Ein einfaches Ende von GotoAyumu (Yamato Ishida x Taichi Yagami) ================================================================================ Kapitel 16: ------------ Mehrmals betätige ich den Klingelknopf, bis die Tür schließlich geöffnet wird. Mir ist weder bewusst, dass es bereits weit nach Mitternacht ist, noch interessiert es mich. „Wer...“, öffnet Reiji genervt und nur mit einer Unterhose bekleidet die Tür. „Yamato? Was... wie siehst du aus? Geht es dir gut?“ Mein Arbeitskollege ist hörbar besorgt. „Komm erst einmal rein“, fordert er umgehend. Ich grinse meinen Gegenüber an. „Siehst du nicht, dass es mir gut geht?“ Dieser zieht mein Gesicht am Kinn zu sich und betrachtet es eingehend. „Ich sehe vor allem, dass du drauf bist.“ Ohne einen weiteren Kommentar zieht er mich bestimmt in seine Wohnung und schließt hinter uns die Tür. Dann hakt er weiter nach. „Was ist passiert? Deine Haare, deine Kleidung... wieso läufst du mitten in der Nacht im strömenden Regen durch die Stadt? Und...“ er nimmt eine der verklebten, kaum noch als blond zu erkennenden Haarsträhnen zwischen seine Finger. „... wieso bist du voller Sand?“ „Weil es Spaß macht, Ura-Maki zu spielen“, kichere ich. Seltsamerweise lacht Reiji nicht. Stattdessen bleibt sein Blick an meinem linken Arm hängen. Voller Entsetzen greift er nach meiner Hand. „Ist das Blut?“, will er wissen, wobei er den Ärmel behutsam ein Stück nach oben zieht. „Verdammt, Yamato! In die Wunden ist Sand gelangt. Willst du eine Blutvergiftung riskieren?“ Ich zucke gleichgültig mit den Schultern. „Vielleicht sterbe ich dann endlich.“ Meinen Kommentar ignorierend zieht mein Arbeitskollege mich ins Badezimmer. „Du gehst jetzt erst einmal unter die Dusche. Soll ich hier bleiben oder schaffst du es allein?“ „Meinetwegen kannst du gern bleiben. Ausgezogen bist du ja bereits. Zumindest fast.“ Mit meinen Fingerspitzen streiche ich verführerisch über seinen Oberkörper. Seufzend gebietet mein Gegenüber mir Einhalt, indem er meine Hand festhält. „Du solltest wirklich erst einmal duschen. Oder willst du so dreckig bleiben?“ Ich lächle. „Ich bin ohnehin dreckig. Schließlich bin ich eine Hure.“ Reijis Blick drückt Traurigkeit aus, als er liebevoll über meine Wange streicht. „Zieh dich aus.“ Ich gehorche wortlos. Umständlich gelingt es mir, mich von meiner Oberbekleidung zu befreien, bei meiner Hose verliere ich jedoch das Gleichgewicht und lande unsanft auf den Fliesen. Während ich einfach liegen bleibe, bemerke ich, wie mein Arbeitskollege mir die Hose von den Beinen zieht. „Komm, steh auf.“ Stützend greift er mir unter die Arme. Als er spürt, dass ich keine Kraft dafür aufwende, allein zu stehen, schließt er mich fest in seine Arme. „Yamato“, flüstert er. „Du tust jetzt, was ich sage, okay?“ Ich nicke lediglich, schmiege mich eng an ihn. „Gut.“ Behutsam schiebt er mich unter die Dusche, dreht das warme Wasser auf und beginnt vorsichtig die Wunden zu reinigen. „Tut es weh?“ Ich reagiere nicht. Passiv, beinahe teilnahmslos lasse ich Reiji anschließend meinen Körper und meine Haare einseifen. Nachdem er alles gründlich abspülte, wickelt er mich in einen Bademantel. Sich selbst trocknet er nur flüchtig mit einem Handtuch ab. Ich spüre, dass die Wirkung des GHB allmählich nachlässt. Verstohlen blicke ich zu meiner Jacke, die unweit von mir auf dem Boden liegt und in deren Tasche sich das kleine Fläschchen befindet. Aber in der Gegenwart meines Arbeitskollegen Drogen zu konsumieren, ist wahrscheinlich nicht die beste Idee. „Du siehst nicht gut aus. Komm.“ Reji umfasst meine Hüfte und führt mich in den Wohnbereich. Dort setzt er mich auf sein Bett, geht in das Bad zurück, um den Verbandskasten zu holen, und nimmt neben mir Platz. „Du kommst langsam runter, oder?“, fragt er, während er meine Wunden versorgt. Ich nicke. „Willst du mir erzählen, was passiert ist?“ Schweigend starre ich zu Boden. „Entschuldige, ich bedränge dich nicht weiter. Möchtest du einen Kaffee?“ „Was ist zwischen dir und Taichi passiert?“ Reiji war gerade dabei aufzustehen, bleibt nun jedoch neben mir sitzen. „Seit eurem Treffen verhält er sich mir gegenüber seltsam.“ „Hat er nicht mit dir darüber gesprochen?“, fragt Reiji aufrichtig verwundert. „Naja, zunächst verhielt er sich sehr aggressiv und versuchte mir durch Drohungen zu verdeutlichen, dass ich meine Finger von dir zu lassen habe. Du weißt, wie kindisch ich sein kann, weshalb ich deinen Freund provozierte, indem ich entgegnete, dass er süß und genau mein Typ sei. Seltsamerweise änderte sich plötzlich sein Gesichtsaudruck, wurde leer und ausdruckslos. Er trat dicht an mich heran, legte seine Hand in meinen Nacken und bot mir im Flüsterton und ohne auch nur eine Emotion zu zeigen an, mit ihm zu schlafen. Im Gegenzug muss ich dich aufgeben.“ Noch immer unter dem leichten Einfluss des GHB höre ich den Ausführungen meines Arbeitskollegen eher gleichmütig zu, ohne deren Bedeutung in vollem Umfang zu erfassen. Seufzend lasse ich mich nach hinten auf das Bett fallen, halte meine Hand nach oben und betrachte sie fasziniert. „Achtest du bei anderen Menschen auf das Aussehen ihrer Hände?“, frage ich zusammenhangslos. Reiji kommt über mich, verhakt unsere Finger ineinander. „Ist das im Augenblick relevant?“ „Du hast recht.“ Ich hebe meinen Arm und berühre den Mund meines Gegenüber. „Lippen sind viel interessanter, sinnlicher...“ Bestimmt ergreift Reiji mein Handgelenk, beugt sich zu mir hinab und küsst mich. Ich lasse mich bereitwillig darauf ein. Als wir uns wieder ein wenig voneinander lösen, schaut Reiji mich mit ernster Miene an. „Weißt du, wie einfach es für mich wäre, die Situation und deinen momentanen Zustand auszunutzen?“, flüstert er. „Dann fick mich“, entgegne ich herausfordernd, mit einem Lächeln. „So, wie du Taichi gefickt hast.“ Sofort gibt Reiji mich frei und setzt sich neben mich. „Ich habe nicht mit deinem Freund geschlafen, Yamato. Obwohl ich zugeben muss, dass die Versuchung groß war. Aber du kennst meine Einstellung zu Sex. Trotz Aufforderung seitens deines Freundes wäre es nichts als Zwang gewesen und keiner von uns hätte vermutlich Spaß gehabt, geschweige denn Lust empfunden.“ „Spaß“, wiederhole ich einfältig. „Darum geht es doch nicht.“ Fürsorglich streicht Reiji eine noch feuchte Haarsträhne aus meinem Gesicht. „Das ist das Einzige, worum es gehen sollte. Und zwar für alle Beteiligten. Ist es bei Taichi und dir etwa nicht so?“ Sofort entziehe ich mich seinem Blick und drehe mich, ohne zu antworten, auf die Seite, wende mich von meinem Arbeitskollegen ab. Dieser rutscht dicht an mich heran, seine Hand auf meine Hüfte legend. „Es tut mir leid, ich wollte nicht zu persönlich werden.“ Behutsam dreht er mich wieder ein Stück zu sich und küsst mich erneut, dieses Mal leidenschaftlicher und wesentlich fordernder. Ich spüre, wie Erregung in mir aufsteigt und auch Reiji scheint es zu bemerken. „Schade, dass dein enthemmtes Verhalten eher auf die Drogen zurückzuführen ist. Ich wüsste nicht, ob ich mich sonst noch länger beherrschen würde“, raunt er, hörbar von Begehren erfüllt, in mein Ohr. Dabei spüre ich die Wirkung des GHB eigentlich kaum noch. Lächelnd umfange ich seinen Nacken mit meinen Armen. „Ich hab dich lieb“, flüstere ich voller Zuneigung. In seiner Position über mir verharrend streichelt Reiji behutsam über meinen verbundenen Arm. „Hattest du vor, dich zu töten?“, fragt er vorsichtig nach. Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung. Vermutlich nicht.“ Die Mimik meines Gegenübers nimmt einen traurigen und besorgten Ausdruck an. „Möchtest du heute Nacht hier bleiben oder soll ich dich lieber nach Hause fahren?“ „Hier... bitte...“ Aufkommende Gedanken an meinen Vater und Taichi geben mir das Gefühl, kaum atmen zu können und es fällt mir schwer, die Tränen zu unterdrücken. „Shh. Es ist in Ordnung.“ Liebevoll und beruhigend küsst Reiji meine Stirn. „Aber informiere deinen Freund bitte, damit er sich keine Sorgen macht, okay?“ „Nein.“ Ich drehe meinen Kopf zur Seite, weiche seinem Blick aus. „Tut mir leid, Yamato, aber das ist meine Bedingung.“ Völlig außer Atem renne ich die Treppe nach oben. Meine Lunge brennt von der ungewohnten Anstrengung und ich habe das Gefühl, kaum Luft zu bekommen. Als ich gegen Mittag von Reiji nach Hause kam, hatte Taichi die Wohnung wahrscheinlich bereits vor Stunden verlassen, um zur Arbeit zu gehen. Da ich allein war, schaltete ich im Wohnzimmer den Fernseher ein und legte mich auf das Sofa. Nach kurzer Zeit siegte die Erschöpfung und ich schlief ein. In der Nacht kam ich durch das GHB kaum zur Ruhe. Die Wirkung der Droge ließ zwar bereits nach, dennoch suchte ich die Nähe und den Körperkontakt zu meinem Arbeitskollegen. Vielleicht war es eine Mischung aus Dankbarkeit, Zuneigung, sexuellem Verlangen, aber auch Einsamkeit und dem Gefühl, allein zu sein, die meinen Grundsatz, nicht mit Reiji zu schlafen, für den Moment aus meinem Kopf verdrängte. Zwar konnte Reiji mir soweit Einhalt gebieten, damit es nicht zum Sex kam, allerdings erregten ihn meine eindeutigen Berührungen und er ließ letztlich zu, dass ich ihn oral befriedigte. Ich bleibe kurz stehen, da meine Lunge sich immer schmerzhafter zusammenzieht. Keuchend stütze ich meine Hände auf den Knien ab und versuche, tief Luft zu holen. Aufgrund des Rauchens sowie keinerlei sportlicher Aktivitäten besitze ich kaum Kondition, weshalb mir ein kurzer Sprint die Treppe hinauf in die vierte Etage bereits unglaublich schwer fällt. Dennoch setze ich meinen Weg trotz Seitenstechen und nach wie vor schwerer Atmung fort. Ich habe keine Zeit zu verlieren. Als ich am Nachmittag aufwachte, fühlte ich mich nicht wesentlich besser, weshalb ich mir in der Küche einen Kaffee machen wollte. Auf dem Weg dorthin registrierte ich jedoch die leuchtende Lampe des Anrufbeantworters. Mein Vater hatte mehrfach versucht mich zu erreichen, um mich davon in Kenntnis zu setzen, dass Taichi aufgrund einer akuten Alkoholvergiftung im Krankenhaus liegt. Offenbar rief der in den frühen Morgenstunden im Vollrausch bei meinem Vater an. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreiche ich endlich den Flur und letztlich das Krankenzimmer, an dem der Name meines Freundes angebracht ist. Für einen Augenblick lähmt mich die immer stärker werdende Angst, weshalb ich kurz innehalte, bevor ich die Klinke behutsam nach unten drücke. Tai liegt regungslos im Bett, die Augen geschlossen. Auf einem Stuhl daneben sitzt mein Vater und blickt gedankenversunken aus dem Fenster. Als er registriert, dass jemand den Raum betreten hat, wendet er sich in meine Richtung. Seine Augen sehen müde aus, lassen ansonsten aber kaum eine Reaktion erkennen. In Anbetracht meines Verhaltens bei unserer letzten Begegnung ist die Kälte, die er mir nun entgegenbringt, vermutlich durchaus nachvollziehbar. „Er war vorhin, als er von der Intensivstation verlegt wurde, kurz wach“, berichtet mein Vater mit verhaltener Stimme, wobei er nicht mich, sondern meinen Freund ansieht. „Bei der Einlieferung war er nicht bei Bewusstsein, seine Blutalkoholkonzentration betrug 4,4 Promille.“ Seufzend fährt er mit der Hand über sein Gesicht. „Ich weiß nicht, ob ich von Glück sprechen soll, dass er durch seine Abhängigkeit eine größere Toleranz aufgebaut hat. Andernfalls...“ Mit vorwurfsvollem Blick schaut mein Vater zu mir. „Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Und wo warst du in der Nacht?“ „Bei Reiji“, antworte ich wahrheitsgemäß, bemüht selbstsicher und mit einer Endgültigkeit in der Stimme, die jegliche Diskussion unterbinden soll, obwohl ich mich selbst schuldig fühle und die Vorhaltungen meines Vaters als berechtigt empfinde. „Dein Arbeitskollege?“, hakt mein Gegenüber nach. „Ja. Und bevor du mir einmal mehr haltlose Anschuldigungen an den Kopf wirfst... ich habe mich nicht von ihm vögeln lassen.“ „Das ist deine Sache“, begegnet mir mein Vater mit abwertender Gleichgültigkeit und richtet seinen Blick erneut auf meinen Freund. „Aber vielleicht solltest du darüber nachdenken, dich von Taichi zu trennen. Denn wenn du ihn, wie du behauptest, tatsächlich liebst, solltest du allmählich bemerken, dass dein Verhalten ihn immer weiter in die Selbstzerstörung und letztlich in den Tod treibt.“ Fassungslos starre ich den Mann, den ich eigentlich liebe, doch der mir plötzlich unglaublich fremd erscheint, an. „Das meinst du nicht ernst.“ Ich lächle, obwohl meine Kehle wie zugeschnürt ist. Tränen füllen meine Augen. Aus Verzweiflung resultierende Wut kriecht in mir empor und ich balle meine Hand so fest zur Faust, dass meine Fingernägel mein Fleisch schmerzhaft durchbohren. „Reicht es nicht, dass du dich mir bereits weggenommen hast? Meine Befürchtung war also die ganze Zeit berechtigt. Du fickst meinen Freund noch immer und hast nie damit aufgehört, hab ich recht? Bist du nun zufrieden? Ich habe dir den endgültigen Grund geliefert, ihn mir wegzunehmen.“ Deutlich gereizt atmet mein Vater aus. „Soll ich auf diesen Unsinn tatsächlich noch reagieren? Verdammt noch mal, Yamato, lerne endlich die Realität zu sehen!“ „Ist die Realität nicht, dass du mit meinen Freund bereits im Bett warst?“, kontere ich feindseliger als beabsichtigt. Ohne noch ein weiteres Wort an mich zu verschwenden, verlässt mein Vater den Raum. Irritiert schaue ich ihm nach, dann richtet sich mein Blick auf Taichi, der noch immer zu schlafen scheint. Anschließend folge ich meinem Vater, um mit ihm zu reden. Bevor er das Treppenhaus erreicht, gelingt es mir, ihn einzuholen. „Warum gehst du einfach?“, will ich empört wissen. „Findest du es angemessen, hier und unter den gegebenen Umständen über ein derartiges Thema zu diskutieren?“ „Nein“, antworte ich leise, mit gesenktem Kopf. „Lass uns nach draußen gehen.“ Meine Aufforderung klingt unsicher und gleicht eher einer Bitte. „Ich wäre dir dankbar, wenn du mich im Moment mit deiner Anwesenheit verschonen würdest“, erwidert mein Vater unerwartet kalt. Entsetzt starre ich meinen Gegenüber an. „Was?“, hauche ich ungläubig. „Papa...“ „Yamato, denkst du nicht, es wäre besser für alle, wenn du dich für eine Weile fernhältst? Meinetwegen geh zu einem deiner Typen und lass dir weiter das Hirn rausvögeln. Viel scheint davon ohnehin nicht mehr vorhanden zu sein.“ Die Wut, die durch die Worte und das Verhalten meines Vaters in mir ausgelöst wurde, staut sich immer mehr auf, sodass ich schließlich die Kontrolle verliere, meine Hand zur Faust balle und ihm, ohne darüber nachzudenken, ins Gesicht schlage. Einige der Menschen um uns herum, welche ich allerdings kaum wahrnehme, bleiben stehen und beobachten die Szene schockiert. Vorsichtig betastet mein Vater seine aufgeplatzte, leicht blutende Lippe. Seine Mimik zeigt eine Mischung aus Verachtung und Mitleid. Aus der Situation heraus, in meinem Schmerz und meiner Enttäuschung bezüglich meines Vaters bereue ich nicht einmal, ihn geschlagen zu haben. „Mit dieser Tätlichkeit hast du soeben meinen Entschluss gefestigt, dafür zu sorgen, dass du Taichi in nächster Zeit nicht zu nahe kommst.“ Die Drohung, von meinem Freund ferngehalten zu werden, raubt meinem Körper sämtliche Kraft und ich sinke mutlos auf die Knie. „Ich... bitte dich... Pa...“ Meine Stimme versagt. Schluchzend breche ich endgültig zusammen. „Ist alles in Ordnung?“, höre ich eine fremde, männliche Stimme fragen, vermutlich jemand vom Krankenhauspersonal. „Ja. Entschuldigen Sie bitte den Aufruhr, der durch dieses unangemessene Verhalten entstand“, reagiert mein Vater deutlich beschämt und deshalb mit gedämpftem Tonfall. „Selbstverständlich werde ich mit meinem Sohn das Gebäude sofort verlassen und keine weiteren Probleme verursachen.“ „Sie sind verletzt“, bemerkt der Mann argwöhnisch. Mein Vater beugt sich zu mir hinab und legt seine Hände auf meine Schultern. „Das ist nichts weiter“, antwortet er abwinkend, wobei er jedoch nicht klingt, als wollte er mich in Schutz nehmen, sondern vielmehr die peinliche Situation entschärfen. „Steh auf, Yamato“, richtet er sich schließlich an mich. „Und vor allem, beruhige dich.“ Ich reagiere nicht. Zusammengekrümmt auf dem Boden kniend bebt mein Körper vom krampfhaften Weinen und meiner allmählich schwerfällig werdenden Atmung. Nun hockt sich auch der Mann vom Krankenhaus neben mich und streicht beruhigend über meinen Rücken. „Versuchen Sie langsam und bewusst zu atmen, junger Mann, sonst verlieren Sie die Kontrolle und hyperventilieren.“ Meine Arme um meinen Bauch geschlungen, kralle ich meine Finger fester in den Stoff meines Oberteils. Nur am Rande meiner Wahrnehmung bekomme ich mit, wie der Mann vom Krankenhaus meinem Vater einige Fragen bezüglich meines Nervenzusammenbruchs stellt und dass er im Akutfall auf die Möglichkeit einer medikamentösen Behandlung hinweist, die mein Vater für den Augenblick jedoch ausschlägt. Wenn es nach ihm ginge, würde er mich wahrscheinlich einfach komplett wegsperren und vermutlich fühlt er sich durch diesen Vorfall zusätzlich in der Richtigkeit seiner Meinung bestätigt. Nur mühsam gelingt es mir, meine Atmung zu normalisieren. Langsam richte ich mich ein wenig auf. Ich möchte nicht, dass sich mein Vater noch länger mit diesem Fremden über mich unterhält, erst recht nicht, da er auf dieser psychiatrischen Station zu arbeiten scheint. „Bitte lass uns nach draußen gehen“, hauche ich mit brüchiger Stimme. Zittrig setze ich einen Fuß vor den anderen. Sofort schließt mein Vater zu mir auf, unerwartet legt er stützend seinen Arm um meine Taille. Ein Stück weit verlassen wir das Klinikgelände, um uns auf die nächstgelegene Bank an einem Raucherpunkt zu setzen. Sogleich entzündet sich mein Vater eine Zigarette und hält mir dann die Schachtel entgegen. Fahrig nehme ich das Angebot an und ziehe den Rauch tief ein, in der Hoffung, durch das Nikotin etwas ruhiger zu werden. „Geht es wieder?“ Mein Vater klingt unerwartet besorgt. Seufzend atme ich aus. „Ja. Aber mich wundert, dass es dich interessiert“, antworte ich schließlich in bitterem Ton. „Egal, was du tust, ich liebe dich. Trotzdem weiß ich mittlerweile nicht mehr, wie ich auf dich noch reagieren soll. Womit helfe ich dir, was verschlimmert die Situation? Glaubst du, es fällt mir leicht, dich dir selbst zu überlassen, wenn ich nicht mehr genug Kraft für uns beide habe?“ „Es tut mir leid. Mein Verhalten, meine Worte...“, entschuldige ich mich mit gesenktem Kopf, flüsternd, aber aufrichtig. „Das Problem liegt nicht nur darin, sondern in den daraus resultierenden Folgen. Taichi, beispielsweise, ist nicht mehr in der Lage sich selbst vor dir zu schützen. Verstehst du, dass ich ihm deshalb Rückhalt geben möchte und von dir verlange, dich in nächster Zeit von ihm fernzuhalten?“ Mein Blick ist starr zu Boden gerichtet. Die Zigarette halte ich noch immer zwischen meinen leicht zitternden Fingern. Asche fällt auf den Asphalt. „Ich habe nicht mit ihm geschlafen“, sage ich tonlos und mehr zu mir selbst. „Was?“, hakt mein Vater nach, der mich offenbar nicht verstanden hat. Er nimmt einen kräftigen Zug von seiner Zigarette, während er auf die Wiederholung meiner Worte wartet. „Schon gut“, erwidere ich nur. „Es war nicht wichtig.“ „Yamato.“ Ich spüre die Hand meines Vaters in meinem Nacken. „Dass du Taichi liebst, bezweifle ich nicht, aber dein Verhalten spricht oft leider eine andere Sprache. Und alles deiner Krankheit zuzuschreiben, wäre meiner Meinung nach falsch. Dein Umfeld kann und darf nicht immer nur Rücksicht auf dich nehmen und dir all deine Eskapaden verzeihen.“ „Ich weiß“, lenke ich ein. „Allerdings wird mir sowohl von Taichi als auch von dir Fehlverhalten vorgeworfen, welches nicht der Realität entspricht. Und eine Richtigstellung meinerseits akzeptiert ihr nicht.“ „Du weißt, warum das so ist, Yamato.“ „Ja.“ Flüchtig drücke ich meine Zigarette in dem neben der Bank stehendem Aschenbecher aus. Mein Vater tut es mir gleich. Ich reibe mit meinen Fingern kurz über meine schmerzenden Lider, dann suche ich den Blickkontakt zu meinem Gesprächspartner. Entschlossen schaue ich ihm in die Augen. „Wenn ich sage, dass ich jetzt vollkommen ehrlich zu dir bin, glaubst du mir? Und zwar alles?“ „Yamato...“ „Ich bitte dich!“, unterbreche ich meinen Vater verzweifelt. „Also gut, ich versuche es.“ Aus Unsicherheit senke ich meinen Blick ein wenig. „Bei Reiji war ich nicht, weil ich irgendwelche Absichten hegte, ich hatte nicht einmal vor, zu ihm zu gehen, sondern...“ Verkrampft verhake ich meine Finger auf meinem Schoß ineinander, um das Zittern zu unterbinden. „... sondern... weil ich völlig mit GHB zugedröhnt war. Ursprünglich wollte ich, soweit ich mich erinnere, Heroin besorgen und mir einen Schuss setzen... eventuell sogar den goldenen. Warum ich letztlich zu Reiji ging, ist mir auch ein Rätsel. Vielleicht war es ein unbewusster Schutzmechanismus, aber wahrscheinlich eher lediglich eine Laune im Rausch. Leider kann ich nicht behaupten, dass zwischen ihm und mir gar nichts lief. Ich befriedigte ihn zumindest oral...“ Kurz halte ich inne. „... obwohl die Wirkung der Droge bereits nachließ. Ich glaube, ich wollte es tun, weil ich seine Zuneigung spüren wollte. In dem Moment hätte ich vermutlich auch mit ihm geschlafen. Allerdings hatten wir keinen Sex. Nicht vergangene Nacht und auch zuvor nicht. Kein einziges Mal. Zum Glück, denn ich würde es mit Sicherheit im Nachhinein wahnsinnig bereuen.“ Erneut suche ich Blickkontakt. Mein Vater sieht traurig aus. „Du glaubst mir nicht, oder?“, deute ich seine Mimik resigniert. „Ich glaube dir“, entgegnet mein Gegenüber jedoch unerwartet. „Seit wann nimmst du wieder Drogen? Hast du überhaupt jemals damit aufgehört?“ „Papa...ich...“ „Schon gut. Es gibt eine Sache, bei der auch ich ehrlich sein muss und die ich mit dir besprechen möchte.“ Argwöhnisch horche ich auf. „Taichis Eltern waren bis vorhin da. Um ehrlich zu sein, geben sie dir die Schuld an der Verfassung ihres Sohnes. Da sie dich vorerst nicht sehen möchten, gingen sie, kurz nachdem ich ihnen sagte, dass du auf dem Weg ins Krankenhaus bist. Außerdem verlangen sie, dass Taichi die Beziehung zu dir beendet. Ich soll diesbezüglich mit dir sprechen, damit es keine weiteren Probleme gibt. Auf Taichi brauchte seine Familie nicht lange einzuwirken. Scheinbar hat er einen Punkt erreicht, an dem Aufgeben mehr als eine Option darstellt.“ Ich starre meinen Vater fassungslos an. „Yamato, dein Freund ist am Ende. Mach es ihm nicht noch schwerer und gib ihn frei.“ Angst ergreift Besitz von mir, lähmt mich. Ich spüre, wie ich jeglichen Halt verliere. „Nein“, hauche ich mit erstickter Stimme. „Das soll er mir schon selbst sagen. Und zwar von Angesicht zu Angesicht.“ Mitleid zeichnet sich in der Mimik meines Gegenübers ab. „Das wird er, Yamato. Bitte, sei vernünftig. Für euch beide.“ Schmerzhaft verkrampft sich mein Brustkorb, sodass ich mich mit verschränkten Armen zusammenkrümme. „Nein. Nein, verdammt!“ Tränen laufen über meine Wangen. „Ich werde Tai nie gehen lassen. Ich..“ Es gelingt mir nicht, meinen Satz zu beenden. Plötzlich zieht mein Vater mich in seine Arme und drückt meinen bebenden Körper fest an sich. „Yamato.“ Sanft streicht er durch meine Haare. „Taichi braucht dringend Hilfe, die er von dir in der Form definitiv nicht bekommen kann. So bitter die Wahrheit auch ist, aber du bist die Hauptursache für seinen Zustand.“ Weinend presse ich mich stärker gegen meinen Vater. „Weißt du, im Moment wäre eine Auszeit wahrscheinlich wirklich am sinnvollsten.“ Die Stimme meines Vaters ist nachsichtig, sogar liebevoll. „Nicht nur für Taichi. Auch um dich mache ich mir große Sorgen, da du dich nach wie vor systematisch zerstörst. Deshalb mache ich dir einen Vorschlag.“ Ich nicke leicht, um meinem Vater zu signalisieren, dass ich einverstanden bin. „Taichi gab dem Druck seiner Familie nach und stimmte einem Entzug und einer anschließenden stationären Therapie zu. Seine Eltern wollen zusätzlich ein Besuchsverbot für dich erwirken.“ „Was?“ Meine Augen weiten sich, ich möchte mich von meinem Vater lösen, doch der hält mich fest in der Umarmung. Tais letzte stationäre Therapie brachte ebenfalls eine Trennung mit sich, in doppelter Hinsicht. Er benutzte Akito, um mich in seiner Anwesenheit in Sicherheit zu wissen und um ihn anschließend endgültig aus meinem Leben verschwinden zu lassen. Nur dieses Mal gibt es keinen Akito. Allein... ohne Taichi... leben... müssen... „Ich war noch nicht fertig“, holt mein Vater mich aus meinen Gedanken. „Gegen das Besuchsverbot kann, will und werde ich nichts unternehmen. Du musst verstehen, dass ihr diese Auszeit mindestens brauchen werdet. Allerdings möchte ich nicht, dass du während seiner Abwesenheit allein wohnst. Ich verlange von dir keine stationäre Therapie, die Alternative ist, dass du vorübergehend wieder zurück in dein altes Zimmer ziehst. Bist du einverstanden?“ Erneut nicke ich. „Ich erwarte absolute Offenheit und Ehrlichkeit von dir bezüglich Drogen, Selbstverletzungen und auch dein Sexualleben.“ „In Ordnung“, stimme ich ohne Protest zu. Ich bin zu erschöpft, um Widerworte zu geben. Zudem würde ich alles tun, um Taichi zurückzubekommen. „Ich schlage vor, wir besprechen das Ganze in Ruhe zu Hause und wenn du aufnahmefähiger bist.“ Mein Vater scheint meiner Umgänglichkeit nicht zu trauen. Verstohlen wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht und stehe auf. „Zunächst muss ich mit Tai sprechen.“ Gemeinsam gehen wir zurück zum Krankenzimmer meines Freundes. Vorsichtig öffnet mein Vater die Tür, schaut hinein und dreht sich dann zu mir um. „Er ist wach. Soll ich euch allein lassen?“ Ich nicke und gehe an ihm vorbei. Taichi wendet seinen Blick, als er mich sieht, von mir ab und schaut aus dem Fenster. Schweigend nehme ich auf dem Stuhl Platz, auf dem mein Vater zuvor gesessen hat. Wie gern würde ich meinen Freund fragen, wie es ihm geht, ihn berühren, in den Arm nehmen, doch seine Abwehrhaltung ist eindeutig, weshalb ich lediglich eine Frage stelle. „Liebst du mich?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)