The Karanest Tales von Pego (Geschichten rund um Ansedom) ================================================================================ Kapitel 1: Stromausfall ----------------------- In dem immer dunkler werdenden Büro im Westflügel saß ein dunkelhaariger Elf und hämmerte wie besessen auf die Tastatur seines PC ein. Vivlest von Karanest war fleißig bei der Arbeit. Jetzt lehnte er sich zurück und musterte zufrieden seiner Tage Werk. Eine ganze Menge, die er da geschafft hatte. Aber steif war er geworden. Er stand auf und machte vor dem offenen Fenster ein paar Kniebeugen. Dabei atmete er tief die milde Abendluft ein. Er hatte gar nicht gemerkt, wie spät es geworden war. Vivlest schaltete die Schreibtischlampe an. PLOPP machte die Glühbirne. Und DÄNGG der Bildschirm. Mißtrauisch betrachtete Viv den dunklen Bildschirm. Das sah nicht nach einem neuen Bildschirmschoner aus. Ein Blick aus dem Fenster sagte ihm, dass es in der ganzen Burg zappenduster war. Nicht mal die Lampen im Burghof brannten. Sah ganz nach Stromausfall aus. Ups! War er das gewesen? Mit hängenden Ohren stand Vivlest vor seinem stummen und blinden PC. Sein Werk, sein Leben, seine Biographie. Alles futsch. Lutes hatte da mal was von "Zwischenspeichern" gefaselt, aber so was hat ein Hörr von Karanest doch net nötig. Jaha, mancher lernt es auf die harte Tour. Vom Flur her schimmerte ein Licht. Viper kam zur Tür herein. Mit einer Kerze. Irgendwie war Vivlest enttäuscht. Er war schon froh, Viper zu sehen. (nicht dass er Angst im Dunkel hatte). Aber von seinem Kampfmagier-Buchhalter hatte er schon etwas anderes erwartet als so ne popelige Kerze. Ein magisches Licht zum Beispiel, oder lauter kleine Glühwürmchen-Zauberfeuer.. "Ist hier alles in Ordnung?" prüfend hob Viper seine Kerze. Deshalb konnte Viv sein Gesicht besser sehen als sonst. War ihm schon ein Rätsel, warum sich so ein gutaussehender Typ (ihr habt doch alle sein schnuffiges Porträt gesehen) hinter seiner Kapuze versteckte. Selbst Sanella hatte das nicht abgeschreckt, nun, das war Viper's Angelegenheit. Er, Viv würde jetzt mal dafür sorgen, dass die Sicherung wieder reinkam. Es ist faszinierend, welche Anziehungskraft ein offener Sicherungskasten auf das Männchen der Spezies Homo Sapiens ausübt. Alles was Hosen trägt, und im Fall von Burg Karanest ist das bildlich gemeint, stand wie ein Mann (^^) hinter Lutes und kommentierte das Umlegen der Sicherungsschalter fachmännisch. Selbst Irian, der nach eigener Aussage absolut keine Ahnung von Elektrizität hatte, erlag der Faszination dieses Sicherungskastens. Ein Glück, dass die Stromversorgung der Burg erst vor kurzem so aufgerüstet worden war, nicht auszudenken, was los wäre, wenn Lutes vor den Augen all dieser selbsternannten Ingenieure diese altmodischen Sicherungen raus- und reingeschraubt hätte. Safi und Sanella standen oben an der Kellertreppe. Safi mit einem Kerzenständer, Sanella hatte die Sturmlaterne ergriffen (und freiwillig nicht herausgerückt). Eine Weile schauten sie sich das Treiben schweigend an. Dann warfen sie sich einen Blick zu, der nur für Eingeweihte zu verstehen ist. "Pack mer's" sagte Sanella und verschwand in der Dunkelheit. Ganz kurz noch war das Licht ihrer Laterne zu sehen, dann war auch dieses verschwunden. Kurze Zeit später konnte man sie aus dem Küchengarten Holz hacken hören. Stromausfall hin oder her, auf Karanest würde es heute, wie jeden Abend, ein warmes Abendessen geben. Die Inbetriebnahme des alten Herdes sagt doch alles über Sanellas Einschätzung der Lage aus, oder anderes formuliert, über ihr Vertrauen in die Fähigkeiten der Herren der Schöpfung, für äh, fließenden Strom zu sorgen ^^. Während Sanella sich also um Licht und Wärme im gemütlichsten Raum des Hauses kümmerte, beschäftigte sich Safi mit einem anderen, nicht minder wichtigem Problem. Sie schnippste mit den Fingern "Häduh!" Der Page war gut erzogen - und hatte Ohren wie ein Luchs. Er hatte es sowieso nicht geschafft, ganz nach vorne zu kommen und kam jetzt schnell die Treppe hoch (Safi hatte ihre Untergebenen wirklich im Griff.) Aus schmalen Augen musterte sie den Pagen, dann schaute sie nochmals nachdenklich auf die Truppe, die sich unten an der Treppe versammelt hatte. Lutes tat sein Bestes. Wirklich (wer's net glaubt, bekommt's mit mir zu tun *Fäuste in die Seite stemm*). Frey sorgte dafür, dass sein Kumpel genügend Licht hatte und hielt den batteriebetriebenen Suchscheinwerfer immer im richtigen Winkel. Viv gab knurrende Befehle (warum der hier keine Szene hinlegte "wer war das, das gibt's doch ne, sorg endlich für Licht", war ein Rätsel, mit dem sich Safi später beschäftigen würde) und auch Irian flatterte herum. Unwillig schüttelte Safi den Kopf. Es war nur eine ganz kleine Bewegung, die man kaum sah. Aber dem aufmerksame Häduh (ist halt Erfahrungssache) entging sie nicht. Und der wußte, was sie bedeutete! Safi war nicht zufrieden, mit dem was sie sah, üüüüüberhaupt nicht. Sie hatte wunderschöne braune Augen. Sanft, seelenvoll und von dichten Wimpern umrahmt. Geduldig ließ sie die Musterung dieser kühlen blauen Augen über sich ergehen. Sie konnte ja nicht ahnen, dass die Person mit diesen Augen, die sich so selbstbewußt gab, innerlich zitterte. Die waren so groß! Safi, deren hauptsächliches Tätigkeitsfeld laut Stellenbeschreibung die Falknerei war, kam selten in den Kuhstall. Ehrlich gesagt, nie. Gut, gut, sie trank ihren Café au Lait, sie mochte Sanellas Puddings und alles, wo die gute alte Landmilch halt so drin ist. Manchmal schlich sie sogar nachts an den Kühlschrank, um sich an einem gutgekühlten Glas Milch zu laben, aber mit den Milchproduzenten an sich hatte sie sich noch nicht beschäftigt. Und wer will schon wissen, wo was herkommt und was wo genau drin ist? So eine "gewollte" Ahnungslosigkeit ist manchmal nicht das schlechteste. Deshalb ist es ihr hoch anzurechnen, dass sie daran gedacht hatte. Kein Strom = Keine Melkmaschine = keine Milch. Und überhaupt, die armen Kühe! Nun ist es meistens so, das Problem ist zwar erkannt, aber eine Lösung liegt in weiter Ferne. O.k., sie wußte, wo bei einer Kuh vorne und hinten war. Sie hatte sogar die Milchquelle ausfindig gemacht, die war seltsamerweise hinten (wie unhygienisch). Aber diese Milchquelle jetzt in Gang zu setzen, das wollte sie der Kuh (und sich selbst) nicht antun. Aus diesem Grund trabte Häduh über den mond- und sternenbeschienen Feldweg zum Hof vom HuberAnton, Hilfe holen. Er sollte fragen, ob die Lene und die Milchmilli kommen und aushelfen konnten. Safi hockte auf einem Strohballen im dunklen Stall und kaute auf einem Strohhalm. So unangenehm war das hier gar nicht. Die Kühe stampften ein bißchen, rupften Heu raus und ab und zu muhte eine verwundert. Was war denn los? Die Kühe waren ihren geregelten Tagesablauf gewohnt, wo blieb denn der Melker? Das fragte sich Safi auch. Wo blieb den Hähduh mit den Mädchen? Soo gemütlich war es hier nun wieder rauch net. Die Stalltür knarrte. Häduh war zurück. Ohne Melkmädchen, aber mit einem wichtigtuerischen Gesichtsausdruck. Safi kümmerte sich nicht darum. Wo käme sie denn hin, wenn sie den Launen ihrer Untergebener folgen würde? "Kommen die Mädchen nicht?" fragte sie deshalb scharf (na der HuberAnton konnte was erleben) "Dodoch" japste Häduh, weil er so gerannt war. "Didie kommen gleich, aba die haben auch keinen Strom, keiner hat Strom, die ganze Stadt ist dunkel, zappeldunkel." "Zappenduster" korrigierte Safi automatisch. Ganz Ansedom ohne Strom? Was war passiert? Auf halber Strecke zwischen Ansedom und der Burg lag das kleine Trafohäuschen, in dem der Strom für Ansedom und Umgebung äh, aufbereitet wurde (die Geschichte mit Starkstrom und Wechselstrom, ihr wisst schon). Normalerweise war es ein unauffälliges, kaum beachtetes Häuschen. Aber nun, da ganz Ansedom im Dunkeln lag (und in der Stille - kein Radio, kein TV, kein gar nix, einfach furchtbar) hatte sich um das Häuschen herum eine große Menge versammelt. Fackeln brannten, Laternen wurden hochgehalten. Revolution? Aufstand? Dafür war die Menge eigentlich zu ruhig. Schweigend standen sie da, nur ab und zu tuschelte jemand. Auf irgendwas wurde gewartet. Der HuberAnton war gekommen. Weil er mit den Hühnern aufstand, ging er auch mit diesen schlafen (könnt ihr euch das auch vorstellen, der HuberAnton auf der Hühnerstange ^.~) Nein, nein, er hatte schon im Bett gelegen. Und als Häduh aufgetaucht war, war er wieder aufgestanden. Im Dunkeln hatte er zwar seine Klamotten gefunden, aber vergessen, seine Gute-Nacht-Zipfel-Mütze abzunehmen. Wenn's nicht so ernst wär, hätt bestimmt einer gelacht. Der Bürgermeister war da, der Stadtkämmerer, der Stadtbüttel, es kann sein, dass ich sogar Fandres gesehen hab, aber beschwören würd ich das nicht. Auch alle Burgbewohner waren da, Viv und Safi, Lutes und Frey, Häduh hatte sich diesmal einen Platz ganz vorne gesichert. Sanella hing zitternd an Irians Arm (fragt nichtt, wie sie das geschafft hat).. Zittern tat übrigens auch der Bürgermeister von Ansedom! Verzweifelt hob er die gefalteten Hände. Er fühlte sich für den Stromausfall verantwortlich. Was heißt fühlte! Er war es, theoretisch. Genaugenommen war es gar kein Stromausfall, der Strom war schlicht und einfach abgeschaltet worden. Abbestellt! Vom Bürgermeister persönlich. Was war bloß passiert? Schlicht und einfach das, was jedem von uns mal passieren kann. Ansedoms Bürgermeister war von der Werbung verführt worden. Er hatte es doch nur gut gemeint. Und dabei hatte es sich so einfach angehört. Der Bürgermeister hatte die Karte ausgefüllt, der Stadtbüttel hatte sie in den Briefkasten geworfen und dann hatte man nur noch warten müssen. Worauf? Na auf den billigen Strom, der mit der Farbe. War doch eigentlich eine gute Sache, die der Bürgermeister da angeleiert hatte. War nur ein schlechtes Timing gewesen, denn der alte Stromdienstleister hatte seine Tätigkeit ein bisschen zu früh eingestellt (typisch) und der neue war ein wenig, nur ein ganz kleines Bisschen bitteschön, zu spät dran. (Typisch! Habt ihr schon mal einen Telefonanschluß umbestellen wollen? Gleiche Nummer nur anderer Wohnort? Vergesst es, eine neue Nummer ist nervenschonender). Weil alles so schnell gegangen war, hatte der Bürgermeister die Bevölkerung nicht informieren können (darf der das?) Eigentlich hätte das ganze mitten in der Nacht stattfinden sollen. Dann hätte es keiner gemerkt, außer vielleicht die Leute mit nem Radiowecker. Der Bürgermeister hatte sich das so schön vorgestellt, quasi als Überraschung für seine Mitbürger. Weniger Stromkosten, wer will das nicht? Und jetzt das! Von Ansedom herkommend sah man ein paar Autoscheinwerfer. Ein erwartungsvolles Raunen ging durch die Menge, das aber kurze Zeit später in ein enttäuschtes "Ohhhh" umsprang. Der Kerl mit der Hakennase in einem hellen Overall entsprach wohl nicht ganz den Erwartungen. Flink sprang er aus dem Fahrzeug, dessen helle Farbe man im unsicheren Licht der Fackeln nicht so recht erkennen konnte, weiß, orange, rosa? G...*patsch, dem Autor auf die Finger klopf - Keine Schleichwerbung! Das macht schon Kaiser Franz ^.~* Er hatte ein gleichfarbenes Sparschwein im Arm. Angesicht der erwartungsvollen Menge wollte er schon mit einem Werbevortrag anfangen, wurde aber von Lutes und dem Stadtbüttel unsanft daran gehindert. Fast dass sie ihn trugen, schoben sie ihn in das Häuschen. Ergeben machte er sich ans Werk. Es schepperte furchtbar und etwas klapperte ganz arg. Ein furchtbarer Fluch ertönte, aber ich bin zu gut erzogen, um ihn hier zu wiederholen. Es gab einen lauten Knall. Und dann, dann wurde es Licht! Das kleine Warnschild über der Sicherheitstüre des Trafohäuschens leuchtete auf. Wie ein Mann drehte sich die Menge in Richtung Ansedom um und machte "AAAAAAAHHHHHH", denn eine nach der anderen gingen die Straßenlaternen der Stadt wieder an (eigentlich technisch unmöglich, aber he, das ist meine Geschichte ^^). Auch in den Häusern brannte wieder Licht und plötzlich erinnerten sich die Ansedomer. An Töpfe auf dem Herd, an Kuchen im Backofen und an Bügeleisen, die während des Bügelns (so schien es) den Geist aufgegeben hatten. Die ersten Frauen rannten los, Männer hinterher. Spätere Generationen werden sich wohl den Kopf zerbrechen, wie wohl das traditionelle "Rennen von Ansedom" entstand. Aber ich kann euch beruhigen. Es ist nichts passiert. Nun ja, abgesehen von dem Schaden, den einige selbsternannte Elektriker am heimischen Sicherungskasten verbrochen haben :þ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)