Alltagskalkulationen von _Delacroix_ ================================================================================ Alltagskalkulationen --------------------  Io kämpfte gegen ein Gähnen an. Diese Unterrichtsstunde war die langweiligste seit der Erfindung der Zeitverschwendung. Vermutlich konnte man nicht einmal Geld mit dem verdienen, was der Lehrer gerade mit bunten Farben an die Tafel malte. Ryuu tippte unter der Bank auf seinem Handy herum, andere Schüler hatten ihren Kopf auf dem Pult und ihm waren ausgerechnet heute die Akkus seines Taschenrechners ausgefallen. Kurz um, ihm war langweilig. So langweilig, dass er schon im Raum herum guckte, etwas, was sonst so gar nicht seine Art war. Isumo Ichiban fing seinen gelangweilten Blick auf und erlaubte sich ein kurzes Lächeln. Es war schon faszinierend wie sehr sich der Junge seit dem Zwischenfall von neulich verändert hatte. Nun, zumindest wenn er nicht gerade völlig belanglosen Kram von der Tafel abschrieb. Ios Blick wanderte in die andere Richtung. Eine Schutzreaktion um nicht in die Verlegenheit zu kommen Isumo zu erklären, dass er gerade ein Verlustgeschäft machte. Ernsthaft, die Papierpreise stiegen ständig und er schrieb freiwillig diesen Blödsinn mit und verschwendete damit seine wertvollen Ressourcen. Auf der anderen Seite wickelte Akoya Gero gerade eine rosafarbene Haarsträhne um seinen Zeigefinger. Io konnte nicht bis auf sein Pult gucken, war sich aber fast sicher, dass er eine Modezeitschrift las oder zumindest hatte lesen wollen, denn plötzlich schien es, als hätte er seinen Blick bemerkt. Akoya setzte ein Lächeln auf. Jenes Lächeln, dass er auch aufgesetzt hatte, als er ihn gebeten hatte Schatzmeister zu werden. Ob er ihm deshalb noch grollte? Eigentlich hätte er den Posten wirklich gerne angenommen und sicher wäre es auf eine profitable Zusammenarbeit hinausgelaufen, aber er hatte es einfach nicht tun können. Er hatte es sich überlegt, ja, aber manchmal musste man profitable Geschäfte eben ablehnen um sich anderen Gebieten widmen zu können und sein Gebiet hieß halt zur Zeit: „Weltrettung durch blödsinniges Sprücheklopfen.“ Überraschend löste Akoya den Blick von seinem, um auf die Zeitschrift hinabzustarren. Hatte er etwas falsch gemacht? Hatte er ihn vielleicht zu lange angesehen? Io legte den Kopf schief. Diese Reaktion verstand er nicht. Er hatte doch nur in seine Richtung geguckt und war es nicht gerade Akoya, der Ryuu in solchen Fällen wieder und wieder damit aufzog? Obwohl die Freundlichkeit etwas anderes gebot, sah er weiter hin. Er ertappte Akoya sogar dabei, wie er wieder aufblickte, ihn entdeckte und eiligst wieder auf die Zeitschrift hinab sah. Hatte er es mit den Augen, oder war Akoya gerade rot geworden? Betont langsam drehte er sich wieder in Richtung Tafel. Profit konnte man aus diesem Benehmen eher nicht schlagen, aber vielleicht konnte er sich einen kleinen Spaß erlauben. Während der Lehrer seinem Diagramm weitere blaue Linien hinzufügte, wandte er seinen Blick wieder Akoya zu, der sich erneut beeilte, ihm auszuweichen. Ja, er hatte recht. Jedes Mal wenn sich ihre Blicke trafen, wurde der andere Junge rot und schaute weg. Eine Beobachtung, von der Ryuu sicher nur zu gerne erfahren hätte. Aber warum sollte er es ihm sagen? Es ging ihn schließlich weder etwas an, noch hätte er Akoya damit einen Gefallen getan. Immerhin schienen die Beiden sich so gar nicht zu verstehen. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, während er darauf wartete, dass der Andere den Kopf wieder in seine Richtung bewegte. Eigentlich stand ihm das Rot ganz gut und es war faszinierend einfach zu erzeugen gewesen. Im Augenblick musste er nicht einmal investieren um diese Reaktion zu bekommen. An normalen Schultagen sah das natürlich anders aus. Er brauchte etwa zehn Sekunden um zu dem Anderen zu schauen, bemerkt zu werden und die Reaktion zu genießen. Das bedeutete zehn Sekunden, die von seinen üblichen Berechnungen abzuziehen waren. Zehn Sekunden in denen man keinen Profit machen konnte und die damit nicht effektiv genutzt wurden. Ein typisches Verlustgeschäft, wenn auch eines, das sehr schön anzusehen war. Io hielt in seiner Überlegung inne. Hatte er tatsächlich gerade darüber nachgedacht das öfter zu tun? Unfreiwillig kroch ihm die Röte ins Gesicht. Woher auch immer diese Idee so plötzlich gekommen war, darüber musste er nachdenken, vermutlich eine ganze Weile lang und auf jeden Fall mit Blick zur Tafel und sei es nur, damit Akoya nichts davon mitbekam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)