Allein zu zweit… von Nightprincess (…oder doch zu dritt?) ================================================================================ Kapitel 1: An Tagen wie heute ----------------------------- ~~~~~ 1. An Tagen wie heute ~~~~~ Ich sitze an meinem uralten Laptop und erledige etwas Papierkram und es ist wieder einer dieser Tage, an denen ich meiner Tochter nicht in die Augen schauen kann. Ihre hellblauen Augen irritieren mich zu sehr. Sie kann nichts dafür, dass sie nicht meine leibliche Tochter ist, es ist nicht ihre Schuld, dass Mai sich in einer einzigen Nacht nicht an ihr Treueversprechen gehalten hat. Eine Nacht, die für uns alle Folgen hatte, die wir nicht einkalkuliert hatten, als wir uns verlobten und Pläne für die Hochzeit machten. Eine Nacht, die alles veränderte, einfach alles. An Tagen wie heute fühle ich mich hilflos und allein, traurig und irgendwie ausgepowert. „Papa? Geht es Dir nicht gut?“ Joanne. Meine jetzt 6jährige Tochter, mein Lebenssinn und mein Fluch. „Ist schon gut, Joanne, ich hab nur wieder diese Kopfschmerzen, geht gleich wieder vorbei. Ist Mama schon wieder zurück?“ Es ist schwer, sie anzulügen, jeden Tag, wenn ich an ihren Vater denke, an ihren leiblichen Vater. Aber ich muss es tun, ich hab es Mai versprochen, ich hab es ihr versprochen und ich bin ein Mann, der seine Versprechen immer hält, ganz egal, was für einen Preis ich dafür zahlen muss. „Ja, sie ist grade gekommen, ich soll Dich zum Abendessen holen, es gibt Tiefkühlpizza.“ Wir sind nicht sehr reich und doch kommen wir immer irgendwie zurecht. Tiefkühlpizza aus dem Supermarkt ist für uns schon purer Luxus. Irgendetwas Positives muss passiert sein, dass Mai sich für eine Tiefkühlpizza zum Abendessen entschieden hat, sonst gibt es immer nur etwas Toastbrot mit Wurst und etwas Tee zum Runterspülen. „Sag ihr, dass ich in wenigen Augenblicken dort bin.“ Joanne nickt lächelnd und gibt mir einen kleinen Kuss auf die Wange. „Aber nicht mehr traurig sein, ja?“ Ich streich ihr kurz durch ihre langen, blonden Haare. „Geh jetzt, ich bin gleich soweit.“ Sie geht und ich seufze leise, während ich den alten Laptop herunterfahre. Irgendwie weiß Joanne immer ganz genau, wann es mir schlecht geht, sie hat dieses gewisse Etwas, mit dem sie direkt in mein Herz und durch meine Lügen sehen kann. Ich werfe einen kurzen Blick auf die Papiere auf meinem kleinen Schreibtisch. Rechnungen, Mahnungen, Schulden in Massen und kein Ende in Sicht. Selbst meine kleine Firma kann uns nicht aus den roten Zahlen ziehen. Ich bin ein Versager, so wie meine Mutter ständig behauptet hat. Ein Versager wie mein Vater, der zum Trunkenbold geworden ist, bevor er sich mit seinem alten Auto auf der Autobahn mit 180 Sachen überschlagen hat und gegen die Leitplanke gedonnert ist. Ohne Mai und ihrem gut bezahlten Job im Casino Domino Black Jack würden wir längst auf der Straße sitzen, denn von den Einnahmen meines Ein-Mann-Computer-Notdienstes können wir uns nicht mal die Miete für diese 3 1/2-Zimmer-Wohnung leisten. Ich seufze niedergeschlagen. Warum Mai mich noch nicht verlassen hat, ist mir ein einziges Rätsel, sie könnte doch jeden Typen haben den sie will, bestes Beispiel dafür ist doch Joanne. Warum hat sie sich nicht für Joannes leiblichen Vater entschieden, warum ist sie bei mir geblieben, wo ich ihr doch überhaupt nichts bieten kann? Ob es an seiner damaligen Frau gelegen hat? Wahrscheinlich. Mich hatte damals schon gewundert, dass er ungefähr zu der Zeit als Mai schwanger wurde, die Scheidung eingereicht hat, so dass aus seiner Frau plötzlich seine Ex-Frau wurde. Die Presse hat damals verkündet, dass sie ihn betrogen hat, dabei war es doch wohl eher umgekehrt, oder beruhte der Betrug etwa auf Gegenseitigkeit? Hat sie ihn ebenfalls betrogen und war sein Betrug die Rache für ihren Betrug? Das werde ich wohl nie erfahren, weil ich ihn nie danach fragen werde, denn sonst müsste ich ihm erzählen, dass ich seit 6 Jahren sein Kind großziehe. Mit einem Kopfschütteln gehe ich in Richtung Küche, wo ich eine aufgeregte Joanne und eine lächelnde Mai vorfinde. „Ich hab gehört, es gibt Pizza, gibt es irgendwas zum Feiern?“ Mai dreht sich lächelnd zu mir um und nickt hocherfreut. „Ich wurde befördert! Ich darf jetzt an dem Spieltisch der ganz Reichen arbeiten und ich verdien fast doppelt soviel.“ Ich blinzle erstaunt. „Das ist ja großartig!“ Das ist es wirklich, also warum spüre ich so ein schmerzhaftes Stechen in meiner Brust? Ob es die Tatsache ist, dass ich dann einen noch viel größeren Abstand zu Mai habe? Welcher Mann lässt sich schon gerne von seiner erfolgreichen Frau haushalten? „Ist irgendwas, Schatz?“ Ich schüttle grinsend den Kopf. „Nein, was soll sein? Ich freu mich für Dich, gratuliere. Du hast es verdient.“ Mai lächelt wieder und nickt. „Ja, das hab ich tatsächlich. Nicht jeder bekommt die Chance, den Spieltisch der Superreichen zu bedienen. Da spielen nur Leute wie Devlin und Kaiba.“ Bei dem Namen Kaiba zieht sich mein Herz erneut zusammen und Mai verstummt augenblicklich und hält sich die Hand vor den Mund. Wahrscheinlich hat sie vergessen, was sie mir angetan hat, vor gerade mal 6 Jahren. Sie hat mir nie erzählt, mit wem sie ein Verhältnis hatte, aber sie ist nicht dumm, sie weiß sicher, dass ich so meine Vermutung habe. „Ich hab noch zu tun, esst ohne mich.“ Mit schnellen Schritten verlasse ich die Küche wieder und achte nicht auf Joannes traurigen Blick. Mai kommt mir hinterher. „Joey…“ „Schon gut, Mai, lass uns nicht drüber sprechen, ich hab’s versprochen, dann halte Dich in Zukunft bitte auch dran und erwähne diesen Namen nicht mehr in meiner Gegenwart.“ Mai seufzt leise, nickt und geht zurück zur Küche, während ich mich zurück auf dem Weg in mein kleines Arbeitszimmer mache, um mich dort für die ganze Nacht einzuschließen. ~~~~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)