Geheimnis in Dalaran von Skampi835 ================================================================================ Kapitel 3: Der Kompass ----------------------   *****   Es war einer dieser seltenen Tage gewesen, an denen Dreorwyn Besuch erwartete und auch tatsächlich empfing. Wenn man der Tatsache ins Auge sah, war er ein richtiger Einzelgänger geworden. Nicht einmal in Dalaran hatte er sonderlich viele Kontakte, obwohl er Dalaran schon sein zu Hause nannte. Zumindest war es in jedem Fall mehr ein Heim, als Dunkelhain.   Und aus welchen, närrischen Gründen auch immer, war er aufgeregt. Unruhe kroch seine Brust hinauf, während er den verschlossenen Kompass auf dem Tisch drehte. Der Lärm um ihn herum interessierte ihn nicht, doch das Zauberkästchen war wie zu jeder Tageszeit gefüllt, wenn auch nicht mit so vielen Gästen wie beispielsweise Abends. Er konnte sich nicht helfen und war in gewisser Hinsicht dazu gezwungen - ja nahezu genötigt! - einige Gesprächsfetzen mitzubekommen.   »... des Schattenhammerklans! Doch sie ist tot, also muss jemand anderes sie anführen.«   »Habt Ihr das im Hyjal gehört? Selbst ein grüner Drachenwyrm verfiel Hirschhaupts Macht! Das Feuer...«   »Heh, das war mein Bier!«, wurde es durch das Zauberkästchen gebrüllt, was sämtliche Gespräche übertönte und dann landete jemand laut scheppernd hinter der Theke. Der bemitleidenswerte Mann überschlug sich, riss mehrere Gläser und Flaschen mit sich und blieb auf dem Boden hinter der Theke liegen. Der Schankwirt, ein sehr streng dreinschauender Hochelf mit markanten Gesichtszügen und ungewöhnlich breiten Schultern runzelte die Stirn und sah zu dem Unruhestifter. Seine Augen verengten sich und seine Lippen bewegten sich, als er leise etwas zischte, was Dreorwyn aber nicht hören konnte. Eine brummige Antwort des Werfers, ehe er grimmig aus der Schenke stampfte. Das verschüttete Bier samt Krug, immer noch auf dem Boden liegend.   Dreorwyn seufzte langgezogen und leise, während der Quel'dorei einen Lappen über die Theke auf den Boden gleiten ließ, der sich wie von Zauberhand bewegte und die Sauerei wegwischte. Die Augen des Magiers beobachteten den Elfen dabei, wie er dem armen Tropf, der über die Theke geflogen war auf die Beine half. Er stützte sein Kinn in seine Handfläche und drehte den verschlossenen Gegenstand vor sich auf dem Tisch, abermals im Kreis. Heute war ein relativ ruhiger Tag im Zauberkästchen, das merkte der Magier sofort. Normalerweise ging hier mehr zu Bruch, oder einige Wachen des Silbernen Bundes oder der Sonnenhäscher standen in der Schenke um ein wachsames Auge auf die Gäste zu haben. Und bestimmt auch, um allein durch ihre Anwesenheit Störenfriede einzuschüchtern.   Sein Blick wurde auf den Eingang der Taverne gelenkt, als eine ältere Frau eintrat. Der Lederkilt mit moosgrünen Ornamenten und dem Wappen des Zirkel des Cenarius auf der Brust passte sich ihren gezielten Bewegungen an. Das Gesicht der dunkelblonden Frau wurde von Falten an den Augenrändern und einigen um den Mundwinkel geziert. Der wachsame Blick ihrer bernsteinfarbenen Augen streifte durch die Taverne, als würden sie etwas suchen. Unter den einfachen Schulterpolstern hielt sie eine Ledertasche geschultert, die über ihre Hüfte baumelte. In dem Leder waren Buchstaben eingestanzt, die den Namen dieser Person verrieten. 'Struana'.   Ein Lächeln breitete sich auf den Lippen der Frau aus, als sie ihn erkannte und direkt auf ihn zuging. Dreorwyn erhob sich vom Stuhl und hob seine Arme ausgebreitet auf Brusthöhe um sie zu begrüßen. »Wie ich sehe, habt Ihr hierher gefunden, Struana.« Als sie ihn erreichte, hauchte er ihr einen freundschaftlichen Kuss unter zwei Vertrauten auf die Wange, ohne ihre Haut zu berühren. Die Frau erwiderte die Geste und tat es ihm gleich, mit einem amüsierten Schmunzeln auf den Lippen. »Natürlich, mein Lieber Saar. Dalaran ist eine wirklich schöne Stadt, allerdings keine, die ich je bevorzugen werde. Viel zu zugeknöpft.«, scherzte sie und blickte ihm schmunzelnd in die Augen. Sie musste noch nicht einmal wirklich weit zu ihm hinaufsehen. Struana und Dreorwyn waren fast gleichgroß könnte man sagen. Vielleicht gab es da eine Hand breit, die sie von der Größe unterschied, wenn überhaupt.   Der Magier entspannte sich fast automatisch, als er in ihre tief wirkenden, bernsteinfarbenen Augen blickte. Es war, als befände sich in ihr eine tiefe Ruhe, die jeden in den Bann ziehen konnte. Fast schon, wie ein ruhiger See, dessen Oberfläche völlig still vor sich ruhte. Der Mann entließ sie aus der Umarmung und zog den Stuhl sich gegenüber aus dem Tisch. »Es ist schön, Euch wieder zu sehen. Sogar als Mensch.« Er hob einen Mundwinkel und deutete mit einem Kopfnicken auf den Stuhl. »Darf ich bitten?«   Struana lachte kurz und hell, ehe sich ein überlegenes Lächeln auf ihren Lippen spiegelte. »Ich glaube, es hätte für Aufregung gesorgt, wenn ich in meiner gewandelten Gestalt durch Dalaran geirrt und nach dem Weg gefragt hätte.« Sie setzte sich auf den Stuhl, den Dreorwyn ihr hielt und nickte ihm zu. »Sehr aufmerksam von dir, danke.«   Dreorwyn beeilte sich auf die andere Seite des Tisches und setzte sich ihr gegenüber. Seine Hand umfasste geschwind die Flasche mit Dalaranrotwein, den er auf zwei Gläser aufteilte - wobei ein Glas nicht einmal halbvoll wird. Er hob das volle Glas am Bauch und stellte es auf dem Bein vor Struana ab. Ihr Blick war amüsiert. »Meine gute Kinderstube hängt noch immer an dir, wie ich sehe.«, sagte sie mit einem gewitzten Lächeln, ehe ihre Finger das Glas umfassten. »Hast du etwas zu feiern?«   Er schmunzelte. »Natürlich. Ansonsten hätte ich Eure Einladung abgelehnt.«   »Was nichts neues gewesen wäre.«, beendete sie seinen Satz bitter süß. War es Tadel? Ihr Blick verriet nichts, ebenso wie ihre Körperhaltung. »Ich musste mich schließlich immer wieder selbst einladen. Ich dachte mir, dass du irgendwann bestimmt nachgegeben hättest.« Struana hob ihr Glas und prostete ihm zu.   Der Magier entgegnete nichts, sondern stieß sein Glas an das ihrige. Ein angenehmer Klang erfüllte die Schenke und beide tranken einen Schluck aus dem Glas, ganz so, wie es die Etikette verlangte.   »Nun?«, begann Struana, ehe sie das Glas auf dem Tisch absetzte. »Wie geht es dir, Saar?«   Dreorwyn zuckte mit den Schultern. Der Kosename, den sie ihn gab, er entsprang noch aus einer sehr alten Zeit. Er hatte ihr schon oft gesagt, dass er nun einen anderen Namen hatte, aber sie konnte oder wollte - er war sich da nicht so sicher - sich nicht an ihn gewöhnen. »Merkwürdig gut.«, er lächelte. »Ich fühle mich seit einer sehr langen Zeit mal wieder frei und lebendig. Als hätte ich lange geschlafen.« Oder als wäre ich eingefroren gewesen, fügte er in seinen Gedanken hinzu.   Die Frau musterte ihn, als wolle sie mit ihren Augen eine Lüge ausfindig machen. Einen Schwindel der nicht existierte, deswegen hatte sie vielleicht auch keinen Erfolg bei ihrer Suche. Struana schüttelte ihren Kopf und die Skepsis wich einem feinen Lächeln. »Das freut mich zu hören. Wirklich. Du bist in ein dunkles Loch gefallen, seit der Sache mit Riwena.«   Da war es, wieder. Ein Schmerz, der seine Lungenflügel für gewöhnlich zusammenziehen ließ. Dreorwyn starrte auf sein Weinglas und drehte es nachdenklich und bemerkenswert ruhig im Stand. Merkwürdig. Etwas hatte sich verändert. Es war lange nicht mehr so stark, wie einst. Nicht mehr so schmerzhaft. »Ja. Scheint so, als sei ich allmählich wieder Gesellschaftsfähig.«, murmelte er, ehe er einen kleinen Schluck von dem Weinglas nahm und ihn lange im Mund behielt, ehe er ihn hinunterschluckte.   Seine Tischbegleitung legte ihren Kopf zur Seite und wischte sich energisch mit der Hand einige dunkelblonde Strähnen aus dem Gesicht. Das Ausbleiben des Gesprächwechsels bedeutete nicht unbedingt etwas positives, zumindest war dies wohl ihre Auffassung. »Was ist mit den Schwarzmähnen?«, fragte sie in einem Ton, als würde sie ihn fragen, wie das Wetter morgen werden würde.   »Was soll mit ihnen sein?«, fragte er. Sein Blick verfinsterte sich merklich, während er schon wieder - oder noch immer - dieses Weinglas anstarrte, als hätte es ihn gebissen. »Sie sind im Dämmerwald, so wie es Väl schon immer vorgesehen hatte. Auch wenn sie keine Allianz mit den Finstermähnen anstrebt, so nahe waren sie ihnen noch nie zuvor. Aber Arue, Berrymoore und Mateo brauchen meine Unterstützung nicht. Auf ein altes Mitglied, das den Schwarzmähnen schon seit ihrer Anfangszeit beratend zur Seite gestanden hat, wird nicht gehört.« Er schüttelte entschieden den Kopf. Niemals konnte er den Dämmerwald sein zu Hause nennen. Er hasste diesen Ort, an dem die Bäume verhinderten, dass die Sonne schien. »Sie werden klar kommen. Oder auch nicht. Väl macht, was sie will, aber was geht mich das an?« Er grollte leise. Seine Stimmung schlug um.   Struana blinzelte mit ihren Augen. Vielleicht kam sie gerade mit den Worten nicht zurecht, oder einfach wegen der Tatsache, dass sie von Dreorwyn kamen. Sie seufzte innerlich. Sie wusste um das, was Väl getan hatte. Die Frau rutschte etwas unruhig auf ihrem Stuhl herum.   Dreorwyn schüttelte seinen Kopf und seine Gedanken klärten sich wieder. Ruhe... Er atmete tief ein, zählte in seinem Kopf bis zehn und atmete die Luft wieder aus. Sein Groll war verschwunden. Das war merkwürdig einfach gewesen. Mit einer ausschweifenden Handbewegung deutete er auf den Tisch. »Der eigentliche Grund, weshalb ich Eurer Selbsteinladung nachgekommen bin.«, begann er und schob Struana den Kompass über den Tisch zu. »Ich werde eines meiner unnützen Talente weiter ausbauen.« Ein Lächeln umspielte Dreorwyns Lippen. War er Stolz? Weshalb nur? Er wusste, welchen Stand er gehabt hatte, und jetzt war er stolz darauf ein einfacher Handwerker zu sein?   Die Frau zog den Kompass zu sich heran und betrachtete den geschlossenen Deckel mit den Gravouren. »Es passt nicht zu dir, einer Arbeit nachzugehen. Du solltest ein kämpferischer Hauptmann werden.« Sie fuhr mit dem Finger über die Messingoberfläche und ihre tadelnden Gesichtszüge wurden weicher. »Dennoch ist gut, dass du einen anderen Weg einschlagen willst, als den, den man dir aufdrücken wollte. Sind das Rosen, Saar?«, warf sie die Frage schließlich in den Raum und drehte den Kompass.   Der Magier nickte langsam und beobachtete Struana genau dabei, wie sie den Kompass musterte. »Eine sehr schöne Arbeit. Es erinnert mich etwas an zu Hause.« Die Druidin lächelte leicht. Vielleicht war die Juwelierskunst und Goldschmiederei das, was ihm Befreiung schaffte. Sie tippte auf den Knopf an der Seite des Schnappschlosses. Der Deckel sprang auf und sie konnte das feine, verzierte Blatt unter dem Glas erkennen. Es war fast moosgrün, etwas ausgebleicht, wies aber auch die selben Verzierungen wie auf dem Deckel auf. Die Nadel über dem Blatt richtete sich auf und deutete nach Norden. Die Ränder waren mit den vier Himmelsrichtungen kunstvoll beschrieben.   Die ältere Frau runzelte ihre Stirn, als sie die Gravour auf der Innenseite des Deckels entdeckte. Es war eine feine, zierliche Schrift. Sie las über die Worte und sah den ihr Gegenüber ernst an. »Damit Ihr stets den Weg zurück findet...«, zitierte sie und beobachtete seine Reaktion. Doch Dreorwyn nahm nur einen Schluck von seinem Glas. »... In Liebe Dreorwyn.« Ihre Worte klangen fast schon wieder tadelnd. »Du hast dich nicht von Väls letzten Ausriss inspirieren lassen, nehme ich stark an, oder Saar?«   Der Magier stellte das Glas ab, sah ihr aber in das ernste Gesicht und entgegnete ihrem strengen Blick mit dem sie ihn musterte. Mehrere Augenblicke lang, sagte er nichts, dann nickte er langsam. »Ihr habt Recht, Struana. Väl gab mir nicht diese Inspiration.«, begann er. Struanas Blick wurde unleserlich. War das etwa Mitgefühl, welches er sehen konnte? Dreorwyn atmete tief ein. »Es war Riwena.«   Die Frau starrte ihn weiterhin mitfühlend an, dann griff sie nach dem Weinglas und leerte es in mehreren, sehr langsamen Zügen, wohl um sich ihre Worte zurechtzulegen. Sie stellte es dann wieder auf dem Tisch ab und drehte es auf dem Bein. »Du liebst sie noch immer? Nach dem, was sie gemacht hat?«, fragte sie. Ihre Stimme war ruhig und nicht fordernd, doch ungläubig. »Nach all der Zeit...?«   Dreorwyn senkte seinen Blick, bis er auf dem Kompass in ihren Händen ruhte. Er wirkte nachdenklich. Riwena hatte ihn verlassen, noch während er in Gilneas gewesen war. Er hatte weitere Spuren gefunden, die Aufschluss für sein früheres Leben gegeben haben und schließlich, hatte er die Lösung gefunden. Er hatte es vernichtet, ein für alle Mal, seine Vergangenheit vernichtet. Frustriert und sehr verstimmt über seine Funde kehrte er nach Surwich zurück, nur um zu erkennen, dass sie nicht mehr dort war.   Anstatt ihn irgendwie in Kenntnis zu setzen, hatte sie ihn im Unwissen gelassen. Dreorwyn erinnerte sich noch sehr genau an die kurze Zeit die sie in Surwich verbracht hatten. Die Zeit bevor er überhaupt etwas von seiner Vergangenheit erahnen konnte, und die Zeit, nachdem er mit der halben Kenntnis zurückgekehrt war. Er hatte sie nicht sehr freundlich behandelt. Riwena hatte ihn gebeten mitzukommen, stattdessen stieß er sie von sich. Dann hatte sie Grantar vorgeschickt. Er hatte Drorwyn erzählt, dass Riwena die Gemeinschaft der Schwarzmähnen verlassen hatte, und dass sie auch nicht wieder zurück zu ihm kommen würde. Sie hatte ihn verlassen und noch nicht einmal den Anstand gehabt, es ihm direkt zu sagen.   Lange hatte Dreorwyn nicht verstanden, weshalb es dazu gekommen war, doch mit der Zeit, der Einsamkeit und noch mehr Zeit hatte er es gesehen. Er selbst trug die Verantwortung für Riwenas Entscheidung. Er hatte sie von sich gestoßen, sich in Schweigen gehüllt und sich vom Rest der Welt abgeschottet um weiteren Geistern seiner Vergangenheit hinterherzujagen.   »Verging überhaupt ein Tag, an dem du nicht an sie gedacht hast?«, riss ihn Struanas Stimme aus seinen Gedanken und er hob seinen Blick zu ihr. Sie sah ihn forschend an, als wollte sie seine Gedanken ergründen. Dreorwyn musste nicht über ihre Frage nachdenken. Langsam schüttelte er seinen Kopf. Wann hatte er nicht an Riwena denken müssen? Einen solchen Tag hatte es nicht gegeben. Zu jeder Zeit hatte er an sie gedacht. Zunächst hatte er sie verflucht und verteufelt, danach hatte er sich nach ihr gesehnt, sie vermisst und nun, hoffte er einfach nur, dass es ihr gut ging.   Struana griff über den Tisch zu Dreorwyns Weinglas, da ihres bereits leer war und trank dieses auch aus. Mit einem leisen seufzen stellte sie es schließlich wieder ab. »Du solltest ablassen, Saar. Es macht dich krank.«   Dreorwyn schüttelte traurig lächelnd seinen Kopf. »Ihr versteht nicht, Struana. Ich habe in vielerlei Hinsicht abgelassen, damit abgeschlossen, wenn Ihr es lieber so nennen wollt.« Mit einem Kopfnicken deutete er auf den Kompass, der immer noch in ihren Händen ruhte. »Dies ist der Beweis. Sie wird ihren Weg zurück finden. Ob zu mir... - mit diesem Gedanken spiele ich nicht. Ich darf es mir nicht anmaßen, dafür habe ich zu viel kaputt gemacht. Vielmehr zu dem Ort, den sie nun ihr Heim nennt. Zu dem Menschen, den sie liebt. Meine Gefühle für sie werden sich mit der Zeit vielleicht ändern. Doch die Hauptsache ist, dass sie glücklich ist. Das konnte sie nicht mit mir, während meiner gestörten Persönlichkeit.«   »Du hast dich selbst gesucht, Saar.«, Struana sah ihn etwas enttäuscht an. Wieso nur war ihr Blick enttäuscht? Schließlich seufzte sie. »Dass es dich so tief traf... Jeder hätte Verständnis dafür, wenn sie es nur wüssten...«   »Niemand,«, begann Dreorwyn schärfer zu sprechen, als vermutlich gewollt und unterbrach Struana. Seine Stimme wurde zu einem leisen Zischen. »wird von diesem Hochverrat erfahren. Sie wollen nicht wissen, sie wollen verachten, doch keiner Fragte. Also hülle ich mich in Schweigen und warte ab.« Sein Blick war bohrend, als wollte er Struana davon überzeugen. Wovon? Dass es das richtige war, so wie er sich verhielt?   Dreorwyn atmete die Luft leise aus, während sein Blick auf Struana ruhte. Er wollte sie nicht vertreiben. Sie war seine einzige Bezugsperson, seitdem er sich von den Schwarzmähnen fern hielt. »Mit diesem Kompass konnte ich mich bei den Ansässigen Juwelieren beweisen. Sie werden mich lehren die Entwicklungen Dalarans anzuwenden, damit ich meine Fähigkeit weiter ausbauen kann, Struana. Ich habe sozusagen eine gehobene Lehre.«   Struana nickte matt. Es war ihr anzusehen, dass sie mit ihren Gedanken noch woanders war. »Du hast ihn für jemanden gefertigt, an dem deine Gefühle hängen, Saar. Ich hoffe du wirst glücklich, hier in Dalaran.« Ihr ruhiger Blick legte sich auf ihn. »Meine Dienste werden nicht mehr gebraucht, nehme ich an?«   Der Magier sah sie verwundert an, also fügte sie hinzu: »Dich über die Geschehnisse der Schwarzmähnen auf dem laufenden zu halten. Meine Unterstützung, die ich dir anbot, Saar.«   Dreorwyn musterte sie lange, doch dann schüttelte er bitter lächelnd seinen Kopf. »Nein, Struana. Die Schwarzmähnen können auf mich verzichten, und auf Euch ebenso.«   *****   Dies war wahrlich eine sehr alte Erinnerung. Eine um die Entstehung des Kompasses, doch auch um seine ersten Schritte in Dalaran, zumindest was es anging, sich häuslich niederzulassen. Doch da war noch eine, an die er denken musste, während er die Skizze des Kompasses betrachtete. Warum musste er gerade jetzt so sehr an Struana denken? An die Person, mit der er am wenigsten zu tun hatte, und doch so viel gemeinsam? Sein Blick hob sich etwas zu den Regalen und seinen Aufzeichnungen. Tatsächlich, dort war noch etwas. 'Felmagie, Gegenstück der Arkanmagie.' Eines der Bücher, mit denen Riwena vermutlich nichts anfangen konnte.   Manch ein Hexer mag selbst die Kraft des Nethers anzapfen, um seine Zauber zu wirken. Dadurch können sie durchaus in der Lage sein, die bizarren Barrieren, die Azeroth vom Nether trennt zu schwächen, gar zu zerstören...   *****   Struana atmete tief ein und wieder aus, während sie den Anschuldigungen lauschte, die er ausgesprochen hatte. Der Magier sah mit ernstem, stählernen Blick über ihr wölfisches Gesicht in ihre bernsteinfarbenen Augen. »Ist es nicht so, Struana?« Seine Stimme war ruhig und rau. Sehr ruhig. Fast schon bedrohlich könnte man auch sagen. Seine hellbraunen Augen ruhten überlegen auf ihr.   Dreorwyn hatte nicht vor gehabt zu diesen Mitteln zu greifen, doch sie hatte ihm keine andere Wahl gelassen. Er hatte sie in die Ecke drängen müssen, sodass sie keine Ausflüchte mehr suchen konnte. Seine Pranke ließ von dem Leder ihrer Robe ab, die an den Nähten aufgeplatzt war, als er ihn mit einem schnellen Ruck aufgerissen hatte. Unterhalb ihrer Schulter leuchtete das grüne Symbol des Hexenmeisters matt, als hätte es sich durch ihre Haut gefressen und schimmerte durch das Fell.   »Es war für etwas anderes gedacht, als er es mir gab.«, knurrte sie leise und zog sich den Stoff wieder über die Schulter. »Es verbindet unsere Gedanken.«   »Und gaukelte Euch vor, näher mit ihm verbunden zu sein, als Ihr es eigentlich seid.«, schloss Dreorwyn den Satz. »Seht es ein, Struana. Einem Hexer kann man nicht vertrauen. Er gefährdet nicht nur sein Leben mit seiner abstrusen Magie, sondern auch das Eurige. Und weshalb?! Wegen leichtsinnigen, kindischen Gedanken!« Dreorwyn war aufgebracht und gereizt, wegen der Besorgnis die er sich um seine alte Freundin machte. Seine Stimme wurde aber kaum höher, nein er schrie sie nicht an. Er sprach nur sehr zornig auf sie ein.   Struana legte ihre Ohren an und hob ihre Lefzen. »Rede nicht so von ihm, Saar! Er steht für mich ein!«   »Ihr sagtet doch gerade selbst, dass er Euch verlassen hat!« Der Magier schüttelte seinen Kopf. »Ihr habt mir von seinem Abschiedsbrief erzählt!«   »Er ist nach Pandaria aufgebrochen!«, wütete Struana inzwischen. »Tirenas würde mich niemals zurücklassen, ohne mit mir zu sprechen!«   »Und dennoch steht Ihr hier vor mir, und berichtet mir von Gefühlen, die nicht die Euren sind, die Ihr nicht zuordnen könnt. Und von einem tiefen Schmerz.« Dreorwyns Blick wanderte wieder über die Stelle an ihrer Schulter, wo das Mal eingebrannt war. »Ihr müsst den Zauber auflösen lassen. Ihr solltet ihm nicht folgen, Struana. Jemand in Dalaran kann die Verbindung trennen, aber je weiter Ihr von diesem Dämon entfernt seid, desto schlimmer wird es für Euch. Die Qualen die Ihr wegen ihm jetzt erleidet, werden nicht einfach so aufhören.«   Struana schnaubte zur Antwort die Luft aus ihren Nüstern und schüttelte ihren Kopf. Sie wirkte verzweifelt, zerrissen in ihren Gedanken. »Du glaubst Recht zu reden, Saar. Doch was ist mit dir selbst?« Verletzt und bissig, sah sie ihm in die Augen.   Der schwarzmähnige Worgen sah sie mitfühlend und enttäuscht an. »Ihr vergleicht mich mit einem Hexer? Einem Scharlatan der Magie? Jemanden, der jeden Tag ein Stück seiner Seele opfert und die seiner Liebsten in Gefahr bringt nur, um an mehr Macht zu kommen?« Er seufzte traurig und langgezogen, so wusste er doch, dass sie verstand. Doch das magische Band aus Felmagie verwehrte es ihr scheinbar anders von Tirenas zu denken. »Ich würde Riwena nie in irgendeine Gefahr bringen, schon gar nicht, wenn ich diese verursacht habe, oder selbstständig eine Reise antrete. Das einzige, was ich ihr damit antun werde ist, das Unwissen über mein Schicksal während der Reise, dass alles geschehen könnte, sogar dass ich sterben könnte. Und allein dass sie dieses Wissen haben wird, schmerzt mich mehr, als jeder körperliche Schmerz, den ich erleiden könnte.«   Der Blick der Druidin wurde leerer, je weiter Dreorwyn sprach. »Ihr habt mir beigebracht, wie wichtig es ist, auf das zu achten, was einem am Herzen liegt. Ihr denkt noch immer so, das kann ich in Eurem Blick erkennen, wenn Ihr für Tirenas einsteht. Aber Ihr erfahrt nicht das selbe, was Ihr ihm entgegenbringt, Struana.« Er betrachtete sie eindringlich. »Er verletzt Euch wissentlich und damit wird er Euch zerstören.«   Struana schüttelte ihren Kopf. Ein unehrliches Lächeln umspielte ihre Lefzen. »Du irrst dich, Saar.«, sprach sie, allerdings weitaus unsicherer als vorhin noch. Sie schwankte in ihrer Gewissheit. War Dreorwyn zu ihr vorgedrungen? »Tirenas würde mich niemals verlassen. Für dich mag es ein Fluch sein, aber es ist ein Band, welches uns verknüpft.«   Die Druidin wand sich ab. Sie wirkte geknickt, als bereue sie es Dreorwyn aufgesucht zu haben. Sie hatte gehofft, dass er ihr helfen konnte, doch der Magier konnte es zu seinem eigenen Bedauern nicht. Er verstand nicht, wie sie so blind sein konnte. Struana, die sonst so weitsichtig und achtsam war, die ihm gelehrt hatte, das Leben zu achten und was es bedeutete aufrichtig zu lieben... »Ihr wollt Euch für ihn aufgeben?«, Er klang endlos traurig und fassungslos, während die Worte seinen Mund verließen.   Struana seufzte schwer und ließ ihre Schultern hängen. »Ich kann nicht anders, Saar. Vielleicht bin ich blind, aber ich liebe ihn.« Sie lächelte ihn schmerzhaft an. In diesem Augenblick wirkte sie so schwach, alt und zerbrechlich. »Ich denke, ich kann jetzt verstehen, warum du Riwena nicht vergessen konntest.« Ihre Stimme wirkte dünn, sehr dünn und doch schnitt sie Dreorwyn wie ein Messer.   Er neigte seufzend seinen Kopf und schloss seine Augen für einen kurzen Augenblick. Er hatte versagt und er konnte sie nicht überzeugen. Es traf ihn, dass er nicht zu ihr durchkam, doch er konnte nichts mehr machen. Er könnte in ihren Geist dringen, ihre Gedanken kontrollieren, sodass sie nicht ging und sich behandeln ließ. Doch er konnte es nicht, ohne sich selbst dafür zu hassen. »Ich wünsche Euch viel Glück, Struana. Sichere Pfade.«   »Danke, Saar.«. Sie lächelte matt, ehe sich ihre Gestalt verformte und ein grüner Nebel sie umgab. »Sichere Pfade.« Einen Augenblick später, schwang sie sich flügelschlagend in die Lüfte. Das Krächzen einer Krähe hallte über den verlassenen Gletschern des Kristallsangwaldes wieder. Der Magier befühlte etwas in seiner Brusttasche, während die schwarze Gestalt immer kleiner wurde. »Ich hoffe Ihr kehrt zu mir zurück, so wie ich zu Euch zurückkehrte.«, murmelte er sehr leise vor sich hin.   *****   Dreorwyn musste unweigerlich tief seufzen. Diese Gefühle, die er für Riwena hegte, sie hatten sich nie gelegt. Er übersah Struanas Briefe. Kurze Fetzen schnappte er auf, ab und an verweilte seine Augen sogar auf mehrere Zeilen, in denen Struana über das, was ihr zugestoßen war berichtete, über den Befall der Macht des Shas und ihre zukünftigen Pläne. Anscheinend wusste sie nicht genau, weshalb es sie nach Pandaria gezogen hatte, und weshalb sie so anfällig für das Sha gewesen war. Vermutlich konnte sie sich nicht an ihren Verlobten erinnern. Entweder hervorgerufen durch den Schock dieser befremdlichen Sha-Essenz, oder einer Amnesie, doch wahrscheinlich war es auch besser so.   Diese Frau hatte seinem Leben eine Wendung gegeben, Antworten auf seinen ruhelosen Geist, aber auch Frieden für seine Seele. Sie hatte genaustens gewusst, wer er war, hatte ihn darüber aufgeklärt. Dennoch hatte es das Schicksal nicht gut mit ihr gemeint, als sie ihrem Verlobten nach Pandaria nachgeeilt war. Er hatte sich gewünscht, dass dies ihr erspart geblieben wäre.   Der Magier legte Struanas Briefe zurück in das Regal und auch die Skizze des Kompasses wurde zur Seite gelegt, als sein Blick auf etwas anderem festhing. Es war ebenfalls eine Skizze mit Bleistift auf Papier gezeichnet. Es sah aus wie ein einfacher Edelstein, der in eine Spitze Form geschliffen war. Weshalb sollte man eine so simple Arbeit in einer Skizze verewigen? Es waren sehr viele Randbemerkungen auf das Pergament zu sehen, die sich nur bei näherer Begutachtung lesen ließen. Allerdings musste man auch dazu sagen, dass die Zeit die Schrift verwischen ließ. Dabei fiel auf, dass ein Wort sehr häufig geschrieben worden war. 'Kristallherz'.   Dreorwyn fasste sich an die Brust. Unter der Weste ruhte an einer silbernen Kette dieses Exemplar, die Kette, die er nur trug, da sie einen Sinn und Nutzen für ihn erfüllte.   Es war noch nicht einmal so lange her, als Dreorwyn fluchtartig das Steinkrallengebirge verlassen hatte. Wie hätte er auch ahnen können, dass dieses 'Experiment' von diesem Gnom so schief gehen konnte? Es war ein simpler Zauber gewesen, eine Formel die dem Ziel eine erleichterte Kanalisierung seiner magischen Fähigkeiten zusprach, sofern diese benötigt werden würde.   Magie konnte jeder Trottel wirken, sofern man die Kenntnisse, das Können und die magische Affinität verspürte. Es gibt da aber immer noch eine gewisse 'Begrenzung' wie viel Magie man wirken konnte ohne am Rand seiner Erschöpfung anzukommen. Denn mit jedem gewirkten Zauber fließt ein Teil der Magie durch den Körper und beansprucht ihn, um auch schließlich den Zauber in der gewünschten Form auszuüben. Je nachdem kann es vorkommen, dass ein ungeübter Magier nach einem größeren Zauber keuchte und zitterte, als wäre er durch das gesamte Schlingendorntal gesprintet.   In der Praxis hätte der Zauber, den Gnimo vor einiger Zeit auf ihn gewirkt hatte, diese Mentalität, das Aufnahmevermögen von Magie ausweiten sollen, sodass die Beanspruchung von Energie ihn nicht sichtlich belastete. Dreorwyn hätte stärker werden sollen, viel Aufnahmefähiger, gekonnter in seinen Zaubern, doch irgendetwas musste schief gelaufen sein und zwar gewaltig.   ***** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)