrer Hand die Feuchtigkeit wegwischte. „Sora hat es mir erzählt. Nach deinem Motorradunfall bist du zu ihr gegangen und hast ihr gesagt, dass sie immer noch mehr als eine Freundin für dich ist...“ Taichi erhob seinen Kopf nicht von ihrem Rücken. Er bewegte lediglich seine tiefbraunen Augen und suchte nach irgendwas in diesem Raum, irgendwas, das ihm Halt geben könnte. Nach seinem tragischen Unfall im vergangenen Herbst und den Tagen im Koma, wollte er einen Neuanfang starten. Er zog aus der Wohnung seiner Eltern aus und beschloss, sich ein für alle Mal zu entscheiden. Was waren das für Gefühle in seiner Brust? Er wollte nicht ständig an eine Frau denken, die er sowieso niemals erreichen würde. Taichi wusste damals genau, dass er niemals hätte mit Mimi zusammen sein können. Es gab für ihn und sie keinen gemeinsamen Weg. Doch die Verbindung zu Sora war schon immer so tief, dass er davon überzeugt war, dass es mehr sein musste als bloße Freundschaft. In einer der vielen Beziehungspausen zwischen Yamato und Sora nutzte Taichi seine Chance. Im Grunde wusste er selbst nicht, mit welcher Reaktion er tatsächlich gerechnet hatte. Denn es war eigentlich vollkommen klar, dass Sora's Herz längst einem anderen Mann gehörte. Dementsprechend wies sie Taichi auch zurück. Doch die Worte, die Sora damals zu ihm sagte, würde er wohl nie vergessen. Plötzlich strich er mit seinen Fingern über ihre makellose Haut und seine Lippe bedeckten ihren Rücken mit zarten Küssen. Er spürte, dass Mimi sofort Gänsehaut bekam und verunsichert zusammenzuckte. Kein Wort verließ ihre Lippen, schweigend starrte sie in den Spiegel und versuchte seine Augen auszumachen. Obwohl sich ihr Kopf vehement dagegen sträubte, verlangte ihr Herz umso mehr nach seinen Berührungen. Seine rauen Fingerkuppen fuhren unter ihr Handtuch und lösten problemlos den Knoten. Geräuschlos sank es zu Boden und entblößte die junge Frau in ihrer ganzen Schönheit. Beide Blicke trafen sich im Spiegel und Taichi legte sofort seine Lippen an ihren Hals. Keuchend beugte sich Mimi nach vorne und stützte sich umso stärker an der glatten Oberfläche des Spiegels ab. Sie spürte den Stoff seines Handtuchs, welches ebenso zu Boden glitt. Was hatte er jetzt vor? Wollte er in dieser Position, hier und jetzt, mit ihr schlafen? Unerwartet spürte sie seine Finger zwischen ihren. Überrascht beobachtete sie, wie er ihre Hand mit seiner bewegte und mit ihrem Zeigefinger etwas an den beschlagenen Spiegel schrieb. »Ich vermisse dich.« Ihr gesamter Körper fing an zu zittern. Obwohl sie versuchte standhaft zu bleiben, überkam sie ein tiefes Gefühl von Traurigkeit. Schluchzend betrachtete sie die Schriftzeichen im Spiegel und presste ihre Finger um seine. Im selben Moment vergrub er sein Gesicht an ihrer Schulter und Mimi hätte schwören können, seine heißen Tränen auf ihrer Haut zu spüren. Taichi richtete seinen Blick wieder auf, als er bemerkte, dass sie ihre Hand nun selbstständig mit seiner eigenen bewegte. Mimi veränderte lediglich eines der Zeichen und somit den gesamten Satz. »Ich vermisse dich so sehr.« Keine Sekunde länger hätte er jetzt noch an sich halten können. Hingebungsvoll drehte er sie um und legte seine Lippen fordernd auf ihre. Mimi zögerte keinen Moment und erwiderte seinen Kuss sehnsüchtig. Hastig schlang sie ihre Arme um ihn und spürte, wie er sie anhob und auf dem Waschtisch platzierte. Er wollte sie jetzt nur noch spüren, ihr nahe sein, sie berühren, sie schmecken und ihren bezaubernden Duft nie wieder missen. Als sie ihre Beine um seine Hüften schlang, signalisierte sie ihm deutlich, dass sie bereit für ihn war. „Willst du jetzt doch ein Baby mit mir?“ fragte sie frech und strich ihm zärtlich durchs Haar. Verdutzt sah er sie an und hielt inne. „Ich....hab nichts dabei...“ murmelte er und wurde etwas verlegen. „Schon gut. Diesbezüglich kann nichts passieren, ich nehme die....“ sie konnte ihren Satz nicht beenden, da Taichi sie leidenschaftliche küsste. Der temperamentvolle junge Mann hatte den unvollständigen Satz seiner Freundin sehr wohl verstanden. Doch selbst wenn sie nicht verhütet hätte, es wäre ihm egal gewesen. Er war 21 Jahre alt und seines Erachtens alt genug, um Vater zu werden. Außerdem wäre es vielleicht eine Möglichkeit gewesen endlich zueinander zu finden und zusammen zu sein. Über diesen plötzlich aufkommenden Wunsch verwundert, mit ihr eine Familie gründen zu wollen, stürzte er sich in diesen innigen Kuss. Doch zu mehr als heißen Küssen kam es an diesem Abend nicht, denn die beiden wurden durch zwei Stimmen jäh in ihrer Zweisamkeit unterbrochen. „Tai?! Bist du da drinnen?“ Koushiro hämmerte mit seinen Fäusten gegen die massive Holztür und Joe kam gerade mit einem Schlüssel herbei geeilt. Enttäuscht und etwas wütend sah Tai in die goldbraunen Augen seiner Freundin. „Das kann doch nicht wahr sein...“ flüsterte er und reichte ihr das Handtuch. Mit einem breiten Grinsen schlang sich die junge Frau den weißen Baumwollstoff um ihren Körper und rutschte vom Waschtisch runter. Taichi hingegen blieb nackt und bewegte sich zum Wasserbecken. „Wo gehst du hin?“ flüsterte sie kichernd. „Was glaubst du? Ich brauche jetzt erstmal 15 Minuten im eiskalten Außenbecken, bevor ich mir überhaupt irgendwas anziehen kann...“ Als sich die schwere Tür endlich öffnete, starrten die beiden Freunde errötend auf Mimi. Graziös strich sie sich ihre langen Haarsträhnen hinter die Schulter. „Was glotzt ihr denn wie zwei Affen?“ fragte sie und schritt an den beiden perplexen Männern vorbei. „Äh...warum bist du hier und warum trägst du nur ein Handtuch? Wo ist Tai?“ stotterte Joe und folgte ihr. „Sollte ich lieber kein Handtuch tragen?“ fragte sie herausfordernd und wollte gerade den Knoten lösen, als Joe nervös mit seinen Händen wedelte. „Nein so meinte ich das nicht! Wir sind hier mitten auf dem Hotelflur.....“ stotterte er völlig aufgeregt. „Ach jetzt stell dich doch nicht so an! Ich habe schon viel mehr von dir gesehen! Dann wären wir endlich quitt, oder?“ Als sie sein vor Schamesröte glühendes Gesicht sah, fürchtete Mimi, dass ihr Freund gleich einen Herzinfarkt bekommen könnte. Koushiro hingegen wusste genau, wie er seine ehemalige Klassenkameradin nehmen musste und belächelte das Schauspiel der beiden nur. Es war einfach typisch für die junge Frau, dass sie provokant mit ihren Vorzügen spielte und den Männern so den Kopf verdrehen konnte. Sie zwinkerte unverschämt und streckte ihrem älteren Freund die Zunge raus. Joe konnte keine weiteren Fragen stellen, denn er erinnerte sich voller Verlegenheit an die Situation zurück, als Mimi im letzten Jahr einfach das Hotelzimmer betreten und ihn nackt gesehen hatte. Dabei hätte es ihn wahnsinnig interessiert, warum Taichi und Mimi gemeinsam im Bad gewesen waren. Die weiteren Tage waren merkwürdig für Taichi und Mimi. Beide gingen sehr wertschätzend und höflich miteinander um, was ihre Freunde zutiefst verwunderte. Am Tag ihrer Abreise brachte Taichi sie tatsächlich zum Flughafen. Soweit sich Mimi erinnern konnte, war es das aller erste Mal, dass er sich offiziell von ihr verabschiedete. Sie erlebte ihn als vollkommen anderen Mann. Er trug sogar ihren Koffer und hielt ihre Hand. Die letzten Minuten verbrachten sie wartend am Terminal und Mimi schmiegte sich an seine Schulter. Irgendwie waren sie plötzlich weder Freunde noch ein Paar. Sie konnten beide keine Worte dafür finden. „Schreibst du mir eine Mail, wenn du angekommen bist?“ fragte er leise. Mimi hob ihren Kopf von seiner Schulter und setzte sich aufrecht hin. „Tai, warum sollten wir dieses Spielchen immer weiter spielen? Vielleicht sollten wir es einfach dabei belassen, genauso wie es jetzt ist. Du willst sowieso immer das haben, was du nicht kriegen kannst. Wenn ich in deiner Nähe bin, sehnst du dich nach Sora und wenn ich fort bin, dann vermisst du mich. Du kannst dich nicht entscheiden...“ Ihre Worte klangen überhaupt nicht vorwurfsvoll aber dennoch verletzten sie ihn. Zögerlich schob er seine Hand zwischen ihre Finger. Mit einem sanften Lächeln sah Mimi ihm direkt in seine dunkelbraunen Augen. In diesem Moment dachte sie tatsächlich, dass es für sie kein Problem gewesen wäre, wenn sie sich auf diese Art von Freundschaft geeinigt hätten. Eine Freundschaft mit gewissen Vorzügen. Ohne Verpflichtungen und mit jeder Menge Spaß im Bett. Doch tief in ihrem Herzen wünschte sie sich viel mehr als das. Aber letztlich wäre es für die junge Frau schlimmer gewesen, ihn überhaupt nicht mehr in ihrem Leben zu haben. Die letzten Jahre waren furchtbar und es hatte sie beinahe in Stücke gerissen, dass sie keinen Kontakt hatten, keine Freunde mehr waren und kein einziges nettes Wort miteinander sprechen konnten. Die Stimme einer freundlichen Frau erklang durch den gesamten Terminal und rief Mimi's Flug auf. Die beiden erhoben sich von ihren Plätzen, doch Taichi blieb vor ihr stehen. Mutlos sah er zu Boden und hatte seine Hände tief in den Hosentaschen vergraben. „Das was wir uns am meisten wünschen, wonach wir ein Leben lang suchen, die Dinge, die wir immer wollten.....sie liegen oftmals direkt vor unseren Füßen. Wir müssen uns nur entscheiden, welchen Weg wir gehen wollen und wer uns dabei begleiten soll...“ Liebevoll legte er seine Hand auf ihre Wange. Es kostete viel Überwindung, dass Taichi ihr direkt in die Augen sehen konnte. Seine Knie waren weich und sein Puls raste. Es stimmte was Mimi sagte. Sehr lange ist er tatsächlich hin und her gerissen gewesen zwischen zwei Frauen. Doch umso tiefer die Sehnsucht in seinem Herzen wurde, desto sicherer wurde er sich seiner Gefühle. „Ich will es nicht so belassen wie es jetzt ist. Ich will und brauche dich in meinem Leben, als Freundin oder vielleicht sogar mehr als das. Am Ende entscheiden doch sowieso nicht wir, sondern unser Herz. Wäre es nicht einen Versuch wert?“ „Wenn du das möchtest.“ antwortete sie karg und zupfte nervös an ihren Haarsträhnen. Damit hatte sie überhaupt nicht gerechnet. Wie sollte sie das verstehen? Eine Fernbeziehung? Keine Beziehung? Eine Beziehung auf Probe? Als er die ganzen Fragezeichen in ihren Augen sah packte er sie im Nacken und zog sie zu sich. „Warum so nervös?“ flüsterte er und küsste ihre Stirn. „Ich weiß nicht...“ stotterte sie verlegen und schmiegte sich ein letztes Mal in seine Arme. „.Dann lass es uns einfach herausfinden.“ seine Finger schoben ihr Kinn nach oben und zärtlich legte er seine Lippen auf ihre. „Denn ich vermisse dich jetzt schon...“ Als sie diese Worte von ihm hörte, schien es, als würde etwas in ihr zerbrechen. Sehnsüchtig schlang sie ihre Arme um ihn und unterdrückte ihre Tränen. Noch nie mussten die beiden auf diese Weise voneinander Abschied nehmen. Der Schmerz des Abschieds war nicht wie gewöhnlich von Wut und Verzweiflung beseelt, vielmehr erwuchs ein tiefes Gefühl von Sehnsucht. Es gab soviel, was sich die beiden gerne noch gesagt hätten. Doch sie wussten, dass es einfach nicht genügend Zeit gab, um all das, was ihre Herzen begehrten, miteinander zuteilen. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Nach dem Abendessen mit Kimiko machte es sich Taichi im Wohnzimmer vor dem Fernseher gemütlich. Seitdem Mimi mit Sae das Haus verlassen hatte, hingen seine Gedanken noch immer der Vergangenheit nach. Nach diesem Abschied am Flughafen vor zwei Jahren, hatte er mit Mimi ein sehr gutes Verhältnis. Trotz der immensen Entfernung und dem Zeitunterschied gelang es beiden, jeden Abend miteinander zu sprechen. Das bloße Schreiben von Mails reichte ihnen bald nicht mehr aus und sie mussten sich jeden Abend per Videochat sehen. Damals fühlte er sich ihr sehr nahe und musste täglich mit seiner Eifersucht kämpfen. Er dachte darüber nach, mit wem sie sich in der Uni unterhielt, wer sie zu Hause besuchte oder mit wem sie am Wochenende unterwegs war. Es wurde Stück für Stück immer ernster zwischen ihnen. Taichi hatte sich fest vorgenommen seine Gefühle für Mimi endlich zuzulassen. Auch Mimi konnte sich damals eine ernste Beziehung zu ihm vorstellen, war jedoch viel zurückhaltender. Zu oft hatte er ihr Vertrauen erschüttert und sie enttäuscht. Schließlich vereinbarten beide, dass sie die Semesterferien gemeinsam in den USA verbringen wollten. Er wollte ihr beweisen, dass er seine Entscheidung längst getroffen hatte und sein Herz einzig und allein ihr gehörte. Nach dem alljährlichen Treffen in Japan, sollte Taichi für drei Monate mit nach New York fliegen. Zumindest war das ihr Plan. Die Realität gestaltete sich jedoch ganz anders. Plötzlich kamen ihm die Bilder von diesem furchtbaren Abend in diesem Restaurant zurück in den Kopf. Ihr weinendes Gesicht. Sein blutüberströmtes weißes Hemd. Der stechende Schmerz in seiner Brust als sie ihm sagte, dass sie nicht erneut sein Trostpflaster sein wolle. Warum war es schief gegangen? Warum konnten sie nicht einfach miteinander glücklich sein? All diese Gedanken quälten sich durch seinen Kopf. Irgendwann ergab sich der junge Mann seiner Müdigkeit und schlief erschöpft auf der Couch ein. Der Regen prasselte gegen die zahlreichen Fenster und die kalten Hände einer vertrauten Person streichelten ihm zärtlich über die Stirn. Zwei wohlig warme Lippen vereinigten sich mit seinen und Taichi schlug benommen seine Augen auf. In der Dunkelheit konnte er ihre leuchtenden goldbraunen Augen erkennen und sofort fuhren seine Hände sehnsüchtig durch ihr langes Haar. „Warum liegst du hier unten auf der Couch?“ flüsterte Mimi besorgt und schaltete den Fernseher aus. „Ich bin nach dem Abendessen hier unten geblieben und scheinbar eingeschlafen...“ murmelte er und setzte sich aufrecht hin. Mit einem verschmitzten Grinsen platzierte sich Mimi auf seinem Schoß und legte ihre Hände um seinen Nacken. Zärtlich strich sie ihm einige Haarsträhnen aus dem Gesicht und küsste seine Schläfe. „Hattet ihr einen schönen Tag in der Therme?“ fragte er matt und legte seine Hände auf ihren Rücken. Mimi nickte stumm und schmiegte ihren Kopf an seine Brust. Diese Nähe zu ihm war einfach wundervoll. „Tai...“ ihre Stimme durchbrach die Stille der Nacht. „Ja?“ fragte er verwundert. „Warum hat es damals nicht geklappt zwischen uns? Warum ist es im Restaurant so eskaliert? Ich dachte damals wirklich, dass du dich von Sora gelöst hättest und plötzlich war alles anders. Die beiden gaben ihre Verlobung bekannt und du bist aus dem Raum gestürmt und warst stundenlang weg. Ich habe dich dann stockbesoffen gefunden und alles ging schief.“ Sie sah ihn nicht an. Ihre Atmung war gleichmäßig und ihr Tonfall vollkommen entspannt. Die letzten Tage mit ihm hatten ihr dabei geholfen, etwas Abstand zu diesem furchtbaren Abend zu gewinnen. Doch sie konnte bis heute nicht verstehen, warum sich Tai so verhalten hatte und sich bis heute nicht für seine Freunde und seine Schwester freuen kann. „Du hast mir gesagt, ich sei nie die andere Frau gewesen. Aber was war es dann an diesem Abend? Warum hast du alles aufgegeben? Warum bist du nicht mit mir gekommen?“ Er sog die Luft scharf durch seine Lippen und kniff seine Augen verzweifelt zusammen. „Ich kann versuchen es dir zu erklären...“ flüsterte er schließlich und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Ich hatte so unwahrscheinlich große Sehnsucht nach dir. Wenn wir nicht miteinander schreiben oder sprechen konnten, ging es mir entsetzlich schlecht und die Eifersucht war kaum auszuhalten. An diesem Abend im Restaurant hat mich der Neid gepackt. Plötzlich fanden meine beiden besten Freunde, nach langem Hin und Her, endlich zusammen und wollten ihr Leben miteinander verbringen. Mit einem Mal verstand ich, dass ich selbst keinen Schritt weiter war. Trotz unseres intensiven Kontaktes zueinander, hatten wir weder eine feste Beziehung, noch wusste ich überhaupt irgendwas aus deinem Leben. Ich war kein fester Bestandteil in deinem Leben und ich würde es auch nur temporär sein können. Denn du lebtest 11.000 Kilometer weit weg, das wäre nicht mal eine Wochenendbeziehung gewesen. Ich wusste einfach nicht, wie ich das jemals hätte schaffen sollen. Wie wir hätten jemals zusammen sein können.“ Taichi unterbrach seinen Satz kurz und seufzte leise. Mimi hatte sich inzwischen aufgerichtet und sah ihn direkt an. Ihre Finger graulten seinen Nacken. „An diesem Abend wollte ich meinen Schmerz und den Neid einfach nur im Alkohol ertränken. Irgendwie kam es dann zum Streit zwischen uns, weil du es falsch verstanden haben musst. Du dachtest, ich sei noch immer in Sora verliebt und könne mich deswegen nicht für die beiden freuen. Du dachtest, ich wolle mich mit dir darüber hinweg trösten. Doch so ist es nicht gewesen...“ Zum Ende hin wurde seine Stimme brüchig und er lehnte seinen Kopf gegen ihre Brust. Ihren zierlichen Körper drückte er fester an sich und nahm ihren süßlichen Duft tief in sich auf. „...Ich habe dich einfach so sehr vermisst, dass ich nicht anders konnte. Doch meine Verzweiflung ließ alles derart eskalieren und führte dazu, dass alles zwischen uns zerbrach.“ Ihr Blick wurde sanft und sie streichelte über seinen Kopf. Sein gesamter Körper verkrampfte und sie spürte, wie er versuchte seine Fassung zu wahren. „Mimi, das was du mir bedeutest, habe ich stets versucht bei einer anderen zu finden. Aber so was funktioniert einfach nicht. Das Herz will, was es begehrt und daran kann der Kopf nichts ändern. Es tut mir so leid. Ich bin so schwach gewesen und habe dich nicht halten können...“ Seine Worte lösten in ihr ein Gefühlschaos aus. Ihre Finger fingen an zu zittern und sie drückte seinen Oberkörper nach hinten. Verdutzt starrte er sie an. Hätte sie ihm jetzt sagen sollen, was danach passierte? Hätte sie ihm jetzt sagen sollen, wer an seiner statt mit ihr nach New York geflogen ist? Hätte sie ihm jetzt davon erzählen sollen, wer ihr in dieser schweren Zeit Trost spendete? Mutlos biss sie sich auf die Unterlippe und neigte ihren Kopf. Sie konnte es einfach nicht. Sie brachte es nicht über sich ihn derart zu verletzen, denn ihr war bewusst, dass Taichi die Wahrheit nicht verkraftet hätte. Es war einfach nicht an der Zeit es ihm zu sagen und vielleicht war es auch besser so. „Hey, was ist los? Ich wollte es nicht schlimmer machen...“ murmelte er besorgt und legte seinen Zeigefinger und Daumen an ihr Kinn. „Nein, das hast du nicht. Ich bin so froh, dass ich heute weiß, warum alles so gekommen ist.“ Mimi versuchte sich zu entspannen und küsste seine Wange. „Heute hat mir meine Schwester gesagt, dass sie ihr ganzes Leben etwas vermisste. Sie hatte nach irgendwas Sehnsucht, doch sie wusste einfach nicht wonach. Sie sagte mir, dass sie jetzt das Gefühl habe, als hätte sie den fehlenden Teil von sich selbst wiedergefunden. Ihre unendliche Sehnsucht sei nun verschwunden.“ Langsam lehnte sie ihre Stirn gegen seine und sprach weiter. „Zwischen uns ist vieles schief gelaufen. Aber zerbrochen ist es nie, sonst wären wir jetzt nicht miteinander hier. Vielleicht ist es wirklich so wie man sagt. Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen ist es schwer. Es fühlt sich so unendlich schmerzvoll an, dass wir letztlich davon laufen. Aber unsere Sehnsucht nacheinander wird uns niemals los lassen. Das was wir verloren und zurückgelassen haben, werden wir unser gesamtes Leben hinweg suchen.“ Tai schenkte ihr ein zufriedenes Lächeln und nickte verstehend. „Ich will dich aber nie wieder vermissen...“ Kapitel 8: Die Tage mit dir - Teil V: Eifersucht ------------------------------------------------ 06. Juli 2015, Tateyama, Präfektur Chiba Mimi strich sich müde einige Haarsträhnen hinter das Ohr. Es war bereits dunkel draußen geworden und die junge Frau war froh darüber, dass dieser heiße und anstrengende Tag endlich vorüber war. Offenbar neigte sich die Regenzeit langsam dem Ende und die Tage wurden wieder sonniger. Sie setzte sich an den Schreibtisch in ihrem Zimmer und hielt einen kleinen weißen Briefumschlag in ihren Händen. Heute Morgen hatte sie den Briefkasten geleert und zu ihrer Verwunderung befand sich unter den zahlreichen Umschlägen einer, der an sie adressiert war. In filigranen Schriftzügen stand ihr Name auf dem weißen Papier. Leider konnte sie keinen Absender entdecken, lediglich der Poststempel verriet, dass dieser Brief aus Kyoto kam. Es gab nur einen Menschen den sie kannte, der momentan in Kyoto lebte. Nervös zitterten ihre Finger und öffneten langsam die Falz des Umschlags. Mimi vergewisserte sich, dass sie tatsächlich alleine in ihrem Zimmer war und Taichi sich noch immer unten befand. Langsam zog sie das gefaltete Papier heraus. Als ihre Augen über die ersten Zeilen fuhren wurde ihr Mund mit einem Mal ganz trocken. »Liebe Mimi, sicherlich wird dich mein Brief etwas zeitiger erreichen, dennoch werde ich dir persönlich alles Gute zum Geburtstag wünschen. Wir hatten in den letzten Wochen kaum die Gelegenheit miteinander zu sprechen. Deswegen hoffe ich, dass wir uns am 07. Juli sehen und vielleicht kannst du mir bis dahin auch eine Antwort auf meine Frage geben. Ich vermisse dich. In Liebe, J.K.« Es fühlte sich an, als würde ein tonnenschweres Gewicht ihre Brust zerquetschen. Noch immer zitternd erhob sich Mimi langsam von ihrem Stuhl und ging zum Schrank rüber. Aus ihrer Reisetasche kramte sie eine kleine viereckige Verpackung heraus. Der dunkelblaue Samt fühlte sich weich an in ihrer Hand. Behutsam öffnete sie die kleine Schatulle und betrachtete den wunderschönen Ring darin. Sie setzte sich wieder an den Tisch und fuhr mit ihrem Zeigefinger über die Einfassung des Edelsteins. Plötzlich fokussierten sich ihre Gedanken einzig und allein auf ihre letzten Monate in New York, auf die Monate mit ihm. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Seit scheinbar unendlichen Minuten versuchte die Rothaarige, ihre Freundin zu beruhigen. Noch immer zitterte Mimi am ganzen Körper und wischte sich beinahe panisch über ihr blutverschmiertes Kleid. „Der wird schon wieder. Du weißt doch wie er ist. Außerdem sagt man doch nicht ohne Grund, dass sich Kinder und Betrunkene beim Sturz niemals ernsthaft verletzen. Morgen wird er schon wieder seine dummen Witze reißen....“ Sora streichelte ihr zärtlich die Schulter. Die Brünette schwieg und starrte mit leeren Augen auf die Straße. Nach ihrer heftigen Auseinandersetzung auf der Toilette hatte sich Taichi aus dem Staub gemacht. Ihre Freunde fanden letztlich nur eine völlig aufgelöste Mimi vor, die ihnen irgendeine fadenscheinige Geschichte erzählte. Tai sei gestürzt und habe sich dabei die Lippe aufgeschlagen. Daher habe er sich ein Taxi gerufen und sei schnellstmöglich ins Krankenhaus gefahren. Dabei wusste Mimi ganz genau, dass wirklich überhaupt nichts davon stimmte. Am liebsten hätte sie Sora alles erzählt, doch sie brachte einfach kein Wort über ihre Lippen. Gefangen in ihrer Verzweiflung und Eifersucht auf ihre rothaarige Freundin, wollte sie einfach nur weg von hier. Sie wollte nicht, dass Sora sie berührte, sich um sie sorgte und noch viel weniger wollte sie ihr erzählen was tatsächlich passiert war. Denn im Grunde war alles wegen Sora eskaliert. Taichi konnte es nicht ertragen, dass seine langjährige Sandkastenfreundin seinen besten Freund heiraten würde. Dieser Streit, dieses ewige Hin und Her zwischen ihm und Mimi geschah letztlich einzig und allein, weil er sich nicht entscheiden konnte. Weil er sich seiner Gefühle für die beiden Frauen nicht sicher war. In dieser Nacht gab Mimi ihrer Freundin unbewusst die Schuld für alles. „Es ist alles deine Schuld...“ murmelte sie gedankenverloren und Sora blickte sie fassungslos an. Mimi bemerkte, dass sie diesen Satz laut gesagt hatte. „Ich meine seine...es ist alles seine Schuld. Entschuldige ich bin einfach unglaublich müde.“ Erleichtert lächelte Sora und wollte gerade etwas erwidern, als Mimi sie in eine halbherzige Umarmung schloss. „Vielen Dank Sora, aber du kannst gerne wieder zurück gehen. Es ist heute eure Verlobungsfeier und du solltest bei Yamato sein. Mach dir keine Sorgen um mich. Ich brauche jetzt einfach Schlaf...“ Verwundert musterten die fragenden Augen ihrer rothaarigen Freundin ihr Gesicht. Sora spürte deutlich, dass Mimi es momentan ablehnte mit ihr zu sprechen. „Bitte ruf mich morgen an...“ sagte sie leise und begab sich zögerlich wieder nach drinnen. Mimi nickte stumm und eilte mit hastigen Schritten dem Taxi entgegen. Ohne zurück zu sehen, stieg sie ein und platzierte ihren frierenden Körper auf dem Rücksitz. Plötzlich öffnete sich die Beifahrertür und jemand setzte sich neben sie in das Taxi. „Was soll das?“ fauchte sie wütend und erkannte erst viel zu spät, wer sich neben sie setzte. „Tokyo Metropolitan Matsuzawa Hospital...“ der junge Mann fuhr sich angestrengt durchs Haar und schien vom Rennen völlig außer Atem zu sein. „Joe? Warum? Was soll das? Warum bleibst du nicht hier? Ich muss nicht ins Krankenhaus...“ Der Taxifahrer fuhr los und Joe schenkte seiner Freundin nur ein Lächeln. Er zog sich sein Jackett aus und legte es um ihre Schultern. „Draußen sind 25C° und du zitterst wie Espenlaub? Schon etwas merkwürdig, findest du nicht? Außerdem hat er dich ganz schön hart angepackt, das solltest du untersuchen lassen...“ vorsichtig streichelte er über rechtes Handgelenk. Die Stellen an denen Taichi sie festgehalten hatte waren bläulich verfärbt und man konnte den Abdruck seiner Finger deutlich erkennen. Sofort zog sie ihre Hände zurück und drehte ihren Kopf zur Seite. Sie schämte sich dafür und wollte nicht, dass jemand erfuhr, was zwischen ihr und Taichi geschehen war. Sie zog den Stoff seines Jacketts dicht an ihren Körper. Dabei stieg der leichte sommerliche Zitrusduft seines Parfüms in ihre Nase. „Es ist nichts. Mir geht es gut und ich brauche niemanden, der mich in ein Krankenhaus begleitet.“ ihre Stimme klang weiterhin zornig. „Mein Vater hat noch Dienst, es sollte kein Problem sein, dass es unter uns bleibt. Sicherlich haben die anderen dir deine abenteuerliche Geschichte abgekauft. Aber ich denke, es wäre besser wenn du mit jemandem darüber sprichst, was wirklich geschehen ist...“ Sofort drehte sich Mimi zu ihm um. „Was soll das werden? Bist du jetzt auch Seelenklempner oder wie? Du kannst dir dein therapeutisches Gerede sparen. Außerdem habe ich nicht gelogen und selbst wenn, würde es dich überhaupt nichts angehen!“ Er lehnte sich zurück und betrachtete ihre ausdruckslosen Augen. „Mimi, was soll das? Ich sehe es doch ganz genau, wie unglücklich du bist. Den ganzen Abend hast du seinen Blick gesucht, doch er hat ihn nicht erwidert. Letzten Sommer in Okinawa, als ihr zusammen im Bad eingesperrt gewesen seid....irgendwas läuft da zwischen euch. Doch ich glaube, dass es dir überhaupt nicht gut tut. Noch nie waren deine Augen so leer wie jetzt. Er macht dich nicht glücklich, zumindest bist du es im Moment nicht...“ Sie hatte keine Kraft, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Tränen bahnten sich unaufhörlich ihren Weg über ihre Wangen. War es denn wirklich so offensichtlich? Joe konnte sie lesen wie ein offenes Buch. Mimi wischte sich schnell über ihre Augen und versuchte ihre Emotionen zu kontrollieren, doch es gelang ihr einfach nicht. Ihr dunkelhaariger Freund hatte so verdammt recht. Taichi behandelte sie wirklich schlecht. Auch wenn er ihr im vergangenen Jahr eine andere Seite von sich gezeigt hat, so hatte er sie am heutigen Abend schonungslos zurück in die Realität gestoßen. „Am Abend der Abschlussfeier von Yamato, Sora und Tai hat alles angefangen...“ sie lächelte matt und strich sich einige Haarsträhnen hinters Ohr. „...Vielleicht auch schon viel früher. Ich weiß es nicht mehr.“ ihre Stimme klang leise und die junge Frau konnte selbst nicht glauben, dass sie gerade dabei war, einer anderen Person diese Geschichte zu erzählen. Noch nie hatte sie sich einer anderen Person anvertraut. Stets trug sie ihren Schmerz und Kummer allein in ihrem Herzen. Während der gesamten Fahrt zum Krankenhaus hörte ihr Joe aufmerksam zu. Natürlich erzählte sie ihm nicht alles im Detail, aber dennoch kommentierte er ihre Geschichte mit keinem Wort. Verwundert musterte sie ihn. Warum sagte er nichts? Warum sagte er ihr nicht, wie dumm sie doch war. Warum sagte er nicht, dass Taichi ein dämlicher Vollidiot war und sie ihn einfach vergessen sollte. Warum blieb er einfach stumm? Plötzlich bereute sie es, ihm davon erzählt zu haben. Wahrscheinlich dachte er jetzt, dass sie ein naives Flittchen sei und sich von Männern herumschubsen ließ. Das Taxi hielt vor dem riesigen Gebäudekomplex an. Es war bereits weit nach Mitternacht und im Krankenhaus waren kaum Menschen zu sehen. Joe begleitete sie zum Büro seines Vaters. Die unangenehmen Fragen bügelte Joe souverän ab und Mimi war erstaunt, dass ihr älterer Freund so routiniert lügen konnte. „Mimi ist einfach wahnsinnig aufbrausend und beim Volleyballspielen heute Vormittag hat einer der Jungs sie etwas hart festgehalten...ich hoffe, dass nichts gebrochen ist.“ „Und woher kommt das Blut auf ihrem Kleid?“ fragte Joe's Vater und blickte seinen Sohn misstrauisch an. „Wir haben etwas wild gefeiert. Tai ist gestürzt und Mimi half ihm ins Taxi...“ die junge Frau suchte den Blick ihres Freundes und war unfassbar dankbar dafür, dass sie selbst nichts erklären musste. „Du sollst nicht feiern, sondern dich auf dein Studium konzentrieren. Hast du dich jetzt endlich entschieden, ob du das Praktikum in New York machen möchtest? Du weißt ganz genau, dass Dr. Morris momentan der beste Chirurg an der gesamten Ostküste der USA ist. Es wäre eine ultimative Chance für dich....“ „Nicht jetzt Vater!“ unterbrach ihn Joe harsch und rieb sich über seine Stirn. „Wir müssen dieses Gespräch nicht vor meiner Freundin führen, hast du verstanden?“ ergänzte er seinen Satz etwas freundlicher und presste sich ein Lächeln über seine Lippen. Für diesen Moment gab sich sein Vater damit zufrieden. Letztlich war es auch Joe zu verdanken, dass es keine weiteren Fragen zu den Blessuren von Mimi gab. Die junge Frau war nicht schwer verletzt und die blauen Flecken würden schnell verheilen. Ganz im Gegenteil zu ihrem Herzen. „Vielen Dank, Dr. Kido...“ sagte Mimi und verbeugte sich höflich vor Joe's Vater. „Kein Problem. Du solltest besser auf dich aufpassen Mimi. Ich habe keinen Ring an deiner Hand gesehen. Eine so hübsche junge Frau wie du sollte sich bald einen Mann zum heiraten suchen...“ „Vater! Sei still! Ich bringe sie jetzt zurück ins Hotel.“ Joe wurde sofort feuerrot. Er konnte diese offensichtlichen Verkupplungsversuche seines Vaters nicht länger ertragen. Es war ihm unangenehm, dass er jede junge Frau darauf ansprechen musste und versuchte sie mit ihm zu verheiraten. Beinahe fluchtartig verließ er mit Mimi das Krankenhaus und begleitete sie selbstverständlich zurück zu ihrem Hotel. Beide sprachen währenddessen kein Wort miteinander. „Gute Nacht...“ sagte er leise und wollte gerade Kehrt auf dem Hotelflur machen, als Mimi nach seinem Arm griff. Ihre schmalen Finger erwischten lediglich den Stoff seines Hemdes. Nervös presste sie sein Jackett an ihren Körper und blickte zu Boden. „Vielen Dank...“ murmelte sie. Joe drehte sich um und steckte beide Hände in seine Hosentaschen. „Mimi, du musst das nicht alleine durchstehen. Vielleicht bin ich nicht derjenige, mit dem du darüber sprechen möchtest, aber wenn du meine Hilfe brauchst, dann bin ich immer für dich da.“ Seine Worte waren eine große Erleichterung für Mimi, denn sie hatte schon befürchtet, dass Joe nun schlecht von ihr denken würde. Für einen kurzen Moment herrschte Stille, doch Mimi ließ ihn nicht los. Ihre Finger zogen etwas fester an seinem Hemd. Daraufhin bewegte sich der junge Mann etwas auf sie zu und strich ihr einzelne Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Du solltest dieses Praktikum machen...“ sagte sie leise und suchte mit ihren nussbraunen Augen seinen Blick. Unwillkürlich musste er lächeln. „Und du solltest ihn vergessen. Du hast etwas besseres verdient. Du hast einen besseren Mann an deiner Seite verdient. Einen, der dich aufrichtig liebt und dir niemals wehtun würde...“ Mimi schluckte hart und ließ seinen Arm los. Wahrscheinlich hatte er damit recht, doch die Brünette konnte kein einziges Wort darauf erwidern. Im Moment war alles so surreal. Alles erschien wie in einem schlechten Film und ihre Gedanken kreisen unaufhörlich um Taichi. Vielleicht würde sie es niemals schaffen ihn los zu lassen, vielleicht würde es ein anderer Mann niemals schaffen ihr Herz zu gewinnen. Plötzlich spürte sie seine warme Hand auf ihrer Wange und er nährte sich gefährlich ihrem Gesicht. Mimi konnte seinen heißen Atem auf ihren Lippen spüren. Ihr gesamter Körper erstarrte wie in Trance. Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück und Joe registrierte ihre Angst. Liebevoll legte er seine Lippen auf ihre Stirn und drückte ihren bebenden Körper kurz an sich. „Keine Angst, ich würde niemals etwas gegen deinen Willen tun...“ sagte er leise und ließ sie wieder los. Er drehte sich zum Gehen um und fuhr sich mit seinen Händen durchs Haar. „Ich werde am 30. September in New York landen. Vielleicht sehen wir uns ja...“ Sie war völlig erstarrt und konnte keinen Ton über die Lippen bringen. Erst einige Zeit später, als er schon längst verschwunden war, schaffte es Mimi ihre Tür zu öffnen und sich in ihr Hotelzimmer zu begeben. Was war gerade passiert? Hatte Joe etwa versucht sie zu küssen oder bildete sie sich das ein? Was war das heute für ein verrückter Tag gewesen? Nach einer heißen Dusche legte sie sich vollkommen erschöpft in ihr Bett. Beinahe schlafend überprüfte sie ihr Telefon und entdeckte, dass sie etwa fünf Anrufe von Taichi und einige Nachrichten von ihm hatte. Plötzlich stieg diese erdrückende Übelkeit wieder in ihr auf. Ihre Hände wurden eiskalt. Vor wenigen Minuten hatte Joe ihr einige bedeutende Worte gesagt und ihr klar gemacht, dass es in ihrer Verantwortung lag sich von diesem Leid zu befreien. In diesem Moment fasste Mimi einen Entschluss. Sie würde weder seine Anrufe, noch seine Nachrichten beantworten. Ungelesen löschte sie seine Nachrichten und blockierte seine Nummer. Denn so sehr man einen anderen Menschen auch liebte, man durfte sich selbst niemals gänzlich aufgeben. „Du bedeutest mir immer noch sehr viel, aber ich selbst bedeute mir einfach mehr. Ich kann das nicht mehr...“ flüsterte sie in der Gewissheit, dass sie ihm diese Worte bereits einmal mitgeteilt hatte und schlief unter Tränen ein. Ohne Abschied von ihren Freunden und ohne ein einziges Wort mit Taichi zu wechseln reiste Mimi am darauffolgenden Tag zurück in die USA. Die ersten Wochen waren qualvoll, denn alles erinnerte sie fortwährend an ihn. Sie vermisste seine Anrufe, seine Stimme und seine Nachrichten. Ständig sah sie sein Gesicht vor sich. Mimi fand jede Nacht nur in den Schlaf, weil sie zuvor stundenlang geweint hatte. In den folgenden sechs Wochen war es für Mimi keine schwierige Entscheidung zu beschließen, dass sie die nächsten Monate mit Joe verbringen wollte. Dabei machte sie sich zunächst überhaupt keine Gedanken darüber, in welche Richtung sich das Ganze entwickeln könnte. Als sie ungeduldig wartend in der Ankunftshalle des Flughafens stand, freute sie sich einfach wahnsinnig auf ihren Freund. Sie erkannte ihn zunächst überhaupt nicht, denn in den sechs Wochen hatte er sich deutlich verändert. Sein tiefschwarzes Haar hatte noch immer diesen schieferblauen Schimmer und war kürzer geschnitten. Seine schmale rechteckige Brille betonte sein mittlerweile markantes männliches Gesicht. Mimi eilte an den wartenden Menschen vorbei und sprang ihn freudig an. Erschrocken ließ Joe seinen Koffer los und hielt seine Freundin fest. Eigentlich hatte er überhaupt nicht damit gerechnet, dass sie ihn tatsächlich abholen würde. Perplex blickte er ihr ins Gesicht und ließ sie langsam wieder auf ihre Füße sinken. „Hallo...“ nuschelte er noch immer überrascht. „Hattest du einen guten Flug?“ fragte sie und drückte ihm ein kleines Willkommensgeschenk in die Hand. „Woher wusstest du, dass ich mit diesem Flieger ankommen würde? Wir haben uns doch überhaupt nicht nochmal gesprochen...“ Joe war völlig überfordert mit der Situation. „Weibliche Intuition...“ sagte sie grinsend. Joe folgte seiner Freundin zum Parkhaus und beruhigte sich langsam. „Erzähl mir doch keine Märchen...“ meinte er lachend. „Schon gut, ich habe bei der Fluggesellschaft angerufen und gefragt in welchem Flieger du sitzt.“ Der junge Mann wirkte sichtlich beeindruckt von ihrem Tatendrang und ein leichter rötlicher Schimmer zog sich über seine Wangen. Mimi bemerkte seine Verlegenheit und grinste frech. „Willkommen in New York. In den nächsten Wochen werde ich dein persönlicher Reiseführer sein. Schließlich sollst du hier nicht nur arbeiten, sondern auch eine schöne Zeit verbringen.“ Joe wohnte in einem Hotelzimmer mitten in Manhattan. Sein Vater hatte seine Kontakte spielen lassen und seinem Sohn somit einen komfortablen Aufenthalt ermöglicht. Mimi selbst studierte und wohnte in Boston, was etwa dreieinhalb Stunden Autofahrt von Manhattan entfernt war. Somit trafen sich die beiden vorwiegend am Wochenende in New York und verbrachten ihre Freizeit miteinander. In der Regel übernachtete Mimi dann bei einer Freundin. Joe war von der Stadt begeistert. Gemeinsam besuchten sie sämtliche Sehenswürdigkeiten und erkundeten sogar die ländlicheren Regionen der Metropole. Es war ein kalt verregneter Tag im November. Die Feierlichkeiten für Thanksgiving waren im vollen Gange. Mimi konnte dieses Fest noch nie leiden, doch Joe war mehr als begeistert von diesem traditionellen Feiertag. Nachdem sie ein Spiel der New York Mets besucht hatten, saßen die beiden im Restaurant zum Abendessen. „Ich habe jetzt bestimmt fünfzig Baseballspiele gesehen und verstehe die Regeln immer noch nicht.“ sagte Mimi und nahm einen Schluck aus ihrem Weinglas. „Naja, Baseball ist mittlerweile auch sehr beliebt in Japan. Das Ziel des Spiels besteht darin...“ noch ehe Joe erneut die Regeln und den Ablauf des Spiels erklären konnte, legte ihm Mimi ihren Finger auf die Lippen. „Bitte hör auf. Du hast es heute bereits mehrfach versucht, ich verstehe es einfach nicht.“ sie grinste und aß einen Happen von ihrem Steak. Joe grinste und betrachtete das Gesicht seiner Freundin. „Ich glaube vielmehr, dass du es nicht verstehen willst.“ Mimi musste kichern, blickte aber nicht von ihrem Teller hinauf. „Ja, vielleicht.“ Beim Dessert suchte Joe immer wieder eine passende Gelegenheit, um Mimi nach ihrem Vater zu fragen. Er hatte in den letzten Wochen sehr wohl mitbekommen, dass die junge Frau immer wieder heftige Auseinandersetzungen mit ihrem Vater hatte. Offenbar fühlte sich Mimi mit ihrem Studium nicht wohl und wollte gerne die Fachrichtung wechseln. Da Joe jedoch nicht neugierig sein wollte, hatte er niemals direkt nachgefragt. „Habe ich was im Gesicht?“ ihre Stimme traf ihn unverhofft und verschämt starrte er seine Freundin an. „Was? Nein! Warum?“ stotterte er. „Warum siehst du mich dann permanent an?“ sie grinste unverschämt. „Ähm...ich wollte dich etwas fragen.“ „Nur zu, warum so schüchtern?“ sie fand es zuckersüß, wenn er so verlegen war. Eine Eigenschaft, die sie von Taichi überhaupt nicht kannte. Joe war einfach ein vollkommen anderer Mensch. Viel einfühlsamer und ruhiger als der junge Yagami. „Was ist mit dir und deinem Vater? Ihr scheint häufig zu streiten...“ nach seinen Worten lehnte sich Mimi mit einem ernsten Gesichtsausdruck zurück in ihrem Stuhl. „Es tut mir sehr leid, wenn du etwas davon mitbekommen hast.“ sagte sie entschuldigend. „Nein, das ist es nicht. Bitte versteh mich nicht falsch, ich möchte nicht neugierig sein, aber ich würde gerne wissen, warum es momentan so angespannt zwischen euch ist. Eigentlich hattet ihr doch immer ein sehr gutes Verhältnis zueinander.“ „Ich glaube unsere Vorstellungen von meinem Lebensweg gehen etwas auseinander. Mein Vater möchte unbedingt, dass ich dieses Studium in Boston beende und in die Firma einsteige. Ich möchte das aber nicht. Am liebsten würde ich zurück nach Japan und meine Familie besuchen. Im Moment versucht er mir insoweit Druck zu machen, indem er mir droht die Zahlungen für Miete und Lebensunterhalt einzustellen.“ sie lächelte düster und spielte mit ihrem Weinglas. „Ich weiß genau wie du dich fühlst...“ sagte Joe plötzlich. „Mein Vater hat auch einen festgelegten Lebensweg für mich und duldet keine Abweichungen.“ Verwundert blickte die junge Frau auf und sah in das Gesicht ihres Freundes. Im faden Schein der kleinen Kerze, welche in der Mitte des Tisches stand, schimmerten seine Augen beinahe schwarz. „Ich habe sehr lange gebraucht um zu begreifen, dass ich meinen Weg alleine finden muss. Denn alles, was dir von anderen Menschen übergestülpt wird, wird dich langfristig nicht glücklich machen. Es erfordert sehr viel Kraft und Durchhaltevermögen, doch am Ende wirst du mit deinem selbstgewählten Lebensweg glücklicher sein.“ Mimi seufzte leise und zog mit dem Finger kleine Kreise auf dem Tischtuch. „Du sagst das so einfach. Du hast deine Brüder und deine Mutter, die dich unterstützen und den Streit mit deinem Vater entschärfen. Ich habe niemanden, der auf meiner Seite steht und Partei für mich ergreift. Meine Mutter würde sich niemals gegen meinen Vater stellen und meine Wünsche interessieren ihn doch überhaupt nicht. Was kann ich alleine schon ausrichten?“ Er lächelte und legte seine Hand auf ihre. Sofort blickte Mimi nach oben und sah in sein Gesicht. Nervosität stieg in ihr auf und ihr Herz begann plötzlich wie wild zu schlagen. „Mimi, wir wissen doch beide, dass du die Regeln deines Vaters immer irgendwie umgehen konntest. Nach dem Tod deines Großvaters hattest du trotzdem Kontakt zu deiner Großmutter, auch wenn es dein Vater verboten hatte. Du bist jedes Jahr nach Japan gekommen, auch wenn es deinem Vater überhaupt nicht gepasst hatte. Du bist eine starke Frau und du wirst deinen Weg finden. Außerdem bist du nicht allein, denn wenn du mich brauchst...“ „....ich weiß, du bist immer für mich da gewesen. Damals wie heute...“ unterbrach sie seinen Satz und legte ihren Daumen sanft um seine Hand. Die junge Frau war erstaunt, dass sich Joe sehr gut an alles erinnern konnte. Denn er war es, der sie damals auffing als ihr Großvater ums Leben kam. Er war es, der sie auffing als sie mit gebrochenem Herzen beschloss, nach dem letzten Schuljahr, Japan endgültig zu verlassen. Joe war immer ein verlässlicher Freund und eine beständige Größe in ihrem Leben gewesen. „Ich danke dir...“ hauchte sie kaum hörbar. Ein sanftes Lächeln zog sich über sein Gesicht, als Joe seine Kreditkarte in den ledernen Umschlag legte. „Nicht dafür...“ „Ich meine damit nicht, dass du das Essen bezahlst...“ ergänzte sie und erhob sich von ihrem Stuhl. „Ich weiß genau was du meinst...“ antwortete er ihr und half ihr in ihre Jacke. „Deine Augen haben schon immer mehr gesagt als deine Worte.“ Erstaunt sah sie ihn an und erneut brachten seine Worte ihr Herz zum schlagen. Es fühlte sich so vertraut und doch vollkommen fremd an. Was geschah nur mit ihr? Warum brachte er sie in letzter Zeit immer wieder aus der Fassung? Weshalb schlug ihr Herz so heftig in seiner Nähe? Nach dem Abendessen liefen beide zurück zum Parkhaus, denn Mimi musste heute Abend wieder nach Boston fahren. Es regnete in Strömen und ein starker Wind war aufgezogen. Einige Straßenabschnitte waren bereits vollständig überflutet. „Oh Gott, was ist denn jetzt los? Wie soll ich denn aus der Stadt raus kommen, wenn die Straßen unter Wasser stehen?“ fragte Mimi und rannte mit Joe in Richtung des Parkhauses. Sie eilten an einigen Menschen vorbei, welche sich aufgeregt darüber unterhielten, dass es sich wohl um einen plötzlich entstandenen Hurrikan handeln würde. Die junge Frau packte den Arm ihres Freundes. Der Regen hatte die beiden bereits vollkommen durchnässt. „Es ist ein Hurrikan. Ich muss mich beeilen, um nach Hause zu kommen.“ Der Sturm peitschte den eisig kalten Regen immer weiter gegen ihren bereits schon zitternden Körper. Joe zog ungläubig seine Augenbrauen nach oben und grinste. „Du bist wohl betrunken? Du fährst doch jetzt nicht alleine mit dem Auto zurück nach Boston!“ Mimi lächelte und drückte sich an die Hauswand, in der Hoffnung dort etwas Schutz vor dem Regen zu finden. „Ich kann aber nicht in New York übernachten. Meine Freundin ist im Ausland und ein Hotelzimmer kann ich mir momentan nicht leisten...“ „Hast du etwa Angst, dass ich dich beiße?“ fragte er spitzzüngig und lehnte sich neben sie. „Du kannst doch bei mir übernachten...“ „Ich habe keine Angst, dass du mich beißt. Vielmehr befürchte ich, dass du mich vernaschen könntest...“ sie lächelte und schlug ihm gegen die Schulter. Joe wurde sofort rot und schluckte hart. Mimi war amüsiert über seine unschuldige Reaktion. Sie schaffte es wirklich immer wieder, ihm die Verlegenheit ins Gesicht zu treiben. Gemeinsam rannten sie durch den Regen die fünf Blocks zum Hotel. Tropfend stand Mimi in seinem Zimmer und umklammerte sich mit beiden Armen. Während Joe ins Badezimmer ging, um Handtücher zu holen, zog er sich seine Jacke und schließlich auch sein durchnässtes Hemd aus. Unsicher betrachtete Mimi seinen nackten Oberkörper und erwischte sich selbst dabei, wie es ihr gefiel ihn so anzusehen. Errötend drehte sie sich schnell zu dem riesigen Panoramafenster um und blickte auf die hellerleuchteten Straßen Manhattans. Was war denn nur plötzlich mit ihr los? Sie hatte ihn doch schon mehrfach mit nacktem Oberkörper gesehen und sogar komplett unbekleidet. Damals hatte es ihr nie etwas ausgemacht und plötzlich raste ihr Puls und es schien, als würde ihr gesamtes Blut aus dem Kopf in den Boden schießen. Die junge Frau fühlte sich mit einem Mal sehr zu ihrem Freund hingezogen. „Hier...“ Joe legte Mimi ein Handtuch über den Kopf. „Du bist völlig durchnässt und eiskalt...“ sagte er mahnend und rieb den weichen Baumwollstoff über ihr Haar. „Danke...“ murmelte sie leise und drehte sich zu ihm um. Sie wollte ihre Hände selbst auf das Handtuch legen, als sich ihre beiden Hände zufällig berührten. Sofort zog sie ihre Hand zurück und blickte erschrocken zu Boden. Zärtlich legte er seine Hände auf ihre Schultern und drückte sie vorsichtig gegen die riesige Glasscheibe. Sie spürte seinen nackten Oberkörper und legte unbewusst ihre Hände auf seine Brust. Eigentlich wollte sie somit etwas Distanz zwischen ihm und ihr schaffen, doch es gelang ihr nicht. Joe trat immer näher an sie heran. Unter ihren eiskalten Fingern konnte sie sein kräftiges Herz deutlich schlagen fühlen. Zwischen ihm und ihr war kein Millimeter mehr, keine Möglichkeit auszuweichen und Mimi realisierte, dass sie ihm auch nicht länger ausweichen wollte. Seine warmen Lippen bewegten sich hauchzart über ihre Haut. Genüsslich schloss sie ihre Augen und ließ es geschehen, als er sie mit vorsichtiger Leidenschaft endlich küsste. Genüsslich schlang sie ihre Arme um ihn und zog Joe tiefer zu sich. Erstaunt darüber, dass diese wunderschöne Frau in seinen Armen auf diesen unverhofften Kuss einstieg, öffnete Joe seine Augen. Er betrachtete ihren gelösten Gesichtsausdruck. Mimi hatte ihre Augen geschlossen und lehnte sich in seine Arme. Ihre Finger fuhren durch sein nasses Haar und drückten seinen Kopf fester an ihr eigenes Gesicht. Unter ihren verführerischen Berührungen erschauderte jede Faser seines Körpers. Zufrieden schloss er seine Augen und gab sich diesem gefühlvollen Kuss ganz und gar hin. Als seine Zunge endlich in ihren Mund eindrang, fühlte es sich für Mimi wie eine Erlösung an. Ein leises Seufzen verließ deshalb ihre Lippen. Seit unendlich langer Zeit hatte sie sich nicht so geborgen in den Armen eines Mannes gefühlt. Sie spürte, wie seine Hände ihre Jacke öffneten. Bereitwillig ließ sie es geschehen. Behutsam knöpften seine zitternden Finger ihrer Bluse auf. Joe schob den nassen Stoff über ihre Schultern und ließ die Kleidungsstücke achtlos zu Boden sinken. Sie mochte den Geschmack seiner Küsse, den Geruch seines Körpers, das Gefühl seiner Umarmung und den Klang seiner Stimme. Alles an ihm war völlig anders als bei Taichi. Seine dunkelbraunen Augen, die nach ihren suchen. Sein zerzaustes Haar, welches auf ihrer nackten Haut kitzelt. Sein durchtrainierter Oberkörper, der sich an ihren zierlichen Rücken schmiegt. Seine rauen Finger, die jeden Zentimeter ihres Körpers berühren. Seine heißblütigen Küsse, die bittersüß schmecken. Auf einmal riss Mimi ihre Augen auf und stieß Joe heftig von sich weg. Keuchend presste sie den Stoff des Handtuchs vor ihre Brust und rang nach Atem. „Ich kann das nicht...“ sagte sie panisch. Völlig perplex sah Joe sie an und wollte ihr beruhigend seine Hand auf die Schulter legen, als sie ihn erneut wegstieß. „Bitte lass das. Es tut mir so leid, aber ich kann das einfach nicht tun. Es wäre falsch und unaufrichtig.“ Joe atmete langsam ein und aus. „Dein Herz gehört immer noch ihm, stimmt's?“ Traurig wich Mimi seinem Blick aus. „Ja, ich glaube schon. Ich will dir nicht wehtun. Ich will nicht so unehrlich zu dir sein. Das hast du einfach nicht verdient.“ Er lächelte gelassen und ging zum Schrank hinüber. Joe reichte Mimi eines seiner Shirts und frische Boxershorts. „Mimi, das ist überhaupt nicht schlimm. Bitte mach dir keine Gedanken um mich. Das Herz will, was das Herz begehrt. Ich werde warten, solange bis du dazu bereit bist mich in dein Herz zu lassen.“ Seine Worte gingen ihr unter die Haut und Mimi konnte keinen einzigen Ton über ihre Lippen bringen. Während sich die Brünette im Badezimmer duschte und umzog, hatte sich Joe bereits ins Bett gelegt. Er musste über ihre heftige Reaktion nachdenken und machte sich große Vorwürfe, sie mit diesem Kuss so überfallen zu haben. Vielleicht war es wirklich zu früh, vielleicht war es nicht der richtige Zeitpunkt, vielleicht wollte sie ihn auch einfach nicht. Joe legte sich auf den Rücken und rieb sich verzweifelt seine müden Augen. Er zuckte erschrocken zusammen, als sich kalte Füße unter seine Bettdecke schoben. Ihr zierlicher Körper suchte nach seiner Wärme. Verunsichert betrachtete er sie. Erstarrt und unbeweglich blieb er liegen, den Versuch wagend, einen kühlen Kopf zu behalten. „Joe?“ fragte sie mit gedämpfter Stimme. „Ja, was denn?“ erwiderte er ihre Frage. „Könntest du mich festhalten? Nur ein bisschen?“ Mimi stellte diese Frage mit merklich zitternder Stimmlage. Verwundert sah er sie an. Doch in der Dunkelheit konnte er weder ihre Augen, noch ihr Gesicht erkennen. Mit einem schüchternen Lächeln kam er ihrer Bitte schließlich nach und nahm sie in den Arm. Die junge Frau schmiegte ihren Kopf an seine nackte Brust und legte ihre Hand behutsam auf seinen Bauch. „Mimi?“ durchbrach seine Stimme das Schweigen. „Ja?“ „Ich bin heute eigentlich aus einem anderen Grund mit dir Essen gegangen.“ „Was meinst du?“ fragte sie verunsichert und verkrampfte ängstlich ihre Finger auf seinem Bauch. „Du weißt, dass ich eigentlich am ersten Dezember zurück nach Japan müsste, doch mir wurde eine längerfristige bezahlte Praktikumsstelle im Massachusetts General Hospital in Boston angeboten. Ich könnte mein gesamtes Praxissemester hier verbringen. Möchtest du, dass ich länger bleibe?“ Mimi hörte ihm aufmerksam zu und öffnete langsam ihre bereits geschlossenen Augen. Der jungen Frau war bewusst, dass er diese Stelle keineswegs angeboten bekommen hatte, sondern sich selbst darum bemüht haben musste. Denn welchen Grunde hätte es gegeben von New York nach Boston zu wechseln, als dass er länger bei ihr bleiben wollte? Sachte löste sie sich aus seinen Armen und stützte sich auf ihrem Ellenbogen ab. Dabei fielen ihre langen Haarsträhnen auf seine nackte Brust. Sie versuchte angestrengt die Konturen seines Gesichts auszumachen. Ab und an drang ein Lichtstrahl der pulsierenden Stadt in das Hotelzimmer und erhellte die nächtliche Dunkelheit. Beide sahen sich schweigend in die Augen. „Ja, ich möchte, dass du bleibst.“ Mimi beugte sich zu ihm runter und küsste seine Wange. Diese eigentlich freundschaftliche Geste dauerte sehr lange an. Joe fuhr mit seiner Hand durch ihr Haar und genoss ihre Liebkosungen auf seiner Haut. Einige Tage später zog Joe zu Mimi in die Wohnung nach Boston. Mimi's Mitbewohnerin war bereits seit einem halben Jahr zum Auslandsstudium in Südfrankreich und somit stand ein Zimmer frei. Zunächst fühlte es sich merkwürdig an, dass sie ihre Privatsphäre mit einem Mann teilen musste, aber die beiden gewöhnten sich bereits nach wenigen Tagen an das Zusammenleben. Trotz, dass sie sich ein Badezimmer teilen mussten, kam es nicht zu peinlichen Zwischenfällen. Jeden Morgen frühstückten sie zusammen. Joe musste vier Tage die Woche im Krankenhaus arbeiten und besuchte lediglich am Freitag die Universität. Da Mimi in der Regel zeitiger zu Hause war, bereitete sie immer etwas zum Abendessen vor. Irgendwie fühlte es sich so an, als wären sie ein Pärchen, doch das waren sie überhaupt nicht. Joe begegnete ihr sehr zurückhaltend und wertschätzend. Selbst wenn sie am Abend gemeinsam fernsahen und Mimi an ihn gelehnt einschlief, startete er keine Annäherungsversuche. Aber Tag für Tag erwischte sich Mimi dabei, dass sie sich insgeheim wünschte von ihm berührt zu werden. Sie genoss seine Nähe und die Gespräche mit ihm. Es war kurz vor Weihnachten und trotz der anhaltenden Kälte war bislang noch kein Schnee gefallen. Mimi kuschelte sich in ihre Sofadecke und schmiegte sich an seine Schulter. Es lief irgendein Film im Fernsehen. Eigentlich wollten die beiden dieses Wochenende nach New York fahren, aber es war so wahnsinnig kalt draußen, dass Mimi keine Lust hatte die Wohnung zu verlassen. „Du bist so warm...“ murmelte die brünette junge Frau zufrieden und umfasste seinen Arm. Mit einem Lächeln blickte er auf sie und küsste ihre Stirn. „Du bist so wunderschön...“ Errötend hob sie ihren Blick und sah in sein lächelndes Gesicht. Ihr war seit längerem aufgefallen, dass seine Augen eine derart tiefblaue Farbe hatten, dass sie beinahe schwarz schimmerten. „Ich...ähm...danke...“ stotterte sie nervös lächelnd und kräuselte einige Haarsträhnen um ihren Finger. Zärtlich legte Joe seine Hand an ihre Wange. „Endlich kannst du wieder lächeln. Deine Augen leuchten wundervoll goldbraun, so wie ich sie kenne.“ Sein Kompliment machte sie tatsächlich sprachlos. Wie schaffte es dieser schüchterne Kerl in letzter Zeit nur immer wieder, sie derart zu verunsichern? Mimi löste sich plötzlich von ihm und kniete sich vor ihm hin. Der weiche Stoff der Couch kitzelte unter ihren nackten Füßen. Die junge Frau beugte sich zu ihm und lehnte ihre Stirn gegen seine. „Das ist alles dein Verdienst. Dank dir, geht es mir besser.“ sie legte beide Hände an seine Wange. Der junge Mann erschauderte unter ihren zärtlichen Berührungen. Sie war ihm so nahe und Joe wusste nicht, wie er sich jetzt verhalten sollte. Doch noch ehe er eine Entscheidung treffen konnte, spürte er ihre weichen Lippen auf seinen. Erschrocken riss er seine dunkelblauen Augen auf. Träumte er gerade oder küsste sie ihn tatsächlich? Unerwartet schob sie ihren Schoß auf seinen und legte beide Arme um seinen Nacken. Ihre Finger fuhren zärtlich durch sein Haar. Umgehend erwiderte Joe ihren zurückhaltenden Kuss mit etwas mehr Schärfe. Heftig zog er sie gänzlich auf seinen Schoß. Seine Zunge drang fordernd in ihren Mund ein und drängte sie zu einem innigen Spiel. Er hatte sich so sehr danach gesehnt. Ihre Küsse schmeckten wie süße Erdbeeren und es fiel ihm immer schwerer sich zurück zuhalten. Der Platz in seiner Jeans wurde immer enger und als Mimi auch noch anfing ihre Hüften auf ihm zu bewegen, musste Joe unweigerlich aufkeuchen. Seine Hände fuhren unter ihr Shirt und ertasteten jeden Zentimeter ihres nackten Rückens. Ohne Einwände ließ sie sich von ihm ihr Oberteil ausziehen. Joe stieß sie sachte zurück und beugte sich über sie, dabei schlang Mimi ihre Schenkel um seine Hüften. Keuchend löste er den Kuss und legte seine heißen Lippen umgehend an ihren Hals. Genüsslich seufzte Mimi unter seinen Liebkosungen und krallte ihre Finger in sein Hemd. Mit einem Mal spürte sie einen stechenden Schmerz in ihrer Brust. Als sie erschrocken ihre Augen öffnete, sah sie plötzlich diese alles verzehrenden dunkelbraunen Augen vor sich. Sein wundervolles Gesicht, seine leidenschaftlichen Blicke und seinen begehrenswert muskulöser Körper. „Nein! Warte bitte...“ keuchte sie nach Atem ringend. Joe ließ von ihr ab und sah sie fragend an. Mimi schluckte hart und löste ihre Arme von ihm. „Du wirst nur mein Trostpflaster sein und das hast du nicht verdient...“ Erstaunt über ihre ehrlichen Worte zeichnete ein Lächeln seine Lippen. „Ich werde alles das sein, was du brauchst, um ihn zu vergessen. Alles was du brauchst, damit deine Augen ihren Glanz nie wieder verlieren. Auch wenn ich dann erstmal nur dein Trostpflaster sein werde, solange ich dich damit glücklich mache und den Schmerz in deinem Herzen etwas lindern kann...“ Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln. Schluchzend drückte sie den jungen Mann von sich weg und schälte sich unter ihm hervor. Vom Boden fischte sie ihr Shirt und verließ das Wohnzimmer. Besorgt folgte ihr Joe und griff nach ihrer Hand. „Mimi...warte. Du hast doch nichts falsch gemacht.“ versuchte er sie zu beruhigen. Doch es war sinnlos. Fast schon wütend zog sie ihre Hand zurück. „Immer wieder sehe ich sein Gesicht vor mir! Überall höre ich seine Stimme, sehne mich nach seinen Berührungen. Warum lässt er mich nicht gehen? Warum kann ich nicht vergessen? Wie kann ich so unehrlich dir gegenüber sein? Lass mich bitte alleine!“ mit tränenerstickter Stimme verschwand sie in ihrem Zimmer und stieß ihm die Tür vor der Nase zu. Verdutzt blieb er stehen und lehnte seinen Kopf nachdenklich gegen das spröde Holz. Angestrengt atmete er aus und presste seine schweren Lider zusammen. Was sollte er nur tun? Warum konnte sie Taichi nicht vergessen? Trotz aller Mühe und der gemeinsam verbrachten Zeit, waren sie immer zu dritt gewesen. Ihre Gedanken an Taichi waren allgegenwärtig. Jedes Mal konnte Joe in ihren Augen lesen, dass sie an einen anderen Mann dachte, den sie vermisste und sich nach seiner Nähe sehnte. Erschöpft ließ er sich schließlich in sein eigenes Bett fallen und versuchte in den Schlaf zu finden. Leise bewegten sich ihre Füße über den kalten Parkettboden. Vollkommen geräuschlos stieg sie in sein Bett und kletterte über ihn. Sie musterte sein schlafendes Gesicht und musste lächeln, denn ohne seine Brille wirkte sein Gesicht viel jünger. Seine Bettdecke war über seine Hüften gerutscht und sein nackter Oberkörper lag völlig entblößt vor ihr. Liebevoll fuhren ihre schmalen Finger über seine Wangen, hinab zu seiner Brust. Ihre Lippen liebkosten sein Kinn. Die kurzen Stoppeln seines Bartes kratzten auf ihrer dünnen Haut. Sachte streckte sie ihren Hals, damit ihre Lippen die seinen erreichen konnten. Zaghaft fuhr ihre Zunge über seine verschlossenen Lippen, bis sie schließlich sanft an seiner Unterlippe knabberte und sehnsüchtig Einlass forderte. Schlaftrunken öffnete Joe seine Augen und bemerkte, dass jemand versuchte ihn zu küssen. Als er ihren süßlichen Geruch wahrnahm und den Geschmack ihre Zunge schmeckte, schloss er sofort seine Augen und gewährte ihr Einlass. Selbst wenn er jetzt träumen sollte, wollte er diesen Moment mit ihr genießen. Er wollte nicht über das 'Wieso' und 'Warum' nachdenken, er wollte sie einfach nur küssen. Als sie seine Reaktion vernahm und wusste, dass er nicht länger schlief, durchfuhr ein heiß-kalter Schauer ihren gesamten Körper. Ihre Händen fuhren nach Halt suchend in seinen Nacken und tauchten verlangend in sein Haar. Mimi unterbrach ihren leidenschaftlichen Kuss und zog sich schweigend ihr Shirt über den Kopf. Unerwartet hatte Joe freie Sicht auf ihren wundervollen nackten Oberkörper. Trotz der alles verschlingenden Dunkelheit konnte er, im faden Schein der Straßenlaternen, die Umrisse ihres wundervollen Körpers erkennen. Joe blickte ihr verlegen ins Gesicht und versuchte ruhig zu bleiben. Als er ihre Hand zwischen seinen Schenkeln spürte, wie sie versuchte ihn von seiner Unterhose zu befreien, keuchte er aber dennoch lustvoll auf. Sachte hielt er ihre Hand fest und fixierte ihre goldbraunen Augen. „Bist du dir sicher?“ fragte er erstickt. Mimi beugte sich zu ihm hinab und presste ihre nackte Haut auf seine. „Bitte sag jetzt einfach nichts...“ flüsterte sie und legte ihre Lippen hingebungsvoll auf seine. Ihre Antwort genügte ihm, auch wenn sie weitere Fragen aufwarf. Doch im Moment wollte er sie ganz und gar spüren. Er wollte sie berühren, von ihr kosten und sich nie wieder von ihr lösen. Seine Finger umfassten ihre Hüften und folgten der geschwungenen Silhouette ihres Körpers wieder aufwärts und versanken in ihrem langen Haar. Mit ihr zu schlafen fühlte sich unbeschreiblich an. Von den Fingerspitzen bis in seine Zehen kribbelte es. Sein Herz pochte so wild, dass Joe glaubte, er würde gleich den Verstand verlieren. Langsam und geräuschlos fiel der erste Schnee in diesem Jahr zu Boden. Er bedeckte die schlafende Stadt unter sich. Mitten in der Dunkelheit der Nacht erstrahlte alles in einem glitzernden Weiß. Die schwachen Sonnenstrahlen des heranbrechenden Tages kitzelten auf ihrer Nasenspitze und während sie langsam ihre Augen aufschlug bemerkte Mimi ein zusätzliches Gewicht auf ihrem Körper. Joe hatte seine Arme um sie gelegt und sie spürte seine gleichmäßige Atmung an ihrem Rücken. Die Wärme seines nackten Körpers umhüllte sie. Die Erinnerungen an die vergangene Nacht blitzten vor ihren Augen auf. Beschämt vergrub sie ihren Kopf in der Bettdecke. Was kam nur über sie? Wie konnte sie derart die Kontrolle verlieren und mit ihm schlafen? Sie fühlte sich abscheulich und der Ekel über ihr eigenes Verhalten schnürte ihr den Hals zu. Sie hatte nicht nur ihre große Liebe verraten und betrogen, sondern auch einen wundervollen Freund unsäglich verletzt. Doch letztlich hatte sie sich selbst am aller meisten belogen. Im Grunde war sie kein bisschen besser als Taichi. Auch sie hatte die Zuneigung eines anderen Menschen ausgenutzt, um sich damit zu trösten. Jetzt konnte sie besser verstehen, was Tai in ihr sah. Sie konnte verstehen, warum er immer wieder ihre Nähe suchte. Aber was heilte ein gebrochenes Herz? Seinen Gefühlen davon zu laufen, indem man sich bedeutungslosen Liebschaften hingab, führte zumindest nicht dazu, dass man sich in irgendeiner Weise besser fühlte. Ganz im Gegenteil. Die Scham und Abneigung vor sich selbst wurden noch viel größer. Heiße Tränen tropften auf ihre Hände und unbemerkt entwich ein lautes Schluchzen ihren Lippen. Sie wollte Joe unter keinen Umständen aufwecken und hielt sich sofort den Mund zu. Vorsichtig rutschte sie aus dem Bett und verließ sein Zimmer. In den darauffolgenden Tagen versuchte Mimi, soweit es ihr möglich war, zum Alltag über zu gehen. Zu ihrer Verwunderung sprach Joe die gemeinsame Nacht nicht an. Es war, als sei überhaupt nichts zwischen ihnen passiert. Der junge angehende Arzt war fröhlich, zuvorkommend und rücksichtsvoll wie immer. Jeden Tag zauberte er aufs neue ein Lächeln in ihr Gesicht und seine Gegenwart schenkte ihr ein unendliches Gefühl der Geborgenheit. Am 23. Dezember war jedoch der Zeitpunkt des vorläufigen Abschiedes gekommen, denn Joe würde die Feiertage bei seiner Familie in Japan verbringen. Eigentlich sollte sich Mimi für ihn freuen, dass er im Kreise seiner Familie das neue Jahr begehen könnte, doch insgeheim erfüllte ein tiefes Gefühl von Trauer ihr Herz. Sie wollte nicht, dass Joe sie alleine ließ. Zu groß waren ihre Sorgen, dass er wohl möglich nicht zurückkommen könnte. Der Flughafen war vollkommen überfüllt, da viele Amerikaner innerhalb des Landes verreisten, um ihre Familien zu besuchen. Die beiden Freunde drängelten sich durch die Menschenmassen und mit jedem Schritt fiel es Mimi immer schwerer, ihre Tränen zu verbergen. Er packte ihre Hand und zog sie plötzlich aus den Menschen heraus. „Was ist los mit dir? Du musst nicht weinen, in ein paar Wochen sehen wir uns doch wieder...“ er grinste und wischte ihr zart über die Wange. „Joe, wir haben nicht darüber gesprochen, aber bitte nimm es mir nicht übel....es ist...ich habe....ich wollte....“ verzweifelt suchte sie nach passenden Sätzen, aber sie fand nur einzelne Worte. Mimi wollte ihm lediglich erklären, dass sie ihm nicht wehtun wollte und diese Nacht wundervoll mit ihm war. Sie konnte für einen Moment ihre Gedanken an Taichi vergessen. Joe gewährte ihr uneingeschränkte Zuneigung in einem Moment, in dem sie diese am meisten brauchte. Aber noch bevor sie sich etwas überlegen konnte, unterbrach er sie. „Es ist alles in Ordnung zwischen uns. Du hast mir deutlich zu verstehen gegeben, dass deine Liebe einem anderen gilt. Es war nur Sex, keine Liebe. Ich habe es schon verstanden. Du bist vollkommen ehrlich zu mir gewesen und ich habe mich darauf eingelassen. Mimi, du hast nichts falsch gemacht.“ Ihre nassen Augen suchten seinen Blick. Sehnsüchtig schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und schmiegte ihren Kopf an seine Brust. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet. Ich bin so dankbar, dass du bei mir bist.“ Zärtlich legte er seine Lippen auf ihre und kostete ein letztes Mal ihren süßlichen Geschmack. Seine Arme drückten ihren Körper dicht an sich. Joe versuchte jede einzelne Sekunde in sich aufzunehmen, damit er diesen Moment niemals vergessen würde. Mehrere Schneestürme zogen über die Ostküste der USA und Mimi fühlte sich unbeschreiblich einsam. Es dauerte lediglich 48 Stunden, bis der Konflikt mit ihrem Vater gänzlich eskalierte. Selbst ihre Mutter vermochte nicht länger zu schlichten. Unlängst hatte sie ihre Entscheidung getroffen und würde das Betriebswirtschaftsstudium nicht länger fortsetzen. Jedoch wollte ihr Vater den selbstgewählten Lebensweg seiner Tochter nicht akzeptieren und drohte mit weitreichenden Konsequenzen. In einem Rausch aus Wut, Verzweiflung und maßloser Enttäuschung flüchtete Mimi zurück nach Boston. Als sie in der gemeinsamen Wohnung ankam stach seine Abwesenheit wie ein Bienenstich. Sein verlassenes Zimmer, in dem sich seine persönlichen Sachen befanden, welche seinen Geruch trugen. Alles erinnerte an ihn und ihr wurde schmerzlich bewusst, wie groß ihre Sehnsucht nach ihm war. Es war ein verschneiter Mittwochnachmittag des 31. Dezembers 2014. Mehr oder weniger freiwillig hatte sich Mimi dazu entschlossen bei einem befreundeten Pärchen Silvester zu feiern. Doch im Grunde war ihr überhaupt nicht nach feiern zumute. Im neuen Jahr würde ihr Vater die Zahlungen für Wohnung, Studiengebühren und Lebensunterhalt einstellen und ihre restlichen persönlichen Sachen hatte er bereits aus ihrem ehemaligen Zimmer entfernt. Die eisige Kälte auf den verschneiten Straßen Bostons war nichts im Vergleich zu der Kälte in ihrem Herzen. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich derart verlassen und hilflos gefühlt wie jetzt. Die Tage waren kurz und dunkel, die Nächte jedoch endlos und quälend. Seit Monaten hatte sie nichts mehr von Taichi gehört oder gelesen. Es verging kein Tag, an dem sie sich nicht um ihn sorgte und ihn vermisste. Jedoch gab es jetzt zusätzlich einen anderen Menschen, nachdem sie sich sehnte. Mimi war völlig konfus und wusste überhaupt nicht mehr was richtig oder falsch war. Joe war wirklich unglaublich liebevoll. Jeden Tag schrieb er eine kurze Nachricht und fragte nach ihrem Befinden. Er zeigte ihr damit, dass er sie trotz der großen Entfernung stets im Herzen trug. Dennoch erfüllte der Gedanke daran, dass sie den heutigen Abend nicht mit ihm verbringen könnte, ihr Herz mit unsäglicher Traurigkeit. Die junge Frau stand gerade im Badezimmer und betrachtete ihre Frisur kritisch als sie das knarzende Geräusch der sich öffnenden Haustür vernahm. Verdutzt beugte sie sich aus dem Badezimmer und betrachtete mit einer gewissen Skepsis, wer gerade ihre Wohnung betrat. „Joe?“ schrie sie freudig auf und stürmte durch den Flur. In einem wilden Sturm der Euphorie sprang sie in seine Arme und schlang ihre Beine um seine Hüften. Der junge Mann ließ erschrocken sämtliche Taschen aus seinen Händen gleiten und wurde unsanft durch ihr Gewicht gegen die Tür gedrückt. Mit einem zufriedenen Lächeln schloss er dieses zuckersüße Klammeräffchen in seine Arme. „Das ist aber eine unerwartet freudige Begrüßung.“ sagte er und nahm ihren süßlichen Duft in sich auf. Sachte richtete sie ihren Oberkörper auf und sah ihm freudestrahlend ins Gesicht. „Unerwarteter Besuch verlangt nach unerwarteten Begrüßungen. Warum bist du denn schon zurück? Und warum hast mir nicht Bescheid gesagt? Alles in Ordnung?“ fragte sie und zog ihm die Mütze vom Kopf. „Jetzt ist wieder alles in Ordnung, denn ich bin wieder bei dir.“ sagte er leise und presste seine Hände auf ihren Rücken. Mit einem schüchternen Lächeln ließ sich Mimi wieder zu Boden gleiten und gab ihm die Möglichkeit, sich seiner winterlichen Bekleidung zu entledigen. „Ich wollte nicht ohne dich feiern. Du hast mir einfach gefehlt.“ fuhr er fort. „Mir ging es genauso.“ erwiderte sie und strich sich nervös einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Die junge Frau begab sich in die Küche und griff nach einer kleinen Verpackung. Eine große silberne Schleife zierte das Päckchen. „Ich habe noch ein Geschenk für dich. Frohe Weihnachten.“ sagte sie und reichte es ihrem Freund. Verwundert blickte Joe auf sein Geschenk und wurde umgehend feuerrot. „Vielen Dank...“ sagte er stotternd und öffnete es vorsichtig. Darin befand sich ein kobaltblauer Schal. „Hast du den etwa selbst gemacht?“ fragte er sichtlich bewegt und legte ihn sofort um seinen Hals. „Ich habe es zumindest probiert. Er ist etwas ungleichmäßig gestrickt, aber ich versuche besser zu werden.“ Ohne weitere Vorwarnung zog er sie in seine Arme und bedeckte ihre zitternden Lippen mit einem zärtlichen Kuss. Sachte drückte sie ihn von sich weg und blickte in seine fragenden Augen. „Bitte versteh mich nicht falsch, aber ich wollte dieses eine Mal im Jahr nicht zu spät zu einer Party erscheinen.“ Joe zog grinsend seine Augenbrauen hoch und nickte. „Du bist zu einer Party eingeladen? Soll ich dich hinfahren?“ Mimi begab sich zurück in den Flur und zog sich ihre Stiefel an. „Nein, du wirst mich begleiten.“ Es war kurz vor Mitternacht als Mimi plötzlich seine Hand auf ihrer spürte. Die Musik war ohrenbetäubend laut und man konnte kein einziges Wort verstehen, doch seine Augen gaben ihr zu verstehen, dass sie ihm folgen sollte. Sie stellte ihr bereits gefülltes Champagnerglas auf dem Tisch ab und ließ sich von Joe durch die zahlreichen Menschen nach draußen ziehen. Der Garten des Grundstücks war in eine zentimeterhohe Schneedecke gehüllt. Das dumpfe Geräusch ihrer Schritte im Schnee, war das Einzige was man in der eiskalten Nacht hörte. Es handelte sich um die Ruhe vor dem Sturm, denn bald würde der gesamte Nachthimmel hell erleuchten vom Schein der unzähligen Silvesterraketen. „Mimi, ich habe dir mein Geschenk noch nicht gegeben...“ verwundert über seine Worte zog sie ihre rechte Augenbraue nach oben. Joe ließ sie überhaupt nicht zu Wort kommen, sondern griff in seine Jackentasche. Seine Hand gab eine kleine viereckige mit blauem Samt überzogene Schachtel preis. Ihr Herzschlag stoppte. Entsetzt ging sie einen Schritt zurück und presste beide Hände gegen ihre Brust. Er ging nicht auf die Knie, sondern griff nach ihrer Hand. Behutsam legte er die kleine Schachtel in ihre rechte Hand. „Ist das etwa ein Ring?“ stotterte sie und versuchte in seinen Augen eine Antwort zu finden. Mit gewohnter Gelassenheit erwiderte er ihren Blick und faltete ihre zitternden Finger um die kleine viereckige Verpackung. „Am liebsten würde ich dir sagen, wie sehr ich dich will, wie sehr ich dich brauche und dass ich dich liebe. Doch ich weiß wie es um dein Herz bestellt ist und deshalb werde ich dir diese Frage, ob du mich heiraten willst nicht stellen. Denn tief in meinem Herzen weiß ich, was du sagen würdest. Du würdest sagen, »Es tut mir leid, glaube mir, ich liebe dich, aber nicht auf diese Weise.« Denn ich weiß, dass dein Herz immer noch einem anderen Mann gehört. Aber ich werde auf dich warten. Selbst wenn es noch sehr lange dauern wird.“ Joe schenkte ihr ein sanftmütiges Lächeln als er sah, dass sie weinte. Ihre Tränen gefroren in der eisigen Kälte auf ihrer Haut und er fing sie zärtlich mit seinen warmen Fingern auf. Seine ruhige Stimme durchbrach die dumpfe Stille der Nacht. „Nimm diesen Ring als Zeichen meines verbindlichen Versprechens. Wenn du irgendwann soweit bist, möchte ich dich heiraten. Ich möchte mit dir zusammen sein und dich glücklich machen. Nimm dir soviel Zeit wie du brauchst. Ich will jetzt keine Antwort von dir...“ Trotz des schallenden Geräusches der explodierenden Raketen und jubelnden Stimmen der Menschen um sie herum, schien die Zeit stillzustehen. Erstarrt und betäubt blickte Mimi auf die kleine Verpackung in ihrer Hand. Eisige Tränen brannten wie Feuer auf ihrer Haut. Einfühlsam küsste er ihre Wange und legte seine Arme um sie. „Frohes neues Jahr...“ flüsterte er leise. Im neuen Jahr gelang es Mimi, mit Hilfe von Joe, eine eigene Wohnung und einen Job zu finden. Sie löste sich vollständig aus der Abhängigkeit ihres Vaters und beschritt ihren eigenen Lebensweg. Joe blieb noch bis März in den USA und beendete sein Praktikum. Mit einer herausragenden Beurteilung kehrte er zurück nach Japan und konnte dort direkt als Assistenzarzt in Kyoto anfangen. Was jedoch nicht selbstverständlich war, denn es kostete viel Überzeugungskraft von Mimi, damit Joe sein Studium in Japan fortsetzte. Er wollte seine Freundin in dieser unbeständigen Lebenssituation keineswegs alleine lassen. Während ihrer gemeinsamen Zeit hatte ihr Joe gezeigt wie wichtig es war, seinen eigenen Weg zu gehen und genau das Gleiche müsste er jetzt tun. Es war wichtig, dass er sein Studium und seine Ausbildung zum Arzt beendete. Im Gegenzug versprach sie ihm, dass sie sich spätestens in zwei Monaten auf der Hochzeit ihrer beiden Freunde in Tokyo sehen würden. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Ein leises Seufzen verließ ihre Lippen und Mimi klappte die Ringschachtel wieder zu. „Welche Antwort soll ich dir geben?“ Plötzlich riss ein penetrant klopfendes Geräusch sie aus ihren Gedanken und Taichi öffnete die Schiebetür. „Hey Prinzessin! Es ist gleich Mitternacht und du hast bald Geburtstag. Kommst du nach unten? Wir haben eine Überraschung für dich.“ Mimi sprang erschrocken von ihrem Stuhl auf und warf ihre dünne Strickjacke panisch auf ihren Schreibtisch. Darunter begrub sie den Brief samt Ring. „Oh, wirklich? Eine Überraschung?“ stotterte sie nervös und lief zu dem brünetten großgewachsenen Mann hinüber. Unauffällig schob sie ihn aus ihrem Zimmer und folgte ihm nach unten. In dem großen Wohnzimmer hatten sich bereits alle eingefunden. Kimiko saß, wie immer, geduldig in ihrem Sessel und Sae hatte sich neben ihr auf der Armlehne platziert. Mit strahlenden Augen beobachtete sie ihre Halbschwester und konnte ihre Vorfreude kaum im Zaum halten. Kazuki nahm seiner Frau gerade den Geburtstagskuchen ab und stellte ihn auf den massiven Holztisch im Wohnzimmer. Mei zündete die Kerzen an und blickte ihrer Nichte erwartungsvoll ins Gesicht. Zögerlich blieb Mimi stehen und sah im Wechsel zwischen allen Personen hin und her. Ihr Herz schlug heftig in ihrer Brust und die überwältigende Freude war deutlich in ihrem Gesicht zu erkennen. Es war sehr lange her, dass sie jemand um Mitternacht zu ihrem Geburtstag überrascht hatte. Der junge Mann schob sich auf der Treppe an seiner Freundin vorbei und packte ihre Hand. Mit freundlichen Worten wendete sich ihre Großmutter an Mimi. „Jetzt bist du schon 23 Jahre auf dieser Welt und hast uns vielleicht nicht nur gute Zeiten, sondern manchmal auch Ärger beschert. Aber auch diese Seiten gehören zu dir und wir mögen alle deine Seiten. Deine Stärken und deine Schwächen. Deinen Mut und deine Wut. Dein Lächeln und dein griesgrämiges Gesicht. Wir wünschen dir alles Gute zu deinem Geburtstag, mögen immer die richtigen Menschen an deiner Seite sein, sodass du niemals allein durchs Leben gehen musst. Aber ich glaube inständig, dass du bereits eine gute Wahl getroffen hast.“ die ältere Dame zwinkerte dem jungen Mann zu und grinste verheißungsvoll. Ihre Gefühle fuhren Achterbahn, zwischen weinen und lachen gefangen, brachte Mimi kein einziges Wort über ihre Lippen. Zitternd klammerte sie sich an die Hand ihres Freundes. „Alles Gute zum Geburtstag!“ riefen alle als es endlich Mitternacht war und stürmten auf die junge Frau. Liebevoll schlossen Onkel und Tante ihre Nichte in den Arm und überreichten ihr ein kleines Präsent. Sae schloss ihre Schwester liebevoll in die Arme und überreichte ihr einen wunderschönen Strauß gelber Rosen. „Vielen Dank...“ stotterte Mimi mit weinerlicher Stimme und umarmte ihre Familie. „Komm mal zu mir...“ sagte ihre Großmutter. In den letzten Tagen fiel es Kimiko vermehrt schwer zu laufen. Mimi kniete sich vor ihr hin und legte ihren Kopf dankbar auf den Schoß der älteren Dame. Liebevoll streichelte Kimiko durch das Haar ihrer Enkeltochter. Ohne weitere Worte schob sie ihr etwas in die Hand. Es war relativ unhandlich und groß. Die junge Frau richtete sich auf und erblickte ein schmales Buch. Verwundert schlug sie die ersten Seiten auf und erkannte, dass es sich hierbei um ein Fotoalbum handelte. Es waren ausschließlich Bilder aus ihrer Kindheit. Die Fotos zeigten längst vergessene Erinnerungen an eine fröhliche Zeit mit ihrem Vater. Unweigerlich liefen Mimi die Tränen übers Gesicht. „Das ist wunderbar...danke Großmama...“ flüsterte sie erstickt und betrachtete weiter die Fotos. Taichi stand etwas abseits und beobachtete die Begeisterung seiner Freundin. Er wollte ihr in diesem Moment nicht im Weg stehen und zog sich etwas zurück. Mimi sollte die Zeit mit ihrer Familie genießen, schließlich hatte er eine ganz persönliche Überraschung für sie. Tai begab sich einen Schritt auf die Terrasse und sah nachdenklich in den nächtlichen Himmel. Heute war der 07. Juli, es war Tanabata und überall liefen die Vorbereitungen für das heutige Fest. Es schien, als würden die Sterne heute noch viel heller leuchten als sonst. Plötzlich spürte er einen warmen Körper an seinem Rücken. Zwei zarte Arme schoben sich unter seinen hindurch und die dazugehörigen Hände legten sich auf seine Brust. Er roch ihren Duft und schloss genüsslich seine Augen. Mimi schmiegte ihren Kopf an seine breite Schulter und seufzte leise. „Vielen Dank.“ murmelte sie. „Wofür?“ fragte er grinsend und öffnete seine Augen wieder. „Einfach weil du hier bist....“ Er löste sich aus ihrer Umarmung und drehte sich zu ihr um. Schweigend nahm er sie in den Arm und drückte sie an sich. „Ich habe noch ein besonderes Geschenk für dich, was ich dir aber alleine geben möchte.“ Ihre Augen strahlten und Mimi konnte sich ein kokettes Grinsen nicht verkneifen. „Achso? Etwas nur für mich alleine?“ Tai musste schmunzeln. „Ja, aber nichts versautes Fräulein Tachikawa. Ich würde es dir nachher gerne am Strand geben...“ Sie wurde etwas verlegen und nickte stumm. Gerade als Taichi sich zu ihr beugen und küssen wollte, kam Sae dazwischen. „Entschuldigt...“ stotterte sie hochrot. „Mimi ich wollte mich verabschieden, ich habe morgen den Frühdienst und wollte wenigstens noch ein bisschen schlafen....“ Taichi löste sich aus der zärtlichen Umarmung mit seiner Freundin und nickte verstehend. Er wollte die beiden Frauen gerade alleine lassen, als Mimi ihn am Handgelenk packte. „Könntest du mir vielleicht meine Jacke von oben holen, damit wir gleich zum Strand gehen können?“ Ein breites und zufriedenes Lächeln schob sich über sein Gesicht und er begab sich nach oben. Wie nicht anders zu erwarten, war er etwas überfordert im Zimmer einer Frau, doch irgendwann entdeckte er die schwarze Strickjacke auf dem Schreibtisch. Als er sie mitnehmen wollte fielen ein Brief und eine kleine dunkelblaue Schachtel zu Boden. Er bückte sich und hob beide Sachen wieder auf. Über den Inhalt und die Initialen des Briefes verwundert, öffnete er schließlich die kleine Schachtel in seiner Hand und erblickte den glänzenden Ring darin. Als wäre die Zeit zu Eis erstarrt blieb er stehen und starrte auf das Schmuckstück in seiner Hand. Ein Ring. Ein Brief von einem anderen Mann. In seinem Körper spannten sich plötzlich sämtliche Muskeln an und die knarzenden Bodendielen warnten ihn, dass sich jemand dem Zimmer näherte. Umgehend ließ er den Ring in seiner Hosentasche verschwinden. Brief und Jacke beförderte er zurück auf den Schreibtisch. Als Mimi freudestrahlend das Zimmer betrat schob sich Taichi schon an ihr vorbei. „Hey, ich dachte wir wollten zum Strand gehen. Die anderen sind gerade gegangen....“ etwas verwundert folgte sie ihm. „Nein, ich bin müde.“ matt und kühl kamen ihm diese Worte über die Lippen. Er spürte deutlich, wie eine unbändige Eifersucht in seinem Herzen empor stieg. Unfähig seinen Zorn länger zu verbergen wollte er sie nicht sehen, nicht mit ihr sprechen und auf keinen Fall in ihrer Nähe sein. Wie konnte er so dumm sein und annehmen, dass es keinen anderen Mann in ihrem Leben gab? Wie konnte sie ihm so offensichtlich ins Gesicht lügen und diesen anderen Scheißkerl verheimlichen? Wer war er? Was lief da zwischen den beiden? Seine Gedanken fokussierten sich einzig und allein auf seine niederträchtigen eifersüchtigen Vorstellungen von Mimi mit einem anderen Mann. Er spürte ihre warme Hand an seinem Arm und ohne sich zu ihr umzudrehen entriss er sich ihrer Berührung. „Trotz der Tage die ich mit dir verbrachte, habe ich das Gefühl, dass ich dich kein Stück besser kenne. Warum kannst du deine Maske nicht fallen lassen und mir deine Geheimnisse offenbaren?“ er ließ sie ohne einen einzigen Blick zurück. Völlig vor den Kopf gestoßen stand Mimi vor seiner Zimmertür, welche er ihr gerade vor der Nase zugeschlagen hatte. Immer und immer wieder hallten seine Worte in ihren Ohren wieder, doch sie konnte nicht verstehen, warum er das jetzt zu ihr sagte. Was war passiert? Was hatte sie falsch gemacht? Auf ihre Nachfragen und Bitten, die Tür zu öffnen, reagierte er nicht. Schließlich packte auch Mimi die Wut und sie gab es auf. „Blöder Idiot!“ schimpfte sie und verschwand in ihrem Zimmer. Wahrscheinlich war er beleidigt, dass er nicht im Mittelpunkt stand und sie sich fünf Minuten zu lange mit ihrer Schwester unterhalten hatte. „Ach ist mir doch egal! Soll er schmollen...“ blaffte sie und legte sich schließlich in ihr Bett. Er konnte so unmöglich in den Schlaf finden. Er musste raus hier, denn er war kurz vorm explodieren. Die Wut, welche sich in ihm anstaute war gefährlich und Taichi befürchtete, dass ihm gleich eine Sicherung durchknallen könnte. Er wollte seinen Kopf bei einem nächtlichen Spaziergang am Strand frei bekommen. Müde schnürte er die Bänder seiner Schuhe zusammen, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Erschrocken fuhr er herum und blickte in die schalen Augen von Kimiko. Sicherlich hatte die ältere Dame alles mitbekommen, denn sie wusste, dass Taichi eine Überraschung für Mimi geplant hatte. „Taichi, das was du tust ist nicht gut für euch Beide.“ er verzog sein Gesicht und stand auf. „Ich will jetzt nicht darüber diskutieren...“ sagte er bestimmt und wollte das Haus verlassen, als ihn ihre letzten Worte erreichten. „Eifersucht ist die Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was leiden schafft.“ Kapitel 9: Das Leuchten der Sterne ---------------------------------- Die Legende des japanischen Tanabata: Orihime, die Tochter des Himmelsgottes, war eine fleißige Weberin. Um ihr Abwechslung von der Arbeit zu ermöglichen, wurde sie von ihrem Vater mit dem Rinderhirten Hikoboshi verheiratet. Sie waren so verliebt, dass beide deswegen ihre Arbeit vergaßen. Darüber war der Himmelsgott so erbost, dass er Hikoboshi auf die andere Seite des großen Flusses (die Milchstraße) verbannte. Weil das getrennte Liebespaar aber vor Kummer immer noch nicht arbeiten konnte, erlaubte der Himmelsgott, dass sich die beiden Liebenden einmal im Jahr treffen durften und zwar am siebenten Abend des siebenten Monats – an Tanabata. In Japan ist es Brauch, dass kleine Bambusbäume aufgestellt werden, an denen Zettel mit Wünschen aufgehängt werden. In der Hoffnung, dass sich diese dadurch erfüllen und sich Liebende beispielsweise im nächsten Jahr wieder treffen können. 07. Juli 2015, Tateyama, Präfektur Chiba – Mimis Geburtstag Ihr gesamter Geburtstag war bereits die reinste Katastrophe. Seit der hitzigen Auseinandersetzung heute Nacht, hatte sich Taichi noch nicht blicken lassen. Auch die Laune von Mimi verfinsterte sich jede Sekunde zunehmend. Zwar hatte sich ihre Mutter tatsächlich per Mail gemeldet, aber von ihrem Vater hatte sie bislang noch keinen einzigen Glückwunsch zum Geburtstag erhalten. Die junge Frau saß gerade mit ihrer Großmutter im Garten und beobachtete den Sonnenuntergang. Überall hörte man Musik und das Gelächter der Menschen, welche sich nach und nach auf das Tanabata begaben. „Du solltest mit deinem Geliebten auf das Fest gehen...“ Erschrocken fuhr Mimi herum und starrte ihre Großmutter an. Hatte sie die Worte der älteren Dame gerade richtig verstanden? „Wovon sprichst du?“ stotterte die junge Frau. Kimiko grinste und sah ihrer Enkeltochter ins Gesicht. „Möchtest du deiner alten Großmutter etwa Märchen erzählen? Dieses lodernde Feuer zwischen euch beiden ist bereits dann zu spüren, wenn man sich nur mit euch in einem Raum befindet. Außerdem bin ich nicht dumm. Ihr habt bislang jede Nacht miteinander verbracht.“ Die Röte schoss der Brünetten sofort ins Gesicht. Offenbar hatte sie ihre Großmutter etwas unterschätzt. Die junge Frau wusste überhaupt nicht, was sie jetzt sagen oder denken sollte. Scheinbar war es jedem einzelnen Menschen auf diesem Planten klar, was da zwischen ihr und Taichi lief, außer den beiden. „Mimi, er ist ein wirklich guter Mann mit einem großen Herzen. Ich glaube fest, dass er es, trotz aller Hindernisse schaffen kann, dich glücklich zu machen. Du musst es nur zulassen...“ ohne noch etwas hinzuzufügen erhob sich Kimiko geschmeidig von der hölzernen Gartenbank und begab sich nach drinnen. Verwundert folgte ihr ihre Enkeltochter. Im Wohnzimmer befand sich eine antike Kommode und Kimiko öffnete die untere Schublade. Darin befand sich ein großer Karton aus weißer Pappe. Als sie ihn öffnete lag darin, sorgfältig in Seidenpapier verpackt, ein wundervoller Kimono. Auf der rosafarbenen Seide befanden sich mit Silberfaden gestickte florale Blütenmuster. Mimi's Augen weiteten sich und sprachlos starrte sie auf das wundervolle Kleidungsstück. „Diesen Kimono habe ich vor langer Zeit getragen...“ die Stimme ihrer Großmutter war ungewohnt schwach. „Ich möchte, dass du ihn heute Abend trägst und deinen Geburtstag genießt. Ihr solltet euch miteinander aussprechen.“ Irgendwie war es schon beschämend für Mimi, dass sie es verlernt hatte sich einen Kimono selbstständig anzuziehen, geschweige denn einen Obi zu binden. Vollkommen routiniert half Kimiko ihrer Enkeltochter dabei, das traditionelle japanische Kleidungsstück anzulegen. Abschließend formte die ältere Dame, aus den wundervoll langen kastanienbraunen Haaren, eine schlichte Hochsteckfrisur und befestigte die einzelnen Haarsträhnen mit einem rosafarbenen Seidenband. „Du siehst wundervoll aus...“ stolz betrachtete sie Mimi und küsste ihre Stirn. Plötzlich läutete es an der Haustür, doch noch ehe Mimi das Wohnzimmer durchqueren konnte, um die Tür zu öffnen, war es Taichi, der ihr zuvor kam. Es waren die kleinen Jungs aus der Nachbarschaft, die freudig den etwas zu klein geratenen Bambuszweig ins Haus trugen. „Eure Wunschzettel fehlen noch!“ zwitscherte der Eine aufgeregt und starrte den brünetten Mann an. „Habt ihr den Zweig für das Tanabata gemacht?“ fragte Taichi interessiert und grinste, als er einige der Wunschzettel durchlas. „Ja, in der Schule! Wir haben schon alle Zettel eingesammelt, nur ihr fehlt noch!“ ein anderer Junge reichte ihm eines der länglichen Papierstreifen und ging weiter ins Wohnzimmer. „Oh, du bist aber eine hübsche Tante...“ sagte er und reichte Mimi ebenfalls einen Zettel. Taichi folgte den drei frechen Jungs und erblickte ebenso seine Freundin, welche bereits komplett fertig angezogen im Wohnzimmer stand. Er hatte Mimi noch nie in einem Kimono gesehen und es war, als würde ihn ein heißer Blitz durchzucken. Ihr anmutiger Hals ragte aus dem zarten rosafarbenen Seidenstoff hervor. Einzelne Haarsträhnen waren aus ihrer Frisur gerutscht und umspielten ihre rosigen Wangen. Als sich ihre Blicke trafen, kehrte Taichi sofort zurück in die Realität. Noch immer wütend, schob er seine Hände in die Hosentaschen und ging an ihr vorbei, damit er sich wieder nach oben in sein Zimmer begeben konnte. „Viel Spaß...“ sagte er abweisend und ließ Mimi im Wohnzimmer zurück. Er wollte gerade die Tür hinter sich zuziehen, als Kimiko seinen Arm packte. „Du dämlicher Idiot! Hör auf so ein Kindskopf zu sein, zieh dich an und geh mit ihr zusammen auf das Fest.“ sie drückte ihm ein Bündel Stoff in die Hand und fixierte ihn mit einem strafenden Blick. „Was soll das? Ich will nicht mit ihr auf's Tanabata.“ „Das ist mir egal was du willst. Solange du hier in meinem Haus bist, hast du meine Regeln zu befolgen. Ich weiß nicht, was da schon wieder zwischen euch passiert ist, aber du musst mit ihr darüber sprechen. Hast du denn immer noch nichts gelernt?“ sie lächelte sanftmütig und seufzte. „Das wahre Gesicht eines Menschen liegt nicht darin, was er dir offenbart, sondern in dem, was er dir nicht offenbaren kann. Wenn du Mimi verstehen willst, dann höre nicht nur auf das, was sie dir sagt. Sondern frage vielmehr, warum es Dinge gibt, die sie dir verschweigt...“ durcheinander starrte er in das Gesicht der älteren Dame und presste seine Finger in das Bündel Stoff in seinen Händen. Mittlerweile waren auch Sae und Onkel Kazuki erschienen und holten Mimi ab. Die Jungs rannten nervös auf der Straße umher und wollten endlich auf das Fest gehen. Vorsichtig band Mimi ihren Zettel an den Bambuszweig, als sie plötzlich zwei Hände neben sich spürte. Taichi befestigte ebenso seinen Zettel und einen von Kimiko an dem Zweig. Er sah sie nicht an und sprach auch kein Wort mit ihr. Zu unwohl fühlte er sich in dieser Situation, vor allem auch deswegen, weil sie nicht alleine waren. „Ich würde gerne mitkommen...“ sagte er unsicher und richtete den Kragen seines Yukata. Der dünne Baumwollstoff kratzte fürchterlich und Taichi konnte es noch nie leiden, diese dämlichen Baumwollgewänder zu tragen. Doch Kimiko zwang ihn förmlich in diese traditionelle Klamotte und peitschte ihn aus dem Haus. Etwas verstört betrachtete Mimi ihren Freund und war unsicher, was sie jetzt antworten sollte. Er sah süß aus in seinem Yukata, aber sie konnte nicht verstehen, warum er immer noch so merkwürdig abweisend ihr gegenüber war. „Wir sollten jetzt los gehen, sonst verpassen wir das Feuerwerk. Bleibt Kimiko zu Hause?“ fragte Sae und ergriff die Hand ihrer Halbschwester. „Ja sie fühlt sich heute nicht so gut, um den ganzen Weg zu laufen.“ antworte Tai und lief neben den beiden Mädchen her. „Irgendwie liegt es wohl in der Luft. Meine Frau bleibt auch zu Hause und lässt mich alleine gehen...“ Kazuki versuchte traurig zu klingen, aber die beiden Mädchen lachten ihn nur aus. „Deine Frau hat ein gebrochenes Bein. Hättest du sie lieber den gesamten Abend getragen?“ fragte Mimi und bemerkte, dass ihr Freund sehr nachdenklich wirkte. Den gesamten Weg zum Festplatz hatten Mimi und Tai keine Möglichkeit miteinander zu sprechen. Die kleinen frechen Jungs redeten ununterbrochen auf den jungen Mann ein und wollten alles über Fußball von ihm erfahren. Mimi hingegen wurde von ihrer Schwester über die neuesten Neuigkeiten im Krankenhaus informiert. Sie erzählte ihr, dass ein neuer Assistenzarzt im nächsten Monat anfangen sollte und er sich heute vorgestellt hätte, doch leider habe ihn Sae nicht persönlich gesehen. Als die kleine Gruppe endlich den Festplatz erreichte brannten bereits überall die bunten Laternen. Es wirkte als würden tausende glühende Sterne über ihnen hängen. Die Jungs stellten ihren Bambuszweig mit den Wunschzetteln zu den anderen Zweigen und verschwanden dann im Getümmel. Überall gab es leckere Essensstände mit lokalen Köstlichkeiten und verschiedene Spielbuden, an denen man die blödesten Preise gewinnen konnte. Kazuki und Sae versuchten sich gleich am ersten Stand dabei, einige Goldfische mit einem Papiersieb zu fangen. Mimi beobachtete die beiden lachend und Taichi stand mit finsterem Gesichtsausdruck neben ihr. „Mimi, wir sollten miteinander sprechen...“ sagte er leise. Sie drehte ihren Kopf leicht zur Seite und sah ihn fragend an. „Worüber denn? Warum bist du so merkwürdig?“ wollte sie wissen und ging einige Schritte von ihrem Onkel und ihrer Schwester weg. Tai holte tief Luft und versuchte die richtigen Worte zu finden, denn obwohl er den gesamten Weg darüber nachgedacht hatte, fiel ihm jetzt doch nichts mehr ein. „Happy Birthday wunderhübsches Geburtstagskind. Als seist du keinen Tag gealtert...“ diese vertraute Stimme riss die beiden jäh aus ihrem Gespräch und erstaunt drehte sich Mimi um. Hinter ihr stand ein großer junger Mann mit dunklem Haar und stechend blauen Augen. Im Gegensatz zu den anderen Besuchern des Festes trug er eine Jeans, ein weißes Hemd und ein dunkelblaues Sakko darüber. Er hatte beide Hände in seinen Hosentaschen und lächelte die junge Frau mit einem breiten Grinsen an. „Joe!“ schrie Mimi auf und sprang ihm förmlich in die Arme. Taichi hatte sich nicht umdrehen brauchen, denn er stand dem Älteren gegenüber. Genervt verdrehte er seine Augen, als er die Worte seines Freundes hörte und musste sich beherrschen ihm nicht sofort auf die Füße zu kotzen. So ein Schleimbeutel, was wollte der überhaupt hier? Taucht hier einfach auf, lässt ein paar coole Sprüche los und macht einen auf ober geilen Traumprinzen. Aber mit einem Mal durchfuhr es ihn wie ein gleißender Blitz. Plötzlich blieb alles um ihn herum stehen. Tai hielt inne und starrte Joe schockiert an. Die Kürzel unter dem Brief, dort stand: »J.K.« - Joe Kido. Jetzt ergab einfach alles einen Sinn. Warum Joe hier war, weshalb die beiden immer wieder so vertraut miteinander umgingen und Mimi all das vor Tai verheimlichte. Seine dunkelbraunen Augen betrachteten die zwei und es schien, als würde alles um ihn herum in tausend winzige Scherben zerbrechen. Jede Berührung von Joe auf ihrem Rücken, jedes zärtliche Lächeln das sie ihm schenkte, jedes einzelne Wort, das sie so liebevoll miteinander wechselten. Taichi konnte es nicht länger ertragen und musste aus dieser demütigenden Situation fliehen. Kurz davor den Verstand zu verlieren, drängte er sich durch die Menschen und versuchte zu verschwinden. Was sollte er nur tun? Wie sollte er damit umgehen? „Warum bist du denn hier?“ fragte Mimi und löste sich aus seiner Umarmung. „Ich hatte hier sowieso zu tun.“ er lächelte und strich ihr einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Was hast du denn hier zu tun?“ „Ich war im Krankenhaus, sie haben eine Stelle für einen Assistenzart und ich habe mich heute persönlich vorgestellt.“ sie schluckte hart und blickte ihn eindringlich an. „Ist das dein Ernst? Aber wieso? Du könntest doch überall arbeiten, da musst du doch nicht hierher in die Pampa.“ Joe lächelte stumm und schüttelte mit seinem Kopf. „Was ist mit dir und ihm?“ Mimi wurde rot und drehte sich verlegen um. Aber erschrocken musste sie feststellen, dass Tai überhaupt nicht mehr hinter ihr war. „Er ist vor einigen Minuten verschwunden. Weiß er von dir und mir? Er schien wahnsinnig wütend zu sein.“ sagte Joe und schob seine Hände wieder in die Hosentasche. „Ich....ich weiß nicht...“ sie drehte sich wieder zu dem Älteren um und ihre Mimik verfinsterte sich. „Ich muss ihn suchen, bitte entschuldige. Ich bin gleich wieder hier...“ Die junge Frau eilte in ihrem engen Kimono durch die Menschen und suchte ihren Freund, doch von Tai fehlte jede Spur. Was war nur in ihn gefahren? Warum verhielt er sich so komisch? Er hatte Joe nicht einmal begrüßt oder mit ihm ein paar Worte gewechselt. Mittlerweile hatte die junge Frau den Festplatz hinter sich gelassen. Irgendwie fand sie sich mitten auf einer großen Wiese wieder. Im feuchten Gras lagen einige kleine brennende Papierlampions. Der warme Schein erhellte die Dunkelheit und plötzlich erkannte sie seine Silhouette am anderen Ende des Weges. Als sie ihn dort stehen sah, überfiel sie ein beißendes Gefühl von Wut. Mit eiligen Schritten näherte sie sich ihm und zog ihm heftig am Ärmel. „Was ist mit dir los? Du bist so ein Blödmann! Warum musst du dich so aufführen?“ ihre Stimme bebte förmlich vor Wut. Taichi hatte sie überhaupt nicht bemerkt und zuckte unter ihrer Berührung zusammen. Doch seine Schockstarre hielt nicht lange an. Sofort verfinsterte sich sein sonst so liebevoller Gesichtsausdruck. Schmerz, Trauer und Wut zeichnete seine dunklen Augen. Alle Worte, die er sich überlegt hatte, alle Emotionen, die er versuchte zu sortieren, einfach alles brach über ihm zusammen. Er konnte nicht mehr. „Wie kannst du mich so belügen? Wie lange geht das mit euch? Wann wolltest du es mir sagen?“ sein Tonfall war gefährlich aggressiv und Mimi wich sofort einige Schritte zurück. „Wovon sprichst du überhaupt?“ Er ballte seine Hände zu Fäusten und sie konnte deutlich erkennen, dass er in seiner rechten Hand etwas festhielt. Vor Zorn spannte sich jeder Muskel in seinem Körper an. Wollte sie ihn zum Narren halten? „Tai?“ fragte sie leise nach. In einer hastigen Bewegung warf er ihr das kleine Ringkästchen entgegen. Gerade so konnte sie es fangen und blickte völlig schockiert auf die mit Samt überzogene Schachtel. Im gleichen Moment kam ihr eine etwas größere Schmuckschatulle entgegen geflogen. „Ich spreche davon! Ach und das andere ist dein Geburtstagsgeschenk. Happy Birthday!“ schrie er sie an und lachte zynisch. „Du und er, wie lange läuft das schon? Er kommt hierher und will eine Antwort von dir! Welche wirst du ihm geben? Mhm? Mimi, sag es mir! Für wen von uns entscheidest du dich? Oder willst du uns beide warm halten?“ verzweifelt schüttelte er seinen Kopf und seine Stimme wurde nicht leiser. „Ich dachte wirklich, dass ich mich in dir getäuscht hätte, aber du bist die selbe durchtriebene, egoistische Verräterin wie immer. Sag mal bist du dir eigentlich für nichts zu schade?“ Bevor er auch nur noch ein Wort sprechen konnte fing er sich eine Ohrfeige von ihr. „Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen? Wie kommst du dazu meine Sachen zu durchsuchen?“ fuhr sie ihn an und kämpfte mit ihren Tränen. „Wie bitte? Du hast alles auf deinem Tisch liegen gelassen und ich sollte deine Jacke holen. Schön hast du es mir unter die Nase gerieben! Hat er dich wenigstens glücklicher gemacht als ich? Denn offenbar gelang es ihm, dich zu halten. Bei mir bist du ja nicht geblieben. Bist einfach abgehauen und zwar mit ihm.“ beide schrien sich so heftig an, dass es an ein Wunder grenzte, dass es niemand mitbekam. „Ach du und dein elendiges Selbstmitleid. Warum hast du mich nicht aufgehalten? Warum hast du niemals um mich gekämpft, wenn es dir so wichtig war? Du hast mich immer wieder von dir weggestoßen. Du hast mir mein Herz gebrochen! Und jetzt, jetzt tust du es schon wieder! Also warum soll ich mich nicht für Joe entscheiden? Er war immer für mich da. Er möchte mit mir zusammen sein und er verletzt mich nicht ständig. Sag mir einen einzigen Grund, warum ich ihn nicht heiraten sollte. Warum sollte ich mich für dich entscheiden?“ Er riss seine Augen auf und schrie ihr diese Worte, die ihm schon so lange auf dem Herzren brannte, mit all seiner Kraft ins Gesicht. „Weil ich dich....“ Aber Mimi konnte den Rest nicht mehr hören, da das ohrenbetäubende Donnern des Feuerwerks seine letzten Worte verschlang. Sie konnte lediglich seine Lippenbewegung im Schein der explodierenden Raketen erahnen. „Was? Was hast du gesagt?“ wisperte sie und versuchte nach seiner Hand zu greifen, doch er entzog sie ihr. Verzweifelt fuhr sich Tai durch sein Haar und starrte auf den Boden. „Ich kann das nicht mehr. Ich kann nicht mehr um eine Frau kämpfen, die überhaupt nicht mit mir zusammen sein will...“ der junge Mann sagte diese Worte beinahe schon kraftlos. Mimi blickte mit gläsernen Augen zu ihm rauf und presste ihre zitternden Hände gegen ihre Brust. „Was sagst du denn da? Du hast vor einigen Tagen noch gesagt, dass es erst dann vorbei ist, wenn wir aufgeben und nicht mehr kämpfen?“ Ohne sie eines Blickes zu würdigen, lief Taichi langsam an ihr vorbei. Der Schein der bunten Feuerwerkskörper färbte alles um sie herum in einem rötlichen Schimmer. Seine Stimme erreichte sie kaum hörbar. „Genau, es ist vorbei.“ Damit ließ er sie einfach stehen und verschwand in den Schatten der Nacht. Mimi versuchte ihm hinterher zu rennen, doch in der Dunkelheit und aufgrund ihres engen Kimonos stolperte sie immer wieder. Weinend stürzte sie im feuchten Gras zu Boden. Verkrampft fuhren ihre Finger in die aufgeweichte Erde. War das sein Ernst? Sollte es so enden? Sollte es jetzt für immer vorbei sein? Langsam öffnete sie die Schmuckschatulle, die er ihr zum Geburtstag schenken wollte. Ein lautes Schluchzen entfuhr ihren Lippen. Vorsichtig nahm sie das wunderschöne Blütenarmband aus der Einlassung heraus. Es handelte sich um genau das gleiche Armband, welches sie vor einigen Tagen im Schaufenster betrachtet hatte. Sie hatte alles kaputt gemacht. Er wollte ehrlich zu ihr sein, um sie kämpfen, sich bemühen und letzten Endes war sie es, die ihn von sich gestoßen hatte. Die ihm sein Herz gebrochen hatte. ------- „Mimi, was ist denn mit dir passiert?“ fragte er besorgt und wischte ihr das verlaufende MakeUp aus dem Gesicht. Joe blickte seine Freundin besorgt an und nahm sie fest in den Arm. „Wo bist du gewesen?“ Weinend presste sie sich in seine Arme. Alles tat ihr so weh. Selbst das Atmen bereitete ihr unerträgliche Schmerzen. „Er hat den Ring gefunden....ich habe ihm nichts gesagt....“ stammelte sie nur in unzusammenhängenden Sätzen. Joe holte tief Luft und drückte sie etwas von sich weg. Mit einem sanften Lächeln streichelte er ihr über die Stirn. „Schon gut. Ich glaube, das solltest nicht du mit ihm klären. Irgendwie bin ich ja auch dran schuld. Ich sollte mit ihm reden.“ „Warte! Bitte bleib...“ Mimi packte seinen Arm. „Nein, dieses Mal nicht. Ich komme wieder, versprochen.“ damit begab sich Joe zurück zum Parkplatz und setzte sich in sein Auto. Natürlich wusste er nicht wohin Tai gegangen war, aber es gab nur eine Hauptstraße und der junge Arzt hatte beschlossen, ihn einfach genau dort zu suchen. Es dauerte einige Zeit bis Joe ihn tatsächlich ausfindig gemacht hatte. Langsam fuhr er an ihn heran, doch Tai dachte überhaupt nicht daran stehen zu bleiben. Also stieg Joe aus dem Wagen aus und lief ihm zu Fuß hinterher. „Jetzt warte doch mal Tai. Hey Tai....sei nicht so kindisch. Lass mich erklären....“ In Taichi stieg die Wut so immens an, mit jedem Wort, das er aus seinem Munde hörte, kochte er beinahe über. Irgendwann drehte er sich um und rannte in einem Anfall wilder Raserei plötzlich auf seinen älteren Freund zu. Noch bevor Joe überhaupt hätte ausweichen können, packte ihn Tai an der Taille und schleuderte ihn mit einem wütenden Aufschrei zu Boden. Zunächst rangelten beide auf dem harten Asphalt der Straße, bis Joe einen Treffer in der Magengrube seines Freundes landete. Schmerzlich ließ dieser von ihm ab. Der Ältere ließ seinen Gegner langsam wieder aufstehen und versuchte ihn zu besänftigen. Aber Taichi war für sämtliche Ansprachen unerreichbar. Erneut stürzte er sich auf seinen Freund und verpasste ihm einen heftigen Kinnhaken, woraufhin Joe's Lippe aufplatzte. Diesen Angriff parierte Joe mit einem gezielten linken Haken und traf Tai gefährlich an der Schläfe, woraufhin dessen rechte Augenbraue sofort aufklaffte. Unmittelbar setzte eine starke Blutung ein und dem jungen Yagami wurde kurzzeitig schwarz vor Augen. Das Blut lief in seine Augen und er konnte nicht länger klar sehen. Keuchend und entkräftet stützte er sich auf der Motorhaube von Joe's Wagen ab. „Verdammt Kido, was hast du denn für einen heftigen linken Haken?“ japste Tai und hielt sich die blutende Wunde. „Du hast auch gut getroffen....“ sagte Joe und wischte sich mit seinem Ärmel das Blut aus dem Gesicht. Besorgt ging er zu seinem Freund rüber und drehte ihn zu sich. „Lass mal sehen....“ sagte er bestimmend, als Taichi ihn unsanft von sich weg drückte. „Die Blutung ist stark. Es ist eine klaffende Wunde an deiner Augenbraue, das muss ich nähen, sonst entzündet sich das und du behältst eine unschöne Narbe.“ „Ach lass das! Fass mich nicht an!“ schnauzte Tai und wollte den Älteren erneut von sich weg stoßen, doch er war viel zu kraftlos und immer wieder lief ihm das Blut in die Augen. Ohne das Gekeife seines Freundes weiter zu beachten, holte Joe seine Arzttasche aus dem Auto. Er öffnete eines der sterilen Blister und drückte die Wunde zunächst mit einem Tupfer ab. Gleichzeitig presste er Taichi auf die Motorhaube. „Halt still....“ sagte er trocken und wischte das restliche Blut aus seinem Gesicht. „Ah! Verdammte Scheiße! Du Mistkerl!“ schrie Tai, als Joe etwas Jod auf die Wunde tupfte. „Halt deine dämliche Klappe. Ich habe noch nicht einmal angefangen zu nähen!“ entgegnete der Ältere. Joe hatte noch nie jemanden im Schein von Straßenlaternen zusammengeflickt, doch er konnte diese Wunde nicht offenen lassen. „Halt das mal...“ sagte er und drückte dem schimpfenden Brünetten seine Armbanduhr in die Hand. Sie hatte eine Leuchtfunktion und bescherte dem angehenden Arzt etwas bessere Sicht, als er zum ersten Stich ansetzte. „Verfluchter Dreck...willst du mich verarschen?“ Tai hätte niemals gedacht, dass es tatsächlich so wehtun könnte. Das letzte Mal, das er genäht wurde, war vor vielen Jahren und damals hatte er auch eine örtliche Betäubung bekommen. Jetzt jagte ihm dieser Metzger in Ausbildung diese Nadel einfach so durch sein Fleisch und verzog dabei nicht mal eine Miene. Irgendwie musste sich Joe jetzt schon das Lachen verkneifen. Immer eine große Fresse und dann jammern wie ein kleines Mädchen. Nach drei Stichen war es vorbei und Joe klebte ein großes Pflaster über die frische Wunde. Mittlerweile hatte sich Taichi auch etwas beruhigt und setzte sich erschöpft aufrecht hin. Er hielt sich seine schmerzende Augenbraue und sah zu seinem Freund, der im Moment seine eigene blutende Lippe verarztete. „Was tust du ihr nur an? Sie hat das nicht verdient.“ Tai sah zu ihm und fixierte ihn mit einem zornigen Blick. „Offenbar hat es dich nicht davon abgehalten, deine Chance sofort zu nutzen und ihr Trost zu spenden.“ „Wo bist du denn gewesen als sie dich brauchte? Wo bist du gewesen als ihr Großvater starb, als ihr Vater sie vor die Tür setzte, als ihr ein dämliches infantiles Arschloch das Herz brach und zwar immer und immer wieder? Komisch, deine große Fresse habe ich damals nirgendwo gesehen. Aber jetzt sitzt du hier und spielst dich auf, als hätte sie dich betrogen. Haust mir so dermaßen auf die Schnauze, als hätte ich dir etwas weggenommen...“ Tai schluckte hart und wusste nicht, was er darauf antworten sollte, denn irgendwie hatte Joe vollkommen recht. „Du hast den Unterschied zwischen Liebe und Freundschaft immer noch nicht verstanden.“ der Ältere lächelte und setzte sich neben Tai auf die Motorhaube seines Autos. Aus seiner Jackentasche holte er eine Packung Zigaretten und bot seinem Freund eine an. „Der Herr Doktor konsumiert tödliches Nikotin? Wie paradox ist das denn?“ dankend nahm er sie an und ließ sich von Joe Feuer geben. „Das hilft gegen die Schmerzen...“ sagte der Ältere grinsend und nahm einen kräftigen Zug. „Sag es bloß der Prinzessin nicht...“ Tai lachte auf die Worte seines Freundes und ließ sich ebenso die Zigarette schmecken. „Was meinst du damit, Joe?“ „Mhm? Na, dass du es nicht verraten sollst, dass wir heimlich die Friedenspfeife geraucht haben.“ „Nein, das meine ich nicht. Was meinst du damit, dass ich den Unterschied zwischen Liebe und Freundschaft immer noch nicht verstanden hätte?“ Auf die Frage seines Freundes musste Joe lächeln. „Ich dachte du hättest es damals schon begriffen. Zwischen dir und Sora. Zwischen mir und Mimi. Manchmal ist der Grat zwischen Liebe und Freundschaft sehr schmal und man kann es irgendwann nicht mehr voneinander unterscheiden.“ Das Nikotin brannte in seiner Lunge und Joe wischte sich erneut über die blutende Lippe. „Wenn man jemanden liebt, dann legt man seine Waffen ab. Man gibt sich dem anderen schutzlos hin. Man vertraut ihm blind und riskiert verletzt zu werden. Denn nur so kann Liebe funktionieren und genau das ist nämlich der Unterschied zwischen Liebe und Freundschaft. Keine Maske, kein gespieltes Lächeln, keine zurückhaltende Höflichkeit.“ Ein bitteres Lächeln zog sich über seine verletzten Lippen. „Aber ich bin so ein Idiot. Egal was ich gesagt oder getan habe, es gab immer nur dich. Ich habe mir Hoffnungen gemacht, obwohl ich genau wusste, wie es um ihr Herz bestellt ist.“ Mit großen Augen sah Taichi in das traurige Gesicht seines Freundes. Kurz lächelte er matt und zog erneut an seiner Zigarette. „Nein, ich bin hier der Idiot. In all den Jahren bist du ihr ein viel besserer Freund gewesen als ich. In ihren schweren Zeiten, bist du an ihrer Seite gewesen. Ich war so dumm und unfähig diese wunderbare Frau, die ich über alles liebe, festzuhalten. Was soll ich nur tun?“ Überrascht über diese Worte verschluckte sich Joe an seiner Zigarette und musste unweigerlich husten. Hatte Tai ihm gerade gesagt, dass Mimi die Frau war, die er über alles liebte? „Wie kannst du so eine dumme Frage stellen? Du bist wirklich ein Idiot.“ lachend erhob sich der Ältere. „Liebe sie einfach genauso wie du es tust. Ohne wenn und aber, ohne Reue, ohne zurück zu sehen. Gib ihr alles was du ihr geben kannst. Einfach alles von dir.“ Verblüfft sah er Joe an und suchte nach den Worten, die ihm einfach nicht einfallen wollten. Plötzlich drehte sich Joe zu ihm um und sein Blick war todernst. „Ich gebe dir diese letzte Chance, wenn du sie nicht nutzen solltest, werde ich dir Mimi wegnehmen. Ich lasse nicht zu, dass du sie noch einmal so sehr verletzt.“ Joe öffnete die Wagentür und wollte sich in sein Auto setzen. „Und jetzt schwing' deinen Arsch von meiner Motorhaube. Ich hole sie ab und fahre sie nach Hause. Du gehst dich umziehen, du siehst nämlich wie ein abgeschlachtetes Schwein aus.“ „Jō...“ die Stimme seines Freundes erschütterte ihn bis ins Mark. Entsetzt drehte sich der angehende Arzt zu ihm um. „Oh Gott, das letzte Mal hat mich meine Oma an ihrem Sterbebett so angesprochen.“ Joe war es überhaupt nicht gewohnt, dass ihn seine Freunde mit seinem richtigen Namen ansprachen und die japanische Aussprache dafür benutzten. Daraufhin musste Taichi lächeln und verneigte seinen Kopf etwas. „Vielen Dank....“ sagte er leise. Er lächelte leicht und verneigte sich ebenso höflich. „Du solltest nicht mir danken. Sollte sie dir verziehen, bist du ihr zu Dank verpflichtet. Sie trifft die Wahl, nicht wir beide, denn wir sind nur die Statisten in diesem Stück.“ ------- Mittlerweile war das Fest beendet und Mimi räumte noch die letzten Reste auf. Sie band alle Wunschzettel von den Zweigen und legte sie in die dafür vorgesehenen Wunschboxen. Einige Wünsche waren wirklich süß und brachten die junge Frau zum Lächeln. Irgendwann erwischte sie den Wunschzettel ihrer Schwester. »Watanabe, Sae wünscht sich: Einen hübschen Arzt zu heiraten ☺« Weiter unten hing der Wunsch ihrer Großmutter. »Tachikawa, Kimiko wünscht sich: Als du vor neun Tagen bei mir angekommen bist, hast du mir meinen sehnlichsten Wunsch erfüllt. Ich wünsche mir, dass du dir nun selbst deinen sehnlichsten Wunsch erfüllst.« Tränen liefen über ihre Wangen und sie drückte den schmalen Zettel dicht an ihre Brust. Langsam pflückte sie die restlichen Zettel vom Zweig und hielt mit einem Mal ihren eigenen Wunsch in der Hand: »Tachikawa, Mimi wünscht sich: Bis ans Ende meines Lebens neben dir einzuschlafen und aufzuwachen.« Wie töricht von ihr, dieser Wunsch würde sich jetzt wohl nie mehr erfüllen. Er hatte alles aufgegeben, es beendet, sie verlassen. Ganz unten entdeckte Mimi schließlich den letzten Papierstreifen. Schluchzend wischte sie sich über die Augen und versuchte die Schriftzeichen darauf zu entziffern. »Yagami, Taichi wünscht sich: Das ich dich für immer an meiner Seite halten kann.« „Nein....“ verzweifelt kniete sich Mimi vor den Bambus und versuchte ihre Tränen zurückzuhalten. Es war zu spät. Ihre beiden Wünsche würden sich wohl niemals erfüllen. Eine Hand auf ihrer Schulter riss die Brünette jäh aus ihren Gedanken. „Hey, hör auf zu weinen.“ Sie erkannte seine Stimme sofort und stand langsam auf. Erschüttert starrte sie in das entstellte Gesicht ihres Freundes. Besorgt fuhr sie über seine Lippen und betrachtete die Blutflecken auf seinem Hemd. „Um Gotteswillen, was ist passiert?“ „Ach halb so wild. Ich bin hingefallen...“ „Hingefallen? Wohl eher gegen seine Faust gelaufen? Was ist denn in ihn gefahren? Habt ihr euch etwa geprügelt?“ völlige außer sich fing Mimi an zu zittern. Er brachte sie zu seinem Auto und hielt ihr die Tür auf. „Falls es dich beruhigt, er sieht nicht viel besser aus....“ „Was? Nein! Das beruhigt mich nicht! Seid ihr etwa Höhlenmenschen? Warum prügelt ihr euch?“ Joe warf die Wagentür zu und ließ Mimi weiter aufgebracht zetern. Entspannt setzte er sich ans Steuer und fuhr los. „Jetzt halt doch mal die Luft an.“ sagte er mit einem liebevollen Lächeln. Wütend blies sie ihre Wangen auf und starrte ihn an. „Er ist so ziemlich der größte Volltrottel, der mir jemals unter die Augen gekommen ist. Aber seine Gefühle für dich sind tief und ehrlich. Wenn ich dich jetzt zurück gebracht habe, solltest du zu ihm gehen und nochmal mit ihm sprechen.“ mit einem zynischen Grinsen fuhr er sich durchs Haar und schaute konzentriert auf die Straße. „Ich hasse mich selbst dafür, dass ich das sage, aber du solltest deine Entscheidung erst dann treffen, wenn du nochmal mit ihm gesprochen hast. Gib ihm diese letzte Chance.“ Joe hielt vor dem großen Anwesen der Tachikawa Familie an und sah zu seiner Freundin. Mimi blickte betroffen auf ihre Knie. „Was willst du damit sagen?“ flüsterte sie unsicher. Er legte ihr seine Hände auf den Oberschenkel und küsste ihre Schläfe. „Das ich so lange warten werde und es ist mir egal für wen du dich entscheidest.“ Joe lächelte bitter und holte tief Luft. „Tai und du, ihr bedeutet mir sehr viel und ich schätze seine Freundschaft ungemein. Am Ende möchte ich einfach, dass sowohl du, als auch er glücklich seid. Selbst wenn das für mich bedeuten würde, dich aufzugeben.“ Sie schloss ihre Augen und rang um Fassung. Joe war wirklich ein besonderer Mann. Bedächtig griff sie in ihren Obi und holte die Ringschatulle hervor. Mimi öffnete ihr Augen und sah ihren Freund entschuldigend an. Zärtlich legte sie seine Hand in ihre und platzierte das kleine Kästchen darin. „Selbst wenn jetzt alles vorbei ist, wäre es nicht richtig. Es wäre falsch und egoistisch von mir, wenn du meine zweite Wahl sein würdest. Du hast es verdient die erste Wahl zu sein, denn genau das hast du mir beigebracht.“ Er konnte nicht verbergen, dass ihn ihre Entscheidung verletzte, doch Joe zwang sich zu lächeln.„Mimi, wenn du jetzt zu ihm gehst, dann wird er dich nicht zurückweisen. Er ist dir hoffnungslos verfallen und er kann überhaupt nicht ohne dich sein. Geh zu ihm. Ich will, dass du glücklich bist.“ Mimi streichelte ihm liebevoll durchs Haar. „Joe, willst du denn überhaupt nicht wissen, was ich tatsächlich damals gesagt hätte?“ Verwundert sah er sie an. „Was meinst du?“ „Als du mich fragen wolltest, ob ich dich heirate sagtest du, dass du tief in deinem Herzen meine Antwort wüsstest. Du glaubtest ich hätte gesagt, es täte mir leid, dass ich dich zwar lieben würde, aber nicht auf diese Weise.“ „Wäre deine Antwort denn anders gewesen?“ „Ja.“ Mimi stieg aus seinem Auto aus und lief auf die andere Seite. Mit einem charmanten Lächeln lehnte sie sich an das herunter gelassene Fenster und sah ihn an. „Ich hätte gesagt: »Ich danke dir für alles. Du hast mich gerettet. Du hast mich in meinen dunkelsten Stunden festgehalten und mich nicht aufgegeben. Du hast meine Wunden geheilt und mir Kraft gegeben wieder aufzustehen. Dafür werde ich dich immer lieben, aber leider gehört mein Herz schon einem Anderen.«“ Langsam beugte sie sich zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Wange. In der Dunkelheit färbte sich sein Gesicht feuerrot und man konnte sein Herz sicherlich noch im nächsten Dorf pochen hören. Auch wenn er heute nicht die Antwort bekommen hatte, die er sich über alles wünschte, so war er dennoch mit ihrer Entscheidung zufrieden. Er hoffte aus tiefstem Herzen, dass die beiden ihr Glück gemeinsam finden würde. Er hoffte, dass sie den Glanz in ihren Augen niemals wieder verlieren würde. Er hoffte, dass sie endlich das fand, was sie immer gewollt hatte. ------- Als Taichi vor einigen Minuten völlig erschöpft sein Zimmer erreichte, schälte er sich lediglich aus dem blutverschmierten Yukata und legte sich nackt in sein Bett. Es war ihm so was von scheißegal und er wollte nur noch schlafen, diesen Tag vergessen und die Schmerzen seiner pulsierenden Wunde verdrängen. Nach zwei Gläsern Scotch gelang es ihm trotzdem nicht in den Schlaf zu finden. Das hätte er der alten Lady gar nicht zugetraut, dass sie so gutes Zeug im Haus hatte. Doch Kimiko war offenbar immer wieder für Überraschungen gut. Plötzlich hörte er leise Schritte, welche über den hölzernen Boden glitten. Er rührte sich nicht und stellte sich schlafend. Sie kniete sich neben sein Futon und betrachtete sein scheinbar schlafendes Gesicht. Erschrocken fuhr sie leicht über seine Wunde, woraufhin der junge Mann zusammen zuckte, aber dennoch seine Augen nicht öffnete. „Ich glaube, dass wir einen Fehler machen, denn das mit uns fing doch gerade erst an. Obwohl ich an uns glaube, tut es mir nicht gut, denn du lässt mich wieder zurück und du bist auf der Flucht. Dabei wünscht du dir so sehr, mich halten zu können. Für immer an deiner Seite. Es tut mir so leid, ich habe es nicht zugelassen. Das Gute schien mir nicht gut genug. Dabei bist du alles was ich brauche. Bitte gib uns nicht auf.“ Kaum hörbar und zitternd durchbrach ihre Stimme die Stille der Dunkelheit. Ihre Worte durchdrangen ihn bis in die Tiefe seines schmerzenden Herzens. Sämtliche Zweifel verschwanden und Taichi öffnete seine Augen. Mimi konnte überhaupt nicht so schnell darauf reagieren, da packte er sie schon und zog sie heftig zu sich runter. An ihrem Handgelenk spürte er das Armband. Es machte ihn unsäglich glücklich, dass sie sein Geschenk trug und zu ihm gekommen war. Ihre Worte waren alles was er brauchte, um erneut Mut zu fassen. Verlangend küsste er sie und legte seine Hand in ihren Nacken. Taichi setzte sich auf und zog sie auf seinen Schoß. Dieser Betrüger schlief überhaupt nicht und hatte alles mit angehört, was sie gerade sagte. Leicht verwirrt erwiderte sie seinen innigen Kuss. Ungeduldig schob er den seidenen Stoff über ihre Schultern und legte seine Hände auf die freigelegte nackte Haut. Nach Atem ringend löste sie sich von seinen Lippen und streichelte ihm durchs Haar. „Tai....was hast du vorhin zu mir gesagt?“ „Du hast es genau verstanden...“ flüsterte er lächelnd. „Nein, das Feuerwerk war viel zu laut...“ murmelte sie und betrachtete sein lädiertes Auge. „Mimi, du konntest es von meinen Lippen ablesen.“ er war sich absolut sicher, dass sie wusste, was er ihr da ins Gesicht geschrien hatte. „Bitte sag es mir.“ „Das habe ich doch schon sooft.“ flüsterte er liebevoll in ihr Ohr. „Bitte sag es mir nicht so, wie es japanische Männer für gewöhnlich sagen.“ Er lachte kurz auf und sah sie fragend an. „Ich bin nunmal ein Japaner. Was stört dich daran, wie wir es sagen?“ „Es ist immer so indirekt und es hört sich.....“ „Ich liebe dich. Ich sagte vorhin, ich liebe dich.“ Stille. Bebend krallte sie ihre Finger in seinen nackten Rücken. „Bitte....bitte sag es nochmal....“ wisperte sie heiser. Seine Hände fuhren unter ihren Kimono, zwischen ihre zitternden Schenkel. Sehnsüchtig umschlossen seine Lippen ihre und die junge Frau bemerkte nicht wie, sondern spürte nur noch, dass er vorsichtig in sie eindrang. Im selben Moment hauchte Tai drei winzige Worte gegen ihre Lippen. „Ich liebe dich.“ Erstickt keuchte sie auf und presste ihren Körper an seinen, als sie seine Worte hörte und spürte, wie er anfing sich in ihr zu bewegen. Noch nie hatte sie ihn so unvermittelt in sich gespürt. Es war ein unbeschreibliches Gefühl der Verbundenheit, als gäbe es nichts, das sie voneinander trennen könnte. Sie konnten sich nicht näher sein, als sie es in diesem Moment waren. Immer wieder keuchte sie in seine Küsse. Verkrampft hielt er ihre Hüften fest und bewegte ihr Becken auf seinem Schoß. Seine Atmung wurde schwer und seine Bewegungen kraftvoller. Sanft drückte er sie nach hinten und legte Mimi auf den Rücken. Sofort schlang sie ihre Beine um ihn und presste seine Lenden noch fester gegen sich, woraufhin er tiefer in sie eindrang. Er spürte, wie bereits jede Muskelfaser in seinem Körper anfing unkontrolliert zu zucken. Angestrengt kniff Tai seine Augen zusammen und musste sich ungemein beherrschen, seinen Höhepunkt nicht bereits jetzt schon zu erreichen. „Mimi....ich....“ keuchte er und wollte sich aus ihr zurück ziehen, damit er nicht in ihr kam. Aber sie löste ihre Schenkel nicht von ihm, sondern drückte ihn noch inniger an sich. Mit beiden Händen umschloss sie seinen Nacken und zog ihn zu sich runter. „Schon gut. Es ist in Ordnung...“ flüsterte sie mit lustverhangener Stimme und küsste ihn leidenschaftlich. Noch ehe Taichi irgendwas hätte tun können, erlag er seinem Körper und errichte in ihr seinen Höhepunkt. Vollkommen außer Atem ließ er sich auf ihr nieder. Seinen Kopf bettete er auf ihrer Brust. Tai konnte ihren unregelmäßigen Herzschlag deutlich hören. Seine Hand suchte ihre und strich kurz über ihr Armband. Lächelnd sah er zu ihr rauf und küsste ihr Kinn. „Alles Gute zum Geburtstag...“ Mimi fuhr ihm zart über seine Verletzung und grinste. „Etwas besseres als das, hättest du mir nicht schenken können.“ Tai richtete sich etwas auf und sah sie unverschämt grinsend an. „Was jetzt genau? Das Armband oder der Sex?“ Unbeeindruckt von seiner Dreistigkeit drückte sie mit ihrem Daumen auf seine frisch genähte Wunde. Schmerzvoll keuchte er auf und sah sie strafend an. „Weder noch.“ sagte sie sanft und spürte, dass sie noch immer miteinander verbunden waren. Seine Wärme fühlte sich großartig an. -------- Taichi war in die Küche verschwunden und holte etwas zu trinken. Mimi stand nachdenklich vorm Fenster und versuchte endlich diesen Kimono auszuziehen. Irgendwann schaffte sie es tatsächlich die Knoten zu lösen. Unzählige Schweißperlen glänzten auf ihrer Haut. Ein schwacher Windzug bewegte ihr Haar und noch immer spürte sie seine Berührungen auf ihrem Körper. Plötzlich legte er von hinten seine Hände auf ihren nackten Bauch. Seine Lippen benetzten ihre Schulter mit zärtlichen Küssen. Langsam wanderte er mit seiner Zunge hinauf zu ihrem Hals. Lustvoll legte sie ihren Kopf seitlich und schloss ihre Augen. „Was soll das werden?“ fragte sie leise. „Ich glaube, dass du vorhin nicht auf deine Kosten gekommen bist...“ Bevor sie etwas erwidern konnte fuhren seine Finger zwischen ihre Beine. Unterdrückt keuchend stützte Mimi ihre Hände aufs Fensterbrett und beugte sich etwas nach vorne. In rhythmischen aber dennoch bestimmenden Bewegungen verwöhnte er ihre Weiblichkeit, drang ab und an mit seinem Finger in sie ein, bevor er wieder anfing ihre empfindliche Perle zu liebkosen. Seine rauen Lippen erkundeten jeden Zentimeter ihres entblößten Rückens. Seine Berührungen machten sie wahnsinnig und Mimi verzehrte sich nach mehr. Ihre Nägel bohrten sich in das Holz unter ihren Fingern. Schließlich kamen seine Lippen wieder bei ihrem Hals an und jeder einzelne Kuss von ihm brannte wie Feuer. Ungeduldig griff sie in seine zerzauste Mähne. „Bitte....“ stöhnte sie und umspielte mit ihrer Zunge sein Ohr. „Was bitte?“ fragte er spitzbübisch. „Quäl mich nicht so, du Scheißkerl...“ erwiderte sie keuchend und schenkte ihm ein hingebungsvolles Lächeln. „Scheißkerl?“ fragte er und musst ebenso lustvoll stöhnen, als sie ihm ihren Hintern verführerisch entgegen drückte. Gottverdammt, er war auch nur ein Mann und konnte sich ihren Reizen nicht länger widersetzten, auch wenn er es gewollt hätte. Seine Finger zogen sich aus ihr zurück und zärtlich drang er von hinten in sie ein. Mimi stöhnte laut auf und vergrub ihre rechte Hand in seinem Nacken, während die Finger ihrer andere Hand sich unnachgiebig im Holz des Fensters vergruben. Bald fand sie sich in seinen Rhythmus und bewegte ihm ihr Becken entgegen. Taichi legte seinen Kopf auf ihre Schulter und atmete immer schwerer. In dieser Position fühlte sie sich noch viel enger an. Jede Bewegung brachte ihn um den Verstand, dennoch vergaß er nicht, ihre empfindsamste Stelle weiterhin mit seinen Fingern zu verwöhnen. Der betörende Duft ihres Haares stieg ihm in die Nase und genüsslich küsste er ihren Hals. Er konnte deutlich spüren, dass sich ihre Lust kontinuierlich steigerte und es nicht mehr lange dauern würde, bis sie ihren Höhepunkt erreichte und doch wollte er es noch etwas hinaus zögern. Unerwartet zog er sich aus ihr zurück, nur um sie dann zu packen und auf der Kommode zu platzieren. Sie war kurz davor und jetzt hatte er einfach aufgehört. Beinahe vorwurfsvoll sah sie ihn an. Tai lächelte und schob ihre Schenkel auseinander. Dieses Mal drang er weitaus fordernder in sie ein und fing auch gleich an sich schneller in ihr zu bewegen. Erneut stöhnte sie geräuschvoll auf und krallte ihre Finger in seinen nackten Rücken. Kraftvoll schlang sie ihre Beine um seine Hüften und presste seine Lenden an ihren Schoß. „Du vernascht mich hier auf den Möbeln und im Zimmer meines Vaters...“ keuchte sie grinsend. Taichi biss sich lustvoll auf die Unterlippe und grinste. „Dann sollten wir das wohl besser für uns behalten, was ich hier mit seiner Tochter anstelle...“ Sanft legte er seinen Daumen an die sensibelste Stelle ihres Körper und bewegte diesen mit kleinen kreisenden Bewegungen. Er spürte, wie sie immer enger wurde und somit unmittelbar vor ihrem Höhepunkt stand. Auch bei ihm würde es nicht mehr lange dauern und so bewegte er sich schneller in ihr. Mimi zog ihn in einen ungestümen Kuss, konnte diesen aber nicht halten, da sie vollkommen berauscht in ihren Höhepunkt stöhnte. Taichi konnte es auch nicht länger zurückhalten und lehnte seine Stirn keuchend gegen ihre. Heftig presste sie ihn ein letztes Mal an sich und legte ihre Lippen an sein Ohr. „In der dunkelsten Nacht, solange die Sterne über uns leuchten, ist es dein Gesicht, was ich vor mir sehe. Deine alles durchdringenden Augen, die mich jeden Tag zu einem besseren Menschen machen.“ Kapitel 10: Fußabdrücke im Sand ------------------------------- 23. Juli 2015, Tateyama, Präfektur Chiba Die letzten Tage waren wie im Flug vergangen. Inzwischen war Mimi seit vier Wochen in Japan. Alles fühlte sich inzwischen absolut vertraut an, als wäre sie niemals weg gewesen. Nach ihrem Geburtstag kehrte tatsächlich etwas Ruhe in ihr Leben ein. Joe war noch am selben Abend zurück nach Tokyo zu seiner Familie gefahren, bevor er sich wieder nach Kyoto begab, damit er die letzten Prüfungen seines Studiums absolvieren konnte. Tai hatte sich mittlerweile die Fäden ziehen lassen und lediglich eine winzige senkrechte Narbe zierte seine Augenbraue. Obwohl es Kimiko zusehends immer schlechter ging, war Mimi sehr bemüht es ihr so angenehm wie möglich zu machen. Trotz starker Schmerzmittel war es Kimiko kaum noch möglich das Bett selbstständig zu verlassen. Sämtliche Überredungskünste liefen ins Leere und die rüstige ältere Dame war keineswegs dazu bereit sich ins Krankenhaus zu begeben. Taichi versuchte Mimi mit aller Kraft zu unterstützten, denn mittlerweile verbrachte die junge Frau jede Minute an der Seite ihrer Großmutter. Er musste sie regelrecht von der älteren Dame wegreißen und dazu zwingen, sich auch einmal zu entspannen. Also ging er mit Mimi stundenlang am Strand spazieren. In diesen gemeinsamen Stunden sprachen sie viel über ihre Vergangenheit. Natürlich wollte er unbedingt wissen, was da zwischen ihr und Joe gelaufen war. Sie erzählte es ihm, ohne etwas zu verheimlichen und auch Tai offenbarte, dass er vereinzelte namenlose Affären hatte. Und vollkommen unerwartet konnten beide sehr erwachsen damit umgehen, weil sie endlich begriffen, dass dies der Vergangenheit angehörte und beide ihre Zukunft jetzt miteinander gestalten würden. Außerdem interessierte sich Tai für das Verhältnis zwischen Mimi und ihrem Vater. Endlich wurde ihm bewusst, wie verletzt sie war, auch weil Sōsuke ihr nicht einmal zum Geburtstag gratuliert hatte. Es war ein heißer Donnerstagmorgen, als Mimi abrupt aus ihrem Schlaf gerissen wurde. Auch diese Nacht hatte sie bei ihrer Großmutter geschlafen, um stets an ihrer Seite zu sein. Kimiko stieß ihr etwas unsanft gegen die Rippen und deutete auf den Nachttisch. „Da will dich jemand unbedingt sprechen...“ raunte die ältere Dame und drehte sich in ihrem Bett noch einmal um. „Oh, entschuldige....“ flüsterte Mimi und griff blind nach dem klingelnden Telefon. „Ja?“ knurrte sie verschlafen und rieb sich gerade die Augen. „Oh guten Morgen. Ja natürlich ist er hier. Er geht nicht ans Telefon? Naja, es ist ja auch noch verdammt früh. Wichtig? Ja ich hole ihn sofort. Bleib dran....“ Wie war das Leben doch ungerecht. Da hatte sie einmal vergessen ihr Telefon auszuschalten und schon kamen bei ihr die Anrufe für Tai an. Außerdem war heute schon wieder so ein verdammt schwül heißer Morgen, dass ihr bereits jetzt speiübel war. Mimi schwankte aus dem Schlafzimmer ihrer Großmutter und schlich über den Flur. Unsanft öffnete sie die Tür zu seinem Zimmer und kniete sich neben sein Futon. Zärtlich strich sie über seine Wange und rüttelte etwas nachdrücklicher an seiner Schulter. „Tai, wach auf. Takeru ist am Telefon. Er will dich unbedingt sprechen....“ Knurrend drehte sich der Brünette mit seiner zerzausten Schlafmähne zu seiner Freundin und nahm ihr Telefon entgegen. „Bist du bescheuert? Hast du mal auf die Uhr gesehen?“ während Taichi ihm ordentlich die Meinung sagte, begab sich Mimi gähnend nach unten in die Küche, um Kaffee aufzusetzen. Danach begab sie sich ins Badezimmer und steckte sich ihre Zahnbürste in den Mund. In letzter Zeit war ihr des Öfteren übel und auch heute musste sie sich erstmal auf den Badewannenrand setzen. In den letzten Wochen war einfach alles etwas viel und die Sorge um ihre Großmutter trug nicht dazu bei, dass sich Mimi besser fühlte. Nachdem das kalte Wasser im Gesicht half ihre Übelkeit zu überwinden, band sie ihre langen Haare zu einem Zopf zusammen, bevor sie in frische Klamotten schlüpfte. Auf dem Weg zurück in die Küche zupfte sie die Enden ihres Rockes zurecht. „Ich hätte ihn doch bügeln sollen....“ murmelte sie und wollte gerade den Kaffee aus der Kanne in ihre Tasse gießen, als ein lautes Poltern die morgendliche Ruhe druchbrach. Taichi stürzte beinahe die Treppe hinab, konnte sich gerade noch halten und stolperte unbeholfen in den Flur. „Hey....was ist denn mit dir los?“ Mimi starrte ihn völlig fassungslos an. „Ich muss nach Tokyo! Wo ist der Autoschlüssel?“ panisch wühlte der junge Mann jedes Schubfach im Flur durch. „Der ist noch oben. Warum bist du so aufgebracht? Ist etwas passiert?“ langsam machte sein Verhalten ihr Angst. „Meine Schwester.....sie hat seit gestern Nacht starke Wehen.....das Baby kommt.“ Schockiert riss Mimi ihre Augen auf und verschüttete den gesamten Kaffee. „Was? Aber deine Schwester ist doch erst in der....“ Mimi musste ihre Finger zur Hilfe nehmen, um die Schwangerschaftswochen auszurechnen. „In der 32. Woche. Es ist acht Wochen zu früh....meine Eltern sind noch auf Hawaii im Urlaub. Ich muss zu ihr.....“ Noch nie hatte sie ihren Freund so aufgebracht gesehen. Taichi war vollkommen außer sich. Seine Hände zitterten und er wirkte völlig orientierungslos. Mimi atmete tief durch und griff nach seiner Hand. Mit einem sanften Lächeln sah sie ihm in die Augen. „Geh nach oben. Der Schlüssel liegt auf der Anrichte. Ich wische hier die Sauerei auf und dann fahren wir zusammen nach Tokyo. Keine Panik, du wirst es rechtzeitig schaffen. Wenn das Baby ein Yagami ist, wird es für alles eine Ewigkeit brauchen. Genauso wie du. Alles wird gut gehen, Takeru ist doch bei ihr.“ sie spürte wie seine Hände aufhörten zu zittern und er gehorsam nach oben rannte. Taichi schnappte sich die Autoschlüssel und wollte gerade wieder nach unten sprinten, als ihn Kimiko aufhielt. „Hey junger Mann. Im Haus wird nicht gelaufen.“ sagte sie mahnend. „Ich hab jetzt keine Zeit, um mit dir zu streiten. Wir müssen nach Tokyo fahren....“ sie packte ihn am Handgelenk und lächelte verstehend. Schweigend drückte sie ihm ein kleines Stoffsäckchen in die Hände. „Pass gut auf sie auf....“ Tai kam nicht dazu den Inhalt des Säckchens zu prüfen, denn eilig stürmte er nach unten und schlüpfte in irgendwelche Schuhe. Mimi stand bereits vorm Auto und sah ihn misstrauisch an. „Du willst in deinem aufgebrachten Zustand doch nicht etwa fahren?“ fragte sie und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. „Natürlich fahre ich! Ich will heute noch ankommen und habe keine Nerven für deinen Pussy-Fahrstil....“ Sie zog ihre rechte Augenbraue hoch und musterte ihn von oben bis unten. „Im Moment bist du die einzige Pussy, die ich hier sehe. Schließlich trägst du meine pinkfarbenen Flip-Flops.“ Ihre goldbraunen Augen färbten sich plötzlich finster und ihr Tonfall wurde unangenehm zornig. „Jetzt gib mir die verfluchten Schlüssel und ich zeige dir, wie eine Pussy aus New York Auto fährt.“ Verschämt starrte er auf seine viel zu großen Füße, wie sie sich zwischen die schmalen Riemchen ihrer Schuhe zwängten. Taichi wollte jetzt nicht mit ihr streiten oder diskutieren, also gab er ihr die Autoschlüssel und vertraute darauf, dass sie ihn schnell und sicher zu seiner Schwester bringen würde. Vielleicht war es wirklich besser, wenn Mimi fuhr, denn er hatte nun wahrlich keinen klaren Kopf. Kaum saß er auf seinem Hintern, startete Mimi den Motor und fuhr in einem Affenzahn los. Ihr Fahrstil war wirklich waghalsig, doch er fühlte sich zu keiner Sekunde unsicher. Außer dass sie ständig andere Fahrzeuge schnitt, auf der falschen Seite überholte und so ziemlich keine einzige Ampelschaltung beachtete. „Wenn wir die Fähre nehmen, dauert es viel zu lange. Du musst über die Brücke fahren. Aber bitte auf der richtigen Seite. Du weißt schon, in Japan herrscht Linksverkehr.“ sagte er grinsend und wippte ungeduldig mit seinem Bein. Obwohl Mimi absolut konzentriert auf die Straße starrte, legte sie ihre Hand sanft auf seinen Oberschenkel. Sie konnte seine innere Anspannung deutlich spüren. Er war unendlich besorgt, hatte Angst, dass seiner Schwester und dem Baby etwas passieren könnte. Tai fürchtete, dass er es nicht rechtzeitig schaffen könnte und wusste genau, dass er sie dieses Mal nicht beschützen könnte. Dankbar legte er seine Hand auf ihre. „Danke, dass du bei mir bist...“ murmelte er angespannt. „Wir sind gleich da und du bist bald Onkel.“ erwiderte Mimi und versuchte ihn zu beruhigen. „Und jetzt halt deine vorlaute Klappe, sonst schiebe ich dir deinen Linksverkehr sonst wohin.“ Die hundert Kilometer von Tateyama bis zum Keiōgijukudai Hospital in Shinjuku schaffte Mimi tatsächlich in sagenhaften sechzig Minuten. Auch wenn er es wohl niemals zugeben würde, war Tai mehr als nur beeindruckt von seiner Freundin. Als die beiden endlich den richtigen Eingang fanden, sahen sie bereits Yamato ungeduldig draußen stehen und rauchen. Der Blondschopf gab seinem besten Freund eine kleine Zusammenfassung der vergangenen Ereignisse. Hikari hatte seit gestern Nacht unerträgliche Schmerzen und wollte auf keinen Fall ins Krankenhaus. Da niemand weiter zu Hause war, hatte sich Takeru dann dazu entschlossen sie trotzdem in die Notaufnahme zu fahren und die haben sie selbstverständlich gleich dort behalten. Trotz aller Bemühungen die Geburt hinauszuzögern und die Wehen zu unterdrücken, war vor zwei Stunden die Fruchtblase geplatzt, was bedeutete, dass es jetzt kein zurück gab. Trotz der Aufregung ging es Mutter und Kind gut. Tai war erleichtert, als er in das Krankenzimmer eintrat und seine Schwester wohlauf im Bett liegen sah. Hikari wirkte ausgelaugt und müde. Takeru stand an ihrer rechten Seite und hielt ihre Hand fest umschlossen, links von ihr stand Sora und streichelte ihr übers Haar. „Tai....“ murmelte seine kleine Schwester und streckte die Arme nach ihm aus. Sofort eilte er zu ihr und zog sie in eine kräftige Umarmung. Noch immer zitterten seine Hände, als er sie an sich drückte. „Ist alles in Ordnung?“ fragte er aufgebracht. „Ja, du drückst mich zu fest....“ murmelte sie und löste sich etwas von ihm. „Mein lieber Bruder, glaubst du das hier ist ein Volksfest?“ Verwirrt starrte er sie an und schüttelte den Kopf. Wovon sprach seine Schwester? War sie vielleicht aufgrund der Medikamente etwas neben sich? „Gut, gut, wir sind also auf keinem Volksfest. Aber warum trägst du Frauenschuhe? Meinst du das hier ist witzig? Siehst du mich lachen? Warum musst du dich über alles lustig machen?“ völlig hysterisch fing Hikari an zu weinen, um im nächsten Moment wütend auf den Arm ihres Bruders zu schlagen. Verstört wich Taich einige Schritte zurück. Wer lag da in diesem Bett? Seine Schwester konnte es unmöglich sein, vielleicht eher ein böser Drache? Mimi legte besänftigend ihre Hand auf Hikari's Stirn und lächelte sie liebevoll an. „Er war so aufgeregt, dass er versehentlich meine Schuhe angezogen hat. Ich musste auch fahren, weil Taichi völlig neben sich stand. Sieh es ihm nach. Er macht sich nicht lustig. Ich befürchte fast, dass er noch viel aufgeregter ist als du.“ Seine Freundin hatte seinen Kopf gerade aus der Schlinge gezogen. Hikari regulierte ihre Emotionen relativ schnell wieder runter. Sie schenkte allen ein zufriedenes Lächeln und Taichi war sich jetzt absolut sicher, dass diese Schwangerschaftshormone verfluchtes Teufelszeug waren. Da seine Schwester momentan eine tickende Zeitbombe war, wendete er sich doch lieber Takeru zu. Wütend fuhr er zu dem jüngeren Blondschopf herum. „Warum hast du nicht schon gestern Nacht angerufen? Es war niemand zu Hause, es hätte sonst was passieren können!“ Verunsichert wich Takeru einige Schritte zurück. Yamato ging schließlich dazwischen und versuchte Taichi zu beruhigen. „Hör auf meinen Bruder anzumachen. Er hat alles richtig gemacht, jetzt krieg dich mal wieder ein!“ „Er kann nur froh sein, dass nichts passiert ist und er sie letztlich doch noch ins Krankenhaus gefahren hat, sonst hätte ich ihm....“ wie immer keiften sich Yamato und Taichi an während Takeru hilflos dazwischen stand. „Seid ihr jetzt mal fertig? Ich versuche hier ein Kind zur Welt zu bringen, zumindest habe ich das in den nächsten Stunden geplant und ihr streitet euch? Macht draußen weiter!“ Verblüfft sahen alle drei auf diese wütende kleine Frau, wie sie in ihrem Bett lag und zur Furie mutierte. „Glotzt halt nicht so dämlich! Raus hier!“ Die zweite Ansage wirkte überaus bedrohlich und die drei jungen Männer schlichen auf leisen Sohlen aus dem Zimmer heraus. „Du nicht!“ Hikari holte tief Luft und versuchte die nächste Wehe weg zu atmen. „Du bist an allem schuld! Du bleibst gefälligst hier!“ Sora und Mimi sahen sich nur kichernd an, während Takeru reumütig zurück ans Bett kam und Taichi mit Yamato nach draußen ging. Sora hielt weiter die Hand der werdenden Mutter und Mimi tupfte ab und an mit einem kühlen Schwamm über ihre Stirn. Hikari hatte ausdrücklich darum gebeten, dass ihre beiden Freundinnen bei ihr bleiben sollten. Sie fühlte sich so hilflos und verloren. Am liebsten hätte sie ihre Mutter an ihrer Seite gehabt, doch leider hatte sich das Kleine überlegt bereits acht Wochen zu früh das Licht der Welt zu erblicken. Yamato ließ sich mit einem lauten Stöhnen auf einer Wartebank nieder und starrte die kahlen Wände des Krankenhausflurs an. Inständig hoffte er, dass er die nächsten Stunden nicht hier zubringen würde, aber wer konnte schon sagen, wie lange so eine Geburt dauern würde? „Na mein lieber bester Freund? Um dich ist es aber die letzten Wochen leise geworden. Gefällt dir das Dorfleben oder warum bist du immer noch in Tateyama? Gibt es etwa einen anderen Grund? Einen Grund mit langen braunen Haaren und wunderhübschen goldbraunen Äugelein?“ er grinste schelmisch und schlug die Beine übereinander. „Außerdem ist deine heutige Schuhwahl magnifique.“ Tai stand mit dem Rücken zu ihm und blickte aus dem Fenster. Er blieb seinem blonden Freund die Antwort schuldig und schob beide Hände in seine Hosentaschen. „Seid ihr jetzt zusammen? Was ist denn gelaufen? Du musst Joe ganz schön zugerichtet haben. Ich hatte mich mit ihm getroffen und seine Lippe sah nicht gut aus. Natürlich meinte er, ihr hättet euch nicht geprügelt. Aber ich kenne doch deinen rechten Haken.“ Noch immer blieb sein Freund stumm und schien sich nicht an diesem Gespräch beteiligen zu wollen. Yamato atmete tief durch und fuhr sich durchs Haar. „Hast du ihr denn endlich gesagt, was du für sie empfindest?“ fragte er jetzt direkt nach. Tai verzog ein wütendes Gesicht und biss sich auf die Unterlippe. Warum war er so neugierig und das gerade jetzt. Seine Gedanken kreisten sowohl um seine kleine Schwester, als auch um die Frau die er liebte. Im Moment herrschte in seiner Gefühlswelt einfach nur Chaos und jetzt kam dieser nervende Trottel noch daher und fragte ihm diese Löcher in den Bauch. „Wir sind uns näher gekommen. Ich habe ihr gesagt, dass ich sie liebe...“ er unterbrach seinen Satz und lehnte seinen überhitzten Kopf gegen die kühle Glasscheibe. „...aber eine Antwort habe ich noch nicht bekommen.“ Sein Freund sog die Luft scharf durch die Lippen und legte seine Hände über die Augen. „Was ist nur mit euch los? Hast du es wieder verbockt?“ Taichi schüttelte seinen Kopf und wusste selbst nicht woran es lag. „Noch am selben Abend haben wir miteinander geschlafen und seitdem ist irgendwie nichts mehr passiert.“ als er diese Worte ausgesprochen hatte, kam er sich sofort schäbig vor. „Ihrer Großmutter geht es schlecht und Mimi verbringt sehr viel Zeit mit ihr. Wahrscheinlich hat sie im Moment einfach keine Nerven dafür. Vielleicht sollte sich sie nicht so unter Druck setzen. Ach keine Ahnung...“ knurrte der Brünette und setzte sich neben seinen Freund. Yamato beugte seine Ellenbogen auf die Oberschenkel und grinste. „Wie kann dich eine einzelne Frau so aus der Bahn werfen? Sie macht dich total verrückt, unsicher, ängstlich und waghalsig zugleich. Das hat sonst niemand geschafft, nicht einmal Sora.“ Mit einem nachdenklichen Lächeln nickte Taichi stumm und musste an den Abend zurückdenken, als er erfahren hatte, dass seine Schwester schwanger sei. *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Es war ein eisiger Abend im Januar 2015. Als Taichi wutentbrannt die Wohnung seiner Eltern verließ. Vor sich stieß er den jüngeren Blondschopf immer wieder heftig durch den Hausflur. Vor wenigen Minuten hatte seine Schwester ihm und ihren Eltern eröffnet, dass sie bereits in der 5. Woche schwanger sei und sie dieses Kind behalten würde. Hikari meinte, es wäre im Skiurlaub einfach passiert, beide seien unvorsichtig gewesen und hätten nicht verhütet. Diese Schwangerschaft sei zwar nicht geplant gewesen, aber dennoch wollten beide die Verantwortung dafür tragen. Bereits in der Wohnung war Tai so dermaßen ausgerastet, dass er sämtliches Geschirr vom Tisch befördert hatte. Seine Mutter versuchte zu intervenieren und die Situation zu entschärfen, genauso wie Hikari, jedoch ohne Erfolg. Tai schubste Takeru aus der Wohnung und wollte draußen weiter machen. Zu allem Überfluss konnte der Jüngere die Wut seines Gegenübers verstehen und setzte sich nicht einmal zur Wehr. Takeru hatte sich bereits zuvor dazu entschlossen, alles über sich ergehen zu lassen und den gesamten Zorn von Taichi auf sich nehmen. Hilflos und verzweifelt rief die junge Yagami den älteren Bruder ihres Freundes zur Hilfe, der sich auch umgehend auf den Weg machte, um die Situation zwischen seinem kleinen Bruder und Tai zu entschärfen. Das junge Pärchen hatte sich zuvor Yamato anvertraut, da beide wussten, dass es mit Taichi eskalieren würde. Die Straßen waren gefroren und die Luft eiskalt, als Taichi dem Jüngeren kräftig mit der rechten Faust ins Gesicht schlug und dessen Blutspritzer den frischen Schnee rot färbten. Während Takeru nach hinten taumelte, hielt er sich die blutende Lippen und wich dem nächsten Schlag des Älteren aus, aber Tai war verdammt schnell und traf ihn relativ sicher an seiner linken Körperhälfte. Das alles durchdringende Geräusch seiner berstenden Rippenbögen hallte durch die totenstille Nacht wieder. Der stechende Schmerz ließ ihn keuchend auf die Knie sinken. Takeru sah bereits den nächsten Schlag kommen. Angespannt kniff er seine Augen zusammen und wartete auf den nächsten Treffer, welcher aber auf sich warten ließ. Ängstlich öffnete er seine blauen Augen und sah, dass sein älterer Bruder den Schlag mit seiner Hand abgefangen hatte. Kraftvoll drückte er den Brünetten zurück und stellte sich schützend vor seinen kleinen Bruder. „Meinst du, dass das der richtige Weg ist, die Sache zu klären? Was ändert es, wenn du meinen Bruder krankenhausreif schlägst? Meinst du damit machst du deiner schwangeren Schwester eine Freude?“ Keine Antwort. Taichi wischte sich über sein schweißgebadetes Gesicht und stürzte sich auf Yamato. Dieser fing ihn ab und sah über seine Schulter zu seinem Bruder. „Geh nach oben. Ich kläre das hier mit ihm....“ Takeru raffte sich auf und starrte seinen Bruder und Tai besorgt an. „Aber...“ stotterte er. „Verschwinde schon!“ brüllte Yamato und nahm seinen Freund in den Schwitzkasten. Takeru ließ sich nicht noch einmal bitten. Taichi stieß dem Blonden kräftig in die Magengrube, woraufhin dieser von ihm abließ. „Was soll das? Was mischt du dich da ein? Dein Bruder hat meiner Schwester das Leben versaut! Sie ist viel zu jung für ein Kind und verheiratet sind sie auch nicht. Wie kann er ihr das antun? Er liebt sie doch überhaupt nicht! Sobald es mit dem Kind schwierig wird, sucht er sich doch eine andere und wird meiner Schwester das Herz brechen. Er wird sie belügen und betrügen.“ seine Stimme zitterte und schien voller Wut und Hass zu sein. Yamato keuchte angestrengt und atmete den Schmerz weg. „Von wem sprichst du da eigentlich? Du kannst unmöglich deine Schwester und meinen Bruder meinen. Natürlich lieben die sich und sie werden gute Eltern sein, dass weißt du ganz genau. Woher kommt dieser ganze Hass in deinem Herzen? Eigentlich solltest du dich für deine Schwester freuen. Sie hat einen guten Mann an ihrer Seite und wird mit ihm eine Familie gründen. Was ist nur mit dir passiert?“ unverständlich musterten seine blauen Augen diese traurige Gestalt, die da vor ihm stand. Sein Atem war schwer und kurzzeitig wurde ihm wirklich schwarz vor Augen. Taichi lehnte sich an einen Baum und schloss für einen Moment seine Augen. Sein bester Freund hatte recht, was tat er denn bloß? Warum war er so voller Zorn? Langsam ging Yamato auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Was ist mit dir mein Freund? Du bist nur ein Schatten von dir selbst...“ seine Stimme klang sanftmütig ohne Spur eines Vorwurfes. „Ich liebe sie...“ flüsterte Taichi plötzlich und fuhr sich mit beiden Händen verzweifelt durchs Haar. „Aber was haben deine Gefühle für sie mit meinem Bruder zu tun? Du weißt genau, dass es mir leid tut, dass sie sich für mich entschieden hat, aber das Thema hatten wir doch schon.“ Yamato wusste nicht, was sein bester Freund damit meinte. Das mit ihm und Sora war doch schon eine ganze Weile her. War er etwa immer noch in sie verliebt? Und was hatte das alles mit Takeru und Hikari zu tun? „Nein, nicht Sora.“ erwiderte Tai verletzt und sah in das Gesicht seines verwirrten Freundes. „An dem Abend, als ich Sora sagte, dass ich noch immer in sie verliebt sei, hat sie mir etwas gesagt, was ich niemals vergessen werde...“ Der junge Ishida ließ von seinem Freund ab und ging einige Schritte zurück. „Was hat sie dir gesagt?“ »Du liebst mich doch gar nicht. Du liebst diesen Gedanken, dass ich diejenige sein könnte, die du liebst. Aber ich bin es nicht und tief in deinem Herzen weißt du es ganz genau. Du überträgst deine Gefühle, die du für sie hast auf unsere Freundschaft. Aber am Ende bist du einfach nur feige und läufst davon. Sie ist es, die du brauchst, um glücklich zu sein. Sie ist das, was du immer wolltest und immer wollen wirst, bis ans Ende deines Lebens.« Als Tai diese Worte für Yamato wiederholte, verzichtete er bewusst darauf, seinem besten Freund zu verraten, dass ihn Sora danach küsste. Sie sagte ihm damals, dass sein Herz einzig und allein dem Mädchen gehören würde, welches er jetzt vor sich gesehen habe und Sora war sich absolut sicher, dass er während des Kusses mit ihr, nicht an sie dachte. Damit hatte sie recht behalten. Denn das einzige Gesicht was er vor sich sah, egal mit welchem anderen Mädchen er sich küsste, rummachte oder Sex hatte, war Mimi. „An diesem Abend wurde mir klar, dass ich sie liebe.“ beendete Tai schließlich seine Erinnerungen. Yamato legte beide Hände hinter den Kopf und grinste selbstgefällig. „Es ist Mimi, stimmt's?“ Erschrocken starrte Taichi zu ihm. „Woher weißt du...?“ „Da muss man kein Sherlock Holmes sein, um das zu sehen. Also kommt deine Verzweiflung daher. Sie ist weg und du vermisst sie. Dein eigenes Unglück macht es für dich unerträglich, andere um dich herum glücklich zu sehen. Aber meinst du nicht, dass das der schnellste Weg ins Verderben ist? Solltest du nicht lieber versuchen etwas daran zu ändern?“ „Was soll ich schon verändern? Ich habe seit August nichts mehr von ihr gehört. Wir haben uns im Restaurant gestritten und sie reagiert auf keinen Anruf, keine Mail und keinen Brief. Es ist sinnlos. Ich habe sie verloren...“ niedergeschlagen ließ er seinen Kopf hängen und versuchte ihr wunderschönes Gesicht aus seinen Gedanken zu verdrängen. Yamato zuckte mit den Schultern und schob sich die Hände in die Hosentasche. „Wie sagt man so schön? Kämpfe mit Leidenschaft, siege mit Stolz, verliere mit Respekt, aber gib niemals auf!“ Der Brünette sah grinsend zu ihm und gab sich geschlagen. „Du hast recht. Mein eigenes Unglück hat nichts mit meiner Schwester zu tun. Nur ich kann etwas an mir und meinem Leben verändern. Ich fahre deinen Bruder jetzt lieber ins Krankenhaus und sollte mich bei ihm entschuldigen. Denn ich glaube, ich habe ihm zwei Rippen gebrochen....“ *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Noch nie hatte sie so etwas unbeschreiblich Schönes gesehen. Dieser erste markerschütternde Schrei dieses kleinen Wesens, diese Mischung aus absoluter Erschöpfung und endloser Freude im Gesicht der jungen Mutter und die Tränen auf den Wangen des vollends überwältigten Vaters. Sie erinnerte sich an die Worte von Tai. An die verschiedenen Formen der Liebe. Jetzt fragte sie sich, ob sich plötzlich auch die Liebe zwischen Hikari und Takeru verändert hat, jetzt da sie Eltern waren. Immer wieder suchten seine Augen die ihren, immer wieder streichelte er über den Kopf seines Kindes und gleichzeitig küsste er ihre Stirn. Mimi hätte schwören können, dass die Art und Weise, wie er sie ansah, eine andere war als noch vor ein paar Stunden. Aber wahrscheinlich konnte sie das überhaupt nicht verstehen, denn sie war noch keine Mutter. Auch wenn sich dieser Gedanke mit einem Mal wirklich schön anfühlte. „Ich hole Tai und meinen Bruder...“ die Worte des frischgebackenen Vaters rissen Mimi aus ihren Gedanken. Plötzlich hörte man von draußen nur lautes Geschrei und Glückwunschrufe. Die Männer mussten da draußen ja einen Freudentanz aufführen so wie sich das anhörte. Yamato überrannte seinen Bruder beinahe und drückte ihn so fest an sich, dass diesem die Luft wegblieb. Taichi hingegen sah ihn zufrieden lächelnd an und nickte stumm. „Es ist, wie bereits bekannt gewesen, ein Junge...“ sagte er als sich sein älterer Bruder von ihm löste. „Das hast du gut gemacht mein Kleiner!“ sagte Yamato und wuschelte ihm durchs Haar. „Wie geht es meiner Schwester? Wie geht es dem Kleinen? Ist alles in Ordnung? Können wir zu ihr oder beißt sie uns den Kopf ab, so wie vorhin?“ Tai wollte seine Fragen beantwortet haben, bevor er zu Hikari ins Zimmer gehen würde. Also stand ihm der Blondschopf Rede und Antwort. Mit dem Kleinen und Hikari war soweit alles in Ordnung. Die ersten Untersuchungen waren unauffällig. Denn obwohl er in der 32. Schwangerschaftswoche zur Welt kam, wog er bereits 2000 Gramm und war stattliche 40 Zentimeter groß. Mutter und Sohn würden noch einige Tage zur Kontrolle im Krankenhaus bleiben müssen, da die Lungen- und Herzfunktion noch überwacht und unterstützt werden musste. Aber im Großen und Ganzen gab es keinen Grund zur Sorge. „Er ist so süß...das hast du wirklich gut gemacht Kari-chan.“ hörte Mimi ihre rothaarige Freundin sagen, bevor ihr plötzlich etwas schwindlig wurde. Das einzige was Mimi geradeso noch schaffte war, nach dem kleinen Papierkorb im Zimmer zugreifen, bevor sie sich übergeben musste. Beunruhigt hielt Sora ihre Haare und streichelte über ihren Rücken. „Oh Mimi, alles in Ordnung? Die Geburt ist doch vorbei, war es etwas aufregend für dich? Soll ich den Arzt nochmal rufen?“ Mimi holte tief Luft und wischte sich mit einem Taschentuch, das ihr Sora reichte, den Mund ab. „Nein...alles in Ordnung, das geht schon eine Weile so. In letzter Zeit ist mir morgens immer etwas übel.“ Sie trank einen Schluck aus ihrer Wasserflasche und stellte sich wieder neben Kari ans Bett. Mit lautem Gelächter sahen sich Sora und Hikari an. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen du seist schwanger.“ meinte Hikari und musterte ihre etwas blasse Freundin eindringlich. Mimi winkte schnell ab und wurde feuerrot. „Ach Blödsinn. Es ist nur alles etwas viel in letzter Zeit. Das heutige Abenteuer, meine Großmutter, der Streit mit meinem Vater und dann ständig dein nerviger Bruder, der um mich herum springt...“ Sie versuchte schnell von der Situation abzulenken, aber die Worte ihrer Freundin ließen sie nicht unberührt. Denn mit einem Mal musste Mimi ernsthaft darüber nachdenken, ob sie wohl möglich schwanger sein könnte. Doch noch ehe sie weiter überlegen konnte, drückte ihr Sora das Baby in die Arme. „Schau doch....wie süß er ist...“ murmelte die Rothaarige. Verdutzt blickte Mimi in dieses winzige Gesicht. Die riesigen blauen Augen musterten ihre und dieser unvergleichliche Geruch von Talkumpuder und zarter Babyhaut stieg ihr in die Nase. Der kleine schwarze Haarflaum fühlte sich ganz weich an und ließ den Kleinen etwas zerzaust aussehen. Ein unglaublich zufriedenes Lächeln zog sich über ihre Lippen. Dieser kleine Mensch schaffte es doch tatsächlich, dass sie innerhalb weniger Sekunden all ihre Sorgen vergaß. „Willkommen auf dieser Welt kleiner Mensch...“ Erstarrt blieb er stehen und betrachtete seine Freundin, wie sie diesen kleinen Menschen im Arm hielt. Noch nie hatte er sich so gefühlt wie jetzt. Was war das nur? Sein Herz schlug so schnell und heftig gegen seinen Brustkorb, dass Taichi befürchtete seine Rippen könnten jeden Moment brechen. Mimi blickte zu ihm und lächelte glücklich. „Schau mal, da ist dein Onkel. Der ist meistens total nervig, aber wenn dir mal einer blöd kommt, dann verhaut er ihm den Hintern. Auf ihn kannst du dich nämlich immer verlassen.“ sagte Mimi und legte ihm vorsichtig das Baby in den Arm. Unruhig atmete er schneller und blieb wie angewurzelt stehen. Tai befürchtete er könnte diesen kleinen Menschen kaputt machen, fallen lassen, zerbrechen, zerquetschen oder was auch immer. Mimi spürte seine Anspannung und streichelte ihm über den Arm. „Schon gut...“ flüsterte sie und sah ihm in seine wässrigen dunkelbraunen Augen. Auch Yamato beugte sich zu ihnen und streichelte über die rosigen Wangen des Babys. Nach und nach konnte sich auch Tai wieder bewegen und ging ans Bett seiner Schwester. Vorsichtig legte er ihr das Kind wieder in den Arm. „Er ist großartig. Du bist großartig!“ Taichi beugte sich zu ihr und küsste ihre Wange. „Ich war noch nie so stolz auf dich, wie in diesem Moment.“ fügte er hinzu. Hikari freute sich über die Worte ihres Bruders und musste erneut weinen, als sie die Tränen in seinen Augen sah. „Jetzt hört halt auf alle zu heulen. Das ist doch ein wundervoller Moment. Verratet uns lieber, wie der kleine Kerl heißen soll.“ mischte sich Yamato ein und nahm Sora in den Arm. Die beiden Eltern sahen sich kurz an, bis Takeru den Mut fand und den anderen den Namen seines Sohnes verriet. „Akio. Er soll Akio heißen.“ unsicher sah er zu Taichi, der seine Augenbraue missmutig hochzog. Der Brünette zeichnete in der Luft einige Kanji und suchte die richtige Bedeutung. „Heller Junge?“ sagte er schließlich und starrte den Jüngeren erschüttert an. „Ich meine, ist ja ein guter Vorsatz, dass du willst, dass dein Sohn mal schlauer wird als du. Aber musst du ihn gleich so nennen?“ Von hinten bekam er einen Schlag mit der flachen Hand von Yamato übergezogen. „So ein Quatsch! Lerne erstmal unsere Schriftzeichen! Du kannst es auch so schreiben und dann heißt es fröhlicher Junge.“ Sora, Hikari und Takeru betrachteten die beiden erwachsenen Männer und konnten nicht fassen, wie dämlich die beiden sich schon wieder anstellten. Mimi legte ihren Zeigefinger an ihre Lippen und überlegte ebenso, wie man die Kanji für »Akio« zusammensetzen könnte. „Mhm, ich würde es so schreiben....“ sie schrieb die Zeichen in die Luft und lächelte freudig. „Dann heißt es Kind der Liebe, richtig?“ „Genau. Wer hätte gedacht, dass unsere amerikanische Prinzessin die Lösung zuerst heraus hat?“ sagte Takeru und musste unbewusst lachen. Etwas peinlich berührt sahen sich Yamato und Tai an. Man konnte aber auch nicht immer richtig liegen und der Brünette war wirklich von seiner Freundin beeindruckt. Vor einigen Tagen konnte sie schließlich noch nicht einmal die Schriftzeichen für Sojasauce und Essig auseinander halten. Aber letztlich freute er sich für seine Schwester. Offenbar war Takeru wirklich ein guter Mann und achtete auf sie. Als er die beiden beobachtete wurde ihm klar, dass seine kleine Schwester ihn überhaupt nicht mehr brauchte. Er musste sie nicht länger beschützen, denn dies würde von nun an jemand anderes tun. Dieser kleine Blondschopf war schon längst kein ängstlicher Junge mehr. Er würde ein guter Vater und ein noch viel besserer Ehemann sein. Mit einem bitteren Lächeln sah Taichi auf die andere Seite des Zimmers, wo Mimi stand und sich übers Bett hinweg mit Sora unterhielt. Würde er auch ein guter Mann und Vater sein können? Ihre Blicke trafen sich und Mimi schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln. In diesem Moment wurde ihm endlich klar, dass man manchmal verlieren musste, um dann zu lernen wie man gewinnt. Manchmal musste man die Dinge los lassen, die man über alles liebte. Manchmal musste man alles zurück lassen und von vorne anfangen. Aber nicht dieses Mal. Dieses Mal würde er sie halten, dieses Mal würde er alles richtig machen. Dieses mal würde er sie lieben. Sanft legte er seine Hand auf Takerus Schulter und sah ihn ernst an. „Pass gut auf meine Schwester und meinen Neffen auf. Du wirst genau der Mann und Vater sein, den deine Frau und dein Sohn brauchen. Ich vertraue dir beide an...“ Alle Blicke in diesem Raum waren auf ihn gerichtet als er den jungen Vater in den Arm nahm, um ihn dann sofort wieder loszulassen. Flüchtig hauchte er seiner Schwester und seinem Neffen einen Kuss auf die Wangen. „Ich liebe euch.“ und mit diesen Worten verließ Taichi das Zimmer. Er hätte beinahe angefangen zu heulen wie ein kleiner Junge. Also flüchtete er lieber aus dieser sowieso schon peinlichen Situation. Umgehend brach seine kleine Schwester in Tränen aus und verlangte nach den Armen ihres Freundes. Sora und Yamato blickten sich etwas verwundert an, freuten sich dann aber. Mimi verabschiedete sich schließlich von ihren Freunden und dem kleinsten Mitglied in der Gruppe, bevor sie diesem Dickkopf folgte. „Ich bin so stolz auf dich Taichi Yagami.“ sagte sie und schlang ihre Arme von hinten um ihn. Taichi hatte noch immer mit den Tränen zu kämpfen und rang an der frischen Luft nach Atem. Mittlerweile hatte sich der Himmel bedrohlich zugezogen. Einzelne Regentropfen prasselten auf die Erde nieder und verwandelten die schmalen Gehwege schnell in kleine Bächlein. „Na dann solltest du diesen kurzen Moment des Stolzes genießen, bevor ich dich wieder enttäusche.“ er grinste unverschämt und drehte sich zu ihr um. Liebevoll schlang er seine Arme um sie und gab ihr einen innigen Kuss. Mimi zuckte zusammen und löste sich von ihm. „Was ist?“ fragte er verunsichert nach. „Willst du mich hier nicht küssen, weil die anderen uns sehen könnten? Soll es ein Geheimnis sein?“ seine Worte klangen ungewollt vorwurfsvoll. Mimi befreite sich aus seiner Umarmung und strich einige Haarsträhnen hinter ihr Ohr. „Nein, so habe ich das nicht gemeint.“ murmelte sie und wollte versuchen ihm alles zu erklären, doch da wendete er sich schon ab und lief zum Auto. „Wenn wir schon mal hier sind, wollte ich mal in meiner Wohnung vorbei schauen. Außerdem brauche ich dringend andere Schuhe, ich spüre meine Zehen schon gar nicht mehr.“ sein Tonfall war kühl und Mimi hatte das Gefühl, als hätte er sie falsch verstanden. Ohne ein Wort miteinander zu wechseln fuhren beide zu seiner Wohnung nach Odaiba. Durch den Regen hatte sich der dichte Verkehr noch etwas verschlimmert und es dauerte beinahe eine Stunde, bis sie ihr Ziel endlich erreichten. Mimi hatte sich seine Wohnung ganz anders vorgestellt. Es war absolut ordentlich, aufgeräumt und sauber. Völlig untypisch für einen jungen Mann. Im Wohnzimmer lagen ein Fußball und seine Trainingstasche herum, aber das war so ziemlich das einzige, was ein wenig unordentlich erschien. Was die junge Frau ebenso erstaunte war, dass überall Fotos der acht Freunde standen. Zum einen Bilder aus längst vergangenen Tagen, aber auch aktuellere Aufnahmen waren zu sehen. Mit einem sanftmütigen Gesichtsausdruck nahm Mimi einige Bilderrahmen in die Hand. „Es ist schon verrückt wie die Zeit vergeht. Jetzt sind die beiden tatsächlich Eltern geworden und haben eine kleine Familie.“ murmelte sie und stellte die Bilder wieder zurück. Taichi ging in sein Schlafzimmer und wühlte in seiner Kommode herum. Sie ging zu ihm und berührte vorsichtig seine Schulter. „Tai, ich will das mit uns überhaupt nicht verheimlichen...“ Seufzend setzte er sich auf sein Bett und sah sie an. „Aber was ist es denn dann?“ fragte er leise. „Manchmal habe selbst ich nicht immer eine Antwort. Ich will dich küssen und mit dir zusammen sein. Aber nachdem ich heute so überraschend einer Geburt beiwohnen durfte und mich dieses kleine Menschlein alles für einen Moment vergessen ließ, war es etwas schmerzlich so abrupt in die Realität zurück zu kehren, als wir dieses Krankenhaus verließen. Findest du nicht?“ Er lächelte matt und nickte verstehend. „Ja, vielleicht bin ich auch zu ungeduldig mit dir.“ Sie setzte sich auf seinen Schoß und strich ihm über die Stirn. „Vielleicht bin ich auch zu ungerecht mit dir.“ Seine Hände fuhren über ihren Rücken und drückten ihren Nacken sanft zu sich runter. Zärtlich berührten sich ihre Lippen. Ihr süßlicher Geschmack und ihre Zunge, die immer wieder heftig gegen seine stieß, machten ihn völlig willenlos. Sehnsüchtig schob er seine Hände unter ihren Rock und massierte ihren Hintern. Erregt keuchte Mimi in seinen Mund und schmiegte sich dichter an ihn heran. Mit einem gekonnten Griff, beförderte er sie rücklings auf sein Bett und beugte sich über ihren zierlichen Körper. Sofort besiegelte er seine Lippen wieder mit ihren und drang mit seiner Zunge fordernd in ihren Mund ein. Als er sachte ihre Bluse nach oben schob und mit seiner Handfläche über ihren flachen Bauch streichelte, riss Mimi erschrocken ihre Augen auf. „Halt...“ sagte sie und drückte ihn von sich runter. Mit einem Mal kamen ihr die Worte ihrer Freundin in den Sinn. Könnte sie vielleicht schwanger sein? Sie schüttelte ihren Kopf und fuhr sich durchs Haar. „Was ist los? Habe ich etwas falsch gemacht?“ fragte er und kniete sich besorgt hinter sie. „Nein. Es ist alles in Ordnung mit uns. Ich kann nur nicht....ich muss ständig an etwas denken....ich weiß nicht wie ich es dir sagen soll....“ Er legte seinen Kopf auf ihre Schulter und nahm sie von hinten in den Arm. „Ich weiß, was du denkst. Ich sehe es bereits die ganzen Tage in deinem Gesicht.“ Die junge Frau fuhr erschrocken zusammen und schluckte hart. Wusste er es etwa? Hatte er auch einen Verdacht oder wovon sprach Tai gerade? „Du hast Angst um deine Großmutter. Deswegen willst du so schnell wie möglich zu ihr zurück und keine Zeit verschwenden, richtig?“ Taichi beugte sich etwas nach vorne und sah ihr ins Gesicht. Eigentlich war es nicht das, was sie gerade beschäftigte, aber ganz Unrecht hatte ihr Freund auch nicht. Deswegen nickte Mimi stumm und versuchte sich einfach abzulenken. Dieser dumme Gedanke, den ihr ihre Freundin in den Kopf gepflanzt hatte war doch totaler Blödsinn. Schließlich nahm sie die Pille, was sollte da denn schon passieren? „Ja, du hast recht. Aber deswegen musst du nicht wieder mit zurück kommen. Du hast hier dein Studium und deine kleine Schwester hat jetzt ein Baby bekommen. Du wirst hier viel mehr gebraucht.“ langsam erhob sie sich von seinem Bett. „Ich glaube weniger, dass mich meine Schwester hier braucht. Sie hat jemand anderes, der auf sie achtet. Und was die Uni angeht. Zwei Wochen nachdem wir in Tateyama angekommen waren, habe ich meine Prüfungen auf's nächste Semester geschoben. Für diesen Sommer bin ich erstmal raus.“ er grinste frech. „Oder soll ich nicht mit zurück kommen?“ Mimi drehte sich sofort zu ihm um und sah ihn skeptisch an. „Das war doch jetzt eine rhetorische Frage, oder?“ Schließlich hatte er ihr doch versprochen sie festzuhalten und an ihrer Seite zu sein. Kraftvoll stieß er sich von der Bettkante und schlug ihr auf den Hintern. „Natürlich war das eine rhetorische Frage. Ich schau noch meine Post durch und dann fahren wir zurück, mein kleiner Zuckerpo.“ Angeekelt zog sie ihre rechte Augenbraue hoch. „Also wenn du mich so nennst, bleibst du wohl besser hier. Sonst wird morgen in den Zeitungen stehen: »Und dann überfuhr sie ihn mit dem Auto.«“ Tai lachte laut und packte seine restlichen Klamotten in einen Rucksack. „So wie du Auto fährst, wäre es auch kein Wunder.“ „Ach halt deine dämliche Klappe...“ knurrte sie und begab sich zurück ins Wohnzimmer. „Du bist doch rechtzeitig hier gewesen, oder nicht? Du solltest mir dankbar sein.“ „Du kannst dir überhaupt nicht vorstellen wie sehr.“ vorsichtig packte er ihr Handgelenk und zog sie in seine Arme. Als er ihr so tief in die Augen sah, wurde Mimi ungewollt verlegen und drehte ihr Gesicht etwas zur Seite. „Wir sollten jetzt los fahren...“ murmelte sie und löste sich von ihm. Sie schlüpfte in ihre Schuhe und gab ihm die Autoschlüssel. „Könntest du vielleicht fahren? Irgendwie fühle ich mich nicht wohl.“ Besorgt musterte er ihr plötzlich blass wirkendes Gesicht. „Na klar fahre ich. Du solltest dich während der Fahrt etwas ausruhen....“ sagte er und reichte ihr eine Flasche Wasser. Inzwischen war es später Nachmittag. Der Regenschauer hatte sich gelegt und die Sonne drängte sich durch die schwarzen Wolken. Entspannt lehnte sich der junge Mann in seinen Sitz zurück, als sie das Verkehrschaos der Großstadt endlich hinter sich ließen. Lässig hielt seine rechte Hand das Lenkrad, während seine linke auf ihrem Oberschenkel ruhte. Gedankenverloren folgten ihre goldbraunen Augen der vorbeiziehenden Landschaft. „Oh man, jetzt habe ich total vergessen meiner Schwester das Geschenk deiner Großmutter zu geben.“ Taichi fummelte in seiner Hosentasche herum und holte das kleine Stoffsäckchen heraus. Verwundert sah ihn Mimi an und nahm das zerknüllte Säckchen in ihre Hände. „Was ist das? Warum ein Geschenk für deine Schwester?“ fragte sie und öffnete die Schleife. „Sie hatte es mir heute Morgen in die Hand gedrückt. Ich weiß nicht was es ist.“ Neugierig zog Mimi den Inhalt heraus und beide sahen erstaunt auf ein Pärchen selbstgestrickte Babysöckchen. „Socken?“ fragte Tai und sah lachend wieder auf die Fahrbahn. „Die sind ja niedlich. Dann muss meine Schwester wohl noch etwas warten, bis sie ihr Geschenk bekommt.“ „Meine Großmutter wusste doch überhaupt nicht, dass deine Schwester schwanger ist.“ sagte Mimi trocken und starrte wie in Trance auf die winzigen Fußwärmer in ihrer Hand. „Ich habe nie mit ihr darüber gesprochen. Hast du es ihr erzählt?“ fragte sie weiter nach. Taichi überlegte kurz und schüttelte mit dem Kopf. „Nein, ich habe nichts zu ihr gesagt. Aber vielleicht hat sie uns darüber reden gehört.“ Sie erwiderte nichts darauf und sah nur weiterhin mit entsetztem Blick auf den Inhalt ihrer Hände. Plötzlich überkam sie eine Welle der Übelkeit und sie stützte sich krampfend auf dem Armaturenbrett ab. „Mimi? Alles in Ordnung?“ er sah sie besorgt an und hielt geistesgegenwärtig am Straßenrand an. Als der Wagen stoppte, sprang Mimi buchstäblich aus dem Auto heraus und eilte den kleinen Hang hinab zum Strand. Die beiden befanden sich bereits auf der Landzunge, welche zur Brücke hinüber nach Chiba führte. Um sie herum erstreckte sich der Ozean und menschenleere Strandabschnitte. Keuchend fiel Mimi auf die Knie und musste sich übergeben. Ihre Finger verkrampften sich vor Anstrengung im weichen Sand. Taichi folgte ihr umgehend und hockte sich neben sie. Hilflos streichelte er ihren Rücken und reichte ihr schließlich die Wasserflasche. Erschöpft trank Mimi einen Schluck und schob mit ihrem Fuß etwas Sand über ihr Missgeschick. Wie peinlich war das denn? Da saß er neben ihr, während sie sich ausgiebig in den Sand erbrach? Langsam erhob sie sich und ging ein paar Schritte ans Wasser. An der Brandung der Küste brachen, mit lautem Getöse, die vom Wind angetriebenen Wellen. Die kühle Brise in ihrem Haar tat ihr gut. Dennoch war ihr noch immer schwindlig und deshalb setzte sie sich vorsichtshalber. Zitternd zog Mimi ihre Beine an die Brust. Selbstverständlich platzierte sich Tai neben ihr und sah sie weiterhin besorgt an. „Es tut mir so leid. Irgendwie stehe ich neben mir. Das ist mir so peinlich, bitte vergiss es bloß schnell wieder.“ flüsterte sie verschämt. Er lächelte und seufzte dann leise. „Ich hab' schon schlimmeres gesehen. Also das muss dir wirklich nicht peinlich sein. Ich mache mir Sorgen um dich. Du sahst vorhin schon sehr blass aus. Bist du krank?“ „Ich weiß nicht.“ wisperte sie und legte ihren Kopf auf ihre Knie. „Bitte mach dir nicht so riesige Gedanken. Ich werde bei dir sein, auch wenn es deiner Großmutter schlechter geht. Du musst das nicht alleine durchstehen...“ er stockte kurz und musste selbst hart schlucken, denn auch ihm fiel es schwer diese Wort auszusprechen. „...wenn sie es vielleicht doch nicht schaffen sollte.“ Das wollte sie einfach nicht hören und verbarg ihr Gesicht unter ihren Handflächen. Liebevoll streichelte er über ihr Haar. „Mimi...“ murmelte er leise und spürte, dass sie am ganzen Körper zitterte. „Du bist so lieb zu mir und ich....ich halte dich so hin.“ langsam hob sie ihren Kopf an und blickte in sein Gesicht. „Es tut mir leid, dass seit zwei Wochen nichts weiter zwischen uns gelaufen ist. Aber das hat nichts mit dir zu tun, bitte glaub mir.“ Ungläubig zog er beide Augenbrauen rauf und starrte sie an. Sprach sie etwa davon, dass sie seit ihrem Geburtstag nicht noch einmal miteinander geschlafen hatten? Waren das ihre Sorgen? Was war nur mit dieser Frau los? Er grinste zufrieden und zerzauste ihr Haar. „Du Spinner. Das ist überhaupt nicht wichtig, wir können noch unser gesamtes Leben unanständige Dinge miteinander treiben. Jetzt sind andere Sachen wichtig.“ Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln und stürzte sich in seine Arme. Etwas unbeholfen fing er sie und drückte Mimi sofort schützend an seine Brust. Ihre schmalen Finger fuhren durch sein Haar und graulten seinen Nacken. Zärtlich strich er ihr einige Haarsträhnen hinters Ohr und legte seine Lippen an ihr Ohr. „Ich liebe dich...“ Er bekam keine Antwort von ihr, stattdessen krallten sich ihre Finger tief in seine Haut und er spürte, wie ihre Tränen sein Shirt durchnässten. Verunsichert hielt er sie fest in seinen Armen und schwieg. Am Horizont waren die letzten Strahlen der untergehenden Sonne zu sehen. Durch die einzelnen Wolkenfelder brach sich das rötliche Licht und färbte alles in einem blutroten Gewand. Ihre Fingerspitzen auf seinen Wangen, ließen ihn die Augen öffnen. Offenbar hatte er jegliches Zeitgefühl verloren und blickte etwas irritiert in ihr erschöpft wirkendes Gesicht. „Wir sollten zurück fahren...“ murmelte sie und ließ ihn langsam los. Auf dem Weg zurück zum Auto lief Tai vor ihr und streckte seine müden Arme ausgiebig über seinem Kopf. Mit einem lauten Gähnen blieb er auf der Anhöhe stehen und drehte sich zu seiner Freundin um. Rücksichtsvoll packte er ihre Hand und zog sie den steilen Hügel rauf. Verdutzt starrte er auf die Fußabdrücke, welche die beiden im Sand hinterlassen hatten. „Wo sind denn deine Fußabdrücke? Ich sehe nur meine.“ fragte er verwundert. Mimi grinste und kuschelte sich in seine Arme. „Ich bin in deine Fußabdrücke getreten. Die sind doch groß genug für mich.“ Mit einem gerührten Gesichtsausdruck musterte er ihre goldfarbenen Augen. „Du bist total süß.“ er drückte sie etwas fester an sich. „Ich bin sehr glücklich, dass du mir heute beigestanden hast. Vielleicht kann ich es manchmal nicht so zeigen, aber ich freue mich wahnsinnig für meine Schwester.“ liebevoll küsste er Mimi's Wange. „Was ich dir übrigens vorhin schon sagen wollte, so ein Baby steht dir verdammt gut. Ich habe mich sofort neu in dich verliebt, als ich dich mit meinem Neffen im Arm sah. Wenn du dich irgendwann dazu entschließen solltest, ein Kind nicht nur als Accessoire auf deinem Arm zu tragen, dann wärst du bestimmt eine gute Mutter.“ er grinste unverschämt und sagte diesen Satz mit seinem gewöhnlichen verschmitzten Tonfall. Doch dann wurden sowohl sein Blick, als auch seine Stimme sehr ernst. „Die letzte Zeit mit dir hat mich eines gelehrt, manchmal müssen wir los lassen. Die Menschen, die wir lieben und beschützen ziehen lassen, damit sie ihren eigenen Weg finden und wenn wir Glück haben, hinterlassen sie ihre Fußabdrücke im Sand, sodass sie immer ein Teil unseres Lebensweges bleiben.“ Ihre schimmernden Augen bebten förmlich vor Ergriffenheit. Mimi war vollkommen bewusst, wie schwer es für Taichi gewesen sein musste, seine Schwester ziehen zu lassen, sie einem anderen Mann anzuvertrauen und darauf zu hoffen, dass seine Entscheidung die richtige gewesen ist. Doch die junge Frau war sich absolut sicher, dass ihr hitzköpfiger Freund das Richtige getan hatte. Plötzlich löste sie sich aus seiner Umarmung und lief erneut den Sandhügel hinab. Verdutzt sah er ihr dabei zu, wie sie den gesamten Weg noch einmal zurücklegte, dieses Mal aber direkt neben seiner Fußspur. „Tai, du musst diesen Weg nicht mehr alleine gehen. Auch wenn ich mich in deinen großen Fußabdrücken immer geborgen gefühlt habe, muss ich wohl langsam erwachsen werden und aus ihnen heraustreten, denn von nun an ist es unser gemeinsamer Lebensweg. Und wir sollten nicht mehr hintereinander, sondern nebeneinander laufen.“ Kapitel 11: Neues Leben (Abschied) ---------------------------------- 23. Juli 2015, Tateyama, Präfektur Chiba Es war also ein 23. Juli an dem der kleine Sohn von Hikari Yagami und Takeru Takaishi das Licht der Welt erblickte. Noch immer war Taichi vollends überwältigt von diesem Gefühl und wusste überhaupt nicht, wie er heute Nacht in den Schlaf finden sollte. Nach ihrer Ankunft in Tateyama hatte er sofort nochmal bei seiner kleinen Schwester angerufen, um sich zu vergewissern, dass wirklich alles in Ordnung war. Mimi hatte sich besorgt ins Wohnzimmer zu ihrer Großmutter gesetzt. Kimiko ging es zwar soweit ganz gut, aber sie hatte nicht wirklich viel gegessen. Taichi war noch immer mit seiner Schwester am telefonieren und daher verschwand Mimi ins Badezimmer. Nach einer heißen Dusche hatte sie ihre Gedanken bezüglich des heutigen Tages auch etwas sortiert und betrachtete ihren nackten Körper im Spiegel. Ihre Silhouette war in den letzten Tagen deutlich schmaler geworden. Irgendwie kein Kunststück, denn gegessen hatte sie kaum und auch mit dem regelmäßigen Schlaf sah es eher mäßig aus. Die Worte der jungen Yagami brannten Mimi noch immer in der Brust. Ihr Blick wanderte prüfend zu ihrem kleinen Schminktäschchen. Vorsichtig öffnete sie den Reißverschluss und zog das schmale Blister der Pillenverpackung hervor. Verkrampft drückte ihre Hand das kleine Stück Aluminium zusammen. Es war leer. Aufgrund ihrer Geldnot, der jüngsten Ereignisse in ihrem Leben und dem ganzen Hin und Her mit Tai hatte sie vollkommen vergessen eine neue Packung zu besorgen. „Das kann unmöglich sein...“ flüsterte sie und stützte sich auf dem kalten Porzellan des Waschbeckens ab. Sicherlich war das alles nur ein Irrtum. So einfach passierte so etwas doch nicht und schon gar nicht von diesem einen Abend. Wie immer legte Mimi ihr lächelndes Pokerface auf und setzte sich zu ihrer Großmutter aufs Sofa. Taichi schien noch immer mit seiner Schwester zu telefonieren. „Was bedrückt dich denn meine Kleine?“ fragte Kimiko und stellte den Ton etwas leiser. Mimi lächelte und schüttelte sachte ihren Kopf. „Mich bedrückt nichts. Ich habe mich nur gefragt, für wen du die Söckchen gestrickt hast, die du heute Tai mitgegeben hast. Weißt du denn, warum wir nach Tokyo gefahren sind?“ Kimiko grinste geheimnisvoll und sah auf den Fernseher. „Glaubst du nicht, dass Tai ein sehr guter Mann ist?“ Verwundert musterte Mimi das grinsende Gesicht ihrer Großmutter. „Was hat das denn mit den Socken zu tun? Warum weichst du meiner Frage aus?“ „Ich weiche deiner Frage nicht aus. Ich versuche sie dir so zu beantworten, dass auch du es endlich verstehst. Wenn du diesen Mann liebst, dann solltest du auch mit ihm zusammen sein. Dann sollte es keine Zweifel mehr geben in deiner Brust.“ langsam erhob sich die betagte Dame und trottete zum Treppenaufgang. „Und jetzt bin ich viel zu müde...“ Mimi betrachtete dieses süffisante Grinsen der alten Hexe und war sich absolut sicher, dass sie ihrer Frage ausweichen wollte. Aber eigentlich war sie jetzt auch viel zu erledigt, um mit Kimiko zu streiten, also ließ sie ihre Großmutter gehen. Denn offen gestanden, hatte sie momentan viel größere Sorgen als das. Doch noch bevor Kimiko den oberen Treppenabsatz erreichte, wendete sie sich erneut ihrer Enkeltochter zu und schenkte ihr ein liebevolles Lächeln. „Ich dachte immer, dass ich, um glücklich zu sein meine riesigen Träume verwirklichen müsste. Doch am Ende sind es die kleinen Dinge im Leben, die uns bewegen und unsere Träume erst wirklich riesig werden lassen. Ich hoffe du kannst es auch irgendwann sehen, denn das Glück liegt stets irgendwo direkt vor unseren Füßen...“ Mimi spürte deutlich, wie sich ihr Hals zusammenschnürte und ihr Herz immer heftiger gegen ihren Brustkorb schlug. Die Worte ihrer Großmutter ergriffen sie und ungewollt kämpfte sie gegen ihre Tränen an. Letztlich war es ein zögerliches stummes Nicken, was sie ihr als Antwort anbieten konnte. Warum hörte sich alles so einfach an, wenn Kimiko es sagte? Warum waren die Zweifel, die man in sich trug, immer soviel stärker als alles andere? Die nächsten Tage verbrachten Mimi und Tai ihre Zeit mit Kimiko. Der junge Mann spürte deutlich, wie angespannt und unruhig seine Freundin war. Beinahe jede Nacht wachte sie stundenlang am Bett ihrer Großmutter und versuchte sie davon zu überzeugen, doch noch ins Krankenhaus zu gehen. Aber die sture alte Dame verweigerte jegliche Behandlung. Letztlich konnte sie sich mit ihrer Enkelin nur darauf einigen, dass sie wenigstens die hochdosierten Schmerzmittel einnahm und somit ihre körperlichen Leiden etwas minderte. Taichi tat alles, um die ältere Dame zufrieden zu stellen. Jeden Morgen stellte er ihr frische Blumen aus dem Garten auf den Tisch. Pflegte die Pflanzen und führte einige Reparaturen im Haus durch. In den Nächten sorgte er sich immer häufiger um seine junge Freundin, die kaum noch schlief oder etwas aß. Also kochte er ihr spät am Abend noch etwas zu essen oder trug, die vollkommen erschöpfte junge Frau in ihr Bett, damit sie endlich ein paar Stunden schlafen konnte. Alles was Erleichterung brachte, alles womit er helfen konnte, Taichi tat es. Es war ein heißer Freitagnachmittag. Morgen würde der 1. August sein und somit das jährliche Treffen der Freunde anstehen. Doch aufgrund der Geburt von Akio waren alle damit einverstanden, es zunächst zu verschieben. Irgendwie hatte jeder von ihnen gerade sehr viel um die Ohren. Hikari und Takeru konnten gerade erst mit dem Kleinen das Krankenhaus verlassen und endlich nach Hause gehen. Joe hatte seine letzten Prüfungen hinter sich und würde im August die Stelle als Assistenzarzt im Krankenhaus in Tateyama annehmen. Sora und Yamato würden in wenigen Tagen ihre Flitterwochen antreten und die nächsten drei Monate in Europa verbringen. Der schlechte gesundheitliche Zustand von Kimiko ließ Mimi auch nicht verschnaufen und sie hätte ihre Großmutter momentan unter keinen Umständen alleine gelassen. Trotz der Nachrichten, die Mimi ihrem Vater und ihrer Mutter schrieb und von dem besorgniserregenden Gesundheitszustand ihrer Großmutter berichtete, meldete sich ihr Vater nicht zurück. Von ihrer Mutter bekam sie wenigstens ab und an eine kurze Antwort mit Genesungswünschen. Taichi räumte gerade einige verdorrte Strauchabschnitte vom Garten auf die Straße und sah, dass seine Freundin etwas erschöpft die Einkäufe aus dem Auto räumte. Sofort eilte er zu ihr und konnte sie gerade rechtzeitig stützten, bevor sie vornüber kippte. „Hey Prinzessin, was ist denn mit dir los?“ fragte er besorgt und strich ihr über die glühende Stirn. Sie war völlig verschwitzt und ihr Gesicht war kreidebleich. „Hast du heute überhaupt etwas gegessen und getrunken?“ Tai setzte sich mit ihr auf die kleine Treppe vor der Hauseingangstür. Mimi rang schwerfällig nach Atem und lehnte sich an seine Schulter. Die letzten Tage waren einfach die Hölle. Sie konnte kaum schlafen und essen. Ständig fühlte sie sich erschöpft und diese beständig anhaltende Übelkeit brachte sie beinahe um den Verstand. „Ich bin mir nicht sicher...“ stöhnte sie und schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln. Ständig war er so besorgt um sie und versuchte ihr das Leben leichter zu machen. Sein Blick wurde wütend und er wollte gerade aufstehen, um ihr etwas zu trinken zu holen, als Mimi erneut fast umkippte. Hastig packte er sie am Arm und zog sie rauf. „Jetzt reicht es aber. Ich bringe dich zu Dr. Watanabe. Dir geht es die ganze Zeit schon nicht wirklich gut.“ Sie wollte sich von ihm wegdrücken, aber sie war viel zu schwach. „Ich brauche keinen Arzt. Nur etwas Ruhe und was zu essen...“ murmelte sie. Doch ihr Freund setzte sie einfach ins Auto und fuhr mit ihr die paar Minuten zum Krankenhaus. „Du gönnst dir weder das Eine noch das Andere. Wie soll sich dein Körper denn da erholen? Mimi, wenn du nicht auf dich achtest, dann bist du auch keine Hilfe für deine Großmutter.“ sein Tonfall war eine Mischung aus Wut und Sorge. „Hör auf, so mit mir zu sprechen. Du bist nicht mein Vater und ich kann sehr gut selbst auf mich aufpassen.“ Diese Diskussion hätten sie jetzt ewig fortsetzen können, doch Tai hatte einfach keinen Bock darauf. Im Grunde waren sie beide verdammte Sturköpfe und würden das jetzt sowieso nicht klären. Als sie das Krankenhaus erreichten gingen sie geradewegs in das Büro von Dr. Watanabe. Natürlich mussten sie einige Zeit warten, da Asuna gerade mit anderen Patienten beschäftigt war. Doch nach circa zwanzig Minuten kam die junge Ärztin über den Flur geeilt. „Was ist passiert? Geht es Kimiko schlechter?“ fragte sie und entsorgte ihre Latexhandschuhe im Mülleimer. Taichi schüttelte den Kopf und berichtete von dem besorgniserregenden Gesundheitszustand seiner Freundin. Genervt fuhr Mimi ihm immer wieder dazwischen und versuchte alles zu relativieren. „Vielleicht spreche ich erstmal mit Mimi alleine. Wärst du so freundlich hier draußen zu warten?“ sagte sie sehr höflich und deutete Taichi sich hinzusetzen. Beide Frauen gingen in ihr Büro und setzten sich an ihren Schreibtisch. „Was ist los mit dir Mimi? Du siehst wirklich schlecht aus. Sehr blass, dünn und du hast tiefe Augenringe...“ „Ich glaube, dass alles im Moment viel zu viel für mich ist. Der Streit mit meinem Vater, die Nachricht, dass ich eine Halbschwester habe, die immer schlechter werdende Gesundheit meiner Großmutter und vor wenigen Tagen hat eine sehr gute Freundin vorzeitig entbunden. Im Moment läuft einfach alles drunter und drüber.“ sie lächelte matt. „Wie äußert sich das? Also ich meine, woran merkst du denn, dass es dir schlecht geht?“ Asuna zückte ihren Kugelschreiber und machte sich einige Notizen. „In letzter Zeit ist mir sehr häufig übel. Mir ist schwindlig und ich fühle mich wahnsinnig erschöpft. Aber wahrscheinlich liegt es daran, dass ich zu wenig esse und schlafe.“ „Wann hattest du deine letzte Periode?“ als Mimi diese Frage vernahm schluckte sie hart und starrte die junge Ärztin erschrocken an. „Wie bitte?“ erwiderte sie. „Also grundsätzlich denke ich nicht, dass dir etwas fehlt. Ich kann dir gerne noch Blut abnehmen, um auszuschließen dass es ein Virusinfekt ist. Ebenfalls sind der anhaltende Stresspegel und Nahrungs- sowie Schlafentzug mögliche Faktoren für Trägheit, Müdigkeit und Übelkeit. Aber es könnte ebenso gut eine Schwangerschaft sein. Oder ist es so abwegig?“ Verkrampft spielte Mimi an ihren Fingern herum und starrte auf ihre Knie. „Der letzte Tag meiner Periode war am Tag der Hochzeit meiner Freunde. Also der 27.06....“ Asuna fragte nun auch noch die Länge des Zyklus ab und berechnete anhand dessen den Eisprung und somit die zwei möglichen fruchtbaren Tage. Dann entnahm sie ihrer nervösen Patientin noch eine winzige Blutprobe und versah sie mit einem Kennungsetikett. „Wann hattest du das letzte Mal Geschlechtsverkehr?“ fassungslos zuckte Mimi bei dieser Frage zusammen. Verdammt war es ihr peinlich und sie hätte am liebsten im Erdboden versinken wollen. „Zwei Mal, drei Mal...“ murmelte die junge Frau leise. Sie versuchte sich daran zu erinnern wie oft sie mit Tai geschlafen hatte. Zuerst passierte es auf seinem Futon im alten Zimmer ihres Vaters. Dann ein weiteres Mal, jedoch am Fenster und später auf der Kommode. Danach waren sie irgendwann unten in der Küche, um etwas zu essen. Beide konnten überhaupt nicht an sich halten und Taichi vernaschte sie tatsächlich auf dem Küchentisch. Im Anschluss schafften sie es ins Badezimmer und wollten duschen, was aber dazu führte, dass es wahnsinnig heißen Sex unter der Dusche gab. Selbst ein junger, hemmungsloser und verdammt erotischer Yagami brauchte nach diesen drei Runden eine kleine Auszeit, was ihn jedoch keinesfalls daran hinderte, bereits wenige Stunden später, erneut über sie herzufallen und mit einer atemberaubenden Runde Morgensex zu überraschen. Alleine schon diese Erinnerungen an seine Berührungen auf ihrer Haut, seine Finger in ihrem Haar, seine Küsse auf ihren Lippen, seine Zunge zwischen ihren Schenkeln und sein betörender Duft in ihrer Nase. Einfach jedes Detail brachten ihre Knie zum zittern und bescherten Mimi eine unfassbare Gänsehaut. Tai war ein sehr guter Liebhaber und Mimi wollte lieber nicht so genau wissen, wo und vor allem mit wem er das geübt hatte. Asuna blickte erstaunt von ihrem Blattpapier auf und musterte Mimi. Die junge Frau schien völlig in ihren Gedanken versunken zu sein. „Nein, ich fragte wann zuletzt und nicht wie oft.“ Die Brünette sog die Luft scharf durch ihre Lippen und starrte verlegen an die Decke. „Es waren vier Mal an einem Abend. Am Abend des Tanabata.“ Sofort blieb der jungen Ärztin die Spucke weg. Schockiert starrte sie diese junge schüchterne Frau vor sich an und rang selbst nach Atem. Plötzlich stand sie auf und ging zur Tür des Behandlungszimmers. Sie schob mit beiden Fingern die Rippen der Jalousie auseinander und stierte förmlich den jungen brünetten Mann an, der wartend auf dem Krankenhausflur saß. „Das ist ja beeindruckend. Also ich will auch nochmal so einen jungen Liebhaber haben. Ganze vier Mal in einer Nacht?“ sie seufzte wehmütig und wendete sich wieder Mimi zu. Wo war dieses alles verzehrende Loch im Boden, wenn man es am meisten brauchte? Mimi wäre am liebsten gestorben. Es war ihr so verdammt peinlich. Doch die Worte der Ärztin rissen sie aus ihrer Schockstarre. „Also rein rechnerisch wäre es durchaus möglich, dass du schwanger bist. Bei einem Zyklus von 28 Tagen würde dein Eisprung auf den 07.07 oder 08.07 fallen. Aber um sicher zu sein, kannst du es erstmal damit probieren und wenn der positiv sein sollte, musst du auf alle Fälle nochmal herkommen. Denn diese Schnelltests sind keine hundert Prozent.“ sie legte einen Schwangerschaftstest auf ihren Schreibtisch und versuchte die Regungen in Mimi's Gesicht zu deuten. „War der 07.07 nicht dein Geburtstag?“ Asuna grinste und wollte die junge Frau etwas aufmuntern. „Das wäre doch ein wundervolles Geschenk. Gleich beim ersten Schuss ein Treffer!“ Mimi erhob ihren Kopf nicht einen Zentimeter. Zitternd verkrampften sich ihre Hände ineinander und Tränen tropften auf ihre Oberschenkel. Asuna betrachtete die junge Frau zunächst sehr verwundert, denn irgendwie war das keine Reaktion, die man von einer jungen Frau erwartete. „Wenn du Gewissheit hast, dann kannst du weiter entscheiden, ob du die Schwangerschaft abbrechen möchtest oder nicht. Aber solange es nicht zu hundert Prozent feststeht, solltest du dir auch nicht deinen hübschen Kopf zerbrechen.“ sie lächelte sie an und versuchte ihr die Ängste zu nehmen. Doch Mimi reagierte überhaupt nicht darauf. „Ich bin gewiss nicht schwanger und deshalb brauchen wir auch über nichts weiter zu sprechen.“ plötzlich wirkte ihre Stimme wieder fröhlich. Mimi war wie ausgetauscht. Sie stand auf, steckte den Test in ihre Handtasche, bedankte sich höflich bei Asuna und wollte das Büro der Ärztin verlassen. Harsch griff Asuna nach ihrem Arm und hielt sie für einen kurzen Moment zurück. Mit einfühlsamer Besorgnis musterte sie die mit Angst gefluteten Augen ihrer jungen Patientin, denn diesen Blick konnte Mimi nicht verbergen. „Mimi, ich kann dir nur sagen, ein Kind passt niemals und doch immer. In unserem menschlichen Größenwahnsinn glauben wir zwar, dass wir unser Leben selbst planen, aber letztlich fügen wir uns immer unserem Schicksal und passen unsere Pläne dem an, was für uns vorgesehen ist.“ Asuna berührte sanft ihre Wange und lächelte zögerlich. „Ich war selbst noch blutjung, als das zwischen mir und deinem Vater passierte. Natürlich hätte ich mir mein Leben anders vorgestellt. Ein Leben mit Ehemann und Kind, nicht alleine und unverheiratet. Aber heute möchte ich meine Tochter nicht mehr missen und bin froh, dass alles so gekommen ist, wie es heute ist. Denn Leben ist das, was passiert, während wir Pläne machen.“ Als die brünette junge Frau das Behandlungszimmer verließ, stand Taichi sofort auf und blickte sie besorgt an. „Was ist? Alles in Ordnung?“ fragte er und wechselte mit seinem Blick zwischen Mimi und Asuna hin und her. Die junge Ärztin ergriff das Wort und antwortete auf Tai's Frage. „Ja, soweit ist eigentlich alles in Ordnung. Sie braucht einfach Ruhe und muss regelmäßig essen. Ich habe ihr Blut abgenommen und werde es ins Labor schicken. Sollte dabei etwas auffällig sein, werde ich mich melden. Ansonsten ist Mimi gesund.“ Ohne etwas zu erwidern, begab sich Mimi zurück zum Auto. Ihre Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf. Alles lief an ihr vorbei wie in einem Film. Sie hörte die Worte ihres Freundes überhaupt nicht, der mittlerweile neben ihr saß und mit ihr zurück zum Haus fuhr. Mit einem Mal schien alles so surreal und sie wusste jetzt noch viel weniger, wie es weiter gehen sollte. Einige Wolken drängten sich vor die gleißende Nachmittagssonne und hüllten die trockene Landschaft in einen gräulichen Schleier. Die Luft roch nach Regen und einzelne Blitze zuckten bereits am Himmel. Es waren die ersten Vorboten eines kräftigen Gewitters. Mimi bereitete gerade etwas Tee in der Küche zu, als Taichi von draußen herein kam und berichtete, dass es sehr bald anfangen würde zu regnen. „Mimi Schatz, könntet ihr mir die letzten Blumen vor dem Gewitter retten?“ Die Stimme ihrer Großmutter klang müde und kraftlos. Mit einem Lächeln gingen Mimi und Taichi von der Küche hinüber ins Wohnzimmer. „Das sind dann aber wirklich die letzten kleinen Blüten vom Sonnenhut. Soll ich sie dir wirklich abmachen, denn dann ist der Strauch kahl.“ sagte der junge Mann und hockte sich vor der älteren Dame hin. Kimiko grinste und nickte. „Lieber schaue ich sie mir in der Vase an, als dass sie am Strauch verblühen...“ „In Ordnung...“ sagte Tai lachend und ging wieder in den Garten. Mimi wollte soeben wieder zurück in die Küche gehen, als Kimiko nach ihr rief. „Bitte hilf diesem grobmotorischen Tollpatsch und stell die Blumen gleich in die Vase. Es war die letzten Tage sehr heiß und trocken. Ich möchte nicht, dass sie ihre wundervollen Blütenblätter bereits im Garten verlieren.“ Die junge Frau musste über die Bemerkung, bezüglich Taichis Grobmotorik lachen. Ohne weiteres ging Mimi mit in den Garten und half ihrem Freund dabei, die letzten Blüten vom Strauch zu schneiden. In der Ferne war bereits das erste Donnergrollen zu hören. Mimi stellte die dunkelblaue Vase mit den sonnengelben Blumen auf den Wohnzimmertisch, während Taichi in der Küche verschwand, um etwas zu trinken. „Wirklich schade, dass jetzt keine Blüten mehr am Busch sind. Aber der letzte Strauß sieht wirklich richtig schön aus...“ Als sie keine Antwort von ihrer Großmutter erhielt, drehte sich Mimi zu ihr um und tippte ihr sachte auf die Schulter. „Hey, bist du etwa eingeschlafen?“ Mit etwas mehr Nachdruck presste sie ihre Finger auf die knochige Schulter ihrer Großmutter. „Großmama?“ doch auch dieses Mal bekam Mimi keine Antwort. Stattdessen blickte sie in das reglose Gesicht ihrer Großmutter. Als die ersten Regentropfen zu Boden fielen und das heftige Grollen des Donners die Stille durchbrach, wurde Mimi mit einem Mal bewusst, was geschehen war. Nichts auf dieser Welt bereitet uns auf diesen Moment vor. Obwohl wir wissen, dass dieser Moment kommen wird und egal wie sehr wir uns einreden, dass er uns nicht bis in die Tiefen unserer Seele erschüttern wird, der Tod eines geliebten Menschen wird uns immer hart und unvermittelt treffen. Dieser eine Moment, wird uns für immer verändern und einen Teil von uns mit sich nehmen. Plötzlich ist da nichts als Stille. Alles scheint zu erstarren, wir können nicht einmal den Schmerz dieses unerträglichen Verlustes spüren. In einem quälenden Automatismus schlägt unser Herz weiter in der Brust und zwingt uns dazu, weiter zu atmen und in diesem endlos erscheinenden Moment zu verharren. Das dumpfe Geräusch ihrer Knie, die auf dem harten Holzboden aufprallten, beförderte Mimi zurück in die Gegenwart. Ihre dünnen Fingern lagen auf dem Schoß ihrer Großmutter. Kimiko hatte ihre Augen geschlossen und es schien, als würde sie nur schlafen. In ihren Händen hielt sie noch immer zwei Stricknadeln und auf ihrem Schoß lagen zwei winzige fertig gestrickte Babysöckchen. Als Taichi den Raum betrat starrte er zunächst verwirrt zu seiner Freundin, die kreidebleich und zitternd vor ihrer Großmutter kniete. Ihre nussbraunen Augen schienen wässrig, aber keine Träne rollte über ihre Wange. Plötzlich fühlte sich seine Kehle staubtrocken an und Taichi wurde bewusst, was hier geschehen war, als er den leblosen Körper im Sessel erblickte. Langsam kniete er sich neben seine Freundin und legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter. Trotz aller Mühe, konnte er einfach keine passenden Worte finden. Vielleicht gab es in diesem Moment auch einfach kein einziges passendes Wort. Mimi tastete fahrig nach den Händen ihrer Großmutter und legte ihren Kopf auf ihren Schoß. Er ertappte sich dabei, wie er immer wieder ins Gesicht von Kimiko sah und prüfte, ob sie wirklich tot war. Das konnte doch nicht sein, schließlich waren sie gerade mal zehn Minuten im Garten gewesen. Hatte sich dieses gerissene Weibstück tatsächlich klammheimlich aus dieser Welt geschlichen ohne ein Wort des Abschiedes? Sein Blick ruhte wieder auf Mimi, die sich verzweifelt an ihre Großmutter schmiegte und nach Trost suchte. Er spürte wie sich sein Magen immer weiter zusammenzog und sich seine Kehle immer enger zu schnürte. „Mimi...“ entwich es mit einem Mal seinen Lippen. „Sicherlich ist Kimiko jetzt bei deinem Großvater. Beide waren doch lange genug voneinander getrennt und endlich können sie wieder zusammen sein. Glaubst du denn nicht, dass sie sich das immer gewünscht hat?“ Ihm fiel jetzt wirklich nichts anderes ein und die Worte verließen seinen Mund sowieso ohne vorher bei seinem Hirn anzuklopfen. Alles in ihr fühlte sich unendlich leer an. Da waren keine Trauer, kein Schmerz, keine Verzweiflung. Es herrschte einzig und allein endlose Kälte. Mimi hörte seine Worte, doch sie bedeuteten ihr nichts. Alles um sie herum erstarrte, nichts war noch von Bedeutung für sie. Noch nie hatte sie sich derart verloren und einsam wie in diesem Moment gefühlt. In einer fließenden Bewegung wischte sie seine Hand von ihrer Schulter und nahm die kleinen Wollsocken in ihre Hand. Sie erhob sich allmählich von ihren Knien und hauchte ihrer Großmutter einen Kuss auf die Stirn. „Wenn ein geliebter Mensch stirbt, gibt es keinen Trost. Also spar dir deine leeren Worte.“ Vollkommen vor den Kopf gestoßen blickte Taichi rauf zu ihr und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass ihn ihre abweisenden Worte verletzten. Als hätte sie nie etwas anderes getan, informierte Mimi ihren Onkel und ihre Tante vom Tod ihrer Großmutter. Es dauerte keine halbe Stunde, bis alle im Haus eintrafen und ihr Mitleid aussprachen. Sogar Asuna und Sae waren gekommen. Taichi beobachtete seine Freundin besorgt, denn Mimi zeigte überhaupt keine Gefühlsregung. Mimi blieb selbst dann vollkommen regungslos, als ihre Tante davon erzählte, dass sie Sōsuke bereits von Kimikos Tod benachrichtigt hätte. Diese sonst so temperamentvolle junge Frau schien mit einem Mal wie ausgewechselt. Als der Bestatter eintraf und Kimiko schließlich mitnahm, besprachen Onkel Kazuki und Tante Mei die letzten Details bezüglich der Trauerfeier, welche bereits am nächsten Tag stattfinden würde. Wie es in Japan traditionell üblich war, würde es eine Feuerbestattung geben und damit sich alle Freunde und Familienmitglieder nochmals von dem verstorbenen Menschen verabschieden konnten, erfolgte zuvor eine Aufbahrung. In dieser Nacht fand Tai einfach keine Ruhe. Stundenlang lief er im Regen durch den Garten und versuchte herauszufinden, wie er sie trösten konnte. Warum hatte Kimiko sie raus geschickt und blieb allein zum sterben zurück? Weshalb schenkte sie ihrer Enkeltochter nicht ein einziges Wort des Abschiedes? Warum meldete sich ihr Vater nicht, um ihr Trost zu spenden? Wäre es nicht seine Aufgabe gewesen, die Bestattung seiner verstorbenen Mutter zu organisieren? Wie konnte er seine Tochter hier alleine ihrem Schmerz überlassen? Je länger er darüber nachdachte, desto wütender wurde Taichi und es fiel ihm immer schwerer einen klaren Gedanken zu fassen. Er konnte jetzt nicht mit seinen Gedanken alleine sein. Diese Kälte fraß ihn förmlich auf. Mit irgendwem musste er jetzt sprechen. Seine Schwester konnte er jetzt unmöglich anrufen, die sollte schließlich die Zeit mit ihrer kleinen Familie genießen und seine zwei besten Freunde turtelten irgendwo in Europa herum. Blieben also nur noch zwei übrig. Doch Taichi wusste genau, dass wahrscheinlich nur einer der beiden Mimi mindestens genauso gut kannte wie er selbst und ihm sagen konnte, wie er sich jetzt am besten verhalten sollte. Joe hatte gerade die letzte Kiste zusammengepackt, denn jetzt war es endlich soweit. Sein Studium war beendet und morgen würde er von Kyoto nach Tokyo umziehen, damit er seine Stelle im Krankenhaus in Tateyama antreten konnte. Täglich von Tokyo nach Tateyama zu pendeln würde zwar ein relativ weiter Arbeitsweg sein, aber irgendwie konnte er sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, außerhalb der Großstadt zu wohnen. Erschöpft saß er nun, mitten in der Nacht, mit einem Bier und Zigarette auf der Couch, als sein Handy neben ihm vibrierte. Perplex starrte er auf den Display und nahm noch einen Schluck aus der Flasche. Warum rief er ihn in der Nacht um drei Uhr an? Hatten sie nicht bereits alles geklärt? Was gab es denn so wichtiges? Sollte er jetzt wirklich ans Telefon gehen? Doch noch ehe Joe das Für und Wieder abgewogen hatte, nahm er den Anruf an. Zu seiner Verwunderung hatte er einen überaus friedlichen Taichi am Telefon, welcher ihm unumwunden von dem Tod Kimikos berichtete. Diese schlechte Nachricht ließ sogar den routinierten angehenden Mediziner etwas zusammenzucken. „Mimi muss am Boden zerstört sein. Nach all diesem Hin und Her mit ihrem Vater...“ sagte Joe und nahm einen langen Zug von seiner Zigarette. „Das ist es ja, wenn sie wenigstens am Boden zerstört gewesen wäre, dann wäre es wenigstens irgendeine Reaktion gewesen. Aber es kam nichts. Einfach überhaupt gar nichts.“ erwiderte der Brünette am anderen Ende der Leitung. „Alle Menschen haben eine eigene Art mit dem Verlust eines geliebten Menschen umzugehen, obwohl es für Mimi schon sehr ungewöhnlich ist, so gar keine Gefühle zu zeigen.“ „Was soll ich nur zu ihr sagen? Womit kann ich sie trösten?“ ungewollt klang Tai verzweifelt. Zum Glück konnte er, das süffisante Grinsen seines älteren Freundes am anderen Ende des Telefons nicht sehen. „Manchmal solltest auch du besser die Klappe halten...“ noch ehe Taichi ihm wütend ins Wort fahren konnte, führte Joe seinen Satz zu Ende. „...ich glaube nichts was du sagen könntest, würde sie trösten. Es gibt eben nicht für alles die richtigen Worte und man sollte wohl besser schweigen, wenn man sonst nichts sagen kann. Du solltest ihr jetzt einfach ein Freund sein. Gib ihr Halt und Trost, indem du einfach an ihrer Seite bist. Manchmal ist das alles was wir tun können und meistens ist es das Beste.“ Nachdenklich legte Taichi seinen Kopf in den Nacken und atmete tief durch. „Was ist nur mit dir los? Immer hast du eine kluge Antwort auf sämtliche Fragen.“ Joe lachte laut und konnte sich das ratlose Gesicht seines langjährigen Freundes am anderen Ende der Leitung bildlich vorstellen. „Weil das Leben eigentlich ganz simpel ist, wir machen es uns nur immer wieder so verdammt schwer. Sei einfach für sie da, sei an ihrer Seite und sei ihr einfach ein wahrer Freund.“ Nachdem die beiden Männer ihr Telefonat beendet hatten, wanderten seine tiefbraunen Augen hinüber zum Fenster. Der fahle Schein des Mondes tauchte die Nacht in einen merkwürdig silbergraunen Glanz. Durstig erhob er sich von seinem Bett und trottete durch den Flur hinab zur Treppe. Verwundert bemerkte er, dass im Wohnzimmer noch Licht brannte. Mimi saß auf dem Sessel ihrer Großmutter und blätterte in einigen Fotoalben. Mit zögerlichen Schritten näherte er sich. Die junge Frau schreckte kurz auf und schenkte ihm einen verwunderten Blick. Mit einem sanften Lächeln kniete er sich vor ihr nieder und legte seine Hände auf ihre Knie. Auf ihrem Schoß lagen einige ältere Fotos. Darauf war meistens ein kleines Mädchen und einige Erwachsene zu sehen. Manchmal am Strand und ab und zu auch hier im Garten. „Es ist schon so lange her, dass ich die kleine Mimi auf Fotos gesehen habe...“ Taichi musste kichern und nahm eines der Bilder in seine Hände. „Aber du kennst mich doch mindestens seitdem wir in den Kindergarten gehen. Eigentlich müsstest du doch wissen, wie die kleine Mimi aussieht.“ mit ihren schmalen Fingern blätterte sie die nächste Seite im Fotoalbum auf. „Schon verrückt, dass wir uns so lange kennen. Seit zwanzig Jahren?“ als ihm die letzten Worte über die Lippen kamen erschauderten beide gleichermaßen und starrten sich fassungslos an. „Um Gotteswillen! Zum Glück konnten wir uns 80% davon niemals leiden.“ sie schlug das Album zu und schob seine Hände sanft von ihren Knien. „Oh wie großzügig du bist. Wer sagt denn, dass ich dich heute mehr leiden kann als damals? Schließlich hast du ständig meine Schuhe versteckt oder mir mein Spielzeug geklaut und heute ist das nicht wirklich anders...“ er grinste und ließ Mimi von dem Sessel aufstehen. „Du hast nur deine gerechte Strafe erhalten. Schließlich hast du mir ständig an meinen Zöpfen gezogen und mir ekelhafte Spinnen im Rucksack versteckt. Du bist einfach ein unausstehlicher Kerl gewesen und hast es nicht anders verdient.“ Sie fuhr sich durch ihr langes, offenes Haar und wollte nach oben gehen, doch Taichi erkannte deutlich die Anspannung und tiefe Trauer in ihren Augen. Mit leichtem Nachdruck packte er ihre Hand und zog sie zu sich. Sanft bettete er ihren Kopf an seine Brust und küsste ihren Haarschopf. „Du musst nicht tapfer sein...“ flüsterte er ganz leise. „Wie kann sie mich einfach alleine lassen? Ohne ein Wort des Abschiedes?“ ihre Finger krallten sich in den dünnen Stoff seines Shirts. Zärtlich streichelte er über ihr langes Haar und sog den süßliches Duft ihres Parfüms in sich auf. „Ich glaube nicht, dass sie dich ohne Abschied zurück gelassen hat. Vielmehr denke ich, dass sie nur auf dich gewartet hat, um endlich gehen zu können. Du hast ihr so sehr gefehlt und sie wollte dich in Sicherheit wissen. Sie wollte, dass du glücklich und zufrieden bist. Erst dann war sie dazu bereit, den Rest ihres Weges zu gehen.“ „Trotzdem ist es so verdammt egoistisch! Denn am Ende ist es doch so simpel. Den eigenen Tod, den stirbt man nur, aber mit dem Tod der anderen muss man leben.“ Ihre Worte berührten ihn und er nahm ihr Gesicht zaghaft in seine großen Hände. Seine dunkelbraunen Augen sahen tief in ihre. „Aber du bist mit diesem Schmerz nicht alleine...“ Beide sprachen noch sehr lange über ihre gemeinsam verlebte Kindheit und Erinnerungen, die sie miteinander verbanden, bis Mimi irgendwann völlig erschöpft in seinen Armen einschlief. Der nächste Tag brach erbarmungslos schnell heran. Es war mittlerweile Spätsommer geworden und die Tage waren nicht mehr so unerträglich heiß. Wie in einer Art Automatismus verloren, stürzte sich Mimi in die Arbeit. Gemeinsam mit ihrer Tante und Schwester bereitete sie alles für die bevorstehende Trauerfeier am heutigen Nachmittag vor. Trotz intensiver Bemühung, gelang es Taichi nicht, seine Freundin in ihrem Tatendrang zu bremsen. Er fühlte sich schlichtweg völlig überflüssig. Aber vielleicht sollte er es einfach akzeptieren, dass es diese Vorbereitung auf die Beerdigung war, die Mimi eine gewisse Erleichterung und Ablenkung brachte. Er würde dennoch nicht von ihrer Seite weichen. Am späten Nachmittag traf der Priester des kleinen Dorfes ein und besprach sämtliche Einzelheiten mit Tante Mei und Onkel Kazuki. Es waren einige alte Freunde und Kollegen aus dem Krankenhaus zur Trauerfeier erschienen. Sie versammelten sich im Gemeindehaus des Dorfes und wollten heute ein letztes Mal an diese bewundernswerte, temperamentvolle, kämpferische und unendlich hingebungsvolle Frau gedenken, die Kimiko ihr gesamtes Leben lang gewesen war. In der Mitte des Raumes befand sich der aufgebahrte Sarg und bot jedem die Möglichkeit, sich noch einmal persönlich zu verabschieden. Der Priester, welcher Kimiko auch persönlich kannte und bereits die Trauerfeier von Mimi's Großvater begleitet hatte, richtete zu Beginn einige einfühlsame Worte an die Trauergäste. Doch bevor er zum Ende kam, unterbrach ihn Mimi zögerlich und bat ebenfalls darum, etwas sagen zu dürfen. Ohne weitere Einwände machte der Geistige ihr etwas Platz, sodass Mimi vor der trauernden Gemeinde sprechen konnte. Taichi und Mei waren überaus erstaunt, dass die junge Frau nun vor die Menge trat und etwas sagen wollte. Schützend stellte sich der brünette junge Mann hinter seine Freundin und versuchte für sie da zu sein, sobald sie ihn brauchen würde. Ihre Stimme erzitterte unter ihrer innerlichen Anspannung. Jegliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen und alles was blieb, war der Versuch sich einzig und allein auf das zu konzentrieren, was ihr auf dem Herzen lag. „Ich erinnere mich, dass ich in dieser letzten Nacht ziemlich spät mit einer Vorahnung schlafen ging und einen sehr traurigen Traum hatte. Am Nachmittag brachte ich dir für ein letztes Mal deine Blumen und das Grollen des Donners durchbrach die Stille. Meine Vorahnung wurde Realität. Eine unauslöschliche Narbe in meinem Herzen hinterlassend, bist du allein zum Stern geworden. Leb wohl, du bist jetzt an einen Ort gegangen, an dem wir uns nie wieder treffen können. Ich kann die Kälte des ewigen Abschiedes nicht akzeptieren. Leb wohl, doch ich weiß, dass sogar meine letzten Worte dich jetzt nicht mehr erreichen.“ Ihre blassen Finger krallten sich so fest an den kleinen hölzernen Tisch vor ihr, dass die schmalen Fingerknochen durch ihre zart gebräunte Haut schimmerten. Ihre Zähne bohrten sich ins Fleisch ihrer Lippen und Mimi war sich sicher, dass sie etwas Blut schmecken konnte. Alles an ihr war vollkommen angespannt und jede Faser in ihrem zitternden Körper versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Taichi wollte ihr seine Hand auflegen, doch im gleichen Moment hörte er, dass sie tapfer versuchte, mit erstickter Stimme weiter zu sprechen. „Aber vielleicht können meine Worte einen anderen Menschen erreichen, der uns beiden sehr viel bedeutet hat und der heute nicht hier ist. Du sagtest, du hättest deinem Sohn verziehen. Aber ich weiß nicht, wie ich meinem Vater vergeben kann.“ Sämtliche Trauergäste reagierte sehr ergriffen auf die Worte der jungen Frau. Vor allem Mei und Sae wischten sich unaufhörlich ihre Tränen aus dem Gesicht. Denn es war kaum zu übersehen, wie viel Schmerz diese zierliche junge Frau in ihrem Herzen trug und wie mutig sie doch war, vor all diesen fremden Menschen ihre Gefühle zu offenbaren. Doch was währenddessen niemand bemerkte war, dass ein bestimmter Gast, versteckt in der Menge der trauernden Menschen, ergriffen und zugleich beschämt zu dieser starken jungen Frau aufsah. „Ich wünschte ich hätte nur einmal von ihm hören können, dass ich mit Sicherheit von ihm geliebt wurde, auch wenn es eine Lüge gewesen wäre. Ich wünschte ich hätte nur einmal von ihm hören können, dass er die Tage, die wir zusammen verbracht haben, niemals bereute, auch wenn es eine Lüge gewesen wäre. Meine Sorgen, die ich für endlos hielt, kommen langsam zu einem Ende. Die Jahreszeiten ändern sich auch weiterhin. Der Sommer geht allmählich und ich fühle die beißende Kälte des Winters in meinem Herzen. Aber ich vergesse den Tag des Sommeranfangs niemals, als mich mein Vater auf seinen Schultern über den Strand trug und wir eine Familie waren.“ Als sie ihre Ansprache stockend beendet hatte und die warme Hand ihres Freundes auf ihrer Schulter spürte, konnte sie nicht länger an sich halten. Tränen schossen ihr in die Augen und rannen über ihr Gesicht. Mimi stieß Tai von sich und eilte Hals über Kopf aus dem Raum. Er wollte ihr umgehend folgen, doch Mei hielt ihn sofort zurück. „Lass sie gehen. Gib ihr diesen kurzen Moment allein.“ Brüskiert starrte er die ältere Frau an und biss sich auf die Zunge. War es wirklich richtig, sie jetzt alleine zu lassen? Die Worte ihrer wundervollen Enkeltochter hatten sehr viele Gäste berührt. Doch als sich Mimi auch am Abend nicht wieder blicken ließ, machte sich Taichi wirklich große Sorgen. Als auch die letzten Personen die Trauerfeier verlassen hatten, räumten Sae und Mei noch etwas auf, bevor sie die zahlreichen Blumenkränze und Sträuße neben dem Sarg ordneten. Morgen früh würde die Einäscherung stattfinden und über die Nacht, würde Kimiko hier verweilen. Schließlich verabschiedete sich auch der junge Yagami und machte sich auf den Weg zurück zum Haus. Es fühlte sich merkwürdig an dieses Haus zu betreten und zu wissen, dass es mit einem Mal so unendlich leer war. „Mimi? Bist du hier?“ rief Tai, während er in die Küche trat und seinen Hausschlüssel auf den Tisch legte. Sein Blick fiel auf eine kleine Papiertüte mit dem Emblem der örtlichen Apotheke. Daneben lag ein Kassenzettel. Besorgt starrte er auf das bedruckte Papier. „Lippenbalsam, Aspirin, 5 Mal....“ seine dunkelbraunen Augen weiteten sich unnatürlich und er musste heftig schlucken. „Was? Wie bitte?“ erneut las er den Kassenzettel durch und wurde mit einem Mal ganz nervös. „Mimi? Mimi! Wo bsit du?“ sein Rufen wurde immer ungehaltener und er eilte durch das Wohnzimmer, bis er vor der Badezimmertür zum stehen kam. Leise hörte er ihr Schluchzen und betätigte zunächst vorsichtig die Türklinke, doch es war abgeschlossen. „Mimi? Ist alles in Ordnung? Was ist mit dir? Bitte mach auf, sprich mit mir...“ „Nichts ist in Ordnung! Geh weg und lass mich alleine!“ fauchte sie wütend. Langsam ging er vor der Tür auf die Knie und seufzte. „Ich lasse dich jetzt nicht alleine! Das was du gesagt hast auf der Trauerfeier, dass du deinen Vater vermisst und wie sehr es dich verletzt...du solltest diesen Schmerz nicht alleine tragen und außerdem....was liegt da auf dem Küchentisch?“ Erschrocken starrte Mimi gegen die Tür. Hatte sie etwa die Quittung in der Küche liegen gelassen? Nachdem der erste Test positiv gewesen war, ist sie sofort zur nächsten Apotheke und hat noch mehr eingekauft. Doch leider zeigten diese kein anderes Ergebnis. Warum ging einfach alles schief? Warum saß er da jetzt vor dieser Tür? Warum konnte sie nicht einfach im Erdboden versinken? Die unendlich wirkende Stille endlich durchbrechend, wagte Taichi die alles entscheidende Frage. „Mimi, bist du etwa schwanger?“ Plötzlich riss sie die Badezimmertür auf und Taichi konnte ihr nur knapp ausweichen, als sie wütend über ihn hinweg schritt. „Warum steckst du deine Nase immer Angelegenheiten, die dich überhaupt nichts angehen?“ schrie sie wütend, als ihr versehentlich etwas aus der Hand fiel. Als sie sich auf den Boden kniete, um die kleinen gestrickten Babysöckchen aufzuheben, konnte Taichi eindeutig erkennen, dass Mimi stundenlang geweint haben musste. Auch jetzt rannen ihr noch riesige Tränen über die bereits völlig gerötete Haut. Sachte ergriff er ihre Hand und kniete sich ebenso zu ihr. Liebevoll sah er ihr in die Augen und wischte mit seinem Daumen ihre Wangen trocken. „Warum so wütend? Wenn es tatsächlich so wäre, dann wäre es doch etwas wundervolles. Ich würde mich sehr darüber freuen. Ich liebe dich doch und genauso so sehr würde ich ein gemeinsames Baby lieben.“ Mit aller Kraft schlug sie seine Hand von sich weg. Ihre Augen waren gezeichnet von Missachtung und unbändiger Wut. „Mit deiner leichtsinnigen Verantwortungslosigkeit kannst du so was natürlich einfach so daher sagen. Aber Fakt ist doch, dass ich nichts besitze, kein Geld, keinen Job, keine Wohnung und von Liebe allein kann ein Kind nicht leben!“ Erschrocken über ihre Kaltherzigkeit wich Taichi etwas zurück. „Du hast doch aber mich! Ich werde dich immer halten und euch immer beschützen! Du bist nicht alleine. Ich will dieses Kind und wenn wir beide ehrlich sind, haben wir es doch darauf angelegt. Wir sind keine Teenager mehr und unterschwellig wusstest du genau, dass du deine Pille nicht genommen hast und ich habe bewusst überhaupt nicht nachgefragt. Wir beide sind in dieser Nacht eins geworden. Wir haben es provoziert, weil wir insgeheim wissen, dass wir eine Familie sein sollten. Das wir zusammengehören! Ich liebe dich und unser Kind in deinem Bauch!“ Zitternd fuhren ihre schmalen Finger durch ihr braunes Haar. Immer wieder versuchte sie diesen Gedanken von sich zu schieben, seine Worte zu vergessen. Aber das was er gerade zu ihr gesagt hatte, war so viel mehr als bloße Worte. Doch sie konnte es einfach nicht. Sie würde ihm jetzt wehtun müssen, denn es würde die einzige Möglichkeit sein, ihn von diesem Kind und dem Gedanken einer gemeinsamen Familie zu lösen. „Es ist mein Körper und ich will dieses Baby nicht! Wer gibt dir die Macht über mich zu entscheiden und außerdem ist es überhaupt nicht zu hundert Prozent klar, ob ich schwanger bin. Ich müsste zuvor ins Krankenhaus und einen Ultraschall machen lassen...“ Das was sie jetzt sagte, brach ihr selbst das Herz. Aber es musste sein, er musste diesen Gedanken los lassen, denn wie sollten sie jemals eine Familie werden? „Ach und Taichi, woher willst du überhaupt wissen, dass du der Vater bist?“ Kapitel 12: Neues Leben (Anfang) -------------------------------- 15. August 2015, Tateyama, Präfektur Chiba „Ach und Taichi, woher willst du überhaupt wissen, dass du der Vater bist?“ Seine Knie bohrten sich schmerzhaft in die harten Holzdielen. Mit aller Kraft presste er seine schweißnassen Hände gegen den Fußboden. Jede Muskelfaser in seinen Armen zog sich qualvoll zusammen und Taichi konnte das Adrenalin, welches ihm unaufhörlich durch die Adern floss, förmlich in seinem trockenen Mund schmecken. Jegliche Farbe schien aus seinem Gesicht gewichen zu sein. Ein manifester Kopfschmerz pulsierte durch seine Schläfen und zwang ihn dazu, den Blick von ihr abzuwenden und seine dunkelbraunen Augen zu schließen. Diese Worte. Ihre wenigen Worten zerrissen ihm das Herz in der Brust. Noch nie bereitete es ihm Probleme, seine Wut gegenüber einer Frau zu kontrollieren, aber dieses Mal fiel es ihm tatsächlich schwer, ihr keine Ohrfeige zu verpassen. Vielleicht war es der Gedanke daran, dass Mimi im Moment so unendlich zerbrechlich war, vielleicht war es der Gedanke daran, dass sie wohl möglich ein Kind unter ihrem Herzen trug. Aber vielleicht war es auch schlichtweg der Gedanke, dass sie das, was sie sagte, unmöglich ernst meinen konnte. Tai flutete seine Lungen mit Sauerstoff und spürte, wie sich sein Brustkorb zusammenzog, um sich danach gleich wieder zu entspannen. Ein eindeutiges Indiz dafür, dass er noch immer am Leben war und sein Herz unerschüttert weiter schlug. Schweigend richtete er sich auf und lief die wenigen Schritte in den Flur. Mimi folgte ihm mit ihrem Blick, als Taichi sich schweigend die Schuhe anzog. Langsam erhob sie sich ebenfalls vom Fußboden und legte sich einige Haarsträhnen hinters Ohr. „Zieh dich an, ich fahre dich ins Krankenhaus. Dann hast du Gewissheit und kannst für dich ganz alleine entscheiden, wie es weiter gehen soll.“ Verständnislos musterte sie ihn von hinten und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Nein, du musst mich nirgendwohin fahren...“ murmelte sie kleinlaut. Taichi griff nach ihren Sandaletten und warf sie unsanft vor ihre Füße. Seine Gereiztheit sprang ihm förmlich aus den Augen. „Zieh dir jetzt deine beschissenen Schuhe an und steig in das Auto, bevor ich mich vergesse!“ sein Tonfall war ruhig aber bedrohlich scharf. Er war bereits nach draußen gegangen, als Mimi zitternd ihre Schuhe aufhob. Sie konnte in seinem Gesicht, seiner Körperhaltung und seiner Stimmfarbe deutlich ablesen, wie sehr sie ihn gedemütigt haben musste. Wie tief der Dolch saß, dem sie ihm unvermittelt von hinten durch die Brust gerammt hatte. Warum tat sie das? Warum war sie so grausam zu ihm? Er war so ein guter Mensch und sie trat ihn mit Füßen. Vor wenigen Minuten hatte sie ihm sein Herz herausgeschnitten und in ihren Händen langsam zerquetscht. Obwohl er ihr alles von sich gab und sich mit allem was er ihr anbieten konnte offenbarte. Doch es war zu spät. Gesagtes war gesagt und im Leben gab es nunmal keine „rückwärts“ Taste. Sie wollte keinen weiteren Streit vom Zaun brechen und riskieren, dass er vielleicht seine Selbstbeherrschung verlor und alles furchtbar eskalieren könnte. Also stieg Mimi folgsam in das Auto. Die Fahrt war unerträglich, denn man konnte die Anspannung zwischen beiden förmlich mit den Fingern durchschneiden. Der heutige Tag war bereits der Dunkelheit der aufkeimenden Nacht gewichen. Hinter dichten Wolkenfeldern versteckte sich der abnehmende Mond. Als beide den Parkplatz der kleinen Klinik erreichten, war dieser völlig menschenleer. Taichi zog den Schlüssel ab und starrte seufzend nach vorne. „Ich bringe dich noch rein. Sicherlich wirst du jemanden brauchen, der die Untersuchung bezahlt, schließlich bist du nicht krankenversichert. Außerdem sollte in der Nacht keine Frau alleine über einen dunklen Parkplatz laufen...“ Sie biss sich angespannt auf ihre Unterlippe und nickte angestrengt. Warum musste er das jetzt auch noch ansprechen? Aber er hatte verdammt nochmal recht. Sie könnte nicht einmal ein Taschentuch bezahlen. Wie sehr sie es hasste so abhängig zu sein. An der Anmeldung sagte Mimi relativ unbeeindruckt worum es ging und was sie geklärt haben wollte. Die Schwester blickte nervös zwischen der jungen Frau und dem großgewachsenen jungen Mann, der neben ihr stand, hin und her. Beide schienen sich nicht sonderlich darüber zu freuen, dass möglicherweise ein kleiner Mensch unterwegs war. Die Notaufnahme war komplett leer und somit dauerte es nicht lange, bis eine ältere Ärztin auf sie zukam. „Folgen Sie mir doch bitte in den Untersuchungsraum. Möchte der werdende Vater mit dabei sein?“ fragte sie höflich und öffnete die Tür. „Nein, ich bin nur der Fahrer. Ich warte draußen...“ sagte Taichi ungewöhnlich entspannt. Als sie seine Stimme vernahm zuckte Mimi zusammen und blieb kurz im Türrahmen stehen. Sie drehte sich nicht um, sondern rang lediglich nach Atem. Ihre zitternden Finger fuhren über ihre Lippen. Angespannt hielt sie ihre Tränen zurück und betrat den Untersuchungsraum ohne ihn. Trotz der offensichtlichen Verwunderung der Ärztin, blieb Taichi standhaft und setzte sich draußen auf den Krankenhausflur. Sein fahles Gesicht verzog sich zu einer angespannten Fratze. Verzweifelt fuhren seine zittrigen Finger durch sein zerzaustes Haar. Ihm war zum Heulen zumute. Aber diese Blöße würde er sich jetzt nicht geben. Wütend wippte er mit beiden Beinen auf und ab. Noch immer spürte er, wie sein Puls raste. Er wollte nicht, dass sie diese Entscheidung alleine traf und sich gegen dieses Kind entscheiden würde. Auch wenn er vielleicht nicht der Vater war, wollte er es einfach nicht. Warum waren Frauen so? Letztlich konnten Männer diese Entscheidungen nicht beeinflussen. Am Ende waren es die Frauen, die einzig und allein über ein neues Leben entschieden und die Männer mussten sich fügen, ob sie damit einverstanden waren oder nicht. In seinem ganzen Leben hatte sich Tai noch nie so hilflos gefühlt. „Hey Fahrer, auf ein Wort...“ Die Stimme der älteren Ärztin riss Tai aus seinen Gedanken. Er wusste nicht mehr, wie lange er jetzt hier draußen saß und wie spät es überhaupt war. Aber offenbar sollte er plötzlich mit in das Behandlungszimmer. „...Fräulein Tachikawa möchte mit Ihnen sprechen.“ Fast schon unfreiwillig schob sie ihn in das Zimmer und machte hinter ihm die Tür zu. Mimi lag mit dem Rücken auf einer gewöhnlichen Untersuchungsliege. Ihre Bluse war bis zur Brust aufgeknöpft und entblößte ihren nackten Bauch. Die ältere Ärztin träufelte erneut etwas Gel über den Bauch, sodass sie die Ultraschallsonde darüber bewegen konnte. Mimi tippte mit ihren Fingern auf den kleinen Hocker neben sich und zeigte ihm, dass er sich setzen sollte. Taichi schnaufte merklich genervt und setzte sich schließlich hin. Ungewollt blickte er in ihre wundervollen haselnussbraunen Augen und dann auf den kleinen Monitor des Ultraschallgerätes. Angestrengt versuchte der junge Mann irgendetwas auf diesem Bild zu erkennen. Er legte seinen Kopf leicht nach links, dann wieder nach rechts, doch wirklich erkennen konnte er nichts. „Was soll das sein? Eine dicke Bohne?“ Die Ärztin schüttelte lachend den Kopf und stellte den Monitor auf Standbild. Sie legte ein trockenes Papiertuch auf den Bauch der werdenden Mutter und wischte die letzten Reste des Gels ab. Mimi konnte sich ihr Lächeln ebenfalls nicht verkneifen und sah zu Tai. „Tai, du bist wirklich unmöglich. Was soll das Kleine von dir denken, wenn ich ihm oder ihr irgendwann erzähle: das erste was dein Vater zu dir sagte war, dass du aussiehst wie eine dicke Bohne!“ Dass die Ärztin das Zimmer bereits verlassen hatte, war Tai überhaupt nicht aufgefallen. Wie zur Salzsäule erstarrte blickte er zwischen den wunderschönen Augen von Mimi und dem Standbild des Monitors hin und her. Angespannt legte er seine Hand gegen die Stirn und drückte Daumen und Zeigefinger gegen seine Schläfen. Was hatte das zu bedeuten? Vor wenigen Minuten knallte sie ihm gegen den Kopf, dass er überhaupt nicht der Vater wäre und jetzt sagte sie so etwas? „Du bist also schwanger und möchtest dieses Kind behalten?“ das war alles, was ihm jetzt dazu einfiel. Zärtlich legte Mimi ihre Hand auf seine und suchte den Blick zu ihm. „Ich bin abscheulich. Alles was ich zu dir gesagt habe war einfach grausam. Ich weiß überhaupt nicht mehr, was richtig oder falsch ist. Aber als ich dieses kleine Ding auf dem Bildschirm sah, da konnte ich diesen Gedanken nicht länger vor mir weg schieben.“ „Welchen Gedanken? Das du Appetit auf Bohnensalat hast?“ er grinste frech und drückte seine Hand zärtlich auf ihren Bauch. Völlig verwirrt starrte sie in sein Gesicht und konnte überhaupt nicht verstehen, warum er jetzt darüber Witze machen konnte. Tai atmete tief ein und schloss seine Augen. „Weißt du was, auch ich habe darüber nachgedacht. Über deine Worte, über deine Reaktion und habe mich gefragt, warum hast du für dich alleine diese Entscheidung getroffen? Warum hast du es billigend in Kauf genommen mich zu verletzen, auf Abstand zu halten und letztlich zu verjagen?“ Er beugte sich etwas über sie und schenkte ihr ein sanftmütiges Lächeln. „Die Antwort war ganz einfach. Dieses Leben, dein Leben in den letzten Monaten hat dich so verdammt hart gemacht. Dieses kleine verheulte, jammernde und wehleidige Prinzesschen ist vollkommen verschwunden. Alles was ich vorfand war eine in sich zurückgezogene, traurige und furchtbar einsame junge Frau auf der Suche nach Schutz und Halt. Mein Fehler war es zu glauben, dass du diesen Schutz und Halt bei mir finden wolltest. Das wolltest du nämlich überhaupt nicht. Du wolltest auf eigenen Füßen stehen und im Schutze deiner Familie neue Kräfte sammeln. Jetzt hast du das Gefühl, wieder alles verloren zu haben und diese Angst vor dem nächsten Verlust lässt es nicht zu, dass ich dich erreichen kann, egal wie sehr ich mich anstrenge.“ Einzelne Tränen kullerten über ihre Wange. „Ich weiß doch, wie sehr du dich anstrengst. Aber ich....“ sanft legte er seinen Finger auf ihre Lippen und unterbrach ihren Satz. „Ich kenne dich jetzt so lange und ich bin mir dessen bewusst, dass du das alles nicht aus Boshaftigkeit machst. Irgendwann hat sich mein Herz dazu entschieden, dieses schreckliche, zickige, dickköpfige und weinerliche Mädchen zu lieben. Und selbst heute, werden sich meine Gefühle nicht ändern. Egal wie ekelhaft du zu mir bist, so schnell wirst du mich nicht los. Denn nach all den Jahren weiß ich ganz genau, dass hinter dieser harten Schale ein unglaublich sanftmütiger, leidenschaftlicher und liebevoller Kern steckt. Du hättest diese Schwangerschaft nicht abgebrochen...“ Tai hielt kurz Inne und sah zu Boden. „...wer ist denn nun der Vater?“ Mimi lächelte sanft und zog sein Gesicht zu sich herunter. Liebevoll hauchte sie ihm einen Kuss auf die Wange. „Ich hätte niemals gedacht, dass du noch dämlicher aussehen kannst, als ohne hin schon.“ Zärtlich fuhren ihre Finger durch sein Haar. Ihre beiden Blicke trafen sich und Taichi konnte seine Verwirrung nicht verstecken. „Ich bin in der achten Schwangerschaftswoche. Ich war in den letzten Monaten mit niemandem sonst zusammen, außer mit dir.“ Misstrauisch zog Taichi seine linke Augenbraue hoch. Sie war also in den letzten Monaten mit niemandem sonst zusammen? Und was war mit Joe? Diese Gedanken schob Taichi schnell wieder beiseite, schließlich hatte er das mit seinem Freund und Mimi geklärt. Dennoch passte seines Erachtens einiges noch nicht ganz zusammen. „Aber vor acht Wochen war doch die Hochzeit. Ich war zwar sehr betrunken, aber zwischen uns ist doch nichts gelaufen? Oder etwa doch?“ Er war so unbeholfen und manchmal auch ein kleiner Trottel. Mimi musste grinsen und kniff ihm in seine Nase. „Eine Schwangerschaft beginnt mit der Befruchtung. Also zu dem Zeitpunkt an dem man miteinander schläft. Das Schwangerschaftsalter wird jedoch ab Zyklusbeginn berechnet, also ab dem ersten Tag der letzten Regelblutung. Somit ist man in den ersten zwei Schwangerschaftswochen noch gar nicht schwanger. Müssen wir da nochmal den Biologie Unterricht besuchen?“ „Nein lass mal, das bei euch Frauen ist mir viel zu kompliziert, reicht doch, dass ich bei der Befruchtung anwesend war, oder?“ Tai grinste schelmisch. „Aber Anwesenheit allein zählt nicht. Auch Theorie und Praxis müssen vorzeigbar sein.“ sie streckte ihm die Zunge raus und knöpfte sich langsam ihre Bluse zu. „Also über meine Praxis hat sich noch keine der Ladys beschwert...“ dafür fing er sich sofort eine Ohrfeige von ihr ein. „Sei nicht so frech!“ tadelte sie ihn mit strenger Stimme, um ihm dann aber wieder ein verliebtes Lächeln zu schenken. „Vielen Dank für dieses besondere Geburtstagsgeschenk. Das hast du wirklich gut gemacht, Papa.“ Tai erwiderte ihren liebevollen Gesichtsausdruck und streichelte ihr zärtlich über die Wange. „Das heißt jetzt also, dass du noch ganz am Anfang bist und wir besonders gut auf dich aufpassen müssen. Also regelmäßig essen und schlafen! Keinen Stress oder ähnliches, richtig?“ Während sich Mimi von der Liege erhob, nickte sie bestätigend. Die ersten drei Monate einer Schwangerschaft waren sehr riskant für das ungeborene Kind. Plötzlich spürte sie seine Hände an ihrer Hüfte, als er sie sehnsüchtig in eine stürmische Umarmung zog. Sobald Tai ihren warmen Körper an seinem spürte und ihren unverwechselbaren Duft in sich aufnahm, wurde ihm zum ersten Mal wirklich bewusst, dass sie von nun an eine kleine Familie sein würden. Beide hatten ein neues Leben in diese Welt gesetzt und würden für den Rest ihres Lebens die Verantwortung dafür tragen. „Egal was passiert, egal wo du bist, egal welche Schwierigkeiten wir meistern müssen. Ich werde immer für euch beide sorgen. Ich bin hier, vor dir und gebe dir alles was ich habe, alles was ich bin und jemals sein werde.“ Fest schloss sie ihre Arme um seine Taille. Selbst wenn sie sich auf ihre Zehenspitzen stellte, reichte sie ihm gerade mal an sein Kinn. Seine muskulösen Oberarme legten sich wie ein schützender Mantel um ihren Körper. Sogar in ihrer dunkelsten Stunde, in den trostlosesten Momenten ihres Lebens, wenn sie ihr hässlichstes Gesicht zeigte, bewies er Stärke und stellte sich ihr mutig entgegen. Seine Finger fuhren zwischen ihre. Sie spürte seinen Atem an ihrem Hals, als er sie dort küsste. Genüsslich seufzte sie unter ihm auf und schmiegte sich an seine kräftige Brust. „Lass uns gehen, ich bringe dich nach Hause.“ Tai löste seine verlangenden Lippen von ihr. Er hätte sich unmöglich länger beherrschen können, zu sehr sehnte er sich nach ihrer Nähe. Zu lange konnte er sie nicht berühren. Zu sehr wünschte er sich mehr, als nur unschuldige Küsse. Hand in Hand verließen beide dieses Krankenhaus und fuhren durch die Nacht zurück zum Haus. „Muss ich jetzt eigentlich etwas spezielles beachten? Außer, dass du kugelrund wie ein Ballon wirst?“ Tai versuchte die Stille zu durchbrechen und legte seine linke Hand auf ihren Oberschenkel. Trotz der freudigen Entscheidung, dass sie das Kind behalten und austragen würde, dass sie nun eine kleine Familie waren, schienen noch immer einige Fragen offen im Raum zu stehen. Waren sie ein Paar? Wie war es um ihre Gefühle für ihn bestellt? Wo würden sie zukünftig wohnen? Würde Mimi ihr Studium fortsetzen? Wie sollten beide ihr gemeinsames Leben finanzieren? Auch Taichi versuchte diese Fragen weitestgehend aus seinen Gedanken zu verbannen, denn in erster Linie wollte er sich einfach nur über die Nachricht freuen, dass er bald Vater werden würde. Doch seine Freude schien einseitig zu bleiben, denn Mimi wirkte immer noch sehr niedergeschlagen. „Tai ich....ich muss dir noch was sagen...“ stotterte sie angespannt und krallte sich an seiner Hand fest. Der junge Mann verlangsamte das Tempo und brachte das Auto schließlich zum stehen. Seine Kehle fühlte sich staubtrocken an und in der Dunkelheit fiel es ihm schwer, ihre Augen auszumachen. „Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, ständig versucht die richtigen Worte zu finden. Aber ich glaube, dass es einfach nicht immer die richtigen Worte gibt. Alles was du zu mir gesagt hast, so wie du mich siehst, ist soviel mehr, als ich mir je gewünscht habe. Mit jedem neuen Tag zeigst du mir, wie wichtig ich dir bin. Ich fühle mich so unbeholfen, wie ein kleines Mädchen, dass sich in einem dunklen Wald verlaufen hat. Immer auf der Suche, nach dem Licht, das mich aus der Dunkelheit führen könnte. Auf der Suche nach Schutz und Geborgenheit. Aber dabei hatte ich das Glück ständig vor meiner Nase.“ Mimi hielt kurz Inne und wischte sich über ihre feuchten Augenränder. Sie dachte an die Worte ihrer Großmutter, dass es die kleinen Dinge im Leben sind, die unsere Träume erst wirklich riesig werden lassen. Als sie weitersprach, drehte sie sich etwas zur Seite und sah Tai direkt in die Augen. „Wir beide sind über Jahre hinweg aneinander vorbei gegangen. Immer wieder nach einander suchend, uns vermissend und doch nicht dazu in der Lage uns gegenseitig festzuhalten. Und jetzt, jetzt habe ich schon wieder das Gefühl, alles verloren zu haben. Die Realität reißt mir den Boden unter den Füßen weg. In meiner Brust zerfetzen mich Gefühle von Trauer über den Tod meiner Großmutter und Freude über die Schwangerschaft. Aber egal wohin ich blicke, egal wann ich dich anschaue, ich sehe nur dich! Mit all deiner Liebe für mich und all den Narben, die ich auf deinem Herzen hinterlassen habe.“ Hingebungsvoll streichelte Mimi die Konturen seines Gesichtes nach. Seine Bartstoppeln kitzelten unter ihren Fingerkuppen und kurzzeitig bildete sie sich ein, etwas nasses auf seiner Haut zu spüren. „In deinen Augen sehe deinen Stolz und deine Wut aber auch dein großes Herz und deinen Mut. Ich liebe deine Art mich anzusehen. Wie du immer sofort weißt, wie es mir geht. Wenn du mir ein Lächeln schenkst, sind all meine Sorgen vergessen. Jede Minute, jede Sekunde die du an meiner Seite bist, wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dass du mich berührst und wenn du mich dann endlich küsst, verliere ich mich in meiner Sehnsucht nach dir.“ Plötzlich packte Tai sie im Nacken und zerrte ihren Kopf förmlich zu sich. Er konnte nicht länger an sich halten. Diese Emotionen in seiner Brust brachen alle gleichzeitig über ihn herein. Völlig orientierungslos, nicht mehr wissend wo oben und unten war, presste er seine Lippen auf ihre. Bereitwillig gewährte sie seiner Zunge Einlass und schlang ihre Arme um ihn. Mimi schmeckte ihn so intensiv, spürte seine raue Hand in ihrem Genick, hörte seinen hämmernden Herzschlag und fühlte seine Tränen an ihrer Wange. Vorsichtig löste sie sich von ihm. Ihre Stirn lehnte sie gegen seine und vergrub ihre Finger in seinem dichten Haar. Unter beständigem Schluchzen versuchte sie, ihre weiteren Worte mit Fassung zu formulieren. „Und wenn ich ehrlich bin, dann habe ich das alles so gewollt, den ganzen Schmerz und all das Glück mit dir. Weil ich weiß, dass du derjenige bist, der für mich bestimmt ist. Oftmals fühlt es sich so an, als seist du ein weit entfernter Fremder. Aber wenn wir zusammen sind, dann weiß ich genau, dass ich diejenige bin, die dich vervollständigen wird. Ich weiß, dass du von Anfang an da gewesen bist und auf mich gewartet hast....“ Ihre Stimme brach ab, doch als Tai ihr zärtlich über den Arm streichelte, konnte sie den letzten Mut endlich aufbringen und ihm das sagen, was ihr schon so lange auf dem Herzen lag. „Und jetzt bist du es, der mich und mein Leben komplett macht. Wenn auch unbeabsichtigt hast du mir das größte Geschenk auf der Welt gemacht. Du hast mir nicht nur dein Herz, sondern auch ein neues Leben geschenkt. Ich liebe dich so sehr.“ Alles was jetzt um ihn herum passierte, konnte er überhaupt nicht mehr wahrnehmen. Biochemische Prozesse in seinem Hirn vernebelten ihm die Sinne. Dopamin mischte sich mit Adrenalin und Taichi spulte ihre letzten fünf Worte wie ein Mantra in seinen Gedanken ab. Es war ein unbeschreiblich großartiges Gefühl, dieses Liebesgeständnis endlich von ihr zu hören. Obwohl sie im Moment so zerbrechlich wie noch nie in ihrem Leben war, offenbarte sie ihm ihre Liebe. Seine Gliedmaßen kribbelten bis in die Fingerspitzen und seine gesamte Haut war von einer Gänsehaut überzogen. Er konnte nicht anders, als sie einfach in seinen Armen zu halten. Sie dicht bei sich zu spüren, um sicher zu sein, dass es kein Traum war. „Ich hoffe, dass du mich auch dann noch liebst, wenn ich deine unehelich gezeugte Brut unter meinem Herzen trage und kugelrund wie ein Ballon bin...“ Über ihre flapsig daher gesagten Worte musste Tai unter Tränen lachen. Langsam löste er sich etwas von ihr und zunächst trocknete er ihre Tränen, indem er sie sanft mit seinen Lippen auffing, bevor er sich selbst beschämt mit dem Ärmel seines Hemdes die letzten Überreste seiner Tränen aus dem Gesicht wischte. „Weißt du, selbst bei 3 F würde ich dich noch lieben.“ Tai erkannte ihren fragenden Blick und grinste süffisant bevor er seinen Satz zu Ende führte. „Fett, fies und furzend...“ Sofort schlug sie ihm gegen die Schulter und zeigte sich sichtlich empört. „Was fällt dir ein? Du bist so ein Widerling! Ich überlege mir das lieber alles nochmal...“ grinsend verschränkte sie ihre Arme vor der Brust. „Den Fahrer schlägt man nicht!“ gluckste Tai kichernd und startete den Motor des Autos. „Ja richtig und mit dem Fahrer spricht man nicht! Also sei still und fahr los.“ Bevor er ihrer Anweisung folgte, sah er zu ihr und streichelte über ihren Bauch. „Wie ist denn jetzt unser Beziehungsstatus?“ Ein breites Grinsen schmückte ihr Gesicht als sie seine Frage hörte. „Ich weiß nicht, was deine weiteren Pläne sind. Aber mein leerer Ringfinger sagt noch immer »ledig«.“ Tai zog seine Unterlippe grinsend zwischen seine Zähne und zwinkerte ihr zu. „Dann sollten wir deinen Statusbericht schnellstmöglich auf »verheiratet« updaten, oder? Aber das System zu rebooten dauert immer eine Weile. Vielleicht kannst du dich vorab mit »vergeben an Taichi Yagami« begnügen?“ Verdutzt riss Mimi ihre riesigen haselnussbraunen Augen auf. Hatte er gerade »verheiratet« gesagt? Ein schüchternes Lächeln färbte ihre kirschroten Lippen. Sie lehnte sich zurück in den Sitz und hing kurz dieser Vorstellung nach, wie es wäre mit ihm verheiratet zu sein. Wie jedes Mädchen, hatte auch Mimi ihre Vorstellungen von einer Traumhochzeit, aber im Moment war es wirklich sehr unrealistisch von einer Hochzeit zu sprechen. Zum einen war es einfach nicht der richtige Zeitpunkt und zum anderen standen sie gerade erst am Anfang eines noch langen gemeinsamen Weges. „Unter vorbehaltlicher Rücksprache mit dem Administrator, kann ich mit dem von dir vorgeschlagenen Beziehungsstatus mitgehen.“ Auf dem Rückweg kamen sie am Gemeindehaus vorbei und Mimi bat Taichi darum, noch einmal anzuhalten, sodass sie die Gelegenheit bekam, sich noch ein letztes Mal von ihrer Großmutter zu verabschieden. Taichi hielt ihre Hand, während sie den großen Saal betraten. Alles war unverändert. Die Stühle standen starr in Reihe und Glied, während sich am vorderen Ende des Saales der aufgebahrte Sarg befand. Davor lagen unzählige Blumenkränze. Der starke süßliche Geruch der Königslilien erfüllte den gesamten Raum. Neben dem Sarg befand sich ein antiker Mahagonitisch mit aufwändigen Schnitzereien auf der Oberfläche. Die glänzend goldene Färbung des Kondolenzbuches, ließ die Vertiefungen der Schnitzarbeiten hell schimmern. Zahlreiche Seiten waren von den vielen Gästen abgegriffen und Mimi blätterte gedankenverloren darin herum. Sie las sich einige Trauerbekundungen einzelner Gäste durch, bis sie schließlich die erste Seite und somit die Gästeliste aufschlug. Sehr viele Personen hatten ihre Unterschrift gesetzt und waren zur Trauerfeier von Kimiko erschienen. In filigran geschwungenen Kanji setzte Mimi an das Ende der Liste ebenfalls ihren Namen. Gerade als sie das Buch zuschlagen wollte, viel ihr eine markante Unterschrift im mittleren Teil der Seite ins Auge. »Tachikawa, Sōsuke« Entsetzt warf sie das Buch zu und wich einige Schritte vom Tisch zurück. Das konnte unmöglich sein, aber die Unterschrift ihres Vaters würde sie überall wiedererkennen. Im selben Moment hörte sie die Stimme ihres Freundes und fuhr erneut zusammen. „Sieh mal, das sind Blumen von deinem Vater. Auf der Schärpe steht: »In ewiger Liebe, dein Sohn. Ich werde dich sehr vermissen.«...“ Taichi strich mit seinen Fingern über den seiden Stoff der Banderole. „Sicherlich hat er die schicken lassen...“ mit einem wütenden Blick erhob sich Tai wieder von seinen Knien und schob seine Hände in die Hosentaschen. Mimi trat neben Tai und blickte auf den Strauß aus schwarzen Rosen und weißen Lilien. „Nein, er muss hier gewesen sein. Seine Unterschrift ist auf der Gästeliste. Warum hat er nichts gesagt? Warum ist er nicht zu mir gekommen? Wie kann er einfach verschwinden, ohne ein Wort an mich zu richten?“ Ihre Stimme klang dünn und ihre Augen schimmerten gläsern, als sie sich hinkniete und einige Blütenköpfe berührte. Zwischen den unzähligen Kränzen und Sträußen entdeckte sie einen schmalen schwarzen Briefumschlag. Er verbarg sich hinter der rechten Schärpe und Mimi zog ihn langsam hervor. Auf dem Umschlag konnte sie die Schrift ihres Vaters erkennen. Kurz überlegte sie, den Brief zu öffnen und den Inhalt zu lesen. Aber dieser Brief war nicht für sie bestimmt. Mimi richtete sich wieder auf und legte den Brief behutsam unter die gefalteten Hände ihrer Großmutter. Mit größter Wertschätzung und Liebe betrachtete sie das ruhende Gesicht von Kimiko und streichelte ihr sanft über die Wange. „Es ist bedauerlich, dass ihr am Ende doch im Streit auseinander gegangen seid, aber vielleicht stimmen dich seine Worte versöhnlich und ihr könnt zu einem anderen Zeitpunkt wieder miteinander lachen. Du fehlst mir und ich hoffe, dass es dir jetzt besser geht, egal wo du sein magst.“ Als ihre Tränen auf den Briefumschlag tropften, wich Mimi etwas zurück und wischte sich schluchzend über ihre Wangen. „Und du bist doch eine Hexe, du hast von Anfang an gewusst, dass ich schwanger bin und hast diese Söckchen für mich gestrickt.“ sie lachte kurz und legte ihre Hand auf die ihrer Großmutter. „Ich verstehe viele Zusammenhänge noch nicht ganz und ich weiß auch nicht, warum du immer diesen grandiosen Durchblick hattest, aber ich bin so froh, dass du einen Teil meines Lebens begleitet hast. Ich werde dich niemals vergessen.“ Taichi legte von hinten seine Hände um ihre Schultern und drückte ihren Rücken an seine Brust. Im Moment war er so stolz auf sie, wie tapfer sie dieser Situation entgegen trat und wie erwachsen sie sich verabschieden konnte. Ohne Wut und Groll. Er hauchte ihr einen Kuss auf die Wange und hielt sie noch eine ganze Weile in seinen Armen. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Angespannt lehnte er sich gegen die Tür seines Autos. Sollte er jetzt wirklich fahren, ohne mit ihr zu sprechen? Was sollte er ihr auch sagen? Sie lebte jetzt ihr eigenes Leben und hatte offensichtlich einen guten Mann gefunden, der an ihrer Seite stand und auf sie aufpasste. „Wann bist du eigentlich so ein jämmerlicher Feigling geworden?“ Diese bekannte weibliche Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Müde drehte er sich um und lehnte sich mit seinem Rücken gegen die Fahrertür. Lässig griff er in seine Sakkotasche und fingerte eine Zigarette aus der Packung. „Immer noch so eine große Klappe. Manche Dinge ändern sich eben niemals.“ Sie reichte ihm Feuer und grinste geheimnisvoll. „Ich glaube, dass sich in den letzten Jahren sehr viele Dinge verändert haben. Doch du verschließt deine Augen und verpasst die schönsten Momente im Leben. Welchen Preis hast du für deine Karriere bezahlt, Sōsuke?“ „Ach hör schon auf mit deiner Moralpredigt, Asuna. Ich weiß, ihr seid alle soviel bessere Menschen als ich es bin. Willst du das jetzt wirklich mit mir besprechen?“ Die junge Ärztin schüttelte lächelnd ihren Kopf und faltete die Arme vor der Brust. „Ich weiß, dass du ein sturer Bock bist, aber welchen Streit du auch immer mit deiner Tochter gehabt haben magst, es sollte doch nicht so enden, wie zwischen dir und deiner Mutter, oder?“ „Was willst du mir vom Verzeihen erzählen? Nach all den Jahren fällt es dir doch immer noch schwer, mir zu vergeben.“ ein bitteres Lächeln zog sich über seine schmalen Lippen, nachdem er einen langen Zug von seiner Zigarette genommen hatte. „Es würde mir leichter fallen, wenn ich wüsste, dass du mich irgendwann einmal geliebt hast.“ „Vom ersten Augenblick an. Doch manchmal ist es uns nicht bestimmt den Weg gemeinsam zu gehen.“ antwortete Sōsuke unumwunden und fixierte Asuna mit seinem Blick. „Nein, das glaube ich nicht. Vielleicht war es uns nicht bestimmt den Weg Hand in Hand zu gehen, aber dennoch sind unsere beiden Lebenswege durch unsere gemeinsame Tochter unzertrennlich miteinander verflochten.“ „Ich war für unsere Tochter niemals ein Vater und wahrscheinlich nicht einmal für Mimi. Wie sollte ich jetzt ein Teil ihres Lebens sein? Dafür ist es einfach zu spät.“ „Es ist niemals zu spät. Solange dieses Herz in deiner Brust schlägt und du bereit bist zu kämpfen, ist es nicht zu spät für euch.“ ihre Hand legte sich vorsichtig auf seine Brust. Für einen kurzen Moment herrschte Stille zwischen den beiden, bis er plötzlich seine Hand auf ihre legte. Asuna sah zu ihm auf und spürte, dass ihre Wangen leicht erröteten. Warum löste seine Berührung eine solche Aufregung in ihr aus? „Und was ist mit uns?“ sanft zog Sōsuke sie an sich. Asuna drückte sich von ihm weg und lächelte liebevoll. „Vielleicht werden wir uns im nächsten Leben begegnen. Wir werden dann vielleicht endlich verstehen, warum es jetzt nicht geht und warum ich jetzt besser gehe.“ „Warum lässt man gehen, was man später vermisst?“ Sie seufzte leise und löste sich aus seinen Armen. „Du bist gegangen. Du hast dich dazu entschieden und es ist alles solange her, bitte lass uns jetzt nicht davon anfangen. Wenn es auch sehr spät ist, zeigst du dennoch Größe, indem du wenigstens deiner Mutter die letzte Ehre erweist.“ „Es war ein letztes Lebwohl...“ er löschte seine Zigarette und fuhr sich nervös durchs Haar. „Dem ewigen Abschied wird irgendwann neues Leben folgen. Ich glaube, dass deine Tochter in freudiger Erwartung ist und möglicherweise, wird sie ihren Vater jetzt mehr denn je brauchen. Ich kann verstehen, dass du verletzt bist. Das sind wir doch immer, wenn unsere Kinder nicht den Weg beschreiten, den wir uns für sie gewünscht haben. Doch am Ende machst du plus / minus Null, denn sie wird ihren eigenen Weg gehen, zur Not auch ohne dich. Auch wenn man sagt, dass wir alle für unsere Fehler bezahlen müssen, so ist jeder Tag ein Neuanfang. Nutze diese Chance, denn irgendwann ist es vielleicht wirklich zu spät.“ ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Es war weit nach Mitternacht, als Taichi und Mimi zum Haus zurückkehrten. Beide saßen noch lange schweigend bei Kimiko. Er hatte nicht gewusst, was er hätte sagen oder tun sollen, um sie zu trösten. Also hielt er sie einfach in seinen Armen. Irgendwann hatte sich seine Freundin beruhigt und sie fuhren zusammen zurück zum Haus. Die Nacht war so still, dass man selbst hier oben das Rauschen der Wellen hören konnte. Als beide die wenigen Stufen zur Haustür hinauf liefen, stoppte Mimi abrupt und beugte sich nach unten. Zu ihren Füßen lag ein kleiner Briefumschlag mit ihrem Namen darauf. Zögernd knitterten ihre Finger die Kanten des Umschlages und Taichi konnte an dem nervösen Knabbern auf ihrer Unterlippe erkennen, dass sie Angst hatte diesen Brief zu öffnen. Mit einem Lächeln nahm er ihr das kleine Stück Papier aus der Hand. „Soll ich ihn öffnen und dir vorlesen?“ Als Antwort erhielt er ein stummes Nicken. Gemeinsam setzten sie sich auf die oberste Stufe der Treppe. Taichi öffnete den Briefumschlag mit Bedacht und fing an leise daraus vorzulesen. »Meine liebste Tochter, am heutigen Tag hast du mich sehr stolz gemacht. Du bist zu einer starken jungen Frau herangewachsen und konntest dich sogar deinem herrischen Vater widersetzen und versuchst deinen eigenen Weg zu finden. Soviel Mut und Aufrichtigkeit hätte ich mir für meinen Lebensweg auch gewünscht.Von mir kannst du diese Charakterzüge demnach nicht geerbt haben. Aber ich weiß sehr wohl, wer dir diese Stärken beigebracht hat. Deine Großmutter und dein Großvater waren außergewöhnliche Menschen. Sie haben mich und meine Familie stets respektvoll und mit sehr viel Liebe behandelt. Irgendwann weiß man leider überhaupt nicht mehr, wie man nach dem ewigen Streiten und endlosen Schweigen wieder zueinander finden soll. Ich habe zumindest keinen Weg gefunden und habe meine letzte Chance auf Frieden verpasst. Manchmal muss man erst alles verlieren, um dann zu begreifen, was man hat gehen lassen. Bitte glaube nicht, dass mir meine Eltern nichts bedeuteten. Ich befürchte, umso mehr wir einen Menschen lieben, desto schwerer wird es für uns, dass wir uns eingestehen, wie sehr wir diesen Menschen verletzt haben. Glaubst du, dass wir frei sein könnten, wenn die Vergangenheit und Zukunft gemeinsam verschwinden würden? Frei von allen Konventionen und Fehlern? Wenn ich eines Tages dazu in der Lage sein könnte, das zu fühlen, was in dir vorgeht, die Welt so zu sehen, wie du sie siehst, vielleicht bin ich dann dazu in der Lage dich auch so zu lieben, wie du es immer wolltest. Denn ich liebe dich über alles und das ist keine Lüge. Ich wünsche mir, dass du mir mein Versagen und meine Fehler vergeben kannst und ich vielleicht irgendwann wieder ein Teil deines Lebens sein darf. Wenn du mich brauchst, werde ich da sein. Gib mir einfach ein Zeichen, wenn du dazu bereit bist. Auch wenn es mittlerweile einen anderen Mann in deinem Leben gibt, der dich liebt und dir alles gibt, was du dir wünscht, möchte ich, dass du weißt, dass in der Zwischenzeit kein Tag vergehen wird, an dem ich nicht an dich denke. In Liebe, dein Vater.« Als Taichi den letzten Satz beendet hatte, faltete er das Stück Pergament wieder zusammen und schob es zurück in den Briefumschlag. Mimi hatte ihre Knie dicht an ihren Körper gezogen und ihre Arme drum herum geschlungen. Ihr Kopf lehnte an seiner Schulter und Tai spürte, dass ihre Tränen den Stoff seines Hemdes bereits durchtränkt hatten. Er platzierte den Brief auf ihren Schoß und legte seinen Arm um sie. Liebevoll streichelte er ihre Schulter und küsste ihre Stirn. „Hey Süße, das sind doch wirklich sehr aufrichtige Worte. Meinst du nicht, du könntest einen Schritt auf ihn zugehen?“ Eine Antwort blieb sie ihm schuldig, aber Tai versuchte es noch einmal. „Vielleicht sollte es zwischen dir und deinem Vater so laufen. Vielleicht sollt ihr nach diesem komplizierten Auf und Ab nun endlich wieder zueinander finden? Was wäre das Leben, ohne den Mut etwas zu riskieren? Sind wir nicht alle nur unbedeutende Statisten in diesem Stück was wir Leben nennen? Ist uns nicht am Ende sowieso alles vorherbestimmt? “ „Am Ende ist unser Schicksal vielleicht wirklich vorherbestimmt, aber ob wir es kampflos hinnehmen obliegt uns selbst. Wir haben immer eine Wahl und mein Vater hatte seine Wahl vor langer Zeit getroffen.“ Ihre Stimme klang monoton und kühl. Er richtete sie etwas auf, damit er ihr in die Augen sehen konnte. „Wir haben alle unsere Wahl getroffen. Wir haben alle gute und schlechte Entscheidungen gefällt. Aber manchmal müssen wir unseren Stolz runter schlucken und verzeihen.“ zärtlich strich er ihr die Haare aus dem Gesicht. „Aber du musst heute nichts mehr entscheiden. Ich glaube, dieser Tag war ereignisreich genug. Lass uns einfach schlafen gehen und morgen sieht die Welt schon anders aus.“ Die Nacht war kurz und unruhig. Als der junge Yagami seine verschlafenen Augen aufschlug, blickte er auf den leeren Platz neben sich. Als sie gestern nach Hause kamen, wollte Mimi unbedingt unter die Dusche. Taichi war etwas verwundert, als sie vehement darauf bestand, dass er sie begleitete. Noch nie hatte er so etwas erlebt. Sie suchte jede Sekunde seine Nähe und hing an ihm, wie ein kleines Klammeräffchen. Was wiederum dafür sorgte, dass der junge Mann mit sich selbst zu kämpfen hatte standhaft zu bleiben. Doch letztlich waren es zärtliche Berührungen, Umarmungen und unschuldige Küsse die sie miteinander austauschten. Sie suchte in seiner Innigkeit nach Schutz und den gab er ihr. Danach war es Taichi der darauf bestand, dass sie noch etwas aß. Beide saßen noch lange schweigend, aneinander gelehnt in der Küche, bis sie schließlich gemeinsam in Mimi's Zimmer ins Bett gingen. Er konnte sich an keine Situation erinnern, in welcher er eine Frau so fest in seinen Armen gehalten hatte, bis sie endlich eingeschlafen war. Selbst mit seiner ängstlichen kleinen Schwester gab es keine vergleichbaren Situationen. Immer wieder streichelte er, mit seinen rauen Fingern, über ihren schmalen Rücken und versuchte sie zu beruhigen und doch fing sie immer wieder an zu schluchzen. Seine Augen brannten und Taichi rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Mimi musste sich bereits aus seiner Umarmung gelöst haben und aufgestanden sein. Gestern Abend hatte sie ihm noch erzählt, dass ihre Schwester heute Vormittag vorbei kommen wollte, um sich einige Sachen von Kimiko abzuholen. Da es bereits nach frischem Kaffee duftete, ging Tai davon aus, dass Sae bereits da war und nach dem Grad der Helligkeit zu urteilen, war es mindestens schon 11 Uhr. Gemächlich machte er sich auf den Weg nach unten. Die beiden Frauen saßen im Wohnzimmer. Zwischen ihnen ein kleiner Karton, den sie bereits mit einigen Habseligkeiten gefüllt hatten. Im Moment blätterten beide in Familienalben herum und tranken dazu eine Tasse Kaffee. „Guten Morgen...“ knurrte Tai und trottete in seiner Unterhose ins Badezimmer. Bei dem Anblick seines durchtrainierten Oberkörpers und den strammen Oberschenkeln wurde Sae etwas verlegen. Ihre Wangen färbten sich feuerrot und beschämt starrte sie auf ihre Kaffeetasse. Mimi grinste vielsagend und kniff ihrer Schwester in den Arm. „Na hör mal, du sollst deinem neuen Arzt schöne Augen machen und nicht meinem Kerl!“ „Entschuldige, das ist mir so peinlich.“ hauchte Sae und wendete sich wieder ihrer vorhergehenden Tätigkeit zu. Mimi konnte sich ein leises Kichern nicht verkneifen, doch noch bevor sie sich wieder ihrer Schwester zu wenden konnte, klingelte es an der Tür. Verwundert sahen sich die beiden Frauen an, denn eigentlich gab es niemanden, den sie erwarteten. Die junge Frau fuhr sich durch ihr langes Haar und band sich einen Zopf, während sie zur Haustür lief und diese öffnete. Verblüfft sah sie in das Gesicht eines älteren Herren in einem schwarzen Nadelstreifenanzug. In seiner linken Hand hielt er eine dunkelgraue Aktentasche. Auf seiner Nase ruhte eine dicke Brille, welche er immer wieder mit dem Zeigefinger rauf schob. Ein unsicheres Lächeln umspielte seine Lippen, als neben ihm eine Frau mittleren Alters hervortrat. Es war Tante Mei, die noch etwas müde aussah und schließlich an Mimi das Wort richtete. „Guten Morgen meine Liebe, das ist Herr Mōrita. Er ist Rechtsanwalt und Notar deiner Großeltern gewesen. Heute Morgen stand er bei mir vor der Tür und suchte nach euch beiden. Herr Mōrita möchte mit euch über die Erbschaft sprechen.“ Inzwischen waren Sae und Taichi ebenfalls in den Flur gekommen und beobachteten die Situation. Tai hatte es sogar tatsächlich geschafft sich eine Hose anzuziehen. Nachdem sich Herr Mōrita noch einmal selbst vorgestellt hatte, begaben sich alle gemeinsam in das Wohnzimmer. Er legte seine Aktentasche auf den Couchtisch und öffnete den Verschluss. In seinen Händen hielt er schließlich einige Dokumente und blätterte wild darin herum. „Ihre Großeltern besitzen seit vielen Jahren die größte Fischerei in der gesamten Region. Nach dem Tod ihres Großvaters übernahmen ihre Großmutter und Tante die Leitung des Unternehmens. Nachdem nun leider auch Kimiko von uns gegangen ist, wird das Unternehmen unter den verbliebenen Nachkommen zu gleichen Teilen aufgeteilt. Ihre Großeltern hatten einen Sohn und eine Tochter, somit erben Ihre Tante und Ihr Vater zu gleichen Teilen die Anteile an der Firma.“ Taichi blickte etwas belämmert drein, denn es fiel ihm schwer den Äußerungen des Rechtsverdrehers zu folgen. Doch Mimi schien völlig souverän und schien einwandfrei zu verstehen, worum es ging. „Inwieweit betrifft diese Tatsache mich und meine Schwester?“ fragte sie schließlich und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. „Nun ja, es geht nicht nur um die Firma ihrer Großeltern, sondern ebenfalls um die zahlreichen Grundstücke, Ländereien und das Vermögen der Familie Tachikawa. Zum einen dieses Anwesen und dann einige Ländereien, welche sich in der Region erstrecken und natürlich das Grundstück der Fischerei und die darin enthaltenen Strandflächen und Schiffe.“ Tante Mei mischte sich kurz ein und versuchte den Sachverhalt aufzuklären. „Kimiko hatte zu Lebzeiten bereits festgesetzt, wer dieses Anwesen und die Grundstücke in Tateyama bekommen soll. Sie wollte, dass Mimi dieses Haus bekommt und Sae die restlichen verbliebenen Grundstücksflächen und Ländereien.“ „Mimi soll dieses ganze Haus und Grundstück alleine bekommen?“ entfuhr es dem jungen Yagami plötzlich. Ein rührseliges Lächeln zog sich über ihre Lippen und Mimi sah zu ihrem Freund. Der Rechtsanwalt lächelte und legte die Grundstücksurkunde auf den Tisch. „Aber nicht nur dieses Grundstück. Gestern Abend war Ihr Vater in meinem Büro und hat seinen gesamten Pflichtanteil der Erbschaft auf seine beiden Töchter überschrieben.“ Entsetzt sahen sich Mimi und Sae an. „Was hat das zu bedeuten?“ hauchte die ältere der Schwestern mit erstickter Stimme. „Das bedeutet, dass der Vermögensanteil Ihres Vaters, der sich auf etwa 4,5 Millionen Yen beläuft, unter Ihnen beiden aufgeteilt wird. Außerdem erhalten Sie beide aus den 50% seines Anteils an der Firma jeweils 25% der Aktienanteile. Somit werden Sie drei die einzigen Inhaber des Konzerns sein und Ihre Tante besitzt daran die mehrheitlichen Anteile.“ Im Zimmer herrschte mit einem Mal absolute Stille. Tai rechnete noch immer im Kopf nach, was wohl die Hälfte von 4,5 Millionen Yen waren, während Mimi sich hinsetzen musste. Warum hatte ihr Vater das getan? Wollte er sich freikaufen? Sollte er doch ersticken an seinem Geld. Sae setzte sich neben Mimi und wischte sich über ihre tränenden Augen. „Warum macht er das? Er kennt mich doch überhaupt nicht. Mir bedeutet dieses Geld doch überhaupt nichts...“ murmelte sie. Mei humpelte mit ihrem eingegipsten Bein zu den beiden rüber und setzte sich neben sie. „Ich glaube nicht, dass er sich freikaufen oder sein Gewissen damit bereinigen möchte. Ich denke vielmehr, dass er genau weiß, dass Kimiko es so gewollt hätte. Er ist doch sowieso nicht in Japan und die Führung dieser Firma würde ihm nur zusätzlichen Ärger bereiten. Die ganzen Grundstücke braucht er auch nicht, aber er weiß, dass ihr es gut gebrauchen könnt.“ „Davon völlig abgesehen, hat Ihnen Ihre Großmutter bereits zu Lebzeiten 500.000 Yen überschrieben Fräulein Tachikawa. Ich weiß nicht, wann Sie zuletzt ihren Kontostand überprüft haben, aber darauf befinden sich bereits die gesamten Vermögenswerte und monatlich erhalten Sie die Renditen aus Ihren Anteilen an der Firma sowie die Gewinnauszahlung. Also wenn ich mir diese Anmerkung erlauben darf, Geldsorgen dürften Sie die nächsten Jahre erstmal nicht haben.“ Der Rechtsanwalt legte mit einem höflichen Lächeln sämtliche Unterlagen auf den Tisch. Im selben Moment klatschte Taichi mit seiner flachen Hand gegen seine Stirn. Er konnte es nicht fassen, was er gerade zu hören bekam. Mit einem Mal war seine Freundin eine Multimillionärin und gestern hatten sie sich noch wie die Kesselflicker über Geld gestritten? Also im Moment glaubte er wirklich, dass er sich in einer schlechten Fernsehsendung befand. Seine Auge suchten nach ihren und er war über ihren erschrockenen Gesichtsausdruck völlig entsetzt. Warum freute sie sich denn nicht? Löste diese Botschaft nicht mit einem Mal all ihre Sorgen? Wenigstens hatte ihr Vater jetzt einmal etwas sinnvolles getan. Tai bekam am Rande noch mit, dass Mei den Rechtsanwalt höflich verabschiedet hatte und ihn nach draußen begleitete. Sae war ihrer Tante ebenfalls gefolgt und sprach mit ihr im Flur. Der junge Mann konnte deutlich erkennen, dass sie völlig aufgelöst war und es Mei schwer fiel, die junge Frau zu beruhigen. Mimi hingegen saß regungslos auf dem Sofa und starrte ihre nackten Füße an. „Mimi, ich verstehe eure Reaktion überhaupt nicht. Sind das denn keine guten Nachrichten?“ sagte er euphorisch und setzte sich auf den Couchtisch, mitten auf die Dokumente. „Ich kann das einfach nicht glauben...“ murmelte Mimi. „...erst dieser Brief und jetzt das. Warum kann er denn nicht einfach nur hier sein? Ich will sein Geld doch überhaupt nicht.“ „Das ist nicht sein Geld. Es ist das Geld deiner Großeltern und ich glaube, dass dein Vater einmal das Richtige getan hat. Nicht für dich, sondern für seine Mutter. Kimiko hätte es genauso gewollt.“ Er legte seine Hände auf ihre und grinste sie frech an. „Jetzt müssen wir uns darüber keine Gedanken mehr machen und du wirst mir gefälligst ein schönes neues Motorrad kaufen!“ Ihre haselnussbraunen Augen sahen zu ihm auf und erneut hatte er es geschafft, sie zum lachen zu bringen. „Du bist ein blöder Idiot! Als ob ich dir ein neues Motorrad kaufen würde, dann müsste ich auch gleich die nächste Stelle für eine Tätowierung aussuchen.“ Zärtlich legte er seine Hand an ihre Wange und zog sie langsam zu sich. „Wir werden das gemeinsam schaffen. Ich liebe dich auch mit deinem ganzen Geld.“ Mimi lehnte ihre Stirn gegen seine und lachte laut auf. „Wie soll es jetzt weiter gehen? Schließlich musst du zurück. Du hast eine Wohnung und musst dein Studium beenden.“ „Mhm, was hältst du davon, wenn wir erstmal zusammen zurück nach Tokio gehen. Ich kann mein Studium beenden und du zu Kräften kommen. Am Wochenende können wir doch hier raus fahren und uns um das Haus kümmern.“ er stockte kurz und wurde tatsächlich rot. Mimi sah ihn erstaunt an und küsste seine Nasenspitze. „Warum auf einmal so verlegen?“ „Ich...also....wenn es alles gut gehen sollte, dann könnten wir nach meinem Abschluss hier wohnen. Schließlich hätten wir in diesem großen Haus zu dritt viel mehr Platz.....“ Ihr Blick wurde sanft und sie zog ihn dicht an sich heran. Zärtlich legten sich ihre Lippen auf seine und verschmolzen zu einem hingebungsvollen Kuss. Sehnsüchtig ging Tai darauf ein und umspielte ihre Zunge mit seiner. Ihre Hände lagen auf seiner Brust und drückten ihn plötzlich etwas von sich weg, womit Mimi schließlich den Kuss löste. „Hört sich nach einer guten Idee an.“ hauchte sie verliebt gegen seine Lippen. „Ich liebe dich...“ „Ich liebe dich auch...“ seine Hand fuhr unter ihr Shirt und legte sich auf ihren nackten Bauch. „Nein, ich liebe euch beide. Denn von jetzt an, sind wir zu dritt.“ ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Er verstaute sein Handgepäck in der oberen Ablage und sah auf seine Armbanduhr. Die letzten 72 Stunden waren mehr als anstrengend und sein Kopf schmerzte außerordentlich. Müde ließ er sich auf den ledernen Sitzen der Business - Class nieder und nippte an seinem Glas Champagner. „Herzlichen Glückwunsch meine Hübsche, ich hoffe euch beiden geht’s gut. Vielleicht sehen wir uns bald wieder.“ sagte er und sah gedankenverloren aus dem Fenster des Flugzeuges. Noch immer hing ihm das Gespräch mit Asuna nach. Hatte sie wohl möglich recht damit, dass Mimi ein Kind erwartete? Wann war dieser aufdringliche Wirbelwind eigentlich eine derart intelligente Frau und Ärztin geworden? Sōsuke kam nicht umhin, immer wieder über den letzten Satz der jungen Ärztin nachzudenken: „Neues Leben bedingt immer den Abschied von etwas vergangenem und gleichzeitig den Anfang von etwas neuem. Der Tod und das Leben liegen so dicht beieinander und doch trifft uns beides immer unvorbereitet.“ Kapitel 13: Durch die Stadt bis ans Meer ---------------------------------------- 21. August, Odaiba, Tokyo Vor vier Tagen erfolgte die Beisetzung von Kimiko. Es erstaunte Tai, dass es Mimi überhaupt nicht schwer fiel, das Haus in Tateyama zunächst zurück zulassen und mit ihm zusammen nach Tokyo zu gehen. Für Tante Mei und Onkel Kazuki war es selbstverständlich, dass sie sich während der Abwesenheit des jungen Pärchens um das leerstehende Haus kümmern würden. Für die junge Frau fühlte es sich merkwürdig an, wieder in Tokyo zu leben, in diesem Stadtteil zu wohnen in welchem sie ihre gesamte Kindheit verbracht hatte. Jedes Haus, jede Straßenkreuzung, der schwül heiße Regen auf dem Asphalt und die namenlosem Gesichter der Stadt erinnerten sie an längst vergangene Zeiten. „Warum wohnst du immer noch in Odaiba? Hättest du nicht nach Shibuya ziehen können?“ fragte sie schließlich. Tai zog seine rechte Augenbraue hoch und schwenkte den Regenschirm etwas hin und her. „Wieso sollte ich in Shibuya wohnen? Dort gibt es nur Drogen und Nutten...“ Mimi lachte und legte ihren Arm etwas fester um das kleine Päckchen in ihrer Hand. „Ja eben, hätte doch fabulös zu deinem Lebensstil gepasst.“ Angesäuert zog Tai seine Unterlippe zwischen die Zähne und verdrehte seine dunkelbraunen Augen. „Was soll das denn heißen? Also mit Drogen hatte ich noch nie was am Hut. Außerdem ist »fabulös« überhaupt kein richtiges Wort.“ „Aber mit Nutten hattest du etwas am Hut?“ entfuhr es ihr mit künstlich empörter Stimme. „Ja logisch, wie lange kennen wir uns jetzt schon?“ auf seine unverschämte Äußerung fing er sich einen Tritt gegen sein Schienenbein. Mimi wusste aber, dass er es nicht ernst meinte. Die Brünette streckte ihm frech ihre rosarote Zunge heraus und schmiegte sich an seine Schulter. Sie bogen in die nächste Seitenstraße ein und blieben vor dem zweiten Haus in der Straße stehen. Tai betätigte die Klingel und faltete den Regenschirm wieder zusammen. „Wir kaufen nichts!“ ertönte es aus der Gegensprechanlage. „Na dann kann ich wieder gehen. Hatte eh keine Lust auf einen Kindergeburtstag. Habe nämlich seit kurzem ein Kleinkind in meiner Wohnung wohnen....“ noch im selben Atemzug fing sich Tai sofort einen Klaps von seiner Freundin ein. „Oh Tai, entschuldige....äh....kommt rauf....“ stotterte der junge Mann an der Gegensprechanlage plötzlich. „Wirst du heute brav sein, denn schließlich ist es sein Geburtstag?“ „Ich muss überhaupt nicht brav sein, denn ich bin hier in der Wohnung meiner Eltern. Er sollte brav zu mir sein, dass ich ihm immer noch erlaube mit meiner Schwester rumzumachen.“ Mimi seufzte verzweifelt und betrat den Fahrstuhl im Treppenhaus. „Du bist einfach unmöglich und ein hoffnungsloser Fall.“ Tai grinste und presste seine Freundin gegen die Fahrstuhlwand. „Genau deswegen liebst du mich doch so sehr...“ raunte er verführerisch und küsste ihren Hals. „...willst du es den anderen heute sagen? Also das mit uns?“ Als er ihren Hals mit seinen Lippen berührte, verließ ein genussvolles Keuchen ihre Lippen. Auf seine letzte Frage hin, öffnete sie ihre Augen und sah ihn unsicher an. „Ich weiß nicht. Ich glaube, es ist keine gute Idee den anderen jetzt schon davon zu erzählen. Es ist doch noch viel zu früh. Vielleicht klappt es gar nicht.“ Sofort wich er zurück und starrte sie fassungslos an. Sie erreichten ihr gewünschtes Stockwerk und die Fahrstuhltür ging auf. Tai drückte plötzlich sämtliche Knöpfe an der Konsole des Aufzuges, sodass sie weiter fuhren. „Was soll das?“ schimpfte Mimi und erwiderte seinen fassungslosen Blick. „Was willst du denn damit sagen? Wie lange willst du dieses Versteckspiel denn noch betreiben? Das machen wir jetzt bald seit 9 Jahren. Du bist dir plötzlich nicht mehr sicher? Willst du mich verarschen?“ Es dauerte eine ganze Weile, genau genommen drei Stockwerke, bis Mimi endlich begriff, worum es ihrem Freund ging. Beide hatten aneinander vorbei geredet und nun war ein ziemliches Missverständnis entstanden. Sie lächelte sanft und legte ihre Hand an seine Brust. „Ich glaube wir haben uns missverstanden. Ich habe davon gesprochen, dass ich ihnen nichts von der Schwangerschaft erzählen möchte und du meintest wohl eher unsere Beziehung, oder?“ Die Wut wich aus seinem Gesicht und sein Blick wurde wieder etwas entspannter. „Natürlich meine ich unsere Beziehung. Meinst du etwa ich binde diesem Takeru jetzt auf die Nase, dass ich nicht viel besser bin als er und versehentlich meine Freundin schwängere?“ „Das habe ich gar nicht bedacht. Er hätte dann einen gut bei dir.“ als Mimi den Fahrstuhl verließ und über den Flur zur Wohnungstür lief, folgte ihr Tai und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Was meinst du damit?“ fragte er schließlich und Mimi zwinkerte ihm zu. „Er hätte einen Arschtritt bei dir gut, schließlich hast du ihn ziemlich zugerichtet damals.“ Der brünette Hitzkopf musste hart schlucken, als er wieder daran dachte, wie furchtbar Takeru aussah. Wahrscheinlich hatte Mimi verdammt nochmal recht damit. Der Blondschopf hatte wohl wirklich noch einen gut bei ihm, aber vielleicht nicht unbedingt heute auf seiner Geburtstagsfeier. Hikari öffnete die Wohnungstür und hielt ein kleines Bündel in den Armen. Ihr Sohn war gerade Mal vier Wochen alt und innerhalb dieser kurzen Zeit bereits immens gewachsen. Tai zog seine Schwester sofort in eine innige Umarmung und gab seinem Neffen einen Kuss auf die Stirn. Mimi hingegen begrüßte ihre Freundin etwas zurückhaltender und wendete sich dann dem Geburtstagskind zu. „Happy Birthday...“ hauchte sie ihm ins Ohr, als sie die Umarmung wieder löste und ihm das kleine Päckchen in die Hände drückte. „Vielen Dank, Mimi.“ sagte der Jüngere etwas schüchtern und stellte das Geschenk zunächst zu den anderen. „Alles Gute, ich habe dir bereits das größte Geschenk der Welt gemacht...meine Schwester!“ sagte Tai mit gewohnt herrischer Stimme, schenkte ihm dann aber ein liebevolles Grinsen und zog ihn ebenso in eine unsanfte Umarmung. „Hoffentlich schenkt sie dir noch viele, viele, viele Kinder!“ fügte er hinzu und wuschelte ihm durchs Haar. Beschämt grinste Takeru und nickte dankbar. Auch Hikari war beruhigt, dass ihr Bruder den Groll gegen ihren Liebsten fürs Erste überwunden hatte. „Hallo ihr beiden. Echt komisch, dass Mr. Megageil und Mrs. Haute Couture heute fehlen. Takeru vermisst seinen Bruder sicherlich. Wo treibt sich das frisch vermählte Ehepaar denn gerade in Europa herum?“ Während sie sprach umarmte sie ihren rothaarigen Freund und schenkte Joe einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange. Mit einem lauten Seufzen nahm sie zwischen den beiden Männern auf der Couch platz. „Warum so bissig meine Liebe?“ fragte Koushiro und nippte an seinem Bier. Er grinste unverschämt und konnte nicht verstehen, warum Mimi ihren beiden Freunden so bösartige Spitznamen verpasste. „Was wäre eine Schlange ohne ihre spitze Zunge?“ sagte Joe grinsend und nahm sich vor ihrer Ohrfeige in Acht. „Sie wäre ein dicker, glitschiger Aal.“ kam es nun aus dem Mund von Tai, als er sich zu der kleinen Truppe dazu gesellte. „Ich sehe schon, Pack schlägt sich und Pack verträgt sich.“ knurrte sie gereizt und schlug ihre Beine übereinander. Tai schlug Koushiro fest in die Hand und schenkte Joe zur Begrüßung ein kaum merkliches Lächeln. Im Verlauf des weiteren Abends kamen noch einige Arbeitskollegen und Kommilitonen von Takeru vorbei. Zwischendurch bemerkte Taichi sogar, dass sein Vater kurz da gewesen sein musste, da Hikari in der Küche darüber sprach. Er gesellte sich zu seiner Schwester und hatte nur Augen für seinen kleinen Neffen. Tai nahm ihn auf den Arm und trug ihn durch die ganze Wohnung spazieren. Stolz zeigte er ihn den Gästen der Feier. Mimi saß eine ganze Weile mit Koushiro zusammen und sie unterhielten sich über alles mögliche. Vorwiegend quetschte sie ihn natürlich über seine Freundin aus. Irgendwann hatte Joe mit dem Jüngeren Erbarmen und erlöste ihn aus dieser misslichen Lage. „Ihr wohnt jetzt erstmal wieder in Tokyo? Seid ihr jetzt zusammen?“ Mimi drehte sich zu ihm um und lächelte schüchtern. „Ja, wir wohnen in seiner Wohnung und Tai wird im September mit seinem Studium weiter machen.“ Joe lächelte zurückhaltend und blickte kurz auf den Rand seiner Bierflasche. „Das freut mich für dich. Also vielmehr für euch beide. Es freut mich, dass es endlich geklappt hat.“ Irgendwie fühlte sie sich gerade in dieser Unterhaltung sehr unwohl. Wahrscheinlich ging es ihr jetzt genauso wie Koushiro vor wenigen Minuten. „Aber du wohnst auch wieder in Tokyo. Ist das tägliche Pendeln nicht furchtbar anstrengend?“ sie versuchte nun ein anderes Thema anzureißen. „Nein, es geht. Ich fahre mit dem Zug und da ich im Schichtdienst arbeite, weiß ich sowieso nie welche Tageszeit gerade ist.“ Sie lachte kurz und griff nach ihrem Glas Orangensaft. „Und wie war dein erster Tag? Sind deine Kollegen nett? War eine heiße Krankenschwester dabei?“ nachdem diese Worte ihren Mund verlassen hatten, hätte sie sich auf die Zunge beißen können. Gerade wollte sie noch von einem Beziehungsgespräch ablenken, da Joe irgendwie der Verlierer in dieser ganzen Liebesgeschichte war und jetzt machte sie tatsächlich so eine dumme Anspielung. Doch zu ihrer Verwunderung sah sie einen rötlichen Schimmer auf seinen Wangen und wie der Ältere versuchte ihrem durchdringenden Blick auszuweichen. „Naja, ich hatte irgendwie einen verrückten ersten Tag...“ murmelte er und fing an die Geschichte zu erzählen. *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Er war wirklich hoffnungslos orientierungslos. Jetzt hatte er sich auf dem Weg vom Direktor zum Oberarzt zum zweiten Mal verlaufen, dabei war das Krankenhaus in Kyoto viel größer als dieses hier. Irgendwie war er heute überhaupt nicht bei der Sache, wobei es doch sein erster Tag war. Zur Krönung war er auch noch zu spät dran und legte einen Zahn zu. Als er um die nächste Ecke biegen wollte, rannte ihn plötzlich irgendwas um. Als sein Hinterkopf heftig auf dem gefliesten Boden aufschlug, wurde ihm kurz schwarz vor Augen. Wahrscheinlich musste er sich die Rippen gebrochen haben, denn ein erdrückendes Gewicht schnürte ihm die Brust zu. Er konnte sich keinen Zentimeter bewegen und öffnete unter größter Mühe seine Augen. Auf einmal erkannte er, dass eine junge Frau auf ihm gelandet war. Langes schwarzes Haar kitzelte in seinem Gesicht und zwei zierliche Handflächen krallten sich in seine Brust. Offenbar war sie auch noch etwas von ihrem Zusammenstoß benommen. „Alles in Ordnung?“ stöhnte Joe schmerzvoll und versuchte seinen Oberkörper etwas aufzurichten. Völlig automatisch legte er Daumen und Zeigefinger an ihr Handgelenk, um ihren Puls zu prüfen. Als nächstes schob er ihr die Haare aus dem Gesicht und kontrollierte, ob sie irgendwelche Verletzungen davon getragen hatte. Aber auf den ersten Blick schien alles in Ordnung zu sein. Ein gequältes Stöhnen verließ ihre Lippen, als sie angestrengt versuchte ihre Augenlider aufzuschlagen. Mit einem Mal zuckte der junge Arzt absolut schockiert zusammen. Ihr Gesicht, dieses Gesicht, das hatte er doch schon einmal gesehen. Joe musste tatsächlich ein zweites Mal hinsehen. Diese Frau sah im Gesicht beinahe genauso aus wie Mimi. Diese kirschroten Lippen, das schmale Kinn und natürlich diese Augen. Diese großen glänzenden haselnussbraunen Augen. „Aua...“ jammerte sie und starrte direkt in seine tief dunklen azurblauen Augen. Es dauerte keine zehn Sekunden bis diese junge Frau von ihm aufsprang. Ihr Gesicht verfärbte sich feuerrot und benommen stolperte sie nach hinten. Joe packte ihr Handgelenk und hielt sie fest, bevor sie nach hinten umkippte. Erneut musste er ihre Erscheinung betrachten und die bemerkenswerte Ähnlichkeit zu Mimi feststellen. „Langsam!“ ermahnte er sie besorgt. „Um Gotteswillen! Das ist mir so peinlich. Ich habe Sie umgerannt. Oh nein, ich bin so ein dämliches Schaf! Bitte entschuldigen Sie Dr.....“ verzweifelt suchte die junge Frau nach einem Namensschild an seinem weißen Kittel, doch sie fand keines. Joe hingegen konnte sich ein Grinsen nicht länger verkneifen. Die äußerliche Ähnlichkeit war zwar bezeichnend, aber charakterlich unterschieden sich diese beiden Frauen drastisch voneinander. Bei dieser jungen Frau handelte es sich ganz offenkundig um eine Krankenschwester. Sie trug die typische Uniform des Krankenhauses und hatte eine kleine gefaltete Stoffhaube in ihrem langem schwarzen Haar. An ihrer rechten Brust war ihr Namensschild befestigt. Joe hob seine Brille vom Boden auf und schob sie sich auf die Nase. „Fräulein Watanabe...“ las er leise und blickte wieder in ihre wundervollen braunen Augen. Sofort zuckte sie zusammen und nickte beschämt. „Sicherlich sind Sie der neue Chirurg der heute anfangen sollte, denn Sie tragen noch kein Namensschild. Bitte sagen Sie nichts dem Oberarzt. Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass mir so was öfter passiert, aber irgendwie neige ich des Öfteren dazu, mit anderen Menschen zusammen zustoßen.“ Joe musste unweigerlich lachen und fuhr sich durchs Haar. „Ich kann das sehr gut verstehen. Ich glaube auch, dass aus ungeklärten Gründen mehr Gravitationskraft an mir haftet, als an anderen Menschen. Denn mir passieren solche Unfälle auch ständig. Außerdem haben wir uns wohl beide über den Haufen gerannt. Ach ja, und mit Verlaub, Sie sind gewiss kein dämliches Schaf. Denn Schafe werden von Wölfen gejagt und ich hoffe nicht, dass ein hungriger Wolf hinter Ihnen her war?“ Schüchtern schüttelte sie ihren Kopf und schenkte ihm ein zögerliches Lächeln. Er beugte sich runter und sammelte die durcheinander gewirbelten Aktenblätter zusammen. Als er sie ihr überreichte, sah Joe erneut in ihre atemberaubend glänzenden Augen. „Mein Name ist Joe Kido und wahrscheinlich werden wir uns demnächst noch öfter über den Haufen laufen.“ *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Mimi blieb der Mund offen stehen, als er seine Geschichte beendete. Hatte Joe tatsächlich ihre Schwester getroffen und war mit ihr zusammengestoßen? Als wäre das nicht Zufall genug, hörte es sich verdammt so an, als hätte er ein Auge auf Sae geworfen. „Warte mal, warte mal! Willst du mir etwa sagen, dass du eine junge Krankenschwester getroffen hast, die mir ähnlich sah und du hast mit ihr geflirtet?“ stammelte sie plötzlich. Verwundert sah Joe sie an und überlegte kurz. „Also ich wollte dir erzählen, dass ich eine junge Krankenschwester getroffen habe, die dir verdammt ähnlich sah. Aber ich habe doch nicht mit ihr geflirtet!“ empört über diese Behauptung nippte er erneut an seinem Bier. Mimi lachte gehässig und boxte ihm gegen den Oberarm. „Wer erzählt denn so einen Blödsinn mit Wölfen und Schafen, ohne Hintergedanken? Klar hast du sie angebaggert! Du bist der hungrige Wolf, der dieses kleine wehrlose Schäfchen traf und nur darauf wartet es mit seinen langen scharfen Klauen zu reißen...“ Spielerisch fletschte Mimi ihre Zähne und formte ihre Hände zu bestialischen Krallen. Joe hingegen verdrehte nur seine Augen und versuchte das dämliche Gesicht seiner Freundin zu ignorieren. „Selbst wenn dem so wäre, worüber du dich ja ganz offensichtlich freuen würdest, was ist das Problem?“ „Sie ist meine Halbschwester, du solltest dir das also besser zweimal überlegen....“ Mimi sprach diesen Satz so trocken aus, dass Joe zunächst dachte, sie würde einen Witz machen. „Hör doch auf!“ sagte er und versuchte in ihren Augen zu erkennen, ob sie sich einen Spaß mit ihm erlaubte. Ihre nussbraunen Augen färbten sich ernst und Mimi zwirbelte nervös einige Haarsträhnen um ihren Finger. „Ich mache keine Witze. Ich weiß es auch erst seit den letzten Wochen. Mein Vater hat noch eine Tochter Sie ist ein knappes Jahr älter als ich und arbeitet im Krankenhaus. Ihr Name ist Sae Watanabe.“ Zwischen Mimi und Joe herrschte plötzlich ein betretenes Schweigen. Das konnte doch unmöglich sein. Jetzt traf er eine junge Frau, die ihm wirklich gut gefiel und dann war es ihre Schwester? Natürlich war das völlig irrsinnig und Joe konnte sich unmöglich auf ein Verhältnis mit der Schwester der Frau einlassen, in die er selbst verliebt gewesen ist. Mimi erkannte den Schock in seinem Gesicht und wusste zunächst auch nicht, was sie davon halten sollte. Doch umso länger sie darüber nachdachte, wurde ihr bewusst, dass es doch eigentlich egal war, ob Sae ihre Schwester ist oder nicht. Selbst wenn es die äußere Ähnlichkeit war, die Joe an ihr reizte, so war das nichts ungewöhnliches. Schließlich hatte jeder Mensch doch einen gewissen »Typ« den er bevorzugte. Letztlich beugte sich Mimi zu ihm rüber und legte ihm ihre Hand auf die Schulter. „Das sollte dich nicht davon abhalten sie kennenzulernen. Vielleicht ist es wirklich etwas merkwürdig, aber vielleicht magst du sie auch ihretwegen und es hat überhaupt nichts mit uns zu tun. Sae ist eine tolle Frau und ich denke, dass du dir selbst eine Chance geben solltest.“ Joe schüttelte mit einem bittersüßen Lächeln den Kopf und stellte seine Flasche Bier auf dem Tisch ab. „Lassen wir es dabei...“ murmelte er leise und wollte das Gespräch beenden. Mimi seufzte nachdenklich und musterte sein enttäuschtes Gesicht. „Ach Joe, vielleicht denkst du nochmal darüber nach. Findest du nicht, dass es ein bisschen viel Zufall auf einmal ist? Wegen mir nimmst du die Stelle in Tateyama an, dort triffst du ausgerechnet diese eine Krankenschwester? Hört sich für mich verdammt nach Schicksal an. Wenn es dir schwerfällt, kann ich auch mit ihr darüber sprechen....“ „Nein!“ fuhr er ihr harsch ins Wort. Erschrocken zuckte Mimi zusammen. „Entschuldige bitte, aber wenn, dann möchte ich es selbst mit ihr besprechen. Aber bislang ist es nur eine zufällige Begegnung, mehr nicht.“ Ein zweideutiges Grinsen schob sich über ihre kirschroten Lippen. Selbstverständlich war es mehr als nur eine zufällige Begegnung. Sie wusste nämlich ganz genau, dass auch Sae von dem unerwarteten Zusammenstoß mit dem neuen jungen Arzt schwärmte und sich sowieso sehnlichst wünschte, endlich mit einem auszugehen. Mimi war sich sicher, dass Joe sehr gute Chancen bei der jungen Krankenschwester hatte. Tai lief mit seinem Neffen im Arm zurück zu seiner Schwester, die gerade in der Küche stand und einige kleine Häppchen für das Abendessen zubereitete. „Hey, lass den Kleinen auch mal wieder los. Es ist schließlich nicht dein Sohn.“ „Ich weiß, aber er ist so niedlich und Takeru hat genug anderes zu tun. Ich helfe ihm doch nur und trage seinen Sohn spazieren, sodass ihn jeder bewundern kann.“ Hikari lehnte sich gegen den Küchentresen und trocknete sich die Hände ab. „Und was ist mit dir? Wann ist es denn soweit, oder willst du mir nichts davon erzählen?“ Etwas verwundert sah er seine Schwester an. „Was meinst du?“ „Ihr beide. Was ist das mit euch? Du bist beinahe acht Wochen mit ihr dort gewesen und jetzt wohnt ihr zusammen?“ Irgendwie konnte er nicht verbergen, dass es ihm unangenehm war mit seiner Schwester darüber zu sprechen. „Es war eine harte Zeit für sie und wir sind uns näher gekommen....“ stammelte er unsicher. „Ihr seid euch näher gekommen? Also ich bin doch nicht blöd. Ihr seid euch jedes Mal näher gekommen, wenn ihr zusammen gewesen seid. Nur irgendwie endete es immer im Desaster. Ist es jetzt etwas Ernstes?“ Tai blieb kurz still und dann legte sich ein ungewohnt verliebtes Lächeln auf sein Gesicht. „Ja. Es ist verdammt ernst mit uns beiden.“ Hikari kam auf ihn zu und streichelte erst ihrem Sohn und dann ihrem Bruder zärtlich über die Wange. „Das freut mich so für dich. Ich weiß, wie tief deine Gefühle für sie sind.“ Sie nahm ihm Akio aus den Armen und wollte ihn ins Kinderzimmer bringen. „Ach ja, und wann willst du unseren Eltern sagen, dass du auch bald Vater wirst?“ Sämtliche Gesichtszüge entglitten ihm und Taichi stürmte seiner kleinen Schwester in das Kinderzimmer hinterher. Vielmehr war es sein altes Zimmer, denn Hikari und Takeru wohnten immer noch in der Wohnung der Yagamis. Die Eltern der Beiden waren gerade bei ihrer Tante in Okinawa und deswegen konnte Takeru seinen Geburtstag feiern. „Kari-chan, was sagst du denn da?“ flüsterte er und machte die Tür hinter sich zu. „Ich bin doch nicht blind. Als wir uns das letzte Mal zur Geburt meines Sohnes gesehen haben, war ihr so schlecht. Sie sah blass und müde aus. Natürlich dachten wir uns nichts weiter dabei und zogen sie damit auf. Ob sie denn schwanger sei und dabei hättest du ihr Gesicht sehen müssen.“ Sie legte ihren kleinen Sohn in sein Kinderbett und deckte ihn liebevoll zu. „Und heute trinkt sie keinen Tropfen Alkohol. Also ich bitte dich, Mimi ist keine Frau, die ein Glas Champagner ablehnen würde. Außer es gäbe einen triftigen Grund dafür.“ Der lückenlosen Deduktion seiner Schwester konnte Taichi nichts hinzufügen. Er schluckte hart und spürte, wie ihm heiß und kalt zu gleich wurde. „Dein Schweigen sagt alles. Wie kannst du das verheimlichen? Was ist nur mit dir los? Erst hasst ihr euch und dann macht ihr plötzlich ein Kind miteinander? Wie lange soll das gut gehen? Takeru und mir machst du die Hölle heiß und dabei bist du selber nicht viel besser!“ ihr Flüstern klang scharf und bedrohlich. „Warum bist du jetzt so wütend?“ „Weil du Takeru genau dafür verurteilt hast. Aber er und ich waren lange ein festes Paar. Du und Mimi seid eine hitzige On-Off-Liebschaft. Wenn es mit euch nicht klappen sollte, bleibt dieses Kind trotzdem und es wird immer beide Eltern brauchen.“ Er fuhr sich durchs Haar und stöhnte genervt. „So ist das nicht. Wir sind jetzt fest zusammen. Es wird klappen. Dieses Kind wird mit beiden Eltern aufwachsen. Ich werde es besser machen als unser Vater.“ Hikari zischte scharf und drehte sich abschätzig von ihm weg. „Was macht dich da so sicher?“ Tai schlang seine Arme um seine Schwester und drückte sie an seine Brust. „Weil ich sie liebe.“ Die junge Mutter sah im fahlen Licht der rötlich schimmernden Dämmerung in das Gesicht ihres Bruders und erkannte, dass es ihm so ernst wie noch nie war. Sie lächelte entschuldigend und schmiegte sich an seinen warmen Körper. „Wenn es wirklich so ist, dann wünsche ich euch nur das Beste. Ihr habt euch so lange gesucht und endlich gefunden. Ihr beide habt es wirklich verdient.“ „Ich danke dir.“ sagte er leise und küsste die Stirn seiner Schwester. „Aber bitte behalte es für dich, sie ist noch am Anfang und wir möchten die gute Nachricht erst verbreiten, wenn die risikohafte Zeit vorüber ist.“ Natürlich würde sie es für sich behalten, aber irgendwas anderes beschäftigte ihren Bruder immer noch. Sie konnte es nicht ganz greifen, aber es schien, als würde ihm noch etwas auf der Seele brennen. „Willst du noch etwas anderes mit mir besprechen?“ fragte sie und löste sich aus seiner Umarmung. Erneut färbte sich sein Gesicht rot, was jedoch im Dämmerlicht nicht auffiel. Es war ihm unangenehm und Tai wusste nicht, ob es falsch sein könnte, mit seiner Schwester über ein solches Thema zu sprechen. „Ich komme mir so dumm vor, wenn ich mit dir darüber spreche.“ „Was ist es denn?“ „Naja, also, wir haben es nicht mehr getan seit....naja also eigentlich seitdem das Baby entstanden ist....“ er kratzte sich verlegen am Hinterkopf und versuchte weiter zu sprechen. „Ich verstehe ja, dass es kein guter Zeitpunkt ist. Ihrer Großmutter ging es sehr schlecht, dann ist sie gestorben und natürlich denkt man dann überhaupt nicht an so etwas. Außerdem habe ich jetzt Angst, dass ich ihr und dem Baby wehtun könnte. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich mich verhalten soll....“ wie ein kleiner Schuljunge stammelte er vor seiner Schwester herum. Sie musste lächeln und sah nochmal nach ihrem schlafenden Sohn. „Das war die erste Zeit bei mir und Takeru auch so. Wir haben wochenlang nicht miteinander geschlafen. Aber dann haben wir darüber gesprochen und trotz der Schwangerschaft, kann man alles miteinander machen. Gegen Ende hin sollte man nur etwas vorsichtiger werden...“ „Ah! Ich will das nicht hören! Du machst so was nicht mit ihm!“ der großgewachsene Brünette hielt sie die Ohren zu und verzog ein angeekeltes Gesicht. „Ach so und dein Neffe ist quasi per unbefleckter Empfängnis entstanden?“ „Warum denn nicht? Millionen von Christen können sich nicht irren. Also lass mich bitte auch in dem Glauben, dass meine unschuldige, jungfräuliche kleine Schwester zufälliger Weise einen Sohn geboren hat.“ Sie seufzte lachend und schlug ihm gegen die Brust. „Du dummer Idiot. Aber sei nicht so verklemmt. Sprich mit ihr darüber und dann wirst du sehen, was sie dazu meint.“ Hikari öffnete die Zimmertür und drehte sich nochmal zu ihrem Bruder um. Ein zweideutiges Grinsen zeichnete ihr Gesicht und sie streckte ihm frech die Zunge heraus. „Außerdem sorgen die Schwangerschaftshormone dafür, dass wir Frauen unglaublich scharf werden und es immer und überall wollen!“ Taichi konnte schon die Kotze, die sich seinen Hals rauf schob, in seinem Mund schmecken. „Igitt!“ knurrte er und versuchte die Bilder in seinem Kopf zu verdrängen. Zurück im Wohnzimmer gesellte sich Taichi zu Joe, Koushiro und seiner Freundin. Liebevoll legte er seinen Arm um Mimi und gab ihr einen Kuss. Dafür fing er einen verwirrten Blick von Koushiro, welcher sich aber gleich wieder seinem Gespräch mit Joe zuwendete. „Offenbar ist keiner wirklich verwundert wegen uns.“ sagte er liebevoll und gab ihr erneut einen Kuss. „Was dachtest du denn? Die anderen sind auch nicht blind und blöd.“ antwortete Mimi und löste sich langsam aus seinen Armen. Sie musste mal für kleine Prinzessinnen. Als sie fertig war, traf sie Hikari im Flur. „Schläft der Kleine schon? Ich hätte ihn gerne nochmal durchgeknuddelt.“ „Ja, er schläft. Tai hat ihn ganz müde getragen. Ich freue mich für euch beide. Also, dass ihr jetzt endlich zusammen seid.“ Hikari schob Mimi in die Küche und sah sie besorgt an. „Geht es dir gut? Du kannst immer mit mir sprechen...“ in der Stimme der jungen Yagami lag echte Sorge. „Hat er dir es etwa erzählt?“ vorwurfsvoll starrte sie in die braunen Augen ihrer Freundin. „Er kann seine Klappe einfach nicht halten...“ „Nein, sei nicht wütend auf ihn. Ich habe es mir schon gedacht, dass du schwanger bist. Ich fürchte nur, dass dein Körper sehr stark auf den Stress, den du in den letzten Wochen hattest, reagieren könnte. Du solltest alles vermeiden, was dich in irgendeiner Weise negativ beeinflussen könnte. Stattdessen solltest du dir schöne und entspannende Momente schaffen...“ Mimi sah traurig zur Seite und stützte ihren Arm an der Wand an. „Ich weiß, aber im Moment kann ich es mir einfach nicht erlauben so durchs Leben zu gehen, als wäre nichts gewesen. Meine Großmutter ist gerade mal vor einer Woche gestorben. Da kann ich doch nicht zur Tagesordnung übergehen.“ „Aber ich glaube nicht, dass es deine Großmutter gefreut hätte, wenn du in ewiger Trauer verharrst. Das Leben muss und es wird unaufhörlich weiter gehen, auch wenn wir einen geliebten Menschen verlieren. Wir alle haben nur unsere begrenzte Zeit auf diesem Planeten und wir sollten jede Minute genießen....“ Nervös knabberte Mimi auf ihrer Unterlippe und wickelte erneut einige Haarsträhnen um ihren Finger. „Ich weiß, aber ich habe das Gefühl, dass er mich nicht attraktiv findet. Er macht immer dumme Witze, dass ich jetzt bestimmt furchtbar dick werde. Wenn wir zusammen im Bett liegen, dann schläft er gleich und versucht überhaupt nicht mich anzufassen. Vielleicht will er mich überhaupt nicht mehr.“ „Auch für ihn war es eine anstrengende Zeit. Er ist seit einigen Tagen wieder arbeiten und bereitet sich auf seine Prüfungen vor. Außerdem glaube ich, dass er einfach selbst unsicher ist. Er hat angst dir wehzutun. Er weiß nicht, ob du es überhaupt willst, dass er dich berührt. Wahrscheinlich solltet ihr darüber sprechen.“ Hikari seufzte laut und musterte ihre attraktive Freundin von oben bis unten. „Gottverdammt, schau dich doch mal an! Du bist unglaublich sexy. Der will dich und wenn nicht, dann sollte er seine sexuelle Orientierung nochmal überdenken.“ Hikari legte ihre Hand auf Mimi's Schulter und lächelte sanft. „Hör einfach auf dein Herz und schalte das da oben....“ sie tippte auf ihre Stirn „...einfach mal aus. Gib dich dem Moment hin und genieße die Zeit mit ihm.“ Es war noch nicht wirklich spät, aber als sich Joe und Koushiro verabschiedeten, hatten auch Tai und Mimi keinen Grund noch länger auf dem Geburtstag zu bleiben. Außerdem sollte Takeru noch die Möglichkeit haben mit seinen anderen Freunden ausgelassen zu feiern, ohne das ein mürrischer Taichi ihn ständig beobachtete. Das Gewitter von heute Nachmittag hatte sich gelegt und die schwüle Hitze des Tages hing zwischen den Hochhäusern des Viertels fest. Hand in Hand schlenderte das Pärchen zurück in ihre Wohnung. Tai konnte überhaupt nicht aufhören von seinem Neffen zu schwärmen. Irgendwie gefiel es ihr, wie sehr er sich für ein Kind begeistern konnte. Wahrscheinlich wünschte er sich schon länger eine eigene Familie und Mimi ertappte sich dabei, wie sie sich ein kleines bisschen mehr in ihn verliebte. Während Tai die Wohnungstür aufschloss, schlang sie plötzlich von hinten ihre Arme um ihn. Kurzzeitig verlor er sein Gleichgewicht und stolperte in die Wohnung. „Hey...“ murmelte er und drehte sich schnell zu ihr um. „...du schmeißt mich ja fast um...“ liebevoll nahm er sie in seine Arme und trat mit seinem rechten Fuß gegen die Wohnungstür, sodass diese mit einem lauten Knall ins Schloss fiel. „Alles in Ordnung?“ fragte er schließlich nach, als er keine Antwort von ihr bekam. Mimi klammerte an ihm und presste ihren Kopf gegen seine Brust. Sie nickte stumm und richtete ihren Blick nach oben. Sie liebte den Duft seines Parfüms und das Gefühl seiner starken Hände auf ihrem Rücken. Ihre nussbraunen Augen spiegelten eine ungewohnt tiefe Sehnsucht. Er war irgendwie überfordert, denn einen solchen Ausdruck hatte er noch nie zuvor in ihren Augen gesehen. „Küss mich...“ ihre Aufforderung hallte in seinen Ohren wieder und Taichi spürte, wie sich sein Hals mehr und mehr zusammenzog. Etwas zögerlich beugte er sich zu ihr runter und strich ihr zärtlich über die Wange. Ihre Hände fuhren von seinem Rücken nach vorne auf seine Brust und krallten sich in sein Hemd. Sein Herzschlag wurde schneller und dem jungen Mann war bewusst, dass er sich leicht in diesem Kuss verlieren könnte. Und es war ihm scheißegal. Er wollte diese Frau in seinen Armen. Er wollte einfach alles an ihr. Als er seine Augen schloss und seine warmen Lippen auf ihre legte, dachte er nicht länger über das Richtig oder Falsch nach. Gierig zog sie ihn an seinem Kragen, weiter zu sich runter und presste ihren aufreizenden Körper dichter an ihn heran. Das war für Tai das Zeichen, dass sie mehr wollte als nur ein Gute-Nacht-Küsschen. Genüsslich drang seine Zunge in ihren Mund ein und kostete von ihr. Mimi schmeckte nach Orangensaft und den letzten Überresten ihres Kirschbonbons. Seine Hände gingen auf wilde Erkundungstour. Sie trug ein gelbes Top, darunter zeichneten sich die Träger ihres BH's ab. Ihre verdammt enge Jeans hatte sie erst gestern gekauft und sie betonte wirklich jede Rundung an ihrem reizvollen Hintern. Kraftvoll packten seine Hände sie genau dort und drängten ihren Körper sanft in das Innere der Wohnung. Völlig in den heißen Kuss vertieft, bemerkte Taichi überhaupt nicht, wohin er mit Mimi steuerte, denn kurzerhand stieß der Körper der jungen Frau gegen die Lehne des Sofas. Unter einem kurzen erschrockenen Aufschrei rutschte sie mit ihrem Oberkörper die Lehne hinab, sodass lediglich ihre Beine oberhalb lagen. Automatisch schob sich Tai zwischen ihre Oberschenkel und hielt sie genau dort fest. Keuchend richtete sich Mimi wieder auf und musste über ihre merkwürdige Position lachen. „Wirfst du mich jetzt über die Couch oder wie?“ fragte sie kichernd und stützte sich mit ihren Armen auf der Lehne ab. Tai manövrierte ihren Hintern so, dass sie gut auf der Lehne sitzen konnte und sah ihr verführerisch in die Augen. „So ist es viel einfacher, dir deine sexy Jeans auszuziehen...“ sachte stieß er sie wieder nach hinten und öffnete ihren Gürtel. Es dauerte nicht lange, bis er ebenfalls den Knopf samt Reißverschluss bearbeitet und ihr die Hose ausgezogen hatte. Alles ging so wahnsinnig schnell, dass Mimi überhaupt keine Möglichkeit hatte darüber nachzudenken. Eigentlich wollte sie auch überhaupt nicht denken. Ihr gesamter Körper verzehrte sich nach ihm und sie wollte ihn spüren. Als sie seinen kraftvollen Körper zwischen ihren nackten Schenkeln spürte, richtete sie sich wieder auf und zog ihn zu sich runter. Lustvoll versiegelte sie ihre Lippen mit seinen. Ihre Beine verschränkte sie hinter seinem Rücken, um so ihr Gleichgewicht zu halten. Tai schob ihr Top nach oben und berührte ihre weiche Haut darunter. Seine gesamten Berührungen waren irgendwie unkontrolliert und er spürte, wie seine Lust kontinuierlich anstieg. Mit wenigen Handgriffen öffnete er ihren BH und schob diesen, samt dem störenden Oberteil, über ihren Kopf. Als er den Kuss mit ihr löste und seine Lippen über die weiche Haut ihrer wohlgeformten Brüste wandern ließ, keuchte Mimi so laut auf, dass es ihr im nächsten Moment ganz peinlich war. Ihn hingegen stachelte es nur weiter an und Tai dachte überhaupt nicht daran, jetzt aufzuhören. Nun konnte auch Mimi nicht länger an sich halten und stieß ihn mit beiden Händen von sich. Etwas verblüfft starrte er in ihr Gesicht und bemerkte, dass sich ihre flinken Finger am Bund seiner Hose zu schaffen machten. Als er an sich herunter sah, glitt ihre rechte Hand bereits in seine Unterhose. Ein unterdrücktes Stöhnen kroch über seine Lippen und Tai hatte das Gefühl, als würden seine Knie gleich nachgeben. Während ihre Finger seine Männlichkeit umschlossen und ihn relativ hart massierten, waren es ihre Füße, die ihm seine Hose und Shorts runter schoben. Mimi ging wirklich zur Sache und Tai war ein kleines bisschen von ihrer wilden Grobheit beeindruckt. Irgendwie war soeben auch sein Hemd abhanden gekommen, denn er spürte ihre zarten Lippen, die sich über seine nackte Brust hinauf zu seinem Hals küssten. Als sich ihre Zähne sanft in sein Fleisch bohrten, durchfuhr ihn ein süßer Schmerz und Tai musste unwillkürlich stöhnen. Ihre linke Hand umfasste seine Pobacke und er spürte ihre langen Fingernägel, wie sie kleine rote Striemen auf seinem Körper hinterließen. Es gefiel ihm. Er mochte es, wenn sie etwas forsch zu ihm war. Sie war eben eine kleine Wildkatze. Ein letztes Mal drückte er seine Freundin nach hinten und befreite sich dabei aus ihren gierigen Krallen. Missmutig verzog sie einen Schmollmund und beobachtete ihn dabei, wie er ihren Slip langsam über ihre Hüftknochen schob. Ihren Fuß stemmte sie sachte gegen seine Brust und grinste ihn verführerisch an. „Kommst du jetzt bald mal zur Sache?“ fragte sie provokant. Er ließ das letzte Kleidungsstück achtlos zu Boden sinken und beugte sich über Mimi. Sein heißer Atem streifte ihre Haut und machte sie völlig willenlos. Ihre Finger griffen in sein dichtes Haar, doch Tai widersetzte sich ihrem Versuch ihn zu küssen. Mit einem herausfordernden Grinsen ließ er sie wissen, wie erregt er war und hielt sie dennoch hin. „Ich habe leider keine Kondome. Ich möchte nicht, dass wir Zwillinge bekommen.“ mit einem unverschämten Tonfall flüsterte er diesen Satz in ihr Ohr. „Ich hoffe, dass das jetzt nicht dein Ernst gewesen ist. Sonst schicke ich dich wirklich nochmal in die Grundschule...“ knurrte sie und zog ihn mit sich zusammen auf die Couch runter. Etwas unsanft landete er auf ihr und stützte seine Ellenbogen neben ihrem Kopf ab. Mit einem Mal sah er sie unsicher an und schluckte hart. Offenbar hatte sich bei diesem kleinen Sturz sein Gehirn wieder eingeschaltet. In seinem Kopf rotierten die Gedanken. Sollten sie das jetzt wirklich tun? War sie dazu bereit? Würde er sie verletzten? Plötzlich spürte er ihre Finger auf seiner Wange. Zärtlich strich sie über sein Kinn, hinab zu seiner Brust. Mimi winkelte ihre Beine an und packte seine rechte Hand. Langsam legte sie seine Handfläche auf ihren Bauch. „Keine Angst, uns geht es gut.“ flüsterte sie leise und schob seine Hand tiefer. Vorsichtig deutete sie ihm an, dass er sie an ihrer intimsten Stelle berühren sollte. Ihm stockte der Atem und Tai versuchte seinen Kopf von all seinen Sorgen freizumachen. Langsam wanderten seine Finger selbstständig in ihre warme Körpermitte. Ihre sinnliches Keuchen signalisierte ihm, dass er es gut machte. Tai beugte sich hinab und küsste sie hingebungsvoll. Er fühlte wie erregt sie war und drang mit seinem Finger vorsichtig in ihre Weiblichkeit ein. Ihre Zunge schlug immer heftiger gegen seine und ihre Finger waren längst aus seinem Haar gewichen und krallten sich in seine Schulterblätter. Der bittersüße Schmerz dieser groben Liebkosungen hinterließ deutliche Spuren auf seiner Haut. Aber es war ihm total egal, es machte ihn nur noch wahnsinniger. Mit einem Mal löste er sich von ihren Lippen, schob seine Hände unter ihren Hintern, zog ihren Unterleib mit einem kräftigen Ruck dichter zu sich ran und drückte ihre Beine an den Kniekehlen etwas nach hinten. Selbstverständlich passte er dabei auf, dass ihre Knie nicht in ihrem Gesicht landeten. Überhaupt nicht mehr vorsichtig packte er ihre Handgelenke und platzierte sie über ihrem Kopf. Kurzzeitig spürte er die kleinen metallischen Blüten ihres Armbandes. Es entlockte ihm ein Lächeln, dass sie das Armband tagtäglich trug. Doch dann hielt er mit seiner linken Hand beide Gelenke fest umschlossen, sodass sich Mimi kein Stück bewegen konnte. Sehnsucht. Verlangen. Vertrautheit. Liebe. All das sah sie in seinen Augen, als sie den heftigen Druck zwischen ihren Hüften spürte, während er in sie eindrang. Sofort schloss sie ihre Augen und stöhnte erstickt unter seinem Gewicht auf. Auch Taichi musste immer wieder, unter seinen rhythmischen Bewegungen, genussvoll keuchen. Seine Hand ließ locker, sodass Mimi auf der Stelle ihre Arme um ihn schlang. Da er ihre Beine gegen ihren Bauch drückte, drang er sehr tief in sie ein und beide konnten einander so intensiv spüren, wie noch nie zuvor. Überhaupt war in diesem Moment alles so wahnsinnig intensiv. Immer wieder suchten ihre Lippen seine Küsse, immer wieder vergruben sich ihre Finger in seinem Haar, zogen Kreise auf seinem Rücken und hielten sich an seinem durchtrainierten Hintern fest. Mit ihr zu schlafen war einfach atemberaubend. Seine Gedanken kreisten einzig und allein um dieses Gefühl mit ihr verbunden zu sein. Eins mit ihr zu sein. Sie zu lieben. Sie so bedingungslos zu lieben. Durch ihn fühlte sie sich vollständig. Es gab kein besseres Gefühl, als ihn in sich zu spüren. Seine Wärme auf ihrer Haut. Seine Lippen auf ihrem Körper. Seine Hände, die jeden Zentimeter liebkosten. Seine Arme, in denen sie Sicherheit fand und seine zutiefst sehnsüchtigen Augen, die ihr zeigten, wie sehr er sie liebte. Mimi wollte sich unter ihm bewegen, aber es war einfach zu wenig Platz auf der Couch, sodass beide plötzlich miteinander runter rutschten. Etwas verblüfft über ihren kleinen Sturz, rieb sich Mimi lachend ihr Steißbein und rollte sich auf die Seite. „Wow Prinzessin, das hätte böse enden können.“ gluckste Taichi lachend und schmiegte sich mit seiner Brust an ihren Rücken. „Hat es dir nicht gefallen, dass du es so schnell beenden wolltest?“ fragte er flüsternd und knabberte zärtlich an ihrem Ohrläppchen. Sofort erschauderte Mimi und ein leidenschaftliches Seufzen verließ ihre Lippen. Aufreizend schob sie ihm ihr Becken entgegen und presste ihren Hintern gegen seine erigierte Männlichkeit. Beide lagen nun irgendwie in einer Art Löffelchen-Position. Ihre Hand fuhr in seinen Nacken und drückte ihn etwas zu sich runter. Verführerisch legte sie ihre Lippen auf seine und neckte mit ihrer Zunge die seine. „Wir sind jawohl noch lange nicht fertig...“ hauchte sie gegen seinen Mund. Sachte hob Tai ihr oberes Bein etwas an und versiegelte seine Lippen erneut mit ihren zu einem leidenschaftlichen Kuss, während er von hinten in sie eindrang. Im selben Moment krallten sich ihre Fingerspitzen in seinen Nacken und Mimi stöhnte erstickt in seinen Mund. Tai packte ihre Hüfte und drückte ihren Körper seinen Bewegungen entgegen. In dieser Position waren sich beide viel näher. Auch wenn seine Freundin nun mit dem Rücken zu ihm lag, hatte er doch das Gefühl, vielmehr Hautkontakt zu ihr zu haben. Mimi fing an sich selbstständig mit ihm zu bewegen, sodass Tai seine Hand von ihrer Hüfte auf ihren Bauch wandern ließ. Sie spürte, wie sein Kuss plötzlich viel vorsichtiger und zurückhaltender wurde. Mimi legte ihre Hand auf seine und presste sie sanft an ihren Bauch. „Es ist alles in Ordnung, du machst das großartig...“ flüsterte sie schwer atmend und spürte, dass es nicht mehr lange dauern würde. Seine Bewegungen wurden schneller und intensiver. Mit einem Mal verkrampfte sich ihre gesamte Muskulatur. Unkontrolliert fingen ihre Glieder an zu zittern, Gänsehaut übersäte ihren Körper vom Scheitel bis zur Sohle und mit einem lauten Stöhnen erreichte Mimi ihren Höhepunkt. Zitternd suchten seine Finger nach ihren, bis sich ihre Hände miteinander verflochten. Tai konnte sich nicht länger zurückhalten. Sein Höhepunkt brach über ihn herein und erschütterte ihn in seinen Grundfesten. Völlig außer Atem schmiegte er seinen Kopf zwischen ihre Schulter und Hals. Noch immer spürte sie ihn in sich. Seine Wärme auf ihrer Haut, seinen Duft in ihrem Haar, das Kratzen seiner Bartstoppel an ihrem Hals, die Liebe in seinem Blick. „Ich liebe dich...“ ihre Stimme klang noch immer ganz brüchig. „Alles was ich jemals wollte, war ein winziger Teil deines Herzen und jetzt...“ schwer atmend musste er seinen Satz unterbrechen. „...und jetzt hast du alles von mir. Alles was ich bin und jemals sein werde, gehört dir.“ als Mimi seinen Satz vervollständigt hatte, richtete sich Tai etwas auf und blickte sie sehr ernst an. „Du bist die Erste gewesen.“ plötzlich brachen diese Worte aus ihm heraus. Stets hatte er dieses Geheimnis in seinem Herzen gehütet und niemandem verraten. Selbst als Mimi ihn direkt fragte, mit welchem Mädchen er sein erstes Mal hatte, schwieg er. Schweißperlen tropften von seinem Kinn und trafen ihr Dekolleté. Sie wischte ihm einige nasse Haarsträhnen von der Stirn und lächelte. „Die Erste mit der du Sex auf deinem Fußboden hattest?“ Tai schüttelte seinen Kopf und warf ihr für einen kurzen Moment einen zornigen Blick zu. „Nein, das meine ich nicht. Du bist die erste Frau, mit der ich geschlafen habe und ich habe diese Nacht am Pool niemals vergessen. Damals hast du dich bei mir bedankt. Ich fragte dich, wofür du dich bedankst, aber du hast mir nie eine Antwort gegeben.“ Sein Geständnis machte sie kurzzeitig etwas verlegen. Sie war also tatsächlich seine erste Frau? Dafür hatte er sich aber verdammt gut angestellt. Selbst heute konnte sie kaum glauben, woher er all diese Erfahrungen hatte, denn er war ein verdammt guter Liebhaber. Es war mittlerweile vier Jahre her und noch immer wollte er wissen, wofür sie sich damals bedankt hatte? „Du hast mir damals einen Wunsch erfüllt. Solange ich dich kenne, habe ich in deinen Armen immer Schutz gefunden. Egal wie ungerecht und widerlich ich zu dir gewesen bin, du hast mich niemals im Stich gelassen. Also wollte ich unbedingt, dass du mein erster Mann bist. Dabei war mir völlig egal, ob das mit uns klappt oder nicht. Ich wusste, dass du auf mich aufpassen würdest. Das war es, wofür ich mich damals bei dir bedankt habe.“ Etwas beeindruckt sah er sie an. „Aber was wäre gewesen, wenn ich nichts für dich übrig gehabt hätte?“ Mimi lachte laut und stupste ihm mit dem Zeigefinger gegen die Nasenspitze. „Du bist auch nur ein Mann und ich hätte dich früher oder später rumgekriegt.“ Sie schlängelte sich aus seinen Armen und griff nach seinem Hemd, das Tai in ihrem wilden Handgemenge irgendwo auf dem Fußboden verloren hatte. Mimi wollte aufstehen und ins Badezimmer gehen, als sie plötzlich feuerrot anlief und ihn von sich drückte. Er setzte sich aufrecht hin und verstand nicht, warum sie so überstürzt aufstand. „Schau mich nicht so an!“ fauchte sie und presste sein Hemd an ihren nackten Körper. Perplex griff er nach ihrer Hand und zog sie umgehend zurück. Mimi landete auf seinem Schoß und versuchte sämtliche Stellen ihres Oberkörpers zu verdecken. „Prinzessin, was ist denn jetzt los? Schämst du dich plötzlich? Wir hatten gerade Sex auf der Couch, dem Fußboden und das Licht war an, ich habe dich also nackt gesehen. In sehr vielen verschiedenen Positionen und mal ganz nebenbei, war das heute nicht das erste Mal.“ Beschämt starrte sie zur Seite und blies ihre Wangen auf. „Die gesamten letzten Tage sagst du mir, dass ich bald ein dicker Ballon sein werde oder dass ich dir zu dünn bin. Also irgendwie hast du immer was zu meckern. Außerdem schaust du mich überhaupt nicht an, wenn wir nebeneinander liegen...“ Jetzt war es Tai, der sich ein dummfreches Grinsen nicht verkneifen konnte. „Süße, ich starre dich ständig an. Wie ein dreckiger Perversling! Jedes Mal wenn du mir den Rücken zudrehst. Im Bett muss ich mit dem Rücken zu dir schlafen, weil du sonst bemerken würdest, dass es kein Kochlöffel unter der Bettdecke ist. Du machst mich wirklich total verrückt. Aber die letzten Tage waren einfach viel zu viel und ich wollte dich nicht bedrängen. Es gibt soviel mehr zwischen uns als Sex und es ist nur dann richtig gut, wenn es beide wollen.“ Mimi legte ihre Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn. „Also liebst du mich auch, wenn ich einen runden Bauch habe?“ Ihre Haare kitzelten auf seiner nackten Haut. Einfühlsam streichelten seine Finger über ihren Rücken. „Was bleibt mir anderes übrig? Schließlich bin ich daran schuld, dass dein Bauch so rund wird.“ „Richtig und deswegen wirst du mir in den nächsten Monaten alle Wünsche von den Lippen ablesen.“ Sie schenkte ihm einen unschuldigen Kuss, bevor sie aufstand und vollkommen unbekleidet ins Badezimmer marschierte. „Baby, ich werde dir für den Rest unseres Lebens jeden Wunsch von den Lippen ablesen!“ ---------- Die tropische Hitze des japanischen Sommers neigte sich dem Ende. Zwischen den tiefen Schluchten der Hochhäuser tanzten die goldenen Blätter der Ginkgobäume in den letzten Strahlen der schwachen Herbstsonne. Die tiefroten Blätter des japanischen Ahorns tauchten im abendlichen Dämmerlicht die Stadt in eine wohlig warme Färbung. Die Tage wurden unaufhaltsam kürzer und das beständige Zirpen der Grillen verstummte. In den länger werdenden Nächten legte sich eine eisige Schicht aus Frost über die Grashalme und kündigte somit die ersten Vorboten der winterlichen Kälte an. Auch im Alltag des jungen Paares hatte sich mittlerweile sehr viel verändert. Taichi ging wieder regelmäßig in die Uni und absolvierte seine Abschlussprüfungen. Im Frühjahr wollte er sein Studium beenden und endlich einen richtigen Job finden. Im September waren die letzten Trainingseinheiten beendet und im Fußballverein setzte die Winterpause ein. Grundsätzlich störte es den werdenden Vater überhaupt nicht, denn dadurch war es ihm möglich, viel mehr Zeit mit seiner kleinen Familie zu verbringen. Mimi hatte sich inzwischen wieder gut in Japan eingelebt. Es war ihr sogar gelungen, sich in das Geschäft ihrer Großeltern einzuarbeiten und ihrer Tante eine große Hilfe in der Buchhaltung zu sein. Natürlich spielte sie jetzt mit dem Gedanken ihr Betriebswirtschaftsstudium wieder fortzusetzen, wobei Taichi ganz klar wollte, dass sie sich zunächst auf die Schwangerschaft konzentrieren sollte. Überhaupt achtete er sehr auf sie und versuchte sämtlichen Stress von ihr fernzuhalten. Manchmal kam sie sich wie ein Porzellanpüppchen vor und versuchte ihren Freund daran zu erinnern, dass sie sehr wohl selbst auf sich aufpassen konnte. Ihr tat die Arbeit gut und Mimi wollte unter keinen Umständen den ganzen Tag zu Hause sitzen. Dreimal die Woche fuhr sie mit Joe im Zug rüber nach Tateyama und arbeitete in der Firma. Zunächst gefiel es dem jungen Yagami überhaupt nicht, dass die Mutter seines Kindes ständig unterwegs war, aber als er bemerkte, dass es sie glücklich machte, ließ er sie ziehen. Jeden Abend aßen sie gemeinsam, wobei es im Regelfall Tai war, der das Abendessen zubereitete. Mimi blieb schlichtweg eine grausame Köchin. Der gemeinsame Alltag war jedoch nicht das Einzige was sich allmählich veränderte. Auch das ungeborene Kind unter ihrem Herzen wuchs stetig und bald konnte man sogar die charakteristische Wölbung ihres Bauches deutlich erkennen. Von Mal zu Mal erkannte man mehr auf den Ultraschallbildern und das Kind entwickelte sich wahnsinnig schnell. Taichi war wirklich tapfer und begleitete jeden Termin beim Arzt. Mimi war mittlerweile in der 16. Schwangerschaftswoche und man konnte nun das Geschlecht des Ungeborenen bestimmen. Gesetzt den Fall, man hätte etwas auf den Ultraschallbildern erkennen können. Da sich langsam die Lunge entwickelte, fing das Kleine an selbstständig Atemübungen zu machen, was wiederum dafür sorgte, dass es immer wieder Schluckauf bekam und Mimi dadurch nächtelang wach hielt. Inzwischen war es Oktober geworden und seit Tagen hatten Mimi und Hikari eine Überraschungsgeburtstagsparty für Tai geplant. Obwohl der junge Yagami sein gesamtes Leben in Tokyo verbrachte, hatte er es noch nicht geschafft den Tokyo Skytree zu besuchen. Also war es Mimi's Idee, dass die Freunde ihn mit einer kleinen Party im Restaurant des Skytree überraschen könnten. Es war weit nach 19 Uhr, als sechs der acht Freunde im Fahrstuhl standen und gemeinsam mit unzähligen anderen Besuchern zur inneren Aussichtsplattform des Skytree hinauf fuhren. Koushiro, Takeru und Yamato standen genervt neben Hikari und beobachteten Mimi und Sora, die sich wie zwei angestochene Hühner ohne Punkt und Komma unterhielten. Vor wenigen Tagen waren Yamato und Sora aus den Flitterwochen zurückgekehrt und Mimi wollte alles über Europa wissen. „Wer passt denn auf Akio auf?“ fragte der ältere Blondschopf seinen Bruder und betrachtete die Lichter der Stadt aus der Kabine des gläsernen Fahrstuhls. „Mama passt heute auf ihn auf. Ich bin echt froh, mal einen Abend ohne Windelwechseln zu verbringen.“ Takeru seufzte laut und betrachtete die stylischen europäischen Designerklamotten seines Bruders. „Ihr wisst schon, dass wir uns nachher aus dem Staub machen müssen?“ flüsterte Koushiro leise und wippte nervös mit den Füßen auf und ab. „Könntest es ja noch lauter sagen. Ich glaube, Mimi hat dich noch nicht gehört.“ fauchte Yamato und verdrehte seine stahlblauen Augen. „Ist ja gut. Ich hoffe nur, das alles klappt. Tai dreht uns sonst den Hals um!“ flüsterte der Rothaarige weiter und warf einen prüfenden Blick auf die beiden Mädchen. „Der soll froh sein, dass wir ihm helfen. Der ist schon durchgeknallt, so was an seinem Geburtstag durchzuziehen...“ plötzlich erntete Yamato einen Schlag gegen seinen Rippenbogen und japste erschrocken auf. „Ich finde die Idee total süß von ihm und für meinen idiotischen Bruder ist das schon eine wahre Meisterleistung. Also halt jetzt deine blöde Klappe Ishida!“ Hikari funkelte ihn mit ihren dunkelbraunen Augen an und beendete damit das Gespräch der Jungs. Als die sechs endlich die Plattform erreichten, mussten sie sich an den Massen von Besuchern vorbei schlängeln. Die Aussicht über die Stadt war wirklich atemberaubend. Die Lichter der einzelnen Gebäude leuchteten wie kleine Sterne unter ihnen. Mimi war noch immer der festen Überzeugung, dass Joe ihren Freund vom Flughafen abholen und mit ihm zusammen hier her kommen würde. Tai war nämlich vor zwei Tagen zu einer Studienfahrt mit einigen Kommilitonen nach Hongkong aufgebrochen, um dort einem großen Diplomatenkongress beizuwohnen. Sie drückte ihre Handflächen gegen die riesige Glasscheibe und genoss die Aussicht, als plötzlich alles um sie herum dunkel wurde. Einige Besucher fingen an zu spekulieren, dass es womöglich ein Strohmausfall im Inneren des Skytree sein müsste, denn auf den Straßen und in den Häusern der Stadt brannten sämtliche Lichter. Mimi sah sich in der Dunkelheit um und suchte nach ihren Freunden, konnte aber nichts erkennen. Plötzlich ging ein lautes Seufzen durch die Menge und die Menschen versammelten sich vor der riesigen Glasscheibe. Die junge Frau richtete ihren Blick wieder nach draußen und erkannte, dass auf dem Dach des gegenüberliegenden Gebäudes einzelne kleine Fackeln brannten, welche nach und nach ein Schriftzeichen bildeten. Wenige Sekunden später erschien ein weiteres Schriftzeichen auf einem anderen Dach. Das ganze wiederholte sich im Wechsel, bis sich schließlich ein Satz daraus ergab. »Willst du mich heiraten?« „Oh wie süß, so einen Heiratsantrag hätte ich auch gerne von dir bekommen, Schatz!“ sagte eine Frau neben Mimi. „Deswegen der Stromausfall, sonst hätte man die Fackeln überhaupt nicht erkennen können...“ sagte ein anderer Mann. Mimi selbst lächelte verlegen und fand diese Idee wirklich zauberhaft. Wer wohl dieser Mann sein mochte und wo wohl die dazu gehörige Frau steckte? Plötzlich gingen die Lichter auf der Aussichtsplattform wieder an und Mimi wollte sich gerade umdrehen, als plötzlich ein junger Mann vor ihr kniete. Erschrocken wich sie zurück und prallte mit ihrem Rücken gegen die Glasscheibe. Auf sein rechtes Bein gestützt, hielt er in seiner rechten Handfläche eine aufgeklappte Ringschatulle. Der weißgoldene Ring mit einem kleinen Brillanten in der mittleren Fassung funkelte im leicht gedämmten Licht. Sämtliche Besucher um sie herum bildeten eine Menschentraube und erst jetzt erkannte Mimi das Gesicht des jungen Mannes. „Tai?“ stammelte sie entsetzt und spürte, wie jede Faser ihres Körper anfing zu zittern. Was sollte das nur? Warum hatte er eine riesige Beule an seiner linken Wange? Hatte er sich geprügelt? Warum kniete er hier auf dem Boden? „Mimi ich....wir...also...“ er hielt kurz Inne und versuchte seine Aufregung hinunter zu schlucken. Die gaffenden Blicke der Menschen um sie herum, machten es nicht wirklich leichter, die richtigen Worte zu finden. Er holte tief Luft und setzte erneut an. „Ich werde nie vergessen, wie ich mich so heftig in dich verliebt hatte. An diesem Tag am Strand. Doch es schien, als wären wir beide noch nicht bereit dafür gewesen. Also habe ich versucht mich zu verstellen und trug meine Wunden nicht nach außen. Du bist immer dieses besondere Mädchen für mich gewesen und verdammt, ich war schon immer verrückt nach dir. Wegen dir machte ich nächtelang kein Auge zu. Ich wollte dich retten, vor all den Sorgen die dich an uns zweifeln ließen. Doch jedes Mal wenn ich dich sah, konnte ich es dir nicht sagen. Ich konnte dich nicht festhalten. Stattdessen haben wir uns immer wieder gegenseitig verletzt, uns das Leben zur Hölle gemacht. Dabei wollte ich dich nur beschützen, denn du warst wie eine Blüte in der Wüste dieser Großstadt.“ Tai sah, dass riesige Tränen über ihre Wangen kullerten. Zitternd hatte sie ihre Hände gegen ihre Brust gepresst und suchte in seinen Augen nach Halt. Mit einem liebevollen Lächeln, griff er nach ihrer linken Hand und hielt sie fest umschlossen. „Die guten und schlechten Erinnerungen die wir miteinander teilen. All die geliebten Menschen, die wir haben kommen und gehen sehen. Nach all den Jahren, die wir miteinander verbracht haben, möchte ich keine einzige Sekunde an deiner Seite missen. Heute kannst du mir nur noch einen einzigen Wunsch erfüllen.“ Jetzt war es seine eigene Stimme, die anfing zu beben und Tai musste sich zurück halten, nicht selbst los zu heulen. Die letzten Monate waren einfach eine emotionale Achterbahnfahrt und diese nervöse Anspannung in seinem Körper zerriss ihn förmlich. Mit letztem Mut formulierte er seine folgenden Worte.“ „Dein Jawort wäre das größte Geburtstagsgeschenk für mich. Möchtest du meine Frau werden?“ Sämtliche weiblichen Besucher heulten und am lautesten waren wohl Hikari und Sora, die sich überhaupt nicht mehr beherrschen konnten. Inzwischen waren auch Joe, Yamato, Takeru und Koushiro wieder zurück gekommen und beobachteten das Geheule der Mädchen. Die Antwort von Mimi dauerte unerträglich lange und Tai hatte das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden. Seine Knie schmerzten und eiskalter Schweiß lief ihm den Rücken runter. Erstarrt verharrten seine dunkelbraunen Augen auf ihrem Gesicht und versuchten jede Regung darin zu deuten. Mit einem Mal zeichnete sich unter den ganzen Tränen ein winziges Lächeln ab und Mimi spreizte die Finger ihrer linken Hand etwas auseinander. „Ja...“ hauchte sie kaum hörbar. Dieses winzige Wort war eine unbeschreibliche Erlösung und Taichi fühlte sich so, als würde ihm ein tonnenschweres Gewicht vom Herzen fallen. Endlich konnte er ihr den Ring anstecken und aufstehen. Stürmisch schlang er seine Arme um sie und zog sie in einen leidenschaftlichen Kuss. Das laute Klatschen der Besucher und ihrer Freunde verstummte für die Beiden, denn in diesem Moment war alles um sie herum völlig bedeutungslos. „Ich liebe dich.“ sagte er und löste sich von ihren salzig schmeckenden Lippen. „Du fragst mich an deinem Geburtstag, ob ich deine Frau werden möchte? Du bist doch wahnsinnig.“ zärtlich fuhren ihre Finger über seine verletzte Wange. „Was ist mit deinem Gesicht passiert? Hast du dich mit einem Chinesen geprügelt?“ Tai sah sie etwas unsicher an und fühlte sich ertappt. „Ich war nicht wegen einer Studienfahrt in Hongkong. Meine Reise hatte einen anderen Grund.“ Er konnte problemlos erkennen, wie der glückliche Ausdruck aus ihren rehbraunen Augen wich und ihr Blick zutiefst zornig wurde. „Bitte sei nicht wütend. Ich habe mich mit jemandem getroffen.“ „Mit wem?“ unterbrach sie ihn harsch. „Nach langem hin und her habe ich über die Firma deines Vaters herausgefunden, dass er vom 12. Oktober bis 14. Oktober geschäftlich in Hongkong sein würde. Ich wollte es richtig machen. Ich wollte zuvor den Vater meiner zukünftigen Braut um die Hand seiner Tochter bitten....“ Langsam löste sich die Menschenmenge um die beiden herum auf. Ihre Freunde hatten sehr wohl mitbekommen, dass Tai und Mimi offensichtlich noch etwas anderes zu klären hatten und warteten geduldig auf der anderen Seite der Plattform. „Du hast dich mit meinem Vater getroffen und um meine Hand angehalten?“ ihr Tonfall war eine Mischung aus Wut und Entsetzen. Eigentlich war es ein gutes Gespräch zwischen Tai und Sōsuke. Es schien, als würde er sich darüber freuen, dass Taichi so ernste Absichten hegte und ihn um Erlaubnis bat. Sōsuke willigte problemlos in diese Ehe ein und vertraute seine Tochter gerne ihrem langjährigen Freund an. Das Einzige, was letztlich zu einem Disput führte war wohl, dass Taichi sich etwas im Ton vergriff und ihm Vorwürfe machte, dass er während der Schwangerschaft seiner Tochter nicht für sie da war. Sein vorlautes Mundwerk schoss natürlich über das Ziel hinaus, was Sōsuke wiederum überhaupt nicht lustig fand und seinem zukünftigen Schwiegersohn kurzerhand eine deftige Ohrfeige verpasste. Im Nachhinein konnte Taichi die Reaktion ihres Vaters verstehen. Zum einen hatten sie ihm offiziell niemals mitgeteilt, dass Mimi schwanger war und zweitens hätte sich Tai nicht erlauben dürfen, über die Beziehung zwischen Vater und Tochter zu urteilen. „Ja, ich wollte dir nichts davon sagen, weil ich nicht wusste, wie dein Vater reagieren wird.“ „Seine Reaktion auf deine Frage war, dir eine runter zu hauen?“ zischte Mimi beinahe schreiend. „Also...ich sage so was ja sehr selten, aber die habe ich wohl auch verdient. Das Gespräch mit deinem Vater war sehr gut und wahrscheinlich längst überfällig. Ich habe mich ganz schön im Ton vergriffen und mir dementsprechend eine gefangen. Aber er hat sich sehr für dich gefreut. Er hat mir seine Tochter anvertraut und uns seinen Segen gegeben. Ich glaube, du musst ihm nur ein Zeichen geben und er wäre sofort hier.“ Sie presste ihr Gesicht gegen seine Brust und fing heftig an zu weinen. Besorgt legte Tai seine Arme um seine Verlobte und drückte ihren bebenden Körper fest an sich. Nach einer ganzen Weile hatte sie sich wieder beruhigt und sah schluchzend zu ihm rauf. „Aber wir heiraten nicht, wenn ich wie eine trächtige Walkuh herumlaufe.“ Sie war einfach unglaublich. Alles worüber sie sich jetzt Sorgen machte war, dass sie nicht schwanger heiraten wollte? Er musste lachen und nickte zustimmend. „Ist mir doch völlig gleich. Hauptsache du heiratest mich. Egal wie und egal wo.“ „Ja ich werde dich heiraten. Ich liebe dich.“ sie streckte ihre Hand vor sich aus und betrachtete den wunderschönen Ring, der nun ihren linken Ringfinger zierte. Tai schob beide Hände unter ihren Pullover und legte sie auf ihren Bauch. „Mimi, erst jetzt habe ich wirklich alles was ich jemals gewollt habe. Egal was passiert, ich werde hier sein. Und ich würde dir überall hin folgen, in der tiefsten Dunkelheit, durch die Stadt bis ans Meer.“ Kapitel 14: Die Dinge, die wir immer wollten... ----------------------------------------------- 15. Oktober, Oshiage - Bezirk Sumida Tokyo Mimi betrachtete immer noch diesen kristallklaren Ring an ihrem Finger und lehnte sich gegen die Glasscheibe des Aufzuges. Taichi beugte sich etwas nach vorne und stützte dabei seine Handfläche gegen das Glas. Grinsend betrachtete er das glückliche Gesicht seiner Verlobten. „Er ist wirklich wundervoll...“ murmelte sie gedankenverloren. „Das sagen so viele Frauen und du tust es sogar, ohne mich anzusehen...“ er grinste frech. „Ich spreche nicht von dir, du alter Sack. Ich meine diesen bezaubernden Diamantring an meinem Finger. Du bist jetzt 24 Jahre alt, wer will dich da noch haben?“ Der Brünette verzog ein nachdenkliches Gesicht und betrachtete sein eigenes Spiegelbild in der Reflexion der Glasscheibe. Die hell erleuchtete Stadt schimmerte in der Dunkelheit des Abends und Taichi musste unwillkürlich grinsen. „Ich glaube vor wenigen Minuten warst du es, die »ja« gesagt hat.“ Ihre Finger strichen zart über seine Wangen und zogen ihn an seinem Hemdkragen etwas zu sich runter. Mit verführerisch glänzenden Augen hauchte Mimi ihm einen unschuldigen Kuss auf die Lippen. „Vielleicht überlege ich es mir noch einmal, ob ich so einen Kerl wie dich heiraten will. Ich müsste schließlich deinen fürchterlichen Nachnamen tragen und der genießt nun wirklich keinen guten Ruf.“ sie grinste ihn frech an und schob ihre Finger in seinen Nacken. Plötzlich färbte sich seine Mimik ernst und Taichi schob ihren aufreizenden Körper etwas von sich weg. „Jetzt wo du es ansprichst...da wäre noch etwas, was ich deinem Vater versprechen musste.“ seine Stimme klang brüchig. Der Aufzug hielt im gewünschten Stockwerk und die Türen öffneten sich. Das ohrenbetäubende Stimmenwirrwarr verriet ihnen, dass sie im Restaurant angekommen waren. Die Türen des Aufzuges schlossen sich wieder, als keiner der beiden heraus trat. Mimi sah ihren Gegenüber verwirrt an. Wovon sprach er? Hatte ihr Vater etwa Bedingungen gestellt? Mit einem Mal stieg unbändige Wut in ihr auf und sie drückte Tai von sich weg. „Was soll das heißen? Darf ich dich etwa erst dann heiraten wenn ich zurück in die Staaten gehe? Mein Studium brav beende und seine Firma übernehme? Was für Bedingungen hat er denn gestellt?“ Tai schüttelte seinen Kopf und versuchte seine schwangere Verlobte zu beruhigen. „Mimi, so ist es nicht. Es war keine Bedingung. Vielmehr eine Bitte, die er an mich gerichtet hat.“ Sie sog die Luft scharf durch die Lippen und lehnte sich gegen die Konsole des Aufzuges. „Er bat mich darum, dass ich deinen Familiennamen annehme. Dein Vater möchte, dass der Name der Familie Tachikawa weitergegeben wird. Du bist das einzige verbliebene Kind der Familie, welches den Namen noch trägt.“ Die junge Frau wusste überhaupt nicht, was sie sagen oder darüber denken sollte. Nie im Leben hätte sie es für möglich gehalten, dass ihr Vater eine solche Bitte an jemanden richten könnte. Ein zaghaftes Lächeln schmückte ihre Lippen. „Was war deine Antwort?“ fragte sie leise nach und suchte mit ihren haselnussbraunen Augen seinen Blick. Tai lächelte vielsagend und beugte sich zu ihr runter. Sanft legte er beide Arme um sie und zog ihren Körper an sich heran. „Du wirst deinen Ruf nicht mit meinem unmöglichen Nachnamen ruinieren müssen. Vielmehr werde ich dafür sorgen, dass der Name »Taichi Tachikawa« in aller Munde ist.“ Freudestrahlend schlang sie ihre Finger um seinen Nacken und zog ihn hastig zu sich runter. „Hört sich schon irgendwie merkwürdig an, aber es gefällt mir.“ flüsterte sie leise und belohnte ihren Liebsten mit einem zärtlichen Kuss. Er überraschte sie tatsächlich immer wieder. Schließlich war es mehr als ungewöhnlich, dass ein Mann den Namen der Frau annahm. Doch Taichi tat es für ihren Vater, tat es für sie und schließlich wohl auch irgendwie für ihre Großmutter. Durch ihn würde der Name »Tachikawa« auf ihr gemeinsames Kind übergehen. „Wir sollten zu den anderen gehen, schließlich hast du heute auch noch Geburtstag. Sie warten alle auf dich.“ murmelte Mimi leise, während sie sich aus seinen Armen löste. Als das frisch verlobte Pärchen endlich im Restaurant eintraf, trällerten die sechs Freunde ein ordentliches Geburtstagsständchen und gratulierten dem großgewachsenen Brünetten. Sora und Yamato reichten ihm einen original WM-Fußball aus Deutschland, welchen sie von ihrer Europareise mitgebracht hatten. Joe und Koushiro schenkten ihm eine original unterzeichnete Autogrammkarte von Keisuke Honda. Dieses Geschenk trieb dem erwachsenen Mann und werdenden Vater beinahe die Tränen in die Augen. Zuletzt traten seine Schwester und Takeru an ihn heran. Grinsend reichte sie ihrem älteren Bruder ein Buch. „Alles was man über Babys wissen sollte - für Dummies.“ Tai las den Titel des Buches vor und plötzlich wurde es in der kleinen Runde sehr leise. Verwundert starrten sich Joe und Koushiro an. Auch Sora und Matt wussten nicht so recht was das zu bedeuten hatte. Mimi wurde sofort rot um die Nase und versuchte keinem ihrer Freunde ins Gesicht zu blicken. „Oh, habt ihr es etwa immer noch keinem gesagt?“ platzte es aus Hikari heraus. „Also, irgendwie hat sich die Gelegenheit noch nicht ergeben es euch zu sagen.“ stammelte Taichi etwas beschämt und legte seinen Arm um Mimi. „Wir erwarten unser erstes gemeinsames Kind im April. Es war nicht unsere Absicht ein Geheimnis daraus zu machen...“ Noch ehe er seinen Satz beenden konnte brach Sora in Tränen aus und stürzte auf Mimi. Freudig nahm sie ihre Freundin in den Arm und beglückwünschte das junge Pärchen. Auch Yamato und Koushiro schlugen ihrem Freund begeistert auf die Schulter. „Das freut mich so für euch beide! Endlich hat es geklappt mit euch. Ihr werdet nicht nur heiraten, sondern auch noch Eltern. Ihr habt es so sehr verdient!“ schluchzte Sora und konnte sich kaum von Mimi lösen. Einige versaute und unverschämte Sprüche von Yamato später, saßen endlich alle an ihrem Tisch und warteten auf die Vorspeise. Immer wieder spürte die junge Frau die Hand ihres Verlobten auf ihrem Oberschenkel. Natürlich war es nicht so geplant gewesen. Eigentlich wollten sie es ihren Freunden in einer ruhigen Minuten sagen, doch es kam eben anders. Taichi und Hikari diskutierten gerade darüber, warum sie ihm ein Buch schenkte, dass für »Dummies« gedacht war, als Mimi bemerkte, dass eine Person am Tisch schon seit längerer Zeit fehlte. Langsam erhob sie sich, hauchte Tai einen Kuss auf die Wange und verließ das Restaurant. Doch weder im Gang noch auf der Toilette fand sie die vermisste Person. Gerade als sie zurück zum Tisch gehen wollte, kam sie an der Aussichtsterrasse des Restaurants vorbei. In der Dunkelheit stand nur eine einzige Person und lediglich das Glimmen einer Zigarette war zu erkennen. Zögerlich öffnete die junge Frau die Glastür und trat nach draußen. Ein eisig kalter Wind wehte ihr um die Nase, als sie sich neben ihn stellte. „Warum bist du denn hier draußen?“ fragte sie leise und presste ihre Arme an ihre Brust. Joe zuckte zusammen und drehte sich zu seiner Freundin um. „Ich rauche eine.“ sagte er matt und etwas schroff. Verwundert über seinen Tonfall betrachtete sie sein Gesicht in der Dunkelheit. „Ist etwas nicht in Ordnung? Bist du wütend?“ Plötzlich zeichnete sich ein bitteres Lächeln über sein Gesicht. „Nein, ich bin nicht wütend. Aber bitte gewähre mir diesen einen Moment des Neides. Es ist schwierig jemanden los zu lassen, den man sehr gerne hat. Ich muss das jetzt einfach mit mir selbst ausmachen.“ Ein Gefühl von Schuld überkam sie und Mimi spürte, dass ihre Knie ganz weich wurden. Daran hatte sie in ihrem Rausch aus Freude und Glück überhaupt nicht gedacht. Natürlich musste es hart für Joe sein, dass sie nicht einmal knapp ein Jahr, nachdem er ihr einen Heiratsantrag machte, den eines anderen Mannes annahm und zu allem Überfluss auch noch ein Kind von diesem anderen Mann erwartete. „Es tut mir so leid. Ich bin unmöglich...“ flüsterte sie mit brüchiger Stimme. Er presste beide Lippen um seine Zigarette, damit er sie nicht mit seiner Hand festhalten musste. Liebevoll legte er ihr seine Jacke um die Schultern und strich zärtlich einige Haarsträhnen aus ihrem Gesicht. „Du hast dir überhaupt nichts vorzuwerfen. Mimi, du bist immer aufrichtig zu mir gewesen. Es war nie ein Geheimnis, dass du in ihn verliebt bist. Ich muss mit mir selbst und meinen Gefühlen klar kommen. Deswegen sollst du mich für diesen kurzen Moment einfach alleine lassen. Ich werde es schon verkraften.“ er grinste und blies den Rauch in eine andere Richtung. „Außerdem solltest du nicht bei mir sein, wenn ich rauche. Das ist nicht gut für das Baby.“ Sie drückte den Stoff seiner Jacke fest an ihren Körper und starrte traurig auf ihre Füße. Sie wollte ihn nicht alleine lassen. Sie wollte nicht, dass er sich schlecht fühlte. Sie wollte ihm nicht wehtun. „Aber Joe….“ sie lächelte „...das Rauchen ist auch für dich nicht gut!“ Er lachte auf und drückte seine Zigarette tatsächlich aus. Danach ließ er seinen Blick über die Lichter der Stadt schweifen. „So ist es nun mal. Wenn dich sonst keiner fickt, dann macht es das Leben.“ Schockiert über seine harten Worte starrte Mimi ihren Freund zunächst an. Sofort war es ihm peinlich und Joe drehte sich verlegen zur Seite. Ein zweideutiges Grinsen zog sich über Mimi's kirschrote Lippen. „Na besser als nichts...“ sagte sie und wollte gerade nach drinnen gehen, als Joe ihr Handgelenk packte. „Ich freue mich wirklich für dich. Nein, ich freue mich für euch beide. Aber trotzdem fällt es mir schwer, einfach weil ich….“ er stockte und konnte die richtigen Worte nicht finden. Vorsichtig hauchte sie ihm einen Kuss auf die Wange. „Ich habe es verstanden...“ sagte sie leise und gewährte ihm schließlich diesen einen Moment. Diesen einen Moment, in dem er sich seine Wunden lecken und zu sich selbst finden sollte. 01. Dezember, Odaiba, Tokyo Mittlerweile war es Winter geworden. Der stumpfe Glanz der frostigen Nacht lag bereits über den Dächern der Stadt, als Mimi sich gemütlich in die Lehne des Sofas kuschelte und mit beiden Händen über ihren warmen Kakaobecher streichelte. Sae saß neben ihr und fuhr immer wieder mit dem Zeigefinger über den gewölbten Bauch ihrer jüngeren Schwester. Mimi befand sich in der 23. Schwangerschaftswoche. Ihr Bauch war prall gerundet und jede einzelne Bewegung des ungeborenen Kindes zeichnete sich unter ihrer Haut ab. Auch jetzt beobachtete Sae aufmerksam, wie sich immer mal wieder ein kleiner Fuß in der rechten Ecke des Bauches zeigte. „Und dann hat die Kleine wirklich Schluckauf? Die ganze Nacht?“ fragte die Ältere nach und betrachtete weiterhin die Bewegungen des kleinen Menschen. „Die ganze Nacht und ich kann nicht schlafen. Im Moment ist es wirklich furchtbar. Aber Tai stets geduldig mit mir. Er streichelt mich und das Baby oder macht mir einen Tee. Dabei muss er jeden Morgen so zeitig aufstehen um in die Uni zu fahren und danach noch zu arbeiten.“ sie seufzte leise und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. Sae lächelte verschämt und wurde etwas rot um die Nase. „Er ist wirklich ein toller Kerl.“ „Ja, das ist er wirklich. Wer hätte das gedacht.“ Mimi stellte ihr Getränk auf dem Tisch ab und zog sich ihren Pullover wieder über die nackte Haut. „Und was ist mit dir?“ Sae starrte verwirrt in die Augen ihrer jüngeren Schwester. „Was meinst du?“ „Ach jetzt tu mal nicht so. Ich sehe doch ganz genau, dass du nicht ganz bei der Sache bist. Hattest du immer noch kein Date mit diesem Arzt? Ich dachte, ihr würdet euch so gut verstehen und so gerne miteinander arbeiten.“ Ein betretenes Schweigen stellte sich ein und Sae sah verlegen zur Seite. „Ähm, also ein Date ist es wohl eher nicht gewesen...“ Völlig entgeistert riss Mimi ihre Augen auf und starrte ihre Schwester nieder. „Was? Was ist passiert?“ „Ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll. Es ist mir so peinlich und irgendwie auch total schmutzig...“ Noch bevor Mimi alle Einzelheiten aus ihrer Schwester heraus quetschen konnte, wie aus einer reifen Zitrone, fing Sae selbstständig an von den jüngsten Ereignissen im Krankenhaus zu berichten. *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Sie hasste die Nachtschicht. Wer konnte denn eigentlich überhaupt in diesem dämlichen Ruheraum schlafen? Sae hatte sich gerade in das obere Bett des Doppelstockbettes gelegt, als erneut die Tür aufging und der schlafende Arzt unter ihr von einer Schwester geweckt wurde. Es gab wohl einen Notfall in der Pädiatrie und der diensthabende Kinderarzt musste jetzt ran. Als die Tür endlich wieder zu gegangen war, versuchte Sae tatsächlich etwas Ruhe zu finden, es blieb bei einem Versuch. Denn umgehend öffnete sich die Tür erneut und jemand anderes betrat den Ruheraum. Mit einem lauten Seufzer beförderte sich derjenige in das untere Bett. „Sind Sie jetzt fertig mit jammern? Ich will hier schlafen!“ fauchte die junge Krankenschwester völlig entnervt und presste beide Augen zusammen. „Sae?“ ertönte eine bekannte Männerstimme und die Angesprochene beugte sich etwas über den Rand des Bettes, um die darunter liegende Person zu erkennen. „Joe?“ fragte sie peinlich berührt. „Es tut mir leid, aber du bist jetzt der dritte Arzt, der in der letzten halben Stunde in den Ruheraum kommt. Ich habe heute eine 12 Stundenschicht und wollte einfach ein bisschen schlafen. Aber wer findet denn hier schon Ruhe?“ Der junge Arzt grinste über die zaghafte Entschuldigung der Krankenschwester. „Es gibt da wilde Gerüchte, wie es einige Personen schaffen, sehr gut im Ruheraum zu entspannen.“ Sae zog ihre rechte Augenbraue nach oben und kicherte verlegen. „Ja, ich kenne diese Gerüchte. Zuletzt von Dr. Hirota und dem neuen Chirurgen aus der Inneren. Dabei kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass mich so was entspannen könnte. Man muss doch ständig aufpassen, dass niemand rein kommt.“ Joe stand auf und lehnte sich mit den Armen gegen das obere Bett. Unter dem dünnen Stoff seines Arztkittels konnte er das kühle Metall des Lattenrostes spüren. Sae rutschte verlegen etwas zur Seite, da sein Gesicht dem ihren auf einmal sehr nahe war. „Rein anatomisch betrachtet, wären es zwei Handgriffe an der richtigen Stelle, um eine Frau zur »Entspannung« zu bringen.“ Die schwarzhaarige Krankenschwester schluckte hart. War das gerade eine Anmache oder was? Ihr Herz pochte so heftig, dass Sae befürchtete eine Rippe könnte brechen. Joe bemerkte, dass er die junge Frau verlegen machte und schmunzelte über beide Ohren. In den letzten Wochen hatten sie sehr häufig miteinander Dienst und verstanden sich wirklich gut. Er mochte ihre unbeholfene schüchterne Art und sie mochte sein höfliches aber manchmal zweideutig scherzendes Wesen. „Entschuldige bitte, ich wollte dich nicht verlegen machen.“ sagte er leise und wollte sich gerade wieder hinlegen, als sie seinen Ärmel ergriff. „Wieso denn das? Plötzlich doch Schiss bekommen oder wie?“ sie grinste ihn herausfordernd an. „Also Dr. Kido, erst einen auf dicke Hose machen, von wegen nur zwei Handgriffe und jetzt klammheimlich ins Bett verschwinden? Das ist aber nicht die feine englische Art.“ Joe diskutierte nicht lange und beförderte sich selbst mit einem gekonnten Klimmzug in das obere Bett. Seine Schuhe und den Kittel streifte er ab und legte sich rotzfrech neben Sae. Ihr zutiefst schockiertes Gesicht sprach Bände und der junge Arzt musste sich sehr zurückhalten, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. „Du meinst also, ich sollte meine dreiste Behauptung mit Beweisen verifizieren?“ Sie schluckte hart und presste die Bettdecke an ihre Brust. Was dachte sich dieser unverschämte Typ? Kein einziges Wort brachte sie über ihre Lippen. Ihr Mund fühlte sich staubtrocken an. Es war zwar stockfinster in diesem Zimmer, aber dennoch konnte sie seine tief dunkelblauen Augen deutlich erkennen. Diese Augen, die ihr einen eisigen Schauer über den Rücken jagten. Diese Augen, die sie immer wieder in ihren magischen Bann zogen und auch dieses Mal ihren Körper in Ekstase versetzen. Mit einem Mal ging erneut die Tür auf und der Kinderarzt von vor wenigen Minuten kam schimpfend in den Ruheraum gestapft. Joe und Sae zuckten erschrocken zusammen. Geistesgegenwärtig packte die junge Krankenschwester ihren Gegenüber im Genick und zerrt ihn nach unten, damit niemand sah, dass zwei Personen im oberen Bett lagen. Leider hatte Sae ihre Kraft unterschätzt und Joe stieß mit seinem Kopf gegen ihren, dabei berührten sich versehentlich ihre Lippen. Noch ehe sie realisierte, wie schmerzhaft es war, dass ihre beiden Köpfe zusammen gestoßen waren, spürte sie seine weichen Lippen auf ihren. Alles um sie herum wurde still. Der Lärm der tobenden Krankenschwestern, das Schnarchen des Arztes im Bett unter ihnen, die Sirenen der nahenden Krankenwagen und das unaufhörliche Pochen ihrer beiden Herzen verstummte. Sie spürte lediglich seine Nähe, seine Wärme und seine Lippen auf ihrem Mund. Plötzlich überkam es Joe und er legte seine Hand an ihre Wange. Der junge Mann zog sie völlig unüberlegt in einen heißblütigen Kuss und dachte überhaupt nicht daran, sich von ihr zu lösen. Weder zögerlich, noch vorsichtig, drängte seine Zunge gegen ihre Lippen und verlangte Einlass. Sae gewährte ihm diesen und erwiderte seinen Kuss ebenso leidenschaftlich. Ihre Finger fuhren durch sein weiches Haar und legten sich in seinen Nacken. Langsam beförderte er seine Brille von der Nase und platzierte sie neben ihrem Kopf. Sae hob die Bettdecke an, sodass er mit darunter schlüpfen konnte. Sein warmer Körper lag auf ihr und sie fühlte, wie seine Finger neugierig über ihren Oberschenkel streichelten. Langsam schob er seine Hand unter den Rock ihrer Uniform. Sae löste erschrocken den Kuss und hielt seine Hand fest. „Was tust du da?“ fragte sie leise und versuchte den schlafenden Arzt unter ihnen nicht aufzuwecken. „Findest du nicht, dass du dir ein wenig Entspannung verdient hast?“ sein Tonfall klang durchaus verführerisch, aber sie konnte unmöglich zulassen, dass er so was mit ihr anstellte. Seine Lippen legten sich an ihren Hals und knabberten zärtlich an ihrer weichen Haut. Sae konnte sich ein lustvolles Keuchen nicht verkneifen und schloss erneut ihre Augen. „Ich glaube du solltest jetzt besser ein kleines bisschen leiser sein...“ murmelte er frech und fuhr mit seinem Finger unter ihren Slip. Umgehend riss sie ihre Augen auf und konnte nicht fassen, dass er sie jetzt tatsächlich derart bezirzst hatte, dass sie es überhaupt nicht mitbekam, wo seine Finger bereits waren. Doch als er die empfindlichste Stelle ihrer Weiblichkeit vorsichtig berührte, bäumte sich Sae erregt auf und presste ihren Kopf in das Kissen. Genussvoll schloss sie ihre Augen und ließ es einfach geschehen. Es dauerte keine fünf Minuten und sie hatte tatsächlich auf eine intensive und kräftezehrende Art und Weise ihren Höhepunkt erreicht, dass sie beinahe komatös in den Schlaf sank. Liebevoll streichelte Joe über ihre linke Schläfe und küsste ihre Wange. „Na, konntest du jetzt doch noch etwas Entspannung in diesem Ruheraum finden?“ *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Mimi konnte überhaupt nicht fassen, was ihre Schwester da erzählte. Sprachen sie tatsächlich von dem selben Joe Kido? Es war nicht richtig, dass Joe ihrer Schwester immer noch nicht erzählt hatte, dass sie vor einiger Zeit mal was miteinander hatten. Mimi fühlte sich plötzlich sehr unwohl, doch er hatte sie darum gebeten Sae nichts zu sagen. Joe wollte es selbst tun, aber er konnte doch unmöglich etwas mit Sae anfangen, ohne ihr etwas davon zu erzählen. Ohne ehrlich zu ihr zu sein. Aber noch ehe Mimi ihre Gedanken sortieren konnte, sprach ihre Schwester weiter. „Einige Tage später sollte ich etwas im Labor abholen und dabei traf ich zufällig auf Joe. Ich weiß auch nicht, aber irgendwie zerrte ich ihn in den Wäscheraum und revanchierte mich bei ihm...“ „Was bedeutet, du hast dich revanchiert?“ Mimi spürte wie ihre Stimme regelrecht bebte vor Aufregung. Sie wurde feuerrot und schob sich ihre Hände vor das Gesicht. „Das kann ich dir nicht sagen...“ „Hast du mit ihm geschlafen?“ schrie Mimi auf. „Nein!“ entgegnete Sae entschlossen. „Nein, ich hab es mit...“ „Der Hand?“ japste Mimi und starrte schockiert in das rote Gesicht ihrer Schwester. „Nicht ganz...“ flüsterte diese beinahe tonlos. „Du hast ihm einen geblasen? In der Besenkammer?“ kreischte Mimi völlig außer sich. „Es war der Wäscheraum!“ entgegnete diese ebenso lautstark. „Das macht es nicht besser!“ antwortete Mimi zynisch und wedelte aufgebracht mit ihren Händen herum. „Oh man Sae, das kannst du doch nicht machen. Was denkt er denn jetzt von dir?“ „Ich weiß auch nicht. Es kam so über mich.“ flüsterte sie schuldbewusst. „Wie kommt denn so etwas über einen?“ fragte Mimi entrüstet nach. „Ich wusste nicht was ich ihm antworten sollte.“ sie fuhr sich durch ihr langes schwarzes Haar. „Nachdem wir wild miteinander geknutscht hatten, fragte er mich, ob wir nicht eigentlich mal einen Kaffee zusammen trinken gehen wollen.“ „Er fragt, ob du mit ihm einen Kaffee trinken willst und als Antwort verpasst du ihm einen Blowjob? Was ist denn bei dir kaputt?“ die Brünette konnte einfach nicht glauben was sie da hörte. „Ach ich weiß doch auch nicht. Ich wollte ihn. Ich will ihn noch immer und irgendwie hab ich mich bei ihm überhaupt nicht im Griff. Danach hat er sogar nochmal gefragt, ob wir nicht doch lieber mal miteinander essen gehen sollten. Wer fragt denn nach so was, ob man gemeinsam essen gehen könnte?“ Mimi lehnte sich zurück und streichelte sich beruhigend über ihren Bauch. Die Aufregung hatte sich ebenfalls auf das Baby übertragen und sie spürte es wie wild unter ihrem Herzen strampeln. „Ein völlig normaler, netter, liebevoller Typ fragt dich so etwas vor und nach einem Blowjob. Er will nicht nur das Eine von dir. Er will dich kennenlernen. Er mag dich und du hast ihn so auflaufen lassen. Du solltest ihm eine Chance geben und das unbedingt klarstellen. Also frag ihn gleich morgen, ob sein Angebot mit dem Kaffee noch steht.“ Inzwischen war es nach 22 Uhr und Taichi kam endlich nach Hause. Sae zog gerade ihre Stiefel an und bedankte sich bei ihrer Schwester für das Gespräch. Sie hatte sich gegenüber Joe wirklich unmöglich verhalten und musste diese Sache unbedingt mit ihm klären. Taichi bot an, die Schwester seiner Verlobten nach Hause zu fahren, doch Sae lehnte dankend ab. Wie jedes Mal wenn sie in Tokyo war, würde sie bei einer Freundin im benachbarten Stadtteil Minato übernachten. Als die Tür ins Schloss fiel seufzte Mimi laut und legte ihre Hände nachdenklich auf ihren Bauch. „Was ist denn? Geht es dir nicht gut? Hat dich unsere Tochter wieder terrorisiert?“ liebevoll schlang er seine Arme um sie. Mimi grinste und schenkte ihm einen Kuss. „Ja, sie ist eben ganz der Papa. Aber das ist es nicht, was mich beunruhigt. Sae hat mir gerade erzählt, dass etwas zwischen ihr und diesem Arzt läuft.“ Tai löste sich von Mimi und zog sich ebenfalls die Schuhe aus. „Aber das ist doch etwas Gutes. Hast du dir nicht gewünscht, dass deine Schwester endlich einen anständigen Kerl findet?“ „Ja schon, aber dieser Arzt ist….es ist Joe.“ Mit einem gehässigen Lachen öffnete Tai den Kühlschrank und suchte nach etwas essbarem. „So ein Zufall. Wieso gibt es ein »aber« meine Liebe?“ „Sie weiß nichts von mir und Joe.“ Mimi konnte nur sehen, wie Tai etwas zusammen zuckte. Langsam schloss er die Kühlschranktür, wendete sich aber nicht zu ihr um. Dieses Thema schmerzte den jungen werdenden Vater noch immer und beide sprachen eigentlich überhaupt nicht mehr darüber. „Entschuldige, ich wollte nicht damit anfangen...“ murmelte sie leise. „Sag mal, hast du heute wieder nur Gummibärchen und Kekse gegessen? Du sollst dich doch gesund ernähren.“ seine Stimme klang besorgt. Zärtlich legte er beide Hände an ihren Bauch und schob ihren Pullover hoch. Er küsste ihren Bauchnabel und streichelte sanft über ihre Haut. Mimi verzog einen schuldbewussten Schmollmund und malte mit ihren Fingern kleine Kreise auf der Arbeitsfläche der Küche. „Meine Schwester hat mir ein leckeres Bento mitgebracht. Ich habe also etwas gesundes gegessen...“ Der Brünette fing an zu grinsen. „Ach, die Dame hat also gut gespeist und der blöde Kerl kann schauen wo er bleibt? Natürlich hast du mir nichts übrig gelassen und gekocht hast du mir auch nichts.“ „Aber du hast mir doch verboten zu kochen! Du sagtest, ich würde mich, das Baby und die Wohnung niederbrennen.“ „Vollkommen richtig und deswegen gehe ich jetzt duschen und koche mir danach etwas zu essen.“ Die junge Frau blickte mit ihrem herzzerreißenden Hundeblick zu ihm und ließ ihre Unterlippe etwas beben. Es sah beinahe so aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen. Doch Tai ließ sich davon überhaupt nicht beeindrucken. Mittlerweile kannte er diesen Gesichtsausdruck und ihm war klar, dass seine Verlobte etwas ganz Bestimmtes von ihm wollte. „Du möchtest also auch noch eine Portion? Ich soll für uns beide kochen?“ Ein zufriedenes Grinsen zog sich über ihre Lippen und Mimi streckte provokant ihren Babybauch raus. „Nein, du sollst für uns drei kochen.“ Tai nickte verstehend und ging an seiner Freundin vorbei, um sich ins Badezimmer zu begeben. Doch bevor er hinter der Tür verschwand, drehte er sich nochmal zu ihr um. „Ach und wegen deiner Schwester…...du solltest mit Joe sprechen. Er muss es ihr sagen, sonst wirst du immer zwischen ihnen stehen und das wird sie dir nicht verzeihen. Ruf ihn an und kläre es mit ihm. Ich bin jetzt duschen...“ Es war wirklich bemerkenswert wie erwachsen Tai in den letzten Monaten geworden war. Von seiner ungestümen dickköpfigen Art war kaum etwas übrig geblieben. Als er schließlich im Badezimmer verschwunden war, setzte sich Mimi ins Wohnzimmer stellte sich diesem Telefonat mit Joe. „Hey Mimi, alles in Ordnung mit dir und dem Töchterchen?“ er klang müde und wahrscheinlich hatte sie ihn gerade aufgeweckt. „Hallo Joe. Ja, uns geht es gut. Ich rufe dich aus einem anderen Grund an. Meine Schwester ist gerade bei mir gewesen und hat mir von eurem….Abenteuer berichtet.“ Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille. „Joe, du musst es ihr sagen. Du kannst doch nicht mit ihr was anfangen, ohne ihr zu sagen, dass du mit ihrer Schwester geschlafen hast.“ „Ich habe nicht nur mit dir geschlafen Mimi, ich bin in dich verliebt gewesen. Und das ist verdammt nochmal das Problem. Wenn es nur Sex gewesen wäre, aber da war viel mehr im Spiel.“ „Aber jetzt ist es anders. Jetzt gibt es eine andere Frau in deinem Leben und du solltest diese Beziehung nicht mit einer Lüge anfangen.“ 05. Dezember, Tateyama, Präfektur Chiba Es war heute wirklich besonders kalt. Der Schnee knirschte unter seinen Schuhen und Joe wusste nicht, ob etwas mit dem Essen im Restaurant nicht in Ordnung war oder ob er wahnsinnige Schmetterlinge im Bauch hatte. Gemeinsam blieben sie vor ihrem Wohnhaus stehen. Sae wippte nervös von einem auf den anderen Fuß und hatte beide Hände tief in ihren Manteltaschen vergraben. Dieses Abendessen mit ihm war wirklich wundervoll. Eigentlich hatte die junge Frau noch nie so einen schönen Abend mit einem Mann verbracht. Joe zauberte ihr ständig ein Lächeln aufs Gesicht. Er war unglaublich gebildet und gleichzeitig humorvoll. Dabei konnte er immer die Balance zwischen frech und kultiviert halten. Alles in allem kam es ihr so vor, als wäre von dem schüchternen, tollpatschigen Arzt, der er noch vor einigen Monaten gewesen ist, nichts mehr übrig geblieben. „Ich danke dir für diesen schönen Abend.“ sagte er höflich und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange. Sae legte ihm ihre warmen Hände auf die Brust und lächelte verlegen. „Möchtest du noch mit nach oben kommen?“ fragte sie schüchtern und zog mit ihrer Fußspitze kleine Kreise im Schnee. Ihr eindeutig zweideutiges Angebot war wirklich unwahrscheinlich verlockend, aber Joe wusste genau, dass er es unmöglich annehmen konnte. Nicht bevor er reinen Tisch gemacht hatte. „Zuerst muss ich dir noch etwas sagen...“ fing er leise an. Sein Blick wurde ernst und Sae löste sich besorgt von ihm. Hatte sie etwas falsch gemacht? War ihr Angebot zu forsch? War sie vielleicht doch nicht sein Typ? Doch noch bevor sie sich weiter den Kopf zerbrechen konnte, sprach der junge Mann weiter. „Ich habe deine Schwester um etwas gebeten. Ich habe sie darum gebeten, dir nicht zu sagen, dass wir uns bereits sehr lange kennen. Mimi und ich sind sehr gute Freunde.“ Sie lächelte und legte ihren Kopf etwas zur Seite. „Aber warum solltet ihr Beide daraus ein Geheimnis machen?“ die junge Krankenschwester verstand nicht, warum Joe ihre Schwester darum gebeten hatte, ihr nichts davon zu erzählen. Joe schluckte hart und versuchte seine Hände noch tiefer in seinen Jackentaschen zu vergraben. „Weil es eine Zeit gab, in der wir nicht nur Freunde gewesen sind.“ Geräuschlos fielen die kleinen Schneeflocken zu Boden und hatten bereits eine kleine Haube auf ihrem Haar gebildet. Schweigend sah Sae auf ihre schwarzen Stiefel und versuchte die Worte, welche Joe gerade von sich gegeben hatte, richtig zu verstehen. „Was meinst du damit?“ fragte sie tonlos nach. „Ich bin in sie verliebt gewesen, aber Mimi hat meine Gefühle nicht erwidert. Ich hatte es versucht, aber sie hat mich deutlich wissen lassen, dass es einen anderen Mann gab, dem ihr Herz gehörte.“ „Also willst du mir damit sagen, dass du die gesamte Zeit über wusstet, wer ich bin und mir nicht gesagt hast, dass du etwas mit meiner Schwester hattest? Und was soll das jetzt mit mir sein? Bin ich lediglich dein Trostpflaster? Weil du die eine nicht bekommen konntest, versuchst du es jetzt bei ihrer Schwester? Was bist du denn für ein Scheißkerl?“ Sae konnte kaum an sich halten. Zwischen weinen und schreien versuchte sie ihre Fassung zu wahren. „Sae, du verstehst das falsch. Als wir uns das erste Mal trafen, wusste ich nicht wer du bist. Meine Gefühle für dich haben nichts mit Mimi zu tun. Aber es wird immer Menschen im Leben geben, die eine wichtige Rolle für uns spielen werden. Es wäre einfach gelogen, wenn jemand sagt, dass ihm die Menschen, mit denen er mal zusammen war, in die er mal verliebt gewesen ist, überhaupt nichts mehr bedeuten. Es ist richtig, dass es eine Zeit gab, zu der ich wirklich in Mimi verliebt gewesen bin. Ich hatte lange daran zu knabbern, dass sie einen anderen liebte und meine Gefühle nicht erwiderte. Aber so ist das Leben und dann traf ich dich. Wie aus dem Nichts heraus hast du meine Welt auf den Kopf gestellt. Du bist eine völlig andere Person als Mimi.“ Er lächelte und fuhr sich nervös durch sein Haar. „Du bist schüchtern, zurückhaltend, scharfsinnig, einfühlsam, eine sehr begabte Krankenschwester und kannst mit meinem furchtbar trockenen Humor umgehen.“ mit einem leisen seufzen beendete er seinen Satz. Joe sah ihr entsetztes Gesicht. Er sah die Wut und den Schmerz in ihren Augen und beunruhigt versuchte er die richtigen Worte zu finden. „Ich bin mir sicher, dass es auch in deinem Leben schon andere Männer gab. Männer, die dir ebenso etwas bedeutet haben. Die dir wichtig waren. Wir alle haben unsere Vergangenheit, aber die ändert doch nichts an unseren heutigen Gefühlen. Das ich irgendwann mal in Mimi verliebt gewesen bin, ändert nichts daran, dass ich heute hier vor deiner Tür stehe und mich wahnsinnig zu dir hingezogen fühle. Das ich jeden Tag an dich denke, mich nicht konzentrieren kann wenn du neben mir stehst und ich ewig brauche um nachts einzuschlafen, weil nur du in meinem Kopf bist.“ Doch so sehr er sich auch bemühte. Sae fühlte sich von ihm verraten und verletzt. Wie konnte er ihr nichts davon erzählen? Warum ihre Schwester? Sie konnte einfach nicht über ihren Schatten springen. Wütend drehte sie sich von ihm weg und steckte ihren Schlüssel ins Schloss. Verzweifelt versuchte er sie aufzuhalten, aber sie stieß ihn von sich weg. „Lass mich einfach in Ruhe. Du bist in Mimi verliebt gewesen. Willst du mir etwa sagen, dass deine Gefühle einfach so verschwinden? Wo geht denn die Liebe hin, wenn sie nicht mehr da ist? Ich werde für niemanden die zweite Wahl sein. Weder für dich, noch für sonst irgendjemanden!“ „Die Liebe verschwindet nicht. Sie wird zu etwas anderem. Zu einer Erinnerung, einem Gedanken, einem verblassten Gefühl. Aber wenn man jemanden wirklich geliebt hat, wird dieser Mensch immer irgendwie ein Teil von einem selbst sein. Willst du es mir zum Vorwurf machen, dass es vor dir eben eine andere Frau gab, die leider zufällig deine Halbschwester ist?“ er klang unwahrscheinlich verzweifelt. Sae biss sie auf ihre Unterlippe und schaffte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Irgendwie hatte er wohl damit recht. Auch in ihrem Leben gab es Menschen, an die sie immer mal wieder denken musste. Erinnerungen, die nicht verblassen wollten. Wunden, die noch immer schmerzten. Aber im Moment überwog einzig und allein das Gefühl von Wut und Zweifel in ihrer Brust. Noch bevor er ihre Hand greifen konnte, knallte sie ihm die Haustür vor der Nase zu und ließ Joe in der eisigen Kälte des Abends zurück. 12. Dezember, Tateyama, Präfektur Chiba Natürlich hatte ihr Joe von dem missglückten Date mit Sae erzählt. Es tat Mimi unglaublich leid, dass es für Joe so unrühmlich endete. Doch selbst ihre Versuche mit ihrer Schwester zu sprechen scheiterten. Sae war entweder kurz angebunden oder sagte deutlich, dass sie nicht über dieses Thema sprechen wolle. Es war jetzt eine Woche her und heute war Joe's Geburtstag, irgendwie fühlte sich die werdende Mutter furchtbar. Sora erzählte ihr gerade irgendwas über eine neue Kollegin, doch Mimi fiel es schwer ihr zuzuhören. Tai und Yamato standen zusammen in der Küche und leerten den Kühlschrank des jungen Arztes. Beide arbeiteten in den letzten Wochen wahnsinnig viel und hatten kaum Zeit zum schlafen oder essen. Koushiro war sogar mit seiner Freundin anwesend. Die beiden wirkten sehr verliebt und glücklich, was Mimi freute. Hikari und Takeru hingegen konnten leider nicht zur Feier kommen, da sich Akio erkältet hatte. Als es plötzlich an der Tür klingelte und einige Kollegen aus dem Krankenhaus eintrafen, wendete sich Mimi neugierig um und konnte es kaum glauben, dass sie tatsächlich ihre Schwester erkannte. Sae war also doch auf die Geburtstagsfeier gekommen. Mimi hatte ihr wahrscheinlich fünfzig SMS geschrieben und darum gebeten ihm eine Chance zu geben. Und offensichtlich hatten jetzt einfach einige andere Kollegen Sae mitgenommen, sodass die junge Krankenschwester überhaupt keine andere Möglichkeit hatte, als hier zu erscheinen. Mit hochrotem Kopf setzte sich Sae zu ihrer Schwester und Sora. Es war ihr unglaublich peinlich, dass sie Joe umarmen musste und einige Kollegen dumme Witze darüber rissen und sie als »Arbeitsehepaar« abgestempelt hatten. Schweigend saßen die drei Frauen nebeneinander, bis Mimi schließlich mit einem breiten Grinsen die Stille durchbrach. „Du solltest nicht so gemein zu ihm sein. Du solltest euch beiden eine Chance geben. Das ist heute ein prima Anlass, um ihm ein besonderes Geschenk zu machen.“ Sora musste über Mimi's Worte kichern und ließ die beiden Schwestern schließlich alleine. Sae strafte die Brünette lediglich mit einem bösen Blick und äußerte sich nicht weiter dazu. Aber ihr war bewusst, dass sie ihm gegenüber ungerecht gewesen ist. Joe hatte sich die ganze Woche wie ein kleiner unsicherer Schuljunge verhalten. Er war in seiner Arbeit unkonzentriert und suchte mehrfach das Gespräch zu ihr, aber sie ließ ihn einfach abblitzen und dabei gab er sich so viel Mühe. Auch jetzt sah er immer wieder schüchtern zu ihr herüber und wusste überhaupt nicht, wie er sich in ihrer Gegenwart verhalten sollte. Es war inzwischen weit nach Mitternacht und die letzten Gäste waren dabei zu gehen. Joe hatte sich bereits vor einigen Stunden von Mimi und Tai verabschiedet. Die baldigen Eltern sehnten sich nach jeder Sekunde Schlaf. Auch Matt und Sora hielten nicht wirklich lange durch. Jetzt waren es nur noch Sae und vier andere Kollegen, die sich gerade ihre Schuhe anzogen. „War echt mega! Deine Wohnung ist wirklich der Hammer Kido! Wir sollten öfter nach Tokyo kommen und einen drauf machen!“ grölte Dr. Otoka, der Chefarzt der Anästhesie. „Du solltest heute bloß nicht mehr Auto fahren.“ jammerte Joe und stützte seinen Kollegen. „Wie kommt denn Watanabe-san nach Hause?“ fragte er schließlich allgemein in die Runde, wobei er diese Frage eigentlich direkt an Sae richtete. Die Angesprochene wurde rot und blickte betreten zu Boden. Es fühlte sich merkwürdig an, wenn er sie so förmlich ansprach. Doch im Krankenhaus und vor den Kollegen bemühten sich beide darum, nicht so vertraut zu wirken. „Keine Sorge, ich kann bei einer Bekannten hier in Tokyo übernachten.“ antworte die junge Krankenschwester matt. „Also mach's gut Kido! Wir sehen uns am Dienstag bei der Visite!“ jaulte ein anderer Kollege und zerrte Sae unterm Arm mit in den Hausflur. Als Joe die Tür hinter sich schloss, ärgerte er sich bombastisch darüber, nicht angeboten zu haben, sie zur Wohnung dieser Freundin zu begleiten. Er war so ein dämlicher Idiot! Was wenn ihr jetzt etwas passierte? Außerdem war es beschissen kalt draußen, eine Frau sollte nicht alleine unterwegs sein. Er setzte frustriert die Flasche Wodka an seine Lippen und wollte den letzten verbliebenen Inhalt leeren, als es plötzlich an der Tür klopfte. „Habt ihr Suffköpfe irgendwas vergessen?“ fragte er grinsend, als er die Tür öffnete. Doch zu seinem Entsetzen stand eine attraktive schwarzhaarige Frau vor ihm. Sae lehnte sich gegen den Türrahmen und sah ihn verführerisch lächelnd an. „Ich glaube, dass ich tatsächlich etwas vergessen habe.“ sie kam rein und schmiss die Tür hinter sich zu. „Da wären an aller erster Stelle meine Manieren, denn ich habe mich schrecklich aufgeführt letzte Woche und möchte dich um Entschuldigung bitten.“ sie ging auf ihn zu und öffnete langsam die Knöpfe ihres Mantels. „Und dann wäre da wohl noch dein Geburtstagsgeschenk. Ich habe völlig vergessen es dir zu geben….“ Die junge Frau ließ ihren Mantel achtlos zu Boden gleiten und offenbarte ihm damit, dass sie lediglich mit Unterwäsche bekleidet war. Joe wurde feuerrot und erstarrte zur Salzsäule. Entweder trügte ihn sein alkoholgetränktes Hirn, oder aber sie stand in erotischen schwarzen Dessous vor ihm. Die seidene Spitze schmiegte sich um ihre makellose Haut und akzentuierte ihre weiblichen Vorzüge. Aber noch bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, hatte sie ihre Hände hinter seinen Kopf gelegt. Ihre zierlichen Finger glitten über seinen Haaransatz und versunken fordernd in seinem Haar. Joe konnte den blumigen Duft ihres Parfüms wahrnehmen, als sie ihren halbnackten Körper an ihn schmiegte. „Joe, ich will dich.“ hauchte sie in sein Ohr und er spürte dabei, wie sie mit ihrer Zunge anfing über seinen Hals zu gleiten. „Bist….bist du dir sicher?“ stotterte er verlegen und ging einige Schritte rückwärts. Sie nickte stumm und machte sich mit ihren Fingern an seiner Gürtelschnalle zu schaffen. Joe drückte sie von sich weg und sah ihr ernst in die Augen. „Sae, bitte. Bist du dir wirklich sicher? Denn dieses Mal wird der große böse Wolf definitiv über das kleine niedliche Schäfchen herfallen.“ Sie grinste und zog ihn am Bund seiner Jeans wieder zu sich. „Wir werden sehen, wer von uns beiden der Wolf und wer das Schäfchen ist.“ Das reichte ihm völlig als Antwort. Heftig packte er sie am Hintern und presste sie gegen die Wand. Seine Lippen verschmolzen mit ihren zu einem hemmungslosen Kuss. Fordernd drang er mit seiner Zunge in sie ein und schob seine Finger unter den spitzenverzierten Stoff ihres Unterhöschens. „Nein, das wird heute ganz gewiss nicht verhandelt meine Süße...“ keuchte er lustverhangen in ihr Ohr und beförderte sie ohne langes Zögern in sein Schlafzimmer. Der neue Tag brach erbarmungslos heran und sein dröhnender Kopf schien bald zu explodieren. Diese verdammten Sonnenstrahlen folterten ihn in seinem Bett. Warum hatte er gestern Nacht vergessen die Vorhänge zu schließen? Und überhaupt, wie viel Alkohol hatte er denn gestern getrunken? Seinem gegenwärtigen Befinden nach zu urteilen, ist er wohl knapp an einer Alkoholintoxikation vorbei geschlittert. Wo er gerade über gestern Abend nachdachte, war da nicht noch etwas? Hatte er das nur geträumt, oder stand Sae gestern Nacht noch in Unterwäsche in seiner Wohnung? Joe drehte sich stöhnend auf den Rücken und hielt sich die Stirn. Langsam öffnete er seine Augen und sah sich im Schlafzimmer um. Das Kopfkissen auf der linken Seite des Bettes roch nach einem süßlichen Parfüm. Es duftete nach ihr. Auf dem Nachtschrank sah Joe einige leere Kondomverpackungen und auf dem Boden lagen seine Klamotten wild verstreut. Ein kurzer prüfender Blick an sich herunter verriet ihm, dass er tatsächlich nackt war. Offenbar ist es kein Traum gewesen, doch wo war die dazugehörige Dame jetzt? Verzweifelt kniff er seine Augen zusammen und fühlte sich einfach schrecklich. Sein Mund fühlte sich trocken an und doch konnte er sie noch immer schmecken. Ihren einzigartigen salzig-süßen Geschmack. Wie konnte er nur über sie herfallen wie ein hungriger Wolf? Bestimmt war er grottenschlecht wegen seines Alkoholrausches und hatte im Bett total versagt. Sicherlich war sie heute früh aufgewacht und ist entsetzt aus seiner Wohnung geflohen. Er würde ihr jetzt nie wieder unter die Augen treten können. „Oh verdammt!“ fluchte er und schlug mit der Faust in die weiche Matratze. „Das kannst du wirklich laut sagen! So eine schicke Wohnung und dann nicht einmal ein paar Brötchen im Kühlschrank. Aber Zigaretten und Kaffee. Wirklich sehr gesundheitsbewusst lieber Herr Doktor.“ Erschrocken riss er seine Augen auf und starrte in ihre wunderschönen braunen Augen. Sae hielt zwei Becher Kaffee in den Händen und war lediglich mit einem seiner Hemden bekleidet. Sie setzte sich mit einem wunderschönen Lächeln neben ihn aufs Bett und reichte ihm einen Kaffeebecher. Verschämt zog Joe die Decke über seine nackte Männlichkeit und nahm das heiße Getränk zurückhaltend entgegen. „Warum so schüchtern? Das hab ich alles schon gesehen...“ sie grinste und zeigte mit ihrem Finger auf die Mitte seines Körpers. „Ich dachte du wärst gegangen...“ murmelte er einsilbig und nippte an seinem Kaffee. „Warum sollte ich gehen?“ fragte sie und beugte sich über ihn, um seine Wange zu küssen. „Möchtest du, dass ich gehe?“ ihr Blick wurde etwas traurig und sie setzte sich wieder aufrecht hin. Joe stellte seinen Becher auf dem Nachtisch ab und packte ihren Arm. Kraftvoll zog er sie zu sich runter und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss auf ihre zarten Lippen. Liebevoll streichelte er mit beiden Händen über ihren Rücken, als seine Zunge in sie eindrang. Sae ging ohne Umschweife auf seine Liebkosung ein, doch er löste sich wenige Sekunden später wieder von ihr. „Ich würde mich darüber freuen, wenn du bleibst.“ sagte er leise und sah ihr tief in die Augen. Sae kletterte über ihn und schmiegte sich an seinen nackten Körper. „Joe...“ ihre Hände legten sich auf seine Brust. „...ich würde es gerne mit uns versuchen.“ Zärtlich nahm er ihre rechte Hand und führte sie zu seinen Lippen. Joe hauchte ihr sachte einen Handkuss auf die Fingerknöchel und lächelte sanftmütig. „Dann würde ich mal sagen, dass du mir damit ein verdammt gutes Geburtstagsgeschenk gemacht hast.“ Ein zweideutiges Grinsen zog sich über ihre Lippen, als Sae ihre Finger erneut neugierig über seine nackte Haut gleiten ließ. „Und dabei bin ich mit dem schenken noch lange nicht fertig...“ 31. Dezember, Shibuya, Tokyo Die letzten Wochen waren wegen des Weichnachtschaos unglaublich schnell vergangen. Wie sehr Tai diese Zeit des Jahres doch hasste. Aber zum Glück war heute der 31. Dezember und das Jahr näherte sich mit schnellen Schritten dem Ende. Es war ein sehr ereignisreiches Jahr gewesen. Noch vor sechs Monaten hätte er überhaupt nicht damit gerechnet jemals wieder mit Mimi ein normales Gespräch führen zu können, geschweige denn bald Vater zu werden und dann traf er sie auf der Hochzeit ihrer Freunde. Die darauf folgenden Wochen waren einfach unfassbar. Sie kamen sich näher, zerstritten sich wieder, versöhnten sich und dann starb Kimiko. Selbst heute, fast sechs Monate später gab es keinen Tag, an dem er und Mimi nicht an sie dachten. An den Wochenenden fiel es Mimi anfangs ziemlich schwer in dem Haus ihrer verstorbenen Großmutter zu sein. Diese Leere zu spüren und überall ihre Anwesenheit zu vermissen. Doch von Mal zu Mal wurde es besser und Mimi bereitete sich auf das Baby vor. Beide hatten mittlerweile sogar ein kleines Kinderzimmer im Haus eingerichtet. Natürlich gab es Streit um die Farbe der Wände, der Möbel, der Kleidung. Eigentlich gab es Streit um alles, selbst über den Namen konnten sich beide noch nicht einigen. Taichi wollte unbedingt, dass ihre Tochter den Namen von Mimi's Großmutter trug. Wohingegen Mimi jedoch sagte, dass sie es merkwürdig finden würde ihre Tochter beim Namen ihrer Großmutter zu nennen und auch für ihren Vater wäre es wohl sehr komisch, wenn er seine Enkeltochter mit dem Namen seiner Mutter ansprechen müsste. Stattdessen kam Mimi immer wieder mit irgendwelchen fürchterlichen englischen Mädchennamen an. Die Palette reichte von Sharon bis hin zu Namen wie Chayenne und Ciara. Taichi hatte ihr unverblümt gesagt, dass diese Namen lediglich von Pornodarstellerinnen genutzt wurden. Aber selbst das brachte keine Einigung in ihrem unerbittlichen Namenskampf. Jetzt waren sie auf dem Weg zur heutigen Silvesterparty. Yamato hatte von einigen Bandkollegen Tickets für diese riesige Feier in einer alten Villa am Stadtrand erhalten. Noch vor wenigen Minuten hatte ihm Mimi einen Vortrag darüber gehalten, dass sie überhaupt nicht auf so eine edle Party gehen könne, da sie aussehe wie ein dicker Elefant. Wenige Überredungsversuche und einen Quickie im Badezimmer später, fühlte sich seine Verlobte dann doch dazu in der Lage an dieser Feier teilzunehmen. Als sie das Grundstück erreichten, waren Yamato, Sora, Hikari und Takeru bereits anwesend. Koushiro und Joe waren mit ihren Freundinnen in die Berge gefahren und würden heute Abend nicht dabei sein. Der riesige Garten der Villa war in eine weiße Schneedecke gehüllt. Im Inneren des Hauses gab es ein festliches Büfett und sogar relativ gute Musik. Mimi unterhielt sich fast ununterbrochen mit Hikari über die neusten »Babynews«, sodass dem jungen Yagami allmählich wirklich langweilig wurde. Er beschloss also, sich ein wenig umzusehen. Den ganzen Abend hatte er schon bemerkt, dass seine beiden Freunde Sora und Yamato sich verdächtig aus dem Weg gingen. Irgendwie war es schon die gesamten letzten Wochen deutlich zu spüren, dass es zwischen dem frischgebackenen Ehepaar wohl etwas kriselte. Auch jetzt stand Sora ganz alleine etwas abseits der Tanzfläche und starrte gedankenverloren ins Leere. Vorsichtig tippte Taichi ihr auf die Schulter und schenkte ihr ein Lächeln. „Warum so nachdenklich?“ fragte er und stellte sich zu ihr. „Wirst du gegen Ende des Jahres nicht auch etwas melancholisch?“ erwiderte sie mit einem finsteren Lächeln. „Dieses Jahr war von vorne bis hinten melancholisch. Ich bin einfach nur noch froh, wenn es vorbei ist. Außerdem kann ich es kaum noch erwarten, dass ich Vater werde. Diese Schwangerschaftshormone machen mich noch wahnsinnig!“ Sora lächelte und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Was wäre wohl gewesen, wenn wir beide ein Paar geworden wären?“ Tai zuckte zusammen und starrte entsetzt zu seiner rothaarigen Freundin. Hatte er ihre Frage jetzt richtig verstanden? Was sollte das denn auf einmal? Sein Magen zog sich zusammen und ihm wurde heiß und kalt zugleich. „Ich...ich weiß nicht. Du hast dich für Yamato und ich habe mich für Mimi entschieden.“ seine Worte kamen irgendwie unbeholfen über seine Lippen. Was sollte er auch dazu sagen? „Warum fragst du das? Bist du mit deiner Entscheidung etwa nicht glücklich?“ Und da war es. Wie immer hatte er wohl ungewollt ins Schwarze getroffen. Ihre Augen färbten sich traurig und er hätte schwören können, dass sich einige Tränen in ihrem Augenwinkel bildeten. Aber sie wischte sich mit dem Ärmel ihres Kleides rasch über das Gesicht und lächelte tapfer. „Vielleicht verändern sich die Menschen, oder man erkennt einfach zu spät ihr wahres Gesicht.“ Er verstand nicht, was sie ihm damit sagen wollte. Natürlich wusste jeder von der jahrelangen On-Off-Beziehung, welche die beiden führten. Aber nach der Hochzeit sollte es sich doch langsam beruhigt haben. „Was meinst du? Ist er dir untreu?“ er spürte, wie plötzliche Wut in ihm keimte. „Ich weiß es nicht. Wir wollten uns schon vor Monaten das Haus kaufen und er schiebt es immer wieder raus. Ich möchte ein Baby und er sagt immer wieder, dass er erstmal noch reisen und Musik machen möchte. Ich kann damit leben, ich habe ihn schließlich genauso geheiratet. Aber inzwischen kommt er immer später nach Hause oder übernachtet sogar ganz woanders. Er spricht mit mir nicht darüber. Es scheint, als seien all unsere Pläne vergessen. Ich habe das Gefühl, als würde ich überhaupt kein Teil seines Lebens mehr sein.“ Der Brünette blieb stumm und beobachtete das vielsagende Gesicht seiner Freundin. Wie sehr er solche Männer doch hasste. Männer wie seinen Vater. Männer die ihre Frauen und letztlich ihre Familien verrieten, hintergingen und betrogen. Aber Taichi wusste ganz genau, dass es jetzt überhaupt nichts brachte, wenn er die Fassung verlor und seiner Wut freien Lauf lies. Er würde es wohl etwas erwachsener lösen und ein richtiges Gespräch mit seinem Freund führen müssen. Sachte berührte er ihre Schulter und schenkte ihr ein hoffnungsvolles Lächeln. „Hör auf zu weinen. Heute Abend wirst du dir darüber keine Gedanken machen. Steh hier nicht so alleine herum. Du solltest zu den anderen beiden Hexen gehen, damit die endlich auch wieder über etwas anderes sprechen, als über Babys.“ Er wischte ihr die Tränen aus dem Gesicht und brachte sie zurück zu Mimi und Hikari, bevor er sich jedoch auf die Suche nach Yamato machte. Er hatte nämlich einiges mit ihm zu klären und dieses Gespräch würde wohl kein nettes Kaffeekränzchen werden. Es dauerte nicht wirklich lange und Taichi hatte ihn an der Bar gefunden. Wütend packte er ihn im Genick und zog ihn unsanft vom Hocker. „Hey was soll das? Spinnst du, oder was?“ fauchte der Blonde und schlug Taichi's Hände von sich ab. „Komm mit oder ich verpasse dir gleich hier eine auf deine dämliche Fresse!“ erwiderte Tai seelenruhig und ging vorneweg. Als die beiden einige Schritte im Garten der Villa gelaufen waren, wurde Yamato doch ungeduldig und fuhr seinen Freund barsch an. „Was soll das?“ „Warum bist du denn so ein verfluchter Scheißkerl? Sie heiratet dich, stellt ihre Träume für dich hinten an. Verzichtet auf ein Kind, weil sie weiß, dass du dir Zeit lassen möchtest. Sie weiß von deiner Angst und dass du deinem Kind eine Scheidung ersparen möchtest. Sie hat für deinen unbeständigen Lebensstil Verständnis. Sie reist mit dir durch die Welt und alles was sie zum Dank von dir bekommt ist Untreue und dass du sie alleine lässt?“ Tai ballte seine Hände zu Fäusten und rang mit seinem Zorn. „Sie kann auf vieles verzichten für dich. Aber mit deiner Untreue kommt sie nicht zurecht. Was tust du da? Ich habe sie dir damals anvertraut, sie dir überlassen. Sie liebt dich und du behandelst sie so schlecht? Du bist ein jämmerlicher Feigling, denn im Grunde hast du einfach nur Angst zu versagen!“ Matt grinste süffisant und lehnte sich gegen die kühle Hauswand. „Warum hältst du mir denn so einen Vortrag? Bist du etwa immer noch in Sora verschossen? Solltest du dich nicht besser fragen, wer von uns beiden hier der Scheißkerl ist? Da drinnen sitzt deine schwangere Verlobte und du behauptest dich immer noch als Beschützer von Sora?“ Der Angesprochene schüttelte lächelnd den Kopf und fuhr sich mit seinen eiskalten Fingern durchs Haar. „Nein, es hat überhaupt nichts damit zu tun, dass ich noch in irgendeiner Weise in Sora verliebt bin. Ich bin glücklich und möchte überhaupt keine andere Frau als Mimi. Denn ich bin keine 16 mehr und heute weiß ich ganz genau was ich will. Aber du bist immer noch dasselbe Arschloch wie vor zehn Jahren.“ Ungewollt blieb Taichi tatsächlich vollkommen ruhig. Er sah grotesk ernst in die blauen Augen seines Freundes und lächelte bedrohlich. „lch schwöre dir, wenn du sie nicht gut behandelst, dann werde ich dir dein Leben zur Hölle machen.“ Yamato seufzte angespannt und sah reumütig auf seine Füße. „Es ist dir hoch anzurechnen, dass du immer noch so hart für deine Freunde kämpfen würdest. Du bist eben ein wahrer Freund...“ er fischte in seiner Hosentasche nach seiner Zigarettenschachtel und zündete sich eine an. Nachdenklich fuhr er sich durchs Haar und stieß den inhalierten Rauch langsam durch die Nase aus. „Es gibt keine andere Frau. Ich bin ihr nicht untreu. Ich arbeite seit Monaten nachts in der Gerätewartung eines Druckerherstellers. Ich will endlich das Geld verdienen, um ihr ihre Träume zu erfüllen und mit meiner Musik kann ich das einfach nicht. Das Haus können wir uns von den paar Auftritten nicht leisten. Im Moment wüsste ich nicht, wie ich ein Kind ernähren sollte. Glaubst du, dass ein Ehemann so sein sollte? Ein erbärmlicher Versager ohne Geld und Karriere? Ein brotloser Musiker der seinen Träumen hinterher jagt? Wer will denn so einen?“ Zum aller ersten Mal hörte er von seinem Freund, dass er seinen Traum vom erfolgreichen Musiker aufgegeben hatte und jetzt an einem bodenständigen Leben arbeitete. Er wollte sich eine Zukunft mit Sora aufbauen und hatte Angst davor, sein Gesicht zu verlieren. Also machte Yamato alles heimlich hinter ihrem Rücken und sie dachte, dass er ihr untreu wäre. „Du bist ein dämlicher Idiot. Sie liebt dich genauso wie du bist. Ich glaube, dass sie sich unglaublich darüber freuen würde. Alles was sie will bist du, eine Zukunft mit dir, ein Leben an deiner Seite. Dabei ist ihr doch völlig egal, ob du ein erfolgreicher Musiker oder ein ganz normaler Techniker im Außendienst bist. Aber sei ehrlich zu ihr, zeige ihr deine Liebe.“ Matt grinste und löschte seine Zigarette im Schnee. „Oh mein Gott, was ist denn mit dir passiert? Dieses Leben mit Mimi hat dich verändert. So erwachsen und vernünftig kennt man dich überhaupt nicht.“ Tai erwiderte sein Lächeln und nickte stumm. „Ja, du musst es nur zulassen. Du musst es zulassen, dass die Liebe zu einer Frau dich und dein Leben auf den Kopf stellt. Denn all die Dinge die wir wollen, liegen vor unseren Füßen. Wir müssen lediglich danach greifen.“ Mimi steckte ihren Kopf durch die Tür und sah die zwei Männer draußen im Garten stehen. Verwundert beobachtete sie die beiden, bevor sie durch den hohen Schnee marschierte und zu ihnen ging. „Hey ihr zwei, es sind nur noch zehn Minuten bis Mitternacht. Wir haben euch überall gesucht. Wollt ihr etwa das neue Jahr verpassen?“ Taichi wendete sich sofort seiner schwangeren Verlobten zu und nahm sie in den Arm. „Bist du verrückt geworden, hier ohne Jacke raus zu kommen?“ sagte er und schob sie wieder nach drinnen. „Wir wollten nichts verpassen, nur ein Gespräch unter Männern.“ Wenige Minuten später standen so ziemlich alle Gäste draußen im Garten und zählten die letzten Sekunden runter. Tai hielt Mimi im Arm und legte bedächtig eine Hand auf ihren gewölbten Bauch. Selbst unter dem dick gefütterten Wintermantel konnte man ihren Babybauch deutlich erkennen und Taichi spürte die Bewegungen seiner ungeborenen Tochter unter dem Herzen seiner Verlobten. Takeru stand neben seinem Bruder und hielt Hikari fest an sich gedrückt im Arm. Auch Yamato und Sora standen gemeinsam draußen und sprachen miteinander. Tai konnte sie nicht hören, aber er sah an dem Blick der Rothaarigen, dass das Gespräch mit ihrem Ehemann wohl gut verlief. Vielleicht konnte der Blonde nun doch den Mut aufbringen ehrlich zu ihr zu sein und sich einem gemeinsamen Leben mit ihr hinzugeben. „Ich möchte dich nicht hinhalten. Ich möchte mit dir zusammen sein, mein Leben mit dir verbringen und auch eine Familie mit dir gründen. Schließlich sehe ich, wie glücklich mein Bruder mit seinem Sohn ist und auch Tai wird bald Vater sein. Bitte verzeih mir...“ sagte er leise und nahm sie liebevoll in den Arm. Sora sah zu Taichi rüber und schenkte ihm ein dankbares Lächeln. „Ich glaube, jetzt sind wir endlich quitt...“ murmelte Tai leise. Denn schließlich war es Sora, die dafür verantwortlich gewesen ist, dass er sich die Gefühle für Mimi eingestand. „Wie bitte?“ fragte die Brünette und tippte ihrem Verlobten gegen die Brust. Er sah zu ihr runter und zog sie fester an sich heran. „Ich liebe dich...“ die junge Frau verstand zwar nicht ganz, lächelte aber zufrieden, als sie im Hintergrund das laute Zählen der anderen Gäste vernahm. „3, 2, 1….Frohes neues Jahr!“ grölte es aus allen Richtungen und die Raketen schossen mit einem ohrenbetäubenden Knall in den Himmel. „Ich liebe dich auch. Frohes neues Jahr...“ sagte sie und stellte sich auf ihre Zehenspitzen. Zärtlich versiegelten sich ihre Lippen zu einem Kuss. Taichi fuhr mit beiden Händen von ihrem Bauch zu ihrem Rücken. Es war ein unglaublich gutes Gefühl, sie endlich in den Armen zu halten und ganz genau zu wissen, dass sie seine Zukunft sein würde. Mimi löste sich von ihm und las von ihrem Handydisplay einige Neujahreswünsche von Koushiro und Joe vor. „Die vier haben anscheinend viel Spaß auf ihrem Pärchentrip. Ich glaube, für Sae ist das auch etwas gutes, dass sie endlich mit Joe zusammen sein kann.“ Tai rümpfte die Nase und nestelte in ihrem duftenden Haar. „Hoffentlich kommt er nicht auf die dämliche Idee, ihr heute auch einen Heiratsantrag zu machen….“ Auf diese unverschämte Bemerkung stieß ihm Mimi, ohne weiteren Kommentar, mit dem Ellenbogen in die Rippen. Schmerzerfüllt keuchte er auf und sah sie fassungslos an. „Was soll das?“ fragte er außer sich. „Was denn? Das war deine Tochter. Wenn sie mir so heftig gegen den Bauch tritt, dann überträgt es sich schon mal auf meinen Arm und der landet in deinen Rippen.“ sie grinste und schmiegte sich wieder an ihn heran. „Ja richtig, meine Tochter.“ flüsterte er bedächtig und sehnte sich mit jeder Faser seines Körpers danach, ihr gemeinsames Kind endlich in den Armen halten zu können. Er freute sich auf das kommende neue Jahr und sah auf das zurückliegende mit einem weinenden, aber auch lachenden Auge zurück. 01. April, Tateyama, Präfektur Chiba Unaufhörlich schritt die Zeit voran und rieselte wie Sand durch die Finger. Der eisige Winter wich allmählich dem Frühling. Die Tage wurden wieder länger und sogar die Sonne ließ sich ab und an blicken. Im Februar feierte Koushiro seinen 23. Geburtstag und Anfang März heirateten Hikari und Takeru endlich. Es war eine wunderschöne Feier, in einem sehr kleinen Kreis. Unter großer Überwindung gelang es, dass Taichi es mit seinem Vater aushielt und seiner Schwester zuliebe keinen Streit vom Zaum brach. Doch selbst nach so vielen Jahren musste er feststellen, dass diese alten Wunden unglaublich tief saßen und längst nicht verheilt waren. Vielleicht würde er auch niemals darüber hinweg kommen, dass sein Vater eine Affäre mit einer anderen Frau hatte. Aber er konnte von jetzt an alles daran setzen, ein besserer Mann und Vater zu werden. Denn auch der impulsive Trotzkopf hatte inzwischen verstanden, dass jede Narbe auf dem Herzen dazu beitrug, stärker zu werden und es beim nächsten Mal besser zu machen. Nach dem Geburtstag von Yamato erfolgten die Abschlussprüfungen an der Universität, welche Taichi mit Bravour meisterte, obwohl die beiden zuvor ordentlich gefeiert hatten. Parallel zu seinen letzten Prüfungen hatte Taichi seine Ausbildung zum internationalen Diplomat bei der UNO begonnen. Zunächst würde er lediglich in Japan agieren und keinen Außendienst begleiten müssen, aber zukünftig würde sich seine Arbeit ebenfalls in alle Mitgliedsstaaten dieser Welt erstrecken. Doch im Moment hatte er einzig und allein seine kleine Familie im Kopf, denn es waren nur noch drei Wochen bis zum errechneten Entbindungstermin. Auch Mimi konnte kaum noch in der Firma ihrer Großeltern anwesend sein und zog sich immer mehr zurück. Sie und Taichi waren komplett umgezogen und hatten die Wohnung in Tokyo aufgeben. In dem Haus ihrer Großmutter fühlte sich die junge Frau und werdende Mutter mittlerweile sehr geborgen. Es war der erste Freitag im Arpil. Ein heftiger Taifun zog über die Ostküste Japans und dementsprechend war Taichi zeitiger nach Hause gekommen. Er war unbeschreiblich fürsorglich und hätte Mimi zu keinem Zeitpunkt alleine gelassen und einer solchen Gefahr ausgesetzt. Wenn er tagsüber nicht zu Hause war, dann waren Mimi's Onkel oder Tante bei ihr. Der Regen peitschte auf die Straße nieder und einige Regionen waren bereits überschwemmt. Aufmerksam verfolgte Taichi den Wetterbericht und streichelte dabei über den Bauch seiner Verlobten. Mimi lag mit dem Kopf auf seinem Schoß und versuchte sich ein kleines bisschen zu entspannen. Ihr ging es bereits den ganzen Tag nicht gut. Sie hatte starke Kreislaufprobleme und Krämpfe im Unterleib. Ihr Bauch war schwer, ihre Füße geschwollen und seit Wochen wusste sie nicht mehr wie sie liegen, sitzen oder stehen sollte. Auch jetzt gab die Kleine keine Ruhe in ihrem Bauch und macht sich mit all ihren winzigen Gliedmaßen bemerkbar. Für gewöhnlich beruhigte sich ihr Töchterchen, sobald Taichi seine Hand auf den Bauch legte. Doch dieses Mal schien es nicht zu helfen. Schmerzerfüllt seufzte Mimi und versuchte gleichmäßig zu atmen. „Süße, alles in Ordnung? Es wird nicht besser. Sollten wir vielleicht doch lieber ins Krankenhaus fahren?“ fragte Tai besorgt und strich Mimi einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Geht schon. Kein Krankenhaus.“ murmelte sie keuchend und kniff immer wieder ihre Augen zusammen. „Mimi, du bist kochend heiß. Das ist doch nicht normal. Bitte lass uns ins Krankenhaus fahren...“ Taichi legte nun beide Hände schützend auf ihren Bauch und beobachtete ängstlich jede Regung im Gesicht seiner Verlobten. Sanft schob sie seine Hände weg und versuchte von der Couch aufzustehen. Tai stützte sie etwas und half ihr dabei. Kurz zeichnete sich der Schmerz auf ihrem müden Gesicht ab, doch dann lächelte Mimi und lief langsam zur Treppe. „Ich muss nur ein bisschen schlafen...“ aber bevor sie die erste Stufe der Treppe nehmen konnte, krümmte sich Mimi vor Schmerz und griff keuchend nach dem Geländer. Sofort eilte der Brünette zu ihr. Ein stechender Schmerz durchzog ihren Körper in immer kürzer werdenden Intervallen. Mimi wurde schwarz vor Augen und das Atmen fiel ihr unglaublich schwer. Ohne weiter mit ihr zu diskutieren beförderte Taichi die werdende Mutter ins Auto. Noch während Mimi protestierte und fürchterlich schimpfte, landete die bereits gepackte Krankenhaustasche auf dem Rücksitz und er startete den Motor. Für Anfang April war es immer noch wahnsinnig kalt. Der ansonsten wundervolle Stand glich einer ekelhaften grauen Masse, welche sich am Rande des tosenden Ozeans entlang zog. Der heftige Wind des Taifuns jagte den Regen in Sturzbächen über die Straße. An einigen Stellen war der Erdboden durch den beständigen Dauerregen so aufgeweicht, dass riesige Schlammlawinen von den Hängen der Felder auf die Straße geschwemmt wurden. Augenblicklich brachte Taichi das Auto zum stehen. Vor ihnen ging es nicht weiter. „Verdammt!“ fluchte er und stieg aus dem Auto aus, um zu prüfen, wo er vorbei fahren konnte. Doch es war völlig aussichtslos. Der Weg war von riesigem Geäst verbarrikadiert. Das Regenwasser schoss wie ein reißender Fluss über die Kreuzung und machte es unmöglich den Weg zu Fuß oder mit dem Auto zu passieren. Der junge Mann eilte zurück zum Wagen und wollte sich gerade auf den Sitz setzen, als er in das kreidebleiche Gesicht von Mimi blickte. Ihre goldbraunen Augen starrten ihn angsterfüllt, beinahe panisch an. Ihre Hände zitterten und vergruben sich krampfhaft in dem Baumwollstoff ihres hellgrauen Mantels. Als seine dunkelbraunen Augen weiter prüfend über ihren Körper glitten erkannte er, dass ihre Hose und der Beifahrersitz komplett durchnässt waren. „Bitte sag mir, dass es rein geregnet hat und der Sitz deswegen nass ist...“ murmelte er unsicher. „Die Fruchtblase ist geplatzt...“ stotterte sie und Tränen liefen über ihre Wangen. „Was nun? Oh Gott, wir stecken hier fest und das Baby kommt!“ Mimi fing immer heftiger an zu Schluchzen und ihr gesamter Körper bebte wie Espenlaub. Tai, der noch immer gegen den Rahmen der Autotür lehnte und nicht im Auto saß, schluckte hart. Sie saßen hier tatsächlich fest. Was sollte er tun? Was zur Hölle sollte er jetzt nur tun? Er atmete tief durch und schenkte ihr ein liebevolles Lächeln. „Wir schaffen das schon...“ er begab sich auf die andere Seite des Autos und öffnete die Beifahrertür. Tai hockte sich vor ihr hin und legte seine rechte Hand auf ihren Bauch. „Bitte hör auf zu weinen und versuche dich zu beruhigen.“ „Wie soll ich mich beruhigen? Ich werde dieses Kind nicht alleine, mitten auf der Straße, in einem Auto zur Welt bringen können. Ich schaffe das nicht! Ich werde es verlieren….“ Mimi schrie ihn von Panik ergriffen an. Immer wieder durchzog sie ein stechender Schmerz, welcher ihre gesamten Sinne lähmte. Das Atmen fiel ihr schwer und in der Kälte das Abends hatte Mimi das Gefühl, jede Sekunde ohnmächtig zu werden. Taichi fischte in seiner Hosentasche nach seinem Telefon. Es dauerte eine ganze Weile, bis er die gewünschte Stimme endlich hörte. „Oh Man! Warum dauert das solange? Ich brauche deine Hilfe!“ fauchte der Brünette bedrohlich und war selbst darum bemüht, die Fassung zu wahren. „Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen? Ich hoffe es ist wichtig!“ entgegnete Joe am anderen Ende und zog sich seine Unterhose hoch. Er war dieses Wochenende bei seiner Freundin und hatte noch vor wenigen Stunden Dienst im Krankenhaus gehabt. Demnach war er verdammt müde und dieser idiotische Hitzkopf hatte ihn gerade bei einer wichtigen Tätigkeit unterbrochen. „Wir stecken hier auf der Straße fest und die Fruchtblase ist geplatzt. Was soll ich jetzt tun? Wie lange dauert es denn, bis das Baby kommt? Der Krankenwagen kommt nicht durch, sie wollen einen Hubschrauber schicken. Der nächste verfügbare ist aber einer, der aus Tokyo starten muss….was soll ich jetzt machen? Mimi geht es überhaupt nicht gut!“ Zunächst musste Joe die wild durcheinander geplapperten Worte seines Freundes sortieren, bevor er den Inhalt wirklich verstand. „Du bist mit Mimi auf der Straße? Bei diesem Wetter? Bist du denn verrückt?“ seine Stimme klang ungewollt vorwurfsvoll und Joe eilte zurück ins Schlafzimmer. Sae blickte ihn verwundert an, als ihr Freund plötzlich anfing sich sein Shirt anzuziehen. „Wenn die Fruchtblase geplatzt ist, gibt es keine Zeit mehr du dämlicher Trottel! Hast du beim Vorbereitungskurs nicht aufgepasst oder was? Das Kind wird jetzt kommen, es ist bereits im Geburtskanal...“ Die junge Krankenschwester hörte die Worte von Joe und stand nun ebenfalls auf. „Wo seid ihr denn?“ fragte Joe anschließend und deutete der Schwarzhaarigen an, sich ebenfalls anzuziehen. „Auf der Straße kurz vor dem Hachiman-Schrein...“ inzwischen hatte sich Mimi an Tai gelehnt, da sie nicht mal mehr aufrecht sitzen konnte. „Wir kommen zu euch...“ keuchte Joe während er die Treppen herunter eilte. „...du musst sie hinlegen, vielleicht auf die Seite, um die Geburt etwas zu verzögern, aber wenn die Wehen bereits in so kurzen Abständen kommen….“ er konnte nicht weiter sprechen, weil er selbst viel zu schockiert darüber war. „Was dann? Was willst du sagen?“ hakte Tai nach und half Mimi aus dem Auto heraus. Joe und Sae rannten bereits durch den strömenden Regen. Auch sie versuchten erst gar nicht das Auto zu benutzen, da die Straßen reißenden Flüssen glichen. „Sie wird das Kind jetzt zur Welt bringen müssen. Wir sind gleich bei euch, bitte pass gut auf sie auf und halte sie warm!“ Tai legte auf und warf das Telefon achtlos ins Auto, während er Mimi auf den Rücksetzt legte. Sie keuchte und stöhnte unter den Schmerzen. Er half ihr dabei, sich auf die Seite zu legen und holte aus dem Kofferraum eine Decke. Danach begab er sich auf die andere Seite des Autos und öffnete die Tür an ihrem Kopf. Er setzte sich selbst auf den Rücksitz und legte ihren Kopf auf seinen Schoß. Besorgt hüllte er ihren zitternden Körper in den Stoff der Decke ein und streichelte ihren Rücken. Mimi versuchte so zu atmen, wie sie es im Schwangerschaftsvorbereitungskurs gelernt hatte, aber es schien nichts zu helfen. Angsterfüllt krallte sie ihre Finger in seine Arme. „Ob man den Sitz noch reinigen kann? Schließlich haben wir das Auto erst neu gekauft...“ sagte Taichi und streichelte über ihre Stirn. Entsetzt riss Mimi ihre Augen auf und starrte ihn wütend nieder. „Willst du mich verarschen?“ keuchte sie und spannte jeden Muskel in ihrem Körper an, als eine nächste Welle des Schmerzes über sie hereinbrach. Er grinste und küsste ihre heiße Stirn. „Mimi, wir werden das gemeinsam durchstehen. Deine Schwester und Joe sind gleich da.“ Insgesamt waren es wohl fünfzehn Minuten bis Joe und Sae eintrafen, aber für Taichi fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Der werdende Vater hatte das Gefühl, dass die Anwesenheit ihrer Schwester beruhigend auf Mimi wirkte. Joe prüfte ohne große Umschweife die Vitalfunktionen von Mimi und sagte Sae genau an, was er aus seiner Arzttasche benötigte. „Mimi, dein Puls ist zu hoch und deine Atmung zu flach….“ er sah ihr ins Gesicht und schob die Decke zur Seite. „...wir sollten dir die Jacke ausziehen, damit du besser atmen kannst.“ Vorsichtig öffnete Tai die Jacke und half Mimi dabei diese abzustreifen. Danach zeigte ihm Joe, dass er sich hinter Mimi setzen und ihren Rücken gegen seine Brust lehnen sollte. In der sitzenden Position sei es für die Muskulatur und den Kreislauf besser. Sie presste ihren Kopf gegen seine Brust und suchte flehend nach seinen Händen. Taichi konnte in jedem ihrer Atemzüge und Bewegungen erkennen, dass Mimi Todesangst hatte. Sae stellte gerade die Arzttasche von Joe auf dem Beifahrersitz ab, während der junge Arzt ihr die Hose und schließlich auch Unterhose auszog. Hastig packte Tai sein Handgelenk und starrte ihn an. „Was soll das denn werden? Schau gefälligst nicht so dahin und nimm die Finger da weg!“ schrie Tai außer sich vor Wut. „Soll sich eure Tochter durch den Stoff der Hose zaubern und als hätte ich das nicht schon längst einmal gesehen!“ Fassungslos starrten Sae und Taichi zu Joe, der erst jetzt den Inhalt seiner Worte realisierte. „Nein, nein, nein! So habe ich das nicht gemeint! Ich meinte damit, dass ich bereits viele Frauen gesehen habe...“ Noch viel entsetzter als bereits zuvor, sah die junge Krankenschwester zu ihrem Freund und Joe wurde immer nervöser. „Im Dienst! Als Arzt! Was denkt ihr denn von mir?“ fügte er hinzu, als ihn plötzlich der heftige Tritt von Mimi an der Brust traf. „Seid ihr jetzt fertig? Ich kann nicht mehr!“ schrie diese völlig aufgelöst und schlug immer wieder mit ihrem Kopf gegen die Brust ihres Verlobten. Ihr ging es so schlecht. Der Schmerz raubte ihr die Luft zum atmen und ihr wurde immer wieder schwarz vor Augen. Sie bekam überhaupt nicht mit, dass ihr Joe wohl einen Zugang samt Infusion gelegt haben musste und somit ihren Kreislauf stabilisierte. Benommen öffnete sie ihre Augen und schmiegte sich in Tai's Arme. „Es tut mir so leid...“ flüsterte sie und fing erneut an zu weinen. „...ich schaffe das nicht...“ fügte sie hinzu und biss sich auf ihre Unterlippe. Voller Sorge sah er zu ihr und streichelte weiter beruhigend über ihren Bauch. „Jetzt hör schon auf und rede nicht solchen Unsinn. Du wirst eine gesunde Tochter zur Welt bringen. Wenn überhaupt jemand schuldig ist, dann jawohl ich. Ohne mich wärst du jetzt nicht schwanger und würdest entspannt auf der Couch liegen und deinen Freitagabend genießen...“ ihm stiegen die Tränen in die Augen, weil er weiter dabei zusehen musste, wie schlecht es ihr ging und er einfach nichts tun konnte, um ihr zu helfen. „Mimi...“ unterbrach Joe das Gespräch der beiden. „...bei den nächsten Wehen musst du pressen. So fest du kannst. Die Kleine lässt nicht länger auf sich warten...“ er lächelte nervös und half Mimi dabei ihre Beine etwas anzuwinkeln. Alles geschah so furchtbar schnell. Zu sehen, wie sich Mimi vor Schmerzen krümmte, ab und an bewusstlos wurde und dann erneut Kräfte sammelte, um ihre gemeinsame Tochter zur Welt zu bringen, machte Tai vollkommen fertig. Er hielt sie fest, stützte ihren Oberkörper, streichelte ihre Stirn und doch schien er einfach nichts ausrichten zu können. Der ohrenbetäubende Lärm des landenden Helikopters ging gänzlich an ihm vorbei. Erst als zwei Sanitäter neben Joe auftauchten und irgendwelche medizinischen Floskeln austauschten realisierte Tai, dass Hilfe eingetroffen war. Doch plötzlich wurde alles unheimlich still um ihn herum, als ein markerschütternder erster Schrei die Nacht durchbrach. Tai sah, wie Joe mit einem Mal ein kleines, zerknautschtes, blutiges Bündel in den Händen hielt. Ein winziges Büschel schwarzer Haare zierte das kleine Köpfchen und immer wieder flutete dieser neugeborene Mensch seine Lungen mit Luft und schrie seine ersten Atemzüge kraftvoll in die Dunkelheit der Nacht. Sofort legte er das Baby auf Mimi's Brust. Joe selbst konnte überhaupt nicht begreifen, was da gerade geschehen war. Noch nie in seinem Leben hatte er bei einer Geburt geholfen und dieses Wunder miterlebt. Mimi war kraftlos und völlig benommen, doch sie legte instinktiv ihre Arme um dieses kleine schutzlose Wesen auf ihrer Brust. Wie in Trance starrte Taichi auf seine Tochter und bemerkte überhaupt nicht, dass ihm unaufhörlich Tränen übers Gesicht liefen. Er zitterte am ganzen Körper und fühlte sich zum ersten Mal in seinem Leben so unendlich hilflos und glücklich zugleich. Es waren ihre leuchtenden Augen, die seinen Blick trafen. Ihre Hand, die nach seiner griff und ihre Stimme, die ihn aus seinem Schock zurück in die Realität holten. Mimi legte die Hand von Tai unter den Kopf ihrer Tochter und küsste seinen Arm. „Sieh nur, das ist deine Tochter...“ Über ihm brach alles zusammen. Seine Emotionen übermannten ihn und Taichi beugte sich über Mimi und seine Tochter. Weinend hielt er sowohl Mimi, als auch seine Tochter an sich gedrückt. Ihre eiskalten Finger wischten ihm die Tränen aus dem Gesicht und sie schmiegte sich erleichtert an seine Brust. „Ich liebe dich so sehr!“ schluchzte er „Ich liebe euch beide so sehr...“ ergänzte Tai und küsste hingebungsvoll die Stirn seiner völlig entkräfteten Verlobten. Es war einfach grandios wie sie ihr erstes gemeinsames Kind zur Welt brachte. Taichi griff nach Joe's Arm und hauchte ihm ein zitterndes „Danke.“ zu, bevor die Sanitäter sich daran machten die Kleine gut einzupacken und Mimi für den Transport ins Krankenhaus vorzubereiten. „Das ist wirklich ein schöner Geburtstag. Ein Frühlingskind...“ sagte ein Sanitäter zu Joe, während er den Hubschrauber startete. Taichi sah in das Gesicht von Mimi, die zärtlich über das Köpfchen der Kleinen streichelte. „Haruko...“ sagten die beiden Eltern zeitgleich. Mimi lächelte zufrieden und zog den Brünetten zu sich, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu hauchen. „Soll das etwa heißen, dass wir jetzt endlich einen Namen für unsere Tochter gefunden haben, mit dem wir beide leben können?“ „Es scheint, als hätte sich unsere Tochter diesen Namen selbst ausgesucht. Sie ist eben ein Frühlingskind und auf japanisch heißt das eben Haruko...“ vorsichtig fuhr er mit seinem Daumen über die winzige Wange seiner Tochter. „Willkommen auf dieser Welt Haru-chan...“ Im Krankenhaus wurden Mimi und Haruko sofort versorgt. Soweit war alles in Ordnung, außer dass Mimi unterkühlt war und sich somit eine Erkältung zugezogen hatte. Aber um etwaige Infektionen auszuschließen, sollten Mutter und Kind noch die nächsten Tage unter Beobachtung auf der Intensivstation bleiben. Joe war jeden Tag bei den beiden frischgebackenen Eltern und versicherte sich, dass es Mutter und Tochter auch wirklich gut ging. Die Dankbarkeit, welche ihm jedes Mal von Tai entgegengebracht wurde, verwirrte den jungen Arzt. Aber der junge Yagami war davon überzeugt, dass sie es Joe zu verdanken hatten, dass diese Katastrophe ein gutes Ende fand. Es dauerte einige Tage, bis es Mimi besser ging und sie sich von den Strapazen der abenteuerlichen Geburt erholt hatte. Es war ein regnerischer Abend, als Taichi und Mimi alleine im Krankenzimmer saßen und sich von ihren Freunden verabschiedet hatten. Haruko schlief friedlich in den Armen ihrer Mutter und Tai hatte sich neben Mimi ins Bett gelegt. „Ich freue mich darüber, dass unsere Freunde für uns da sind und uns besucht haben.“ sagte sie leise und schmiegte ihren Kopf an seine Schulter. „Hast du das Leuchten in den Augen meiner Schwester gesehen? Ich glaube es wird nicht lange dauern und die beiden legen ein zweites Kind nach...“ „Tai...“ murmelte Mimi. „...du sagtest, dass es alles deine Schuld sei. Ohne dich wäre ich nicht schwanger und würde jetzt entspannt an einem Freitag zu Hause sitzen. Ich will das du weißt, dass es nicht so wäre. Du bist überhaupt nicht schuld und wenn du nicht mit mir zu meiner Großmutter gekommen wärst, dann hätte ich mich wohl in meinem Kummer verloren. Ich hätte das alles niemals alleine durchstehen können. Ohne dich hätte ich nicht wieder zu meinem Vater gefunden. Erst du hast mich wieder stark gemacht, mich dazu gebracht zu kämpfen und an mich selbst zu glauben. Ganz egal wo ich jetzt wäre, ich möchte nirgendwo lieber sein als hier an deiner Seite.“ Ergriffen sah er sie an und lächelte matt. „Ich bin dir so dankbar, dass du mir noch eine Chance gegeben hast. So dankbar, dass du so eine Kämpferin bist und mir eine Tochter geschenkt hast und egal was ich tun kann, damit du glücklich bist, ich werde es tun.“ Mimi drückte ihm ihr Telefon in die Hand. „Mach ein Foto von uns...“ Verwirrt tat er was sie von ihm verlangte und reichte ihr das Telefon zurück. Mimi tippte einige Worte unter das Foto und sendete es dann ab. „Wem hast du denn dieses Foto geschickt?“ fragte er neugierig, bekam aber nur ein zufriedenes Lächeln als Antwort. „Demjenigen, den ich jetzt sehr vermisse….“ »Mimi Tachikawa an Sōsuke Tachikawa: Du bist in meinem und unserem Leben immer willkommen. Wenn du nach Hause kommen möchtest, wird unsere Tür immer offen sein. « Nach zwei Wochen durfte Mimi das Krankenhaus endlich verlassen. Der Frühling hatte Einzug gehalten und die Tage waren wundervoll sonnig. Die Kirschbäume zeigten sich in voller Blüte und die langen Spaziergänge am Strand waren für die junge Familie wundervoll. Auch wenn die Nächte kurz, die Tage anstrengend und die Zeit stets knapp war, so wollte keiner der beiden etwas an ihrem Leben verändern. In wenigen Tagen wollten Tai und Mimi heiraten. Das Haus war zum bersten gefüllt. Sae war mit Joe angereist und stritt sich stundenlang mit ihrer Mutter darüber, wer von beiden als nächstes die kleine Haruko halten durfte. Onkel Kazuki und Tante Mei versuchten stets zu schlichten, wobei sich Mei dann hinterrücks die Kleine unter den Nagel riss. Für die vollkommen übermüdeten Eltern war es ein Segen, dass sie von ihrer Familie und Freunden in der Versorgung ihrer kleinen Tochter entlastet wurden. Es war ein warmer sonniger Nachmittag Anfang Mai, als alle gemeinsam im Wohnzimmer saßen und einiges für die bevorstehende Trauung vorbereiteten. Liebevoll nahm Tai Mimi in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Plötzlich klingelte es unerwartet an der Haustür. Verwundert öffnete Mimi und blickte in das ebenso erstaunte Gesicht ihres Vaters und ihrer Mutter. „Jetzt steht halt nicht so da, als wärt ihr zu Salzsäulen erstarrt!“ flötete Mimi's Mutter freudig und schritt an ihr vorbei. „Wo ist meine Enkeltochter und mein zukünftiger Schwiegersohn?“ völlig perplex stand Tai vom Sofa auf und starrte in das Gesicht seiner baldigen Schwiegermutter. „Och der kleine Yagami! Ich fand dich schon im Kindergarten so süß! Lass dich mal ordentlich drücken und jetzt gibst du mir sofort meine Enkeltochter, ansonsten kannst du die Hochzeit gleich absagen.“ vollkommen überfordert entriss Taichi seine Tochter aus den Armen von Asuna und drückte sie seiner Schwiegermutter in die Hände. Mimi beobachte die Szene zwischen ihrer Mutter und Taichi mit einem zögerlichen Lächeln. „Du hast sie mitgebracht? Weiß Mama etwa von Sae?“ Sōsuke seufzte leise und fuhr sich durchs Haar. „Ja ich habe ihr alles gesagt. Dein zukünftiger Ehemann ließ dabei aber auch keinen Spielraum zu...“ Mimi sah ihren Vater verständnislos an. „Was hat Tai denn damit zu tun?“ „Er hat seine Forderungen klar und deutlich geäußert. Du hast dir einen guten Mann geangelt. Er nimmt unseren Namen an und hat darüber hinaus gefordert, dass ich deiner Mutter alles gestehe, ansonsten hätte er dafür gesorgt, dass ich meine Enkeltochter niemals zu Gesicht bekäme. Es ist gut, wenn ein Mann zu seinem Wort steht und Tai hat mir ganz klar gesagt, dass er keine Männer in seinem Leben dulden würde, die ihre Familie belügen...“ Sie schluckte hart, als sie die Worte ihres Vaters vernahm. So ist es also gewesen. Deswegen ist es wohl auch handgreiflich zwischen den beiden geworden. Ihr Vater wollte sich von einem jungen Kerl nicht erpressen lassen und Taichi verteidigte seinen Standpunkt mit aller Kraft. Zwei sture Dickköpfe die aufeinander trafen. Manchmal dachte Mimi wirklich, dass Taichi einen verdammt guten Yakuza-Boss abgeben würde mit seinen erpresserischen Methoden. „Tai ist ein unglaublich ehrlicher und mutiger Mann. Er genießt meinen höchsten Respekt und ich könnte mir keinen besseren Mann für dich und Vater meiner Enkelkinder vorstellen.“ die Worte ihres Vater rührten Mimi zutiefst und sie schlang schweigend ihre Arme um ihn. „Ich danke dir so sehr...“ murmelte sie schluchzend in den Kragen seiner Jacke. „Ich habe dich so lieb meine Kleine...“ erwiderte er und drückte seine Tochter fest an sich heran. Die fröhliche Stimme von Mimi's Mutter entzweite Vater und Tochter jäh aus ihrer Umarmung. Sie schob Sae zwischen die beiden und zog Mimi in ihre Arme. „Sōsuke, du solltest etwas Zeit mit Sae verbringen. Denn ich will die Erste sein, die unsere Enkeltochter verwöhnt, dabei störst du mich nur!“ sie schob die junge Krankenschwester vor die Tür und stupste ihren Ehemann ebenso an. Peinlich berührt standen sich Sōsuke und Sae gegenüber. Was war das denn für eine beschissene Situation? Nervös tippte die junge Frau mit ihren Fingern gegen den Saum ihres Rockes. Auch der gestanden Geschäftsmann war zunächst völlig ratlos, was er sagen oder tun sollte. Sie war wirklich zu einer wunderhübschen Dame herangewachsen, aber wie fing man ein Gespräch mit seiner Tochter nach so vielen Jahren an? „Naja, auf ein Eis muss ich dich jetzt wohl nicht mehr einladen. Dafür bist du wohl schon zu alt.“ sagte er schließlich und kratzte sich verlegen im Genick. Sae fing an zu grinsen. „Du magst es vielleicht nicht glauben, aber ich esse selbst mit 25 Jahren noch gerne Eis.“ Sōsuke seufzte erleichtert und setzte sich in Bewegung. „Na dann wirst du mir ein gutes Café in der Stadt zeigen müssen und wenn ich dir später noch Zuckerwatte und einen Luftballon kaufen soll, dann sollten wir uns beeilen.“ Sie musste lachen und folgte ihrem Vater. „Also fürs Erste würden es ein neuer Mercedes und eine Eigentumswohnung tun.“ Er lachte und erkannte in ihrem Gesicht gewisse Ähnlichkeit zu Asuna und sich selbst. Aber in ihrem sarkastischen Humor zeigte sich deutlich das Wesen seiner Mutter. Es würde wahrscheinlich noch einige Zeit brauchen, aber Sōsuke war sich absolut sicher, dass sie zueinander finden würden. Irgendwann. Mimi beobachtete, wie sich Asuna und ihre Mutter entspannt miteinander unterhielten. Es kam ihr so vor, als wäre sie in einem Film. Niemals hätte sie gedacht, dass sich die beiden Frauen so respektvoll begegnen könnten. Sie spürte wie sie von Taichi sachte in eine Umarmung gezogen wurde. Zärtlich küsste er ihren Hals und flüsterte ihr etwas ins Ohr. „Ich glaube, dass es genau das ist, was Kimiko immer wollte. Sie wollte, dass dieses Haus voller Leben ist und die Familie hier zueinander findet. Du hast deiner Großmutter den größten Wunsch erfüllt, indem du die Familie wieder zusammenführst.“ ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Die Monaten vergingen und in diesem Jahr jährte sich der Todestag von Kimiko zum zweiten Mal. Inzwischen waren Mimi und Tai nicht nur Eltern einer anderthalb jährigen Tochter, sondern auch ein verheiratetes Ehepaar. Der sommerlich heiße Tag lag in den letzten Zügen und die Sonne stand bereits tief am Horizont, als Mimi ihrem Ehemann von hinten auf die Schulter schlug. „Ihr habt eine besonders abstrakte Sandburg gebaut...“ sagte sie grinsend und gab ihm zur Begrüßung einen Kuss. „Haru-chan ist eben besonders kreativ...“ entgegnete Tai und beobachtete seine Tochter dabei, wie sie freudig nach ihrer Mutter rief. Mimi reichte Tai die Einkaufstaschen und nahm ihre Tochter auf den Arm. „Hallo meine Süße...“ flüsterte sie und küsste Haruko auf die Wange. „Was habt ihr denn wieder alles eingekauft? Echt, Weiber sollte man nicht allein los ziehen lassen...“ neugierig kramte Tai in den Taschen und zog eine große runde Pappschachtel heraus. „Das kannst du gleich mal auspacken. Meine Schwester meinte, dass es ein Fußball wäre, den sie beim Umzug im Keller gefunden hätte….“ Taichi setzte sich in den warmen Sand und beobachtete seine Tochter und Mimi, wie sie gemeinsam im Sand spielten. Er öffnete den Deckel der Schachtel und war verwirrt, als er keinen Fußball, sondern kleine blaue Söckchen darin fand. „Da ist kein Fußball drinnen...“ maulte er genervt und sah zu Mimi. „Wie, da ist kein Fußball drin? Was ist denn da drin?“ fragte sie unschuldig. „Irgendwelche blauen Socken...“ „Und unter den Socken?“ fragte sie weiter nach und musste sich ihren bissigen Unterton verkneifen. Taichi hob die kleinen Baumwollsocken an und darunter lag ein Foto. Bei näherer Betrachtung erkannte er, dass es sich dabei um ein Ultraschallbild handelte. Die dreidimensionale Aufnahme zeigte das heutige Datum und es war wesentlich mehr, als eine kleine Bohne darauf zu erkennen. Inzwischen war Mimi zu ihm gekommen und kniete vor ihm im Sand. Lächelnd sah sie ihn an und wartete auf eine Reaktion von ihm. „Ist deine Schwester schwanger oder was?“ fragte er begriffsstutzig und Mimi ließ den Kopf verzweifelt hängen. Warum war er denn nur so dämlich? „Warum hast du mir nichts gesagt? Wie weit bist du denn?“ plötzlich klang seine Stimme ernst und überhaupt nicht mehr scherzend. Sein Tonfall machte ihr Angst und sie wagte es kaum, ihren Kopf zu heben. Mimi wusste doch, wie sehr er sich ein weiteres Kind wünschte und beide hatten es so oft probiert und es hatte nicht geklappt. Also warum freute er sich jetzt nicht? Weshalb klang seine Stimme so ernst, als wäre er enttäuscht? Sie spürte seine Finger unter ihrem Kinn. Taichi zwang sie ihn anzusehen. Ihre goldbraunen Augen weiteten sich, als sie erkannte, dass er weinte. „Ich bin in der 15. Woche und wollte dir erst etwas sagen, wenn es ganz sicher ist. Es ist ein Junge...“ murmelte sie unsicher. Er kniff seine Augen zusammen und rang mit den Tränen. Stürmisch zog er sie in seine Arme und presste sie gegen seine Brust. Mimi konnte den schnellen Schlag seines Herzens deutlich spüren und schloss erleichtert ihre Augen. „Alles was ich jemals wollte. All die Dinge die ich mir für mein Leben jemals ersehnt habe, du hast sie mir erfüllt. Ich habe alles was ich jemals wollte. Du machst mich so glücklich. Ich danke dir Mimi.“ zärtlich legte er seine Lippen auf die ihren und küsste sie hingebungsvoll. Die junge Mutter löste sich aus seinen Armen und wendete ihm den Rücken zu. Lächelnd schmiegte sie ihren Rücken an seine Brust und schlang seine Arme um ihren Bauch. Vor langer Zeit saßen sie bereits genauso am Strand. Mimi drehte vorsichtig seinen Unterarm in ihren Händen und betrachtete seine Tätowierung. Unverändert standen dort die filigranen Schriftzüge: »Life is Pain« „Glaubst du immer noch, dass das Leben nur Schmerz ist?“ liebevoll strichen ihre Fingernägel über seine Haut. „Damit wir das erreichen, was wir uns von Herzen wünschen, müssen wir kämpfen und in Kauf nehmen, verletzt zu werden. Ja, ich glaube immer noch daran. Aber nur der Schmerz den wir erleiden, macht uns bewusst, was wirklich wichtig ist und ich bereue nichts davon.“ er legte seinen Kopf auf ihre Schulter und beobachtete ihre gemeinsame Tochter, die im Schein der untergehenden Sonne am Strand spielte. „Es wird wohl immer etwas geben, das man sich wünscht und wir werden wohl niemals all das haben, was wir wollen. Aber es sind die kleinen Dinge im Leben, die alles so wertvoll machen.“ ~*~*~ENDE~*~*~ Epilog: Epilog -------------- Die Dinge, die wir im Leben am meisten wollen scheinen zahlreich zu sein. Doch wenn ich heute an die Zeit mit dir zurück denke, dann weiß ich, dass es eigentlich nur eine einzige Sache im Leben gibt, die wir alle wollen. Wir wünschen uns, dass diese besonderen Menschen, die uns auf unserem Lebensweg begegnen, hoffentlich ihre Fußabdrücke im Sand hinterlassen, sodass wir ihnen ein kleines Stück auf diesem Weg folgen können. Bis das letzte Sandkorn durch unsere Finger gelaufen ist und selbst unsere eigenen Spuren, auf dem beständigen Pfad des Lebens verblassen. Wo geht die Liebe hin wenn sie weg ist? Heute weiß ich, dass es keinen merklichen Unterschied zwischen Liebe und Freundschaft gibt. Die Liebe ist mehr als Schmetterlinge im Bauch. Mehr als Zuneigung und Sorge um einen besonderen Menschen. Mehr als ein bloßes Gefühl. Sie ist nichts was wächst oder sich entwickelt. Liebe ist eine tiefe Verbundenheit, die man füreinander empfindet. Sie verbindet einander und zwar ein Leben lang. Denn selbst wenn wir voneinander getrennt sind, wird die Liebe zwischen uns niemals verschwinden. Unsere Wege werden sich immer wieder, auf schicksalhafte Art und Weise, kreuzen. Denn unsere Herzen sind miteinander verbunden. Verbunden in ewiger Freundschaft und tiefer Liebe zueinander. Damit wir überhaupt ohne diesen einen Menschen weiter leben können, reden wir uns ein, diese tiefe Verbundenheit sei verschwunden. Doch in Wahrheit geben wir dem Ganzen einfach einen anderen Namen. Liebe, Hass und Freundschaft sind am Ende nur leere Worte. Lange habe ich geglaubt, dass alles was ich will noch eine letzte Chance ist. Ein letzter Moment mit dir, um dir zu sagen, wie sehr ich dich liebe. Aber heute weiß ich, dass das was wir unaufhörlich suchen, angetrieben von unserer unsterblichen Hoffnung, unserer alles verzehrenden Sehnsucht, großzügigen Vergebung und verletzt durch die Eifersucht sowie den Schmerz des Abschiedes und Verlustes, lediglich ein Mensch ist, der uns auf unserem Lebensweg begleitet. Wir suchen jemanden, der seine unauslöschlichen Fußabdrücke im Sand unseres Lebensweges hinterlässt, sodass wir ihn niemals vergessen und unter dem ewig währenden Leuchten der Sterne die Wahrheit in unseren Herzen erkennen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)