Pirates of Japan von Bambusbesen ================================================================================ Kapitel 5: Finale Entscheidungen -------------------------------- Yahiko senkte die Hand mit dem Fernglas. „Sie folgen uns immer noch.“ Das Binokel reichte er an Konan. Schwer stützte er sich auf die Reling des Achterdecks und sah auf die Dschunke, die ihnen seit Tagen folgte. Sie mussten etwas gegen die Wachhunde des Kaisers unternehmen. Das wurde allmählich lästig. „Was planst du?“ Die Stimme des ersten Offiziers schwappte gelassen über das Plätschern des Meeres an seine Ohren. Der Captain seufzte. Drei Mannschaftsmitglieder waren nicht kampffähig. Itachi hockte unverändert apathisch im Quartier. Hidan war nicht in der Lage zu laufen und Deidara erholte sich nur langsam von der Stichwunde in die Seite. Es blieben sechs, die im Kampf taugten. In einem gewöhnlichen Seegemetzel würden sie unterliegen. Mit einer aggressiven, unvorhersehbaren Taktik konnten sie einen Vorteil erzwingen. „Es wird Zeit, die Bugkanonen zu testen.“ Die Entscheidung zum Gefecht war längst gefallen. Einen Plan hatte Yahiko entwickelt. Und seine Crew war verrückt genug, diesen umzusetzen. Das Manöver war nicht ungefährlich, schaffte ihnen aber bei erfolgreicher Durchführung die lästigen Verfolger vom Hals. Der Captain holte tief Luft. Dann schallte die tiefe Stimme durchdringend über die Akatsuki. „An Deck, Ihr Kielratten! Wir spielen Schiffe versenken.“ Hektisches Treiben wallte auf, nur der Steuermann blieb an seinem Platz wenige Meter von Yahiko entfernt. Sasori wandte sich ihm halb zu, die Hände gewissenhaft am Steuerrad. „Und wie sollen wir das mit den paar Leuten anstellen?“ Den beißenden Spott ignorierte er. Dieser Tonfall gehörte zu Sasoris normalem Umgangston. „Das erklär ich gleich.“ Yahiko wartete, bis alle kampffähigen Männer auf dem Deck versammelt waren. Ohne Hidan, Deidara und Itachi sah die verbliebene Meute kläglich aus. Ein Grund mehr, diese Aktion durchzuführen. Eine Handvoll Piraten reichte dafür. Der Captain stützte sich auf die Reling des Achterdecks. „Wir schicken unsere Verfolger jetzt auf den Grund des Meeres. Macht die Bugkanonen fertig.“ Verwirrung spiegelte sich in den Gesichtern. „Die sehen doch, wenn wir drehen. Bevor wir die Akatsuki in Position gebracht haben, haben die lange genug Zeit, uns eine Breitseite zu verpassen. Das ist Selbstmord.“ Kakuzu verschränkte mürrisch die Arme vor dem muskulösen Oberkörper. „Nicht, wenn wir den Backboard-Anker runterlassen.“ Selbst über den Wind hörte er Sasoris scharfes Einatmen. „Du willst was?“ Der Rotschopf ließ ihm keine Zeit zur Wiederholung. „Haben dir die Möwen ins Hirn geschissen? Wenn wir den Anker bei voller Fahrt runterlassen, reißen wir uns die halbe Boardwand auf!“ Auch das hatte der Captain einkalkuliert. „Nur oberhalb der Wasseroberfläche. Den Schaden können wir reparieren.“ „Macht ja überhaupt keine Arbeit… und kostet nichts“, brummte Kakuzu vor sich hin. „Mit der plötzlichen Wende können wir unsere Verfolger überraschen. Wir lassen sie näher kommen, drehen und setzen sofort unsere Bugkanonen ein. Die Dschunke besitzt keine Bugkanonen. Also können sie das Feuer nicht erwidern. Mit ein paar gezielten Schüssen versenken wir sie und halten unseren eigenen Schaden gering.“ Konan trat neben ihn und nickte ihm zustimmend zu. Sie erkannte die erdachte Strategie dahinter, mit den vorhandenen Gegebenheiten das Meiste herauszuholen. Von seinen Männern kamen keine weiteren Einwände. Demnach war es beschlossen. „Kakuzu, Kisame, Zetsu. Holt die vorderen Segel ein. Das Hauptsegel und die hinteren Segel bleiben.“ Ihre Verfolger durften nicht sehen, warum Sie weniger Fahrt machten. Er wollte sie im Glauben einer gewöhnlichen Verfolgungsjagd lassen. „Wenn ihr damit fertig seid, macht die Kanonen klar. Nehmt die Kugeln mit der größten Zerstörungskraft. Und zielt genau! Setzt ein paar Kugeln knapp unter die Wasseroberfläche.“ Ein einstimmiges „Aye“ erschallte. Die drei eilten davon und erklommen die Takelage. „Konan, sag den anderen Bescheid, dass wir gleich kämpfen und sie sich gut festhalten sollen.“ Yahiko tauschte einen kurzen Blick mit seiner Liebsten. Sie nickte. Zügig schritt Sie zur Luke und verschwand im Inneren der Akatsuki. Blieb nur noch Sasori. „Brauchst du Hilfe?“ Der Rotschopf war ein exzellenter Navigator, aber wenn das Steuerrad bei der Wendung durchdrehte, brauchte er eine Menge Kraft, um es wieder zu halten. Abfällig schnaufte der Kleine. „Ich hab genug Stürme überstanden. Das hier schaff ich auch noch.“ „Ich werde prüfen, ob man mit unserem Prinzen was anfangen kann.“ Yahiko begab sich ebenfalls ins Innere des Schiffes. Als Captain führte sein Weg ihn selten hinab in die Bilge. Abgestandene, modrige Luft schlug ihm entgegen. Mit einer Laterne in der Hand trat er zur Brig. Wenige Herzschläge betrachtete er den jungen Rotschopf, der seinen Blick emotionslos erwiderte. „Der Deal mit deinem Alten ist geplatzt. Sie haben sich nicht an unsere Abmachung gehalten“, erklärte der Pirat. Genauesten achtete er auf jede Regung ihres Gefangenen. Gaara zeigte keine Reaktion. Hatte er Gefühle in einem derartigen Ausmaß unter Kontrolle zwingen oder überraschte es ihn nicht? Ersteres war eine nützliche, doch für andere eine gefährliche Fähigkeit. Letzteres hinterließ einen traurigen Beigeschmack. „Seine Handlanger verfolgen uns. Dir bleiben jetzt also zwei Möglichkeiten. Du hilfst uns, sie zu ersäufen oder du gehst schwimmen.“ Der Kerl hatte garantiert noch nie im Leben schwer gearbeitet. Darauf nahm Yahiko keine Rücksicht. Sie brauchten jeden kampffähigen Mann an Deck, den sie hatten. Der junge Prinz schien nachdenklich. „Wenn ich euch helfe, was macht ihr anschließend mit mir?“ Eine berechtigte Frage. Der Bursche besaß genug Grips, weiter zu denken als Hidan einen Stein warf. „Da du für uns als Geisel keinen Wert mehr hast, kannst du bei uns bleiben, als Pirat unter meinem Kommando. Oder du verlässt die Akatsuki, wenn wir das nächste Mal Land anlaufen. Vorausgesetzt, du hilfst uns.“ Weigerte Gaara sich, sie bei dem Manöver zu unterstützen, lernte er die Rachsucht von Yahikos Mannschaft kennen. Langsam erhob der Rotschopf sich und trat näher an das Gitter. Der Captain sah hinab in die hellen Augen. Es war unmöglich, darin zu lesen. Yahiko bevorzugte es, wenn ein Blick in das Gesicht seiner Untergebenen genügte, um ihren Gemütszustand einzuschätzen. Aber darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen. „Ich helfe euch.“ In Gaaras Stimme hatte sich nichts verändert, sie wirkte nach wie vor klar und frei von Gefühlen. Der Captain deutete ein zufriedenes Nicken an. Er zog den Schlüsselbund unter der grünen Schärpe hervor und schloss die Zelle auf. Den Schlüssel hatte er sich von Deidara zurückgeholt, nachdem dieser zusammengebrochen war. Jemand musste sich um die Geisel kümmern, selbst wenn sie nutzlos geworden war. Mit einem Quietschen schob er die Gittertür auf und gab den Weg frei. Der Prinz trat hinaus. Die Brig verschloss Yahiko sorgfältig. „Folge mir“, wies er den Rotschopf an. Sie erklommen die steilen Treppen zum Deck. Die frische Meerluft begrüßte sie. Tief atmete der Captain durch. Der modrige Gestank in der Bilge war abscheulich. Im Tageslicht betrachtete er ihren adligen Helfer eingehend. Die kostbaren Gewänder waren verdreckt und eingerissen. An einigen Stellen hing sie schwer und dunkel vom Brackwasser. Die Füße steckten nicht mehr in Sandalen. Schmutz klebte an der hellen Haut. Der faulige Geruch der Bilge haftete ihm an. Wenn Gaara seine Aufgabe erfüllte, erhielt er frische Kleidung und durfte sich waschen. Auf hoher See mit einem begrenzten Wasservorrat war Waschen ein Luxus und je länger sie kein Land anliefen, desto schlimmer stank die gesamte Mannschaft. Aber der Gestank, der wie eine penetrante Wolke den Prinzen umgab, war ein anderes Kaliber. Der erste Offizier kehrte aus der Kombüse zurück. Hinter ihr wehten wüste Beschimpfungen von Hidan her. Diese brachen mit dem Zufallen der Tür ab. Zweifellos ärgerte sich Hidan, weil er durch die Verletzung nicht aktiv am Geschehen mitmischen konnte. Aber mit dem kaputten Bein war er ihnen nur im Weg, kam es im Kampf auf jede Sekunde an. „Konan, auf mein Zeichen lässt du den Anker fallen.“ Sein erster Offizier neigte verstehend den Kopf. Sie steuerte den Bug des Schiffes an. Um den Anker auszulassen, benötigte man nur eine Person. Ihn wieder einzuholen mehrere, weil er aus massigem Metall bestand. „Du lässt dann das Steuerrad los.“ Sasoris Blick tränkte sich in seine typische Überheblichkeit. „Ich bin ja nicht blöd.“ „Ein schlichtes Aye hätte gereicht“, mahnte er den Rotschopf. Manchmal brauchte der einen Dämpfer, wenn er zu anmaßend wurde. Sasori knirschte zwar mit den Zähnen, schwieg jedoch. Yahiko griff zu dem fein säuberlich aufgerollten Seil. In regelmäßigen Abständen befanden sich Knoten. An der Reling warf er das Seil ins Wasser hinab, hielt es nur am Ende fest. Nach kurzer Zeit holte er es wieder ein und zählte die nassen Knoten. Sie machten aktuell 30 Knoten Fahrt. Das war zu schnell für diese scharfe Wende. Sie mussten unter 20 Knoten kommen, um sich nicht selbst umzubringen. Der Captain sah hinauf zu den Segeln. Seine Männer hatten die vorderen Segel eingeholt. Sie sollten allmählich an Fahrt verlieren. „Unter 18 Knoten“, hörte er Sasoris Knurren. Heute ging ihm der kleine Steuermann besonders auf die Nerven, aber dessen Fähigkeiten waren mit keinem Gold der Welt aufzuwiegen. Er manövrierte sie selbst durch die schlimmsten Stürme und ließ an heimtückischen Riffen Verfolger auflaufen während die Akatsuki geschmeidig hindurchsegelte. Jetzt hieß es ohnehin warten. Yahiko wandte sich nach achtern. Stoisch behielt er die Dschunke im Blick. Zuerst kaum merklich, näherte sich das fremde Schiff später schneller. Schwere Schritte erklommen die Treppe. „Es ist alles bereit.“ Der Captain drehte sich zu Kakuzu um, der Gaara misstrauisch beäugte. „Gut. Nimm ihn mit. Er unterstützt uns.“ Der Schiffsarzt rümpfte abfällig die Nase. „Der steht doch nur im Weg.“ Ja, das war durchaus möglich. Aber Yahiko gewährte Gaara eine Chance, wenn er sich bemühte. Gute Männer waren schwer zu finden. Und sein Instinkt sagte ihm, dass der Prinz ihnen nützlich werden konnte. „Dann gib ihm leichte Aufgaben“, wies der Captain an. „Auf eure Posten und haltet euch fest. Wir wenden bald.“ Die Ware und alle Waffen wurden ohnehin immer vertäut, damit sie bei heftigem Seegang keinen Schaden anrichteten. Kakuzu schnaufte unzufrieden. Mit einer Kopfbewegung bedeutete er Gaara, ihm zu folgen. Der Rotschopf verließ mit dem Braunhaarigen das Achterdeck. Yahiko prüfte erneut ihre Geschwindigkeit. Das Wasser durchtränkte das Seil bis zum achzehnten Knoten. „17 Knoten“, sagte er an Sasori gerichtet. Der Feind war nahe genug. „Gut“, meinte Sasori einsilbig. Der kleine Navigator band sich ein Seil schräg um den Brustkorb und führte es über die Schulter. Das Ende fixierte er an einem Haken neben dem Steuerrad, damit er bei der harten Wende nicht weggeschleudert wurde. Yahiko tat es ihm nach. Er wickelte sich ein Tau fest um den Arm. Die andere Hand umgriff die Reling. „Konan, Anker!“, brüllte er über das Deck. Augenblicklich stellte er sich auf den kommenden Ruck ein, der unweigerlich folgte. Das Klacken des befreiten Ankers hörte er bis auf das Achterdeck. Mit einem lauten Platschen versank er im Wasser. Die Kette rasselte beim Abrollen. Seine Muskeln spannten sich. Wann der Anker auf Widerstand traf und das Schiff herumriss, konnte niemand genau sagen. Sasoris Finger lagen nur noch locker am Steuerrad, um es sofort loszulassen, damit er die Wende nicht behinderte. Holz barst ohrenbetäubend. Ein harter Ruck riss ihn von den Füßen. Er rutschte nach Backbord. Nur das Tau rettete ihn vor einer wilden Rutschpartie über das Deck. Wie hielt sich Sasori nur auf den Beinen? Das Steuer drehte durch. Yahiko spürte die Spannung im gesamten Schiff. Schwerfällig neigte sich die Akatsuki und gab dem Zug des Ankers nach. Unter lautem Rauschen wendete das Schiff. Weitere Planken krachten unter der Eisenkette des Ankers. Sasori, der bisher still gestanden und die Schräge ausbalanciert hatte, schnellte wie ein Skorpion vor. Seine Finger umgriffen fest das Steuerrad. Mit einem gequälten Keuchen stemmte er sich gegen die ungeheure Kraft des Meeres. Das Steuer kam zum Stillstand. Langsam legte sich das Schiff wieder in die Waagerechte. Yahiko zog sich an der Reling hoch. Die Macht der Wende vibrierte in den Knochen. Dagegen fühlte man selbst sich machtlos. „Feuer!“, schrie er aus Leibeskräften, den Blick fest auf die Verfolger vor ihnen gerichtet. Wenige Sekunden später donnerte die erste Kanonenkugel aus dem Bug. Wasser spritzte direkt vor der Dschunke auf. Man sah den Schaden zwar nicht, aber Yahiko war sich sicher, dass sie getroffen hatten. Kurz darauf erscholl der nächste Schuss. Knapp über der Wasseroberfläche schlug die eiserne Kugel ein riesiges Loch in den gegnerischen Bug. Weitere Kanonenschüsse folgten. Manche trafen direkt unterhalb der Wasserlinie, andere durchlöcherten die Bugwand. Mit Erleichterung beobachtete Yahiko, wie sich der Bug des Schiffes allmählich tiefer ins Wasser neigte. Kleine Gestalten liefen hektisch an Board der Dschunke umher. Ihr Schicksal war besiegelt. Die Einschusslöcher unter der Wasseroberfläche brachten Ihnen den Untergang. Ein weiterer Schuss folgte. Im Flug öffnete sich die Kugel zu zweien Hälften, verbunden durch eine Kette. Sie sauste über das Deck und prallte gegen den Hauptmast, zerbarst ihn. Als hätte eine höhere Macht die Zeit verlangsamt, neigte sich der große Mast mit den Segeln zuerst nur millimeterweise, dann immer schneller. Taue und Halterungen rissen. Mit einem ohrenbetäubenden Krachen brach der Mast durch die Steuerboardwand der Dschunke und teilte das Meer für wenige Sekunden. Laut klatschten die Segel auf das Wasser. Ein perfekter Schuss. Ihre Verfolger waren erledigt. Diejenigen, die sich rechtzeitig ins Meer retteten, überlebten nicht lange. Entweder wurden sie vom Sog des sinkenden Schiffs in die Tiefe gezogen oder die Pistolenkugeln seiner Männer gaben ihnen den Rest. Sie hatten gewonnen. Gefangen in einer endlosen Zeitschleife spielte sich das Szenario vor Itachis innerem Auge ab. Die scharfe Klinge des Katana schnitt durch die Sasukes Kehle. Das gurgelnde Geräusch bei dem vergeblichen Versuch zu sprechen, drang bis in den tiefsten Winkel seiner Seele. Die helle Haut glänzte vom roten Blut. Aus den schreckgeweiteten Augen wich allmählich das Leben. Die Waffe entglitt den Händen seines Bruders. Das Klirren von Metall auf Steinboden hallte in Itachis Ohren nach. Sasuke sackte wie ein leerer Sack zu Boden. Dessen Begleiter stürmten mit wütenden Schreien auf Itachi los. Instinktiv bewegte er sich. Die Hand führte sein Katana so sicher als wäre es ein Teil von ihm. Im Kopf herrschte nur ein Gedanke. Er hatte seinen kleinen Bruder getötet. Viele Menschen hatten den Tod durch Itachis Hand gefunden, nicht wenige davon waren Clanmitglieder. Sogar ihre Eltern hatte Itachi umgebracht. Bei keinem anderen gingen seine Empfindungen derart tief. Sasuke war sein geliebter Bruder, für den er sich eine bessere Zukunft gewünscht hatte, ohne den drückenden Einfluss ihres intriganten Clans. Sasuke hätte ein schönes Leben unter ihrem Daimyô führen können, mit einer liebevollen Frau an seiner Seite und Kindern. Sein kleiner Bruder hätte die Schande vom Namen der Uchiha fortgewaschen und ihm zu neuem Glanz verholfen. Doch er hatte sich für die Rache an Itachi entschieden. Der Geschützmeister hatte sich zurückgehalten. Seine Klinge führte er stets mit Bedacht. Das Ziel war es, seinen Bruder nach Japan zurückzutreiben. Aber dessen letzte Finte hatte Itachi nicht vorhergesehen. Sein Bruder war ihm regelrecht ins Schwert gesprungen. Mitten in der Bewegung gab es keine Möglichkeit, die Richtung zu ändern. Itachi hatte hilflos mit angesehen, wie der scharfe Stahl durch die ungeschützte Kehle fuhr. In diesem Moment glaubte er, sein eigenes Schwert zu spüren, wie es durch sein Herz schnitt. Der Hals des Schwarzhaarigen war trocken wie eine ausgedörrte Pflanze. Er hatte seinen kleinen Bruder getötet... Was war sein Leben jetzt noch wert? Itachis einziger Lebensinhalt war von ihm selbst zerstört worden. Wofür existierte er? „Bru...der“, murmelte er tonlos vor sich hin, sich nicht bewusst, dass er sprach. „...Itachi?“ Träge fokussierte sich der Blick der schwarzen Augen. Kisame stand vor ihm, beugte sich zu ihm hinab. Itachi fühlte sich, als sei er aus einem langen Schlaf aufgewacht. Das leise Blubbern eines kochenden Topfes drang an seine Ohren. Der Geruch von eingelegtem Ingwer wehte zu ihm. „Itachi, hörst du mich?“ Kisames Stimme wurde klarer. Langsam sah Itachi an dem Blauhaarigen vorbei. Er war in der Kombüse. Wie war er hergekommen? Das Letzte, woran er sich erinnerte, war die Seitenstraße der Taverne, in der Sasuke röchelnd zusammengebrochen war. Eine große Hand umfasste seinen Unterkiefer. Itachi sah müde zurück zu Kisame. „Itachi... was ist mit deinem Bruder?“, fragte Kisame ernst. Die Lippen des Geschützmeisters bebten. Die Bilder von Sasukes letzten Augenblicken stachen wieder und wieder in tief in ihn. Warum starb er davon nicht? „...tot“, brachte Itachi rau hervor. Kisame atmete auf. Die Pranken des Piraten legten sich schwer auf seine Schultern. „Endlich bist du wieder bei uns.“ Itachi verstand nicht. Er war wieder bei ihnen? War er denn lange weg gewesen? Wie war er zur Akatsuki zurückgekehrt? Und wieso? Er konnte sich niemals verzeihen, seinen kleinen Bruder umgebracht zu haben. Itachi hatte den Tod verdient. „Ich... habe meinen... kleinen Bruder getötet... töte mich.“ Flehend sah er Kisame an. Dieser blinzelte. Dann hockte er sich direkt vor ihn. „Hör zu. Was passiert ist, kannst du nicht rückgängig machen. Auch nicht mit deinem eigenen Tod. So hart das klingt, du wirst damit leben lernen. Und wir brauchen dich. Du bist Teil der Crew.“ Itachi nahm die Aussage auf. Sie waberten in der Leere des Geistes umher, schienen ihn zu verhöhnen. Ihm wurde bewusst, dass Kisame Recht hatte. Und doch füllten dessen Worte nicht das schwarze Loch, das er selbst gerissen hatte, als seine Klinge durch die Kehle Sasukes geglitten war wie ein Messer durch Papier. „Mein Leben... ist sinnlos.“ Wie das kümmerliche Flüstern des Windes in den Segeln kam die Erkenntnis über Itachis Lippen. Kisame seufzte. Dann umschlangen ihn die kräftigen Arme des anderen und er wurde fest an den muskulösen Körper gedrückt. „Das wird schon wieder.“ Warmer Atem streifte sein Ohr. Albern kam ihm die Bemerkung vor. Ein Impuls schoss durch seinen Körper, er solle sich dagegen wehren. Doch Itachi fehlte jegliche Kraft dazu. Er fühlte sich so erschöpft wie nach einem harten Kampf. Kisame hielt ihn. Er bewahrte ihn davor, in den schwarzen Abgrund zu fallen, der unter seinen Füßen waberte. Mit gleichmäßigem Druck führten Deidaras Hände die Bürste. Er hasste Deckschrubben, aber die Abneigung gegen diese Arbeit scherte das Meer nicht. Die Planken mussten frei von Salz gehalten werden, damit das Holz nicht angegriffen wurde. Wenigstens hatte sich jeder an der Aufgabe zu beteiligen. Außer der Captain, wie unfair. Hidan trällerte gemeinsam mit Kisame derbe Seemannslieder während Kakuzu, Gaara, Sasori und Itachi schweigend scheuerten. Deidara war erstaunt, dass der Geschützmeister wieder wie ein lebendiger Mensch agierte und nicht wie eine leblose Puppe. Er hatte Kisame gefragt, wie er das hinbekommen hatte. Ein ratloses Schulterzucken war die Antwort. Deidara war sich sicher, dass Kisame eine deutlich engere Beziehung zu dem Schwarzhaarigen führte als diese Sexbeziehung, die auf dem Schiff allseits bekannt war. Warum sonst sollte Itachi ausgerechnet wieder in die Gegenwart zurückgefunden haben, nachdem Kisame mit ihm allein gewesen war? Es dauerte garantiert eine Weile, bis Itachi zu seinem alten Selbst zurückfand. Er war höchst wortkarg und schwankte zwischen endloser Arbeit und Apathie. Letztens hatte Deidara ihn dabei beobachtet, wie er beim Einholen der Segel die eigenen Sicherheitsmaßnahmen vernachlässigt hatte. Als wolle er aus der Höhe auf das Deck stürzen. Der Tod wäre ihm gewiss. Obwohl Deidara den Kerl nicht leiden konnte, weil er mit seinem kalten Blick auf alle anderen hinab sah, wollte er wissen, was ihn so aus dem Gleichgewicht geworfen hatte. „Deidara, du sollst schrubben, nicht träumen.“ Sasoris knurrige Stimme erinnerte ihn an die lästige Beschäftigung. Mit einem unwilligen Seufzen tunkte er die Bürste in den Eimer mit abgestandenem Süßwasser. Gelangweilt widmete er sich wieder der eintönigen Arbeit. Aus den Augenwinkeln linste der Blonde zu dem Nagivator hinüber. Die Gesichtszüge waren angespannt verzerrt. Der Hass für diese Aufgabe war an den braunen Augen ablesbar. Sasori verabscheute das Schrubben genauso wie er. Deidara würde lieber über den Karten hocken und den Kurs berechnen. Das war anspruchsvolle Arbeit. Unweigerlich blitzte Sasoris rabiate Annäherung im Geist des Blonden auf. Ein kalter Schauer rann vom Nacken die Wirbelsäule hinab. Deidara warf die Bürste in den Eimer und erhob sich. Seine Schritte führten ihn zur Reling. Mit einem Seufzen stützte er sich darauf. Den Blick ließ er über die ruhigen Wellen schweifen. Sasori übte eine gewisse Anziehungskraft auf ihn aus. Doch durch dieses massive Drängen war sie mit Angst behaftet. Deidaras Hände ballten sich zu Fäusten. Dass seine Vergangenheit ihn immer noch so sehr beeinflusste, störte ihn gewaltig. Er war jetzt frei und konnte über sein Leben selbst bestimmen. Sasori hatte ihn verstanden. Seit dem missglückten Versuch, ihn gegen seinen Willen zu vergewaltigen, hielt der Navigator sich zurück. Deidara spürte die verlangenden Blicke auf sich, aber Sasori bedrängte ihn nicht mehr. Es gab ihm eine gewisse Sicherheit, dass sein Wunsch respektiert wurde. Eine nagende Unruhe harrte dennoch wie ein Moor in ihm aus. Es wartete nur darauf, dass etwas passierte und er in dem Schlick der eigenen Furcht versank. „Willst dich drücken?“ Deidara zuckte bei dem Klang von Sasoris Stimme zusammen. Mürrisch sah er zu dem Rotschopf neben sich. Dieser stopfte seine Pfeife, entzündete sie und nahm einen tiefen Zug. Augenblicklich entspannten sich dessen Gesichtszüge. Man könnte ihn fast als friedvoll bezeichnen, wenn man ihn nicht näher kannte. Warum gesellte sich der andere Gedanken ausgerechnet jetzt zu ihm? „Nur ne kurze Pause, machst du doch auch, hm“, erwiderte Deidara. Das graublaue Auge richtete sich wieder auf das Wasser. Er öffnete seine Hände und ballte sie erneut zur Faust. Es reichte! Er würde sich nicht länger von der Vergangenheit beeinflussen lassen und wie ein verschrecktes Kaninchen in seinem Bau hocken. Er entschied, wer ihn anfasste. Und wann derjenige das durfte. Deidara wollte nicht das restliche Leben darauf verzichten, nur weil er Angst hatte, dass sich wieder jemand über ihn hinweg setzte. Jetzt war er stark und hatte Waffen. Er könnte Sasori den Schwanz abschneiden, wenn er etwas tat, was ihm nicht gefiel. Und Deidara wollte wissen, wie ficken war. Die anderen schwärmten ständig davon. Mit einem Ruck wandte er sich Sasori zu. Forsch griffen seine Finger in den Stoff des schwarzen Gi und zogen ihn zu sich heran. Die braunen Augen weiteten sich überrascht. Sasoris Mund öffnete sich, zweifellos um zu protestieren. Deidara verschloss die weichen Lippen. Nach ein paar Herzschlägen wich die Verblüffung aus dem Blick des Navigators. Unter den hellen Haaren grub sich Sasoris freie Hand in seinen Nacken. Die fremde Zunge schlüpfte in Deidaras Mund. Ein hitziger Tanz entfachte. Jäh wurden sie von einer fliegenden Holzbürste unterbrochen, die Deidaras Arm traf. Polternd fiel das Gerät auf den Boden. „Ficken könnt ihr später!“ Hidans frustrierte Stimme wehte zu ihnen. Sasori löste sich von dem Blonden. Sein Gesicht blieb nur wenige Zentimeter entfernt. Der begierige Blick bohrte sich in ihn. Deidara erkannte die unausgesprochene Frage darin. Sasori wollte erfahren, was diese plötzliche Aktion zu bedeuten hatte. Der Ältere erinnerte sich genauso klar an ihre kurze Auseinandersetzung wie er. Musste echt schmerzhaft für ihn gewesen sein. „Wenn wir allein sind, hm“, hauchte Deidara gegen die schmalen Lippen. Ohne eine Reaktion abzuwarten, ließ er von Sasori ab. Sich wieder auf das Deck kniend, wandte er sich höchst konzentriert der langweiligen Arbeit zu. Mit festen Zügen schrubbte er über das Holz. Sein Herz raste. Was zur Hölle hatte er getan? Er hatte Sasori sein Einverständnis gegeben, mit ihm zu ficken, sobald sie alleine waren. Ein Wirbelwind an Gefühlen warf ihn im Inneren hin und her. Angst und Aufregung brausten durch jede Faser seines Körpers. Entschlossen atmete er durch. Deidara nahm die Worte nicht zurück. Er wollte mit seiner Vergangenheit abschließen. Und das würde er tun! Gaara saß im Krähennest an die Spitze des Mastes gelehnt. Die jadefarbenen Augen streiften über das Meer. Bis auf Wasser, die Sonne und vereinzelte Wolken am Himmel sah er nichts. Sie waren allein hier draußen. Den ehemaligen Prinzen beruhigte diese Tatsache. Die Wochen der Gefangenschaft waren grausam gewesen. Im Bauch eines Schiffes ausharren zu müssen, nicht zu wissen, ob Tag oder Nacht war. Die Abhängigkeit von den Piraten war für ihn weniger furchterregend. Seit er denken konnte, hatte sein Vater, der Kaiser, sein gesamtes Leben bestimmt. Gaaras erste freie Entscheidung war die Bildungsreise. Mit dem Angriff der Gesetzlosen hatte sie ein jähes Ende gefunden. Doch auf andere Art hatte er in den letzten Monaten vieles gelernt. Beispielsweise, dass sein Gefühl korrekt war und er seinem Vater nichts bedeutete. Obwohl er es immer geahnt hatte, tat die Erkenntnis nach wie vor weh. Gaara hatte glücklicherweise nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. Nur wenn er in der Koje lag oder hier oben Wache schob, damit sich ihnen kein Schiff ungesehen näherte. Bis vor dem Angriff der Akatsuki hatte er Piraten für eine Bande Räuber ohne jede Moral gehalten. Und ausgerechnet diese Menschen behandelten ihn mit einem Respekt, den seine Familie nie aufbringen könnte. Sie erledigten die anfallenden Arbeiten gemeinsam, aßen zusammen, lachten über derbe Witze und sangen Lieder. Der raue Umgangston war ungewohnt für Gaara und er tat sich mit den Aufgaben an Bord eines Schiffes schwer, doch er fühlte sich zum ersten Mal im Leben frei. Bei den Piraten wusste er immer, woran er war. Keine Lügen, keine Intrigen. Für eine ordentlich erledigte Arbeit bekam er ein Kopfnicken. Seine Bemühungen wurden anerkannt. Sie behandelten ihn wie ein gleichwertiges Crewmitglied. In der Familie war er der Schuldige gewesen, der die Kaiserin getötet hatte. Ein Blick in Gaaras Gesicht hatte Vater und seine Geschwister an diese Tragödie erinnert. Darum waren sie ihm immer ausgewichen. Die Piratenbande schien die Vergangenheit des Prinzen nicht zu interessieren. Sie fragten nicht. Und sie schauten ihm direkt in die Augen. Gaara hatte nie erwartet, dass es so gut tat, Beachtung zu finden. Eine dunkle Linie am Horizont weckte seine Aufmerksamkeit. Der Rotschopf nahm das Fernglas zur Hand und sah hindurch. In weiter Entfernung breitete sich ein Streifen Land aus. Ob das ihr Ziel war? Der Captain hatte beschlossen, Madagaskar anzulaufen. Dort sollten die Geschäfte prächtig laufen. Außerdem musste über das Gemetzel in Singapur Gras wachsen, bevor die Akatsuki sich in diesem Teil der Welt wieder zeigen durfte. Fürs Erste schloss Gaara sich den Piraten an. Seine Bildungsreise nahm eine ganz eigene Wendung. Jetzt lernte er das Leben kennen ohne die Fesseln eines goldenen Käfigs. Und vielleicht war er in ein paar Jahren bereit, seinen eigenen Weg zu gehen, ohne die Piraten. Gaara ließ das Fernglas sinken und beugte sich über den Rand des Krähennestes. Tief holte er Luft. „Land in Sicht!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)